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FI N A N C I A L TI M E S DE UTSC H LA N D

ausgeben F R E I TAG , 2 7 . A U G U ST 2 0 0 4
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„Mülleimer werden zum Imageträ-

Spaß ist ein


ger für Sauberkeit“, sagt Bernd Müller
von der Berliner Stadtreinigung. Die
sprechenden Mülleimer – zurzeit ste-
hen zwei vor der Philharmonie in der
Nähe des Potsdamer Platzes und einige
vor dem Bahnhof Zoologischer Garten

Abfallprodukt
– machten das Wegwerfen für die be-
rüchtigt schmutzigen Hauptstädter
erstmals zum Event.
Eine Solarplatte versorgt die Eimer
mit Strom, sodass sie jeden Einwurf
lobpreisen können: „Dufte Leistung,
Kumpel“ oder „Danke, echt knorke von

D
arf man so etwas überhaupt dir“ oder „Volltreffer“.
noch Mülleimer nennen? Die Saga geht weiter mit dem „Wet-
Der „Spaceboy“ thront in terboy“. Mit den beiden Stangen an der
der Küche wie eine aufge- Seite und seiner runden Wetterschutz-
richtete Fliegerbombe, pechschwarz haube sieht er aus wie R2D2, und hat
wie der Helm von Darth Vader und 82 auch fast die gleichen Features. Er ros-
Zentimeter hoch. Wer weiß, vielleicht tet und jammert nicht, brav schluckt er
entsorgt sich dieses Ding ja selbst, viel- alles, womit ihn Passanten füttern, und
leicht schießt es ab einer bestimmten Spaceboy XL Zieht manche denken sich: „Ist der aber
Füllmenge durch die Decke und ab ins Vorbei die Zeiten, in denen Blicke und Müll von süß.“ Nur piepen kann er noch nicht.
Weltall. selbst an. Stahlblech pul- Bisher verhielt sich der Mülleimer in
Das wäre allerdings ein bisschen hässliche Mülleimer den um verbeschichtet, Kunst- einer Designer-Küche wie ein schwar-
teuer, denn der Spaceboy kostet knapp stoffrand unten, Klappe zes Loch: Der umliegende gute Ge-
200 €, eine Ausführung mit amerikani- sie herum eingerichteten aus Edelstahl, innen schmack wurde einfach neutralisiert –
schen Stars and Stripes noch ein biss- Stahlblech feuerverzinkt, die schöne Küche und das Biest. Heute
chen mehr. Deshalb hat der deutsche
guten Geschmack aufsaugten 290 €, www.wesco.de werden teure Abfalleimer zwar nicht
Hersteller Wesco auch keine Zündvor- wie ein schwarzes Loch. als Zeichen von Luxus gesehen. Doch
richtung angebracht, lediglich eine sie sollen den umliegenden Luxus bit-
feuerverzinkte Innenseite, eine Edel- Die schluckfreudigen teschön nicht kaputt machen. Außer-
stahlklappe und eine pulverbeschich- dem sind große Müllbehälter in Zeiten
tete Außenseite. Behälter gelten endlich als steigender Abfallgebühren ein Status-
Vor zehn Jahren bewies der Eimer symbol.
„Can“ mit dem kuppelförmigen Möbelstücke von Wert Mehrere Haushaltsfirmen haben
Schwingdeckel, dass Müllbehälter aus den Trend erkannt und tüfteln an
Plastik gut aussehen können. Das Er- VON CHRISTOPH LEISCHWITZ hochpreisigen Produkten – weltweit. In
folgsmodell von Authentics wurde so Deutschland gibt es aber noch eine an-
häufig nachgeahmt, dass die Firma aus dere Besonderheit: Hier wird beson-
Gütersloh fast Pleite ging. Nun aber ders viel Wert auf Hygiene und Nutz-
legt Authentics mit „Tip“ einen Nach- wert gelegt. Das machte sich die Firma
folger vor. Stardesigner Konstantin Leifheit zunutze, die vor dem Sprung in
Grcic verpasste ihm einen Drahttritt- Tipp Großer Wurf für den Markt vor einem Jahr herausfand,
bügel und kassierte schon erste De- kleinen Preis von Desig- auf welche Tugenden es den Deut-
signpreise. ner Konstantin Grcic, ab- schen besonders ankommt: Standfes-
Den „Spaceboy“ gibt es in 14 ver- waschbar, recycelbar, tigkeit und Geruchlosigkeit.
schiedenen Farben, das macht ihn op- uni oder mehrfarbig, „Unsere Abfallsammler haben unten
tisch anpassungsfähig. Das muss er 20 € (7 Liter Volumen), einen extra breiten Sockel, damit sie
auch sein, denn der „Spaceboy“ ist die 33–39 € (15 Liter), nicht umkippen können, wenn man
Speerspitze einer universalen Bewe- 50–60 € (30 Liter), auf das Pedal drückt“, erklärt Thomas
gung: Design-Abfalleimer verdrängen www.authentics.de Kunkler, Produktmanager von Leifheit.
die billigen Plastikbehälter aus Küchen Oben ist außerdem ein Gummiring
und Badezimmern der Mittel- und eingelegt, der nicht nur den Geruch
Oberklasse-Haushalte. besser einschließt, sondern auch für
In Deutschland, das Wegwerfen zur eine Betriebsakustik sorgt, wie es sich
Wissenschaft und nationalen Aufgabe Ohren aus der Oberschicht wünschen:
macht, hat die Lust am Entsorgen arg Das Zuschnappen des Deckels hört
gelitten. Zeit für eine Trendwende. sich an, als würde eine Mercedestür zu-
„Wir betrachten unsere Produkt als fallen. Dazu kommen Features wie an-
Möbelstück“, sagt Rainer Büth von tibakterieller Kunststoff und extra
Wesco, „als Prestigeobjekt, bei dem breite Fußpedale.
man nicht mehr peinlich berührt weg- Und was wäre ein guter deutscher
sieht.“ Mülleimer ohne Trennung? Leifheit
Selbst besonnene Vertreter der Mut- lässt die Kunden beim Kauf entschei-
ternation des Wegwerfens, die USA, den: Entweder zwei Tütenklemmen
preisen die Edeltonnen. „Endlich ein oder ein Eimer-im-Eimer-System in
179-$-Mülleimer zum 1000-$-Herd“ zwei Farben, zum Beispiel gelb für Bio-
freute sich unlängst die geschmacks- müll und grau-silber für den ganzen
sichere „New York Times“. Wer auf Kneasy Lässig per Knie- Rest. Für die multifunktionalen Samm-
Hauspartys sonst nichts zu erzählen stoß zu öffnen, ab Sep- ler sind bis zu 119 € zu berappen.
hat, der kann sich immerhin über den tember, in Edelstahl Bleibt noch die Frage, wann die Ab-
Abfalleimer des Gastgebers ereifern. 355 €, in Edelstahl matt falleimer selbst in den Müll gehören.
Manche lassen sich mit dem Knie öff- 394 €, in Farbe 180 €, Die Antwort ist beruhigend: Weil die
nen und heißen Kneasy („knee“ und www.wesco.de Müllsammler aus hochwertigem Mate-
„easy“ = „kneasy“). Andere sehen in ih- rial bestehen, schrecken die großen
rer silbernen Ummantelung so gut und Firmen nicht davor zurück, bis zu zehn
steril aus, dass man ein schlechtes Ge- Jahre Garantie zu vergeben. Soll noch
wissen bekommt, wenn man einen mal einer sagen, wir lebten in einer
30-Cent-Joghurtbecher einwirft. Wegwerfgesellschaft.

Gut gemacht Gut gemalt Gut gemeint


Alphabet 2008 Betrachtungsverwinkelt Für Schläferhunde
Die Olympischen Spiele Er reckt und streckt: Monitore, Farbfelder, Blicke Nach einer Umfrage der Freien Universität Berlin
sind seit jeher ein Festival aus dem Fenster. Der Maler Martin Borowski, meinen über 56 Prozent der angeblich so tierlieben
von Zeichensprache. Jede Jahrgang 1970, zieht seine Motive gern zu lang Berliner, dass eine artgerechte Hundehaltung in der
Sportart lässt sich pro- gestreckten Flächen in die Horizontale. Dann geht Großstadt prinzipiell nicht möglich sei. Kein Wun-
blemlos in einer Abfolge er nah ran, an Schubladen etwa. Sie sind so der, wenn die Tiere
Authentics; Petra Steiner; FTD/Maxim Sergienko; Textkontakt; Wesco (2); Hunter

offizieller Piktogramme extrem gezoomt, dass man das Gezeigte kaum hin und wieder nach
erklären, die so universell erkennen kann. Oder die Handfläche auf der Kindern schnappen.
sind wie der Sport selbst. Scham eines Mädchens, so stark vergrößert, dass Vielleicht sollten
Das Gemäkel an Olympia die Handlinien aussehen wie eine Landkarte Film langsam vorbeizuziehen scheint. Diese neue Hunde mal ausspan-
hatte den Wettbewerbsnachteil, dass es sich der („Kleines Fragment“). Nun aber ist der aus Hoy- Art der Darstellung hat manche seiner Fans nen wie moderne Großstadtherrchen: auf einem
Sprache bediente. Diesen Missstand hat der briti- erswerda stammende Künstler mit dem feinen irritiert, viele begeistert. Die Preise haben zuletzt Futon, der die Gesundheit des Hundes positiv
sche Designer Jonathan Barnbrook endlich besei- Pinselstrich naturalistischer geworden. Etwa mit um etwa ein Fünftel angezogen, Borowski ist einer beeinflusse, wie der Hersteller wirbt. Die Berliner
tigt. Schiebung, Korruption, Kommerz, Hysterie, „Appenzell“: ein Öl-auf-Leinwand-Gemälde, das der Senkrechtstarter des Sommers. Tierforscher warnen allerdings: Ob ein Hund beiß-
Doping, politische Instrumentalisierung und ande- kürzlich in der von VW unterstützten Ausstellung Judith Borowski, weder verwandt noch verschwägert freudig ist oder kinderlieb, hängt nicht von seinen
re Schlüsselworte goss er in verständliche Bildspra- „Fehlfarben“ zu sehen war. Das Bild zeigt den ................................................................................ Schlafgewohnheiten oder seiner Rasse ab – sondern
che. Die verstehen auch Chinesen. DS Raum eines Museums in Appenzell, ein Fenster, vom Verhalten des Herrchens. Wat kiekst’n so? DS
MARTIN BOROWSKI über Elly Brose-Eiermann, Büro
................................................................................ der Blick hindurch – vorbei an Sitzmobiliar und für Kunst, Bischofsweg 24, 01099 Dresden, ................................................................................
0351/848 59 83; Galerie Volker Diehl, Zimmerstr. 88–91,
einer wie der Betrachter nach draußen schauen-
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