Unternehmen stehen heute faktisch unter dem Druck, sich mit
moralisch motivierten Forderungen diverser Stakeholdergruppen auseinandersetzen zu müssen. Entsprechende Schlagworte lauten etwa Corporate Social Responsibility, (Good) Corporate Citizenship, Sustainability, Global Compact, DJSGI, Ethical Investment usw. Als Folge wird „Moral“ (verstärkt) zu einer Managementaufgabe. Unternehmensethik hat diese Aufgabe systematisch zu analysieren und Beiträge für ihre erfolgreiche Bewältigung zu liefern.
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Der Grundkonflikt der Unternehmensethik
„Gewinn“
Konflikt
„Moral“
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Zum Begriff „Moral“
1. „Moral“ im beschreibenden Sinne meint die faktischen als
moralisch wahrgenommenen Intuitionen, Urteile, Überzeugungen, Interessen und Handlungsweisen von Menschen (Stakeholdern).
2. „Moral“ im normativen Sinne meint solche moralischen Urteile,
Überzeugungen, Interessen, Entscheidungen bzw. Handlungsweisen und Normen, die vernünftigerweise als richtig bzw. „gut“ anzusehen sind.
(beachten: Die Aufgabe eines professionellen Managements von
„Moral“ umfasst beide Aspekte.)
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Beispiele für den Konflikt zwischen Gewinn und Moral
Menschenrechtsver- Vernachlässigung von
letzungen Sicherheitsstandards Kinderarbeit Rüstungsexporte in ‚Knebelung‘ von Spannungsgebiete Lieferanten „Trittbrettfahrer- Umweltverschmutzung Standortpolitik“ Korruption Geldwäsche Bilanzverschleierung Hohe Preise für Unlautere Werbung lebensnotwendige Medikamente Mobbing ...
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Der Grundkonflikt als Ausgangspunkt
In einer Marktwirtschaft, in der Unternehmen als korporative
Akteure – unter Wettbewerbsbedingungen – agieren, müssen Gewinn und Moral grundsätzlich miteinander vereinbar sein bzw. gemacht werden, d.h. Unternehmen benötigen grundsätzlich eine Legitimationsbasis („license to operate“). Dabei haben auch die Unternehmen Beiträge zu leisten, ihre „license to operate“(aufrecht) zu erhalten, indem sie dazu beitragen, Konflikte von Gewinn und Moral zu vermeiden bzw. zu bewältigen. Unternehmensethik kommt in diesem Zusammenhang einerseits eine kritisch-reflexive, andererseits eine konstruktiv-pragmatische Rolle zu.
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„Moral als Managementaufgabe“: Anforderungen an Theorien
1. Kritik verfehlter (‚unmoralischer‘) Strategien der Gewinnerzielung
(und ihrer theoretischen Grundlagen) 2. Kritik verfehlter (‚unrentabler‘) Strategien der Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung (und ihrer theoretischen Grundlagen) 3. Heuristik für eine Kompatibilisierung von Gewinn und Moral: – Analyse der normativen und der empirischen Bedingungen des Grundkonflikts („Diagnose“); – Herleitung ethisch begründbarer und ökonomisch implementierbarer Lösungen des Grundkonflikts („Therapie“); – (relevante) Erkenntnisse zum Management unternehmensethisch relevanter Vermögenswerte (z.B. Unternehmensintegrität, Vertrauensatmosphäre usw.) bereitstellen; – Rationalisierung des Dialogs mit Stakeholdern (einschl. der Analyse der (Berechtigung der) Ansprüche von Stakeholdern).
Auflösung des Grundkonflikts zugunsten des Gewinnprinzips:
„The social responsibility of business is to increase its profits“ Kritik eines verfehlten, „sozialistischen“ Verständnisses von sozialer Verantwortung (von Unternehmen) Manager haben als „Agenten“ Verantwortung gegenüber den Kapitalgebern. Die diffuse Aufgabenbestimmung „soziale Verantwortung“ eröffnet Möglichkeiten des Missbrauchs und unterminiert sinnvolle Koordinationsmechanismen. Demgegenüber bietet der Gewinn (Shareholder Value) ein geeignetes Kriterium der Kontrolle der (erwünschten) Leistung von Managern. Für die Lösung sozialer oder ökologischer Probleme hat der Staat die Verantwortung, die er wahrnehmen soll, ohne die Funktionsfähigkeit des Marktes zu beeinträchtigen.
Der moralorientierte Ansatz von P. Ulrich („Diagnose“)
Gesellschaftliche Probleme werden verursacht durch
(ungehemmtes) Gewinnstreben, das forciert wird durch
(unbeschränkten) Wettbewerb, der legitimiert wird durch
(ideologische) Ökonomik bzw. Managementlehre
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Der moralorientierte Ansatz von P. Ulrich („Therapie“)
(Unbedingtes) Primat der Ethik vor der Ökonomik („kritisch-
normatives Potenzial der Ethik“) bzw. ethische Fundierung der Managementlehre; Begrenzung des Wettbewerbs durch rechtliche und moralische Normen; (Unbedingter) Vorrang der Moral vor Gewinnstreben; Implementation: Einsicht bzw. richtige Gesinnung der handelnden Personen; ethische, d.h. machtfrei geführte Dialoge mit allen Stakeholdern; Einforderung von (unternehmens-) ethisch begründeten Rechten und Normen.
Wirtschaftsbürger („Der «Stakeholder-Dialog» als Ort deliberativer Unternehmenspolitik”) über “lebensdienliche”, legitime und zumutbare Managemententscheidungen
Zurückweisung von Rechtfertigungen, die auf empirische
Restriktionen („Sachzwänge“ des Budgets, der „notwendigen“ Gewinnerzielung oder des Wettbewerbs usw.) verweisen („vorbehaltlose Legitimitätsbedingung unternehmerischen Handelns“)
Beitrag der Theorie: Bereitstellung von entsprechenden
Argumentationsstrukturen
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Kritische Beurteilung der Position Ulrichs
1. Kritik verfehlter (‚unmoralischer‘) Strategien der
Gewinnerzielung
2. Kritik verfehlter (‚unrentabler‘) Strategien der
Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung
3. Heuristik für eine Kompatibilisierung von Gewinn und
Die Goldene Regel: Investiere in die Bedingungen der
gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil Institutionen als systematischer - nicht einziger! – Ort der Moral Marktwirtschaftlicher Wettbewerb als Mittel der Förderung gesellschaftlicher Zusammenarbeit Unternehmen als korporative Akteure, die von der Gesellschaft Verantwortung zugewiesen bekommen Prinzip anreizkompatibler Verantwortung
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Offene Institutionen, Verantwortung und Vertrauen
Der Sinn von Institutionen liegt darin, Individuen Freiheit in einer
Weise zu eröffnen, die der eigenen und zugleich allgemeinen Besserstellung dient. Diese Eröffnung individueller Freiheit ist zum einen verknüpft mit der Zuschreibung von Verantwortung, diese Freiheit entsprechend zu gebrauchen. Sie ist zum anderen verknüpft mit dem Vertrauen in den einzelnen, dass er seine Freiheit auch verantwortlich gebraucht. Verantwortungszuschreibung und Vertrauensgebung geschehen nicht blind oder naiv, sondern entlang einer glaubwürdigen, institutionell gestützten Selbstkontrolle entlang den Anreizen (z.B. durch etablierten Leistungswettbewerb). Diese Verantwortung kann auch Organisationen (z.B. Regierungen, Unternehmen) als korporativen Akteuren übertragen werden.
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„Moral als Managementaufgabe“ aus Sicht der ökonomischen Unternehmensethik
1. Unmoralische Strategien der Gewinnerzielung verschlechtern die
(Bedingungen der) gesellschaftliche(n) Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil 2. Unrentable Strategien der Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung sind unter Bedingungen des – grundsätzlich legitimierten – Marktwettbewerbs nicht überlebensfähig 3. Die (erweiterte) Goldene Regel als Heuristik der Kompatibili- sierung von Moral und Gewinn: „Investiere in die Bedingungen (= Vermögenswerte) der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil!“
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Kontexte von Moral
Handlungsbedingungen (t1)
Handlungen (t1)
Handlungsfolgen (t1)
Handlungsbedingungen (t2)
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Moral als Vermögenswert
Moral erweist sich als Vermögenswert in Form jener Bedingungen,
die die gesellschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil fördern bzw. den Grundkonflikt vermeiden oder zu bewältigen helfen: individuelle Einstellungen und Dispositionen, z.B. Leistungsbereitschaft, Loyalität, Vertrauenswürdigkeit Unternehmenskultur: Vertrauensatmosphäre im Unternehmen (Binnenperspektive) Unternehmensintegrität: Reputation des Unternehmens als verlässlicher Partner(Außenperspektive) Formale (rechtliche) und informelle (soziale, kulturelle) Normen und Institutionen, die gesellschaftlich erwünschte Handlungen fördern und eine ‚Infrastruktur‘ für Unternehmen darstellen.
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Moral als Managementaufgabe
Moral – als Vermögenswert – ist nicht nur eine persönliche
Angelegenheit, sondern eine Managementaufgabe. Moral als Vermögenswert bedarf des Urteilsvermögens, z.B. hinsichtlich der Anreizwirkungen von Organisationsstrukturen. Moral als Vermögenswert bedarf argumentativer und kommunikativer Kompetenz. Der Vermögenswert Moral erfordert Investitionen, z.B. in Unternehmenskultur, in den Dialog mit Stakeholdern, in Governance-Strukturen, die die Kompatibilität des Eigeninteresses der Unternehmensmitglieder mit den Interessen des Unternehmens und der Gesellschaft herstellen.
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Probleme
Fristigkeit der Investitionen in Moral
Unsicherheit der (wirtschaftlichen) Erträge von Investitionen in Moral Messbarkeit von „Moral“ Zurechenbarkeit (wenn Erfolge sichtbar: worauf gehen sie zurück?) (Wecken von) Erwartungen bei Stakeholdern Komplexität des Faktors Moral leichte (bloß verbale) Imitierbarkeit Problem der Glaubwürdigkeit
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Schlussbemerkungen
Es ist unvermeidlich, jene (künftigen) Handlungsbedingungen mit zu
beeinflussen, die die künftigen Handlungsspielräume und damit künftige Erträge mitbestimmen. Dies trifft auch auf die hier mit „Moral“ umschriebenen Vermögenswerte zu. Insofern lohnt es sich, die Möglichkeiten einen professionell(er)en Managements dieser Vermögenswerte auszuloten. Moralisches Handeln meint letztlich vernünftiges Handeln. Insofern ist „Moral als Managementaufgabe“ gleichbedeutend mit der Aufgabe, ein vernünftiges Management zu betreiben. Dies klingt trivial, ist es jedoch nicht mehr, wenn man versteht, dass (und inwiefern) im unternehmerischen Alltag Vordringliches und Messbares oft andere ‚weichere‘ Vermögenswerte in den Hintergrund treten lässt, so dass es wichtig ist darüber nachzudenken, wie diese – in vernünftiger Weise – präsent gehalten und zur Geltung gebracht werden können.