Documentos de Académico
Documentos de Profesional
Documentos de Cultura
jKjM
'^T.^^B *' Vs
^^Hu^ '^te
H^?^^
^
^ #'
r!i5^:y
-"»^ ift
^%i.
STUDIES
THE INSTITUTE GF MEDIATOR
10 ELMStEY PLACE w
CANADAJ ^
TORONTO 5,
S)ie
asott
Dr. g. ^torj.
DEG ^3 1331
arbeiten, bie \\^ mit ber ^^Uofop^ie be§ l^t. 5luguftinu§ Befd^äftigen,
^^itofop^ie. ®er 3[^erfa[jer biefe§ fleinen 2ßer!eg ^ai nun ben 33erfud^
rcurben aufeer ber ©efd^id^te ber ^l^itofop^ie üon JRitter: §uber, bie
fid^t beurtl^eiten.
Ser SBerfaffer*
j
3 n H It
grfter tmL
©eitc
§ 1. 5iagemetne (Jl^araftertj^lf 1
§
§
5.
6.
7.
®ie
3)te
@en)tj3'f)ett
<Stune§evfenntni|
©er 3}erfianb (ratio)
....
be§ ©elBftBerou^tfemS
....
30
40
43
§
§ 8. ©te {nteUectueKe ©rfenntni^ 46
§
S 10.
9.
:5)ritter ti^til
BQ
.t
SSi
VI Sn^att.
Mitlitt Xf^tiL
Seite
51 ng m e e i u e ß 1; ara f t e r t ft t f
^d^ärfe unb 3:iefe ber @eban!en unb von einer ^^^^lität ber 5tuffafjung,
bie nur au§ bem ^^neren eine§ genialen, tieffinnigen ©eifteg unb eineg
feit unb ©tärfe beä ©efü^B, auf geuer unb Waii)t beg SSillenS fon)ie
auf ba§ 2)ermögen ber ©peculation unb ^ialectif l^infel^en, ift 5lugufti=
nu§. 35n l^at feiner erreid^t, raenn aud^ bie meiften etraaä unb üieleä
üon il^m §aben. (5r geljört ju jenen ©etftern, in roeld^en ^unbert
anbere rao^nen.
unb üielfeittg au^geftaltete. Unb babei ift eä nic|t bloß biefe ober jene
Se^re, burd& bereu 5(u§bilbung fein S^lame für hk (^ntraicflung ber fol=
fte|t er ben größten ^enfern ber alten rcie ber neuen ^üt ebenbürtig
gur ©ette unb ^at al§ folc^er aud^ in ber ©efd^td^te ber ^l^itofopl^ie
(Bi^ unb Stimme, W i^m, roie Dritter fagt, feiner, ber il^n fennt, üer^
jid§ aufgenommen unb verarbeitet l§at, fonbern baß aud^ bie UniöerfaUtdt
feiner gorfd^ung faft alle hk Probleme in il^ren ^ereid^ 30g, mit benen
bte forfd^enben Genfer oor unb nad^ il^m befd^äftigt raaren; fie jeigen,
ausprägt, beraeifen gur ©enüge, baß er mit großer Äraft unb ©etb?
rcinben unb in ber ^^eriobe eine§ mel^r gereiften ©enfenä auf allen
TOU^te. 5Öaä man il^m guraeilen gum 3Sorn)urf mac^t, ift bie oft rcicber^
nod^ gu fel^r im ©ud^en begriffen raar, raomit er benn an(!^ felber fid^
cntfd^ulbigt, raenn er fagt, baß baä (Sud^en mel^r rebe, alä ba§ ^inhm *.
ba§ il^n auf bem 33oben concreter 2Bir!lid^!eit feft^ielt, 'ok ^inge weit
inniger a(§ mit bem STuge be§ 35erftanbeg erfaffen tiefe unb il^n in eine
SDie ^raft beg SDen!en§ unb bie ^iefe be§ ©efü^B finben ftd^ Bei i^m
nebeneinanber unb jügeln ftd^ gegenfeitig. Sßßenn ba^er in ber golgegeit
riefen, foraoK ^i^ (Sd^otaftü, roeld^e gegen ha^ ©nbe i^rer (Sntraidflung
immer me^r einer gemütl^Iofen SDialefti! Derfiet, al§ aud^ bie ?iJlt)ftif,
(gegriffen unb mel^r einfeitig fortgebilbet. 5Iuä biefem @runbe finb aud^
ftd^ mitkn im Särm ber großen 2ßelt unb fein ©emüt^ raarf xf)n in hit
ftürmifd^ften Sßogen beä Sebenä. 2öie er auf ber 33a§n beä fittlid^en
niffen gu fdmpfen. 2lber gerabe l^ier geigte ftd^ W ©rofee feine§ ®eifte§.
2öa§ eine gemö^nlid^e Statur erbrücft l^ätte, ha^ reifte nur ben 2öibcr=
ftanb ber feinigen um fo fräftiger, fo bafe i^m jebe 2ßunbe ^ur ©tarfung,
jebe 5^ieberlage jum ©iege rerl^elfen mufete. Sßenn hit ^^ilofopl^ie, fagt
5^ouriffon, ein (Sud^en nad^ SCöal^rl^eit ift, fo gab e§ niemals einen p^i^
1*
4 erfJcr S^fil.
^iefe fort. 5(lä er enblid^ für feine ^erfon ben feften (^tanbpunft ber
Sßa^r^eit gefunben l^atte, führte er einen tangjäl^rigen ^ampf gegen bie
oerfc^iebenen 3^^^P^^^ itinex ^dt unb führte il^n mit ben geiftigen
für aÜe ©eiten beä ©afeinä erfd^to^ unb if)n nid^t abftract, fonbern au6
bem Seben ^erau§ benfen liefe, ©o raurbe feine 2Beltanfdf)auung nid^t
§ 2.
5Iuguftinug war üon Geburt ein ^^tiht, aber feine fromme *D}^utter
l^atte aud^ einen d^rift(i($en ©amen in i^n gefäet, rae^^alb er üon ficft
fagt, ben ^amen be§ ©rloferg ^abe fc^on fein partes ^er^ mit ber
?0^nttermild^ eingefogen unb e§ l)abe i^n lief feftgel^ alten. 2ßa§ immer
biefen Flamen nid^t entl^ielt, fonnte i^n niemaB üödig ^inreigen, wenn
e§ au$ nod^ fo ml ®elel^rfam!eit, geile unb Söal^rl^eit offenbaren
mo($te*. Seiber feffelte ein auf ba§ 6inntid^e gerid^tete§ (Streben feinen
jugenblid^en @eift, ber fi($ t)on ®ott abraanbte unb nad^ au^en §in jer=
ftreute^. ©urd^ bie §ingabe an ba§ ©innli^e rourbe fein t)on D^atur
an§ fd^on rege§ ^^antafieleben nod^ gefteigert unb üerlor jeben ^ng^el^.
Sebod^ erfd^Iaffte fein energifd^er ©eift nid^t. ^n feinem neunzehnten
ßecture unb bie^ gab feinem ©eifte eine anbere ^ic^tung. 5Iöa§ i^n an=
jog, war nid^t bie gorm, fonbern ber ^nl^alt biefer ©d^rift, in rael^er
ber ^^^ilofop^ie ^o^eä Sob gefpenbet unb hk Reifung ertl^eilt rairb, beim
6tubium ber $§i(ofopl^ie mir W SSaljrl^eit jum 3^^"^^ S^^ ^^^^^ ^^^
\)k ^öal^rl^eit nid^t blo^ al§ eine ©adje be§ ©enfcng, fonbern aud^ be§
Seben§ aufjufaffen, nid^t blog nad^ ©rfenntniß ber Sßal^r^eit, fonbern
aud^ nad^ Sebenäraeig^eit gu ftreben unb burd^ ein Seben, ha^ t)on
frei gemadf)t ift, fid§ a(§ Sünger unb 33ere]^rer ber ^^ilofopl^ie, bie ja
\)a^ Streben nad^ Sßeigl^eit ift, ^u errceifen. Sin ber Seetüre biefer
@d§rift entjünbete fid^ feine ßiebe jur Söeis^eit. ^ine l^eifee ©e^nfud^t,
ein begeifterte§ Oberlängen, fid^ über bie finnlid^en ^egierben unb el^r«
geizigen 33eftrebungen, bie fein ^er^ raolit erfüllten, aber nid^t au§füttten
mit einem l^od^mütl^igen 35ertangen nad^ ß-rfenntniß, nid^t mit einer 2rr=
mutl^ im ©eifte na^te^. Unmillig t)on i^r fid^ abmenbenb, fud^te er
für ba§ ^ebürfniß nad^ Sßal^rl^eit, ba§ fid^ fo mäd^tig in i^m regte,
lid^feit bte groBen fragen be§ Sebens ju löfcn porgaben. ?lid^t leidet
?Dlunbe, ji^fammen mit ber ron i^nen oft rateber^olten iBer^eiBung, baß
haft lag hierin für einen 3üng(ing, ber ftofjen ®eifte§ nad^ ber Söal^r*
§eit fragte! 5Iber gerabe hk manic^difc^en ^Infc^auungen, bie il^n mel^r
al§ neun ^a^xt gefangen hielten, griffen tief in feine geiftige Öntraicflung
(^r hungerte unb bürftete nac^ ber SBal^r^eit unb bie i^^anid^der ftellteu
i^m jur Ola^rung feineä @eifte§ nur '^^antafiegebilbe cor. gern oon
ber 33al^r^eit, fern oon ©Ott, irrte er in jenen leeren ßinbilbungen rote
in ber grembe um^er unb fanf immer tiefer, rceit er \>k ^Sal^r^eit nid^t
mit jenem örfenntniBoermögen fud^te, burd^ rae[cf)e§ fid^ ber 9D^enfc§ oor
bem 2;^iere auä^eic^net, fonbern mit bem nieberen leiblichen Sinn, oon.
bem fein an bie 3innlic^feit Eingegebener @eift gefeffett rcar, meil mit
anberen Qi^orten feine gan^e 3}orfteIIung5- unb SDenft^dtigfeit in 'iiin
mit lebhaften v5Lit:ben. £a fein leibüd^eg 5Iuge nur bi§ ^um c^örperlid^en
reid^te unb fein geiftiges nur bis ^u finnlid^en ^^^antafiegebilben, fo fud^te
er aud^ ®ott nur in fo(c§ eiteln ©ebilben ber ipi^antafie unb roar nid^t
im Staube, bie ©eiftigfeit beä ^öc^ften SSefeng ^u erfennen; er ocr^
fid^t aber, roelc^e id^ oom ©eiftigen ^atk, lieB mic| hit SSa^rl^eit nid^t
erfennen. Unb rcenn mir bie iJBa^r^eit mit ©ercalt in bie 5Iugen
fpringen roollte, fo roanbte fid^ mein fd^roanfenber ©eift t)0n fold^er un=
förperlid^en Realität roieber ju forperli($en Umriffen, T^arben unb erten=
Italien, al§ annehmen, bafe i^ nic|t baSfelbe fei, raag bu bift. SDefel^atb
bem, wa^ raeber in bir nod^ in mir no($ in bem ^^orpertid^en roa^xt^
(B^in §at, fonbern oon meinem Söal^n au§ bem ^örperlid^en erträumt
raurbe." ^ ^^ {^xn enbtid^ auf biefe 3ßeife ©ott bod^ niemaB aB etwa^
2ßal§r]^afte§ unb 2öefen§afte§ ,
fonbern btofe aB eine leere (Sinbilbung
ber ^^antafte erfd^ien, fo fanb er, raenn fein tief religiöfeg ©emütl^ fid^
^u ©Ott l^inraenben raoltte, in feiner Sßeife einen §alt unb feine innere
Seere brängte fid^ i^m erfc^redfenb unb ängftigenb auf. „51lle§ rcar mir
ein ©reuel, felbft ba§ ßic^t, unb 5ltte§ erregte mein ^i^faHen unb meinen
§aB, Magen unb ^l^^dnen aufgenommen: in biefen adein fanb ic^
einige 9ftu§e. (Sobalb aber mein ^erj banon abgezogen rourbe, fo laftete
bie ganje fd^raere 33ürbe raieber auf il§m. ^ei bir, o §err, f)atte e§
^rteid^terung unb §eilung fud^en fotlen; i^ raupte eg, aber id^ raollte
Ort, n)0 id^ nid^t fein unb nid^t raegfommen fonnte." ^ ^en 5öeg ju
©Ott unb ju fid^ felbft fanb fein ^enfgeift nid^t me!^r. „5öo rcar irfi,
al§ id^ V\^ fud^en raottte? ©u raarft oor mir, id^ aber raar fogar von
mir felbft abgeirrt; i^ fanb mid^ felbft nid^t, um roie oiel raeniger
bid^I'^*
5ll§ 5luguftinu§ nad^ unb nad§ bie fid^ il^m aufbrängenbe innere
fagte er [id^ oon t^nen Io§ unb fd^aiite bann mit ^itter!eit auf biefe
unb ben @a^ aufgeftedt Ratten, ber ?0^enfd^ fönne feine Söa^rl^eit finben 2.
bic^ auger mir unb fanb nic^t ben @ott meine§ ^erjens. 3*^ ^^^ ^^^
auf ben @runb be§ ?0^eere§ gefunfen unb oer^agte unb üerjrceifette , tk
Sßal^r^eit 3U finben/' ^ S^tul^eloS fd^raanfte er l^in unb l^er j^rcifd^en
ftd^ fein ®eift auf bie gorfd^ung unb ru^eloä auf bie p^ilofopl^ifd^e fc
örterung ^ ; er Ifiiett aber fein §er^ üon jeber 3"fi^"i^"ttg fern , rceit er
ben 2(6grunb beg Srrtl^umS fürd^tete unb in biefer 2)(^xt)tht beä 3n'eifel§
fonnte er nur fc^raer ba^u gelangen, ftd^ oon ber Sßal^rl^eit einer p^eren,
über \)a^ ©innenfällige l^inauSliegenben Sßirflid^feit ju überzeugen,
bemifer! nid^tg ©eraiffeg alfo, raaS ha§ Men beftimmen foH, !ann ge-
funben werben? — fo rief er n)O^I öfter mit ^itterfeit auä^. Unb
bod^ raollte er über hk 5lnge(egenbeiten be§ l^ö^eren £eben§ ebenfo fidlere
©eraife^eit ^o'^sn, rcie er fii^er raar, ha^ fieben unb brei gleid^ gel^n
finb 3.
ift barum aud§ nid^t ein eigenttid^er Sln^änger be§ afabemifdjen 6fepti=
ci§mu§ geraorben. dagegen raar hk 33eröf)rung, in W er mit il§r ge=
ber ^l^at oon feiner ^Btik einer groJ3en Energie be§ ^enfenö, um ben
?[Ranid§äi§mu§ gu überrainben, raeit bie Söur^el beä manid^difd^en ^vx^
t^umä, ba^ einfeitige unb ungeregelte §ineinoerfinfen in ba^ finnlid^e
mir eine geiftige (Subftan^ l^ätte benfen fönnen, fo raäre fogleid^ i^r
1 Ibid. VI, 4: Neque tam insanus eram, ut ne hoc quidem (quod Sep-
tem et tria decem essent) putarem posse comprehendi.
2 Ibid. VI, 11.
3 Ibid. VI, 4 : Volebam enim eorum ,
quae non viderem, ita me certum
fieri, ut certus essem, quod Septem et tria decem sint.
* Ibid. V, 10.
10 etjicT Zf^tii.
menfc^tic^er ©eftalt, allein raie er anber§ i^n benfen joKte, teud^tete il^m
nid^t ein.
unb vok, fal^ id^ bod§ flar ein, baB "oa^ 5Bergdng(id§e geringer fei alä
ber manid^difd^e .^^^i^urn über ben Urfprung ber eünbe, i§re ßel^re oon
ber ^efdmpfung beg guten ^rincipg unb ber ^ifc^ung feiner ^^eite
nur erft ein vSc^ritt Dorrodrtg, 3^mer nod^ wax fein getftiger gort=
roar fie in bid^tem ©ebrdnge rcieber \)a, raarf fid^ auf meinen 33Iitf unb
umbüfterte i^n, fo 'üa^ i<^ felbft jene§ Unroanbelbare unb Unüergdnglid^e,
roenn aud^ nid^t unter einer ?[Renf^engeftalt, fo bod^ at§ etraaä ^orper=
tid^e§, cRaumerfüüenbeä unb bie 3SeU ^urc^bringenbeS ober aud^ au1er=
^alb ber 2ßelt in'§ Unenblic^e 5Iu§gebe^nteg benfen muBte. ®enn roo
id^ mir fotc^e 3^dume rcegbac^te, fc^ien mir ein '^iä)t^ ju bleiben unb
jmar ein DOÜigeä Dlic^tg, nid^t bloB eine Seere. 3<^ W^^ bafür, baß
alleg, n3a§ nid^t hnxd) Didume fic^ augbe^ne ober Olaum befaffe, über«
l^aupt gar nid^t fei. ^enn ben Jormen, in benen mein Ieiblic^e§ Sluge
fid^ erging, entfprac^en bie 33i(ber, in rcetd^en mein 3nnere§ fid^ bercegte,
unb id^ erfannte nicfit, rcie eben bie ^raft (bie @ee(e), mit roeld^er
id^ jene finnlii^en 33ilber in meinem 3^neren formte, nic§t§ Körpers
1 Ibid. V, 14.
§ 2. ©er intellectucüe enttüidfelungSgang bcS 1^1. 2lugujiinu§. H
li^t^ fei unb ha^ fie bod^ etrraä ©rogeS fein muffe, loenn fie fold^e
33itber auggeftatte. @o ha^k \6) bic|, Men meineg Menä! raeit aug=
auggegoffen, fo ha^ ©rbe unb §immel unb MeS t)on bir erfüllt fei unb
in bir feine ©renje finbe, bu aber nirgenbg. 2öie aber bie Suft über
ber ©rbe bem 2i^k ber 6onne nid^t rae^rt, H^ e§ burd^ fie ^inburd^^
ftra^tt, fie burd^bringenb, fo, glaubte i^, fei nid§t nur hit ^örperlid^!eit
\>i^ burd^bringbar unb burd^ alle il^re größten unb üeinften ^^ei(e gel^eft
bag Böfe ftamme, unb biefe J^^age mad^te i^m fd^raere $ein, o^ne ba^
er auä fid^ felbft jur Haren :Cöfung berfelben gelangt rcäre ^. ^n biefer
@ä§rung, in biefem Dflingen feineg ©eifteä, fid^ aug bem 33ann ber finm
lid^en ^SorfteHungen ju einer geiftigen 5Iuffaffung ©otteg unb feiner eigenen
®ee(e ju erf d^mingen ,
^xk er in ?DlaiIanb ben % STmbroftug, beffen
ftd^ immer mel^r jum ^^riftent^um l^ingejogen unb fd^tofe ftd^ enbtid^
ben .^ated^umenen an. 3lber nur allmdl^lid^ unb burd^ oiele Q^ermitte*
lungen l^inburd^ fonnte fein ftoljer, raenn gleich burd^ innere kämpfe
geprüfter unb gebemütl^igter ©eift \)k ooEe d^riftti^e Ueberjeugung ge-
geiler; benn [ie forberten il^n auf, bte SBa^r^ett au^erl^alb ber
^örperraelt ^u fud^en^, imb rid^teten feineu ^M in fein eigene^
3unere. ,,§ierburcf) gemal^nt/' fagt er, „in mid^ felbft jurürfjufe^ren,
brang id^ in mein ,3nnerfte§ ein. ^ier fc^aute i^ mit bem Sluge meiner
<Seele, raie befd^affen e§ aud^ fein modele, über biefem 2(uge meiner
(Seele, über meinem ©eifte, ba§ unraanbelbare ßid^t @otte§, ni^t biefeä
gerao^nlic^e, bem finntid^en ^Tuge fid^tbare £id§t; nein, e§ raar ein gan^
anbere§, üou biefem xmit Derfc^iebencg Sic^t. 5Iud^ ftanb e§ nid^t fo
über meinem ©eifte, raie etraa ha^ Oel über bem Söaffer ober rcie ber
^immel über ber ©rbe (nid^t räumlid^), fonbern eä raar l^ö^erer Statur,
roeit e§ mid^ erfd^uf, unb id^ niebrtger, rceil id^ fein ©efd^öpf bin. 2Ber
\)k Sßa^rl^eit fennt, fennt e§.^' ^ „©a erfaßte id^ in geiftiger (in=
tettigibler) Sßeife baö Unfid^tbare an bir au§ ben erfd^affenen fingen
unb e§ rcarb mir flar, ha^ bu unenblidf) unb gleic^rool^I nid^t burd^
enbüd^e ober unenblid^e D^täume au^gebe^nt feieft, ha^ bu raal^rl^afteä
©ein l^abeft, raeil bein 6ein immer basfelbe ift, in feinem ^ll^eite unb
in feiner ^eroegung batb fo balb anberg, unb ha^ alle§ Uebrige burd^
hi(i) beftel^e." ^ „©o erraai^te id^ in bir unb fd^aute bid^ in anberer
Unenblic^feit. Unb id^ fe^rte meinen 33licf oon bir ah unb fal^, bo^
5lKeg bir fein ©ein oerbanft unb ha^ SllTeg in bir begrenzt ift, aber in
änberlic^ erfannte, crl^ob eä fic§ hi^ ju feiner 3" teil igen 5 unb entzog
in ber Dftid^tung feinet ^en!en§; er fd^ritt über ba§ @ebiet be§ ©innen=
fälligen l^inüber in \)a§ ©ebiet be§ geiftig ^rfennbaren, in ba§ ©ebiet
ber ibeetten, inteKigibetn ©rfenntnife. 9J^an muB fid^ "ok ganje ©ntn)icfe=
lieben ftrebte, unb fid^ einen begriff p mad^en üon bem 2Sonnefd)auer,
in bem er ©otteä geiftige ^lllgegenraart unb W eraige, in ben eigenen
§o^e, fagt iBinbemann, fa^ fid^ fein @eift, lex big^er nur ha^ finnlid^
gibein unb ©eiftigen, eröffnete fid^ feinem 33lidf, unb au§ ber geiftigen
©rfaffung ®otte§ al§ ber einigen, unmanbelbaren Sßal^rl^eit, al§ beä ben
§er^en§ quellen. §ier fanb er je^t W D^u^e feineä ©eifteä, nadf; votU
d^er er umfonft in enblofen O^äumen gefud^t ^atk. lieber bem p^i)fifd§en
üon jebem förperlid^en 3Befen, aud^ t)on bem lid^teften 5let^er^aud^ rers
fd^ieben, beg ©eifteä, ber, in fid^ felbft prücfgefel^rt, mit bem Singe feiner
1 L. c. c. 17.
14 erfter Z^til
fogar au§ bem fd^raanfenben Spiegel ber <Stnnentt)eIt bte eroigen ®es
banfen @otte§ ju entnehmen gegeben ift. 5Iud^ bie lid^tefte ^^aterie
er[d^ien i^m je^t in tieffter Unterorbnung nnter bie ©inl^eit be§ unförpers
ernfteä 'Streben nad^ Sßa^r!)eit nid^t üergeblid^ fein fonne. ^iefe Heber«
jeugung roar ^ubem au§ feinem nnterbeffen roieberfel^renben religiöfen
lung ber Sßa^r^eit ben ^eg ju bahnen. Unb inbem er fid^ biefer SDenfs
bemifc^en ©fepfiä ju erfüllen. (5r l^ulbigte je^t ber oon 5riter§ l^er
geäußerten 5Infid^t, baB "^^^ <5tifter ber neueren 5lfabemie, a(ä fie fa^en,
Sein unb Obern gegeben l^abe unb beffen eroige §errlid^feit in ber Offene
6ein, ba§ unbebingt @ute fei, burd^ ba§ alle§ anbere ©ein bebingt
feit be§ irbifd^en ©afein§, al§ aud^ über bie, com 33egriff ber felbfts
*.
in ben oottften @egenfa| gegen bte manid^ätfci^e 5tuffa[jung beg 33öfen
ten unb i^m eine ^elle 3lugfic§t auf ha^ ditif^ ber Sßal^r^eit eröffneten.
2lu§ biefem @runbe, unb raeil fobann hk mannigfachen 2In!(önge pla^
teä nel^men, göl^It gu i^r au§er ^lato ben ^riftoteleä unb bie D^eupla-
tonüer unb fpenbet i^r grofeeä ßob. ^eine ^^ilofopl^enfd^ule, fagt er,
§ 3.
roelt begann unb auf ber §ö^e ber re(igiö§=geiftigen , d^riftlic^en 2öelt=
unb ben grieben, ben er felbft im 33efifee ber SCßa^rl^eit gefunben '^atk,
tigen Sßeg gefunben, ber jraifd^en ben flippen be§ @noftici§mug unb
©!epticigmu§ l^inburd^fü^rt , fo rüdfte er je^t ba§, raaä er burd^ eigene
in eröffnen, bie nid^t al§ ein erträumtet )Rti(i} ber ^^antafie, fonbern
al§ tin rca^rfjaft 9^ea(e§ ein fi($ereg Junbament für hk Söiffenfc^aft
bietet. 2Iuf biefetbe geiftige ^nnenraett mußte er auc^ ^um ©c^utpe gegen
W (5fepfi§ ^ingeraiefen raerben, bamit er in bem unerfc^üttertic^en ©runbe
be§ 6elbftben)UBtfein5 raieber feften gu^ faffe; auf bem 2ßege ber ^^er=
tiefung in fic§ fetbft fotfte ber £en!geift fic^ in feiner felbfteigenen 3:^ätig=
feit erfaffen lernen, um in ein (SrfenntniBgebiet einzubringen, "oa^ \\ä)
§n)ar ber finnli^en ^a^rne^mung ent^ie^t, ha^ aber barum nicf)t minber
wa^xe eRealität ^at, beffen ^ealitdt un§ üietmel^r unmittelbar geraiB
unb über jeben 3"^^^f^^ ergaben ift unb bag außerbem 'ba^ fiebere gum
bament bilbet, üon rao au^ fii^ ber menfc^lid^e @eift ju bem über i§m
fte^enben göttlid^en SSefen ergeben fann. 5^arum forbert 5luguftinu§,
ha^ ber S)en!geift üon ber finnüc^en (5rfenntni^ abftral^ire, fid^ in fi^
felbft üertiefe unb auf ftd^ felbft, auf fein eigene§ 3"^^i^ß reflectire, um
ha ben fidleren @runb ^n finben, auf bem bie roafire 5Biffenfd^aft, W
raal^re ^^^ilofop^ie aufgebaut n)erben fann.
©a^er fagt STuguftinug: S^exit muß ber ^enfc^ fic^ felbft jurüdf^
gegeben werben, bamit er §ier gleic^fam erft feften guß faffe, um bann
oon ^ier au§ fid^ ju @ott ju ergeben ^ ©elie alfo nicbt nad^ au^en,
fe^re in bic^ felbft ^urücf; im Innern beä ^J^enfdf;en rao^nt hk 2Bal^r=
§eit; unb roenn bu beine 9latur üerönberlid^ finbeft, fo ge^e aud^ über
1 Retract. I, 8 : Prius sibi ipse homo reddendus est, ut illic quasi gradu
facto inde surgat atque attoUatur ad Deum.
^ De Vera relig. c. 39: Noli foras ire, ipsum redi, in interiore
in te
homine habitat veritas; et si tuam naturam mutabilem inveneris, transcende
et te ipsum.
§ 3. Sic ©tunbfragen ber ^l^ifofop^ic. 17
be§ ®eifte§ fuij^en, ba§ l^etfet htn ^ßerftanb a(§ gn^rer jur ©rfenntniß
©otteä gebrand^en, rao^n alTerbtngS nur ein Heiner ^l^eil ber ^enfd)en
im (Stanbe ift, weil e§ jeben fd^raer anfommt, an§ ber 2[)eräuBerung in
eä felBft au§, ha^ biefer @eban!e üon ber D^ücffe^r be§ @eifte§ in fid)
felbft ber @rnnbgeban!e feiner (Speculation fei ^. 5Da!§er fe^en mir benn
auc^ g(ei(^ in ben erften (Sd^riften, bie er Balb nad^ feiner Befel^rung
üerfafete, raie feine gorfd^nng nor^errfd^enb nad^ innen gerid^tet nnb ber
üBer ha^ 2öefen ber ©eele nnb fud^te in ber 6elbfterfenntniö ben 2öeg
rote in ber ©d^rift über hie Unfterblid^feit ber ©eele ift er Bemüht, in
ben inneren ©piegel ber (5elbfterfenntni§ ju fd^auen, nnb raaä in te^terer
©d^rift im ^'eime enthalten ift, ba§ §at er in ber ©d^rift „über bie
©röfee ber (Seele" raeiter nnb tiefer entmid^elt.
^a6 (Snb^iel ber p^ilofop^ifd^en (Specutation ift für il^n bie roa^re
©rfenntni^ ©otteä*. 5Die grage nad^ bem ©afein nnb SCöefen ©otteä
tritt, n)ie roir gefe^en, in bem D^ingfampfe feine§ großen, tiefbegabten
©eifteä mit ben 3^^^|iiwtern feiner ^dt al§ bie erfte unb bebentenbfte
veritatis, ad quam
modo perveniunt, qui foris eam quaerunt. Epist. 115
nullo
ad Nebrid. Confer et ad tuum animum et illum in Deum leva, quantum potes.
:
2 De ordine II, 11 Ratio est mentis motio, : qua duce uti ad Deum —
intelligendum vel ipsam animam, rarissimum omnino genus hominum potest:
non ob aliud, nisi quia in istorum sensuum negotia progresso redire in semet-
Ipsum cuique difficile est.
^ De quant. anim. c. 28 Libenter in eo sermone demoror, quo admone-
:
tur anima, ne se ultra quam necessitas cogit, refundat in sensus, sed ab bis
potius ad se ipsum colligat et repuerascat Deo.
Conf. X, 1.
Btovi, l)L StuguftinuS. 2
18 erfier 1'^dl
fop^ie in ^^tjfif, Sogi! unb (St^if, aber er folgt nic^t bem ©ange, ttn
fie r)Orf($reibt; er ift üielmel^r ber ^Infid^t, ba^ biejenigen ^l^ilofopl^en
üerftanben l^aben, rcelc^e bie 5tnfid^t üon (Sott l^atten, ha^ in i^m hk
Urfac^e atte§ (Bein§, ber @rnnb aller GrfenntniB unb bie Crbnung a(Ie§
ßeben§ fic| finbe, baj^ er fei ber Url^eber ber gefc^affenen ^inge, ta^
Sid^t aller (SrfenntniB unb \)a^ ©nbjiel alle§ S^^unä, ba§ pc^fte @ut,
H^ ber ^^ilofop^ fomit ©Ott fuc^en muffe 2. ^eine gorfd^ung l^at
3ft nun bie ©rfenntniB ©otte§ \>a^ (i-nbgiel ber p^ilofop^ifd^en 5or=
fd^ung, matf)t alfo ha^ Streben nac^ biefer Grfenntnip baä malere 2Befen
ber ^l^ilofopl^ie au§ , fo beftimmt fid^ ^^ernad^ ber 23egriff ber ^]^ilo=
fopl^ie 2itbt gur 2öei§]^eit ober Streben nad§ 2Öei§^eit ift. SSaä Jiber
üon ben gottlid^en unb menfc^lid^en fingen. 5Illein biefe Definition ift
ober ba§ ?D^ei[te baüon ift eitleS xinb üBerfCüffigeg SStfjen ober btent
befennen unb fie p leieren, aud^ raenn man fie njtrHid^ fennt^. Sßir
wnb Unfid^tbaren auffteigen unb unö pten, \)a^ voix nid^t ben äußeren
innere fd^auen unb burd^ hk (Srfenntnife unferer felbft, bie beffer ift
roeld^er ^l^t)fi! genannt rairb, l^at fomit nur infofern rcal^ren Sßert^, al§
fie un§ gur (5r!enntniB ber göttlid^en ©inge üerl^ilft, unb nad^ 3Bei§§eit
ftrebt ber 5^enfd^ nur in bem ©rabe , al§ er fid^ oon ber ©rf enntnife
ber fid^tbaren ©inge jur (Srfenntni^ ber göttlid^en ergebt, t)on bem
empirifd^ ©egebenen ju feinen ^rincipien, ben gottlid^en ^'tten, unb üon
biefen ju ©ott, bem Urprincip aller ©inge, auffteigt ^.
©a§ ift eben, raürben voix fagen, ber ^^ilofopl^ie eigen, bafe fie
nad^ 5Iuguftinu§ ift bie ©rfenntnife ©otte§ al§ be§ pd^ften ^rincip§
aller ®inge, nid^t eigentlid^ ©elbftjraetf, fonbern roir follen ©Ott er-
De
ordine II, 16: Quibus si quisque non cesserit et omnia, quae per
^
tot disciplinas late varieque diffusa sunt, ad unum quoddam verum certum-
que redegerit, eruditi nomine dignissimus, non temere jam quaerit illa divina,
non jam credenda solum, verum etiam contemplanda, intelligenda atque
retinenda.
2*
20 ®tfler ^^eil.
§aBen, inbem e§, rcenn jcbeä natürltd^e ©treBen auf ein ©ut unb burd^
bie[e§ auf ®lü(f|eligfeit abhielt; nad^ bem l^öd^ften ®ute ftrebt unb in
biefem feine n3a]^re, l^od^fte ©lürffetigfeit erfel^nt. ^al^er ift ®ott felbft
bie ^d^^tit, nad^ ber W rcal^re ^^ilofopl^ie ftrebt, unb ber rca^re
^^itofop^ ein Sieb^aber ©otteg. ^a§ §öd^fte ®ut, jagt q3Iato, ift (Sott,
unb be^l^alb rcilt er, ba§ ber ^l^ilofopl^ ein ßieb^aber ®otte§ fei, bamit,
realeren ß'rfenntniB ©otteg für ben ?0^enfd^en gugteid^ bie OuelTe ber
©lücffeligfeit, bie benn in ber ^^^t aud^ ba§ eigentlid^e ^iti unb ber
©nb^raedf ber ^l^ätigfeit aHer ^^itofopl^en rcar 2. Sßer jur raal^ren fe
fenntniB ©otte§ gelangt, befi^t Vit ^©al^rl^eit , in rcetd^er baä pd^fte
@ut erfannt unb feftgel^alten rairb, ha^ ®ut, beffen ^efi^ un§ befeligt ^.
liefen ®inn ^at jene§ Sßort: ^u l^aft un§, @ott, für bid§ gefc^affen
unb unfer §erj rul^t nid^t, U^ e§ rnl^t in bir. ©ie (SrfenntniB ber
irbifd^en ©inge unb Vit 2itht ju biefen !ann bie menfd^Iid^e ^eele nid^t
befriebigen; nur in ber ©r!enntniB @otte§ unb ber burd^ biefe üermittelten
Siebe ©otteä, in ber fie ©Ott geniefet, finbet fie Vit rcal^re S^u^e unb
©lücffeligfeit il^reg ^er^en».
gleid^ mit ber ©otterfenntni^ a(§ unnot^ig*, ja fogar al§ unnü^, unb
ratr follten einfel^en, ba^ bie Unraiffenl^eit in SDingen, rceld^e ju unferer
6elig!eit nid^t not^raenbig finb, nid^t immer ein llebel, fonbern juraeiten
fogar nütplid^ ift, ganj abgefel^en baoon, ha^ in gotge ber 6d^n)ierig=
feiten, mit benen bie gorfd^ungen ber $l^t)fif oerbunben finb, oon bem,
ponamus ibi atque stabiliter infigamus, ut jam non privato suo gaudeat, quod
implicavit rebus transeuntibus sed exuta omnibus temporum et locorum
,
alfectionibus apprehendat id quod unum atque idem semper est. Sicut enim
tota vita corporis est anima, sie beata vita animae Deus est. De mor. eccl.
I, 17: Nam si sapientia et veritas non totis animi viribus concupiscatur , in-
veniri nullo modo potest. — Amore petitur, amore quaeritur, amore pulsatur,
amore revelatur.
* Enchirid. IH. 9; V, 16.
§ 3. SDie ©runbfragen ber ^p^ilofopl^ie. 21
raag W 91eugter ber ^enfd^en fid^ xü^mt, entbec^t ^u l^aben, riel mel^r
in ben ^eretd^ be§ Bloßen ^einen§ a(§ be§ rairfttd^en 2©iffen§ gel^ört*.
„Unglücflid^ tft t)telme§r ber ^enfd^, ber jeneä (ha^ ©nblic^e unb 2>i^U
bare) fennt, bid§ (©Ott) aber nid^t fennt. ©(ütfjeltg bagegen, rcer bidj
fennt, aiid^ trenn er t)on jenem nid^tg raeife. Sßer aber btd^ unb aud^
jeneä raeife, ift rcegen be§ lefeteren ntd^t glücflid^er, fonbern beinetrcegen
beffer baran ift, rceld^er fid§ im 33e[i^ eineä 33aume§ rceife, raei^ er aud^
nid^t, rate x)iele ©Öen er l^od^ ift nnb raie raeit er ftd^ in ber S3reite
auSbel^nt, alg berjenige, ber il^n auSmi^t nnb alle feine 3^^^9^ 5^^^
aber il§n raeber beft^t, nod^ ben 6d^öpfer beSfelben fennt unb liebt: fo
bem eine gan^e SSelt non ^eid^tpmern geprt uttb ber, ob er au($ fonft
nid^tg beflißt, bod^ %üe^ beft^t, inbem er an bir, bem 5((Ie§ untertl^an
ift, feftplt, fennt er aud^ nid^t einmal ha^ Greifen beg großen ^ären.
Stl^orl^eit raäre eg, ju jraeifeln, ha^ er beffer baran ift, alg ber, raetd^er
ben §iittinet auSmifet, bie ©eftirne jä^lt unb W (Elemente raägt, aber
bid^ l^intanje^t, ber hn 2llle§ nad^ ^a^, ^a^l unb ©eraid^t georbnet
§aft." 2 ^efel^alb ift ©o!rateg gu loben, ber juerft ber gefammten ^^U
(ofopl^ie W Dftic^tung auf Ut tnoralifd^cn g^ragen gab, M benen e§ fid^
um \ia^ pd^fte (3nt ^attbelte, burd§ raetc^eg ber ^fJ^enfd^ glücf[etig raer=
ben fann, rad^renb feine 33orgänger auf bem ©ebiet ber $|ilofopl^ie i^re
raenbeten. @ei e§, ba§ ©ofrateg au§ tleberbru^ an ber bunfeln unb
ungeraiffen ©rfenntnife ber pl^pftfd^en ©inge barauf ^Einarbeitete, tivoa^
raenbig raäre, fei e§, bafe ein anbereg ?!}lotir) i^n kikU: iebeitfallg brang
er auf D^teinigung be§ ßebenä burd^ gute (Bitten, bamit ber üon ben
nieberbrüdfenben ßeibenfd^aftcn entlaftete ©eift tnit ber t)on 5Jlattir au§
il^m eigenen ©d[jraung!raft gum (Sraigen ftd^ erl^ebe unb hk ^atur be§
unförperlidfjen unb untDeränberlid^en SSefenä, in raeld^em hk Urfad^en
aller ^inge ftnb, in lauterer ©rfenntnife fd^aue unb baSfelbe al§ \)a^
J^öd^fte (^nt erfenne, burd^ ha^ ber ^Uienfd^ glüdffelig raerben fann^.
5lug bemfelben ©runbe ftnb W ^latonifer allen übrigen ^l^ilofopl^en
tjor^ujie^en, raeil fie ©ott uttb in i^m beu Urfprung alleä (Bein§, ta^
ßid^t aller ©rfenntni^ uttb W Ouelfe aller ©lüd^feligfeit er!ann=
ten ^ (5iu 5i>ei]er, jagt ^(ato, fei ein '^aä^a^rmx, ©rfenner unb SieBl^aber
@otte§ unb er raerbe baburd§ glürffeüg, \)a^ er be§fetben tl^eil^aftig
rcerbe ^. ©ag pcfifte unb le^te ®ut beftel^e barin , ber Stugenb gemdB
ju (eben ; bte^ fönne aber nur bemjenigen ^u St^eil trerben, raetd^er ®ott
erfennt unb nac^al^mt, unb nur be^lfiafb fei er g(ü(f feiig. ^a^er ftel^t
lieben unb in biefer 2khe i^n geniefeen. ^araug ]olg,t, ha^ berjenige,
ber m^ ^Beig^eit ftrebt, ber ^^ilofop^, bann glürflii^ fein roirb, raenn
erfenntniB unb burd^ biefe ^ur ©lücffeligfeit fe^t, jeigt un§, bafe er, n)ie
er fie bei ben ^ani(^dern, unb grofe raar W 33itterfeit feiner ©cele, a(§
bagegen entjünbeten in i^m ein unglaubliche^ gcuer, rceil fie i^n jur
eg , na(^ beffen ©rfenntniö fein tief angelegter ©eift ftrebte , unb ha^
religiöfe ^ebürfniJ5 feinet tiefinnigen ©emüt^eä fud^te in ©Ott feine '^t^
friebigung, feine 3^u^e unb (Seligfeit. Sie ©rfenntni^ ©otte§ aber ift
bag Mittel, ba§ ju biefer ©lücffeligfeit fü^rt; benn rcenn man ©Ott
nid^t fennt, fo fann man i§n nii^t lieben, um i^n in biefer Siebe ju ge=
gemä^ finben rair, bafe er gleid^ in feinen frü^eften (Sd^riften biefe ^mtd-.
ber ^^ilofop^te fic§ nur auf jene ©inge erftrecfe, raeld^e in ^Bejie^ung
fte^eu ju einem glü^fetigen ßeben, uub bafe lei^tereg in ber realeren unb
üoßfommenen (S'rfenntntfe ®otte§ Befiele ^ ©ein gan^eä 33ud^ fibev bag
gtüeefetige Men Ijat, rcie er felbft fagt, bie ^enben^, ^it S^tgen, ba^
eg fein glücffeligeä Seben gebe au^er in ber roüfommenen ^Tfenntnife
©otteä 2^
Jorfd^ung, hk grage nad) bem ©afein unb 3öefen ©otteä \ia^ ^aupt?
Problem ber ^^ibfop^ie, fo ift ber rechte 3Beg, ber ju biefer (S*r!enntni6,
i^ur Sofung hk]^^ §auptproMem§ fül)rt, fein anberer, at§ bie (Se(bft=
fennen. .
®ott unb W ©eete rcaren atfo W ^auptobjecte, benen
mir bein ßid^t," fo fielet er, „rufe mid^ jurücf oon meinen S^Tt^ümern!
©a§ erfte fü^rt un§ jur ©rfenntnife unfer felbft, ba§ jraeite jur ©r^
fenntnife unfereS Urfprungä". ©ie Sofung beg einen fü^rt ^ur Sofuug
be§ anberen. „©aS eine ift angenel^mer, ba§ anbere um fo trii^tiger.
©aä eine mad^t unö be§ gtüdffeligen gebend raürbig, \)a^ anbere mad^t
un§ glüi^felig. ©a§ erfte ift ha^ Problem beg Sernenben, ^a§> anbere
baä be§ ©etel^rten." 3)ie§ ift bie rid^tige Orbnuug be§ Stubium§ ber
2ßei§5eit, burd^ bie rair befähigt raerben, bie Orbnung ber ©inge, b. §.
bie beiben Sßelten, bie intelligibte unb hk finnenfätlige, foraie ben 35ater
@etfteg einbringen unb bann über biefe ^"t^enrcelt l^inauS ^u ©Ott em=
porfteigen, um au§ ber geifttgen ^nnenraelt ©Ott gu er!ennen nnb an§
©Ott, al§ bem raal^ven Urgrnnb aller ^inge, \)a^ ^afein, bie ^efd^affens
l^ett unb Crbnung ber ©elt^^inge ju begreifen. 3^ fpecieller ^ejie^ung
auf W ^eele fann man aud^ jagen, e§ feien brei eng mit einanber t)er=
mu§ auggeartet.
^ 4.
innige ^ejie^ung ^ur Dfleligion fteüt, bafe er i^r ©ottfud^en in ben SDienft
be§ retigiöfen 6treben§ beö menfd[}Iid^en §erjen§ ftelTt, ha^ feinen ©Ott
§atte, nämtid^ ^ur d^riftlid^en. ^iefe^ 35er!)äItniB aber geftaltet fid^ fo,
baB bie p^iIoiopf)ifd)e gorf^ung ni^t nur bem ^ntereffe ber d&riftüd^en
Otetigion ju bleuen ^at, fonbern Don i^t aud^ cjeläutert unb geleitet
gu fönnen.
fagt, n)Ol^( ^ur (5;r!enntni6 be§ unfii^tbaren ©otteS, aber nid^t jum
tt)ir!(id^en ©enuffe ©otteg, al§ beä ^öd^ften ©uteS S gu bem ©enuffe,
2)iefer ©enufe tft eben bebingt burd^ bie Siebe ju ©ott, hit in ber gröm^
migfeit, ber ©ottfeligfeit, in ber D^eligion rcurgelt. ©ie pl^itofop^ifd^e
Sßiffenfc^aft nü^t bal^er nur, raenn 2iebt babei tft; fonft bläl^t fie nur
auf. 6ie nü^t nur, raenn ber ^enfd^ fein §er§ t)erbemütf)igt unb ber
Siebe öffnet, bem (Stolpe aber üerfd^liefet, ber in einfeitiger D^^eigung gur
raeld^e bie d^riftlic^e D^eligion für ba§ §eil ber ©eete barbietet, ©ie
^l^itofop^ie für fid^ oerfc^mä^t e§, üon (Sl^riftug ju lernen, ber fanft=
mütfitg ift unb bemüt^ig oon §erjen. Sllfein e§ tft etit)a§ 5(nbere§, jraar
\)a^ 3^^^ h^ W^"/ ^^^ rceld^em man ftreben muß, aber ben SS^eg, ber
balfitn fül^rt, nid)t ju fe^ien, ben 3Seg, ber ju jenem glücfjeligen 35ater=
lanb fü^rt, ha§ man ntd)t nur fennen, fonbern einftenS aud^ bercoljnen
foll; unb etvoa^ ^ruberes, biefen 2ßeg ju fennen. (5§ ift nidfjt genug,
ben unftd^tbaren ©Ott ^u erfennen unb il^n gleid^fam aug ber gerne ju
fe^en, fonbern man mu^ and) ben 3ßeg rcanbetn, auf bem man §u t^m
fommen, i^n fd^auen unb aB pd^fteS ©ut feft^alten fann. ßlmaß 5(n=
bere§ ift e§, t)on rcalbiger ^ö^e Ut §eimatl^ beg grieben§ ju fd^auen,
aber ben Sßeg ju i^r nid^t ^u finben unb t)ergeben§ auf unraegfamen
$faben fidf) ab^umü^en unb etmag 5Inbereg, ben 2Beg ein^ulialten , ber
bortl^in fül^rt^. 3)ie ^^ilofop^ie fud^t rco^I bie SBal^r^eit, aber ol^ne
ben d^riftlid^en (^lanUn, unb barum fie^t fie rao^I oon ferne unb mit
gebtenbetem 5Iuge ha^ ^kl, nad^ bem man ftreben mu§, um rceife unb
glücffelig ju raerben ; aber ben Sßeg , ber bal^in fü^rt ,
fie^t fie nid^t ^.
2Beg felBft. ©enn hk ^F){lo|op!)ie ^at für fic§ ntrf)t bie ^raft, ben
Wltn\d)en jum raal^ren ©enuffe ®otle§ ^u füllten; biefe ^raft tft erft in
ber Don .^rrtl^um unb 6unbe erlofenben nnb l^eiligenben ©nabe 3efu
ß^rifti üollfommen offenbar geworben, ^(ato fagt allerbingg mit ^tii)t,
baB fte an ber §öd^ften SSeis^eit (Sottet t^etfne^me; allein ni(^tg 2ln=
bere§ a(§ biefe ^b^^k SS^eisl^eit ift, rcie ©Ott felbft bezeugt, ber göttlid^e
S0905, 3^fu§ (I^riftuS, buri^ ben roir raeife unb glücffelig raerben.
^ie ^ei§]^eit in biefem Seben befte^t in ber d^riftlic^ frommen unb (iebe=
nieBen. ^ie ^ti^^it beg ^3^enf($en ift, rcie 'Da^ ganje ^n6) „Enchi-
ridion ad Laurentium" jeigt, bie J^ommigfeit, "iik ]\^ funbgibt im
(ebenbigen ©lauben an ©Ott, ba§ l)bä)]k ©ut, in ber aus bem ©lauben
^eroorgel^enben öoffnung, ber fidfieren Grraartung ber jufünftigen ©üter,
unb in ber Siebe ju ©Ott, burd^ raetdbe ber ©Uaube roirffam ift. ^urd^
ben ©tauben im ©ie§feit§ gelangt ber G^rift ^ur üollfommenen 5In=
fi^auung ©otte§ im 3^^]'^^^^/ ^n rceli^er er feine roa^re, ercige ©lücf^
^.
feügfeit finbet
^ie ^^^i(ofop]^ie ift a(fo nadfj 5Iuguftinug nid^t im Btan\ie, au§ fid^
allein "titn ^^lenfc^en jum pd^ften ©ipfel ber 35^ei5^eit unb ©lüd^feligfeit
fidei quae per dilectionem operatur, imbuta mens fuerit, tendit bene vivendo
etiam ad speciem pervenire, ubi est sanctis et perfectis cordibus nota inefFa-
bilis pulchritudo, cujus plena visio est summa felicitas. Hoc est minirum
quod requiris, quid primum, quid ultimum teneatur: inchoari fide perfici .
specie.
§ 4. 2)ie ^pi^Uofopl^lc unb ha§ (S^riflentl^um. 27
unb ba§ 3^^^ erMi(ft l^abe, raol^in bie ^l^ilofopl^ie ftreBen foll ^ 2ffiä]^=
bafe '^lato tuvd) hk 33ü(^er ber ^ropl^eten belehrt roorben fei, fo finbet
er fpäter biefe STnnal^me ^raar juläffig, gibt aber ju, ba^ fold^e ©r^
fenntniffe, it)ie rair fie bei ^lato finben, an^ au§ ber natürtirfien Offen=
barung ®otte§ gefc^öpft raerben fönnen unb bal^er bie Sßa^rl^eit au(^
ben ©eiben nid^t gänjlid^ »erborgen wav^. ©em ftel^t aber gegenüber,
baß bie ^^ilofop^ie überhaupt nur raenige ^IJtenfi^en unb fetbft biefe nur
iDenig belehren !ann, mk e§ benn blo^ raenigen, geiftig l^od^begabten
gelungen ift, burd^ menfd^lic^e iöeraeife aud^ nur ^ur örfenntniB ber Un=
fterblid^feit ber «Seele gu gelangen. (Sobann gerdtl^ bie ^^ibfopl^ie für
fid^ allein auf ^Ibraege unb üerfällt großen 3^'^^P^^^'^ ^- ^^nn fie
au§ fid^ einige Sßa^rl^eiten gefunben '^at, fo beruht hk^ in feinem tief=
ften ©runbe barauf, bafe allen ^Qlenfd^en bie unraanbelbare ^raft ®otte§,
ber göttlid^e Sogo§, innerool^nt, unb ha^ biefe ^raft, ba§ ßid^t, ba§ jeben
^D^enfd^en erleudf)tet, ber in biefe Sßelt fommt, W götttid^e Cluelte aller
Sßal^rl^eil, jebe üernünftige Seele belel^rt, fo rceit al§ fie gu faffen t)er=
mag, je nad^ bem ^a§ i^reS eigenen guten ober böfen 3Bi(Ien§. ^n^
fofern l^at ®ott burd^ feinen Sogo§ ben ?[Renfd^en üon Slnfang an tk
SSal^rl^eit oerfünbet, raenn an^ feine Offenbarungen nur bnuM unb üer=
l)üllt raaren*. So xüdt ber göttlidfje Sogoö burd^ fein Sid^t unb feine
biefe raurben fie aud^ in ben ^^^t'^itw Ö^fö^^'t, befonber§ rceil hk gott=
lid^e 35orfel^ung jur geredeten Strafe fid^ il^rem Stolpe raiberfe^te unb
burd^ i^r ^eifpiel auf ben 3ßeg ber grömmigfeit, ber au§ ber 9^iebrig!eit
2 11—12.
Ibid. VIII, 3 Ibid. VIII, 1 sqq. * Ibid. XVIII, 47.
fonbern mad^en an fid^ ba§ 2öort be§ ^rop^eten rcal^r: Perdam sa-
trübt, fo ba6 er au§ jid^ nii^t mel^r im Staube ift, \)ie Söal^rl^eit irr^
un^ulänglid^ ,
^ur reinen SBal^rl^eit ju fü'^ren, bie nur im d^riftlidfien
raiffen, inbem er fürd)tet, ha^ bie ju gro^e grei^eit ber ^liilofop^ie jur
^^errairrung unb ^um ^rrtl^um fül^ren tüürbe ^. S^re greil^eit foE burd^
bie Sel^rauctorttät ber ^ird^e einge|'(i)ränft fein, ©r felbft ^öt biefen
nennt er bie d^riftltd^e Seigre bie realere pl)ilofopl§ifd^e ©i§ciplin unb fagt,
sophiae disciplina. Non enim est ista hujus mundi philosophia, quam sacra
nostra meritissime detestantur sed alterius intelligibilis. Ibid. c. 20
, Mihi :
autem certum est nusquam prorsus a Christi auctoritate discedere non enim :
unb geftigfeit beä d^rift(ic|en ©(aubenä * unb erflärt fid^ bal^in , bafe
man e§ überl^aupt nid^t raagen foll, einer au^erl^atb ber ^ird^e geübten
bafe man alfo eine fold^e 2öiffenfd)aft nüd^tern unb forgfam prüfen muffe ^.
Sßol^t aber fann bem, ber fid^ jur ^ö^e ber d^rifttid^en SSeiäl^eit empor=
W ^(atonüer ^Bal^reS fagten, foHen mir nid^t fürd^ten, fonbern für un^
feren ©ebraud^ in 5(nfprud^ nel^men. ©teid^raie bie ^uben fid^ auf @otte§
33cfe]^I ^in \)k (Sd^a^e ber 5leg9pter angeeignet, bereu ©ö^enbilber aber
Derabfd^eut l^aben, fo muffen rair jroar bie gabeln ber Reiben Der=
^enntniffe fid^ l^ierp benü^en taffen, nur fo raeit fie geeignet finb, ben l^eil*
rairftid^en Söertl^*, dl^nüd^ raie alle (Srfenntnife ber irbif^en ^inge nur
infofern raa^ren SSertl^ l^at, al§ fie un§ pr ©r!enntni§ be§ ©raigen unb
©öttlid^en oerl^itft.
§5.
^ie (BettiiB^eit be§ ©e{6ftbett)UBt[ein§.
(Sin^elnen üBer, fo rctffen n)ir Bereits, ha^ er ber 8pecu(ation ben Sß^eg
t)on ber 5(u9enn)elt in Vit ^nnenraett unb ron biefer gu ©Ott oorge^eid^-
net ]^at. STuf biefem 2öeg tüiü er eine fidlere ^rfenntnife ber ntenjd^^
tid^en ®eete nnb auf ©runb biefer eine richtige ©rfenntniB üon ©Ott
gerainnen.
2)a§ Söiffen gehört nac^ STuguftinug nid^t blofe jum 2tUn be§
menfd)[id^en ©eifteg, fonbern fd^Iiept ba§ l^ö^ere, oollfommene Seben beä^
felben in fidf). ©ud^t ja boc^ ber ^l^ilofop^ burd^ ha^ ©rfennen unb
2Biffen jur ^ti^dt unb ©lücffeligfeit ju gelangen ^. Sefe^ölb ift jeber
3rrtf)um ein Uebel. ^enn ba^ Sßiffen im ftrengen <5inn bes Söortes
fc^lie^t alleg ^i^ren unb ^Sd^raanfen au§ unb fann felber nid^t falfd^
fein: ift e§ falfc§, fo ift e§ eben fein Söiffen^. 2Ber fönnte e§ alfo al§
fein Uebel anfe^en, gatfd^eS al§ raal^r anjunel^men ober Sßal^reä jj(ö
©fepp, unb Tüir l^abcn gefeiten, tüte SluguftinuS felber in feinem in^
i^n knnrul^igte unb an ber ©rfenntni^ unb bem 33efi^ ber ^ßal^r^eit
ju raibertegen. SSflit dind\x(^t l^ierauf fd^vieb er, raie er felbft fagt, brei
33ü(^er gegen bie 5l!abemifer, bamit für il^n ha^ !ein §inbernife raäre,
raag il^m gteid^fam fd^on an ber 6($n>e(Ie ben 2Beg §u üerfperren bro^te.
^er 3^^^W ^^^ SBal^r^eit ju finben, ber in ber ^iatecti! ber 5I!abe=
mifer eine ©tül^e ju ^aben fd){en, mu^te t)or 5(irem überraunben raerben ^.
Unb nid^t bloji hk brei ^üd^er gegen Vit 2(fabemi!er; \>k erften, bie er
nad^ feiner 33efe]^rung fd^rieb, befd^äftigen fid^ mit ber SBiberlegung be§
SfepticiSmug ,
fonbern er f ommt an^ in feinen fpäteren ©d^riften §u
raieberl^olten ?D^aIen auf biefen ^unft prüdf.
SSie für 5luguftinu§ fetber ber ©!epticigmu§ nur ein ^urd^gang^s
pun!t war, al§ er üon ben gnoftifd^en 3^rt^ii^^i^i^ ^^^ ^anid^äi§mu§
pr ©r!enntni§ ber Sßal)rl§eit burd^jubringen fud^te, fo f)klt er fortan
an bem ©runbfa^ feft, ha^ tk 6!epfi§ rao^^l bered^tigt fei gegenüber
ben 3^rtpmern be§ Dogmatismus, ha^ fie aber nid^t fo raeit geben
bürfe, alle ?i}lögtid^!eit be§ 2Biffen§ in läugnen unb ben ^enfd^en ber
Hoffnung auf htn ©rmerb rcal^rer (Srfenntniffe gu berauben. Der
3tt)eifel ber 5l!abemifer roar geeignet, gro^e ^i^ttpmer auSprotten, unb
infofern p feiner ^di, ba e§ galt, fid^ nid^t üon biefer ober jener bog-
ber 3vrt§um in 33epg auf baS Sßefen ber menf^lid^en (Seele, wk ber
Srrt^um in 33ejie5ung auf baS SBefen ©otteS, biefe beiben ^auptobjecte
Rängen fe^r innig mit einanber ^ufammen unb ber eine jie^t mit not()=
lüenbiger (5on)'equen§ ben anberen nad) fid^. 2)eB^aIb muB man g^gen
folc^e (Sinbitbungen anfämpfen unb barf ber ©eift \\ä) con il^nen nid^t
barf ber 3^^^^^ ^^^^ principieK raerben, üon ber (5rfor|"d^ung ber StBal^r-
l^eit nid^t abfd^recfen unb ba§ auffeimenbe SBiffen ni(^t erfticfen. 8omett
er hk^ beabfid^tigt, muß er befämpft unb befeitigt merben^.
^§ ift für ben bereits bargelegten v^tanbpunft beä SluguftinuS,
(Srfenntniß reflectirt, fonbern ron ber J^age ausgeixt, ob ber 33efi^ ber
Sßa^r^eit für unä iöebürfniB fei ober ob aud^ o^ne benfelben ©lücffelig^
feit befielen fonne. ®ie 5Ifabemifer Idugnen jebe ©erai^^eit ber ©r?
fenntniB unb Italien nur eine Sßal^rfd^einfic^feit berfelben für erreid^bar.
^lllein abgefe^en baoon, baß eine fold^e Sßa^rfd^einlid^feit o^ne ba§ SS^al^re
fid^ gar nic^t gerainnen tä^t, ba ha^ 2öal^rfd^ein(id^e a(§ ba§ bem Sßal^ren
2(e^nlicf)e an biefem gemeffen raerben muB, fo raürbe eine fold^e 2öa^r=
fd^einlid^feit allein für unfere ©lücffeligfeit feine§roeg§ ausreichen, obgleid^
hk 2Ifabemifer bieB bel^aupten ^ ©enn \)k blofee Sßal^rfd^einlid^feit fd^Iiegt
ben 3^rt^^m, ber ein Uebel ift, nid^t au§ unb fid^ert fomit ben 33efi^
ber 2ßabr§eit nid^t. D^iemanb aber !ann glüdf(id§ fein, rcenn er ha^
nid^t befi^t, raaS er ^u befi^en raünfd^t. 2Ber a(fo \)k 2öa^r§eit fud^t,
bus deditis esse affectat excelsior aut coenoso gurgite carnalis voluptatis
immergitur.
2 Epist. 213 ad Hermog.
Reducendi mihi videntur homines, si quos
:
o^ne fie ju finben, ^at mä)t, wa^ er ^u ^aben iDÜnfc^t unb ift folgtidfi
ni($t g(ücf(i(^. 3ft er aber nid^t glücfüdj, fo ift er aud^ nid^t toeife, ba
ber Jföetje alä folc^er gtüdflid^ fein mufe. Dber umgefe^rt: S^iemanb !ann
ireife fein ü^ne beu ^efi^ ber Sßeiö^eit. 3^be Definition aber, rceld^e
baä Sföiffen an§ bem 23egriff ber 3©ei§l^eit an§fd^(ieBt unb fie in ba§
bloBe Sßefenntnife be§ 9^id;tn)iffen§ unb in bie ^nt^altung üon jeber
3uftimmung fe^t, raürbe fie mit bem D^^ic^tä ober mit bem galfd^en
ibentificiren , raäre fomit unhaltbar. (5d)IieBt aber bie 3Sei§^eit baS
fidjere 2ßiffen in \\^, fo bebürfen roir beä letzteren jur ©lütffelig?
Mt , roeil ber Unraeife nic^t glütffelig fein fann. Da§ <Spiel mit
bem 5^amen beg 2öeifen o^ne ben 33efi^ magrer (SrfenntniB lotft nur
bebauerngroertl^e 5ln^änger l^erbei, rceld^e, roetl fie immer fuc^en unb
nie finben , atfmäl^Ui^ üeröben unb , rceil i^r @eift üon feinem 2ihen^=
l^aud^ erquidt roirb, fc^tie^lic^ i^re irreteitenben gü^rer üermünft^en
muffen.
Uebrigeng ift hk gorberung ber 5l!abemifer, fic^ jeber ^^^^^^iii^Ji^inig
fud^t unb forfd^t, gibt unä bie Ueberjeugung , \>a]^ e§ für \i)n möglich
fein mu6, bie 2öa^rl^eit rcirüid^ p finben. 33en)ei§t fie bod^ jebenfaEä
bie^, bat3 bem menfd^Iid^en ®eift eine ^mpfänglid^feit für bie ^a^rl^eit
unb eine Siebe ^ur 2ßal)r§eit, ein 6treben nad^ raa^rer 6rfenntni§ oon
9^atur au§ innerao^nt, burc§ beffen 33efriebigung er gur 3©ei§^eit unb
©lücffeligfeit gelangen raill K Denn niemanb fuc^t, ber nid^t finben
rcill; raer bagegcn einfiefjt, ba^ er bie ^a^r^eit nid^t finben fönne, mufe
\)a^ er rciffe, muf3 n)iffen, raaä 2öiffen fei, fonbern aud^ berjenige,
rcelc^er fagt, baö er nid^t miffe, unb bie^ getreu unb loa^r fagt,
aetatis accessu, qua sit scientiae capax atnue doctrinae et habilis perceptioni
veritatis et amoris boni, qua capacitate hauriat sapientiam.
©torg, f)!. giuguftinuS. 3
34 Bn'^tfT^ t^til
rcelB bod^, idüs Sölffen tft, lüeil er 'üa^ Üiic^tmiffen com ^^iffeu untere
^.
fdieibet
finbig gemacf)t unb ein gunbament ber @erDif3ljeit geraonnen, bas feine
©fepji§ ju er|rf]üttern üermag unb auf bas jicf; ein ganjeö iSpftem beä
fidleren, t)on allem ^i^rt^um freien unb über allen fcfircanfenben 3^^^W
erliabenen 2Öifjen§ aufbauen la^t. ^ie Slfabemifer [tüteten il^re 6fepfiä
in^befonbere auf bie 3Sorau§fe^ung, baB ^k 6innegraa^rne§mungen burd^=
©el^c nid^t nac^ 5luBen, im Saueren beg TOcenfd^en iDoljnt bie Sß>al)rl)eit.
l^inein, läBt il^n in fid) felbft fid^ Dcrtiefen, um i^m in ber ^l^atfad^e
beö ^emuBtfein§ feiner inneren 5rfte eine liber jeben 3^^^f^^ ^^=
bemuBtfeing , auf ber in let3ter 3"ft<^"5 ^^^"^ '^^^ ©eraifs^eit ber auBeren
rogatione fallaris, cum utique, si non esses, falli omnino non posses? Ergo —
quoniam manifestum est esse te. nee tibi aliter manifestum esset, nisi viveres,
objectiü iinb ge'^t mit if;m in ein ©efpväd^ ein, ha^ in meifterljafter
Sßeife bie D^eflejcion be§ ®eifte§ über fic^ felbft utib feine eigenen ®e=
ban!en ^ur ^arfteUnng bringt, ^ier fprid^t er ben für bie ©pecntation
Tüeifet bn, 'Da^ hu bift? — Qd^ roeife e§. — Sßol^er rceiBt bn e§? —
^aö raeiß id^ nid^t. — gü^Ift bn hlä) al§ etrva^ (S'infai^eS ober alö
leben mmbeft. llnb enblidb ift e§ bir bann aud^ geraife, ba^ bu erfennft;
benn bu mu^t hiä) erfennen, um beine§ ©afeing unb Seben§ gen)i§ gu
fein 2. §ier [teilen rcir auf einem unerfdCjütterlid^en @runb ber ©eraig^^
©eroi^^eit mit bem 3^^^f^^ f^^^ft gegeben ift; rcir fönnen ben B^^^^f^^
baburd^ feffeln , ha^ rair il^n, fofern er ein ®en!en unb jmar ein felbft^
TDeifen. SSag ba§ eigene Sßefen beä menfd^tid^en @eifte§ fei, ob hu ^raft
beg Men§, be§ 33emu^tfein§, be§ (Srfennen^, 2öolIen§, 3}erftelleng unb
Urtl^eilenö ber Suft ober bem gcuer ober ber @e|irnfubftan3 ober bem
33Iute ober ben 5(tomen ober aujjer ben befannten üier Elementen irgenb
einem fünften Körper eigne, ober ob bie 3i^fömmenfet^ung unb ^ifcbung
ber !örperlid[;en ©ubftanj bie^ Ijeroor^ubringen oermoge, barüber waren
bie ^Tnfidfiten üerfd^ieben unb jraeifell^aft unb ber (Sine l^at biefe, ber
fein fönnen, ha^ erlebt, ^emu^tfein l^at, erfennt, mid, benft, roeig unb
1 Soliloqu. II, 1: R. Tu qui vis te nosse, scis esse te? A. Scio. R. Unde
scis? A. Nescio. R. Simplicem te sentis, an ne multiplicem ? A. Nescio.
R. Moveri te scis ? A. Nescio. R. Cogitare te scis ? A. Scio. R. Ergo verum
est cogitare te. A. Verum.
2 De lib. arb. II, 3: An tu fortasse metuis, ue in hac interrogatione
fallaris, cum utique
non esses, falli omnino non posses? Ev. Perge potius
si
ad cetera. Aug. Ergo quoniam manifestum est esse te, nee tibi aliter mani-
festum essset, nisi viveres, id quoque manifestum est et te vivere. Intelligisne
ista duo esse verissima? Ev. Prorsus intelligo. Aug. Ergo etiam hoc tertium
manifestum est, hoc est intelligere te. Ev. Manifestum.
3*
36 ^miiix ^l^eil.
jtüeifle, ^at ein ißei-DUBtietn ; iner ^roeifelt, erfennt, ha^ er .^treifelt; rcer
jtretfert, raiü ©eraife^eit ^aben; rcer ^raeifett, ireiB, baß er nid)t rcetfe;
ift, roenn man an irgenb etrva^ foll ^raeifeln fonnen ^. 9'^iemanb bleibt
baburc§, ha^ fie nic^t einmal if)x 6ein alö geraife annefimen, bem .3^r=
t^um auö bem 2Öege ju ge^en, roä^renb fie hoä) burd^ ben oermeintüc^en
nid^t ift, auc| nicfjt irren fann. Unfer 6ein i)i fomit nid^t bloB eine
raa^re, fonbern anc^ eine geraiffe ^^atfad^e^. 3n ber ©rfenntniB, baß
wir finb unb nm unfer vSein raiffen, fann nn§ fein \)tn 8c^ein ber
{leiten fürchte i^ fein Slrgument ber ^^f abemifer, rcenn fie fagen : üiedeic^t
tdufd^eft bu bic^; benn raer nid^t ift, fann anc^ feineämegä fic^ tdufd^en^
unb barum bin ic^, raenn id^ mid^ täufc^e. 33in 16) aber, rcenn irf) mid^
tdufrfie, rcie foUte id) mid^ bann über mein ^afein täufd^en, rcenn mein
2)afein felbft bann gemiß i)t, raenn icf) mic^ tdnfd^e? ^a icf) fomit,
1 De trinit. X, 10: Utrum enim aeris sit vis vivendi, reminiscendi, in-
telligendi, volendi, cogitandi, sciendi, judicandi, an ignis an cerebri. an sangui-
nis an atomorum, an praeter usitata quatuor elementa quinti nescio cujus
corporis , an ipsius carnis nostrae compago vel temperamentum haec efficere
valeat , dubitaverunt homines et alius hoc , alius aliud affirmare conatus est.
scire non nisi viventis est. Sed videlicet non assentiendo, quod vivant, cavere
sibi videntur errorem cum etiam errando convincantur vivere quoniam non
, :
raenn tc^ mid^ täitfi^te, einer fein rcürbe, ber \\^ taufest, fo tänfd^e id^
mi<i) o^ne 3i^^U*et nid§t in bem 33en)uj3tfein, bafe i($ Bin. SDaranö folgt
bann weiter, ha^ id§ audö barin nid^t irre, ba^ td^ biefeS meinet 33e=
raußtfeinS mir berankt bin; benn raenn id^ mir berankt bin, ha^ id^
bin, fo bin i(^ au(^ eben biefe§ meinet ^eraufetfeinä mir beraubt."*
„"iRi^t einmal ha^ fann l^ier ber 5(!abemi!er einmenben : 33ielleid^t fd^Iäfft
bu, o^ne e§ ju rciffen, unb fie^ft ein Stranmgebilb ; bie ©eftc^te eineä
tid^. (Jinem ©old^en würben wir erraibern: 2öer über ha^ 33en3u6tfein
feineä Seben§ gemi^ ift, fagt bamit nid^t: id) rceiö, bafe id^ voa6)^,
fonbern: id^ weife, ha^ i^ lebe. 5)kg er alfo fd^lafen ober roadjen,
jebenfallö lebt er. Unb in biefem S3erDU§tfein fann er nid^t ber ^äu^
fd^nng 'be§ ^raumeä unterliegen, weil anc^ ©d^lafen unb Stränmen ßeben
üorau§fe|t. ?D^5gen toufenb 5lrten täufd^enber ©eftd^te bem entgegen^
gehalten werben, ber fagt: i($ weife, bafe td^ lebe — feinen ©inwanb
^
wirb er fürrfiten, weil aud^ ber, weld^er getäufc§t wirb, lebt."
fann i^nen jngefte^en, bafi hk ^Sorftelfungen , weltfje wir un§ ron ben
^ufeenbingen bilben, unä täufd§en fönnen, H^ bei ben ^'inbrücfen ber
^lletn, wa§ fte nic^t bead^ten, ift ber wefentlid^e Unterfd^ieb gwifd^en
menfclilid^e ©eift in fid^ felbft erfennt, ift frei oon jeber ^äufd^ung unb
l^at eine unumftöfelid^e ©eroife^eit, weil l^ier ein unmittelbar eö ßr=
faffen be§ felbfteigenen Sebeng ftattfinbet, wo ha§ (^rfennenbe unb ba^
^rfannte ibentifc^ finb , wä^renb ha§ Qjrfaffen ber finnenfälligen ©mge
nid^t ein unmittelbares, fonbern ein burd^ Vie leiblid^en Organe üer*
mitteltes unb infofern alferbingg ber ^äufd^ung jugdnglid^ ift. 2öir
finb, wir wiffen, bafe wir finb, unb lieben biefe§ 6ein unb SBiffen. ^n
biefen brei 5Dingen taufest unS befel^alb fein mit bem (Sd^ein ber
Söal^rl^eit befleibeter ^i^tt^um, weil wir W^ nid^t erf äffen wk W 5lufeen=
weit, burd^ irgenb einen leiblichen (Sinn, fonbern o^ne bie ?D^öglicl|feit
fenneu unb lieBen *. tiefer brei ^inge finb rcir geralB, ba n)ir fie
n{d)t etraa auf bag 3^^^9"^Ö 2lnberer ^in glauben, fonbern unmtttel=
5ar felber roa^rner^meu uub mit innerem, rcafir^aftigftem 2luge an=
fc^auen 2. ^a^ iBerauBtfein, ba^ rcir finb unb leben, ift unjer innere
fte§ Jßiffen^. 2Öa§ fotiten rair aber überl^aupt iniffcn, raenn rair bag,
raaä in unferem ©eifte ift, nic^t rciffen, ba n)ir alleS, rca§ mx raiffen,
gerauBt unb nimmt fo fein eigene^ ^afein raa^r, aB ha^, raoburi^ auc^
i^m fo gegemoärtig, rcie er ficft fetbft^. 2)aB id) (ebe, fann iä) fomit
fagen, muB id^ naturnoti^ioenbig raiffen^
fd^eint i^m ber atabemtfc^e 3"^^^^^/ f^'Jtt alä ^^öeis^eit, a(ä ^a^nrails ®,
o!)ne alle 33ei^{(fe ber Sinne mit ootlfter ©erciB^eit erfaBt. 2)ie ©elbft?
gemiB^eit be^ ©eifteä aber beweist nic^t nur W 5cic^tigfeit ber Sfepfiä,
fonbern hiihd sugleid; auc§ ben 5(u§gang§pun!t, oon bem auä bie ©pecu=
lation ^u rceiteren (Srfenntniffen fort|d;reitet, raobei man feftf)d(t, ^a^
nur bie ©rfenntniffe ber inneren dTfa^rung unmittelbare (i-oiben^ 'i)ahen
' 1 De civit. Dei XI, 26 : Sine ulla phantasiariim vel phantasmatum iraagi-
natione hidificatoria mihi esse me idque nosse et amare certissimuni est.
bcr äufeereii ©rfa^vung benil;t, inbem lüir 't)en ^n^ait ber äir^ercn (5r=
*.
fQ()rung nad) htn dlovnmx unfereä ^Selbftberauötfeinä beurt()etleit
e^e fie gcfnnben roirb. 5Diete 3SaI)r§eit ift bag ^ki be^ menfd)(i(f)en
^enfeng nnb in i^v gelangt berjenige, ber feinen 3Serftanb rid^tig gebraucht.
29a^r aber ift einerfeitg alTe§, raa§ ift ober ejciftirt, nnb anbercrfeitg bie
^ieB ift bie ^a^r^eit, wddjt iDteberum \>k ®!epfi§ felber nic^t negiren
fann, ba ber S^^^iW biefelbe üorau§fe^t; benn jeber, ber fic^ bercu^t
ift, bajs er stueifelt, er!ennt eben bamit 2öal^re§. „SBenn bu ni^t ein=
feigen foUteft, voa^ id) fage, unb baran jiüeifelft, ob e§ raa^r fei, fo
geiüiB fei. — 3^^^^/ ^^^ erfennt, ba^ er ^raeifelt, erfennt 2öa]^re§ unb
ift beffen gercij^. ®eä S5>a^ren a(fo ift er gerciß. Seber, ber an ber
(Sx'iftenj ber 2öal)r]^eit ^roeifett, l^at bemnac^ in fid^ felbft baä 353al)re,
lüoran er nid^t ^lueifeln fann; unb roal^r ift nicf)t§ au^er burdf; bie
an irgenb etn)a5 ^lueifetn fonnte." ^ (5o ergibt fid^ für 5Iuguftinu§ au§
ber (Srfenntnife ber ^a^rljeit ^ugleicC) aud^ ber begriff ber Sßa^r^eit unb
au§ ber ©eratjj^eit raa^rer ^-rfenntni^ aud^ W ©erai^^^eit einer 2ßa5v=
^eit an ficf), burd) bie ^Illeg roa^r ift unb auf bereu (Sr!enutni6
H^ natürlid)e Streben beg raftfoS forfd^enben ©enfgeifteä abhielt.
corpus vivendo, sicut illa corpora moveri advertimus. Neque enim cum
corpus vivum movetur aperitur ulla via oculis nostris ad videndum animum,
,
rem scilicet, quae oculis videre non potest. Sed illi moli aliquid inesse senti-
mus, quäle nobis inest ad movendum similiter molem nostram, quod est vita
et anima.
2 Soliloq. II, 5: Verum
est, quod ita se habet, ut cognitori videtur, si
velit possitque agnoscere. —
Quidquid est, verum est.
* De Vera relig. c. 39: Aut si non cernis, quae dico, et an vera sint
dubitas, cerne saltem, utrum te de iis dubitare non dubites et si certum est ,
habet verum, unde non dubitet, nee ullum verum nisi veritate verum est.
Non itaque oportet eum de veritate dubitare qui potuit undecunque du- ,
bitare.
40 B^Detter tl^eil.
§ 6.
^ie 6inne§erfenntn{J3.
2Bir ^aben in unserer ]r)ntf)eti]d^en ^arfteUung bem rairftic^eii (5nt=
fo fe^r er hen 8a| betont, baJ3 ber ^enfgeift, um Vit SS^afirl^eit ju er=
!ennen, t)on ber ^rußenraelt in bas eigene 3"^^^^'^ \^^ ^urücfraenben foH,
fenntniß tft nac^ ifim ha^ ^robuct jraeier J^ctoren, bes (Srfennenben
unb bes (Jrfannten ^ ein geiftiges ^nneraerben ber ^inge, raobei ber ^enU
geift rceber btoB pafftü ift, fonbern ficf) felbftt^atig bie 33orfteüung beä
Cbjecteä bitbet, nod^ rein probuctiü, "oa bas (5-rfennbare ber (^-rfenntniB
üorau§gef)t 2.
^urc^ bie leiblid^en 8inne treten rcir in 35erbinbung mit ber 5(u6en=
obgteid^ es ai\6) geraiffe Cbjecte gibt, rceld^e, raie 5. 33. h'it gigur, allen
ober mehreren (Binnen gemeinfam finb. SDer l^o^fte (Sinn ift bas ©efid^t,
beffen SSa^rnerimungen bem geiftigen (^rfennen am d^nlid)ften finb^.
^urd^ bie 5;^ätigfeit ber (Einne entfielen jraar nidjt bie finnenfäHi^en
^inge felbft, roo^I aber erzeugen letztere 2lbbilber ober ©egenbilber i^rer
fetbft in ben «Sinnen, aug benen bie (Seele bie Sinnesoorfteflungen bitbet *.
(5ä l^aben nun jrcar bie 5[fabemifer oiel gefd^roalpt gegen bas 3^ii9"^6
^ De trinit. IX. 12: Unde liquido tenendum est. quod omnis res quam-
cunque cognoscimus , congenerat in nobis notitiam sui. Ab utroque enim
notitia paritur, a cognoscente et cognito.
2 Ibid. XIV, 10: In omnium istarum temporalium rerum scientia quae-
dam cognoscibilia Cognitionen! interpositione temporis antecedunt.
3 Ibid. XI, 1.
t)er Ieib(id)en <8inne; aUetn wir bürfcn an ber Söal^rl^eit beffen, tt»a§
tt)tr burrf) biefelben erfahren, md)t graetfetn; rctr lernen bnrd^ fie ben
^immel unb Vit ß-rbe nnb aüt^, voa^ in biefen un§ befannt ift, fennen *.
berauBt ift nnb and^ ber 5lfabemifer angeben mnfj, nid^t bloß bafi etmaä
erfd^eine, fonbern ta% in golge ber 6inne§affection immer anä) eine be=
ftimmte ß-rfdjeinung gegeben fei 2. Söürbe W afabemifd^e ©fepfiS aud^
man bem, rcaS fd^etnt, üoreilig feine ßwP^mmnng gibt, ©omit fei^t bie
6fepfi§ felbft bie finnlid^e ©rfd^einung üorauä unb fte^t bal^er tk 2öal^r=
^eit berfelben üollfommen fidjer. Wii ber SSal^r^eit ber finnlid^en (^Vi
fd^einung aber ift aud^ ha§ 5Dafein unb bie 2öal)r]^eit ber Slu^enrcelt
bie ^fabemifer, mit ber SSaljr^eit ber finnlid^en ß^rfd^einung fei nod^
ni($t gegeben, ba^ biefelbe auc^ rca'^re ©rfenntni^ 'oermittle, unb berufen
fid^ gegen fie auf bie fogen. (Binnegtaufd^ungen. Sßir muffen anerfennen,
bo6 eine ©inneSmal^rnel^mnng an \\ä) aUerbing^ trügerifd^ fein fann,
allein rair bürfen nid^t überfeinen, \>a^ un§ im urt^eilenben 35erftanb bie
1 Ibid. XV, 12: Multa illi philosophi garrierunt contra corporis sensus,
sed absit a nobis, ut ea, quae per sensus corporis didicimus, vera esse dubl-
temus: per eos quippe didicimus coelum et terram et ea, quae in eis nota
sunt nobis. Ibid. XI, 1 Nemini dubium est sicut interiorem hominem in-
: ,
geben un3 feinen ©runb gnr JTlage, lüenn rair nur nidjt io nncerftänbig
finb, üon t^nen mefir ^n üeilangen, qI§ fie leiften foüen. 3i?a^ bie
'trugen jefien, ba§ fe^en (ie immer richtig. SBenn "na^ ^hiber im $L^afjer
ipenn ]ie bas untergetaui^te O^uber gerabe erfc^cinen (ienen; benn fie
lüürben bann nic^t fefjen, rca^ beim l>or^anben)'ein einer fotdien Urfac^e
ten, ha{^ unä bieie§ in biefer be[timmten ^li^eije erfdieine; bann ift jebe
2:äufd)ung unmöglich. Sie ^^(ugen täufc^en ni(^t, meil fie ber eeele in
5(trem nur Reibung t^un, wie fie afficirt roerben. ^^enn baefelbe hd
allen übrigen Sinnen ftattfinbet, fo fief)t man nic^t ein, raa^ man üon
i^nen me^r üerlangen folT. ^l\ä)t in ba§ ^uge, fonbern in bie eeefe
fdUt ber 3^*^'^^ii»^ "^^^ ^'^e ^aufc^ung, roeit biefe auf oerfe^rte S>eife
urt^eitt unb gn)ifc^en bem Sing unb feiner finnlid^en (Srfc^einung nid^t
unterfd^eibet. Dlid)t burd^ bie 8inne raerben mir getöufdit, fonbern mir
Sßal^r^eit, bie mit bem ^^nern beä ©eifteä erfaßt merbe, mit ooQer
(i'uergie feine ^^(ufmerffamfeit fiin^uridjten; benn \ia^ ^Binnenfädige, 'oa^
unb raiffenb umfaffen, alle^ 8innenfci[Iige gehöre fomit nur in 'oa^ ©e?
* Contr. Academ. III, II: Noli j)lu3 assentiri, quam ut ita tibi apparere
persuadeas, et nulla deceptio est. De vera relig. c. 33: Sed ne ipsi quidem
oculi fallunt; non enim renuntiare possunt animo nisi affectionem suam. Quod
si non solum ipsi, sed etiam omnes corporis sensus ita renuntiant, ut afficiun-
tur, quid ab eis amplius exigere debeamus, ignoro. Tolle igitur vanitantes
et nulla erit vanitas.
2 Contr.Academ. IIL 11: Quidquid enim contra sensus ab eis dispu-
tatur, non contra omnes philosophos valet. Sunt enim, qui ista omnia, quae
corporis sensu accipit animus, opinionem posse gignere confitentur, scientiam
vero negant; quam tamen volunt intelligentia contineri remotamque a sensibus
in mente vivere. Et forte in eorum numero est sapiens ille, quem quaerimus.
§ 7. ©er SScrfianb (ratio). 43
fopliie unb ^ur ^efömpfung be^ ^feptici^mus betonen raill, ift einer=
feitg biefe, bafe bie innere, geiftige ^'rfenntnife ben ^^orjug l^abe üor
ber ©innenerfenntnife, unb anbererfeitö, \ia^ ber ©inne^einbruif an unb
für fid^ nod^ fein eigent[id)e§ SBiffen t)evmittle, fonbern bag ba,3u \ia^
l^ö^ere 6:r!enntni^üermögen erforberlid^ fei.
^ieB fü^rt un§ jur 5Iugnftinif($en ßeljre uon ber geiftigen (5r=
fenntnife.
§ 7.
De div. qu. 83 qu. 9: Omne quod corporeus sensus attingit, quo et sensibile
dicitur, sine ulla intermissione temporis commutatur. Comprehendi autem non
potest, quod sine intermissione mutatur. Non est igitur exspectanda sinceritas
veritatis a sensibus corporis.
1 De civit. Dei XIX, 18.
44 3roetter Zfjtil.
©efic^tgfinn über ben ^^angel ober bas genngenbe ^^tay in ben ^^arben,
äuBeren 8inne, ber ^^cenfc^ mit bem ^biere gemein. Xk gä^igfeit be§
5:^iereö aber retd^t nur bis l^ier; es üermag burc^ ben dujseren v^inn
erl^ebt, fo fielet über if)m nocf), als eine ^öljere, geiftige (Eeelenfraft,
ber 93cenfd^ t)om ^^iere unterfc^eibet. ^er ^erftanb ift bas Vermögen,
r.ermittelft beffen rair über ben 6inn überhaupt urt^eilen; er unterfd^eibet
bie (Sinne, feine 5i^iener, unb bie ßmpfinbungen , loeld^e fie i^m t)er=
mittein, foraie bie äußeren (Sinne unb ben ©emeinfinn üon einanber;
burdö i^n urtl^eilt ber ^^enfd), baB ber dunere @inn cor feinem Cbject,
rejicientesque contrarium.
§ 7. ®er 3Ser|ianb (ratio). 45
ber innere 8inn cor ben einzelnen äußeren 6tnnen ben ^or^ug l^abe unb
ba^ er feI6ft fie alte überrage *. 3"^^"^ fobann ber innere Sinn bem
3Serftanb feinen 3nl^a(t überliefert, hUihtn mx ni(f)t bei ber finntid^en
Sßal^rne^mung [teilen, fonbern erf äffen ha^ Dbject anc^ raiffenb. ^er
35erftanb befähigt ben ?Ü^enf^en, im Unterfd^ieb üom 5l^iere, jum eigent?
©mpfinben ift unb nur al§ ein matteä 5lbbi(b ber geiftigen ^tjätigfeit
geiftige 5(uge beä ?iJlenfcf)en ^ unb burd^ i^n entftetit aUeö 2Biffen, nid^t
b(o§ \ia^ Söiffen Don ber ^lußenraelt, fonbern aud^ bag ^Ißiffen beö
©eifteg üon fic§ fetbft, infofern mittelft beg 55erftanbeg bie ©ee(e fid)
ftanb e§ i[t, ber fon)ol)( biefeg 3tlleg, alg. aud^ fid^ felbft erfennt unb
rciffenb umfaBt^
®a§ 2Biffen ober ha^ rciffenfdöaftlid^e ^rfennen ift bie gorm beä
beffen ber menfd^lic^e ®etft im IXnterfd^ieb üom ^^l^iere fällig ift. SE^em
3Serftanbe aber, bem felbftbemuBten ©enfen, baä biefe 5lrt beg (SrfennenS
erzeugt, überliefert nic^t nur ber äuBere, beMe^ungsraeife ber innere ©inn
einen erfennbaren Snl^att, fonbern ber S^enfgeift f(f)öpft aus feinem
eigenen Säuern gerciffe ^ö^ere ß-rfenntniffe; er ^at ni(f)t bloB ein finm
ü(i)t§, fonbern auc§ ein l^ö^ereS geiftige§ SS^al^rne^mungsDermogen, eine
(ung beg leiblidjen 6inneä, 5Öal^re§ erfennt. „5(lle§, rva^ rcir betracf)ten
ober burc^ ben ©ebanfen ergreifen, erfaffcn lüir entn)eber burd^ ben
8inn ober burd^ ben ^"^'^Ö^fCt/' ^ ©g gibt fomit ivod 5lrten uon Qxt:
fenntniBobjecten: ber leiblid^e (Sinn üermittelt ung ba§ 8innenfällige, bie
^ 8.
(^ehkt be§ (Binnlid^en unb be§ ^nteüigibeln fd^arf Don einanber abgrenzte,
mag geiftig gefd^aut mirb, Don bem, ma§ mit ben (Binnen erfaf^t mirb ^.
fügen (5in= unb Dlücffeljr ermalint, unb gegenüber ben (Eenfualiften -be^
tonen, baf3 biefelben UnrecE)t I)aben, menn fie bel^aupten, ber benfenbe
'^erftanb muffe fic^ mit bem 2)enl:inl)alt begnügen, ben il)m bie leiblichen
Sinne mittelft beg ©emeinfinnö jnfü^ren, ober menn fie gar alle 35or=
p^ere Söal^v^eit, al§ bie finn(id)e ift, 51: fuc^en iinb nad^^inüeifen. ©af)er
^djriften bem, wa^ al§ fleiftlge (Srfdjeinung anfgefafjt lüirb, eine raeit
()5^ere 33ebeutnng aB bem, idqö un^ burd) bie ©inne libermittelt iDirb,
uab be^eidjnet, rote ]d)on bemerft rcurbe, le^tereg fogar al^ etraaS, mag
man ftreng genommen gar nid^t fafjen, nidjt raifjenfdjaftlic^ ernennen nnb
begreifen fönne, raeil eä einer fortmä^renben 33eränbernng unterliege,
©aö eä nid^t bie S[\>a]^r^e{t felbft fei, folge baran§, ba^ e^ oergänglic^
fei, lüä^renb bie Sßaljrl^eit für eroig nnb unoergänglid) gehalten roerben
gelten für fic bie ^^^ifc^^Ö^'ü^^c ^^v 5Ifabemifer nid^t nnb 5Inguftinnö
'felbft fagt, er l^abe fic| auc^ bamalg, alä er nom ^5!epticigmu§ inficirt
laffen ^, rceil er ben Sn'Eialt berfelben at6 etroaS erfnnben fiabe, ba§ fid),
Tt)ol)l erfaffen nnb begreifen laffe. 5)ie inteüigible (J-rfenntnife ift ni^t
nur W ^öl^ere Ouelle ber 3©a^rl)eit, fonbern unterliegt auc^ feiner
erfennt ber ^i^teHect unb bann ift roa^r nnb un§roeifell)aft , voa^ er er=
fennt, iDie 5. 33. bie 33egriffe unb ©efel^e ber 3^'E)^^"^ ^^^^' ^^^^" etmaö
nic^t rca^r e§ nid^t ©egenftanb ber intellectuellen (S-rfenntnig *.
ift, fo ift
(^eifteö liegt, vod^t fd^on ber Umftaub l^tn, \>a^ berfelbe überljaupt uac§
2öiffen unb 2öa^rl^eit ftrebt. ©iefeä ©ud)en unb ©treben bemeiSt, bafe
i^m bie 3bee ber Söal^r^eit unb be§ SßiffenS inncrcoljnt, fammt allen
ben befonberen SBalfirl^eiten, rcetd^e biefe 3^ee in fid^ fd)lieJ3t; benn roer
ba§ iJBiffen liebenb erftrebt, ber muf3 c§ fennen, iDeil man gan^ lln=
befannteä nid^t lie^ien unb erftreben !ann *. 2Btr roiffen au§ unferer
inneren ^rfa^rung mit unmittelbarer ©erciB^eit, ha^ biefeg Streben un§
inneroo^nt, nnb finb überzeugt, baß bie^ bei allen 2Ren|"c§en ber gall ift,
'oa alle eine Suft unb greube an ber 21>a|r§eit ^aben. SSir mürben
aber hkie 2kht gur SSa^r^eit unb jum Sßifjen nic^t ^aben, menn mir
nt(^t eine entfprec^enbe 3bee bacon in unferem geiftigen ^emu^tfein Ratten 2.
3n biefem §inmeig beä ^uguftinu§ auf "ak bem menjd^tic^en ©eifte in-
^ärirenbe 3^ee ber Sßal^r^eit unb be§ 2öifien§ ^aben mir hie tieffte 33e=
raa^rne^mbar ift unb nic^t alä Object ber Sinne in biejen ein 5Ibbi(b
feiner felbft erzeugt, atfo alTeS Unförpertic^e 3, üor 2lllem bie menfd^üc^e
Seele felbft mit i^ren geiftigen ^ni^s^^ufiönben *. 3}or^uggraeife aber
jinb e§ geraiffe intelligible 33egriffe, 3^^^"/ tüeld^e ber ®eift au§ feinem
eigenen Anteile et, aii§ feiner 3}ernunft frf)öpft unb meiere hk l^öd^s
fen§ bilben. (S§ finb gemiffe 2Saljrl)eiten , ©runbfd^e, bie ber menf(^=
lic^e (^d)t au§ fic^ felbft f($öpft, rceil er mit 3Sernunft (intellectus)
begabt, ein intetlectnelleä ^efen ift, unb nad^ biefen ©runbfä^en urt^eilt
"^
in memoria eorum.
^ De trinit. XII 6 Res quippe incorporea intellecta conspicitur et in-
:
,
visionum), quo dilectio intellecta conspicitur, eas res continet, quae non habent
imagines sui similes, quae non sunt quod ipsae,
* De mor. eccl. c. 12: Animus res quaedam est intelligibilis, id est, quae
tantum intelligendo innotescit, alia creatura est omne sensibile, id est, quod
per oculos vel aures vel olfactum vel gustum vel tactum quasi quandam
notitiam sui praebeat. Epist. 112 ad Paulin.: Ita videas mentis intuitu, ut
vides vitam, voluntatem, cogitationem memoriara cognitionem, intelligentiam,
, ,
scientiam, fidem tuam. Epist. 218 ad Nebrid.: Veniat in mentem illud, quod
intelligere appellamus, duobus modis in nobis fieri: aut ipsa per se mente
atque ratione intrinsecus, ut cum intelligimus, esse ipsum intellectum, aut ad-
monitione a sensibus, ut id, quod jam dictum est, cum intelligimus, esse
corpus.
§ 8. 2)ic inteHectuctle (SrfenntntB. 49
biefe SSa^rl^etten auä fid^ felbft fd^öpft, brängen fie fid^ t§m aud^
Sßa^rl^eit anjuerf ennen , unb barum tft biefe aud^ über allen 3^^^!^^^
ergaben.
Dfteflectiren rctr namlid^ auf unfer ^nmxt^, fo finben n)ir ein ®e=
Biet t)on SSorftetTungen , beren ®runb nid^t in ber auf bte leibtid^en
6inne einrotrfenben 31u§enn)elt liegen !ann, weil fie fid^ n)efent(id^ unter=
f (Reiben ron 5lIIem, n)a§ rcir burd^ W ©inne rcal^rne^men unb nid^t§
©afein unb SeBen erfaßt, fonbern nod^ anbere sßorfteHungen , V\^ gleidjs
rceld^e jraar nid^t förperlid^, aber bod^ ©leid^bilber üon förperlid^en ©in=
gen finb, burd^ hk ©inne gercinnt, fo erfaßt fie burd^ W 35ernunft ba§
\)a^ au§ ber 5lnnal^me beg 33orberfa^e§ eine§ l^ripötl^etifd^en Urt^eilä aud^
bie 5lnna]^me be§ 9^ad^fa|e§ folgt, ober bafe burd^ bie 3Serneinung aller
©lieber im bi^iunctioen Urt^etle big auf eineä \)k ^Seja^ung biefe§ einen
fid^ felbft raal^r. Unb wk il^nen, fo mu§ man allen übrigen ©ä^en ber
finb al§ ha^, roaä ung hk @inne über hk Singe ber Slu^enraelt !unb
tl^un. ^te SDtalecttf, bte un§ lel^rt, §u lehren imb gu lernen, TDeiß ju
raiffen; alfo offenbart fic^ in tl^r ba^i l^o^ere SSermögen be§ 3Serftanbe§,
infofern biefer ba§ S[öiffen erzeugt, unb gibt funb, rcas er ift unb rciti ^.
(Srfal^rung gejd^öpft, fonbern flammt aus bem 3"l^Ö^^ct felbft unb ift
ha§, raonad^ bie ftetä rcec^felnben 3}orgänge ber 5luBen= unb ^ttuenmelt
beurtl^eilt werben muffen. Sßo^l !ommt ha^ ^nkUi^ibU aud^ in ber
6innenn)elt jur (Srfd^einung , aber nic^t rein an fid^, fonbern im i0^e=
bium ber ^örperlicljfeit unb in ben formen oon ^zit unb D^aum. S)al^er
fann ber @eift mol^l ha^ ©innenfällige nad^ ben ^lormen beg 3^^^^^=
gibein beurt^eilen, aber nid^t ba§ ^tttelligible felbft au§ bem ©innen=
*.
fälligen er!ennen
1 De ord. 11, 13: Haec docet docere, haec docet discere; in hac s« ipsa
ratio demonstrat atque aperit, quae sit, quid velit, quid valeat; seit scire.
2 De lib. Proprium ergo et quasi privatum intelligendum est,
arb. II, 7 :
quod unicuique nostrum soli est et quod in se solus sentit quod ad suam
,
,
homo loquendo enuntiat meutern suam, quid in se ipso agatur attendens, aliter
autem humanam mentem speciali aut generali cognitione definit. — Unde mani-
festum est, aliud unumquemque videre in se, quod sibi alius dicenti credat,
non tarnen videat, aliud autem in ipsa veritate, quod alius quoque possit in-
tueri, quorum alterum mutari per tempora, alterum incommutabili aeternitate
consistere.
^ De quant. anim. c. 6 ; de ord. II, 15.
§ 8. ©ie intettectuettc (ärfenntmB. 51
^un!te§, ber mat^emattfd^en Sinie, jobann, wie jd^on Umtxtt vonxht, bte
biatectif(|en (logtfd^en) Sßorftettungen unb ©runbfä^e, rcie ba§ ®e}e^
ber ©lei^^eit unb STel^nlid^feit , ba§ ©efet^ be§ auägefd^Ioffenen ©ritten,
fobann ha^ @efe^ ber (Saufalität; benn bie üerfd^iebenen Urfad^en ber
©inge finb imferen 6innen jraar burc^ouä verborgen, aber ha^ ift um
ferem @eifte befannt, ha^ nid^tg ol^ne Urfad^e gefd^iel^t ^. (Sbenfo [ud^t
tägt^.ba fiil^It er feine OuaP. S!)ie ©in^eit aber ift ba§ ^rincip unb
W not!^n)enbige 3}orau§fe^ung jeber 3^5 ^- Sßenn e§ fid^ ba^er nad^s
raeifen lä^t, ha^ bie SSorftelTung ber ©inl^eit un§ nid^t burd^ W Uih
(id^en @inne ^ugefül^rt werben fann, fo ift bamit jugteid^ erraiefen, H^
überhaupt feine ^a^ i^ren Urfprung ben finnlid^en Sßal^rne^mungen
üerban!t, ba^ wir nid^t, n»ie W ©enfualiften bel^aupten, bie ^af)kn au§
ber finnlid^en ©rfal^rung abftral^iren, bafe üielmel^r bie 3^ee unb SÖal^rs
©ine§, fonbern 33iele§, weil ba§ Object ber Sinne immer etwa§ ^örper^
lid^e§ ift, hü^ ^örperlid^e aber unjä^lige Steile ^Qt. 5lud^ im tieinften
Körper muffen wir noc^ einen redeten unb linfen, einen oberen unb um
teren Streit unterfd^eiben unb be^^alb ift fein Körper eine reine, wal^re
(Sin^eit, fonbern eine 33iel^eit, weld^e bie wal^re ©inl^eit blofe nad^al^mt.
©§ wäre aber unmöglid^, in einem Körper eine ^Siell^eit üon Stl^eilen gu
jaulen, wenn fie nid^t auf @runb ber (Srfenntnig be§ (Sinen unterfd^ieben
würben, ©enn wenn iä) bie ©inl^eit im Körper fud^e unb nid^t ^weifte,
fie in ilim ju finben, fo mufe id^ bod^ beffen bewußt fein, wa§ id^ bort
fud^e. 2Ö0 id^ alfo erfenne, ba§ ein ,^örper nur (Sin§ fei, ^a "^abe i^
erfannt, voa§ ba§ ©ine ift. SSo immer itf) aber \)a§ ©ine erfannt l^aben
mag, ift fidler, ba^ ii^ eö nid^t burd^ einen leiblid^en ©inn erfaßte, ba
id^ burd^ hzn leiblid^en ©inn nur ^örperlid^eS erfenne, bag nid^t wal^r*
l^aft unb lauter ©in§ ift. $Der ©eift mu§ alfo bie 3bee ber ©in^eit.
nad^ treidlet er urt^cUt, burc| ftd^ felbft erbtirfen*. ^te ä^^^^^i^ f^"^
ntd^t etroa 33tlber be§ 6id^tBaren, bte ber ftnnlid^en SBal^rncl^mung ent=
nommen radren, fo ttientg al§ bte rein matl^ematifd^en 33egriffe unb ©e?
fe^e üom D^aume; otelme^r finb bie ^a^^^n, roomit roir jäl^ten (quibus
numeramus), bie reinen B^¥^^f etn)a§ ganj 5lnbere§, al§ bie finnen^
©efe^t aBer auc^, bie 3^^^^^^ \^^^^^ f^^ß" ^^^ ©etfte nid^t ex aliqua
sua natura, fonbern au§ ben finnlid^ raal^rne^mbaren fingen eingeprdgt,
gtltig ift, mögen nun bte B^^'^^" ^^ i^*^ Mxa6)kt ober auf \)k ©efe^e
ber geometrifc^en giguren, ber 5töne unb 33en)egungen angeraenbet raer=
ben ^ Sßo l^aben ratr ein foId§e§, aud^ für eine unenblid^e D^leil^e gilttgeä
©efe^ erfaßt? ©erai^ ^at bod^ feiner mit irgeitb einem «Sinne bie ganje
3ci5Ienreil^e umfaßt. 2ßorau§ erfennen rair alfo, ba§ biefeä ©efe| für
alte ^a^tn gelte? Sßeld^e ftnnlid^e 35orfteIIung follte un§ eine fo un=
ret^e tn'0 Unenblid^e ausbe^nen !onnen, üermogen rair aud^ tixüa^ 3^§^-
bareä raie ben Körper in'ä Unenblid^e un§ tl^eilbar ju benfen unb fe^en
in ©ebanfen biefe ^^^ilung fort, aud^ rcenn rair un§ feine 33orfteIIung
geben, ba§ hk 3^ee unb ^öal^rl^eit ber 3^5^ ^^^^ ^^ ^^^ 33ereid^ ftnn=
lid^er Sßal^rnel^mung fdllt, 'aai fie oor aller ©inneäraal^rnel^mung un=
* De lib. II, 8. De vera relig. c. 32: Nunc vero cum dicit öorporibus:
vos quidem nisi aliqua unitas contineret, nihil esset, et rursus si vos essetis
ipsa unitas, corpora non essetis, recte illi dicitur : Unde illam nosti unitatem,
secundum quam judicas corpora, quam nisi non posses, quodvideres, judicare
eam non impleant. Si autem bis corporeis oculis eam videres , non vere di-
ceres, quamquam ejus vestigio teneantur, longe tamen ab ea distare nam iatis ;
oculis corporeis non nisi corporalia vides; mente igitur eam videmus.
2 Conf. X, 12. 3 pe doctr. christ. II, 39. * De trinit. XI, 10.
S 8. 5Dte {ntcKcctuettc (5r!cnntnl§. 53
umftö^ttd^ unb fidler feftftel^t unb bem geifttgen ^Mt aller üernünftigen
3bee ber 3^^^ infofern üerrcanbt ift, aB l^armonifd^e (Sinl^eit \)a^ ©e^
präge alTeS 6(^onen au§mad§t. Sßenn voir in bem, n:)a§ in ber ^orper^
raett unfer Sßol^Igefallen erregt unb bur($ bie leiblid^en ©inne un§ ents
^Mt, Harmonie nnb ©d^önl^eit er!ennen, fo Berul^t bie^, vok bie ^r-
fenntnife ber ^^'^^^^^ßi^'^ältniffe, auf einem Urtl^eil auä 35ernunftgrünben
unb nid^t auf einem Uo^ finntid^en, unmittelbaren Sßol^Igefallen. 3ene§
35ernunfturt5eil ift \)a^ l^ol^ere, \)a^ xiber hk finnlid^en ©mpfinbungen in
über baf, roaS in biefen ba§ Slnjiel^enbe fei, [Rec^enfd^aft ju geben, unb
fie^t ein, ba^ ba§ ^Injiel^enbe auf ber Orbnung unb 6t)mmetrie berul^t;
erfennen rair fomit, ha^ n)ir ha^, maS roir mit ben förperlid^en ©innen
erfaffen, nid^t nad^ 2Bertl^ ober Unmert^ fd^ä^en !onnten, raenn rcir
nid^t in un§ felbft geraiffe ©efefee ber ©cf)onl^eit trügen, nad^ benen wir
alTeg ©d^öne rcertl^fd^d^en, ha^ rair in ber Slu^enrcelt rca^rne^men 2.
mu§ atfo einen geiftigen ^efi^ geben, ber fomoljl STnt^eil be§ Äünftlerg
felbft ift, aB aud^ ber 5Intl^eil beffen, ber, o^ne felbft ^unft ^u üben,
i^re 2öerfe ^u beurtl^^ilen üerftel^t. ^enn jeneS l^armonifd^e ^iifonimeus
cit sensus , videas esse numerosum et quaeras , unde sit , et in te Ipsum redeas
atque intelligas te id, quod attingis sensibus corporis, probare aut improbare
non posse, nisi apud te habeas quasdam pulchritudinis leges, ad quas referas,
quaeque pulchra sentis exterius. De
omnino regulis supra
trlnit. IX, 6 : Aliis
mentem nostram immutabiliter manentibus vel approbare vel improbare con-
vincimur, cum recte aliquid approbamus vel Improbamus.
54 3^^^^^^ 3:^cil.
^aä l^od^fte ^ki6)i unb (ibenma^^ rairb man nun, ebenfo wk ba§ roal^rs
unb f(^(ed^tf)in (Siner ift, ba alle Körper ron gorm ju goim unb üon
2lrt ju 5Irt üBerge^enb fic^ üeränbern unb au§ einzelnen, i^ren ^(al^
ni^t auf jinntic^e SS^eife, fonbern burd^ einen geiftigen 33licf erfannt.
aber nur beB^alb, raeil i^r S^ed hzi ber Sßalirne^mung be§ 6innen=
fälligen ha^ blofse (Srgo^en ift, raeit fie in i^rer (SrfenntniB nid^t nad^
§ö5erem ftreben raoüen unb gar nid§t barnad^ fragen ober barüber ur.
tl^eilen, raarum ba§ (Sichtbare ©efallen errege. Sßenn it^ etwa einen
33auf ünftler , ber ^Un einen 33ogen aufgefülf)rt l^at, frage, raeB^c^Ib er
rairb er rao^I antworten, bie^ sefd^e^e, bamit \)k ^§ei(e be§ @ebaube§
ift in bie 6inne nerfenft, fein (Srfennen reid^t nid^t raeiter al§ fein 2luge,
er fte^t nii^t ein, raooon er Ui einem fold^en Urt^eile abpngig unb ge=
getragen ift. 5Iber 16) raerbe bann biefen ^^ann, ber aud^ ein innere§
5(uge §at unb feigen fann, raaä nic^t duBerlid^ fic^tbar ift, nid^t aufhören
mit ber grage ju brängen, raarum benn jene ©inge S£>of)(gefalIen er=
jd^led^t^tn üon i^m gefefjett; tnbem er nid^t blo| naä) biefem 2Bo^t=
inerbe juerft fragen, ob bte ©tnge be^^alb fd^on feien, roetl fie gefallen,
ober ob fie be^l^alb gefallen, rceil fie fd^ön finb. 3^ raerbe bann weiter
fragen: raeB^alb finb fie fd^ön? nnb raenn er §ter nnficCier jogern rcürbe,
feine 5Infid^t an^^ufpred^en , rcürbe id^ i^m nal^elegen, ob x)ietleid)t nidf)t
biefe ©inl^eit, nac^ raeld^er if)x streben gerid^tet ift, in ^ö^ft^^ 2öeife
jugibt — nnb njer foHte, barauf l^ingeraief en , e§ nid^t erf äffen, ba^
ivoax jebe fd^öne gorm, ba§ überl^aupt jeber ^i)rper eine (Spur ber
©inl^eit an ftd^ trage, ba§ aber gleid^roo^l aud^ ber fd^önfte ^ö.rper,
raeil er nermöge feiner 2(n§bel^nung ben einen Z^til ^kv, ben anberen
bort §at, hk ^'inl^eit, bie er erftrebt, nid^t erreid^en !önne, — raenn alfo
biefe ber gall ift, fo raerbe id^ fragen: rao ober raoranS erfaffeft bu
biefe ©in^eit? ©iefe mnfe man bod^ erfaffen; raol^er raäre fonft bie
(Srfenntni^, ha^ tk gorm ber Körper ber ©inl^eit nad^ftrebt, o^^ne fie
bem leiblidien Singe aber !annft bu fie nid^t erfaffen, benn bann fönnteft
bu raa^rlid^ nid)t fagen, bafe hin ^örperlid^eS , über bag bod^ bein leib=
^-ßerbinbung, racnn fie fagt, ha^ ®ott in feiner ^eig^eit alle§ nad^ ^a^
unb 3<^5t georbnet l^abe. 5lber mag ift SßeiS^eit? ©ie 33eftrebungen,
in raeld^en W ?0^enfd^en fid§ raeife bünfen, finb mannigfaltig unb oer^:
in allen biefen etraa§ ®emeinfame§; eg ift (Sineä, ha^ atte treibt unb
beraegt: äffe ftreben na^ bem @ut unb fliel^en ba§ Uebel, atte alfo
ftreben nad^ bem pd^ften ®ut ober na^ ber ©lüdefeligfeit, W
im ©ennfe be§ raal^ren unb l^od^ften ©uteg gefunben rairb. ©arum
fönnen rair hit rca^re ^öetö^eit be^eid^nen qI§ W (SrfenntmB ber SS^a^r^
^eit, in ber ba§ ^od^fte @ut erfannt unb feftge^alten ratrb (veritas, in
qua cernitur et tenetur summum bonum). ^a§ (Streben nad) ®lücf=
feltgfett tft alä fold^eg ntemalä im ^rrtl^um. Neffen ©treben aber auf
ttvoa^ gerid^tet ift, ba§ ntd^t bag malere @ut tft, ber raürbe nid^t barnad^
ftreben, raenn nid^t ber (^d^ein be§ ©uten i^n blenbete unb in bie ^rre
führte. ?htr infofern fann ber 2)^enfd) irren, alg er, burd^ ben (Schein
beg ©Uten geblenbet, einen SebenSrceg einfd^Iagt, ber nid^t ^ur raal^ren
,3rrt^um in SSejug auf bie Otid^tung be§ ßebenS ebenfo fel^r ju meiben
unb ju fTiel^en fu^en, alä er raa^reg ®lütf anftrebt, er roirb bal^er W
53a^r^eit, Vit il^n über ben raal^ren ßebengraeg orientirt, ober bie
2Bei§l^eit nid^t roeniger anftreben alä bie ©tücffeligfeit, rceil ber 3^rs
jie^t. SSie e§ bal^er feftfte^t, ha^ rair glüc![ic| fein rooUen, fo ftel^t aud§
feft, ha^ rair raeife fein raotlen, ineil o§ne 2öeig^eit niemanb glücf feiig
fein fann. ©enn niemanb ift glütffelig al§ burd^ ha^ l^öd^fte ®ut, \>a^
roirb. 33eüor roir nun rcal^rl^aft glüdffelig finb, mu§ unferem ©eifte eine
<3bee ber ©lüdffeligfeit (notio beatitatis) eingeprägt fein; benn
nur auf ©runb einer fold^en ^\)tt tonnen roir roiffen unb jroeifelloä
augfpred^en, ha^ roir glüdffelig fein rooUen. ©a aber ber 2)^enfd^ nur
glucffelig roirb burd[) 'Da§ roa^re unb pd^fte ®ut, fo muB er mit ber
3bee ber ©lücffeligfeit aud^ bie 3bee bes roa^ren, l^od^ften ®ute§
in fid^ tragen; ba enblid^ nur bie SSeis^eit eg ift, in ber baä l^öd^fte
®ut erfannt roirb, unb infofern fie allein e§ ift, W jur roal^ren @lürf=
feligfeit fül^rt, fo muffen roir, beoor roir roeife finb, aud^ eine 3b ee
ber Sßeig^eit in unferem ©eifte tragen, ber jufolge jeber bie grage,
ob er roeife fein rooUe, ol^ne bag ^unfel be§ 3"^ßÜ'eB bejal^t^ 2)ie
^d^^tit, bte nad^ ©lücffeltgfeit ftrebt, ift at[o ettraä, roaS allen ver-
anberä erfennen tütr, ba^ e§ eine Sföeiäl^eit gibt unb ia^ alle glürffetig
unb begl^alb aud^ weife fein rcollen? ©rfennen n)ir biet3 etwa in fol^er
nid^t üielmel^r ber eigentlid^e (s;^ara!ter biefer ©rfenntnife, bafe wiv feinen
5(ugenbli(f barübcr jraeifell^aft finb, ha^ eben biefe Sßal^rljeit ol^ne eine
^IRittl^eilung von unferer ^cik in berfelben Sßeife von onberen xvu üon
un§ erfaßt raerben fönne? (So toa^r unb unoerdnberlid^ alfo, uiie bie
Sftegeln ber Qa^l, liegt bie 2ßei§l^eit unb liegen aUe ©runbfd^e, raelc^e
bie 2ßei§5eit in fid^ f daließt, oor bem geiftigen S3lidfe aller ^D^enfd^en^.
baß man auf bem Sßege ber Sugenb unb @erec^tig!ett ^ur raa^ren (^IM^
feligfeit gelange. (Sie finb jene§ ©efe^, \ia^ eingefd^rieben ift in bie
§erjen ber ^enfd^en unb ha^ felbft bereu 33o§l^eit ni(i)t au§lofd^en fann ^,
Ober rao ift ein t)ernünftiger ©eift, ber nidht ha^ ^eraußtfein jener SBal^r-
l^eit ptte, baß man geredet leben, jebem ba^ (Seine jutl^eilen, 9ted^t unb
33illig!eit ad^ten muffe, baß H^ Unoerganglid^e bem 2)ergänglid^en, ha^
^*n)ige bem ^^^tlirfien oorju^ieljen fei? SDiefe Söal^rl^eiten, rceld^e unoer^
nos beatos esse velle, ita nos constat velle esse saxjientes, quia nemo sine sa-
pientia beatus est. Nemo enim beatus est nisi summo bono, quod in ea veri-
tate, quam sapientiam vocamus, cernitur et tenetur. Sicut ergo antequam
beati simus mentibus tamen nostris impressa est notio beatitatis
, per hanc :
enim scimus fidenterque et sine uUa dubitatione dicimus beatos nos esse, velle
ita etiam priusquam sapientes simus, sapientiae notionem in mente habemus,
per quam unusquisque nostrum, si interrogetur, velitne esse sapiens, sine ulla
caligine dubitationis se velle respondet. De trinit VIII, 3: Neque in bis
Omnibus bonis vel quae commemoravi vel quae alia cernuntur sive cogitantur,
diceremus aliud alio melius, cum vere judicamus, nisi esset nobis impressa
notio ipsius boni, secundum quod et probaremus aliquid et aliud alii prae-
poneremus.
1 Ibid. II, 15 Novit ergo insipiens sapientiam. Non enim certus esses
:
velle te esse sapientem idque oportere, nisi notio sapientiae menti tibi in-
haereret, sicut earum rerum, de quibus singillatim interrogatus respondisti,
quae ad ipsam sapientiam pertinent.
2 Conf. II, 4.
58 ßroeiter Z'^dl.
gdngtic^ unb ber ißetradjtung aller 9D^enjcf)en jugänglid^ iinb, fann feiner
mit gug fein per]"onlid^e§ (5tgentf)um nennen, "i^a atle§ 5ßal)re biefer 5lrt
]o fe^r nUen gemeinfam ift, al§ e§ wa^x ift. 2Bie bie äftfietifd^en 23a^r=
l^eiten jinb auc^ bie moraliic^en ben §erjen aller ^enfd^en, aud^ ber un=
erfennen roir burc^ bie SSernunft ba§ S^^^^^^^S^^^^/ s^" ^^ftem allgemeiner,
al§ ^riucipien ber (SrfenntniB eine folc^e 53ebeutung ju, baB nai^ feiner
^ie intelligiSle (SrfenntniB ift iljm bie ^o^ere Cluelle ber 3Sa^r^eit. ^voax
ift in allem, alfo auc§ in ben ftnnenfälligen fingen, einigermaBen 3ßa]^r=
l^eit, infofern "oa^, mag in i^nen ift unb gef d^iel^t, ben intellectuellen
ift bie Sßalir^eit auf oollfommenere, unraanbelbare SSeife, meil fie ba§
3nteHigible, ha^ Unoeränberlicfie, Unraanbelbare in fid^ ^at, rcä^renb
cujusquam alterius, sed sua mente conspiciat, cum id, quod conspicitur, omni-
bus conspicientibus communiter praesto sit, numquid negare poterimus? —
Item juste esse vivendum et deteriora melioribus esse subdenda et paria pari-
§ 9.
91un erl^ebt fi^ aber W fd^raterige grage, raie nac^ ber 5Infi(^t
be§ ^if. 5rugufttnu§ bie inteltectuelle (Srfenntni^ entftel^e, raetd^eä ber Ur=
fprung berfelben fei.
rairb aber nai^ Sluguftimfd^er ^^Infd^auung , rcie üait ©nbert fagt, ntd^t
faffung ift 5lugufttnu§ fremb. ©a§ 6innlic^e ^^t nur eine äußertid^
anregenbe ^ebeutung unb hxihtt nur infofern ein (^ubftrat für bie 33e=
tptigung be§ intettectuetTen (Srfenntnifeüermögenä , al§ e§ üon biefem
na^ be'n il^m immanenten inteHigibeln D^ormen aufgefaßt unb beurt^eitt
urt^eilt, fo ftel^t er bod^ al§ urtl^eilenbe ^otenj ^'f)^v atä ha^, worüber
er urt^eilt, aB baä ©innenf äUige , unb fein Urtljeit ift um fo felbft=
W ©eele raol^l ber ^tu^enroelt jugeraenbet, ber l^ö^ere ^^eil ber ©eele
aber, gleid^fam ba§ §aupt unb STuge berfetben, ift nad^ innen, bem ^n-
telligibetn ^u gerid^tet unb er!ennt l^ier Vit Sbeen, nad^ benen fie ba§
burd^ ^Vermittlung ber ©inne ^aufgenommene beurtl^eilt. Um bal^er ba§
35erpltni6 ber ©inne§öorftelIungen ^um urt^eilenben ©eifte unb baä
35er]^ältmB be§ urtl^eilenben ©eifteä p ben il^n erleud^tenben intelligibeln
1 Epist. 71.
2De civit. Dei VIII, 6 ; de trinit. XV, 23 : Memoria hominis et maxime
illa, quam pecora non hahent, id est, qua res intelligibiles ita continentur, ut
non in eam per sensus corporis venerint. . .
60 ^mxUx X^til
burd^ bie leiblid^en Sinne mit ber rdumlid^en ^lußenraett cerbunben ift *.
Sßie ift nun aber hk^ näl^erl^in gu t)erftel^en, rcenn mx t)on ber bloß
bilblid^ ücrgleid^enben SDarftelTung jur begrifflid^ beftimmten ^tuffaffung
ber Sad^e fortfc^reiten racUen?
frü^eften Sd^riften bie intelligible unb W fenfible , bie ^been^ unb bie
©innenraelt ^, ron benen letztere nad^ bem 33ilbe ber erfteren gemacht unb
btefer al§ ber SSelt be§ SSal^ren äl^nlid^ fei, unb erging fid§ hti ber
bie Se§re oon ben angeborenen Sbeen, bie ßel^re oon ber ^räexiften^ ber
Beeten, roar burc^ ben d^riftlid^en ©tanbpunft, auf ben 5luguftinug \\^
ftelfte, Don üornl^erein auägefd^toffen. ^arum mufete fid^ il^m x>k Hebers
^eugung oon ber Unl^altbarfeit ber platonifd^en Seigre oon ben angeborenen
3been Balb aufbrdngen. ©eine bte^cjügtid^e Sluffaffung berid^tigt er
barauf aufmerffam, \>a^, raenn man alle auf biefelbe 2öeife frage, man
au§ allen ober bod^ faft au§ allen ba^felbe l^erau^bringen fonne, of)m
ba§ man rcerbe fagen raoHen ober fÖnnen, H^ alle in einem frül^eren
ßeben ©eometer gercefen feien, ba 'iik ©eometer feine fo pufige ©r^
fd^einung unter ben ^enfd^en feien. 3ßa§ man fid^ oon berartigen
Söiebererinnerungen erjage, fei Träumerei, ©d^ein unb Släufd^ung.
2öarum, bemerkt er ferner, bringt man fold^e rid^ttge ©rfenntniffe auf
gefd^iift gefteKte gragen nur in intelligibetn fingen l^erauä unb nid^t
an^ in finnlid^en? rcarum mufe man le^tere mit leiblid^em STuge gefeiten
ober oon anberen, bie baoon ^enntnig l^aben, auf ©lauben l^in an*
genommen Reiben, ha mir fte nad^ ptatonifd^er Seigre bod^ aud^ in einem
früheren Seben mürben erfal^ren §aben? "^it biefer grage ift ^ugteid^
angebeutet, bafe 5luguftinu§ htn 33ereid^ beg ^nteHigibeln enger faßt alä
^tato feine Sßelt ber Sbeen, inbem er alle btofeen 5IIIgemeinbegriffe finnen^
fälliger SDinge oon bemfelben auäfd^lie^t, ein ^unft, ber, raie mir feigen
§at nun aber hk ©eete nid^t in einem frül^eren ßeben bie 3^een
gefd^aut, fo mufe fie in biefem 2tbtn mit i^nen in ^[^erbinbung fte^en ^.
©ie aber biefe 25erbinbung ^u benfen fei, ift eine oielfad^ oentilirte 5^age,
^ Soliloq. II, 20: Tales sunt, qui bene disciplinis liberalibus eruditi:
si quidem illas sine dubio in oblivione obrutas eruunt discendo et quodam-
modo refodiunt. De quant anim. c. 20 Magnam omnino, magnam et qua nes-
:
cio utrum quidquam majus sit, quaestionem moves, in qua tantum nostrae
sibimet opiniones adversantur, ut tibi anima nullam, mihi contra omnes artes
secum attulisse videatur, nee aliud quidquam esse id, quod dicitur discere,
quam reminisci et recordari.
2 Xn, 15.
^ De trinit. XII, 2: His (rationibus sempiternis) nisi subjungeretur ali-
quid nostrum, non seeundum eas possemus judicare de corporalibus. Judica-
mus autem de corporalibus ex ratione dimensionum et figurarum, quam in-
commutabiliter manere mens novit.
62 3"^"^^!^ Z^tU.
fagt er, hk Sfjatfac^e, baß aud^ Unfunbige auf gefd^icft geftellte fragen
rid^tige ^Intraorten geben, er!(äre fic^ rca^rfc^einni^er barau§, ha^ i^nen
ba§ 2i^t ber ercigen Vernunft inneraol^ne, in raetd^em fie hit unraanbets
D^atur ober Sßefenl^eit, ftelie al§ folc^e Sßefenl^eit in '^3erb{nbung mit ben
intelligibeln 2)ingen unb fei in ber Sßeife gef(^affen, ha^ er, raenn er
de trinit. XII, 15 au§: baB man, bemerft er, bem ©eifte S^telligiblcs
al§ n)dre fein Semen nur eine SSiebererinnerung , bas erfläre fic§ eben
au§ ber Üiatur be§ intelligibeln ©eifteä, ^u bem, nad^ ber urfprünglic^en
5lnorbnung be§ ©d^öpferä, hit intelligibeln ©inge fo in ^ejiel)ung unb
33erbinbung fte^en, baB er fie mittelft eineS über bie geiftige 25>elt auö=
gegoffenen unforperltd^en xiidgk^ ebenfo fcljaue, rcie ha^ leibliche 2luge
mittelft be0 Sid^teS in ber .^orperroelt, für rceld^eg e§ organifirt fei unb
roeld)eä ju i^m in natürlicher ^e^iel^ung fte^e, bie förperlid^en SDinge
fd^aue ^.
©inne§erfenntnif3 unb poftulirt für jene ein geiftigeg 2i^t, für bas bem
auf unfid^tbare unb unauäfpred^Iid^e, aber bod§ intelltgtble, b. 1^. für ben
^ntellect rcal^rne^mbare ^eife ben menf d^Iid^en ©eift erleud^te 2. 25>a§ ift
©eifter, in bem aKe§ gefd^aut rcirb, nämli($ @ott felbft, burd^ ben aUeä
gemad^t ift. SDer grofee Unterfc^ieb jraifi^en ber finnlic^en unb ber in=
fie atte befd)loffen finb , unb biefe !ann nid^t bem einen ober anberen
?[Renfd^en jugepren, fonbern niufe ^a^ ©emeingut aUer fein, bie Uns
. Tüanbelbareg auffaffen gleii^ einem ßid^t, \)a^ auf rcunberbare 2©eife
firenb, fagt, \)it Sßal^r^eit, burd^ W alleS raal^r ift, hk göttlid^e SBefen^eit,
tantum id possumus.
Epist. 122 ad Consent.
2 Hoc ergo lumen, ubi haec cuncta dijudicantur,
non utique sicut hujus solis et cujusque corporei luminis fulgor per localia
spatia circumquaque diffunditur mentemque nostram quasi visibili candore
illustrat, sed invisibiliter et ineifabiliter, sed tarnen intelligibiliter lucet tamque
nobis certum est, quam nobis efficit certa, quae secundum ipsum cuncta
conspicimus.
^ De lib. arb. II, 12: Quapropter nullo modo negaveris, esse incommu-
tabilem veritatem, haec omnia, quae incommutabiliter vera sunt, continentem,
quam non tuam vel meam vel cujusquam hominis sed omnibus
possis dicere ,
ba§ 3"^^^^9^^^6 erfennen IdBt ^ 2S>ie bte Sonne baä £nd^t ift, in roel^
d^em baä Ieibli(f)e 5Iuge bie finnenfälTigen ©tnge fd^aut, fo ift ©Ott, bic
ercige, unrcanbelbare Sßal^r^eit, \)a§ gemeinfame öid^t, in bem alle in?
tettigibeln ©elfter erfennen. Sßir erfennen in il^m, ä^nlic^ rcie rair alleä
3rbifd^e im ßtd^te ber Sonne fe^en. ^er 3^^^^^ct ift gteic^fam ba§
2Iuge be§ ©eifteä^. ^ie intelltgiBeln ^inge finb rote ba^, roa§ roir im
2xä)k ber Sonne feigen, @ott aber ift W erteuc^tenbe Sonne. Unb rote
bie Sonne nid^t bloB glänzt unb fid^tbarer ift al§ alle§ anbere, ha^ in
hk Sinne fallt, fonbern aud^ ba§ Sid^t fpenbet, rooburd^ unfere 5lugen
erleud£)tet unb W Körper fid^tbar roerben, alfo ift @ott in [id^ felbft
intelltgibel unb er ift e§ aud^, rceld^er ber 35ernunft, bem 5Iuge ber
Seele, bag 2i^t fpenbet, in bem fie erfennt ^. ©leid^roie ba^er biejenigen,
roel(^e im 2i^tt ber Sonne fe^en, fic§ btefeä ober jeneg errod^len, um
fid^ an fetitem 5Inbltcf ju ergoßen, einige aber, hk fröfttge 5[ugen l^aben,
aud^ rid^tet fic^ baä getfttge ^uge, rcenn e§ ftarf unb leben§fräfttg ift,
empor .^u ber SSa^rl^eit felbft, burc^ hk t^m alle§ gezeigt roirb, unb in
et fruitur: sed tunc quoque noster auditor, si et ipse illo secreto ac simplici
oculo videt, novit quod dico sua contemplatione, non verbis meis. De IIb.
i^r ^ofienb, rergi^t e§ 'iia^ Uebrigp uub geniest in tl^r s^öWd^ alleä*.
^emgemä^ ift bie platonifd^e £e§re Don ben angebornen 3^een ba]f)in
gible unmittelbar anfd^auenb erfaffe. & ift aud^ ol^ne 3"^^^fß^ S^BUg^^^n,
^iefe erflärt \\d) aber rco^t, wk van (anhext fagt, au§ feinem inteUec^
tueKen (Sntmicfelungggang. 5Der ?[Ranid^äi§mu§ l^atte i^n lange genug
in bem Sßal^ne feftge^alten, ba§ göttlid^e Sßefen laffe fid^ in einer abä=
fopl^ie er^ob er fid^ nun allerbing§ ju ber (SrfenntniB, hci^ bag göttlid^e
Sßefen, ba§ über alle§ ©innlid^e unenbtid^ ergaben ift, nid^t burd^ finn-
non manet ipse perventor, sed veluti acie ipsa reverberata repellitur
in eis
et fit non transitoriae transitoria cogitatio. Qiiae tarnen cogitatio transiens
rei
per disciplinas, quibus eruditur animus, memoriae commendatur ut sit, quo ,
lid^e§ 35orftelIen erreicht tüevbeit fönne. 3"^^B fonnte in i.^m bie ^enbenj
l^aften bleiben, ^a§ göttliche SSejen unter einer abäquaten, aber überfinn=
(ic^en Q3orfteKung ^u erfa[jen unb biefem ©treben tarn hk neuplatonifd&e
raenn er firf; üom ©innlid^en jurürf^iel^e, fid^ in fid^ felbft üertiefe unb
über ba§ ©innliclje l^inauS fid^ jum S^^^^^Ö^^^^^^ emporfd^rainge , im
(^tan'iit fei, ein unenblid^eä geiftigeg ßid^t, ben Urquell alTeS S^'^^fÜ^iSi^^^"/
6teUen au§ feinen früheren (^d^riften fül^ren ^u ber Slnnal^me, bafe il^m
ber unmittelbare (Sontact mit bem Urgrunb aUeö ^ntelligibeln alg ein
reid^enbe ©runb ju liegen ^ur 5Innal^me, ha^ berfelbe mit ber intelTigibeln
fönne unb vermöge ber unferem ©eifte angebornen ^enben^ aud^ ^u il^r
fic§ ju erl^eben ftrebe, raenn er nid^t Don ben }S^\]dn ber (Sinnlid^feit
©rfiebung f)ahQ biefeS 2i^t, aHerbingS nur rcie ha^ Sendeten eineS ^li^eg
(in ictu trepidantis aspectus), feinen geiftigen ^lidf geftreift ^ unb fagt
er ausbrücfUd), 'i)a^ aud§ bie l^immlif^e Kreatur burd^ bagfetbe gtüdfelig
raerbe, burd§ raaS mx ^U^enfd^en e§ raerben , nämlid§ burd^ tin geraiffeS
intelligibleg 2i^t, rceld^eS ©Ott fei unb raeldf^eg fie fo erleud^te, "Da^ fte
baburd^ Derftärt roerbe, gleid^ raie nad^ Biotin aud^ hie Sßeltfeele üon
biefem Sid^t in intelligibler 2ßeife erleudfjtet rcerbe, um fetber aud^ auf
inteUigible ^eife Sid^t ju 2.
fein
^an ftreitet fid^ über bie rid^ttge 5(u§Iegung biefer unb a^nlidier
(Stellen. 5(llein bag ift ^unäd^ft fixier, ha^ rcir bei 5ruguftinu§ nic^t
hit ontolog{ftt)d^e Seigre ftnben, xvomd) voxx ®ott felbft unb in if)m bte
roäre feine ©rfenntni^ nid^t etma^, ha^, wie ^tuguftinus fagt, auf
biaIectif($4pcculatiDem 2öege an^uftreben rcäre, unb H^ intelligible 2x(^i
bem ©onnenlid^t, ift bal^er nur ein analoger 33egriff unb gibt un§
at§ fold^er nod§ feine beftimmte unb ftare begriff (id^e ^Tuffaffung ber
Slber ba^ jener ?(u§bru(^ ein blo^ analoger fei, gibt ung 2luguftinu§
mungen beifügt, vok §. 33. wenn er fagt, ha^ unfer ©eift üon einem
„geroiffen" (quadam) unförpertid^en Sid^te „gemiff ermaßen" (quodam-
inodo) umleud^tet rcerbe ^, 'Da^ ba§ ^"i^'^^Ö^^^^ ^^^ ^^^^ ^^^ entfpredfjenbe
SBeife erfannt unb gefd^aut raerbe^, ha\i rair „auf irgenb raelc^e, rcaS
immer für eine 2öeife'', bie jebenfallä üon ber ftnnlid^en Slnfd^auung
Derfdjieben fei, ba§ S^^^^^Ö^^^ß erfennen^ SBieber^oIt gebrandet 5(ugu=
ftinuS ba§ 2Bort be§ 2IpofteI§, "oa^ wir l^ienieben nur rcie im ©piegel
rät^fel^aft (per speculum in aenigmate) ernennen unb erft jenfeitg
fid^ ganj beftimmt bal^in au§, \)a^ trir rceber mit bem leiblid^en nod^
mit bem geiftigen 5(uge ©Ott ju fe^en oermögen \ ha^ ber oom Körper
gefeffelle ©eift nur burd^ eine oon ©Ott bemirfte So^Iöfung pon bem
^örperlid^en unb burd^ eine befonbere Offenbarung ®otte§ im 3^^^^^^^^
lungen mar, ben 33(icf beä ©eifte§ über alTeä ©efd^affene ^u ergeben unb
i
De civil. Dei XI, 27; de trinit. XII, 15.
2 Epist. 222 ad Consent. : Invisibilia intellectu conspiciuntur ac per hoc
et Ipsa modo quodam sibi congruo videntur.
De Gen. ad lit. XII. 36 Sapientes autem ita sunt in bis corporali-
^ :
poris intuentur.
* Epist. 6 ad Italic. & De Genes, ad lit. XII, 26—27.
5*
68 2i^i\kx J^eil.
fie burd^ bie gefc^affenen 2)inge erfannten, in i§r fetbft er[d^auen, bann
raürben fie au§ i§r nic^t nur bte gan^e D^atur unb bie in i§r raattenben
muffen fie fogar hk ^enntniB üon ben öerfd^iebenen 2Irten ber ©efd^öpfe,
i^rem Urfprung, SSad^§t^um unb Untergang burc| eigene unb frembe
(Srfa^rung allmä^li(^ unb mü^fam fud^en^. Obgfeid^ hk intetligibte
©eifte bod^ nä^er, al§ üieleä, raa§ gefd^affen ift; benn in i^r leben
roir, beraegen roir un§ unb finb rair. SDaö ©efd^affene bagegen ftel^t
unb biefer ©eift ift nid^t im ^tant^, biefe ^inge in ©Ott au§ ben eraigen
(Sd^opfung^gebanfen ©otteä gu erfennen. ©a^er fommt e§, ha^ e§ me§r
Wilü^t foftet, biefetben aufjuftnben, al§ ©Ott ju fud^en unb 3U finben,
5eit aud^ nur einigermaßen mit frommem ©eifte ^u erfennen, al§ ba§
Unioerium ber S^inge raiffenb ^u umfaffen^
®tnge ^urücfgel^en unb ba^ auö iljm, alä bem legten $rincip alle§
Uebrige erfannt unb begriffen werben muffe ^. ©obann aber ift 5lugu=
ftinuS t)Dn ber Ueber^euguiig burd^brungen, baß ©Ott im ?0^enfd^engeift
jid^tbar; aber fie fprid^t nid^t 5U allen in gleid^er 3iBeife. ^ie ^^iere
fe^en fie, aber fie !önnen fie nid^t fragen; rao^l aber fann hk^ ber
^IRenfd^ unb fo ha^ Unfid^tbare in ©Ott burd^ ben ^"^c'tt^ct erfennen.
qualiaque sint, etiamsi non ea videamus per corporis sensus. Ex quo fit, —
ut major ad illa invenienda sit labor, quam ad illum, a quo facta sunt, cum
Sit incomparabili felicitate praestantius illum ex quantalacunque particula pia
vero ista senserunt, quod et rerum creatarum sit effector et lumen cognos-
cendarum et bonum agendarum, quod ab illo nobis sit et principium naturae
et veritas doctrinae et felicitas vitae, — eos ceteris anteponimus eosque nobis
propinquiores fatemur.
3 L. c. c. 10.
70 Bretter Z^t'ü.
^ie Scfjopfung rebet ^u allen, aber nur jene üerftel^en iie, roeld^e ba§
üon auBen tonenbe SSort mit ber ^a^xf)dt im 3"^tc^cn üevgleid^en
(veritas foris admonet, intus docet). ^enn bte SSsa^rl^eil fagt mir:
nic^t ber §tmme( iit bein @ott, nid§t bie (5rbe ober irgenb ein Körper.
iSd^on beine 8eete ift beffer unb belebt bie ^^afje beineg Seibe§; bein
©Ott aber ift toieberum ba^ Seben beineä ^eben§ ^ @ott, bie über alle
©eifter erhabene unb bo(^ fie innerlid^ bel^errfc^enbe unb belebenbe ^ad^t,
fönnte ben erfennenben ©eift be§ ?D^en[d^en ju ber SSa^r^eit in ben
fingen Ijinorbnen, raeif in i^m hk ©eifter [orao^ al§ W äußeren ^inge
i^ren Urfpvnng fiaben. S)iefe §inorbnung be^ erfennenben ®eifte§ ^um
3nteüigibe(n in ben fingen ift bie oor^ügüd^fte Crbnung, biejenige, ^u
raetcfjer alle übrigen Orbnungen in ber D^atur I^ingerid^tet finb; benn bie
niebere Orbnung ift ^^ngeric^tet ^um ^Dienfte ber Ifjö^eren unb alle bienen
(ofe ^Jlatur ben ©eift jur (SifenntniB ©otte§ anregt, wirb fie im ©ienfte
be§ @eifte§ gehoben unb geabelt; obgleid^ berau^troä unb ftumm, wirb
fie ein berebteg Sob ©otte§, inbem fie in bem betrad^tenben ©eifte be§
^Hlenfc^en ben ^$rei§ ©otte§ erzeugt, ©er üernünftige ©eift oerteil^t i^rer
1 Conf. X, 6.
' Enarr. in Ps. 144 : Isla contextio creaturae, ista ordinatissima pulchri-
tudo, ab imis ad summa conscendens, a summis ad ima descendens, nusquam
interrupta , sed dissimilibus temperata tota laudat Deum. Quare ergo tota
laudat Deum? Quia quum eam consideras et pulchram vides, tu in illa
laudas Deum.
§ 9. SDer Utfprung her inteHectueHeu (Stfenntni^. 71
un§ ©Ott unmittelbar ju erfennen, in ber 3^ee be§ 6rf)önen a(§ bie
un^ ^ur ^MM]v in unfer 3"^^^'^^ ^"^ ^t^wiit rair in unferem 3i^"ß^^i^
W 3bee beä ©d^önen, in raeld^er fid^ bie intettigibte 2öefenl)eit ©otteg
©Ott, ber eroigen Söa^rl^eit, auä ber alle§ 3^^^^^^^ gefd^affen ift, bie
3been ober gormen ber ^inge fd^auen ^. (Sr fafet ha^ 2^xkUig,\Ut , hk
3been, nid^t, roie ^lato, aB felbftdnbig fubfiftirenbe göt^men, fonbern
al§ W intelligibetn ©rünbe (rationes aeternae) ber £)inge in ©Ott, aU
bie eroigen @c^öpfergeban!en ©otte§. 21I§ eroige ©c£)öpfergeban!en aber
finb biefe intelligibeln ©rünbe ber ©inge in ©Ott \)a^ Söefen ®otte§
f
e I b ft , ha ©Ott f d^ted^t(;in einfad^ unb barum fein SBefen t)on ben eroigen
©ebanfen feiner Sßeig^eit nid^t oerfd^ieben ift 2; fie finb baä 2öefen
®otte§, infofern e§ fid^ a(ä in ber ©d^opfung nadf)a^mbar unb mitt]^eit=
Urgrunb ber ^inge unb in biefem bie inteHigible 3öefen:^eit ©otteg felbft,
bilis imago esse dicitur. Retract. I, 3: Mundum quippe ille (Plato) intelligi-
bilem nuncupavit ipsam rationem sempiternam atque incommutabilem qua ,
©Ott aus bem fd^auen, iria§ gefc^affen tüurbe, er!ennen rctr @ott, raie
TDieberum ber 2lpofte( fagt, nur rate burd^ einen epteget rätl^fel^aft, tüeit
fobann @ütt ber Urgrunb unb \)a^ Urbilb alle§ 3"^^^^9^^^f" in ^^n
gefd^affenen fingen ift, erfd^eint feine tntelltgiBIe 3S?efenl§eit gletd^fam aU
bie ©onne, bte aüe§ S^^^^^^Si^^^ fid)tbar mad^t, atä ba§ Sid^t, in bem
rotr \>a^ ^^tetttgible f($auen, unb fo hk ^inge auf inteHectuelle 3ßeife
erfennen^. ©ie^ ift baä ;[<id^t, oon bem 5(uguftinu§ fagt, ha^ mix in
i^m ha^ 3ntelligible fd^auen, raie rair im ßid^te ber 8onne bas (Sinnen^
fdttige feigen.
3ft aber ©Ott \)a^ Urbilb unb ber Urgrunb ber SSelt, fo finb bie
sunt, intellecta conspiciantur. De Genes, ad lit. IV, 32: Mens itaque humana
cognitione prius haec, quae facta sunt, per sensus corporis experitur eorumque
notitiam pro inftrmitatis liumanae modulo capit et deinde quaerit eorum cau-
sas, si quomodo possit ad eas pervenire principaliter atque incommutabiliter
manentes in verbo Dei ac sie invisibilia ejus per ea, quae facta sunt, intellecta
conspicere.
1 De trinit. I, 8 : Videmus nunc per speculum in aenigmate hoc est in
similitudinibus. Ibid. XV. 8: Incorporalem substantiam scio esse sapientiam,
et lumen quo videntur, quae oculis carnalibus non videntur et tarnen
esse, in ;
vir tantus tamque spiritalis, Videmus nunc, inquit, per speculum in aenig-
mate, tunc autem facie ad faciem. Quäle sit et quod sit hoc speculum, si
quaeramus, profecto illud occurrit, quod in speculo nisi imago non cernitur.
— Speculantes dixit, per speculum videntes. Ibi quippe speculum^ ubi —
apparent imagines rerum. Ibid. c. 9 Proinde quantum mihi videtur :sicut ,
grandius aenigma, ut non videamus, quae non videre non possumus. Quis
enim non videt cogitationem suam? et quis eam videt? quandoquidcm —
cogitatio visio est animi quaedam, sive adsint, quae oculis quoque corporalibus
videantur, —
sive nihil eorum, sed ea cogitantur, quae per disciplinas tra- —
duntur liberalesque doctrinas, sive istorum omnium causae superiores atque
. rationes in natura immutabili cogitentur.
2 Soliloq. I, 1: Deus intelligibilis lux. in quo et a quo et per quem
intelligibiliter lucent, quae intelligibiliter lucent omnia.
§ 9. 2)er Urfprung ber iiiteUectuellen ©rfenntnip. 73
hingen. !J)er menfd^Itd^e @etft bagegen ift felber eine inteöigible SSefen?
Unb eben barin, \>a% er narf) ©otteä 6*benbilb gefd^affen ift, liegt hk
^^öglid^Mt, ba§ er ©Ott unb bag SnteUigible überhaupt in fid^ felbft
OTein ba muffen irir fragen, wie erfennt fid^ ber menfd)lid§e ©eift
Um ung Ijieroon ju überzeugen, raoUen tüir ben 2öeg rerfolgen, auf bem
er in feinen ^efenntniffen oon ber ^lufeenraelt in bie Innenwelt juriirfs
fe^renb immer tiefer unb tiefer in ba§ 3^^^^i^Pc ^^^ ?iJ^enfc^engeifte§ ein=
geifteS oon bem £i($te be§ über i^n erl^abenen, inteUigibeln 2öefen§
©otteä umleud^tet rcirb. „^a§ ift mein ©Ott? 3^ fragte bie (^rbe
unb fie fprac^: i(^ bin e§ nic^t; unb 5rile§, wa^ auf i^r ift, befannte
baSfelbe. ^<ii fragte bag ^J^eer unb bie 5lbgrünbe unb ilire 33en)0^ner
unb fie antworteten mir: mir finb nic^t bein ©ott; fudje über unä.
3c^ fragte W rae^enben Süfte, unb ber gan^e Luftraum mit all feinen
33en)0^nern antwortete: 5lnaicimene§ irrt; id^ bin uid^t ©ott. Unb id^
fprad) gu all ben fingen, hie meint leiblicl;en ©inne umgeben: i^r fagt
amare, a quo facta est. Tract. 23 in evang. Joann. c. 5: In ipsa mente factus
est homo ad imaginem Dei. In similitudine sua Deum quaeramus, in imagine
creatorem agnoscamus.
2 De civit. Dei XI, 28.
74 3^^^^^^ ^^eil.
mir üon meinem ®ott, 'aa^ i^x e§ nid^t feib, fo faget mir ettra§ üon
i^m. llnb fie riefen mit (auter ©timme: er 5<ii ^^^ Ö^l'^f^fißi^- Unb
id^ roanbte mid^ ju mir felbft unb iprac^ gu mir: bu, rcer bift bu?
unb irf) antmortete: ein ?0^enfd^; unb fie^e, aug Mh unb ©eele befte^e
i^: ba§ eine ift dußerlid^, ha^ anbere innerlich. 3^i n)eld)em üon beiben
fott id^ meinen ©Ott fuc^en? Keffer ift, wa^ innerlidf) ift. £)ie 8ee(e
ift e§ ja, ber alTe (eiblidien 6inne 33ot]d)aft bringen; fie fül^rt ben
25orfi^ unb urtl^etlt über bie einzelnen 2Intn)orten beg §immel§ unb
ber (Srbe unb aller ^inge, raeld^e bie)e(ben in fid^ befafjen unb raeld^e
inggefammt fagen: rair finb nid^t ©Ott, fonbern er l^at un§ gefd^affen.
©a§ a()o, wa§ fie fagen, erfennt ber innere TOIenfd^ burdf) ben äußeren;
16), ber ©eift, erfenne bieß mittelft ber (Sinne meinet 2tibt^.'' * „2ßa§
liebe i(§ nun, raenn id^ meinen ©Ott (iebe? ^urc^ meine ©eele fetbft
^raft, burd§ rceld^e id^ mit^ bem 2dU oerbunben bin unb raeld^e il^n mit
fieben§!raft buri^bringt. Dlic^t burc^ biefe ^raft finbe id^ meinen ©Ott;
benn fonft würbe i^n aud^ \)a§ oernunftlofe Z^m finben, 'iia aud^ ha^
Z^kv biefe, ben fieib belebenbe ^raft beft^t. ©urc^ eine anbere ^raft
gebe id^ bem Mbt me^r al§ ba§ geben, nämlid^ Sßa^rnel^mung unb
©mpfinbung. 3IIIein biefe finb gleid)fa(l§ bem ^(jiere eigen, ba aud^
biefeä burd^ ben Seib empfinbet. 5tu(^ über biefe ^raft m.einer 9latur
muB iä) alfo ^inauöfd^reiten, inbem x(i) ftufenrceife ^u bem auffteige, ber
mid^ mit jener ^raft erfc^uf unb trete nun ein in bie raeiten S;iefen
unä eingeführt finb/' ^ Söol^er finb nun aber „bie intetligibeln 3Sors
^erauf3tfein§. ^2lber aud^ über biefe meine ^raft muB id^ l^inauggel^en,
auSfd^reite, wie foll id^ bann hiä) finben, wa^vl^afte unb fidlere Spönne.
l^aupt bic^ t^ttben fonnen, irenn td^ fein 33ett)U§tf ein üon
bir ^dtte? ^u^ man ja boc§, roenn man etrna^ fud^t, ba§ 33en)n6t=
fein üon bem, man \n^t, unb ein 33ilb üon i^m in \\^ tragen,
n)a§
^ur bann üermag man ja ha^ ©efnnbene aB \ia^ ©efnd^te an^uerfen-
nen." ^ Unftreitig rebet ^ier STugnftinnS üon einem unmittelbaren ®otte§=
beraufetfein alä ber 33ebingung aller x^fiej:mn ®otte§erf enntni^ ; benn er
rebet ja üOn einem 33 übe @otte§, ha§ ber ?[Renfd^engeift in \\6) tragen
muffe, a(fo oon einer unmittelbaren @r!enntni§ @otte§ ober Don einem
unmittelbaren ®otte§ben)ugtfein. (Sr finbet aber bie unmittelbare ©otteä^
fid^ \)ie liöc^fte intelligible 2Befen|eit, bie gottlid^e, al§ hk ercige, un=
raanbelbare Söa^r^eit, unmittelbar hmbgibt, gleid^fam alä ftänbe bie
mein ©eift felbft im Beraufetfein l^at. SIber aud^ l^ier rcarft \m nid^t.
©enn bu bift nid^t ber @eift felbft, fonbern ber §err unb @ott meinet
®eifte§." 2 ,,5öo anberg fanb id^ bi($, al§ nur in bir unb über mir?
Unb nirgenbS ift hierbei t)om D^aum W Stiebe. 3)u rcalteft alä
©af3 ber ^^enfc^ ein 33ilb t)on @ott in fid^ trage, begrünbet bann
5Iuguftinug rceiter^in burd^ hie ^^^tfad^e, ha^ bem menfd^lid^en ©eifte
3bee ber ©lüdffeligfeit rcieber ober ber ©ebanfe, ha^ ®ott, bie SS^al^r^
f)dt, §ugleid^ ha^ ^öd^fte ®ut ift, in bem mir W raal^re ©lüdffeligfeit
finben. 9^un ftreben alle ^enfd^en nad^ ©lüdf feligf eit ; baä fefet Doraus,
ha^ fie eine ^hte berfelben in fid^ tragen; alfo mu^ ber oernünftige
einer unmittelbaren 3^ee @otteg faltig fein. 2Iuguftinug fennt alfo, raie
mir fagen mürben, einen religiöfen ^rieb be§ menfdlilid^en ®eifte§, ber
in ©Ott, al§ bem §öd^ften ®ute, feine ©lüd^feligfeit fud^t, unb ein biefem
^rieb entfpred^enbeS religiöfeä ©efü^l, ba§ fid^ in bem eigenen, tief reli^
2öonne)c^auer fteigerte. „2öte jiic^e td^ bid^ alfo, o §evr? ^<enn td§
bid^, meinen ©Ott, jui^e, fo fud^e td^ feiiges !^eben. 2Bte fud^e id^ mm
\>a^ feiige Seben? Cber ift e§ nid^t gerabe ha^ feiige £'eBen, rconad^
aUe ^IRenfdien üerlangen? 2öo Ijaben fie. e§ nun fennen gelernt, bafj
fie hanad) begel^ren? <Biä)nii6) l^aben wir e§ in un§, itf) njciB nid^t,
mir in ©Ott, ber eraigen Söa^r^ett. „(Seliges ßeben ift greube an ber
Sßa^r^eit, nnb g^eube an ber Sßal^r^eit ift greube an bir, ber bu bte
Sßal^rl^eit bift! ^iefe§ glücf fetige fieben roollen 5Ille, 5Ille raotlen W
greube an ber Sßa^rl^ett. 23o fa^en fie alfo biefe§ glüdffelige Seben al§
ba, 100 fie aud^ hk Sßa^r^eit fallen? Unb ha fie bas glücf feiige ßeben
lieben, voa§ nid^tg 5(nbere§ ift, al§ bte greube an ber Sßal^rl^eit, fo
lieben fie an^ \)k Söa^r^eit; fie würben fie aber nic^t lieben, loenn fie
nur erft mit unferem @emütl)e ©ott lieben unb in biefer 2\tb^ unfere
@lü(ffeligfeit finben; aber rcie fönnten roir il^n lieben, o^ne i^n ^u
fennen." ^ ^urd^ hk Eingabe unfereS §erjen§ an ©Ott (inhaerendo)
unb hk 2kht ju ©Ott erfennen rcir il^n al§ unfer ]^öd^fte§ , Iiebensn)ür=
bigfteg ©ut, al§ ben Urquell aller 6cligf eit; benn in biefer Eingabe unb
Siebe rcirb ba§ ^er^ befeligt. Tillen ?0^enfd^en ift oon Statur auä \)a^
nur bann rcirflid^ finben, rcenn bas religiofe 33ebürfniJ3 t^re§ ^erjenS
befriebigt rairb. ^enn unfer §er3 ift für ©Ott gefd^affen unb rul^t
nid^t, bi§ eg ru^t in ©olt, bem liöd^ften, intelligibeln ©ut, bem ^^-^^^
alleä ©Uten. 3^ ©emüt^e alfo fann ber ^^enfd^ ©otteä Sßeien erfaffen
unb mit il^m in Siebe fid^ üereinigenb e§ genießen, feiner befeligenben
5^d]^e fid^ erfreuen unb fo @otte§ inne raerben al^ be§ l^od^ften intelli=
1 Ibid. X, X, 23.
20. 2 Ibid.
De trinit. VIII, 4: Cum enim per fidem adhuc ambulamus non per
3 ,
speciem, nondum utique videmus Deum facie ad faciem; quem tamen nisi
nunc jam diligamus nunquam videbimus. Sed quis diligit. quod ignorat?
,
Ibid. c. 6 Possunt videre ac dicere. quid sit justus animus. Quod unde esse
:
tief reügiöfen @emüt^e§ gu ©Ott, bem intelligibeln Sid^te, unb ben 2Bonne=
fd^auer feineä religiöfen ©efül^leg, ha^ in ber, ron l^ingebenber Siebe ges
bid^ gefd^medft unb nun l^nngere i^ nad^ bir. SDu f)a\t miä) berül)rt
nnb id) erglül^e nad^ beinem grieben." ^ ,,2ßa§ liebe id^ benn, raenn id^
nid^t ben ©tanj be§ 2i^k^, bag nnferen Singen fo lieblid^ ift; nid^t bie
füBen ^elobieen beg ganzen D^eidfieg ber ^ßne, nid)t ben Sßo^lgerud^
von 33lumen; ©alben nnb ©eraürjen, nid^t ^anna nod^ §onig, nid^t
©lieber, wie jie ber fleifd^Iid^en Umarmung gefallen. D^id^t tiit'^ ift eg,
n)a§ i^ liebe, wenn iä) meinen @ott liebe, unb ho^ liebe id^ ein ge=
n)iffe§ Sid^t, eine (Stimme, einen Sßo^lgerud^, eine ©peife nnb eine Um=
armung, raenn id^ meinen @ott liebe: 'oa^ Sid^t, bie ©timme, ben Sßoljl^
gernd^, bie (Speife unb hit Umarmung meine§ inneren ^enfd;en, rao
meiner (Seele leud^tet, raag fein Otanm umfaßt, wo i^r ertönt, raaä hit
3eit nid^t mit fid^ fortreißt, rao il^r bnftet, rcaä ber Sßinb nid^t üerrael^t,
VDO i^r fd^medft, roaä feine (S^egier minbert, unb rao x)ereint bleibt, tt)a§
fein Ueberbrufe an^einanber reifet. Unb tit^ ift e0, raaä i^ liebe, raenn
id^ meinen ©Ott liebe." ^ ©Ott nid^t blofe p erfennen, fonbern i^n aud^
ju lieben unb in biefer ^it^c ju genießen, ift \a, rcie rair bereite rciffen,
1 Ibid. VIII, 2: Ecce vide, si potes: Deus veritas est. Hoc enim scrip-
tum est Quoniam Deus lux est, non quomodo isti oculi vident, sed quomodo
:
videt cor, cum audit: Veritas est. Tractat. 18 in evang. Joann. c. 10:
Redite ad cor. Quid itis a vobis et peritis a vobis ? Redite. Quo ? Ad do-
minum cito. Primo redi ad cor tuum, exul a te vagaris foris. Te ipsum non
nosti et quaeris, a quo factus es. Redi, redi ad cor, tolle te a corpore. Corpus
tuum habitatio tua est. Cor tuum sentit etiam per corpus tuum, sed corpus
tuum non quod cor tuum. Dimitte corpus tuum, redi ad cor tuum. Vide
ibi, quid sentias forte de Deo, quia ibi est imago Dei.
2 Conf. X, 27. 3 Ibid. X, 6.
78 3^2^^^!^ ^l^eit.
fügen ©emütl^eä ju erf äffen nnb ^u genießen, unb an§ i^m ftnb na-
ntentlt^ biejenigen bleuen ju erftäven, wo 2tugufnnu§ t)on mpftifc^en
unb fid^ jur intettigibetn ^dt in fid^ erl^ebt, üermag eä ya foldö 6e=
©Ott p üere^ren; aber ber ©enuB ©otteg in ber Slnfd^auung ift bod^
ha^ eigentlid^e ^Qid, nad^ bem ba§ für ©Ott gejd^affene §erj be§ SDhn-
fdE)en ftrebt. ©ie[e befeligenbe 5Infd^auung ©otteg rcirb un§ in i^rer
üerloren un§, er2;äf)lt er, in gar füge Unterhaltung unb befragten un§,
nam et ipsi qui res nou amandas amant non se beatos putant amjando
,
sed , ,
tunc autem facie ad faciem. Haec enim nobis contemplatio promittitur actio-
num omnium finis atque aeterna perfectio gaudiorum. Hoc est enim plenum —
gaudium nostrum, quo amplius non est, frui scilicet trinitate Deo.
3 Conf. IX. 10.
§ 9. ©er Urfprung bcr intettcctuettert ©rfenntni^. 79
wie rao^l ha^ etpige Sebeu ber Zeitigen fein rcürbe, ba§ fein ^iicje ge=
feigen, fein O^r gehört unb ba^ in feineS ?OZenfd)en §erj gebrungeu ift.
^ürftenb öffneten wir ben "2Jtunb unfereg §erjeng na^ ben l^imm^
lifd^en Sßaffern be§ göttlid^en SebenquetTä/ auf bafe trir, nad) unferem
55ermögen bamit geleimt, einem fo erhabenen ©egenftanbe nur
irgenbraie nad^finnen fönnten. Unb a(g unfere Unterrebung ^u bem S^e-
futtate gelangt r\)av , ha^ jebe no($ fo gro^e ©innenluft ung oor ber
fiiebUd^feit jenes Seben§ feiner 33ergleici^ung toürbig erfrf)ien, ba erl^oBen
wir un§ mit nod^ l^eijserer ©e^nfud^t gu i^m unb burd^gingen ftufenraeife
bie gan^e fid^tbare SCßelt. Unb weiter ftiegen rair in unferem Snneren
auf unb famen auf unfere ©eelen, aber aud^ über fie gingen n)ir ^inau§,
fo "ta^ rair unö jur D^legion uncerfiegli^er gülle erhoben, tno ©Ott
3§rael mMt eraiglid^ auf ber ^^eibe ber Sßa^rl^eit unb tüo ^a^ Seben
bie ^Beigfjeit (ber \^ogog) ©otteS ift. Unb raä^renb rair oon biefer
frfiraiege unb i^rer felbft oergeffenb, fid^ über fid; erböbe, toenn i|r O^r
px if)xtm ©d^öpfer l^ingeridjtet tüäre unb biefer bann allein ju i^r rebete,
nid^t burd^ hk ©inge, fonbern burd^ fid^ felbft, gleid^ioie tüir un§ je^t
fenfte, fo ta^ W^ 2Ille§ berart ein emigeS Seben wäre, roie ber 5(ugen=
phantasiae terrae et aquarum et aeris, sileant et poli et ipsa sibi anima sileat
et transeat se non se cogitando, sileant somnia et imaginariae revelationes,
omnis lingua et omne Signum et quidquid transeundo fuit, si cui sileat omnino,
quoniam si quis audiat, dicunt haec omnia: Non ipsa nos fecimus, sed fecit
nos, qui manet in aeternum. jam taceant, quoniam erexerunt
His dictis si
aurem in eum, qui fecit ea, et loquatur ipse solus. non per ea, sed per ipsum,
ut audiamus verbum ejus, non per linguam carnis, neque per vocem angeli,
neque per sonitum nobis neque per aenigma similitudinis sed ipsum, quem ,
in his amamus, ipsum sine his audiamus, sicut nunc extendimus nos et rapida
cogitatione attingimus aeternam sapientiam super omnia manentem, si con-
80 Bn'eiter X'i)zil
fie ©Ott nid^t mit bem bi^curfioen 33erftanbe, ber (5ine§ nad^ \iem 5Ins
alö ba§ biäcurfioe (i:rfennen bes ^erftanbeg, rceil fie ber abfoluten @in=
fad^^sit beä göttlid^en 2ßefen§ me^r entfprid)t. ^enn ©Ott, a(g \)a^
lid^e Seele fid^ oom Sinnlid^en jurüdfjie^e unb jum ^ntelligibeln erl^ebe,
tinuetur hoc et subtrahantur aliae visiones longe imparis generis et haec una
rapiat et absorbeat et recondat in interiora gaudia spectatorem suum, ut talis
Sit sempiterna vita, quäle fuit hoc momentum intelligentiae, cui suspiravimus,
nonne hoc est: Intra in gaudium domini tui?
* De trinit. VIII, 2: Ecce in ipso primo ictu, quo velut coruscatione
perstringeris, cum dicitur veritas, mane si potes, Conf. XII, 13: Sic ihterim
sentio propter coelum coeli, coelum intellectuale ubi est intellectus
illud ,
nosse simul, non ex parte, non in aenigmate non per speculum, sed ex toto ,
in manifestata facie ad faciem non modo hoc modo illud sed quod dictum
, , ,
est, nosse simul sine ulla vicissitudine temporum. De trinit. XV, 25: Ibi
veritatem sine ulla difficultate videbimus eaque clarissima et certissima per-
fruemur. Nee aliquid quaeremus mente ratiocinante, sed contemplante cer-
nemus. Ibid. XV, 16 Et tunc quidem verbum nostrum non erit falsum, quia
:
neque mentiemur neque fallemur; fortassis etiam volubiles non erunt nostrae
cogitationes ab aliis in alia euntes et redeuntes, sed omnem scientiam nostram
uno simul conspectu videbimus. De quant. anim. c. 33 Tanta autem in con- :
fräftig genug fei, ]iä) jum Sid^te ber inteüigibeln ©onne gu erl^eben,
biefe§ Sic^t ju ertragen unb oon i§m umteud)tet ju werben; benn nur
biejenigen , raeld^e reinen §ergenö finb , rcerben , raie \)k ©i^rift fagt,
©Ott fd^auen ^ ©ereinigt aber röirb \)a§ §erj burd^ ben in 2kU t^ä^
tigen ©lauben an ©ott, ber fomit bie not^raenbige ^orftufe jur con=
i^rer rationalen ^raft, auf ber W 5lu§bilbung ber fünfte unb SSiffen?
fd^aften berul^t, hk oierte i^re et^ifd^e 33etl)ätigung in ber Oleinigung
il^'rer felbft burd^ ben ^ampf gegen W finnlid^e Suft, hk fünfte ha^
§inftreben ber gereinigten (Seele ju ®ott im ©lauben, W fed^^te hk
33efeftigung ber (Seele in biefem fittlid^en §inftreben ju ©Ott unb hk
fiebente bie befeligenbe intettectueHe ^Tnfd^auung ©otte§*. 5ln einer an;
ffuerit, tendit bene vivendo etiam ad speciem pervenire, ubi est sanctis et
perfectis cordibus ineffabilis pulchritudo, cujus plena visio summa est felicitas.
' De trinit. XIV, 17 : In hac imagine tunc perfecta erit Dei similitudo,
quando Dei perfecta erit visio.
* De quant. anim. c. 33 : Jam vero in ipsa visione atque contemplatione
©tors, fjL 2tuguftmu§. 6
82 ^rodttx X'i)tii
reinigt hk ©eele baä 5Iuge felbft, mit bem @ott gefeiten rcerben fann,
foraeit er nämlic^ üon benen gefeiten toerben fann, bie nad^ Gräften
biefer Sßelt abfterben; benn nur foroeit feigen fie i^n, alä fie ber SS}elt
abfterben. Cbgteid^ nun auf biefer Stufe ber ©lan^ be§ intetligibeln
Seelenrul^e ^.
möge, mufe fie, rcie fd^on bemer!t rcurbe, auf irgenb eine unfid)tbare,
mit ber SSeig^eit ober bem Sogos ©ottes, ber einerfeitä bag ett)ige ^'ben-
bilb ©otteä ift, unb burd^ ben anbererfeits alle 2)inge gefd^affen mürben 2.
3n letzterer §infid^t ift ber Sogos ber intelligible Urgrunb aller ^inge.
So bringt ^uguftinug bie platonifd^e 3^^^^^^^^^'^ ^^t ber d^riftlid^en
Sogoäle^re in 23erbinbung.
5llg intelligibler, fd^öpferifd^er Urgrunb ber SDinge ift ber gottlid^e
SogoS ber 2öelt immanent unb in ilir mirffam al§ ha^ SS^efen, burd^
ba§ bie ©inge finb, burd) ba§ bie lebenben S)inge, im Unterfd^ieb üon
ben leblofen, leben unb burd^ ba§ bie inteHigibeln Sßefen, im Unter:
fd^ieb oon ben nii^tgeiftigen Sßejen, erfennnen (intelligunt), burd^ baö
fie alfo, roie oon einem intelligibeln fiid^te, gleid^fam erleurfjtet merben.
2)a§er fagt Sluguftinuä com Sogog ©otteö mit ben SBorten ber Sd^rift,
hai mir in i^m leben, un§ beraegen unb finb, ba^ er bag ßid^t fei, ha^
veritatis, qui septimus atque ultimus animae gradus est. neque jam gradus,
sed quaedam mansio, quo Ulis gradibus pervenitur, qiiae sunt gaudia, quae
perfruitio veri et summi boni , cujus serenitatis atque aeternitatis afflatus,
quid ego dicam ? Dixerunt haec, quantum dicenda esse judicaverunt, magnae
quaedam et incomparabiles animae.
1 De doctr. Christ. II, 7.
2 Retract. I, 3: Mundum
quippe intelligibilem ille (Plato) nuncupavit
ipsam rationem sempiternam atque incommutabilem. qua fecit Deus mundum.
§ 9. ©er Urfprung ber intcUectuellcn ^rfenntni^. 83
jeben ?0^enfd^en erteud^tet , ber in biefe SBelt !ommt ^ ^dt t^m alfo,
bem tnteHigtbeln llrgrunb ber SDinge, ber für bte inteKigtbetn SBefeu ein
tntelligib(e§ 2i^i ift, [tel^t W geiftige 8eele beö ?[Renf($en in einer ge?
angufe^en. ©a§ Sßort, ber Sogo§ @olte§, ber bag fdf)öpferifd^e gorm=
princip aller ©inge ift, ift a(s gormprincip für bie inteHigibeln Söefen
beffen ©rleud^tung fie aber and^ il^r 3nnere§ mel^r ober tt)eniger oer*
©d^i)pfung bnrd^ ben Sogo§ ober bag SBort @otte§ an ber ©inrairfung
be§ inteEigibeln göttüi^en Sid^teg unterftellt nnb finb ober bleiben für
bie Slufnal^me biefeS göttlid^en £id^te§ nm fo empfänglid^er, je mel^r fie
^ Epist. 120 ad Hon. c. 4: Verbum Dei erat, per quo facta sunt omnia,
et quidem non longa posita ab unoquoque nostrum, sicut apostolus dicit ad-
jungens In illo enim vivimus, movemur et sumus. Quodsi secundum corpus
:
diceret, etiam de isto corporeo mundo posset intelligi. Nam et in illo secun-
dum corpus vivimus movemur et sumus. Unde secundum mentem quae
,
,
facta est ejus ad imaginem, debet hoc accipi excellentiore quodam eodemque
non visibili, sed intelligibili modo. Nam quid non est in ipso, de quo divine
scriptum est : Quoniam ex ipso et per ipsum et in ipso sunt omnia.
^ De Genes, ad litt. I, 5 : Principium creaturae intellectualis est aeterna
sapientia, quod principium manens in se incommutabiliter , nullo modo cessat
occulta inspiratione vocationis loqui ei creaturae, cui principium est, ut con-
vertatur ad id, ex quo est, quod aliter formata ac perfecta esse non posset.
Ibid. VIII, 12; Sicut aer praesente lumine non factus est lucidus, sed fit,
quia si factus esset, non fieret, sed etiam absente lumine lucidus maueret: sie
homo Deo sibi praesente illuminatur, absente autem continuo tenebratur, a
quo non locorum intervallis, sed voluntatis aversione disceditur.
* Ibid. III, 20: Non fiebat cognitio aliqua verbi Dei in prima creatura,
ut post eam cognitionem inferius crearetur, quod in eo verbo creabatur, sed
6*
84 ^mitn Xl^eil.
auc^ ber Ungerechte nod^ raeiB, rcaä geredet ift unb rcte man ijanbeln
muffe; e§ ift ha^ 2i6)i, ^a^ jeben ^enfd^en erleud^tet, fo bafe jeber auf
ftettt, rid^tige 5Intraorten ^u geben roeiB, ober ha^ man il^m burd^ S^^Ö^i^
fei nur ^öiebererinnerung ^ ^a^er ift, rcie 5luguftinu§ fagt, ber in?
teEigible ^[Renfc^engeift jraar nic^t felbft göttlicher Dcatur, aber boc§ ba§
Certissime tenere debemus, Öeum aut per suam substantiam loqui aut per
sui subditam creaturam; sed per substantiam suam non loqui nisi ad crean-
das omnes naturas, ad spiritales vero atque intellectuales non solum creandas,
sed etiam illuminandas , cum jam possuot capere locutionem ejus, qualis
est in verbo ejus, quod in principio erat apud Deum, per quod facta
sunt omnia.
* Ibid. Cum aeterna illa et incommutabilis , quae non est facta,
I, 17 :
rcirb, ober, wie er in ä^t platonifd^er SBeife fic^ ausbrücft, bie inteHü
gible ©eele ift fid^ tiid^t felber ßtd^t, fonbern ratrb ßtc^t burd) i^re (in
2i6)i^. 3)er 2ogo§, (S^riftug, ift bag 2\d)t, ha^ ben inneren 9J^enf($en
erleud^tet, raeil er W unüerdnberlid^e jtraft nnb eraige 2Bei§^eit ©otteä
ift 2. 3e Doßfommener bie 6eele an biefem Sid^te ^l^eit nimmt, ein befto
t}otr!ommenere§ ©benbilb ©otteä rcirb fie, bi§ biefe 5t^eilna^me i^re S5oa=
3
enbnng finbet in ber feiigen 5Infd§annng ®otte§ im ercigen ßeben
S 10.
unb biefe§ ^ßiffen ift ganj \\^tx , über alle @fepfi§ erlauben, forceit ber
mifd^en ©fepfiS aufredet erl^alten rcerben mufe: unb biefe gorm ber (Sr=
innere 3"f^i^^iing ^u einem @eban!en, \)k ein 2l!t beö Söilleng ift^
^ Ibid. IV, 2: Omnia enim haec vident istam lucem (rationalium men-
tium) : at illa vita lux hominum erat nee longe posita ab unoquoque nostrum
in illa enim vivimus , et movemur
Illuminatio quippe nostra et sumus. —
participatio verbi est , quae lux est hominum. Ibid.
illius scilicet vitae ,
XIV, 12: Colat Deum non factum, cujus ab eo capax est facta et cujus
particeps esse potest, propter quod dictum est: Ecce Dei cultus est sapientia;
et non sua luce, sed summae illius lucis participatione sapiens erit.
2 De magistro c. 11 : De universis autem, quae intelligimus, non loquen-
tem, qui personat foris, sed intus ipsi menti praesidentem consulimua verita-
tem, verbis fortasse, ut consulamus, admoniti. Ille autem qui consulitur,
docet, qui in interiore homine habitare dictus est , Christus . id est incommu-
tabilisDei virtus atque sempiterna sapientia, quam quidem omnis rationalis
anima consulit, sed tantum cuique panditur, quantum capere propter propriam
sive malam sive bonam voluntatem potest.
3 De civit. Dei X, 2 ; de trinit. XIV, 14 ; enarr. in Ps. 9 : Agimus autem
speculationem, ut perveniamus ad visionem.
* De civit. Dei XIX, 18.
5 De praedest. sanct. c. 2 : Ipsum credere nihil aliud est ,
quam cum
assensione cogitare. Non enim omnis, qui cogitat, credit, cum ideo cogitent
86 ^rodtix X^dl.
unb überall ha i^re 35ere($t{ginTg ^aben muB, n)0 !ein, ober nod^ fein
^ie ^^ot^roenbigfeit be§ @Iauben§ ergibt ficf) ^nnäd^ft aus ber praf=
tifc^en gorberung, bie ha^ Seben an un§ ftellt. 2Bir muffen glauben,
raeit rair o^ne ©(auben ju gar feinem §anbeln fommen raürben. ®ibt
e§ ja bod^ üiete ^inge, bie rair nid^t auf unfer eigene^ B^^^Ö^^B §in
raiffen fönnen, raeil eä unferen binnen fern liegt; in ^Betreff i^rer brau=
c|en rair, raeil rair fie nic^t buri^ unfer eigene^ 3^i^9^^^B rciffen, 5Inbere
at§ 3^^9^" 11^^^ glauben i^nen, infofern rair überzeugt finb, ha^ e§
i^ren binnen nicf)t fern liege ober nid^t fern gelegen fei; rair glauben
benen, hk fold^e ^inge gefeiten, gebort ober mit einem anberen 6inn be§
ftinu§ l^erDor, raie groBcn^^eiB auf bem ©lauben bie menfrf)lid^e ©emein^
fd^aft beruhe: ber ©laube ift ein 33anb unb eine 33afi§ be§ menfd^lid^en
Sebenä. ^luf i^m beruht hk greunbfd^aft, ba W ©efinnung be§ 5reun=
be§ ni(^t gefe^en raerben fann unb barum geglaubt raerben muß. O^ne
i^n raürben alle ^anbe ber (^^e, be§ 33lute§ unb jeber anberen 33er=
raanbtfd^aft gelöst; benn an W gegenfeitige 2khe, hk i^rer 5^atur nac§
ni^t gefe^en raerben fann, rairb geglaubt ^. ^n allen ^e^iel^ungen müßte
jid^ bie menfc§li(^e ©efellfd^aft auflöfen, raenn ber ©runbfa^ jur ©eis
tung fäme, nic^t me^r ^u glauben, alg raag geraußt raerben fann *w
^er ©laube ift ferner notliraenbig auf bem ©ebiet ber (5rfenntni§
plerique, ne credant; sed cogitat omnis, qui credit, credendo cogitat et cogi-
tando credit.
1 EncMrid. c. 20: At si tollatur assensio, et fides tollitur, quia sine
assensioue nihil creditur.
2 Conf. VI, 5. Epist. 112 ad Paulin. quae absunt a sen-
: Creduntur illa,
unb S^lot^racnbigfeit unb i^re ©rfenntnife ift barum wüt fidlerer al§ bie
l^abe ba§ ©efe^ene für rcal^r gehalten, unb man il^m nid^t errcibern
!ann: bu §aft gefe^en, alfo l^aft bu nid)t geglaubt *. (S'ben bie Der-
nünftige ®eele mu§ ben geitlid^en ©ingen ©lauben fd^enfen, raeil fie
lidfie 3Biffen fdiled^tl^in unter ber ißebingung, ^a^ ba§ Object gum <Bnb:^
ject in ^ejiel;ung txiit, fo üoH^ielit fid^ 't^a^ Söiffen felbft erft burd^ ben
^roje^ be§ ©rfennenä unb bal^er roirb \>a§ (Srfannte nic^t gletd^ 2ln=
fangg fd^on gemußt, fonbern norerft geglaubt, mag eg nun balb ober
erft nai^ unb nac^ geraupt merben. ©rfd^eint öor unferem leibltd^en ober
geiftigen 5luge ein Object, fo glauben mir baran, inbem mir feine Df^ealität
* Enchirid. c. 8.
2 De trinit. IV, 18: Mens autem rationalis sicut purgata contemplationem
debet rebus aeternis, sie purganda temporalibus fidem.
3 De civit. Dei XIX, 18.
* De magistro c. 11 : Quod intelligo, id etiam credo; at non omne, quod
credo, etiam intelligo.
88 ßroeiter J^eit.
fa^t, Tüirb aud^ nie jnm Sßiffen be§ ©laubenäin^altes gelangen 2. ^al^er
tft ber ©laube eine not^roenbige ©runblage für ha^ Sßiffen unb wer
mit Umgel^ung be§ G)Iauben§ ein Sßiffen cerfprid^t, ber befi^t ha^ Sßiffen
in ber ^l^at nid^t ^, rcie bie^ ^. 23. M ben ?0^anid^äern ber gaff tft,
felbft fd^un auf einem SDenfprojeffe berul^t. ß'r ift ja felber fd^on ein
©enfen mit 3iJf^^"ittiung , berul^t alfo auf einem ©enfen, raeil deiner
etroaä glaubt, beuor er ^t'i)a6)t ^cit, bafe er es glauben muffe. Sßenn
aud) ber Sßiffe, p glauben, geroiffen ©ebanl'en fogleid^ narfifolgt, fo
ift e§ bod§ notl^raenbig , baB 2Iffe§, roaS geglaubt rcirb, burd^ ein §u=
scio, nee ideo nescio, quam sit utile credere etiam multa, quae nescio. Ibid.
c. 13: In iis etiam, quae mente cernuntur, frustra cernentis loquelas audit,
quisquis ea cernere non potest, nisi quia talia, quamdiu ignorantur, utile est
credere. Tract. 36 in evang. Joann. n. 7 Ideo bene creditur quia non cito :
,
Ideo credis, quia non capis, sed credendo iis idoneus, ut capias. Nam si non
credis, numquam capies, quia minus idoneus remanebis.
3 De util. cred. c. 1: Enarr. in Ps. 8: Non quod scientiae pollicitatio
reprehendenda sit, sed quod gradum saluberrimum et necessarium fidei negli-
gendum putant, per quem in aliquid certum, quod esse nisi aeternum non
potest, oportet ascendi. Hinc eos apparet nee ipsam scientiam habere, quam
contempta fide pollicentur: quia tarn utilem ac necessarium gradum ejus
ignorant.
^ Conf. VI, 5.
5 De lib. arb. II, 2 : Kisi enim aliud esset credere et aliud intelligere
et primo credendum esset, quod magnum et divinum intelligere cuperemus,
frustra propheta dixisset : Nisi credideritis, non intelligetis.
6 De praedest. sanct. c. 2: Quis enim non videat, prius esse cogitare
quam credere. NuUus quippe credit aliquid, nisi prius cogitaverit esse cre-
dendum. Quamvis enim raptim, quamvis celerrime credendi voluntatem quae-
dam cogitationes antevoleut moxque illa ita sequatur, ut quasi conjunctissima
comitetur: necesse est tamen, ut omnia quae creduntur, praeveniente cogita-
tione credantur.
§ 10. ©lauBeii unb 3Bi[fcn. 89
auc^ nur glauben formen, rcenn i^m nic^t ber ^erftanb ba^u innerao^nte,
\o ha^ o^ne 3^^^f^^ ^^^" ©lanben immer ein ^^eili^en ^4}erftanb (quanta-
lacunque ratio) üoranSge^t, ha^ jum ©tauben überrebet*. Sßol^I ift
ber ©laube ein ©enfen mit ^uf^inimunc;, aber e§ ift in jeglid^em Sßiffen
innere 3uftimmung üerrcirft, nid^l bloB ta^ ©tauben, fonbern au»^ "oa^
SBiffen umnögtid^ mad)t; nur infofern ift hk 3uftimmung be§ ®tauben§
t)on ber ^^W^^^^Ö ^^^ Sßiffenä rerfi^ieben , at§ tet^tere fi($ ftetä auf
bie ftare ©infid^t be§ 35erftanbe§ grünbet. Unb anbererfeit§ tjat ber
menfd^tid^en (Seete ift. SDa biefer ndmtid^ W ^h^t ber Söa^r^eit üon
S^latur au§ immanent ift, fo ift i^r ©taube nid^t btinb, fonbern fie ift
fid^ im ©tauben eine§ ^wti\aii)en betonet, nämtid^ ha^ etroaä, ha^ fie
^taubt, roa^r ift, unb bann, ba^ e§ nod^ nid^t eigenttid^ erfannt ift 2.
5ßa§ fo burdt) ben ©tauben Snl^att i^reä 33en)uBtfein§ rcirb unb i^r atä
roal^r, at§ gtaubraürbig erfd^eint, ta^ wixh bann fpäter burd§
erfannt^. ©onad^ gel^t ber ©taube bem S5>iffen Doran at§ hk erfte
©tufe im ^rfenntnif^progeB unb üer^ätt fid^ jum 2öiffen, ha§ ein t)er=
mittetten. Unb beB^atb eben fann unb fott er a\\^ ^5;um eigenttid^en
1 Epist. 222 ad Cons. : Etiam credere non possemus, nisi rationales ani-
mas haberemus. Si igitur rationabile est , ut ad magna quaedam ,
quae capi
nondum possunt, fides praecedat rationem, procul dubio quantalacunque ratio,
feiner Dlatnr nad^ ^rcifd^en biej'em unb bem ^Biffen. 3ft ^^^ eigentlid^e
2Bifjen ftet§ frei Don jebem gel^Ier, fo fann im ©tauben, rcorin bem
©eifte 'tia^ CbjectiDe an fid^ jrcar feftfte^t, aber nod; nid^t allfeitig üer=
mittelt ift, nodi ein g^e^ter mitunterlaufen; baä ^[Reinen bagegen ift nie
o^ne gelter 1. 3"^ 'DJ^einen bilbet ber ©eift auf fubjectio n)ill!ürlid§e
^eB^atb fte^t ber ©laube In einem gan^ anberen S^erl^ältniB jum 51Bif]en
a(§ \)a§ deinen, ©rfd^eint ber ©taube alg notl^raenbige 35orftufe jum
eigentlichen Söiffen unb nur bann alä tabetnsnjertl^, roenn er §ur 2e\i!a)U
ge^t, fo ift \ia^ 50^einen an fid^ oerraerftid^, raeit e§ mit ber ba§ Sßiffen
ente^renb ift, fonbern eä ift aud^ für ba^ eigenttid^e 3ßiffen l^inberlid^,
inbem hk 5Jieinung, gu raiffen, rao man in 2öirf(id^feit nod^ nid^t ^um
2öiffen gelangt ift, jeben gortfd^ritt jum 2Biffen, mo fold^eg tt)irf(id§
mögtid^ ift, unmöglich mad^t 2. 3^ber, ber erfennt, glaubt aud^, unb
jeber, ber meint, glaubt; nid^t jeber, ber glaubt, erfennt; aber feiner,
ber meint, erfennt ^.
De util. cred. c.
1 11.: Qui dicunt credeadum, nisi quod scimus,
nihil esse
id unum cavent nomen opinationis ,
quod fatendum est turpe ac miserrimum.
— Tria sunt item velut finitima sibimet in animis hominum distinctione dig-
nissima, intelligere, credere, opinari. Quae si per se ipsa considerentur^ pri-
mum semper sine vitio est, secundum aliquando cum vitio , tertium nunquam
sine vitio. De mendac. c. 3 : Inter credere atque opinari hoc distat ,
quod
aliquando ille, qui credit, sentit se ignorare, quod credit, quamvis de re, quam
se ignorare omnino non dubitet;
novit, sie enim firme credit; qui autem
opinatur, putat se scire, quod nescit.
2 De util. cred. c. 11: Tria sunt hominum genera, profecto improbanda.
Unum est opinantium id est eorum qui se arbitrantur scire quod nesciunt.
,
,
mu§ aud^ für ben religiöfen ©tauben gelten. ^\t alTeg menfd^ltd^e 2ßiffen
©taube bte tieffte ^öur^el be§ 2öifjen§, fo fann aud^ ba§ SSiffen in
(Sachen ber D^letigion nur au§ bem retigiöfen ©tauben errcad^fen unb ift
al^ bte it)a^re 2öei§5ßit ber (Seete ju betrachten. 9^un ift ©Ott ha^
^öd^fte ©ut, nad^ bem ^k (Seele oon Statur an^ ftrebt; eg ift fomit Ut
^e^nfud^t nad^ ber (Srreid^ung biefe§ l^odöften ©uteg in ber ©eete t)or=
(Seete an ©ott unb i^r ©ud^en nadf) ber n)at;ren ©otte^erfenntnig, @otte§^
oere^rung, i^r ©ud^en nad^ ber roal^ren D^tetigion. ©ie erfennt ©ott
unmittetbar in fid^ fetbft unb fud^t in ber tiebeootlen ^Bereinigung mit
i^m il^re realere ©tücffetigfeit *. ^er menfd^tid^e ©eift l^at alfo oon
Statur footel 2öiffen oon ©ott, ha^ er i^n ^u ftnben fui^t, rae^l^atb aud^
'Den t)eibnifdf)en ^^itofop^en ©taube unb Dfletigion !eine§tt)eg§ ab^ufpred^en,
anbere 5^age ift tk, ob W rca^re O^eligion lebiglid^ auf bem Sßeg ber
in biefem jeittid^en ßeben, weil t^nen ber redete ©taube feljtte, ber
©taube, baß roir unfterblid^ finb unb ba§ l^öc^fte ©ut, nad^ bem mir
ftreben folten, in ber 3wf'itnft, in ber eraigen ©lüdffeligfeit liegt. 5Diefe§
©ut aber, ba§ mir nod^ nid^t fe^en, muffen rair im redeten ©tauben
fud^en^. 2öenn ferner einzelne ^^itofop^en, raie W ^atonüer, an^
ratrftid^ ©ott al§ \>a^ pd^fte ©ut erfannten, burd^ ba§ rair raal^rl^aft
W un§ ju Zi)üi rcerben foKen, tft nid^tä anberes al§ bie Hoffnung auf
biefelben ^. Sßer bie §offnung nicfit ^at , bafe er ha^ f)bä)^k @ut er=
reid^en fönne, ber fann i^m nid^t nad^ftreben unb in biefem Streben fo
leben , rcie er f otite , um e§ ju erreid^en 2. Um aber in btefer §injid)t
eine fidlere §offnung liegen gu fönnen, muffen trir auc^ ben 2öeg rciffen,
auf \itm voix unfer ^od^P^^ 3^^^ erreid^en fönnen. 9^ur roenn roir ben
2öeg feigen, fönnen rair ben ^utl^ fd^öpfen unb bie ^raft in un§ ftnben,
biefen Sßeg ^u rcanbeln. Sßenn nun hk fieibnifd^en ^^ilofopl^en aud^
ben ©lauben an bag lüa^re l^od^fte ®ut Ratten, fo fallen fie bo(^ ben
redeten 25^eg nid^t, eä 5U erreid^en; rcaS nü^te e§ il^nen aber, bas ^id
3U fennen, ha^ fie erreid^en füllten, aber nid^t ben 2Beg, ber ju biefem
3ielefü5rt?3
5luguftinu§ erflärt e§ un§ aud^, warum bie menfd^lid^e 33ernunfl
auä fid^ nic^t im ©taube ift, hit raa^re D^teligion gu finben. ^^xz Un=
julanglid^feit ^at ibren ©runb in ber 8ünbe, burc^ rceld^e bas 5luge
be§ ©eifteg für 'i)a^ Ueberfinnlid^e getrübt rcurbe. (5ä ift bem gefallenen
?Dlenfd^en eigen, ba^ er, in bie 6innenit)elt cerftriift, bag ©eiftige nid^t
mel^r rein ^u erfennen vermag, ha^ er fid^ üom (Sinnlid^en feffeln la^t
unb, TDenn er fid§ über biefeg erl^eben rcitl, immer raieber ju ilim l^erab^
gebogen rairb — ein fid^ere§ ^ti^tn , 'i^a'^ er üon bem ^ödöften @ute
abgefallen ift, bem er anl^angen foUte. S)a5er finben rcir, \>(k^ 5Iugu=
JlBa^r^eit ^dnge mefentlii^ baüon a^, bafe ber menfd^lid^e ©eift fic^ nid^t
an ba§ «Sinnenfallige Eingebe unb barin fid^ oerliere, alfo nid^t bloB
ut beatitudinem consequamur.
3 De civit. Dei XI, 2: Si inter eum, qui tendit, et illud, quo tendit,
via media est, spes est perveniendi si autem desit aut ignoretur, qua eundum ;
tanb ift. SDie ©eele mn§ gereinigt nnb il^r geiftigeä Singe üom (^inn?
ber überall gegenradrtig ift, beraegen rcir un§ nid^t rdumtid^, fonbern
bnrd^ gute iBeftrebungen unb ©itten *. Unb gerabe beß^ölb ift ©o!rate§
in loben, raeil er ^uerft Vie ^^iloj'op^ie auf bie iS:t^it befd^ranfte, in ber
Ueberjeugung, 'oa^ ber ©eift fic^ burd^ gute 6itten reinigen müfje, bamit
er, ixti üon ben nieberbrütfenben 33egierben, mit ber il^m oon D^atur
au§ eigenen ©d^mungfraft jum ©raigen ftd^ erl^ebe unb hk 5Ratur be§
unförperlid^en unb unüeränberlic^en göttlid^en Sid^teä mit reiner ^nt^Hisenj
fd^aue^. \3n bemfelben ©inne fagt Biotin: gliel^en mu6 man jum
t^euerften 3Saterlanb, bort ift ber 33ater, bort 2I£fe§. 5Ba§ ift nun, fagt
er, \)a^ g^l^^^eug ^^efür ober n)eld^e§ ber 2Beg? ©Ott ä^nlic^ rcerben.
3e me^r alfo jemanb ©Ott ä^nlid^ mirb, um fo naiver !ommt er ju il§m
unb e§ gibt feine anbere (Entfernung oon il^m, al§ W Und^nlid^feit mit
i^m. ®ie 6eele be§ ?[Renfd^en ift il^m aber um fo unä^nlid^er, je mel^r
be^ie^t; roie man benn oon ©ofrateg gefagt l^at, bafe er in ber aftioen
Gräften be§ ©eifteä mel^r auf bie contemplatioe fid§ oerlegt, oon ^lato
enblid^, ha^ er, beibeä oerbinbenb, hk ^l^ilofop^ie gur ^oüfommenl^eit
gebracht '^abt'^.
Slllein in biefer §infid§t ern)ie§ fid^ eben bie 5p]^itofopl^ie für fid^
;S8erberbniB ber menfd^lid^en D^atur, nid^t l^inreid^t, \)a^ oon ber ^^ilo=
id est a cupiditatibus rerum mortalium jam remota atque purgata, quia videre
nequit nisi sana.
1 De doctr. Christ. I, 10. 2 pe civit. Dei VIII, 3. ^ ibid. IX, 17.
* Ibid. VIII, 4; de quant. anim. c. 33.
94 B^ßitcr Z^tii.
fd^Iießt unb in ßieSe t^ti^ ift. Qv bebarf eine§ ^ittler§, ber x^m nid^t
nur ben 2Beg jum roa^ren sßaterlanb jetgt, fonbern aud^ felbft ber 3Beg
ift, auf bem man ju ©Ott gelangen fann, ber SS>eg, bie 3Sa^rl^eit unb
ha^ ßeben. ^eß^alb ift ber fiogos, ber ben inneren ^cenfd^en erleud^tet
unb in biefer Sßeife jeben crleud^tet, ber in biefe Sßelt fommt, foraeit ber
^iJlenfd^ nadf) bem ©rab ber ©üte feiner Söitlenärid^lung für bie ^r=
Ieucf)tung fä^ig ift, ^.Uenfd^ gercorben, um aud^ in öuBerer, fid^tbarer
©eftalt ben ^enfd^en p leieren unb jugleic^ burd^ feine ©nabe bas
innere, geiftige ^luge be§ D3cenfd^en ju l^eilen, um il^m bie burd^ hk
©ünbe gefdjraäd^te Sel^fraft ^ur GrfenntniB bes ßroigen unb ©ottüd^en
al§ ©Ott, ber W SSa^r^eit felbft ift, ergibt fi(^ bem 6d^ein unb 3^*^^'
t^um^. ^a^er roirb ber :^ogo§ ha^ ßic^t genannt, \)a^ in ber ginfter^
uiB Ieurf)tet, unb bie g-infterniB ift hk burdj bie 3ünbe getrübte unb ge=
gteifd^ geraorben; aber bie J^^H^^^^'iB '^öt i^n nid^t erfannt; baä btöbe
Sluge ber fünbigen 6eete ift nid^t im (Btanbe, fofort fein l[!id^t in fi^
^ Contr. epist. Manich. c. 36: Docet autem unus verus magister, ipsa
incorruptibilis veritas, solus magister interior, qui etiam jam exterior factus
est, ufe nos ab exterioribus ad interiora revocaret. De trinit. XIII. 19:
Scientia nostra Christus est : sapientia quoque nostra idem Christus est.
li6)t ©eift, bem üon 5latur au§ ^ßerftanb unb Vernunft tnnerao^nen,
burd^ geratffe üerfinfternbe unb alk geinter gefd^raäd^t ift, fo mufe er,
üorerft burd^ ben ©tauben getränft unb gereinigt raerben, bi§ er aU;
mä^tid^ erneuert unb gel^eilt einer fo großen ©lürffeligfeit fä^ig rairb^' ^
i)i^ er burc^ ben ©tauben ^um ©d^auen gelangt -.
Toa^ren D^eligion ift fomit ber menfd^lid^e ©eift junäc^ft auf ben ©tauben
angeraiefen. 3ft aber bieg etraa für il^n eine bemüt^igenbe gorberung?
5ltfe§, raaö rcir überhaupt lernen, eignen roir un§ nid^t bloß burdf) ben
35erftanb an, fonbern aud^ burd^ eine 5(uctorität, ber n)ir ©tauben
fd^enfen- muffen, ©oineit rcir hk SSa^rtieit nod} nic^t fetbft gu erfennen
Dermögen, ift für ung "ok 5Iuctorität not^rcenbig, bamit rair §u biefer
bie eigentlid^ ben begriff be§ ©taubenS aufgebt; benn raag man bereite
fielet (ernennt), oon bem fann man ftreng genommen nid^t me^r fagen,
baB man eg glaube. 2öenn eg nun überhaupt fo natürtid^e Orbnung
ift, baß ber ^iJlenfd^ atte§, n)a§ er lernt, oon einer übertiefernben unb
mel^r in 33e5ug auf bie pt)eren 3Sa^r^eiten, n^etd^e bie burd^ ^Sünbe unb
3rrt^um oerbunfette 3Sernunft auä fid^ nid^t ^u erfennen oermag, W
3tuctorität ber menfd^lid^en ^6)waä)e ju §itfe fommenl £'er 5lnfang
ergo eramus, ut ad contemplandum Deum, quod natura non sumus, per eum
mundaremur. Ibid. I, 2 Re ipsa experiantur, et esse illud summum bonum,
:
aCfer raa^ren D*teI{g{on ift ba^er immer unb überall el^rfiird^tSüolIe Untere
Tüerfung unter eine 2Iuctoritdt, unb angefid^tä ber ^^atfac^e, ba§ bte
menfc^üd^e Seele üon 9^atur au§ fid^ fo mörfitig angetrieben fül^lt, @ott
ju fuc^en, fann man jum 3Sorau§ nti^t baran jmeifetn, baB ©Ott felbft
biefe 2Iuctorität ,ber man ©tauben fd^enfen muB aufgeftellt l^abe *. ,
gibt?* 2öarum foEte e§ bloB benjenigen, bie nad) ber raal^ren iReligion
fud^en, ^ur '^ftidf)t gemad)t raerben, ben ©tauben, ber fonft in ben menfd^s
nife in ben 33efiö ber tral^ren Religion gelangen fonnten, fo raürben borf)
/X)amit ift aber jugleid^ fctjon gefagt, ta^ aud^ in ©ad^en ber die^
(igion, menn gleich ber menfd^Iid^e ^erftanb fid^ unter einen auctoritatiüen
fleinert unb ba§ streben nad^ (Srfenntnife nid^t gering gefd^ä^t raerben
foü. (^Un burd^ unb mittelft beg ©laubenä foE ja ber ^D^enfd^ jur
^•rfenntniB befähigt raerben, ^ur ©rfenntni^ be§ ®lauben§inl^alte§, foraeit
©eele §ur 2lufnal^me ber ©amenförner ber ^öabr^eit befähigt unb au§
biefem ©runbe bie einzige 33ebingung jur 2öiebergenefung franfer ©eelen
ift; raie benn 2(uguftinu§ von fid^ felbft fagt, \3a% er an ß^riftuä ge=
glaubt unb fid^ von ber ^öal^r^eit ber d^riftlid^en ^Oe^re überzeugt ^abe,
aud^ unter ber 35orau§fe^ung , \>a^ biefe burd^ ben 3[^erftanb niemals
üotiftänbig erfannt rcerben fönne ^. 5lIIein ber ©laube ^at felbft fd^on
feine 3lugen, mit benen er geraifferma^en fd^aut, bafe ha^, traä er no(^
nid^t er!ennt, raal^r fei, unb mit benen er gan^ fidler fd^aut, ha^ er ba§,
raaä er glaubt, noc^ nidfit er!ennt. ©arum muB 'i^it gläubige Unter=
roerfung unter eine 5luctorität nid^t blinb fein, ^ie 5luctorität, W ben
©lauben cerlangt, htxdki ben ?[Renfd^en auf bie (5rfenntni§ vor, W
i^n bann gum 35erftänbni§ unb ^nx (Sinfid^t fül^rt. 5lud^ ift ber 35er=
ftanb üon ber Sluctorität nid^t üöllig getrennt, 'iia man erroägt unb
überlegt, raem man glauben muffe, unb fo ber 3luctürität§glaube fid^
1 De ord. II, 5: Duplex enim est via, quam sequimur, cum rerum nos
obscuritas movet, aut rationem aut certe auctoritatem. Philosophia rationem
promittit et vix paucissimos liberat : quos tarnen non modo non contemnere
illa mysteria, sed sola intelllgere, ut intelligenda sunt, cogit. De lib. arb. II, 2
Deinde jam credentibus dicit Quaerite : et invenietis; nam neque inventum
dici potest, quod incognitum creditur, neque quisquam inveniendo Deo fit
beä benfenben 35erftanbe§, au§ benen hk 2öir!(td)feil einer t)on (Sott ge^
fetzten 2(uctorität erl^eEt, fo ba^ auf bem ©tanbpunft beä ©tauben^ ber
Snl^att ber ©laubengle^ren, raenn aud^ nod^ nid^t al§ Sßal^rl^eit begriffen,
^nx ber ^tit nad^ aber ift bie STuctorität, ber man ©tauben fd^enfen
mu^, früher aB ber 35erftanb, raeil bas burd^ ^ünbe unb 3^rtf)um ge^
§iegegen barf man nid^t einraenben, baf3 an ben für ben ©tauben
geoffenbarten 2S^at)r]^eiten nid^t feftge^alten raerben fonnte, raenn ha^ Ur=
tl^eit beä 33erftanbe§ maf?gebenb fein foUte, b. ^. man barf ba§ ©rfennen
nirf)t at§ gefülfirlid^ unb oerberblidtj beargraötinen. (Sin fold^er (iinraanb
fd^Iöffe bie unraal^re ^el^auptung in fic^, baJ3 ^raifc^en ©tauben unb ^n^
ftanb ein ^^i^fP^^^ befte^e, ber entraeber 3^eradf)tung be§ ©laubenä ober
35erad^tung be§ 3)erftanbeä §ur gotge l^aben müBte. (Sä gibt aUerbingä
aud^ ein fatfd^e§ ©enfen, ba§ einen fotd^en ^^^^fP^t^^ ^eroortreten IdBt;
attein fo raenig man ha^ Dieben überhaupt befe^alb meiben mufe, raeil
e§ au(^ eine fatfd^e Diebe gibt, ebenfo raenig mufe man ba§ IDenfen über=
l^aupt meiben, raeit e§ ein falfdtjeg ©enfen gibt. Se^terem ift freilid^
nid)t nur ba§ raal^re SDenfen, burd^ wtid)^^ rair bagjenige, raa§ rair
glauben, erfennen, fonbern aud^ ber bloße ©taube o^ne 3^^^^^^^ ^"^^^
vocat, non naturae et excellentiae, sed ipsius temporis ordine prior est.
§ 10. ©tauben unb 2öt[fen. 99
^u^ie^eu ^ Sßenn aber, rate gejagt , ©laube unb raalf)re§ ^enfen fid^
mad^t, raeife gar nid;t, rao^u ber ©taube nü^e^. ©ie (^-rfenntnig
glauben rair, bamit rair nid^t raeiter nad^ ©rünben ju fud^en brau=
d^en. gerne fei e§, ba§ ©Ott in un§ ha^ l^affe, raorin er un§ cor-
^üglid^er at§ bie übrigen lebenben 2öe|en erfd)uf; e§ ift oielmel^r ber
fraft, aud^ im Sid^te be§ 35erftanbe§ fd^aue; baju l^at il^m ©Ott
eben ben 35erftanb gegeben, ber i^n oon ben ^^ieren unterfdieibet
unb fo ^0^ über biefelben erl^ebt unb ol^ne ben er nid^t einmal
in vernünftiger Sßeife glauben fönnte^. ^ernad^läffigt er hk oer=
^ Epist, 222 ad Cons.: Sicut non ideo detes omnem vitare sermonem,
quia est et sermo falsus non debes
, ita omnem vitare rationem ,
quia est et
falsa ratio. — Falsae rationi non solum ratio vera, qua id quod credimus,
intelligimus , verum etiam fides ipsa rerum nondum intellectarum sine dubio
praeferenda est.
2 De lib. arb. I, 3: Molimur id, quod in fidem recepimus, etiam in-
telligendo scire ac teuere firmissimum.
3 Epist. 222 ad Cons. Qui vera ratione jam, quod tantummodo credebat,
:
intelligit ,
profecto praeponendus est ei qui cupit adhuc intelligere quod , ,
credit; si autem nee cupit et ea, quae intelligenda sunt, credenda tantum-
modo existimat. cui rei fides prosit, ignorat.
* Tract. 22 in evang. Joann. n. 2 : Numquid ergo audire nos voluit ver-
bum suum et intelligere noluit? Quandoquidem si in audiendo et credendo
vita aeterna est, multo magis in intelligendo. Sed gradus pietatis est fides,
rationis capiat et perferat lucem, hoc utique rationis est. Et ideo rationabi-
100 Breiter Tf)dl
^erab ^.
einen bünben ©tauben unb forbert ben ©ebraud^ be§ JÖerftanbeä unb
ber 35ernunft, ein fe(bfttptige§ gorf($en, ein Streben nac^ raifjenfd^aft^
Sic^t geftettt, baj3 er ben ©(auben mit unter bie ©runblagen be§ 2öifjen§
aufnahm unb nad^raieg, e§ fei bem 5)en!geifte felbft geraiB, bag ber
©taube ber benfenben (S:r!enntni§ vorangehe unb biefe bann al§ ßo§n
folge, roenn ber ^enfgeift me^r unb niel^r in ba§ Object beä ©(aubens
einbringt unb in immer tieferer ^'rfenntniB be^felben üormärtä fd^reitet ^,
n)enn gleich ber ?[)^enf($ in biefem Seben nie ba^in gelangt, baB fein
©(aube Im 2Biffen aufgellt ^. ©g gibt ^and^eg, mag rair je^t nid^t be=
unb bod^ muB ein fold^er üorl^anben fein, weil aUe^ burd^ hk göttlid^e
33ernunft gemad^t unb georbnet ift; rair raerben il^n einftenS finben,
cul dubio discrevit haec duo deditque consilium, quo prius credamus, ut id,
quod credimus, intelligere valeamus.
1 Enarr. in Ps. 103 : Non ergo exigit Deus intellectum de equo et mulo,
sed hominibus dicit : Nolite esse sicut equus et mulus, quibus non est intel-
lectus. Hoc ergo dicit Deus : Non exigo participationem sapientiae meae ab
eis, quae non feci ad imaginem meam , sed ubi feci, inde exigo et usum ejus
rei postulo, quam donavi.
2 Enarr. in Ps. 118 conc. 18: Proficit ergo uoster intellectus ad in-
telligenda, quae credat, et fldes proficit ad credenda, quae intelligat, et eadem
ipsa ut magis magisque intelligantur. in ipso intellectu proficit mensr
3 De trinit. IX, 1 : donec apprehen-
Tutissima est quaerentis intentio ,
datur, quo tendimus et quo extendimur. Sed ea recta intentio est, quae pro-
ficiscitur a fide. Certa enim fides utcumque inchoat cognitionem cognitio vero ;
non perficietur nisi post hanc vitam, cum videbimus facie ad faciem.
^ Et re vera sunt, de quibus ratio reddi non potest,
Epist. 222 ad Cons. :
non tarnen non Quid enim est in rerum natura, quod irrationabiliter
est.
fecerit Deus ? Jam ergo si fideles sumus ad fidei viam pervenimus quam ,
,
Prüfer flieif.
§ 11.
(Stuleitung.
tung ber eigenen menf(^(id^en Söefen^eit au§, fo baf3 für i!)n bie (5etbft=
mu^ üon ber ^tu^enrcelt in fid^ jurüdf!e!^ren, fidf; in fid^ oerinnern , bief^
ift ba§ fein gan^e§ teufen, alle feine fpecutatioen (Erörterungen be=
l^errf($enbe ^-ßrincip: „©el^e nitfjt nad§ ^lufeen, feiere in bid^ felbft jurüd^,
m gorfd^er fid^ ber Sliefe unfereg eigenen 3Befen§ unb unferer (B(i)wai^'^
eigeng ^ufammen^uftellen.
nernünftige ^enfgeift in ber ^efle^cion auf fid^ felbft rceiter unb unter=
f^eibet am eigenen SSefen Vit leibtidien 6inne, burd^ roelc^e ba§ förper*
(ic^e 6ein raal^rgenommen rairb, bann einen inneren Sinn, raetd^er ficf)
bie äuBeren Sinne unb beren ©mpfinbungen üorftellig mac^t, unb enbtic^
ben benfenben 35erftanb, ber nid^t nur ben inneren Sinn erfennt, fon?
bern aud^ ba§ innere 35^efen be§ ^enfgeifte§, fomit fid^ felbft burd^ fid^
Sinn §at ju feinem Object 'tia^ bloB Seienbe, \}a^ Jlörpertid^e; er felber
aber gel^ört jum leb enb igen Sein unb urt^eilt über baö körperliche,
^er innere Sinn urt^eitt über ben äuBeren Sinn unb be^eid^net offenbar
raieber eine ^ö^ere Stufe beä ßeben§, alä hk ift, meldte ber öuBere Sinn
einnimmt, raeil bagjenige, raelcfieä über ein 3Inberes urt^eilt, immer über
bem 33eurt^eilten fte^t. ^1o^ ^ö^er fielet ber benfenbe 33erftanb unb
^raar beB^alb, raeil er einerfeitg über ben inneren Sinn urtl^eilt, unb
anbererfeit§ , weil bie (Ä*r!enntniB beg eigenen ßebenä, bie burd^ ben
breifad^en Sein§. Q:^ gibt ein bloBeS Sein, mie ber menfd^lii^e Körper
feiner Subftan;^ na^ ift; e§ gibt ein lebenbigeä Sein, ha^ fid) in ha^
Sein ber ^^flanjen unb ber St^iere unterfc^eibet unb rcooon baä letztere
l)öl)er fte^t, rceil eg ©mpfinbungsleben ift unb nid^t bloB äußere Sinne,
fonbern au^ einen inneren Sinn ^at, raä^renb ta^ Sein ber ^flan^en
o^ne (£-mpfinbung ift unb bloB oegetirt; unb e§ etiftirt enbli^ ber felbfts
^erge^enbe in fid^ fd^Itef3t unb barum beffer unb p^er ift. ^enn raag
Seben befi^t, ^at offenbar auc^ bag Sein, raie g. 35. ba§ ^^ier; aber
nic^t umgefe^rt tebt atteg Seienbe, trie 5. 33. ber ©tein. 5Dag Seben
jüglid^fte, fonbern bag, raomit er über fie urt^eilt, nämlid) ber 35erftanb,
ben bie ^^iere entbehren, ha^ 2)enfen, ha^ nid^t bloB über bie finnlic^en
©inge, fonbern aud^ über W ©inne felbft urtl^eilt unb 5. 33. roei^,
gerabe ift ^
^a auf fold^e 3ßeife ber auf fid) felbft reflectirenbe ^enfd^ in fid^
innert unb auf ben ©tanbpunft ber reinen geiftigen ©ubjectiöität fid^
1 De lib. arb. II, 3 : Cum tria sint haec, esse, vivere, intelligere, et lapis
est, et pecus vivit,nee tarnen lapidem puto vivere aut pecus intelligere; qui
autem intelligit, eum et esse et vivere certissimum est: quare non 4ubito id
excellentius judicare, cui omnia tria insunt, quam id, cui duo vel unum desit
nam quod vivit, utique et est, sed non sequitur, ut etiam intelligat: qualem
vitam esse pecoris arbitror, non utique consequens est, ut
Quod autem est,
vivat et intelligat: nam esse cadavera possum fateri, vivere autem nullus
dixerit. Jam vero, quod non vivit, multo minus intelligit. Ibid. I, 7: Me-
liorne tibi videtur vitae scientia, quam ipsa vita? an forte intelligis, superio-
rem quandam et sinceriorem vitam esse scientiam, quam scire nemo potest,
nisi qui intelligit? Intelligere autem quid est, nisi ipsa luce mentis illustrius
perfectiusque vivere? Ibid. II, 5: NuUi autem dubium
eum, qui judicat, est,
eo, de quo judicat, esse meliorem. Ibid. II, 6 Cum ergo eam naturam, quae :
tantum est; nee vivit nee intelligit, sicuti est corpus exanime, praecedat ea
natura, quae non tantum est, sed etiam vivit, nee intelligit, sicuti est anima
bestiarum; et rursus hanc praecedat ea, quae simul et est et vivit et intelligit,
sicuti in homine mens rationalis, num arbitraris in nobis, id est, in iis, in
corpus nos habere manifestum est, et vitam quandam, qua ipsum corpus
animatur atque vegetatur duo etiam in bestiis agnoscimus et tertium
,
quae ,
quiddam quasi animae nostrae caput aut oculum aut si quid congruentius ,
de ratione atque intelligentia dici potest, quam non habet natura bestiarum.
•104 55ritter Z^dl
% 12.
l^eib unb Seele. 2öa§ ift nun bie (Beele, ber fiö^ere unb beffere 336^
©ie (Seele (anima), b. 1^. bie geiftige Seele, ber @eift (mens) be§
?0^enfd^en, erfaßt im ©enfen fid) felbft, um eine ©rfenntniB feiner felbft
in gerainnen, üermoge feinet Selb ft beraubt fei n§, auf ©runb beffen
er fid^ auf fid^ felbft jurücfraenbet, auf fid) felbft ben 33Ii(f richtet unb
fo fid) felbft fid^ oergegenraärtigt. Obgleich nun aber bas Selbftberaufet^
fein ben 5Xuggangspun!t einer fidleren unb geraiffen Selbfterfenntni^
bilbet unb in i^m ber ©eift fid^ felbft unmittelbar bentenb erfaßt, fo
gefd^iel^t eä bod^, baf3 er fid^ auc^ eine falfd^e ^orftellung oon feinem
eigenen 3Sefen mad^t. 2)ie Cuelle, au§ ber fold^e irrtl^ümlid^e ,
fen=
ift un§ bereite befannt. (E's ift biefelbe, auö ber aii(^ alle irrtl)ümlid^en
ftricft raar, raeil er nidjt im Staube raar, fid^ eine immaterielle, geiftige
tung ben Unterfd^ieb jtüifd^en bem förpertid^en unb bem geifttgen 6ein
fennen ju lernen. B^^^P^fe t){erfür geben bie „©oliloquien", foraie feine
©d^riften „über bie Unfterb(id^!eit ber (Seele" unb „über bie ©ro^e ber
(Seele". ^tho6) beftimmter unb ftarer unb namenttid^ felbftänbiger
cantem ^.
raeld^em bie 33erM)rung beg ^en!en§ mit ber ^Serfel^rung be§ ^SilTenö,
ba§ 25erfin!en beö ^en!en§ in ba§ (^ehkt be§ finnlid^en ,35orfte(Ienä mit
ber §ingabe be§ 2BiIIen§ an hk finntid^e (Sreatur fte^t. ©a (Selbfts
unb mit bem fie fic§ burd^ ein ^ntereffe feft oerfittet ^at, aB il^r an^
^dngenb mit fid^ jie^t, aud^ menn fie, um fid^ felbft benfenb p erfaffen,
in fid^ gurütffel^rt. Unb roeil baSjenige, bem fie nad^ äugen burd^ bie
2)er!e§r fie fic^ üerftridt ^at, förperlid^ ift, unb raeil fie bod^ nid)t nac^
t^um alfo entfielt baburd^, baj3 ber @eift fid^ jenen Silbern mit fold^er
bleibt, fo gefc^a^ eg, baB (Einige bie 75rage aufraarfen, wa^ für ein
^orperlid^eg Don grÖBerer 33ebeutung im Körper fei, unb biefeä für ben
©eift ober überhaupt für hk ganje Seele hielten. So !)aben ©inige bag
^(ut, SInbere ba§ ©e^irn, SInbere baä §erj für bie Seele gehalten.
fagten, \)k ßnft ober ba§ -Jeuer fei i^re Subftan^; raieber 5tnbere be=
^aupteten, fie fei gar feine Subftan^, rceil fie fid^ eben nur ben Körper
alä eine Subftan^ norftellen fonnten unb nic^t fanben, ha^ fie ein
Körper fei, fie l^ielten fie ba^er für eine ^^^ifd^ung be§ ^örper§ felbft 2.
Sitte biefe irrtl^ümlid^en 5Infic^ten über ha^ SBefen ber Seele finb
unb 35orfte[Iungen au§ ber j^örperraelt mit feinem eigenen Sßefen üei's
mif(^t, baB nian mit anberen ^Borten ni($t ben reinen 5lct beg Std^s
felbftbenfenS ootljie^t. 2Öer gegenüber biefen ^J^einungen erfennt,
baB '^^k ^latur beä ©eifteg eine Subftan^ unb baB ^^ immateriell ift,
ber muB ^ugleic^ W ßinfid^t gerainnen, baB biejenigen, bie i^n für
förperüd) l^alten, nii^t befs^alb irren, weil ber ©eift etraa nid^t ©egen-
ftanb i^reä ^erauBtfeinä raöre, fonbern raeil fie i^m fold^eg beilegen,
o§ne ba§ fie fic^ feine Subftanj üorfteüen fönnen. 2tKein ber ©eift foll
ftc^ ni($t fuc^en, aB ob er fid^ fe^le; benn raag ift ber ©rfenntniß fo
gegenraärtig raie ha^, raa§ bem ©eifte gegenraärtig ift? IT^ic^tä aber ift
^ De trinit. X, 5 : Cum
non se nosse aliud non s5^ co-
ergo aliud sit ,
gitare, tanta vis est amoris ut ea quae cum amore diu cogitaverit, eisque
, ,
bem ©eifte fo gegemüärttg , rate ber ©eift felber. ^ber raeil ber @etft
i§m biefe ^inge angehängt burd^ ben ^itt ber SSiöengneignng, nnb biefe
feine unlautere 33ef(^affen^eit trägt bie 8c§ulb, \)a^ er, raäl)renb er fid^
allein ju erfaffen fic^ bemül^t, 't)a^ ju fein raä^nt, o^ne ta^ er fid^
fid^ entzogen raäre, fonbern \)a^, raa§ er fid^ beilegt, üon fid^ ab^iel^en. ©o
rairb er jur (Sinftd^t fommen, bag er ^. 23. rao^l fi^ felbft niemals
nic^t geliebt, niemals fid^ felbft nid^t gefannt Ijat; aber raeil er Slnbereä
neben fid^ liebte, :^at er fid^ mit i^m geroiffermagen üerfd^moljen unb
jufammenf afete ,
ju ber Meinung, eg fei ©ine§, raa§ nerfd^ieben ift.
unb foll fid^ nid§t fo erfennen, al§ ob er fi(^ unbefannt raäre, fon?
sed quod adjungunt ea, sine quibus nullam possunt cogitare naturam. —
Ideoque non, se tamquam sibi desit mens, requirat. Quid enim tarn cognitioni
adest, quam id, quod menti adest? aut quid tam menti adest, quam ipsa
mens? —
Ibid. c. 8: Sed quia in iis est, quae cum amore cogitat, sensibilibus
autem, id est corporalibus, cum amore assuefacta est, non valet sine imagini-
bus eorum esse in semetipsa. Hinc ei oboritur erroris dedecus dum rerum ,
tanquam sibi detracta sit, qua erat, sed id, quod sibi addidit, detrahat. —
Cognoscat ergo semetipsam nee quasi absentem se quaerat sed intentionem ,
unum diversa complectitur unum putavit esse, quae diversa sunt. Ibid.
,
§iernad^ mufs ber ©eift Don allen bloßen 'D^einungen über bas
Söefen ber (Seele abfeilen unb auf ©runb feine§ tnnern (5i(§felb)"tgegen=
n}ärttg]ein§ auf ]\6) jelbft reflecttren, um in ber ^iefe feines (Bt{'b]U
beiüUBtfetn§ ein über jeben 3^^^f^^^ er^abeneä Sßiffen üon fid^ felbft
(Seele nad^ biefem ober jenem ftofflid^en (Elemente greift unb barin jenes
Sßefen ju erraffen glaubt, fo überfiefjt er gan^ unb gar, ba^ ber ©eift,
rcenn er anfängt, fid^ felbft §u erforfc^en, fd^on ein ^enn:^tfein üon fid^
bat, raeil er fonft gar n id^t fuc^en rcürbe, unb ^roar ein
fid^
l^at, ha^ er ein fold§e§ (Clement fei. (5ben barüber, ob W @eele :öuft
ober geuer ober ^lut ober eine 3"fö^^^"f^fei^"9 ^^^ Sltomen ober bie
gel^abt unb ^at ber ©ine biefe§, ber 5lnbere ein 5lnbereä jum Sßefen ber
(Seele gemadf)t. ^arum ift für bie richtige unb jrceifeltofe 'Selbfterfennt^
nig beg ©eifteä 5llleg gelegen an ber (Selbftoergemifferung, bafe er nid^t
etraas oon bem fei, rcaä ju fein er nid^t fidler ift, unb baB er btoB
ba§ in fein fid^ oergeraiffere, rcag allein p fein er ha^ fidlere ^en:)uJ5t=
fein in fid^ trägt. ©§ roäre eigentlid^ aud^ gar nic^t möglid^, baß er
ba§, it>a§ er jelbft ift, fid^ fo oorftellte, wk er fid^ ha^ Dorftellt, raas
er md)t ift, ha^ er irgenb eine förperlid^e ©rfdl)einung für baä «Subject
ber (Seele l^ielte unb fo ha^ (Subject ber ©rfd^einung ^ur ©rfd^einung
biefes OTcs, loie geuer, Suft, biefen ober jenen .Körper ober ^orpertlieil
fonbern nur ©ineg banon fein. 3Senn er aber ©ines baoon rcäre,
l.
^. haQ geuer, fid^ oorftellen, nämlid^ nidl)t burd^ ein 23ilb ber ©in=
bilbet fie fidfj nid}t bloB ein, wie wenn er fte oon auBcn in finnli(f)er
curet discernere. Kec se. quasi non norit. cognoscat. sed ab eo, quod alterum
novit, dignoscat.
§ 12. ^ie ^mmatettalität ber <SeeIe. 109
Sßeife erfaßt ^ötte, in ber SS^eife, rote aKe§ ^örperlid^e erfaßt rairb.
^ei feiner inneren ^elbftbetrad^tnng ^altt alfo ber ©eift ade ^orftel^
Inngen fern, W er üon Sinken bnrc^ bie leiblid^en »Sinne empfängt, unb
rid^te fein 2Ingenmerf auf bag, raooon atfe ©eifter \)a^ 33cn)ufetfein unb
.^röar ha^ fidlere 33en)u6tfein in fid^ tragen. 2öenn er üon jenen au§
ber Äorperraelt gefd^öpften QSorftellungen fid^ nid)t§ anbid^tet unb aufs
ma^ i^m üon fid^ felber übrig bleibt, er felbft fein. (Sr fe^e ab t)on
bem, n)aä er bIo6 meint, unb fe^e auf baä, rcaä er lüeife; er fjoitt
H^ feft, raoran fetbft jene nid^t gejraeifelt ^ßben, raeldjie bie Seele für
fei; aber barin fonnten fie nic^t ^raeifeln, ba^ fie leben, erfennen unb
raolTen. ©enn aEe menfd^lid^en ©eifter o^ne 5(u§na^me |aben ba§ 33e5
raufetfein, ha^ fie erfennen, finb unb leben, unb ba§ ^-rfennen be=
jie^en fie auf etraaS, ta^ fie erfennen, Sein unb Seben aber auf fid§
felbft, unb feinem ift ^raeifell^aft, bafe jeber, ber erfennt, aud^ lebt, unb
jeber, ber lebt, aud§ Sein l§at, folglid^ ba^ ber, rceldier erfennt, aud^
Sein unb Seben l^abe. ^'benfo raiffen fie, bafe fie ra ollen, unb
n)iffen, bafe bie^ niemanb fönne, ber nid^t Sein unb Men ^at, unb
ebenfo tiqk^^n fie ba§ ^Sollen auf dma^, \)a^ fie mit biefem SßoHen
erftreben. ^lud^ 'oa^ fie 33en)u fetfein ^aben, roiffen fie, unb s^^gleii^
raiffen fie, bafe niemanb 33en)ufetfein ptte, rcenn er nid^t Sein unb Seben
^itt. ^iefe inneren ^orftetfungen , in raeld^en ber @eift feiner eigenen
^at, erfennt unb raill, finb il^m allein raa^rl^aft innerlid^ gegenraärtig,
feineä SeinS unb Seben§, unb auf fie mufe er befel^alb reflectiren, um
ftd^ al§ ba§ p erfaffen, raa§ er rairflid^ ift, rceil bie innere Statur
eines Sein§ fid^ in feiner (Srfc^einung funbgibt; auf fie mufe er refCec*
^ Ibid. c. 10: Cum ergo verbi gratia, mens aerem se putat, aerem in-
telligere putat, sed tarnen intelligere seit; aerem autem se esse non seit, sed
putat. Secernat, quod putat; cernat, quod seit, hoc ei remaneat. Uude ne
illiquidem dubitaverunt, qui aliud atque aliud corpus esse mentem putave-
runt. —
Quoniam de natura mentis agitur, removeamus a consideratione nostra
omnes notitias, quae capiuntur extrinsecus per sensus corporis, et ea, quae
posuimus omnes mentes de seipsis nosse certasque esse, diligentius attendamus.
110 2)ntter 5:^eU.
2ßet(e p erfaffen^
3n ben 3}orftelIungen biefer feiner eigenen ^^nenjuftdnbe fid^ er=
faffenb, fann ber ©eift, inbem er auf biefe SS^eife ben 5lct beg Oid^s
als eine leere giction, burd^ rceld^e er feinem geiftigen ^lirfe ba§ rcal^re
§infid^t rairb er bann roeiterfjin beftärft raerben , rcenn er auf ben 3^=
ber Körper mit einem feineren ^l^eil feineS Sßefens einen fteineren unb
mit einem größeren ^llieit einen größeren ^aum einnimmt, ober ta^ jeber
feiner ^^eile im D^anme fteiner ift al§ ha^ @an^e^, unb fobann fid^
lid^en ©eele gelte. Qnx ßöfung biefer g-rage mu^ er auf bie im «Selbft?
berauBtfein gegebenen Grfd^einung^raeifen unb ^l^ätigfeiten ber (Seele ein?
gelten, um au§ biefen uad^^utDeifen, 'tia^ hie 8eele i^rer 9^atur nad^ eine
Dom forperlid^en Sein ganj oerfdiiebene ^I^efenl^eit fei, ha^ fie alfo nid^t
1 Ibid. c. 10: Utrum enim aeris sit vis vivendi, reminiscendi, intelli-
gendi, volendi, cogitandi, sciendi, judicandi, an ignis an cerebri an sanguinis
an atomorum an praeter usitata quatuor elementa quinti nescio cujus cor-
poris, an ipsius carnis nostrae compago vel temperamentum haec efficere va-
leat, dubitaverunt homines, et alius hoc, alius aliud affirmare conatus est.
mit einem fleineren ^l^eile i^re§ ^efens einen feineren unb mit einem
gröf3eren ^^eil einen gröjjeren ^aum einnel^me unb ^a^ fie überf)aupt
feiner inneren Seknäacte inne mirb, il)rem ^nl^alte nad^ mit ben ©innen*
nehmen, aB man fagen fann, fie feien nur teere Flamen, benen feine ob=
jecHüe Sffiirflid^feit entfpred^e. §ier^er gehören alle 35orftelIungen ber
inneren ©r!enntni§=, ©efül^B^ unb 5öillen§acte unb bie au§ i^nen ab=
alte feine förperlid^e Oualität an fid^ tragen ^ „©u rceißt/' fagt 5j(ugu=
ftinug,, „baB hu bie ©onne burd^ ein förperlid^eg 23ilb gefeiten l^aft; bu
fannft fie aud^ fofort fc^auen, menn fie fd^eint unb bein v^tanbpunft bir
\)k ^TuSfid^t auf ben X^eil beg ^immeB gen)ät)rt, voo fie gerabe fte^t.
befi^eft unb o^ne irgenb raeld^e Umriffe Don giguren unb o!^ne ben
@lanj ber garben (o^ne irgenb raeld^e förperlid^e Dualität), aber um
fo flarer unb fidlerer, um fo einfad^er unb innerlid)er erfaffeft."^ ^ierl^er
©inen, SBal^ren, ©d^önen, @uten u. f. ra. , bie mix nid^t au§ ber (Sin=
sicut Dens, sicut ipsa mens hominis vel intelligentia vel ratio, sicut virtutes,
prudentia, justitia, castitas , charitas ,
pietas et quaeeunque aliae sunt ,
quas
intelligendo atque cogitando enumeramus , discernimus , definimus , non utique
intuentes lineamenta earum vel colores, aut quomodo sonent aut quid re-
doleant aut quid in ore sapiant, — sed alia quadam visione , alia luce , alia
rerum evidentia, et ea longe ceteris praestantiore atque certiore. — De anim.
et ej. orig. IV, 19: Quis autem reete dieat, se aliquem hominem cognovisse,
nisi in quantum potuit ejus vitam voluntatemque cognoscere, quae utique
moles non habet vel colores? Sic enim et nos ipsos certius quam ceteros
novimus, quia nohis conscientia nostra nota est et voluntas, quam plane vide-
mus et in ea tamen aliquam corporis similitudinem non videmus.
2 Lib. ad Paul, epist. 112.
112 ^Dritter 5;i^eU.
tt)enn gletd^ ntd^t fet^ft förperltd^, boc^ ^IBbilber t)on förperlic^en fingen
finb, repräfenttren bte intelTectueHen ^^orftetfungen, rate rair oben gefeiten
l^abett, aud^ ntd^t mel^r btlbltc^ etraa§ ^örperltd^e§ lutb fleHeit {n§befott=
ha^ ^örperlid^e itur raieber oon einem forperlid^en 5Iuge gefd^aut rairb,
fo mu§ bie (Seele, mit ber rair SwimaterieUeö ff^en, felbft aud^ im=
materiell fein 2.
,^ugeben, baß alle biefe ©ebilbe ben rairflid^en 5Dingen ber 5lu^itraelt
burdf)au5 äl^nlid§ finb, aber man !ann nid^t fagen, bafe fie felber materiell
feien. 3^^^^ ^^^ f^^"^^ ^" 33etra^t, ha^ hk ©eele im Staube ift, fe^r
Df^äumltd^feit auf feine eigene ©ubftan^ angeraiefen ift unb über bieje
nid^t l^inauggel^en !ann*. ©a§ ^övpevlid^e ift \)a^, rca§ gefel)en nnb
bnrd^ tk ©inne raal^rgenomnien rcirb, bie 6eele bagegen erfennt fid^ al§
"ba^ 2ßefen, raeld^eg ha^ ^örperlid^e fie^t, finnlid^ raal^rnintmt, fi($ üor-
fteUig ma(3^t unb barübev urt^eilt; unb barum ift fie raeber !örperlid§,
norf) ba§ 33ilb eine§ ^örperö. Unb rcenn fd^on bie jinnlid^en ^or=
ftellungen in ber ©ee(e nid^t felbft materiell finb, fonbern nur p^t)fifd[)c
baäienige, raeld^eä ba§ 23ilb eineS 5lörper§ fielet unb e§ al§ fdjön ober
mii^ beurtl^eitt, ol;ne 3^^if^^ üor^üglic^er ift, al§ "oa^ ^ilb felber,
trad^ten voiU, mu^ fie fid^ üon ben !orperlid)en ©innen lo^mad^en
unb in ftd^ felbft jurüdf^ie^en unb je mel^r fie fid^ t)on hen ©innen
be§ 2t\^^^ lo§madC;t, befto reiner fd^aut fie in fid^ ba§ (Smige unb
Unroanbelbare unb roirb nad^ beut ^J^a^e i^reS ©djauenä felbft reiner unb
* De anim. et ej. orig. IV, 17 : Tarn multas igitur et tarn magnas cor-
porum imagines, si anima corpus esset, capere cogitando vel memoria re-
tinendo non posset,
2 De civit. Dei VIII, 5 : Illud autem, unde videtur in animo haec simi-
litudo corporis, nee corpus est nee similitudo corporis; et unde videtur atque
utrum pulchra an deformis sit, judicatur, profecto est melius, quam ipsa,
quae judicatur. Haec mens hominis et rationalis animae natura est, quae
utique corpus non est, si jam illa corporis similitudo, cum in animo cogitantis
adspicitur atque judicatur, nee ipsa corpus est.
3 Conf. X, 8; De anim. et ej. orig. IV, 18: Non mihi videris ab isto
errore (animam esse corpus) posse erui, nisi Deo adjuvante diligenter con-
sideraveris visa somniantium et inde cognoveris esse quasdam, quae non sint
Corpora, sed similitudines corporum.
©torg, ^I. 2Iuguftinu§. 8
114 dritter Zf)til
ebler ^. Sßte fönnte fie fid) aber üom .^örperridfjen Io§mad^en unb bem 3n=
tedigtbetn in fid^ 3;iTn)enben, raenn fie nidjts ^nbereg raare aB, rcie
manche befjaupten, bie Harmonie ber leibUd^en Organe, alfo ein Slccibenj
be§ ßetSeg, raenu fie nic^t cielmel^r eine com ßetb oerfd^iebene eubftanj
raäre, bie bem ^nteUigibeln, ha^ fie in fid^ fc^aut, üerraanbt ift?^
X'^at]ad)t in erfldren fei, ha]^ hk Seele mit ber ©röge be§ ii^r ange^
l^örigen 2eih^§ übereinftimme , inbem fie ja an allen v^teKen beä 2e\heQ
jebe leiblid^e ^Iffection an ber Stelle, rao fie ftattfinbet, o^ne fid^ erft
ba^in p beraegen unb o^ne be^^alb, raeil fie an einer beftinimten Stelle
bem ganzen &laum, ^zn er einnimmt, nid^t aber in ben einzelnen S^l^eilen
beöfelben. SS^dre alfo bie Seele ein Körper, fo fönnte fie nic^t hd
(Jmpfinbungen beä 2tiht^ in jebem ^^eile begfelben ganj gegeniüdrtig ^.
fein
^ De Genes, ad lit. VII, 14: Cum igitur his quasi nuntiis accipiat anima,
quidquid eam corporalium non latet. ipsa vero usque adeo aliud quidquam
Sit, ut cum vult intelligere vel divina vel Deum vel omnino etiam seipsam
suasque considerare virtutes, ut aliquid veri certique comprehendat , ab hac
ipsorum quoque oculorum luce se avertat eamque ad hoc negotium non tan-
tum nullo adjumento, verum etiam nonnullo impedimento esse sentiens, se in
obtutum mentis attollat. Ibid. VII, 20: Namque aliud esse ipsam, aliud haec
ejus corporalia ministeria vel vasa vel Organa, hinc evidenter elucet , --quod
plerumque se omnibus ut prae
vehementi cogitationis intentione avertit ab ,
oculis patentibus recteque valentibus multa posita nesciat et, si major intentio
est, dum ambulabat, repente subsistat, avertens utique imperandi nutum a
ministerio motionis, qua pedes agebantur.
2 De immort. anim. c. 10: Quis enim bene se inspiciens non expertus
est tanto se aliquid intellexisse sincerius, quanto removere atque subducere
intentionem mentis a corporis sensibus potuit? Quodsi temperatio corporis
esset animus. non utique Non enim ea res, quae naturi'm
id posset accidere.
propriam non haberet neque substantia esset, ullo modo se ab eodem corpore
ad intelligibilia percipienda conaretur avertere et, in quantum id possit, in
tantum illa posset intueri eaque visione melior et praestantior fieri.
3 Epist. 28 ad Hieron. : Si corpus non est nisi quod per loci spatium
aliqua longitudine, latitudine, altitudine ita sistitur vel movetur, ut majore
sui parte majorem locum occupet et breviore breviorem minusque sit in parte
quam in toto : non est corpus anima; per totum quippe corpus, quod animat,
g 12. ©ie ^mmatertatität bcr ©eele. 115
bloJ3, jonbevn raifje e§ fidler, ba jj bic 6eele uid^t förpevlid^ jei\ fonbern
ein benfenbeg unb tüotlenbeS 3Sefen, ba§ fic§ in ber gorm feiner (5r=
6ein§ eine jeitlid)e unb räumlidje pgteid; ift, unb ba§ eben bejjroegen
ber ^dt, nid^t aber auf^ ber 3Seränberung im D^aume unteriüorfen ift
2.
©ie ift fpecififd) üerfd^ieben üom ^^iht unb abfurb ftnb bie ^IReinungen
berer, raelc^e fie blo^ für eine Qualität beg J^Örper§ galten ober für
\ia^ 9^-efultat ber 3^f^^^^^^^fügung ober ^egren^ung be§ ^örper§ ober
für bie Harmonie be§ Seibeö ^. ©inb üielmel^r bie inneren Sebengafte,
fc^Iief^en rcir mit 3^ed^t, nid^t nur baj^ ha^, raaä mx alä ©ubject jener
jecteS, fonbern felbft ©ubject, eine ©ubftan^, bereu äßefenl^eit nid)t au^
einem ber fiunenfäHigeu ©inge ftammt, fonbern eine eigene göttlid;e
©e^ung ift. Obgleid^ fie alfo in feiner S5.^eife förperlid^ ift, fo ift fie
be^!)alb nid^t ein '^id)t§, fonbern ein für fid) feienbeg ©ein, a(g ha^ fie
al» lebenbeg ^iBefen, im Unlerf djieb oom Sebenäprincip ber '^^iere aber
nalis), alä ©eift (mens), alfo alä eine geiftige 5i3efen^eit, bereu Oua=
non locali diffusione, sed quadam vitali intentione porrigitur. Nam per omnes
ejus particulas tota simul adest, nee minor in minoribus et in majoribus
major, sed alicubi intentius alicubi remissius, et in omnibus tota et in singulis
tota est. Neque enim aliter quod in corpore etiam non toto sentit, tarnen
tota sentit.
* De Genes, ad lit. XII, 33: Animam vero non esse corpoream non me
putare , sed plane scire audeo proftteri. Epist. 28 ad Hieron. : Nee haec
perinde loquor, ut quae tibi nota sunt, doceam, sed ut aperiam, quid fir-
§ 13.
©ie ©in'^eit ber 6ee(e.
ebenfo betont 5Cngnftinn§ ha^, rcaS mit bem 33egrifi einer immateriellen
einen größeren, mit einem fleineren einen fleineren 5t^eil beä 9flanme§
feinä), ber intelligent unb be§ 5Ißillen§; aber biefe 3Sermögen finb nur
(Sin Men, @in ©eift, ©ine ©ubftan^. ©aljer bilben fie nid^t nur eine
nife, ba§ nid^t bloß ba§ eine ba§ anbere, fonbern iebe§ alle anberen unb
jroar nid^t blo|3 tl^eilraeije, fonbern ganj in fid^ faßt; benn id^ rceiB ja
(bin mir beraubt), ta^ td; erfenne unb wiU , ic^ erfenne, ba(3 i(f) roill
unb ^eraujitfein §abe, unb i^ mill, ha^ 16) mir beraufet bin, H^ id^
erfenne unb raill^. SDa§ ^Serl^dltnife biefer ißermögen ^ur ©eele felbft
et scire. In bis igitur tribus quam sit inseparabilis vita et una vita et una
mens et una essentia, quam denique inseparabilis distinctio et tarnen distinetio,
videat qui potest. De trinit. X, 11: Ilaec igitur tria, memoria, intelligentia,
voluntas, quoniam non sunt tres vitae, sed una vita, nee tres mentes, sed una
mens, consequenter utique nee tres substantiae sunt, sed una substantia.
Memoria quippe quod vita et mens et substantia dicitur, ad se ipsam
§ 13. 2)ie (Sinl^cit ber Seele. 117
mii6 ba^er tu bem (Btnne aufgefaßt rcerben, bafe fie bte (Sine SSefen^eit
ober 8iibftantialität mit ber ©eete felbft tl^eiten; eä barf uid^t gebad;t
lüerben, mit ^a§ ber g^arbe ober @efta(t jum Körper ober üT6erf)aupt
Öeifi burd^ fein ^eraiißtfein feiner fetbft unb aud^ anberer ^inge beronj^t
fein , burd^ bie ©rfenntniß fid^ unb aud^ 5Inbereg er!ennen , burd^ W
Siebe fid^ unb aud^ 5lnbereg lieben; unb er fann bieß eben, raeil biefe
3[^ermögen \)k ©ubftantialitdt mit bem ©eifte felbft tl^eilen*. 2luä bem
gleid^en ©runbe fönnen biefe 35ermögen ber ©eele fid^ aud^ auf fic^ felbft
lüenben, ber 33erftanb fid^ felbft erfennen, ha§> 33eir)n§tfein beffen beiDußt
referuntur; quae si aequalia non essent, non solum singula singulis, sed etiam
Omnibus singula, non utique se invicem caperent. Neque enim tantum a
singulis singula, verum etiam a singulis omnia capiuntur. Memini enim me
habere memoriam et intelligentiam et voluntatem , et intelligo me intelligere
et velle atque meminisse, et volo me velle et meminisse et intelligere, to-
tamque meam memoriam et intelligentiam et voluntatem simul memini.
De trinit. IX, 4 Simul etiam admonemus, si utcunque videre possu-
* :
ratio quae cognoscit et cetera. Nam et memoria non solum cetera omnia,
,
quae meminimus, comprehendit sed etiam quod non obliviscimur nos habere ,
iüo(;l über ber ^[^eranbernng in ber ^^it unterraorfen ift unb befi^alb ben
Ouatität nid)t hie ©ubftan^ felbft unb barnm and) W eine Qualität
nid^t W anbere, fo baB ber menfdjlidie C^eift nid^t ba§ i8en)uJ3tfein, W
3nte[Iit]en^ nnb ber WiÜe ift, fonbern biefe ^iJermögen 'i)at, nnb feincö
biefer ^^ermögen ha^ anhexe ift. ©enn er erfennt ja burd^ hie ^ntelli^
genj nnb roid bnrd^ feinen ^BiUen; er erfennt, ba§ er rciH nnb roitt,
hie anberen; fte fönnen balb üor^anben fein, balb and^ nid^t unb fönnen
lic^e 6eele nid^t fdilei^ttjin einfad^, bilbet aber eine lebenbige (Ennfieit;
alle i^re ^'räfte nnb Vermögen rcirfen einfieitlid^ jufammen nnb finb
aliorum , sed etiam sui meminit vel potius nos et cetera et ipsam per ipsam
meminimus.
1 De quant. anim. c. 1 : Anima Simplex quiddam et propriae sub-
stantiae.
2 De trinit. XV, 22: Verum haec quando in una sunt persona, sicut
est homo, potest nobis quispiam dicere, memoria, intellectus et amor, tria ista,
mea, non sua , nee quod agunt imo ego per illa. Ego
sibi, sed mihi agunt ,
,
enim memini per memoriam intelligo per intelligentiam amo per amorem.
, ,
— Quod breviter dici potest: ego per omnia illa memini, ego intelligo, ego
diligo, qui nee memoria sum nee intelligentia nee dilectio, sed haec habeo.
3 Ibid. VI, 4: Humano quippe animo non hoc est esse, quod est fortem
esse, aut prudentem aut justum aut temperatum. Potest enim esse animus
et nullam istarum habere virtutum. Ibid. VI, 6: Creatura quoque spiritalis,
sicut est anima, est quidem in corporis comparatione simplicior, sine compa-
ratione autem corporis multiplex est, etiam ipsa non simplex. Nam ideo
simplicior est corpore, quia non mole diflFunditur per spatium loci. Sed tarnen
etiam in anima cum aliud sit artificiosum esse, aliud inertem, aliud acutum,
aliud memorem, aliud cupiditas, aliud timor, aliud laetitia, aliud tristitia
possintque et alia sine aliis et alia magis, alia minus, innumerabilia et in-
numerabiliter in animae natura inveniri manifestum est non simj)licem sed
, ,
multiplicem esse naturam. Nihil enim simplex mutabile est, omnia autem
creatura mutabilis.
§ 14. @eele unb Selb. 119
M)Uit unb jebe ^erfd^iebeu^ett ber Qualitäten von eiuanber unb üon
bei* 6ubftan^ au§, wa^ , wk xüiv feljen raevben, nur beim göttUi^en
§ 14.
(Seele unb SeiB.
. SDie menfd)tid)e 8eele ift ein geiftigeg SBefeu (mens seu spiritus).
2lter biefer ®eift ift mit einem jlörper Bereinigt, ben er belebt unb ge::
ftaltet unb in ber ©riften^ erplt. 3)er Mh gehört fomit luefentlid^ jur
©nbftanj be§ ?[J^enf(^en, fo bafe ber ^D^enfc^ nur ?0^enfd^ ift burrf; W
einl^eitlid^e ^erbinbung feiner beiben 33eftanbt^eile ^ ^n biefer JBebcnS--
einigelt non ©eift unb Seib fann ber 'iS^enfc^ bejeidjuet raerben alä
unb bal^er Ijat bie 6eele einen natürlichen ^rang , fid^ mit bem Seibe
beibe an fic^ nid)t (Sin§ unb nid^t einmal gleidjer 5^atur finb; ber
Seib ift tanquam homo exterior unb bie ©eele homo interior *.
i^r ^ur Seben§ein^eit nereinigte Seib bagegen ift in allem nur il)r Organ
5um 35erfe^r mit ber Slnfeeuraelt; burc^ i^n empfängt fie ($inbrüc!e non
ber 5ln{?enraelt unb burd^ iljn n)ir!t fie auf bie 2lu^enbinge ^. ©r fte^t
De civit. Dei XIX, 3 Horum autem trium hoc eligit tertium, hominem-
1 :
que nee animum solum uec solum corpus, sed animum simul et corpus esse
arbitratur. De anim. et ej. orig. IV, 2: Quisquis ergo a natura humana
corpus alienare vult, desipit.
2 De trinit. XV, 7. ^ pe Genes, ad lit. VII, 27.
* De trinit. IV, 3; epist. 174 ad Pasc; contr. Faust Manich. XXIV, 2:
Quia hoc utrumque interius et exterius simul unus homo est, hunc unum
hominem ad imaginem suam fecit.
^ De quant. anim. c. 33; de immort. anim. c. 15: Hoc autem ordine
intelligitur a summa essentia speciem corpori per animam tribui, qua est in
quantumcunque est. Per animam ergo corpus subsistit et eo ipso est, quo
animatur.
^ De trinit. XI, 2 : Anima commixta corpori per instrumentum sentit
corporeum et deinde instrumentum sensus vocatur.
120 dritter Z^dl
fie au§ unb ift nid^t fie ba§ üon i^m aus Seibenbe, fonbern fie allein ift
baä fpontane ^l)ätige, ba§ in bem 2dh unb burd^ ben ßeib rairft, unb
i^re fpontane Xf)ätigfeit gel;t nur ba(b leichter, balb frfiroerer Don ftatten,
je nac^bem fie e§ eben felbft üerbient ^at, bafe i^r bie !örperlid^e ^Jktur
untert^an fei ^ Sßenn fie ba^er zima^ erleibet, fo erleibet fie eä nifi)t
üom Körper, fonbern oon fid^ felbft, infofern fie burrf) il^re ßebenstl^ätig^
feit im Körper unb burd^ i^re 2öirf famfeit in ben leiblid^en Organen
erft leiben§fä^ig, receptio roirb. ^O^an fagt ^mar geniol^nlid^, "oa^ ^Tuge
fie^t, ha^ £)^x §ört, allein hk 6eele ift e§, raeld^e fie^t unb ^ort, b. 1^.
auBen in fid^ aufnimmt, utfo finnlid^ raal^rnimmt, groar nic^t ol^ne ben
Mh, aber burd^ ben Seib mittelft ber letblid^en Organe, inbem fie fpontan
baä in fid^ aufnimmt, \va^ bie oon i^r belebten Sinnesorgane burd^ bie
fort bei ben übrigen Sinnen^. ®arau§ folgt, ha^ fie auc^ bei- ber
* Music. VI, 5 : Considerandum quod est , utrum revera nihil sit aliud ,
dicitur audire nisi aliquid a corpore in animo fieri. Sed perabsurdum est
fabricatori corpori materiam quoquomodo animam subdere. Numquam enim
anima est corpore deterior; et omnis materia fabricatore deterior. NuUo modo
igitur anima fabricatori corpori est subjecta materies. Esset autem si aliquos
in ea numeros corpus operaretur. —
Ego enim ab anima hoc corpus animari
non puto nisi intentione facientis. Nee ab isto quidquam illam pati arbitroi,
sed facere de illo et in illo tanquam subjecto divinitus dominationi suae.
^^liquando tarnen cum facilitate aliquando cum difficultate operari, quanto pro
ejus meritis magis minusve illi cedit natura corporea.
2 De quant. anim. c. 23: Sensum puto esse non latere animam, quod
patitur corpus.
3 De Genes, ad lit. VII, 19.
S 14. ©eclc unb Selb. 121
leibenb üer^It, fonbern fpontau unb felbftänbig, auf (S3runb bei* leib-
meldte ba§ i^r ©ntfpred^enbe gern aufnimmt, bem il^r nid^t (5ntfpred^en=
ben aber raiberftrebt. Sßenn fie bal^er etn)a§ erleibet, fo erteibet fie eö
nic^t üom 2dhe, fonbern nur ron fid^ felbft; inbem fie fid^ mit i^rer
bcffen nid^t me§r fie^t ober §ört, raaä um fie ift unb gefd^iel^t^.
^as §er^ ift haQ ß^entviim, von bem auä bog leiblidie ßeben fid^
in ^eraeflung evl^ält, unb baä ©eljint ba§ (^entvalorgaii für bie (5'nu
hk 9leruen, feine, ^o^Ie 9I5f)rd)en, rceld^e üom ®el)irn au§ iiidjt btofe
l^inteveä alg Organ ber iBeraegnng, unter benen er bem erfteren alä bcm
Organ be§ ©rfenntni^üermögeng ben ^Sorjug gibt, unb enblic^ ein mitt=
t^ätigfeit ift, fo barf e§ boc^ nid^t al§ ber eigentliche 6tt^ ber ©eele
angefe^en werben; benn biefe ift ja, rcie gefagt, im ganjen Körper ganj
unb ganj in jebem X^eile, rcenn gleid^ in ben einzelnen ^l^eilen nidjt
btof3 in irgenb einem 2^eile ifjrer felbft, fonbern überall ganj (tota)
unb imav o^ne fid^ erft oon einem Orte an einen anberen p beraegen,
unb beibe ^u einer raal^ren Seben§einbeit rerbunben finb, ift nad^ 5rugu=
ftinu§, bem fid^, je mü'^eüoller er fid; über ben ©enfuali§mu§ ^nm 3beali§=
muä emporgerungen, um fo me^r ber ©egenfat^ ^mifd^en geiftigem unb
forperlid^em 6ein oerfd^arfte, burd^auS rounberbar unb fann com ?[Renfd^en
täglid^ üorfomme, hie ^Bereinigung ber ©eele, hie bod^ ein ©eift fei, mit
bem ßeibe jur ©inl^eit be§ menfd^lid^en Sßefenä. 3^"^ ^Bereinigung Wie
im ©runbe ütel raeniger ^d^mierlgfeit al§ biefe; beim M jener l)abt bev
Iflingenommen werben, and; raenn man jie in il^rem SBie? nid^t begreifen
!önne; Jene ^Bereinigung hingegen fei ein ©egenftanb beg (^(aubenö;
mürbe aber hk eine mie bie anbeve nidjt geroufjt, fonbern b(ojj geglaubt
-er baä S^erüenfgftem alg ^a^ eigentlid^e Organ für hk Sßirffamfeit ber
©eele anfal^, forao^l für i^re ^ptig!eit ber ©mpfinbung aB ber ^emc;
gung, bod^ nid^t eine unmittelbare ^IBed^felrairfung graifd^en Scib unb
©eele angenommen, fonbern blo§ eine mittelbare, b. 1^. er backte fid)
©egenfä^e 3Bermtttelnbe ftellte er fid6 al§ etraag t)or, ha^ nid^t grob
!örperlid^ unb aud^ nid^t ©eift, fonbern berart förperlid^ fein unb ^u=
in biefer §infid§t auf 2i^i unb Suft, meiere nid^t grob förperlid^ unb
mel^r tptig alä leibenb finb. ^iefe, fagt er, übermitteln ber ©eele bie
^•inbrüdfe auf ben ßeib unb auf biefe roirft bie ©eele M millfürlid)en
^Beraegungen juerft, um burc^ fie bann erft auf ben eigentlidöen Körper
ju mirfen. 2i<i)t ift nid^t blofe im Singe, fonbern aud^ in ben übrigen
©innen rairffam; nur !ommt hk ©eele nid^t in allen ©innen auf bag=
felbe l§inaug, fonbern auf 3Ser(d^iebeneä, weil ber 3^^^/ ^^"^ ^^^ ©inne
bienen, aud^ oerfd^ieben ift. ^ie ßuft bagegen ift für hk millfürlid^en
33en)egungen baSjenige, auf baä ber SSiUe ber ©eele rairft, um biefelben
l^eroorjubringen ^.
fe^ung unb mmt in biejer §in]ic^t l^in auf W gorm unb ben ganzen
Sau beäfelben, auf feine aufredete ©eftalt, auf bie 35ertl^eitung ber ©inne,
W jroeif madige Slnorbnung unb (Sinrid^tung ber ©lieber für bie ^ienfte
be§ @eifte§, namentlid^ bie rcunberbare Seraegli(^!eit ber 3^^^9^ ^^^"^ ^ß^*
aB fd^ön gilt, in ber 8d^ön]^eit nad^ bem Urtl^eil be§ oernünftigen ®eifte§
nocl) ben 3Sorjug cor bem äugerlid^en 6d^önen ju^öge. 33eben!t man
ferner, ba^ am menfd^lidEien Mht nid^t bloB bag ^lotl^raenbige bereits
aud^ ^ur ^kv\)t bient, fonbern einige§ blo^ 5ur ^kxht 't^a ift, rote 5. 33.
©eftalt, al§ bie auf ha§ 33ebürfni6 maf^gebenb rcar^ 3n biefem 5lbel
ber ©eftalt be§ menfd^lid^en Seibe§ gibt ftd^ ber 5lbel ber menfd^lid^en,
nadfj ©otteä (Sbenbilb er fd^ äffen en , üernünftigen (Seele !unb, rcie cor
tatem ,
per subtiliorem naturam corporis administrat id est per lucem et ,
,
aerem. Nullus sine bis duobus vel sensus in corpore est vel ab anima spon-
taneus corporis motus. Sicut autem prius esse debet nosse quam facere, ita
prius est sentire quam movere. Anima ergo, quoniam res est incorporea,
corpus, quod incorporeo vicinum est, sicuti est ignis vel potius lux et aer,
primitus agit: et per haec cetera, quae crassiora sunt corporis, sicuti humor
et terra,unde carnis corpulentia solidatur, quae magis sunt ad patiendum
subdita, quam praedita ad faciendum. Ibid. VII, 19: Per lucem et aerem,
quae in ipso quoque mundo praecellentia sunt corpora magisque habent fa-
ciendi praestantiam quam patiendi corpulentiam , sicut humor et terra , tan-
quam per ea, quae spiritui similiora sunt, corpus administrat. — Et aer, qui
nervis infusus est, paret voluntati, ut membra moveat.
1 De civit. Dei XXII. 24.
§ 15. ©cclc unb @eifi. 125
@eifte§ über aöe ^^iere unb feine 33eftiminung, fid^ ^ur ©rfenntnife beä
§ 15.
Z^dl an^ ber Sid^tnatur beä guten ®otte§, unb eine böfe, tl^ierifd^e
©eele, ber ©i^ aller niebrigen Süfte unb 23egierben, W au§ bem böfen
^rincip, bem ^rincip ber ginfterni^ entfprungen fei 2. @egen fie raeigt
jeugenber Sßeife na^ , \)a^ ber Urfprung be§ S3öfen lebiglid) im freien
Tillen ber Kreatur gu fud^en fei unb baj3 eg feine bofe 6ubftanj gebe,
fonbern jebe 6ubftan3 olä (Subftan^ gut fei. 3"^^"^ ^^ fobann bie
tenebrarum. Illam vero bonam ex adventitia Dei parte, quae cum tenebrarum
gente conflixerit atque utramque miscuerit.
^ De civit. Dei X, 29: Corpus animae inhaerere, ut homo totus et plenus
sit, natura nostra ipsa teste cognoscimus. Ibid. XIII, 24: Homo non est
corpus solum vel anima sola, sed qui ex anima constat et corpore.
^ De anim. et ej. orig. IV, 2: Natura certe tota hominis est spiritus,
anima et corpus.
126 Strittet ^tll
3tt)if($en homo exterior unb interior ^nm anderen ?0^enfd;en nid^t blo^
ben £eib, fonbern and) "oa^ ganje pfrid^ifd^e Seben, rate e§ ber ^IRenfd^
mit bem ^l^iere gemein l^at K ©old^en Stellen raoUten ©untrer unb
feine ©d^ule entnehmen, ba[3 5luguftinu§ ^ratjd^en ber bic^otomifd^en nnb
tn($otomij(^en ^Tnjld^t fc^raanfe unb ntd^t feiten Suft geige, im ^O^enfd^en
lid§, ha^ Seele unb @eift im ^enfd^en fubftantiell (Sing feien unb Mht
^^lamen in ber Sprad^e ber l^eiligen Sd^rift für einanber gefetzt raerben ^.
talem Sein, fo baß i§m fd^on im Slllgemeinen jebe Subftang, bie nid^t
Sd^rift unb nad^ ber Söorlbebeutung üon spirare, liauc^en, rcel^en, ^abe
1 De trinit. XII, 1.
est Et inclinato capite tradidit spiritum, ubi et anima necesse est intelligatur,
:
aut corpus est. Spiritus incommutabilis Dens est: spiritus mutabilis facta
natura est, sed corpore melior. Epist. 49 ad Deogr. quaest. 3: Cum omnis
creatura partim corporalis sit, partim vero incorporalis, quam etiam spiritalem
vocamus manifestum est id
,
,
,
quod a nobis pie et religiöse fit a voluntate ,
9^erf)t aud) für bie menfd)üc§e (Seele gebrandet werben 2. 'De^l^alb !ann
fid^ aber üon ber jll^ierfeete raefentlid^ baburd^, ta^ biefe spiritus ift,
ol^ne mens ^u fein, roäl^renb [ie aB spiritus jugleid^ mens imb baburd^
©eift im engeren 6inne be§ 2ßorte§ tft. tiefer rcefentlid^e Unterfd^ieb
^ratfd^en ber 5l;^ier= unb ber DJ^enfd^enfeete foll burd^ bte Unterfd^eibung
quae infima quadam vita continentur ; videre autem atque audire et olfactu
et gustu et tactu corporalia sentire posse bestias et acrius plerasque quam
vos, cernimus et fatemur. Adde vires et valentiam firmitatemque membrorum
et celeritates facillimosque corporis motus, quibus omnibus quasdam earum
superamus, quibusdam aequamur, a nonnullis etiam vincimur. Genus tarnen
ipsum rerum est nobis certe commune cum beluis; jam vero appetere volup-
tates corporis et vitare molestias, ferinae vitae omnis actio est. De Genes,
ad lit. Vn, 16 Non mihi ergo videtur dictum
: Factus est homo in animam :
vivam nisi quia sentire coepit in corpore quod est animatae viventisque
,
;
inesset etiam ille motus, nee crescerent nostra corpora nee ungues capillos-
que producerent. Sed si hoc solum esset in nobis sine sensu motuque illo
spontaneo, non diceretur homo factus in animam vivam. ^
^ De trinit. XIV, 16 Quod autem ait spiritus mentis vestrae non ibi
: : ,
duas res intelligi voluit, quasi aliud sit mens, aliud spiritus mentis, sed quia
omnis mens spiritus est, non autem omnis spiritus mens est. Quaest. 83
qu. 7: Anima aliquando ita dicitur ut cum mente intelligatur veluti cum
, ,
mentis semper est propria. De anim. et ej. orig. IV, 22 Cum enim constet, :
esse aliquid inanima quod proprie spiritus nominatur, quo excepto proprio
nominatur jam de rebus ipsis nulla contentio est; praesertim, quia
et anima,
illud etiam ego dico proprie vocari spiritum quod et tu dicis id est quo , ,
,
jug be§ ^Dlenfc^en üor ben 3:^ieren, mit benen er, ausgenommen bajj
fein 2dh ttod^ burd^ feine aufredete Stellung feine ^öl^ere 33eftimmnng
a(ö Organ unb SBerfjeug eine§ üernünftigen ©eifteS anbeutet, feine
fonftige 9^atur gemein §ot, unb feinetraegen rcirb nom ?0^enfd§en gefagt,
nad^ 2luguftiuu§ gerabe hie fubftantiede ©in^eit beiber einerfeitä unb bie
unb @eift jur äÖefenSeinl^eit uerbunben finb, in ber ?0^itte jroifc^en ber
fammte Kreatur, weil er bie vernünftige 3Ratur mit ben reinen ©eiftern,
W animalifdje 9^atur mit ben Silieren, bie t)egetatiüe mit ben ^ftanjen
unb enbtid^ V\e förperlid^en (Siemente mit allem Sebfofen tl^eilt, fo baß
eS feine ©attung beg ©efd^öpflid^en gibt, bie im ^enfd^en nidjt erfannt
raerben fönnte^.
§ 16.
©ie ©eelenoer mögen.
^a(i) bem ©efagten ^aben mir eine pars inferior unb eine pars
superior ber menfc^li d§en (Seele ju unterfd^eiben. ^em nieberen ^^eile
mal^rneljmung (sensus) unb 'Da^ 3Sermögen beg ^riebeS unb ber 33egierbe
(appetitus) bei. ^ie pars superior bagegen beflißt intelligentia, b. i.
4 De lib. arb. II, 6; de trinit. XIV, 16; de Genes, ad lit. XII, 7: Dici-
tur etiam spiritus anima sive pecoris sive hominis. Dicitur Spiritus et ipsa
mens rationalis, ubi est quidam tanquam oculus animae, ad quem pertinet
imago et agnitio Dei.
2 De civit. Dei IX, 13: Homo medium quiddam est inter pecora et
angelos, ut ,
quia pecus est animal irrationale atque mortale , angelus autem
anima rationale et immortale, medius homo esset inferior angelis, superior
pecoribus habens cum pecoribus mortalitatem rationem vero cum angelis,
, ,
a) Pas ^orffeititttgsttermogen.
(ungen in jtd^ l^at^. ß'ublid^ fcnnt 2luguftinu§ eine memoria sui, \)a^
raerben. ©§ ift bk^ \)a§ Sßerf ber aufmerfenben ©eete, raeld^e 33or;
ftellungen Bilbet, inbem fie il^re 5Iufmer!fam!eit auf geraiffe Objecte ]^in=
jum ©egenftanbe ^at, alfo burd^ bie 6inne oermittelt ift, bagegen eine
visio intellectualis, roenn fie auf ein intelligibleä, uberfinnlid^eä Object
gerid^tet ift^ Sßenn hk ©eete üon einer foId;en ^Sorftellung i^re
in fid^ tragt, ein finnenfdllige§ Object, unb au§ ber memoria, loelc^e
©ninb be§ erfteren, ber notitia sui, üennag bie 6ee(e auf fid^ felbft
aud^ ber ©eift ein 2öi[fen um ftd^ ober ein 33en)u6tfein feiner felbft au6)
bann, raenn er nid^t fid^ felbft fid^ üorftettig mad^t unb roirHid^ fid§
3cil^Ienrei^e ober n)enn man fid^ bie ©eftalt ber ganzen (5'rbe oorftetlig
rate bie 25orfte(Iungen im ^träume, ^ei ber ^ilbung berfelkn ift bie
oorftellenbe 6eele in ber 3ßeife t§ätig, ha^ fie ben ^n'^ali ber burd^ bie
©inne uermittelteu SSorftelTungen oeränbert, t)ergröf3ert ober oerfteinert,
ejus memoria continentur, nee est inde aliquid in conspectu mentis ejus, nisi
unde cogitet cetera quidem in arcana quadam notitia sunt recondita, quae
;
memoria nuncupatur.
* Ibid. XIV, 6 Tanta est cogitationis vis ut nee ipsa mens quodam-
: ,
modo se in conspectu suo ponat, nisi quando se cogitat; ac per hoc ita nihil
in conspectu mentis est, nisi unde cogitatur, ut nee ipsa mens, qua cogitatur
quidquid cogitatur, aliter possit esse in conspectu suo nisi se ipsam cogitando.
— Cum vero non se cogitat, non eit quidem in conspectu suo, ne de illa suus
formetur obtutus, sed tamen noverit se, tanquam ipsa sit memoria sui.
3 Music. VI, 11 : Aliter cogito patrem meum ,
quem saepe vidi , aliter
avum, quem nunquam vidi. Horum primum phantasia est, alterum phantasma.
Illud in memoria invenio, hoc in eo motu animi, qui ex iis ortus est, quos
habet memoria.
9*
132 dritter 3:i^cil.
^^iere 6 (ob ^^\ finnlid^e, nid^t auf rein geiftige Dbjecte. l^al^er ift
33orfteIIung erfolgt beim ?Dkn|dE)en rcie beim Siliere auf ben (Sinbrncf
ober, raie 5higuftinu§ fagt, auf bie visio corporalis folgt \>\e visio
nod^ bie visio intellectualis folgt, tooburi^ erft ein eigentliche^ (Srfennen
^ Epits. 72 ad Nebrid.
2 De Genes, ad lit. XII, 11: Nam cum aliquid oculis cernitur, continuo
fit imago ejus in spiritu, sed non dignoscitur facta, nisi cum ablatis oculis
ab eo, quod per oculos videbamus imaginem ejus in animo invenerimus. Et
,
si quidem Spiritus irrationalis est veluti pecoris hoc usque oculi nuntiant.
, ,
Si autem anima rationalis est, etiam intellectui nuntiatur, qui et spiritui prae-
sidet, ut si illud quod hauserunt oculi atque id spiritui ut ejus illic imago
,
,
fieret, nuntiaverunt, cujus rei Signum est, aut intelligatur continuo, quid signi-
ficet, aut quaeratur, quouiam nee intelligi nee requiri nisi officio mentis po-
test. — His atque hujusmodi rebus diligenter consideratis , satis apparet cor-
poralem visionem referri ad spiritalem eamque spiritalem referri ad intellec-
tualem. Ibid. XII, 24 Non potest itaque fieri visio corporalis nisi etiam
: ,
spiritalis simul fiat; sed non discernitur, nisi cum fuerit sensus ablatus a
corpore , ut id , quod per corpus videbatur , inveniatur in spiritu. At vero
spiritalis visio etiam sine corporali fieri potest, cum absentium corporum
similitudines in spiritu apparent et finguntur multae pro arbitrio vel praeter
arbitrium demonstrantur. Item spiritalis visio indiget intellectuali, ut dijudi-
cetur, intellectualis autem non indiget ac per hoc spiri-
ista spiritali inferiore
tali corporalis, intellectuali autem utraque subjecta est.
3 De lib. arb. II, 11: Ratio est mentis motio ea, quae discuntur, ,
§ 16. 5Die «Seele nüeimö gen. 133
gum ^'vlfennen unb Sßiffeii, ble ratiocinatio bagegen ift \)a^ bigcurfioe
Renten, fofern eg gletdjfani a(ä bte 33en)egitng ber ratio erfrfjeint. 'Der
^Serftanb fte^t, \vk fdjon oben bemer!t tüurbe, nid^t nur über bcu ein=
feinen äußeren ©innen, fonbern am^ über bem inneren ©inn (sensus
interior) nnb ift W ^raft, mittelft ber bte ©eele bie einzelnen Objecte,
W i^v üon ben (eiblid^en ©innen übermittelt luerben, üon \)tn ©innen,
jorote W ©inne felber üon einanber nnterf($eibet, ebenfo le^tere jngleid;
in i^rer ß'inl^eit im inneren ©inn erfaßt nnb nid^t minber biefen felbft,
ja in i^m unb mit i^m gugteid^ alleä anbere gnm ^n^alt i^reg 33eranf3t''
feinä mad^t, enblid) bie Ä^raft, mittelft ber bie ©eele aud^ fic§ felbft er=
fafet unb gur ©elbfterfenntnife gelangt. QSermöge bcffen ift ber ^erftanb
für bie ©eele ba^ §anpt, von bem aug fie firf; felbft be^errfd^t^. STudf;
auäeinanber; biej3 ^at aber feinen guten ©rnnb barin, baf3 beibe $öer=
distinguendi et connectendi potens. Ibid. II, 18: Ego quodam meo motu
interiore et occulto ea, quae discenda sunt, possum discernere et connectere,
et haec vis mea ratio vocatur,
1 De quant. anim.
c. 27: Sed reete ista fortasse ratiocinatio nominatur,
ut ratio quidam mentis aspectus ratiocinatio autem rationis inquisitio,
sit ,
id est aspectus illius per ea, quae aspicienda sunt, motio. Quare ista opus
est ad quaerenduni, illa ad videndum.
2 83 quaest. qu. 64.
^ De ord, II, 12: Namque illud, quod in nobis est rationale, id est,
quod ratione utitur, quia naturali quodam vinculo in eorum societate astringe-
batur, cum quibus illi erat ratio ipsa communis nee homini homo firmissime
,
sociari posset, nisi colloquerentur atque ita sibi mentes suas cogitationesque
quasi refunderent, videt esse imponenda rebus vocabula, id est significantes
quosdam sonos ,
,
quöniam
sentire animos suos non poterant
ut ad eos sibi ,
copulandos sensu quasi interprete uterentur. Sed audiri absentium verba non
poterant; ergo illa ratio peperit literas, notatis omnibus oris ac linguae sonis
atque discretis. De trinit. XV, 10: Haec atque hujusmodi signa corporalia
sive auribus sive oculis praesentibus, quibus loquimur, exhibemus. Inventae
sunt etiam literae, per quas possemus et cum absentibus colloqui, sed ista
Signa sunt vocum. cum ipsae voces in sermone nostro earum, quas cogitamus,
Signa sint rerura.
134 2)nttcr 2;§eU.
möcjcn, ratio unb intellectus , nur graei üerfdöiebene Selten beä p^ereu,
c^eiftigeu (£r!enntutBüerm5geug (ba§ rationale nostrum), bev men)'d)Iid)en
Sutettigenj barftellen, lüeB^alb er in ber Dlegel, um biefeä f)ö^ere 33er=
gefeiten l^aben, jener ^ö^ere, geiftige Sinn, burd^ ben hk Seele beä 3"=
teüigibeln, beä Sßa^ren, Sd)önen, ©nten u. f. ra. inne rairb unb baä,
mag raal^r, f($on unb gut ift, öon bem, raaä nid§t xüa^x , nid^t fd^on,
nid^t gut ift, unterfd^eibet 2. (Sr ift baä ^luge, mit bem bie Seele ba§
(S'raige unb Unraanbetbare f^aut^, mit bem fie (Sott felbft er!ennt alö
bag an fid^ 3[öa^re, an fid^ @ute* unb burd^ ba§ fie il;rer eigenen ®ott=
fie i^re §errfd^aft über bie unter i^r fte^enbe S^latur ausübt ^.
isto (sc. sensu interiore) longe praestantiorem, quo justa et injusta sentiraus,
bestiis agnoscimus; et tertium quiddam quasi animae nostrae caput aut ocu-
lum aut si quid congruentius de ratione atque intelligentia dici potest. —
Et ipsa (ratio) nullo adhibito corporis instrumento nee per tactum nee per
gustum nee per olfactum nee per aures nee per oculos nee per ullum sensum
se inferiorem, sed per se ipsam cernit aeternum aliquid et incommutabile.
De trinit. VIII, 2 Vide si potes Veritas est. Hoc enim scriptum
•*
: :
est: Quoniam Deus lux est, non quomodo isti oculi vident, sed quomodo
videt cor, cum audis: Veritas est. Ibid. VIII, 3: Bonum hoc et bonum illud.
Tolle hoc et illud et vide ipsum bonum, si potes, ita Deum videbis, non alio
bono bonum, sed bonum omnis boni.
^ 8: Nunc vero ad eam jam pervenimus disputationem ubi
Ibid. XIV, ,
principale mentis humanae quo novit Deum vel potest nosse, considerandum
,
3m sensus interior, ber ani^ ben Silieren eigen ift, n)ivb nidjt
nnr all bag ©enieinfame erfaJ3t, tt)a§ bnrd^ bie äußeren ©inne über=
entfpred^enb ber 5(rt be§ @ein§, alö 5trieb ber ©elbfterl^altung fc^on in
auf ade möglid^e 2lrt ju erfennen, ba^ fie fein raolTen, unb be^5<^lb ber
bie ©inne mangeln, fd^Iagen, um gefid^ert ben ®amen beg ^öipfelö tcn
Körper, rceld^en nid^t b(o§ bie ©mpfinbung, fonbern fogar aud) ade§
oegetatiüe geben fe^tt, ftreben bod^ berart in bie §öl^e ober finfen jur
5:iefe ober l^alten fid^ in ber ^itte, um ba, roo fie naturgemäß fein
mortem. Quae cum sit vitae contraria, necesse est, ut vita etiam se ipsam
sentiat, quae contrarium suum fugit.
2 De civit. Dei XI, 27.
136 dritter 2;^etl.
leiblidjcu ©iuiie augcnel^m (jevei^t raevben, nadj D^ul^e, ber ^ufolge jemanb
feine 33efd^raerbe beö ^eibeö ju erbulben Ijat, ober nac^ ben erften ©ütevu
feligf eit, raenn nid^t, fo erfolgt ©d^mer^. !^ie ©efü^te be§ ©enuffeä
unb ©c^merje^ fiub atfo hk ^Begleiter beg ^rieblebenä. SDer ©enufe ift
^d)mex^, ber ben TO^enfd^en antreibt, fid) üor einem Uebel ju beioa^ren.
©0 eutfte^t ber ^rieb, ®enu6 ju fudjen unb ber ^rieb, (Sd^merj gu
fliel^en. ©ieJ3 fiub bie Söur^eltriebe. 5luö i^nen entfpringen üiele au=
in fold^e, raeld^e birect auf @enu6 abfielen, unb in foldje, loetdje auf
3Sermeibung beä ©djtner^eg auggel^en. ^eibe jtlaffen ^ahen ben gemein>
fd^aftUdjen S^amen cupiditas ober libido. ^n^t^ ^aben cupiditas unb
libido aud^ einen engeren (Sinn unb be^eic^nen bann nur jene erfte
jtlaffe t)on ©trebungen, loeld^e birect auf Suft abfielen, unb bie all^
gemeine 33ejeic^nung für bie jiüeite klaffe ift ira^. ©iefe üerfdjiebenen
triebe aber treten, rcie gefagt, im ?0^enfd)cn nid^t bto^ a(§ ©trebungen
auf, fonbern jinb oon ben ©efüljlen beö ©enuffeg unb ^x^mer^es be;
gleitet, raoburd^ hit 6eete in befonberer Sßeife erregt ober afftcirt rcirb,
man 5lffecte (affectus) nennt ober nad^ bem gried^ifd^en udiUjc passiones,
rccil hk ©eele burd^ fie etmag erleibet, ober aud^, tüie (Cicero, pertur-
bationes, raeil fie, tüenn fie in l^eftigerem ©rabe auftreten, W (Seele
ntc^t üe^aupten^ ha^ Sliiöuftfiuig fetber graifd^en ^vieb imb ©efü^l ober
Slffect beftimmt unterfc^ieben l^abe, üiclmel^r nimmt er bcn 5Iu§brutf
beffen, ber SKide fei in aden Biegungen ber 6eele ober rietme^r biefe
alle feien ni^i§ 5Iubere§ al§ SSitte K 2Iug bem gleid§en ©runbe ge=
beln, tt)enn fie etroaS oerlangen ober baüor jnrücff(5euen." ^ ®a§ aber
ift ^ujugeben, bafe 2Iuguftinu§ bie ©efüfjte uub 5lffecte aB bie 3"ftöube
ernannte, in raeldje bie ©eele in ^^Ige i^rer 6trebuugen rerfet^t rcirb,
uub be^l^alb balb ben 33egriff motus, appetitus ad aliquid, batb ben
füge jlriebe uub 2lffecte. ©rftere ^at bie ©eele, fofern fie bem MU
jugenjanbt ift; e§ mujj aber l^ierbei bie 'IReiuuug auägefd^toffen bleiben,
alä ob hk fiuulid^eu Biegungen burd^ ben Seib eutftüuben; benn fie ents
fte!)eu bnrd^ ^k ©eete in uub mit bem 2dhe. "iRi^t ber Seib fann bf=
ge|ren ober ©d^merg füllten, fonbern bie ©eele im ßeibe. ©er Seib l^at
ja gar fein Seben aug uub in fid^, alfo aud^ fein ^riebtebeu, fonbern er
^at eä au§ unb burd^ hk ©eele. 2lu§erbem aber befi^t hk menfd^Iid^e
©eele auc^ rein gciftige 'triebe uub Slffecte, b. 1^. fold^e, rceldie nid^t au§
i^rer 3Serbinbuug mit bem Seibe ftammen, raenngleid^ aud[) fie ben 2dh
afficiren uub in ?0^itIeibeufd^aft jiel^eu fonnen. ?0^it allem ^adfjbrutf
ftammen an^ bem irbifd^en unb fterblid^en Seben, uub le^rt, bafe e§ rein
Ea, quae, ut ita dicam, vestigia sui motus animus figit in corpore, possunt
et manere et quandarti quasi habitum facere.
1 De civil. Dei XIV, 6: Voluntas est quippe in omnibus, immo omnes
nihil aliud quam voluntas sunt.
2 De trinit. XV, 20. 3 De civit. D. V, 9.
* Conf. IX, 14: Dico quattuor esse perturbationes animi, cupiditatem,
laetitiara, metum, tristitiam.
138 ©rittet Z'^til
geiftige 33egtevben nnt Slffecte gebe, bie buvd^auä nid^t au§ bcm ßeibe
ftammeu fönnen K ©r beruft fidj l^terfür auf baä 3^i^9^^i6 ^^^ ©elbft?
beroufetfemä unb fagt, bie 6eele raerbe nad^ il^rem eigeuen ©eftdubnife
miS)t bloß burd^ ben Selb fo afficirt, ha^ fie begel^re, fid^ füvd^te, fid^
freue ober fid^ ärgere, fonbern fie fönne aud^ t)on fid^ felber auä burd^
biefe 3fleguugen I;tn= unb ^ergetrieben raerbeu^. 5Dte geifttgen triebe
barin, bajj e§ nid^t, rcie 'oa^ analoge ^[Jermogen ber 2;i^ierfeele, im ^ricb=
leben befd^loffen ift, fonbern nod^ in einer pl^eren gorm auftritt, alö
freier 2Bille. ©iefe Isoliere gorm beg (Strebeng ift, rok gefagt,
ntd^t blo^ eine l^o^ere 21 rt be§ ^rieblebenä ober ba§ geiftige jlriebleben,
auä fid^ felbft beftimmt. SDaburd^ eben unterfd^eibet fie fi^ n)efent=
lid^ oon ben finnlid^en raie oon 'i^tn geiftigen 3:rieben; le^tere !önnen
jid^ nid^t felbftt^ätig auf ein Object l^inberaegen ,
fonbern il^re 33en)egun=
gen raerben mit innerer D^lotl^raenbigfeit bewirft burd^ bie 3^Jatur beä
Triebes unb ber Objecte, ber Sßiöe bagegen beftimmt unb berairft feine
33emegung felbft ober ift felber Urfad^e feiner ^Bewegung unb 3:]^dtig!eit.
fid^ ^. SDiefe greil^eit aber befielet barin, ha^ bie 33en)egung beg 2Bollenä
in ber felbfteigenen ^Jladjt bes ^enfd^en liegt, fo ha^ ber 2ßille bie be-
fo befdiaffen fei, bafe bie freien, fid^ felbft beftimmenben Urfac^en in il^m
i^re »Stelle finben. (5r nennt ba^er ben SßiUen beiuirfenbe llrfadje
necessarie, fonbern nnr volens velle nnb ba^ wir raoÖen, ba§ ha^,
raaä Xüix freiwillig t^nn, üon ung nur gefd^iel^t, weil rair es raotten, ift
im begriff beg 2öolIen§, ba§ ber ^üJ^enfdj, nnabpngig oon anderem nnb
innerem 3^^^^9^/ f^^ ^^^"^ \^^ f^^^f^ f^^wffiQ nmd^e, fo ift üon felbft
bie ?Qlöglid^feit gegeben, baj3 ber ^enfd^ fid^ aud^ gegentl^eilig entfd^ließe,
üom 3i^<^"9/ txQ^ibt fid^ alä pofitiüeä ^D^oment bie 2öa§lfrei^eit ^. SDiefeä
tige§ jDenfen, ol^ne benfenbe Ueberlegung, welche auf ben freien Sßilleng=
entfd^Iu^ vorbereitet, unb gerabe be^l^alb fann man bie ©trebungen ber
^§iere nid^t al§ SSolIen be^eid^nen, raeil i^nen W vernünftige Uebers
legung fel^It.
in feiner 3SolIfraft unb in il^m liegt fein ^or^ug cor ben S^aturraefen,
ba er raegen ber 3Serbinbung beg SßiHenä mit ber intelligent, mit 336-
TuuBtlciii unb grei^eit im ^ienfte ®otte§ fielet unb feine ^ervfc^aft über
bie ^ftatunwefeu ausübt, tüäfjvcnb bie[e ten götttid^en 5£^iUen ol^ne fclbft^
eigene^ 2Bif]en unb ol^ue felbftctgeneS Sföoden, lebiölic^ nad; bem ©etefe
ber i)lotljiüenbigfeit, bem fie uutevftellt ftnb, ooH^iel^en*.
bie ^ünbe gu erfldren. (^x ^atk aber aufiev ber 5Infid)t ber 5JJani($äer
:^ie]'en gegenüber, raeli^e ta^ posse velle auf @ott jnrüdfül^rten , bie
5(rt aber, roie n)ir iDolfen unb ben 5t!t be^ SßoUenö felbft fdfjlerfjtl^in
raodten, muf3te er ben 33egriff ber SßiHensfrei^eit auf ha^ richtige ^af3
bejdjranfen. Unb ba fo 2luguftinuä einerfeitg hk ^anid^cicr unb on=
bern mit bem unoertierbaren (^nt be§ aequilibrium gefdjaffen fei, mit
nun ^[uguftinug, ber 'iS^iUe frei unb W berairfenbe Urfad^e ber menfd^=
lid^en §anb(ungen ift, fo barf man fid^ benfetben bod^ nid^t fo benfen,
atö ob er für fid^ rein inbifferent fei gegen W Objecte feine§ 6treben§,
'löillen ^ur 33etf)dtigung antreiben unb anregen ober ^otiüe für bie
tioe gebadet, raäre eine rein jufdllige unb blinbe ^ll^dtigfeit. SS^ol^er foll
bod) nid^tä auf ber SSelt, ha§ o'^ne jureid^enben ©runb entftanben
liberum voluntatis arbitrium; tales enim servos suos meliores esse Deus judi-
cavit, si ei servirent liberaliter, quod nullo modo fieri posset, si non volim-
tate, sed necessitate servirent.
§ 16. 5Dte ©eelenocrmögen. 141
TDÖre *. 5(ber biefe ^ottue tüirfen lüc^t neceffittrenb auf bte 5Bi(Ieii§betp=
tigung ein, fonft raürben fic (elftere felbft aufgeben. S)a^er wixh j. ^.
ber Sßitte be§ ?Oknfd;en }e nad^ bev ^erfi^tebenl^eit ber ©inge, raeldje an=
geftrebt ober gemieben rcerben; gleid^fam in W\e ober jene 5Iffecte, ber
33eg{erbe ober ber gurd^t, ber greube ober ber ^Iraurigfeit , oeränbert
Sßille in ^flic^MXebereinftimmung mit bem, rcag rair nid^t raünfd^en. (So ift
ber SßiHe in allen 5Iffecten. 3lllein e§ fommt barauf au, rate ber SCßiHe
fo ha^ man oon einer voluntas plena et libera unb einer voluntas
non plena reben fann^. 2lber ebenfo unjmeifel^aft ift, ha^ bei feiner
unb j. 33. berjenige, ber bem 3^^^^9^ Wgt unb nid)t n)iberfte|t (ha
er bod^ raiberfte^en tonnte), jmar nid^t plena et libera voluntate, sed
tarnen nonnisi voluntate ^cmbelt. ^wax fd£)eint Sluguftinuä an einigen
©teilen oon einer D^otl^raenbigfeit ju reben, ber aud^ ber SßiHe untere
liege, raenn er fagt, bafe rair not^raenbig wollen unb notl^raenbig glüC
li^ fein follen*. Slttein bag SSoEen felbft liegt in ber S^tatur be§ ?[Jlen=
fd^en unb bag (Streben nac^ @lüdf)elig!eit in ber D^latur beä menfcl)lid^en
not^menbig ein (Bat ift, beffen 33efi^ gliidffelig mad^t. Slud^ ber SBiUe
ift (Strebehaft unb ge^t, wie alleg Streben beä ^enfc^en, auf ein @ut;
er ift nur bie ^öljere gorm ber (Strebefraft unb ftrebt basier aUerbingä
mit innerer D^ot^wenbigfeit nad^ ©lüdfjeligfeit; aber eben be^^alb ift
1 Op. imp. contr. Jul. 56, 60: Unde ergo oritur voluntas? Die, audia-
mus, discamus aut ostende aliquid alicubi ortum esse
; cum unde non esset. ,
* Enchirid. c. 105 ; Neque enim culpanda est voluntas : aut voluntas non
est aut libera dicenda non est, qua beati esse sie volumus, ut esse miseri non
solum nolimus, sed nequaquam prorsus velle possimus.
142 ©rittcr Z^dl
^e6t feine SSaljlfrei^eit nid^t auf. ©obann ift e§ inSbefonbere bie 3n=
teüigenj, roeld^e eine raid^tige «Stellung jum SSillen einnimmt, ba fie bie
eraigen ©efe^e be§ Sßa^ren unb ©uten in fid^ trägt. 6ie jeigt bem
5ßiIIen ba§ rca^rl^aft ©ute Unb fagt i^m, ha^ er biefem juftreben foU.
©ie fagt i^m t)or Willem, ba^ ha^ rca^rl^aft ©ute im ureigen unb ©ött^
(id^en rul^e, nid^t im ^rbifd^en itnb 3^^^^^^^^ i^^^ ^^6 ^^ begl^alB bie
motus coelestes (ieben unb befriebigen fott t)or ben motus terreni.
jl^ut W^ ber SSitfe, fo ift er ein burd^ bie 33ernunft geleiteter, vtx-
unuernünftig.
SSermöge feiner Sßal^lfrei^eit !ann fid^ ber ^enfd^ für ba§ 33olI'
bringen ober für bie Untertaffung beg ©uten, er fann fid^ für ba§
©Ute ober für ba§ 33öfe entfd^eiben ^ O^ne biefe greil^eit beä 'tS^a^U
nid^t, ha^ ber ^Zenfd^ roirflid^ 33öfe§ t^ue; benn \ia rcürbe ©Ott, im
2Biberfprud^ mit fid^ felbft, ba§ 33öfe felbft rcollen unb rcare felbft bie
betl^dtigung fid^ rü(f§aItgIo§ an ba§ ©ute Eingebe unb biefeä burd^ fort?
58egriff§beftimmung §og er il^nen bie golgerung, bafe alfo ©Ott n\S)t frei
fei unb bie ©etigen im §imme( nid^t frei feien, ba man bei il^nen feine
im Unterfd;ieb t)on ber bloßen Sßal^lfrei^eit , erft bie rca^re unb eigent=
lid^e grei^eit. golgt bagegen ber Sßiffe ben ^otioen be§ 33öfen, fo §at
er jroar bie Sßaljtfrei^eit, aber biefe greil^eit Derbient eigentlid^ ben ^a=
men greiljeit gar nid^t; benn raenn ber ^enfd^ bem folgt, loag er be=
l^errfd^en follte, fo ift W^ ©Haöerei *. ^Daritm ift ber @ute allein frei,
aud^ raenn er äit^erlid^ ein 6nat)e ift, ber 33öfe bagegen ein ©!lat)e,
rao er non biefem Steige fo fel^r befreit fein rairb, ha^ er nnraanbelbar
baran greube l^at, nid^t gu fünbigen, rao ber anf ba§ ^nk gerid^tete
SBille eknfo nnoerlierBar fein rairb, raie l^ienieben ber nad^ ©lüdffeligfeit
raerben fann, !ann negatio Beftimmt raerben al§ greif ein üon ber
ßiebe 311 ben üergänglic^en fingen, oon ber ©iinbe, oon ber ^errfd^aft
ber Ungeredf;tigfeit ^ pofitio aber alö \)k ©efnnbl^eit ber (Seele, b. 1^.
(Streben be§ SßiHeng, raorin \>a§ ©nte fo auSfd^lie^lid^ l^errfd^t, baf3 ^a^
©egentl^eit nid^t mel^r möglid^ ift, jene Sßillengftärfe, M raeldfjer fid^ \)a^
non posse peccare oevraanbelt unb bie fittlid^e greifteit ben (S§ara!ter
* De civit. Dei XIV, 11: Voluntatis arbitrium tunc est vere liberum,
cum vitiis peccatisque non servit. Epist. 89 ad Hilar. : Quomodo enim libera
est (voluntas), cui dominatur iniquitas? Enchirid. c. 105: Sic enim oportebat
prius hominem fieri, ut et bene velle posset et male; — postea vero sie erit,
ut male velle non possit, nee ideo libero carebit arbitrio. Multo quippe
liberius erit arbitrium, quod omnino non poterit servire peccato.
2 De civit. Dei IV, 3.
^ Op. imp. contr. Jul. VI, 19: Tunc felicius liberi erimus, quando non
poterimus servire peccato.
De Dei XXII, 30: Nee ideo liberum arbitrium non habebunt,
civit.
quia peccata eos delectare non poterunt. Magis quippe erit liberum, a de-
lectatione peccandi usque ad delectationem non peccandi indeclinabilem libera-
tum. Tract. 41 in evang. Joan. c. 10: Nondum tota, nondum pura, nondum
plena libertas, quia nondum aeternitas. Habemus enim ex parte infirmitatem,
ex parte accepimus libertatem.
^ De Vera relig. c. 48 Quem ergo delectat libertas, ab amore mutabilium
:
rerum liber esse appetat. De civit. Dei V, 18: Vera libertas, quae nos ab
iniquitatisdominatu liberos facit.
ß ad Hilar.: Haec enim voluntas libera tanto erit liberior,
Epist. 89
quanto sanior. De spir. et lit. c. 30: Per animae sanitatem libertas arbitrii,
per liberum arbitrium justitiae dilectio, per justitiae dilectionem legis opera-
tio. De perf. just. c. 4 Ipsa enim sanitas est vera libertas, quae non periisset,
:
üom Seilten felbft geinotite nnb erraorbene ift unb in ber hk ©eele \\d)
erft üottfommen glü(f (ic^ fü^lt ^ ©ie6 ift nad^ SluguftinuS bie ganje,
bie reine, bie üoUe greil^eit, fo mdt fie l^ienieben erreid^t rcerben !ann.
^ 91nn !ann aber ber ^D^enfd^, raie ben ^otiüen be§ @uten, jo and^
ben ^O^otinen be§ 33öfen folgen. 3e öfter er fid^ in biefer S^tid^tung be-
t^dtigt, befto mel^r erftar!t in il^m bie Hinneigung ^um 33öfen , rcobnrd^
W üolle grei^eit be§ Sßiöenä immer mel^r befd^ränft mxh unb jule^t
bie stelle ber grei^eit pm @uten tritt hk jlned^tfd^aft ber 6ünbe, unb
anftatt ber ©efunb^eit ber (Seele tritt eine 35erfd^limmerung , eine 3Ser=
berbnife ber ©eele ein, bie üon ben ^otinen beg 33ofen überraunben
eine oom Sßillen felbft geroollte unb erraorbene 9^ot^n)enbig!eit, nur eine
bie necessitas mali bie lü^ögtid^feit be§ ©Uten auf^ b. 1^. biefe l§ebt
feit ber ^enfdj immer fd^radc^er, ba§ ®ute auä fid^ felbft ju tl^un;
just. c. 4: Per arbitrii voluntatem factum, ut esset homo cum peccato, sed
]\d) fe(6ft über bie Uo^t Wög^Mjhit be§ @uten l^inau§ jur SßirHid^fett,
juv ^evtt)irni(^ung be§ ©uten jii gelangen, fonbern er folgt ben böfen
?0?otiüen, ber böfen ^egierlid^feit \ fo bafe er ba§ (®ute) nid^t t^iil,
ha^ er mU^, raeil er bie (raal^re, fltt(id)e) grei^ett Derloren l^at, ein
Äned^t ber ©ünbe ift^. ©a^er fagt 5Iugnftinn§, ber conatus ^um
©Uten fei jraar ha, aber er fei für fid^ allein nid^t§, er bringe e§ gu
feinem efFectus*, unb beruft fid^ auf ha^ 2öort be§ 5lpofteI§: ^ag
SSoffen liegt mir nal^e, aber \)a^ ^Vollbringen finbe td^ nid^t, b. ^. bag
5öolIen fd^ted^tl^in, bie ^öglid^feit jum ©uten befi^e id^ fd^on, aber bas
auf. '©enn raie follte er fie aufgeben molTen, ba er bod^ fagt: SDa^
S?öoKen liegt mir na^e. Siegt ha^ SBoHen ung nal^e, fo fielet e§ bod^
geroi^ in unferer ^ad^t; baß e§ aber nid^t in unferer ^ad§t fte^t, ba§
©Ute aud^ ju üollbringen, ift eine golge ber ©ünbe^.
Sluf biefen fd^arffinnigen 33eftimmungen über ha^ Sßefen be§ menfd^=
lid^en 2ßillen§t)ermögen§ baut fid§ hit 3tuguftinifc^e Se^re üon ber ©nabe
auf. SluguftinuS befämpft, n)ie bemerft raurbe, ebenfo ben pelagianifd^en
1 Retr. I. 13 : Et ille ,
qui concupiscente adversus spiritum carne non
ea, quae vult, facit, concupiscit quidem volens et in eo non facit, quod vult.
c. 4: Sub quibus (necessitatibus) positi vel non possumus, quod volumus, in-
et qui recte facere, cum posset, noluit, amittat posse, cum velit.
* Enarr. in Ps. 26: Voluntatem quidem liberam mihi dedisti, sed sine
te nihil est conatus meus.
^ Ad verbis videtur non recte intelligentibus velut
Simpl. 1 , 1 : His
auferre liberum arbitrium.Sed quomodo aufert, cum dicat velle mihi ad- :
jacet? Gerte enim ipsum velle in potestate est, quoniam adjacet nobis, sed
quod perficere bonum non est in potestate ad meritum pertinet originalis ,
peccati.
©torg, ^t. SluguftinuS. 10
146 2)rittcr ^^eil.
bifferen^ jratfd^en gut unb bo[e, fagt er, tft ha^ (S^araftertftifd^e be§
menfc^Iid^en 5IßiIIen§t)ermögen§ ,
fonbern ber Sitfe tft in feiner 33etp'
tigung bem ©infCuö ber ^O^otiüe unterworfen unb feine realere, nid^t blo6
formale, fonbern reale g^rei^eit ift bie fittlid^e grei^eit, bie barin befielet,
ha^ er für ha§ @ute geftimmt ift unb ben ^J^otioen beg @uten folgt,
aber bebarf eä ber göttlichen @nabe, bur($ rcelc^e ba§ fd^öpferifd^e ^rin^
cip be§ Sogoä auf ben ^nteUect unb auf ben SSiden be§ ^enf(^en ein;
Tüirft, um i^m eine ^^id^tung gum Sßa^ren unb ®uten ju geben, i^n für
\>a^ ©Ute ^u ftimmen unb, raenn er für ba§ @ute geftimmt ift, in ber
tung 3U erhalten. O^ne hk ®nabe, mit bem SSermögen ber bto^ for^
malen grei^eit gelangt ber ?0^enfd^ nid^t jum 3^^^ ^^^ etl^ifd^en greil^eit
unb etl^if(^en 33oIIenbung; aber aud§ nid^t burd^ bie ©nabe allein ol^ne
unb \)amit bie ?0^ögIid^!eit beg 33ö|en befte^en; aber bie ©nabe beiüirft
burd^ il^ren (Sinftn^ auf ben SOBitlen, bajj er ha§ ©ute raiti, roenngleid^
ber WiUt felbft bie beralrfenbe Urf ad^e feiner §anb(ungen hkiht
D^od^ t)iel roeniger üermag ber gefallene unb jum 33ö|en geneigte
^3}lenfd^ mit feinem ^Sermögen ber formalen grei^eit beg 2Billenä allein
languor naturae, eine 33linb^eit be^ ©eifte^, eine (Sc^radc^e be§ Söilleng,
mddje burd^ bie ©nabe gel^oben raerben mu^. ®ie ©nabe ift eg, wetdEie
bie 5latur be§ gefallenen ^Olenfd^en raieber ge[unb mad^t (sanat), reinigt,
ben böfen unb üerf ehrten ^öiUen umftimmt, auä einem bofen in einen
guten oermanbelt unb, raenn er ein guter geroorben ift, im SöoUen unb
Jßollbringen bcä ©uten unterftüt^t o^ne babei bie Sßa^lfrei^eit be§ ^cn=
fd^en auf^ul^eben. ©al^er bebarf ber gefallene 2}tenfd^ fd^led^t^in ber
göttlid^en ©nabe. 5l6er beß^alb ift bie ©nabe bod^ nid^t not^rcenbig,
5lnftoJ3 unb W ^raft, um uon ber bloßen ^^öglid^feit , über 't)k er aug
\iä) felbft nid^t Ijinanäfommt, j^ur SBirflid^feit gu gelangen; fie befreit
i^n üon ber ^^ned^tfdCjaft ber 6ünbe, ücrljilft iljm jur raal^ren, fittlid^eu
§ 17. ©ic Unfterblld^feit ber ©eete. 147
^rei^eit, bewegt ifju, ha^ ©ute ju rcodeii, unb imtevftül^t i^n in 33o(I=
@nabe tt)ol;t alä gratia efficax, aber nid)t a(§ cauca efficiens ber
r)ernid;ten ^.
§ 17.
SDie Unfterblid^feit ber (Seele.
an. ^ie 3lrgumente aber, bie er ^kx für W Unfterblid^feit ber ©ecle
anführt, üerrat^en fel^r ben bamalg nod^ ma^gebenben ©inffufe ber pla-
3n ben 8oliIoquien ^ ift, raie 33inbemann fagt, ber ©ang ber Unter=
^ Contr. Pelag. 1,25: Non solum enim Deus posse nostrum donavit
atque adjuvat, sed etiam velle et operari operatur in nobis. Non quia nos
non volumus aut nos non agimus, sed quia sine ipsius adjutorio nee volumus
aliquid boni nee agimus. De peccat. mer. et remiss. II, 18 : Ipsa etiam ratio,
qui de rebus a talibus, quales sumus
iis , iniri potest, quemlibet nostrum
quaerentem vehementer angustat, nee sie defendamus gratiara, ut liberum
arbitrium auferre videamur. De grat. et lib. arb. c. 20: Satis me disputasse
arbitror adversus eos, qui gratiam Dei vehementer oppugnant, qua voluntas
huraana non tollitur, sed ex mala mutatur in bonam et, cum bona fuerit,
adjuvatur.
2 De spirit. etLiberum ergo arbitrium evacuamus per gra-
lit. c. 30:
tiam? Absit, sed magis liberum arbitrium statuimus. Neque enim lex —
impletur nisi libero arbitrio. —
Per gratiam sanatio animae a vitio peccati,
per animae sanitatem libertas per liberum arbitrium justitiae dilectio,
arbitrii,
per justitiae dilectionem legis operatio. Ac per hoc liberum arbitrium non
evacuatur per gratiam, sed statuitur, quia gratia sanat voluntatem, qua justitia
libere diligatur.
3 Soliloq. II, 1 if.
10*
148 t)x{tttx sri^eil.
fud^ung folgenber. S^ex\t tft gu geigen, ha^ bie Sßal^rl^eit ntd^t unter^
rcäre bod^ baä raal^r, ^ia'^ fte nntergel^e. 9ad^t§ aber fann auf anbere
Sßeife raal^r fein alg burd§ bie 5öal)r{)eit unb raeil bie äBa^rl^eit in il^m
ift. 5lIfo ift bie SBal^r^eit jebenfallg unoergdnglid). (Sie fjat ferner
fann aud^ nic^t etraa bel^aupten, bafe bie Sßiffenfd^aft nur auf äu^erlid^e
2Beife im menfc^Iid^en ©eifte fei, bag fie raie ein Sic^t, bag fid^ weiter
fönnte. ©enn jebe 2öiffenf(f)aft, rcelrfje ber (Singeine inne l^at, erfd^eint
mit feinem ©eifte ooUig cermad^fen, fo ba^ fte roie ber gerrinnenbe ober
gelten, alfo aud^ ber ©eift nid^t, in raeld^em fie ein untrennbare^ (Sein
gewonnen l^at.
ab? ^\i nid^t g. SB. ieber l^eroorfproffenbe ^aum ein wahrer 33aum
unb unterliegt er nid^t gleic^mol^l bem ©efe^ ber ißerganglid^feit? ^Utan
baäfelbe gu fein ftrebt. Unb bieB ift eben ha^ G^arafteriftifd^e ber
gangen Dlatur: ben i)^aturforpern eignet ein §inftreben gur reinen gorm
ber ^al)r^eit, bie fid^ g. 33. tu ben giguren ber ^atl^emati! barftellt,
aber im oollen (Sinne raa^r fönnen fie nid^t genannt roerben; um gang
v)a^x gu fein, müßten fie aufboren, Körper gu fein unb gang, in baä
lid^ fei, weil in i^rem oergdnglid^en 2öefen nid^t bas ©eprdge ber 2Ba]^r=
^eit, fonbern nur ha^ ©eprdge eines unoollfommenen 33ilbeä ber Söal^r-
]^eit ift. Sßeiterl^in aber ift H^ bebenflid^, bafe oerl^dltnijimdBig wenige
^^enfcf;en im 33efil^ ber Sßiffenfd^aft finb unb aud; biefen ber 23eftt
§ 17. ®{c UuftcrbUd)felt bcr ©ccle. 149
tractationen) taMk er, raie voiv bereitg rciffen, biefe ^uffaffnng nnb er=
Härte fid^ bal^in, ha^ ami) 5^id^tgebilbete \>k ©ebanfen ber Sßiffenfc^aft
nad^benfen !önnen, raeil il^rem ©eifte ba§ Sii^t ber emigen 35ernnnft
mögen.
^n ber 6d^rift de immortalitate animae fnd^t 5higuftinn§ ba?
Z^ema ber ©olitoqnien ftarer nnb grünblid^er ju entiüirfeln nnb bit
^od^ genügte i^m fpäter biefe €d^rift nid^t raegen ber unüaren (5d^luf^=
folgernngen nnb bet ©nnM^eit im 5Xn§brncfe nnb er beftagte e§, baf3 bie=
ber anima rationalis, ba§ rationale nostrum) ber ©eift felbft ober fie
ift im ©eifte. ,3ebenfall§ ift nnfere 33ernunft beffer alä unfer Körper;
biefer aber ift eine (Snbftan^ nnb barnm beffer al^ nid^tä. ^ie 35er=
nunft ift bal^er nid^t nid^t§. 2Ba§ immer Harmonie beg ^örperg ift,
änberlid^ ift 5I(Ie§, waä nid^t immer auf biefelbe Söeife ift; W xnkUu
gibein Sßal^rl^eiten aber, roie g. 33. bie B^^^^^^ "^^ ^W ^-ßerbinbung,
oer^atten fidE) immer auf biefelbe Steife: il^re 5ßernunft ift bal^er unüer=
wenn fid^ feine ©runblage änbert, elwag, \)a^ mit i^r un^ertrennlid^ ju=
jei, tft noc^ ju erhärten. Senn offenbar muB ber ©eift, fo lange er
oon ber 35ermmft ntd^t getrennt rairb unb i^r anpngt, fortbauern unb
leben. 5lber burd) raeli^e ^at^t foUte fie oon i^m getrennt loerben?
®urc^ eine förperlic^e nid)t, ba biefe fd^iüdd^er ift alä ber ©eift. Sllfo
bnrdj eine geiftige? ^aoon ift fein ©runb einjufel^en, ba ber mächtigere
©eift nid^t bann erft felber bie 33ernunft befi^t, raenn er fie bem fc^rod=
ift unb fid^ jebem ©eifte mittl)eilt. ^ajj aber biefer felbft eigenwillig
fid^ oon il)r abtrenne, ift ebenfalls nid^t möglid^, ba nur Ui rdnmlid^en,
nid^t aber bei geiftigen 'Dingen Trennung ftattfinben tann.
^nc^ barang, \)a^ ber @eift feinen jlörper bercegt, folgt nod^ gar
nidjt, \)a^ er oerdnberlii^ unb fterblid^ fei. ©er 2tih rairb allerbing^
in ber ^nt beioegt; es gibt aber aud^ etraas, ba§ in ber ^tit bewegt
unb barnm bod^ nidjt oerdnbert wirb, unb W^ ift gerabe ber ©eift, ber
hk (5inl)eit bes ©cbanfens, ben er burdj ben 2dh nur fucceffio, alfo
bewirft bod; nid^t jebe ^erdnberung ben Untergang unb nid^t jebe ^e=
wcgnng eine $Berdnbcrnng. 5llfo brandet man nic^t bef^ljolb an ber Un^
fterblidjfeit ber ©eele irre ^u werben , weil fie bewegenbeg ^^^rincip eineg
baf3 bem ©eifte, weil ein Unwanbelbareg mit feinem ßeben unzertrennlich
üerbunben ift, aud^ Unoergdnglidjfeit jufommen muffe, ^un gibt tß
ba§ im ©eifte wol^l eine 3^it^^"9 i^^ ^iß ^Bergeffen^eit zurücftreten , nie=
mala aber gdn^lic^ oon i^m oerloren werben fann. SSenn man inbeffen
\>a^ befs^alb nodf) nid^t Vit Unfterblii^feit beä ©eifteä ju oerneinen fei,
fo mu6 man bie geiftigen 25erdnbernngen noc§ genauer in'§ 2luge faffen.
?hin gibt e§, wie bie ß-rfa^rung le^rt, jwci jllaffen oon 5Serdnberungen,
accibenteCfe unb effentielle, wie 5. 33. bag 25>ad^§ nid^t burc^ 33erdnberung
befonbern fie fid^ nad; il^rem Urfprung in fold^e, weld;e oom Körper
§ 17. ®ic UnftciBUd^feit bcv @cele. 151
uub in foldje, raeldje, raie 3. ^. bie 5Iffecte, nid^t burc^ beit Körper an=
geregt, im ©eifte felbft i^ren Urfpruiig l^aben. S3eibe 5ifrten ber 5ßer=
änberung finb aber blojj accibenteHer 2(rt, oermögen alfo ba§ 2ße[en
ber «Seele nid^t ju üeränbern luib ju ^erfel^en.
fpäterer ^eit raurbe er, raie aug ben Otetractationen p erfel^en ift, von
ber Unl^altbarfeit biefer STnfid^t überzeugt; bod^ befd^äftigte er fid^ au($
nid^t allein auf räumlid^e 35erl^ältniffe ftd^ erftredfe. ©r mad^t fid^ näm=
lid^ bie 33emer!ung, ha% bod^ M einbringenber unb ^unel;menber ^^or=
l)eit ^a^ ©ein be§ (Seiftet fid^ oerringere unb bem Untergang guneige.
3nb*j3, raürbe bie 2lbna^me be§ geiftigen @einä jemaB big jum üöHigen
Untergang ober nid^t oielmel^r in§ Unenblid^e fortfd^reiten ? gür le^tereä
fprid^t bie ^J3etrad)tung ber förperlid^en D^atnr. ^enn wirb \)a^ ©ein
be§ jlörperg nad^ ber Waterie gefd^ät^t, fo fteigt eg in bem ^^J^af^e, alä
\)k Wakxk be§ ^örper§ ftd) oergröfeert, unb nimmt in bem ^Jiafee ab,
alä fie verringert mirb. 3lber aud^ hit ^Dlaterie be§ Heinften ^örperä
3Sa§ aber für ben Körper ntd^t ju fürd^ten ift, hk 3Sernid§tung , ift
gemi^ für hk l^öl^ere D^atur beg ©eifteg nod^ weniger ju fürd^ten. ©agt
man aber, ha^ Sßefen beg ^örperg liege mel^r in feiner ©eftalt unb
gorm, al§ in bem 35olumen feiner Materie unb jene fönne allmä^lid)
Ijinmeggenommen njerben unb ebenfo fönnte eg aud^ mit bem ©eifte ber
gall fein, fo !ann man golgenbeä erraibern. ^'eine ©ad^e !ann fid^
felbft mad^en, raeil fie bann früher fein mü^te, aB fie ift 2, fonbern fie
fann nur oon einem anberen unb mäd^tigeren 3Befen bemirft fein. 'Da^er
!ann aud^ ta^ förperlid^e Unioerfum nidfjt üon einem Körper, fonbern
nur üon einer unforperlidjen jlraft genmdjt fein, rceld^e burd^ i^re be^
macf;te jie erft baSfelbe unb r)er(ieJ3 eä bann, n)etl eine unförpertid^e ^ub=
ftanj fid^ nicf;t räumlid^ trennen fann; ftet^ Befd^üt^t fie oielmel^r \>a^^
ben!en, ba^ ber ©eift ntd^t, raie ber belebte Jlörper, eine belebte,
fonbern eine lebenbtge ^ubftan^ ift, ba^ alfo im begriff be^ ©eifteä
fclbft bereite ha^ ßeben liegt, fo baB burd^ ben ^ob ba§ Sein be§
(l)eifteä felbft aufE)ören müßte, ^a, roenn ba§ !Oeben beg @eifte§ im
jTobe jurücfraid^e, fo rcdre ber @eift nid^t ba§ 35er(affene, fonbern ba§
(i'ntiDeidjenbc (ut jam non sit animus, quidquid a vita deseritur,
sed ea ipsa vita, quae deserit). ^er ©eift fann atfo ni^t fterben.
©er ©eift ift, roie rair fd^on früher gefeiten, nid^t bloB Stimmung
(temperatio) be§ ^örper§. ©enn bann rcdre er ja gan^ an bk fÖrper=
(idje iöelt gebunben unb fönntc oon berfelben nid)t unab^dngig fein;
reiner ertennen, je weiter er fid^ üon ber 8p^dre be§ ^orperlid^en cnt^
fernt. (5r ift alfo eine eigene Subftan^ unb jraar ba§ Seben im Körper,
©a nun feine Sai^e fid^ felbft oerldßt unb nur ba§ ftirbt, rca§ oom
^eben üertaffen rairb, fo fann ber ®eift nid^t fterben. 5{ud) baä, mag
beut ©eifte offenbar fd^abet, mie ber 3n'tfjum, fann il^n nid^t üernid^ten,
ba ber jenige, raefd^er irrt, bod^ immerhin fein mufe. Ober fonnte oiet=
im Staube, ba§ auö ber 2öa()r]^eit entqueUenbe Seben be§ ©eifte^ nöffig
p ^5;erftoren? 3}or allem bod) loo^l ber ©egenfat^ beä 2Öa^ren, baä
)ltd^tn)aljre; aber wie fann fid) biefeä anbers dufsern, al§ auf bem ©runb
be§ geiftigen JiJebens? ^ill man aber ben ©egenfat^ jur 35}al)rl)eit in=
§ 17. 5Dic Unfieiblid^Mt bcr @eele. 153
foferit beftimmen, aB bie SBal^r^eit ba§ \)M)\k ©ein tft, fo löät fid^ ber
©egenfa^ auf; bemi gegen baä ^öd^fte ©ein gibt e§ Mnen ©egenfal^
^ie 2Bar;rl^eit ober Sßeiä^eit Ijat §um (^egenfa^ bic ^l^or^eit, ha^ ah
fohlte ©ein bagegen ^cit 3um ©egenfat^ ba§ ^flic^tfein, b. 1^. nid^tä. ©ie
5ßeiö5ett nnn, W bei* ^D^enfc^ bnrd^ ^inraenbung jur Söa^vl^eit erreid)t,
aber bag ©ein, ha§ i^m ba§ ^^d^f^^ ^^^^^ mitgetl^eilt l^at, !ann er burdj
immer rairb ber ©eift fid^ üerleiblid^en raollen. ^enn aud^ bei bem
gröjiten §ang ,^um ^örperlid^en unterfd^eibet er fein Sßefen oom SS^efen
beä jlörperö unb raitt über ben Körper feine §errfd§aft ausüben. 3^ö^H1
aber fann üom .Körper nid^t auf ben ©eift auggeübt raerbcn, raeil ber
©eift mäd^tiger ift a(§ ber Körper. §iegegen fprid)t nid^t W (ärfc^einnng
be§ ©d^Iafeg. ^enn bie l^öd^fte ^*rmattung unb Dlul^e oermag ben ©eift
nid^t gu feffetn, fonbern e§ oerbleibt i^m, raie au§ ben träumen Ijeröor^
aber au§ bem ©eifte raeben fid§ lebenäoolle Umgebungen, bereu grifrfje
t)on ber 2Birflid^feit nid^t unterfd^eibbar ift. Unb verrinnen aud^ biefe
Silber beim ©rraad^en, fo bleibt bodt), voa^ in ben ^träumen ber 2öelt
beg ©eifteg angehört, eä bleiben hk ^SorfteHungen, raeld^e ber ©eift auö
bem Traume in ha^ ma^t ßeben l^erübernimmt , ebenfo unraanbelbar,
wk überhaupt bie geiftige Sßal^rl^eit unter ben toed^fetnben ©eftaltungen
ber fid^tbaren 5öelt. ©§ fü^^ren ferner aud^ feine 9^aturanaIogien ju
* Ibid. c. XII: Omnis enim essentia non ob aliud essentia, nisi quia est.
Esse autem non habet contrarium nisi non esse unde nihil est essentiae con- :
trarium. Nulle modo igitur res uUa esse potest contraria illi substantiae,
quae maxime ac primitus est. Ex qua si habet animus id ipsum, quod est,
— nulla res est, qua id amittat, quia nulla res ei rei est contraria, qua id
habet, et propterea esse non desinit. Sapientiam vero, quia conversionem
habet ad id, ex quo est, aversione illam potest amittere. Conversioni namque
aversio contraria est. Illud vero quod ex eo habet cui nulla res est con-
,
,
traria, non est, unde possit amittere. Non igitur potest interire.
154 dritter Jl^cU.
ber %nnafym, baJ3 bev jlörper fid^ bem ^o^even 2Befen affiiniUren fönnte.
SSol^t rairb bie ^arte glamme üon bem ftärferen Suftjug aufgejel^vt; aber
nid^t in äf;nlidjer Sßeife ber ©eift üon bem jlörper. (Sold^e SBal^r^
Hemmungen aitg bem ^ereid^e ber 9^atur laffen fid^ nid^t auf ha^ S5er=
IjdUnijj beä ^örperä ^um @eift übertragen, ^enn fie beraeifen nur
ttma, baf5, roenn jraei förperlid^e ©rö^en ^ufammenfommen, W fleinere,
obgleid^ nad^ i^rer Dualität eblere, in ber größeren "üJ^affe ber anberen
üerfdjiuugen rcerben !önne; aber ber ©eift ift feine räumliche ©rofee^.
©ajj enblid; anfij fein @eift ben anbern §ur 33erleib(i(fjung ^iringe,
fudjt 5luguftinu§ burd) Derjd^iebene ©rünbe gu erraeifen, befonberg babnrd^,
baB er fagt: raeber ein guter no(^ ein bö)er @eift raurbe ben anbern
Siüangsraeife Derförpern, fonbern ber gute iljn melmel^r geiftig förbern,
ber böfe aber i^n ju bem S>^td in feinem Sßefen erhalten, um i^m ju
gebieten ^.
^ebenä, nic^t aber beä :Ceben§ fetbft üerluftig gelje, raeil bie 9^atur ber
@eele, W unfterblidj gefd^affen fei, nid)t ol^ne ein raie immer befdjaffeneä
Vierter lOeif.
Dk fpeciilatiüe 2;ijeologte beö I)L linguftinuö.
§ 18.
(Stnteitiiug.
üeränberlid^ finbeft, fo gel^e a\x<^ über bid^ [clbft l^inauä. Sßenn bu aber
über bid^ felbft ^^iiauggebft , fo bebenfe, \)a^ bu über bie oernünftige
feiner ©peculation ^raei ©tufen unterfd^eiben. 5Iuf ber einen «Stufe fü^rt
er unä t)on ber Slufeenraelt in bie ^nnenraelt unb l^ier parallel oon ber
nieberften ©iciften^form ber 2öelt U^ jur l)öc!)ften, bem menfc^ltc^en (Seifte.
5luf ber jraeiten Stufe fteigt er t)on ber geiftigen S^ueurcelt ju @ott
auf. ^ie 5i;enben3 btefe§ @ebanfengange§ ift un^ befannt; fie ift barauf
gerid^tet, ben ^Ulenfd^en, ber burd^ 3Serfe^rung feine§ ©trebenö aud^ in
feinem ©rfennen con ber wahren D^lid^tung abgeirrt roar, auf jenen 5ru§=
fid^tgpunft SU fül^ren, auf bem er fid^ in feiner raa^ren Stellung erfaffen
!ann: unter fid) fielet er ba§ förperlid^e ©ein, mit bem er nad^ bem finn^
lid^en ^l^ett feineä S^efen§ oerraaubt ift; fid^ felbft erfennt er alä ©eift,
er eine unenblidje, ade ©eifter bel^errfd^enbe SSIla(3^t, oon raeld^er ber @eift
felbft, raie ba§ gan^e Unioerfum getragen lüirb^. ^on bem enblid^en
(5o fü^rt biefer @eban!eugaug iu feinem ^nbe bi§ ju bem fünfte, u)o
ber (^etft aug feiner eigenften unb iunerfteu S'rfal^rung bie unmittelbarfte
©eraiBl^cit fd;öpfenb, fid^ auf ber einen ^^ik in feiner (Superiorität über
bie ^inneninelt unb auf ber anberen in feiner ^Ibpngigfeit Don ©Ott
erfaßt unb wo i^m au§ feinem iunerfteu 23erauf3tfein bie gorberung, uom
'-ßeränberl{($en auf hk e§ bebingenbe uuüerdnberlid^e 2[Befen]^eit ju fdjüe^cU;
entgegentritt.
S 19.
^ie ©Ott egerfeu nt Ulfe.
2Iuguftiuu§ betrad^tet hk ©otte^ibee aB ben eigentlid)en ©d;uier=
punft unb bie ©runbraa^rljeit beä menfd)lidjen @eifteä, W felbft bei ben
gröf3teu ^^Ttl^ii^^^^^ ^^^ ©enfenä nid^t ganj oerfd^ioinbe , raeß^atb aud^
unter ben §eiben bie raa^re Dteligion nie oöUig ertofd^en, am lid^tooöften
gegenüber, ba^ alleg (Sein unb ßeben ber raanbelbareu ^inge in ©Ott,
bem Uuiü anbetbaren feinen Urfprung unb fein (Sub^iet ^aU. ^iefe
^
De doctr. Christ. II, 38: Quae tarnen omnia quisquis ita dilexerlt, ut
jactare se inter imperitos velit et non potius quaerere, unde sint vöra, quae
tantummodo vera esse persenserit, et unde quaedam non solum vera, sed
etiam incommutabilia, quae incommutabilia esse comprehenderit, ac sie a specie
corpürum usque ad humanam mentem perveniens, cum et ipsam mutabilem
invenerit, quod nunc docta nunc indocta, sit constituta tarnen inter incommu-
tabilem supra se veritatem et mutabilia infra se cetera, ad unius Del laudem
atque dilectionem cuncta convertere, a quo cuncta esse cognoscit, doctus
videri potest, sapiens autem nullo modo.
§ 19. Sic ©otteScrfenntni^. 157
roeil fie erfannten, ta^ ©Ott fein Körper fei itnb bal^er Beim ©ud^en
nad^ ©Ott über aU^^ ^örperlid^e ]^inau§gingen, raeil [ie ferner erfannten,
\)a^ alleä, rcag oerönberti^ ift, ber l^od^fte ©Ott nid^t fei, unb bal^er
beim ©u($en nad^ bem pd^ften ©Ott über jeglid^e ©eete unb übet alle
Quer ©rfenntni^ unb ha^ ©nb^iel a((e§ Xl^ung, rceil rair in i^m bag
^rincip ber 5Jlatur unb bie SSal^r^eit ber Sßiffenfd^aft unb \)k ©lüdf=
feligfeit be§ SebenS fiaben — fie jie^en rair ben übrigen t)or unb ges
[teilen, ta^ fie un§ nä^er finb^; rair jiel^en fie ben übrigen t)or in bem,
n)orin fie mit un§ übereinftimmen in 33etreff beg ©inen ©otte§, be§ Ur?
förperlid^, fonbern ani^ über alle ©eelen ^inauä unraanbelbar ift, unfer
Urgrunb, unfer 2i(i)t; mir jie^en fie oor, weit, lod^renb hk anberen
$l^iIofop-^en i^r Talent unb i^ren glei^ im bloßen ©ud^en barnad^,
Toeld^eS \)k Urfad^en ber ^inge unb roeld^eg bie Sßeife, ju erfennen unb
gu leben, fei, oerfd^raenbeten , biefe burd^ (Srfenntni^ ©otteg rcirftid^
f a nb e n , rao bie Urfad^e hc^ Sßeltallg ift unb ba^ ^\6)t, um bk 2ßa]§r=
erträumte, ^enn fie l^atten ^twa^ tu fic^, ba§ fie tiid^t erfaßten (i^re
geiftige ©eele), iiiib bilbeten \\d] nun bei fid^ etraaä ein, raa§ fie braufeen
erfaßt l^atten (ttwa§> ^örpevlicf)e§), tticnn gteid^ fie nidjt ein n)a^re§
(^tvoa^ erfaßten, fonbern fic^ nur in einer leeren ^Sorftetlung beweg-
tcu. ^a§ aber, raag üor bem S3(i(f einer folcfjen inneren ^orftellung
ift, i[t fd^on nid^t me^r J^örper, fonbern ein ©leic^bitb beg ^orperS,
unb ha^, DOn bem e§ erfaßt unb beurtljeitt rairb (bie ©eele), ift geraife
nod^ üorjüglid^er al§ ba§ ©leid^bitb, "s^a^ beurtl^eilt n)irb. ^ieß aber ift
ber ©eift beg ?0^enfd^en unb hk 5^atur feiner üernünftigen 6eele, bie
um fo rceniger ttrva§ ^orperli($e§ ift, rcenn fd^on jeneä 33ilb be§ ^or=
per§, ha^ in ber 6ee(e be§ ^^orftellenben angefd^aut rcirb, !ein Körper
ift. 6ie (bie ©eete) ift alfo raeber (5rbe, nod§ SSaffer, nod^ !Ouft, nod^
Reiter. 2öenn aber unfere (Seele hin Ä'orper ift, raie follte ®ott, ber
Urgrunb aller ©inge , ber ^d^öpfer unferer 6eele , ein .Körper fein ^.
gemad^t fein fann, fonbern nur oon einer ^o^eren, unförperlid^en ^raft,
raeil fein 2)ing fid^ felbft machen fann, ba eä ja bann frül^er
fein müBte, alä eg ift, fonbern nur oon einem anberen, ^ olleren unb
mäd^tigeren Sßefen gemad^t fein fann 2. 3Benn aber fd^ion t)om förper-
lid^en Uniuerfum gilt, \)a^ e§ nur üon einer p^eren, immateriellen ^raft
gemacht fein fann, fo muß man, um ben Urgrunb aller ®inge ju er=
fennen, nic^t nur über baä forperlid^e <Bein, fonbern aud^ über bie
fd^on hi^ menfi^lid^e ©eele aB ba§ §ö§erc unförperlid^ ift, \)i^ ^mma-
terialität nod) me^r @ott jugefd^rieben raerben muß; ja man rairb fid^
unter @ott, bem Urgrunb aller SDinge, ha^ fdE)led^t^in l^öd^fte, tefte
1 Ibid. VIII, 5; de Genes, ad lit. XI. 24: Nihil vicinius aut fortasse
nihil tarn consequens, quam quod anima corpus sit, etiam Deus
ut credito,
corpus esse credatur. Propter hoc enim corporalibus assuefacti et affecti
sensibus, nolunt animara credere aliud esse quam corpus, ne si corpus non
fueritj nihil sit. Ac per hoc tanto magis timent etiam de Deo credere ,
quod
corpus non sit, quanto magis timent Deum credere nihil esse.
2 De immort. anim. c. 8: At si, quod vere dicitur, factum est corpus,
aliquo faciente factum est, nee eo inferiore. Neque enim esset potens ad
dandum ei, quod faceret, quidquid illud est, quod est id, quod faciebat. Sed
ne pari quidem oportet enim facientem melius aliquid habere ad faciendum,
:
quam est id, quod facit. Universum igitur corpus ab aliqua vi et natura
potentiore atque meliore factum est.
§ 19. SDic @otte§crfenntnii3. 159
unb üoHfommenfte 2ße[en benfen mü[fen, raie benn aud^ alle, bie geiftig
^u erfennen vermögen, ein fold;e§ SSefen mit bem Dramen ©otteg be^eid^nen ^
Sßenn tx)ir baffer ba§ förperltd^e 6etn tn'g Sluge fa[fen, raerbeu tüir
fagen, ©Ott ift l^ö^er al§ hk\e^, er ift immateriell; raenn mir hk ©ein§=
ftnfe be§ auimalifd^en gebeng betrad^ten, mirb ung ©Ott erfd^einen aB
bag Seben jelbft, burd§ ben aöeg fiebenbige ift, menn mir auf bie t)er=
nünftige ^O^enfd^enfeele reflectiren, alg bie 3^ernnnft felbft, burd^ bie aKe
oernünftigen Sßefen epftiren, unb menn mir enblid^ über ben üernünftigen
teufen, fagt baljer 5luguftinu§, ergebt fid^ über \)k ©ein^ftufe be§ ani-
malifd^en Seben^, mie baä Seben über ba§ Seblofe ergaben ift. SDa nun
t)or berjenigen 3^atur, 'ok nur ©ein ^at, biejenige ben ^Sor^ug ^at, meldte
nid^t nur ©ein l^at, fonbern aud^ geben, unb vox biefer mieberum bie^
jenige, meldte jugleid^ ©ein, Seben unb Sntelligenj befi^t, mie bie oer?
jüglid^ereg, alg ber oernünftige ©eift. ©ibt eä nun üieHeid^t nod^ ctmag,
bem mir fogar üor ber menfd^lid^en intelligent ben 35orrang guerfennen
muffen? Sßenn mir etmag berart finben foHten, fönnten mir nod^
äögern, bagfelbe ©Ott ju nennen, aber nur tnfofern gÖgern, alä nad^ oHs
gemeiner Uebereinftimmung mit bem S^amen ©otteg etmaä begeid^net
mirb, bag nid^t nur unfere ^uteCligenj überragt, fonbern nä^er^in etmag,
über ha^ ^inaug e§ überl)aupt nid^tg ^öliereä gibt^.
3m ©egenfa^ §u ben ©enfualiften 5^ben mir ha§ gottlid^e SCöefen
3 De lib. arb. II, 6: Quid si aliquid invenire potuerim, quod non solum
esse non dubites, sed etiam ipsa nostra ratione praestantius, dubitabisne illud,
quidquid sit, Deum dicere? —
Non continuo si quid melius, quam id, quod
in mea natura optimum est, invenire potuero, Deum esse dixerim. Non enim
mihi placet Deum appellare, quo mea ratio est inferior, sed quo nullus est
superior.
160 28ierter Z'i)tx\.
(S'g foHen alfo in biefer ^infid^t ben ^(atonifern nid^t nur bte ©eiifua=
liften raeid^en, jonbevn aud^ bte ?Otamd^der, ttield^e fid^ jraar fd^ömten,
©Ott einen jlörper ju nennen, aber bod^ glaubten, unfere Seelen feien
bev ndmtid^en Statur, rcie ©ott. SOöorin aber liegt ber raefentlidfje Untere
fagt er, \ia^ ha^ SS>anbelbare nid^t ©Ott fein fonne, fei allen ©enfenben
urfprünglid^ eingepflanzt; eä fei eine fd^led^t^inige gorberung be§ t)er=
nünftigen ^enfenä, ba§ ©Ott unoerünberlid^ fei, bag ftet§ fid^ gleid^
alä bag nid^tg gebadet raerben !ann. S)enn raaä firf) ftet§ gleid^ bleibt
unb feinem Sßed^fel untern)orfen ift, ift beffer alä ba§, rcaä oerdnberlidt)
quod summe ac primitus esse rectissime dicitur. Hoc enim maxime esse dicen-
dum est, quod semper eodem modo sese habet, quod omnibus sui simile est,
quod nulla ex parte corrumpi ac mutari potest, quod non subjacet tempori,
quod aliter nunc se habere, quam habebat antea, non potest. Id enim est,
quod esse verissime dicitur. Subest enim huic verbo mauentis in se atque
incommutabiliter sese habentis naturae significatio.
§ 19. ®{c ®otte§cr!cnntm^. 161
ift*. SCßenn wir alfo erfennen foHten, \>a^ bagienige, Tt)a§ über nnfeve
fetbft, fo rcerben rair bie^ al§ @ott anerkennen, ^enn felbft gefegt, bajj
e§ nod^ etraaä ^öl^ereä al§ jeneg Unu) anbeibare gebe, fo raürbe eben
bie[e§ §öl^ere ©Ott fein, ha eben unter ©Ott ba^ fd^lec^t^in pd^fte 2ßefen
perftanben wirb 2.
©otte§ gegen bie @enfualiften unb ?[Raterialiften, unb er beraegt \\ä) auf
biefem Kampfgebiete leidet unb frei mit einer raal^rl^aft üernid^tenben
^iaMtif. ©r mac^t il^nen ben 3Sorn)urf, ha^ fie fid^ burd^ W fo große
unb fo augeufd^einlid^e 3Seränberlid^!eit ber <SeeIe nid^t eineä 33efferen
felben auf ©Ott übertrugen, \>a e§ bod^ ein großer ^^reoel fei, ber Statur
3ene Slnna^me, baß bie @eele forperlid^ fei, fo irrig fie ift, ift i§m du
nod^ ganj erträglid^er ^rrtl^um im 3Sergleid^ mit biefem, ha^ hk ©eele
gleid^en SSefenä mit ©Ott fei*, ©iefe Meinung, rceld^e hk 3Seranber=
* Conf. VII, 14: Sic enim nitebar cetera invenire, ut jam inveneram
melius esse incorruptibile quam corruptibile, et ideo te, quidquid esses, esse
incorruptibilem confitebar. Neque enim ulla anima unquam potuit poteritve
cogitare aliquid, quod sit te melius, qui summum et Optimum bonum es.
Cum autem verissime atque certissirae incorruptibile corruptibili praepo-
natur, poteram jam cogitatione aliquid contingere, quod melius esset Deo meo,
nisi tu esses incorruptibilis.
* De lib. arb. II, 6: Sed quaeso te, si non inveneris esse aliquid supra
nostram rationem, nisi quod aeternum atque incommutabile est, dubitabisne
hunc Deum dicere ? — Hunc plane fatebor Deum quo nihil superius esse
,
constiterit. — Bene habet; nam mihi satis erit ostendere esse aliquid hujus-
raodi, quod aut Deum esse, aut si aliquid supra est, eum ipsum
fateberis
Deum Quare sive supra aliquid, sive non sit, manifestum erit
esse concedes.
Deum esse, cum ego, quod promisi, esse supra rationem monstravero.
3 De civit. Dei VIII, 5.
lid^feit auf ®ott überträgt, ift eigentlid^ facrtlegifd^, eine fd^redlid^e 33Ia§=
^enfd^ lieber ©Ott p bem mad^t, rcaä er ift, alä ba^ er benennen
n)ürbe, er fei nid^t, raa§ @ott ift
2.
aber nid)t ber §all ift, erl^eUt jur ©üiben^^ baraug, baj3 fie balb ^um
6d^limmeren abfallen, balb ^um 23efferen fortfc^reiten , ha^ in il^r Balb
etiüaö, n)a§ üorl^er nid£)t \)a tüar, feinen Einfang nel^men, balb etma^,
raaS ba raar, aufhören fann; alfo ift fie nid^t glei^er ^atur mit ®ott
ober ein 5:l)eil oon ®ott^. §iegegen !ann man nid^t einroenben, ha^
ber (Seele biefe 5}eränberungen erft au§ il^rer 3Serbinbung mit bem Seibe
ift, ift unb bleibt e§ in allen Sagen unb 35er|dltniffen , unb fo fonnte
bie vSeele, raenn fie göttlid^er DIatur rcäre, im 2tiht burdö hm fieib in
feiner 2Beife eine 3Seränberung erletben. ^an fönnte ebenfo gut fagen:
ha^ Sletfd^ ift an unb für fid^ unüerraunbbar, aber e§ fonne burd^
irgenb einen Körper oerraunbet raerben. Slber raa§ an fic§ nid^t i)er=
änbert raerben fann, fann burd^ nidfitg oeränbert raerben, fonft fonnte
inbtöibualifivt, fo iräve offenbar jebe einzelne oeele ein Stl^eil üon ©Ott
unb qB 5ir)etl t)on @ott felber ®ott, fo gut al§ ein ^l^eil oon ®otb
ober «Silber rcieber ®olb ober ©ilber ift. 3f^ aber burd^ biefe 3"^^^^=
buatifirung W Seele felBer @ott, fo ift ©Ott, gegenüber biefer Selbft=
entäu^erung, in feinem gürfid^fein fetber nur ein ^l^eil oon @ott *. ©a
nun aber W Seele, "i^a^, n)a§ ein ^l^eil oon ©Ott fein fott, unlängbar
ber QSeränberung unb ber (Korruption oerfaHen, ha W Seele unläugbar
in Sünbe uub ©lenb ift, fo rcirb all ha^ in gotteSläfterlid^er Sßeife ouf
©Ott felber übertragen, fo ba^ oon il^m gefagt rcirb, er fei in bem, n)a§
bem Sßefen nad^ ein ^tl^eil oon il;m ift, oon fid^ felbft abgefallen, in
^iegegen läßt fid^ nid^t einraenben, W einzelne Seele fei nur ein
©lieb in ber göttli^en Selbftbarftellung unb fonad^ al§ ^^eil nid^t baö
©an^e, al§ 5:^eil oon ©Ott nid^t ©Ott felber. Sc lange behauptet n^irb,
bie Seele fei gleiten SBefenä mit ©Ott, treffen alle ^efd^ulbigungen,
rcel^e oon ber Seele gelten, aud§ ©ott. SDenn nimmer ift unoerfeljrt,
raag in einem feiner ^^eile corrumpirt ift*. Unb fo müJ3te man bie
* De mor. Manich. II, 11 : Nam si Deum ita esse vultis ut lucem, recu-
sare non potestis, Deum esse aliquam partem Dei.
2 Ibid. II, 11 : Et corruptibilem et commutabilem et violabilem et in-
digentiae obnoxium et imbecillitatem admittentem et a miseria non tutum
Deum, mira caecitate possessi suadetis et mira caecitate possessis etiam per-
suadetis. non enim corruptibilem tantum Deum dicitis,
Atque hoc parum est;
sed corruptum, nee commutabilem, sed commutatum, nee violabilem sed vio- ,
Sit, sed in quem ceciderit imbecillitas, nee qui miser esse possit, sed miserum.
' Contr. Fort. Manich. disp. I : De anima respondeo non esse Deum
aliud esse Deum, aliud animam, Deum esse inviolabilem , incorruptibilem et
impenetrabilem et incoinquinabilem et qui ex nulla parte corrumpi possit et
cui nulla ex parte noceri potest. Animam vero videmus et peccatricem esse
et in aerumna versari et veritatem quaerere et liberatore indigere. Contr.
Faust. Manich. XXII, 22 Dens omnino peccare non potest sicut negare se
: ,
Dei dicitur; nam et auri pars aurum, et argenti argentum et lapidis lapis.
Cur ergo pars Dei non erit Deus ? An articulata Dei forma est sicut hominis
11*
164 Vierter Z'^zW.
götttii^en 2Befenä gegen \x^ felbft fei ^ , ha'^ ferner ®ott , rcenn er bie
^enfd^en il^re (5ünben bü^en lä^t, feine eigene 9^Qtur büßen läßt, ober
unter rcetc^er ©Ott felber geftanben raäre, fid^ nur auf fie übertragen
l^ötte unb fie el^er Uebet erlitten al§ üerübt l^ätten. (Sv l^ätte fein Dfled^t,
fid^ jum Dftid^ter aufjuraerfen, üielmel^r müßte er fid^ felber alä fd^ulbig
änberlid^e menfd^lid^e (Seele nid^t @ott, fonbern geringer al§ ©Ott, burd;
il)re ©eiftigfeit nur ©Ott d^nlid^, ein (Sbenbilb ©otteg fei^ baß alfo
umgefe^rt ha§ göttlid^e Sßefen raol^l geiftig fei, a^nlid^ ber menfd^lid^en
(Seele, aber nid^t oerdnberlid^ raie biefc, fonbern baä fd^ledit^in unoer^
reliquorumque animantium ? Nam pars hominis non est homo. Deus igitur,
si quidem pars Dei est Deus, et stultitia corrumpitur et cadendo mutatus est
et amissione perfectionis violatus et opis indiget et debilis morbo et oppressus
miseria et Servitute turpatus Quodsi Dei pars Deus non est; nee incor-
est.
ruptus potest esse, in cujus parte corruptio est, nee incommutatus qui ex ,
aliqua parte mutatus est, nee inviolatus, qui non ex omni parte perfectus.
1 De civit. Dei IV, 13. 2 j)e Genes, contr. Manich. 11, 29.
5 De anim. et ej. orig. I, 4. * Contr. Faust. XXII, 22.
5 De trinit. VII, G : Sed quia non omnino aequalis fiebat illa iraago Dei,
tanquam non ab illo nata, sed ab eo creata: hujus rei significandae causa ita
imago est, ut ad imaginem sit, id est, non aequatur parilitate, sed quadam
similitudine accedit.
§ 19. ©ic @ottc§er!enntm6. 165
üä)tdt be§ Qöttlii^en 2ßefeu§. (5g fragt fid^ mm, n)arum benft man
ftd^ unter ®ott ganj allgemein ha^ benfbar Ijödjfte Söefen, \ia^ al§
foli^eä geiftig nnb nnüeränberlid; fein mujs? tüarnm ift biefer ®eban!e
a priori für jebe öernünftige 6eele gegeben? 5ßie wir auä ber ©r=
fenntnifele^re rotffen, !ann ©Ott au§ ber ^(nfeenmelt nur mittelbar, au§
bem geiftigen inneren beg ^enfd^en aber unmittelbar ernannt merben,
in fid^ trägt unb \)a^ SBefen ©otteä fid^ in ben 3bcen ber 33ernunft,
nad^ benen ber ©eift and; bie ^lu^enmelt beurtl^eilt, abfpiegelt. 2ßir
eine intetligible 3Befen^eit, unb aUeg, raaS er unabhängig üon ben änderen
binnen, in feinem ^i^neren erfennt, ift inteHigibel, alfo muf3 aud^ ©Ott, ben
ber ^Jenfd^ nid^t anber§ alg mit bem innern Sluge feine§ ©eifteä erfennt,
eine intetligible, immaterielle, geiftige SBefenl^eit fein, aber pl^er alg ber
ba^ ber 3"5^^f^^ ^^ ber 9Jiöglid§feit mal^rer ©rfenntnife felber bie Söal^rs
'i)dt DorauSfe^e, unb vok fid^ für il^n auä ber (5r!enntni6 ber 2Bal^rl^eit
jugleid^ aud^ ber begriff ber Söal^rl^eit unb an^ ber ©eroi^l^eit raal^rer
burd^ hk 5llleg raa^r ift. Sßal^r aber ift einerfeitg hk ber objectioen
alleg, rcag ift ober e):iftirt2; olfo gibt eg eine Sßal^rl^eit an fid^, burd^
bie alle malere (5r!enntni§ raal^r ift unb burd^ tk aCteS, mag ift ober
(So ift 3. 33. aud^ bie (Seele alg (Seele ober fofern fie ift, etmag Sßa^reg;
aber meil i^r SBefen nid^t bie jebem 3^^t^itm unjugänglid^e Sßa^r^eit
* De ver. rel. c. 39: Nee ullum verum nisi veritate verum est.
2 Soliloqu. II, 5 : Quidquid est, verum est.
166 33ierter X^dl
felbft i\t, weil fie üielmel^v oftmalg bem ^rrt^um üevfdllt, fo folgt, \)a^
fle, and) fofern fie voal)x ift, aB 6eienbeg, mir i[t burc^ bie ^al^rl^eit
2ßal;rl5eit, rcetd^e ber pd^fte @runb aller (Srfenntni^ unb ^ugleid^ ber
l)öc^fte ©runb alleg (Sein§ befel^alb ift, rceil burd^ fie alleg Söal^re roal^r
gibt al§ hk 5öa^r|eit, fo ift tk^ ©Ott; rcenn aber nid^t, fo ift hk
Sßal^rljeit felbft ©ott. ^n bem einen mt in bem anberen galle !anu
man roenigftenä ba§ nid^t Idugnen, ha^ ©ott ift ^.
ben 3^een be§ Sßal^ren, ©d^önen unb ©uten urt^eilt. 3Run ftel^t jebeg=
mal baSjenige, rcaä über 5lnbere§ urtl^eilt, l^öl^er alä ha^ ©eurtljeilte
nunft ift raanbelbar, balb hinbig, balb unfunbig, balb nac^ (Srfenntniß
ftrebenb, balb nid^t, balb rid;tig, balb unrid;tig urtl^eilenb, bie Sßal^r^eit
felbft aber, nad^ ber fie urt^eilt , muß unmanbelbar fein, weil fie alö
Si enim aliquid est excellentius, ille potius Deus est; si autem non est, jam
ipsa veritas Deus est. Sive ergo illud sit sive non sit, Deum tarnen esse
negare non poteris.
3De lib. arb. II. 6 Et ipsa ratio cum modo ad verum pervenire niti-
:
tur modo non nititur et aliquando pervenit aliquando non pervenit, mutabilis
esse profecto convincitur. Quae si nullo adhibito corporis instrumento, —
S 19. ©te @ottc§erfeniitniJ5. 167
Si^at evfennt aiid^ bie Vernunft etwa^ über \id), ha^ p^er, eiüig unb
unraanbelbar ift, unb biefe finb bie inteöigibeln 2öa^ii;etteii, nadj benen
fie urtr)ei(t.
foraol^t bie änderen alg ber innere, ba e§ ja fonft nid^t niöglid^ raäre,
ba^ ba§ Singe be§ einen ^enfdfien einen ©egenftanb fielet, raä^renb baä
Singe eine§ anberen i^n nid^t fielet. Slnd^ bie inbiüibnelle ©elBftänbigfeit
beg ©enfgeifteä fte^t nnjweifell^aft feft, ^thtx l^at für fiel; feine eigene
Slnberer nid^^t er!ennt, unb ha iebe§ma( nur ber ©'rfennenbe um hzn 5l!t
@inn, einem 3eben inbiöibuell eigen, fonbern biefeg !ann ^Sielen gemcinfam
fein. 3}iele feigen §ur gleid^en 3^^^ eine unb biefelbe (Sonne, ©iefe ®e=
meinfamfeit beä 2Ba]^rne]^munggob}ecteä für 3SieIe gilt mel^r ober lüeniger
für alle ©inne, aber bod^ in pl^erem Wa^ für h^n ©eftd^tg^ unb @e=
felben burd^ eine SSerdnberung fidfj ju eigen, fo baf^ burd^ jebe S?ßal^r-
nel^mnng biefer Slrt ein St^eil beä Dbjecteä jerftört lüirb. @g ift nun
flar, bafj bie bem ©efid^t unb ®epr entfpredfienben Objecte, mie ^ax^t
unb ©d^all, bie, mögen fie t)on nod^ fo ^Sielen rcal^rgenommen roerben,
erfennenben ©elfter ju il^rem Objecte fein rairb. 2ßa§ Bei bem ^öd^fteu
(eiblid^eu ©inne ber ^aU, ift, ift ba§ aimlogefte 5lbbilb beä 3Serp(t=
niffeg, ha^ bte üevfdjtebenen ©eifter ^um Object ber geiftigen ^a^x^
nel^mung ^^ben.
SiUr muffen fomit auf \)a^ üernünfttge ©rfennen reflectiren imb
fe^en, 06 fic^ ni^t etn)a§ üorfinbe, n)a§ aüe benfenben ©elfter gemein^
fam erfaffen, jeber burd^ feine ^Bernnnft, ol^ne ba(3 e§ in ben $riüat=
befil^ berer, benen eä üorfd^raeBt, umgefel^t n)irb. $)ag Object nun, baä
in fold^em ^Serl^dltnife jur 35ernunft ftel)t, finb bie intelligibeln
2öal^rl^ eilen, ^iefe SSal^r^eiten ftel^en über bem vernünftigen SDenfen
nid^t nur, raeit e§ nad; il^nen urtl^eilt unb ^ö^er aU ba^ Urtl^eilenbe
ba§ ift, rconad^ eg urt^eitt, fonbern auc^ n)eil fie unraan beibare
2Bal^r]^eiten finb, n3ä5renb ber ©en!geift üeranberlid^ ift, unb biefe uns
3u il)nen gel^ört üor 51llem, rcie fd^on frül^er bemerft n)urbe, bie
3bee ber 3ö'^^- ^^"^^ ^^^ 3^5^ erfd^eint al§ etraaä allen ücrnünftigen
bie ^anid^äer, ba^ fie bie Unraanbelbarfeit, it)eld^e fie in ben ^a^^n^
üerljdltniffen aner!ennen muffen, in ©Ott nid^t anerfennen raoEen, ba
bod^ ©Ott al§ bie pd^fte, eroige ^orm aller 2iBal^r^eit ber 3^'^'^^" 9^=
©d^rift nid^t o^nt ©nmb mit ber ^a^ in 3Serbinbung gebrad^t rcirb,
\>k ©runbfd^e ber 2Sei§^eit oor bem geiftigen 33litfe aller ^enfd^en.
^ie Sßeig^eit aber ift nid^tä 2lnbereg alä bie ^Sa^rl^eit, in roeld^er
baä l)öd^fte ©ut erfannt unb feftge^alten roirb 2. 2öenn aber bem fo
* Ibid. II, 8; de mor. Manich. II, 11: Ratio aliqua numerorum violari
et commutari nullo pacto potest, nee ulla creatiira qualibet violentia effecerit,
ut post unum qui sequitur numerus, non duplo ei concinat. Hoc commutari
nullo pacto potest, et Deus a vobis commutabilis dicitur.
2 De lib. arb. II, 9.
S 19. ^ic @ottc§er!enntnif?. 169
unb biefe ift bann nid^t mein, nid^t bein, nod^ fann irgenb ein 3i)^en[(j^
fie fein Befonbereö ©igentl^um nennen; fte ift öielmel^r gleid^fam ein Sid^t,
©(eid^raie hk garbe ober ber v5d§att nidf;t jur 9^atnr beg ©efid^tä? unb
ha^ geiftige 5(uge erfaffen, feineäroegä ^ur D^atur be§ ©in^elnen, fonbern
e§ ift ein unb baäfelk, raorauf nur oerfd^iebene 33(idfe gerid^tet finb^ bie
nid^t 3florm unfere§ Urt^eiB fein, fonbern voix loürben über fie urtl^eiten,
in einer Sßeife, wk wiv über baä ^örperlid^e, ba§ unter un§ ftel^t, ur=
t^eilen. 3ft bann oieöeid^t bie SSal^rl^eit unferem ©eifte gleid^? 3)ann
aber mü^te fie oeränberlid^ fein raie unfer ©eift. 5Der ©eift, ber bie
5öal^rl^eit balb me^r, batb minber erfaßt, muß fid^ feine 3SeränberIid[)feit
eingeftel^en, bie 2öal^r§eit aber bleibt, nimmt nid^t ju, menn mir fie mel^r,
unb nimmt nid^t ah, menn mir fie meniger erfaffen. '^a^ i^r be^
urtl^eilen mir felbft unfern eigenen @eift, mä^renb mir fie felbft nid^t
beurtl^eilen fönnen. SCöenn beßl^alb bie ^^al^rl^eit meber eine tiefere nod^
hk gleid^e (Stufe mie unfer ©eift einnimmt, fo muß fie l^ö^er fte^en unb
tl^n überragen, ^iiemanb urt^eilt über fie, 5^iemanb urt^eilt o^ne fie
red^t. ©arau§ ift !(ar, H^ fie über unferen ©cift, ber x)on i^r allein
ben S3efi^ ber ^öa^rl^eit empfangt unb ber nid^t über fie, fonbern bur$
fie über baB Uebrige urtl^eilt , erl^aben ift *. ©iefe über unferen ©eift
multa conspicimus, excellentiorem putas esse, quam mens nostra est, an aequa-
lem mentibus nostris an etiam inferiorem? Sed si esset inferior, non secun-
dum illam, sed de illa judicaremus, sicut judicamus de corporibus quia infra
sunt. — Si autem esset aequalis mentibus nostris haec veritas , mutabilis
170 SSicrtcr Z'^dl
erl^abeiie ^öal^rl^eit ift @ott, ha über fie l^innuä nid^tg ^^ö^eveä gebarf)t
roevbeu fann ^. ©leid^raie baljer üon benjenigen, bie im iCidjte ber ©onnc
tüanbctn, einige mit hdftigem imb ge[unbcm 5Iuge nidjtg lieber alä bie
Sonne fetbft anfd^auen, bie olleö Uebrige beleud^tet, |o vid^tet fic^ ond^
^löa^re mit ©eroifeljeit evfaJ3t ^at, jur SSa^r^eit felber empor, bnrd^
3Baf)re an 2Bonne ^at, ba§ leitet eg l^er an§ ber SSa^r^eit an fid).
^iefe Söa^rl^cit nnb ^ci^tit ift barnm jngleid^ nnfer pd^fteö (i^nt,
nid^t bto^ bie ^od)fte Dcorm nnfercg oernünftigen ^enfen§, fonbern ani^
H^ l^öd^fte ^\d nnfereg oernünftigcn 6trebenä. ©ie nmfafjen, fie be-
fugen, fie genieJ3en, gibt bie ^öc^fte nnb reinfte 33efriebigung nnb oerlei^t
jene ©(ücffeligfeit, nac§ ber Slde ftrcben. ^ie 23ereinignng mit il^r ift
befeligenber a(ä Siebeöluft; fie l^anrfjt nn§ an mit bem foftlid^ften ^nft,
fie nmtönt ben, ber ftd^ ftille in fie oerfenft, mit ben lieblirf)ften §ar=
monien; ha^ geiftige 5lnge, ha^ i^r 2i(!^t trinft, roirb erfüllt oon ber
reid^ften SiJonne^.
3n d^nlid^er 2öeife fteigen rair oon ben ©efefeen ber ^ernnnft, nad)
benen mir ha^ ©d^öne in ber 9Ratur ober ,$lunft benrt^eilen, jur ^r?
etiam ipsa esset. Mcntes enim nostrae aliquando eam minus, aliquando plus
vident et ex hoc fatentur se esse mutabiles. cum illa in se manens nee
proficiat, cum plus a nobis videtur nee deficiat, cum minus, sed integra
et incorrupta et conversos laetificet lumine et aversos puniat caecitate.
Quid quod etiam de ipsis mentibus nostris secundum illam judicamus, cum
de illa nullo modo judicare possumus? —
Quare si nee inferior nee aequalis
est, restat, ut sit superior atque excellentior.
1 Conf. XII, 25; de lib. arb. ü, 13: Promiseram autem, me tibi demon-
straturum esse aliquid, quod sit mente nostra atque ratione sublimius. Ecce
tibi est ipsa veritas : amplectere illam , si potes, et fruere illa et delectare in
domino.
2 Ibid. II, 13: Quid enim petis amplius, quam ut beatus sis? Et quid
beatius eo, qui fruitur inconcussa et incommutabili et excellentissima veri-
tate ? — Imo vero quoniam in veritate cognoscitur et tenetur summum bonum
eaque veritas sapientia est, cernamus in ea teneamusque summum bonum
eoque perfruamur. Quemadmodum — illi, qui in luce solis eligunt, quod
libenter aspiciant et eo aspectu laetificantur in quibus si qui forte fuerint
illustrat: sie fortis acies mentis et vegeta, cum multa vera et incommutabilia
certe ratione conapexerit, dirigit se in ipsam veritatem, qua cuncta monstran-
tur, eique inhaerens tanquam obliviscitur cetera et in illa simul omnibus fruitur.
§ 19. ©ic ©ottcScrfenntnlfe. 171
3fiatur SlUeä ftrebt, o^ue fie a« erreid^eu. §ierau§ fd)lie(3eu rair auf eiuc
eroige, pd^fte ^uuft fars), njeld^e mit ber ^öd^fteu 3Sa^r^eit ibeuttfd^
ift. 6ol^e ©efet^e beg (5i^önen fiub ber geiftige 33efife, ber foroo^l
^rnt^eil beg ^üuftlerg ift, aB aud^ Slnt^eil befjeu, ber, ol^ue felbft W
^unft gu übeu, i^re Sßerfe ju beurt^eileu üerftel^t. äßenu uun ba§
geiftige Men fid^ felbft 9lidf)t)d^uur uub ^a6 ber 33eurt^eilung rcäre,
erfal^ren, balb unerfahren unb jiüar bemi^t fid) \)k ^^erftanbigfeit bcä
Urt^eiB je nad^ bem ?[JlaBe, in roeld^em fie an ber itunft ^^eil^ nimmt.
©a§ ©efet^ aUeS 6d^önen bagegen ift unroanbelbar. 5l(fo ift !^inläng=
lid^ flar, baß biefeä ©efe^ über un§ fte^t. 5Xud^ ba§ ift nid)t ju bcr
fte^t, ©Ott fei. ©enn bie SS^eig^eit ift jene uniüanbelbare 1^a^xf)dt,
roetd^e mit D^e^t ha^ ©efet^ aller fünfte Reifet unb bie ^unft eineö all=
mä^tigen ^ünftlerä. SDie SCßabrl^eit ift bie ]^öd)fte ^^lorm, roeld^e fid^
felbft ©efet^; ift. (Sie ift bag l)öd)fte ßbenmafe, raonad^ 5llle§ ftrebt, rceil
fie fid^ felbft üollfommen gleid^ ift. 2Benn bal^er ^armonifd^e (Sinl^eit
ha§ ©epröge alle§ ©d^önen ift, fo ift bie SBal^r^eit jugleid^ bie l^öd;fte
über ben ©eift be§ ^ünft(er§, um ha^ eroige ?[Ra6 atter ^unft, aUeö
(Sd^önen gu erfaffen. ^ann roirb bir W SSei^l^eit an§ i^rem ^o\)\u
mutabilitatem pati possit erroris, satis apparet, supra mentem nostram esse
legem quae veritas dicitur. Ibid. c. 31 Nee jam illud ambigendum est,
,
:
haec est illa incommutabilis veritas, quae lex omnium artium recte dicitur et
ars omnipotentis artificis.
172 3Sicrter Z^dl
fonbern evfaffen in einer fidleren, wenn ^Uid) nod^ ^öc^ft fd^road^en @r=
!enntniJ5, bafe @ott ift unb baj3 er bie 2öal^r§eit unb Sffiei^l^eit unb
6d^ön]^eit an fid^ ift.
W sugleid^ bie tjöd^fte ©d^ön^eit unb ^a^ l^od^fte ®ut ift, f^tiefeen.
nur hk gefanimte STüBenraelt, fonbern audE) ber menfd[;tid^e ©eift, alfo bie
formen, meil fein ©ing fid^ geben fann, wa^ eö nid^t l^at, unb gerabe
bamit etraaä eine gorm befomme, wirb e§ geformt, rce^l^alb aud^ ein
jeglid^eä ^ing, baä eine gorm l^at, nirfjt mel^r ju empfangen l^at, mag
e§ fd^on l^at; roenn eä aber eine gorm nod^ nid^t ]§at, fo fann e§ nid^t
üon fid^ felbft empfangen, maä e§ nod^ nid^t l^at. ^]i fomit aüeä 33er=
anbertid^e burd^ eine gorm beftimmt unb ift forcol^I bie 3Bett beä SSfla^
terieKen mie bie beä ©eiftigen üeränberlid^ , fo folgt, ha^ foraol^t- bie
^elt be§ Materiellen n)ie bie beä ©eiftigen burd^ eine geraiffe ^Jorm unb
Drbnimg ber ©eftirne, ben ©lanj be§ ßid)te§, ben Sßed^fel üon ^ag
unb 5^ad^t unb überhaupt W ©tetigfeit, in raetd^er 5l(Ieg in feiner Mxt
feine eigene Statur wa'^xt, md)i jraecf^ nnb geban!enIo§ betrad^ten; in
ber 33etrad^tung biefer ^inge fotten rcir nid^t eitle unb oergänglid^e 23e=
friebigung unferer Söi^begier fud^enS fonbern fie finb unä bie ©tufen,
^ie ganje 3^atur trägt nämtid^ bei aller 33eftimmt]^eit i^rer gorm ben
(Stempel eineg oeränberlid^en , rcanbelbaren ©einö. (Sbenfo üerptt e§
fid^ mit unferem geiftigen ©ein. ©enn unfer ©eift mad^t gortfd^ritte in
nid^t l^atte, unb anbere ^ören raieber auf; er ge^t t)on einer ^anblung
ju einer anberen über, ben!t balb biefeä , balb jcneS ^. Sßenn bu aber
ftigen 5lnfd^auung fid^ feigen, nur faffen fannft, infofern e§ burdf) eine
beftimmte Jorm getragen rcirb, in ber 2ßeife, ba^ e^, biefe l^inraeg^
ben ^onfeffionen, §immel unb (Srbe finb ba; fie be!ennen laut, ha^ fie
gefd^affen finb; benn fie finb ber ^Seränberung unb bem 2Bed^fe( unters
roorfen. fiaut be!ennen fie aud^, \)a^ fie nid^t felbft fid^ gemad^t l^aben.
5)ie[eg ©eftänbnifj ber ^inge tft burc^ fid^ fclbft Har iinb gerai^. ®u
aljo, §err, l^aft fie gefc^affen; bu bift, b enn bie ©inge finb^
3m §inbl{rf auf ben relatiüen SeinSc^arafter , auf bte 25erdubevUd)feit
unb SSaubelbarfeit fte^t eg fomit feft, bafe bte SOöelt be§ körperlichen
raie beä ©eiftigen nid^t burd^ fic^ ift, fonbern il^ren ^afein^grunb au^er
unb über jid^ in @ott, bem Unrcanbelbaren , bem Slbfoluten f)ai, roeil
6ein. B^clx ift alleä roal^r, ma^ ift ober epftirt. 5lber ba§ cer^
dnberlid^e @ein ift nid^t \)a§ voa^xt ©ein, rceil jebe ^erdnberung be^
rcirft, bafe baä, wa^ mar, nid^t mel^r ift, fo bafe bie 5Dinge nur infomeit
finb, aB fie raal^reä ©ein l^aben, aB fie in i^rem ©ein cerbleiben.
5luf bie raaljrfte, l)öd^fte Steife ift alfo ha^ Unoerduberlid^e , bag Um
roanbelbare^. 51lleg aber ift nur mal^r burd^ hk SBal^rl^eit, b. 1^. 21lle§
ift ober eviftirt nur burd^ ein eraigeä unmanbelbareä ^rincip, burd^
©Ott*, bag malere, ba§ l)öd^fte ©ein, in bem !ein ©d^atten oon 33er?
1 Conf. XI, 4; ibid. VII, 20: Et vere te esse, qui semper idem ipse
esses , ex nulla parte nulloque motu aliter aut aliter , cetera vero ex te esse
omnia, hoc solo firmissimo documento, quia sunt.
2 Conf. VII, 17; de trinit. XII, 4.
non sunt corporea et tarnen sunt maximeque sunt; nam eodem modo sese
habent.
* Solu. I, 15: Non enim casto castitas, sed castitate fit castum; ita
etiam si quid verum est , veritate utique verum est. — Cum interit ,
quod
verum est, non interit veritas. — Ubinam igitur illam esse credis? — Non
certe est in Quidquid enim est, non potest mauere, nisi
rebus mortalibus.
manet illud, in quo est. Est autem veritas et non est nusquam. Sunt igitur
res iramortales. Conficitur itaque non esse vera, nisi quae sunt immortalia.
De immort. anim. c. 12: Veritatem eam dicimus, qua vera sunt omnia, in
quantumcunque sunt, in tantum autem sunt, in quantum vera sunt.
§ 19. 2)ic ©ottcgerfcnntnii 175
änberltd^Mt ift, ba§ ni^t mar ober fein rairb, fonbern nur ift, raeit
ha§, wa^ raar, nic^t me^r ift unb ha^, wa^ fein rairb, nod^ nid^t ift*.
nur raal^r burd^ bie SSal^rl^eit. @o ift in atten, aud^ ben niebrigften,
änberlid^en ©einSraeife ein ^inraeiä auf @ott a(§ bie Sßal^r^eit an fid^,
ha^ fid^ in benfelben aud§ bie ^been be§ ^inen, be§ Sd^önen unb @uten
offenbaren, raenngleii^ fie nur eine matte D^ad^al^mung biefer 3been finb.
^ gilt nun wieber ber @a^: Veritas foris admonet, intus docet;
wir werben burd^ bie ©puren ber 3been, bie wir in ben oeränberlid^en
fingen finben, an bie ewige ©inl^eit, ©d^ön^eit unb ®üte gemal^nt unb
fd^lie^en barum mit ^t^i oon ber ]§armoni[dfien ©in^eit, ©d^ön^eit,
Orbnung unb ©üte ber ^inge auf ®ott als ta^ ©ine, urfd^öne, urgute
^rincip berfelben.
<5o ftreben alle ^inge nad^ (Sinl^eit unb weifen eine gewiffe (5in=
txa6)t i^rer Streik auf, wenn fie aud^ hk ß'in^eit nid^t üöKig erreid^cn.
SDarauS folgt, baß (S*ine ^od^fte ^Sefenl^eit hie gorm i^rer gormen ift*.
* De fide et symb. c. 4: Non potest dici: fuit et erit, sed tantum est;
quia et qui fuit, jam non est, et qui erit, nondum est. — Si enim ille est,
et de solo Deo proprie dici potest hoc verbum; quod enim vere est, incommu-
tabiliter manet, quoniam, quod mutatur, fuit aliquid, quod jam non est, et
erit, quod nondum est. De nat. boni c. 19: Vere enim ipse est, quia in-
commutalis est. Omnis enim mutatio facit non esse, quod erat; vere ergo
ille est, qui incommutabilis est; cetera, quae ab illo facta sunt, ab illo pro
suo modo esse acceperunt. Ac per hoc sicut ab illo est omne quod bonum ,
quantum sunt, in tantum enim et vera sunt, haec autem ipsa ejus similitudo
et ideo veritas. Ut enim veritate sunt vera, quae vera sunt, ita similitudine
similia sunt, quaecunque similia sunt. Ut ergo veritas forma verorum est,
ita similitudo forma similium est.
"*
Ibid. c. 31 Omnia enim, quae appetunt unitatem, hanc habent regulam
:
vel formara vel exemplum, — quoniam sola ejus similitudiuem a quo esse ,
176 SSierter X^cil.
Sie (Sinl^eit aller ©tnge rcivb Begrünbet buvd^ bie in i^nen ^evrfdienbe
fte jufammengeorbnet l^at ^ 51lle biefe SDinge finb fd^ön nnb laffen bnrd^
bie Sd^ön^eit t^rer gorm auf @ott alä il^r uvfd^öneä formgebenbeS
^rincip fc^lieBen ^. Sitte ^inge finb gut unb geigen baburd^, bafe ®ott,
bag Urgute, fie geBilbet unb geformt l^at^. (Sg finb hk ©puren ber
gerabe burd^ bie gormen ber Slufeenraelt in bein S^^^i^cg iiivM, bamit
bu erfenneft, bafe 5ltte§, roa§ bid^ üon Sinken erfreut unb ergötzt, be?
ftimmte Wa^t f)at (numerosa esse), unb bamit bu bann bir \)k grage
ftetteft, raol^er eg ftamme. ^etrad^te nur ben ^immel, bie ©rbe, ba§
^eer, raaä aug ber §o^e l^erableud^tet ober in ber 3:iefe fid^ regt:
gorm ober ?D^a6 unb ^af)l, rceld^e ©d^ön^eit Derleil^en, fo baj3 e§, wenn
omne quidquid est, in quantum est, quia, in quantum est, quidquid est, bonum
est. Conf. XI, 4: Tu ergo, Domine, fecisti ea, qui pulcher es, pulchra sunt
enim; qui bonus est, bona sunt enim; qui es, sunt enim.
§ 19. SDie @ütte§erfenntnip. 177
formen fann. 5((fo meifen biefe gormen auf eine emige got'm l^in, rceld^e
norgegangen ift *. ©ie ©inge ber 3Selt errceifen fid^ burd^ i^r '^a^,
i^xt ©eftalt unb il^^^e Orbnnng anrf) al§ gut nnb nerfünbigen baburd^
\>k @nte i-^re§ emigen unmanbelbaren ©d^öpfer^^.
^iefe ift fomit ber 2Beg, auf bem mir p einer miffenfd^aftlid^en
ma^rl^eiten, ben 3^een beä ©inen, SSa^ren, 6d^onen unb @uten, fdiliefeen
mir auf @ott alä \)a§ ©ine, bag Söa^re, bas 6d^öne, \)a§ ©nie an
fid^, alg ba^ benfbar ^od^fte Sßefen, fobann non ber Sßanbelbar!eit aller
^inge mit ©infd^luB bes menfd^lid^en @eifte§ auf ©Ott alä ha§ un*
manbelbare ^rincip ber ^inge, nnb enblid§ ron ber ©in^eit, ©d^on^eit,
©Ute unb Orbnnng ber manbelbaren ©inge auf ©Ott alg \)a^ fd^led^tl^in
* De
arb. II, 16; de Genes, contr. Manich. I, 16: In omnibus, cum
lib.
Vera sunt, quae vera sunt omnia. Deus sapientia, in quo et a quo et per
quem sapiunt, quae sapiunt omnia. Deus vera et summa vita, in quo et a
quo et per quem vivunt, quae vere summeque vivunt omnia. Deus beatitudo,
©torä, 1)1. 2lu0uftinu§. 12
178 SSierter tl^cil.
§ 20.
©er ®otte§begriff.
5lu§ ber Slrt unb SS^eife untrer @otte§er!enntntB ergibt fid^ ber
raa^re ©otteSBegriff. 3[50n jener fd^reiten nix ju btefem; benn etmaä
5rnbere§ ift e§, ©Ott ^u erfennen (videre) unb etraaä 5lnbere§, fein
menfd^Iid^e ©eift, fonbern ha§ über ben menfd^Iid^en ©eift erl^abene, u\u
Deränberltd^e, unraanbelbare Sßefen, t)on bem a(Ie§ 33eränberlid^e
mer fei , nad^ bto^en 33ilbern ber ^l^antafie beurt^eile ^ unb beftimmt
fetber ben ^nl^alt be§ ad^ten 33ud6e§ de trinitate in folgenber Sßeife:
Deinde per veritatem, quae intellectu conspicitur, et bonum
per
summum, a quo est omne bonum, et per justitiam, propter quam
diligitur animus justus, ut natura non solum incorporalis , verum
etiam incommutabilis ,
quod est -Deus, quantum fieri potest, in-
telligeretur, admonui^. 5[(g geiftiges 3S^efen ndmlid^ loBt fid^ ©Ott
atlerbing§ nad^ 5InaIogie be§ menfd^lid^en ®eifte§, in feinem Unterfd^ieb
fd^reiten; ja, ift ©Ott nid^t berfelben (Subftan^, wie W menfd^tidCje (^eele,
fal^ren, atä ba§ fie ha^ 2©efen ©ottes in erfter ßinie neg atiü beftimmt.
©aß ^Tuguftinuä auf W iöeftimmungen ber negatioen 5:^eologie \)a§
§auptgen)id§t legte, irar ^unäd^ft \iit golge feines jlampfes gegen bie
in quo quo et per quem beata sunt, quae beata sunt omnia. Deus
et a
bonum et pulcbrum, in quo et a quo et per quem bona et pulchra sunt, quae
bona et pulchra sunt omnia. Deus intelligibilis lux in quo et a quo et per ,
2Iuf W grage m^ bem 2öefen @otte§ tft bte näd^fte ^Tnttüort nur
bte: 2Ba§ ift @ott, raenn er nid^t ber Unfd^d^bare, Unaugfpred^ttd^e,
Unbegreiftid^e ift, ber üBer unb aufeer allem ^eienben ift? SDenn aUt
feine Kreatur überfd^reitet er, feinem ganzen 2Ser!e gel^t er cor, ba^
Uniöerfnm überragt er. 5(IIerbing§, würben rair ®ott überl^aupt nid^t
fennen, fo fonnten wir if)n nid^t anrufen unb nid^t Heben, ^lüein in
S^ejug auf ©Ott ift eine fromme Unrciffenl^eit beffer alä eine eingebilbete
SBiffenfd^aft; benn wenn xüix i^n begreifen, ift er nid^t ©Ott. ^^n nur
ein wenig mit bem SDen!en erreid^en, ift grofee ©eligMt; i^n aber be=
greifen, ift unmoglid^ ^ S^ur mit jitternbem 33(idf üermag ber ^eufd^en*
geift gum unenbtid^en Sßefen ©otteä aufsufd^auen unb nur im üorüber^
gel^enben Sid^tblid^ fid^ ein^utaud^en in bie ©r!enntniB ®otte§, beä un^
enbltd^en ©eifte§. '^it grof^erer Sßal^rl^eit beuten wir ©Ott, al§ wir
über il^n fpred^en, unb mit größerer SSal^rl^eit ift er, aU mix i^n bem
fen^. (5r überragt nid^t nur 5(lle§, iüa§ üon i^m gefagt, fonbern aud^
Sldeä, n)a§ über il^n gebadet rairb^. ^^ ift fraglid^, ob irgenb eine
n)iffe^ Seid^ter fagen roir, wa^ ©Ott nid^t ift, al§ n)a§ er ift; benn
mit S3eftimmtl^eit roiffen wir nur, waä er nid^t ift, nämlid^ nid^t ein
SÖSanbelbareä.
^nbe^ aud^ nur wiffen, wag ©Ott nid^t ift, beoor man wiffen fann,
ma^ er ift, ift fd^on feine geringe ©rfenntnife; fd^on in ber 33erneinung
be§ 3^Tt;^um§ (iegt ein beträd^tlid^er ©ewinn ^. ^al^er fann un§ hk
UnbegreifUd^feit ©olteö nid^t l^inbern, nad^ ber ©rfenntni^ ©otte§ ^u
ftreben. Sßir erfennen i!^n fd^on, inbem TDtr erfennen, n)ie unbegreiflid^
er ift. 3ßir fonnen aber aud^ rceiter forfd^en unb auf bem 5Bcg ber
S^egation ©Ott aus ber reränberlid^en (Kreatur erfennen. 2ßir fud^eu
l^n, um il^n ju finben, unb rcir finben i^n, um il^n nod^ begieriger
gu ju^en K
3ft ndmlid^ ®ott aud^ in feinem 2In)ld^fein unbegreiftid^ unb un«
au§fprec^(id^, fo ba^ e§ feine ^Benennung gibt, bie feiner raürbig rodre
unb fein SSefen üotlfommen bejeic^nen fönnte, fo Toiffen rair bod^, ha%
er ift unb bafe er ha^ unrcanbelbare , unt)eranber(icf)e (Sein ift. 3Sir
ftimmung auc^ fein mag. 21I§ \>a^ unrcanbelbare ©ein aber ift ©Ott
über alle ^rdbicate, benen 'ba^ 3SerdnberIid^e unterliegt, unb über alle
gefafet roerbe, rceil biefe immer nad^ ber 3^orm ber .Kategorien ba§ ^ub^
ject üom '^rdbicat unterfd^eiben. 2ßir muffen, fo oiel mir cermögen,
Derfud^en, ©Ott ju benfen a(g gut ol^nc Oualitdt, at§ groB ol^ne Ouan=
titdt, al§ 8rf)öpfer o^ne 33ebürfmB, ofjne Sage allen ^Dingen Dorfi^enb,
ol^ne §attung 5Ille§ ^abenb, o^ne Drt überall ganj, ol^ne ^tit immer?
benb. Sßer ©ott auf folcfie 35?eife benft, lautet fid§, menn er aud§ nod^ nid^t
burd^aug finben fann, mag er ift, bod^ elirfurd^tSooll , dwa^ oon ©Ott
p benfen, roa^ er nidf)t ift 2. 5Iud^ menn mir il^n ben (Schöpfer,* ba§
mus, sine qualitate bonum, sine quantitate magnum, sine indigentia creatorem,
sine situ praesidentem, sine habitu omnia continentem, sine loco ubique totum,
sine tempore sempiternum, sine ulla sui mutatione mutabilia facientem nihil-
que patientem. Quisquis Deum ita cogitat, etsi nondum potest omnino ni-
S 20. 5Der ©otteäbegrtff. 181
$rtnctp ober \>k Urfad^e atter ©inge nennen, fo gefd^iel^t W^ nur res
latioe, inbem rair t^n in feinem ^er^altnife jur Kreatur, nid^t in feinem
^Infid^ benfen ^ d'benfo legen rcir i^m üiele ^erpltniffe gu ben jeit^
tid^en, üeranberlid^en fingen M; akr wir bürfen fie i^m nid^t in ^dU
lieber 2Beife aU üida^ ^IccibenteHeS jufc^reiben ^. ^Tud^ t)on ber ^l^dtig^
hit beä ©enfeng fann bei i^m ntd§t im jeitlic^en ©inne bie S^tebe fein,
unb SSirflicEifeit ,
^raifd^en gormbarf eit nnb gorm fein fann, ^a er ber
Unnjanbelbare ift^
3nsbefonbere finbet auf ba^ ^Infid^fein ®otte§ bie Unterfd^eibung
lid^en SDingen fönnen eben beg^atb, weit fie üerönberlid^ finb, hk %c^
cibenjien, hk üerdnberlid^en ^efd^affen^eiten , t)on ber (Subftanj unters
SBefen, raeil i^m nid^t ^ufommt, etraas ju ^aben, \)a^ es an^ verlieren
fönnte, weil e§, baä l^at, nid^t etraas 5Inbere§ ift als ^a^, wa^ e§ ^at,
tüeit e§ t)ielmef)r ha^ ^rincip ift, an raeld^em Dilles ^6ei( ^cit unb burd^
rceld^eä alleg feine 33efc^affenl^eit erl^dlt^ 23eim Körper ift (Subftan^
unb ©igenfdbaft üerfd^ieben ; aud^ hk ©eele lüirb, wenn fie einfteng im=
mer roeife fein rairb, \)ki bod^ nur fein burd^ ^l^eilnal^me an ber um
t)erdnberlic^en SSeiSl^eit felbft. @ott bagegen ift nic^t btofe frei t)on
hk i^m beigelegt werben, einä unb ba^felbe mit feiner ©ubftanj ^. 2ßenn
wir alfo fagen: ©Ott ift eraig, unfterbli($, unoergdnglid^ , lebenbig,
raeife, mdd^tig, fd^on, geredet, gut, feiig, ein ©eift, fo fd^eint nur ber
(e^te 5lu§brucf feine ^ubftan^, alte übrigen aber ^igenfd^aften biefer
fagt ju fein fd^eint, ift oon ber (Subftanj ober rom SBefen ^u üerftel^en.
Sllleg, tt)a§ in i^m erfannt wirb, ift er felbft. ^enn ®ott ift nid^t gut
ober geredet burc^ \)k ©üte ober ®ered§tigfeit, nic^t baburd^, ha^ er an
venire, quid Sit, pie tarnen cavet, quantum potest, aliquid de eo sentire, quo^
non Sit.
ber ®ük ober ©ered^tigfeit ^^etl nimmt, fonbern er ift jelbft feine ®üte
unb ©ered^tigfeit. Unb ]o im UeBrigen. 3ft aber jebe (Jigenjd^aft bie
Subftan^ felbft, fo folgt ferner, bafe a\i^ jebe ber oerf^iebenen Oua=
litdten bie anbere felbft ober 'ba^ feine Ouatitdt non ber anberen Der*
fcfiieben ift ^. 6ein ^^Bifjen ift raeit oerf (Rieben oon bem nnfrigen, roeit
fein SSiffen feine SßeiS^eit unb btefe feine vBubftan^ ober ^ßefenl^eit ift.
©eine 2öei§]^eit ift fnbftantieü ibentifd^ mit feiner ®ute unb feine ®üte
mit feiner ©ered^tigfeit ^. 2Beit in i^m nid^t unterfd^ieben raerben barf
jraif^en ©ubftan^ unb 2(ccibenj, fo paßt and) bie Kategorie ber 6ub:=
ften Sinne ift ober D^tealität ^at. Keffer gebrandet man oon i^m ben
2lu§brucf SSefenl^eit 3. ©oc§ n)iK fid^ 5Iuguftinu§ mit D^ücffid^t barauf,
gebraud^ anfdjIieBen *.
ftammt, raie bemerft, au§ bem ©egenfa'^ be§ 2Iuguftinu§ gegen ben ^a=
nid^di§mu§. tiefem gegenüber, ber ©Ott in^ampf unb bamit in 35ers
dnberlid^feit oerniid^elte , fam e§ barauf an, hk Unoerdnberlidfifeit unb
3ncorruptibilitdt ©otte§ ju betonen. 5I((e§, n)a§ ftc^ oerdnbert, ift cor«
ruptibel; bag SSefen aber, ba^ au§ unb burd^ fid^ felbft ift, l^at in fid^
1 De trinit. VI, 4: Humano quippe animo non hoc est esse, quod est
fortem esse aut prudentem aut justum aut temperatum. Potest enim esse
animus nullam istarum habere virtutum. Deo autem hoc est
et esse, quod
est fortem esse aut justum esse aut sapientem esse et si quid de illa sim^lici
multiplicitate vel multiplici simplicitate dixeris, quo suhstantia ejus signifi-
cetur. Ibid. VI, 7 : Deus magnus, bonus, sapiens,
multipliciter quidem dicitur
heatus, verus et quidquid aliud non indigne dici videtur. Sed eadem magni-
tudo ejus est, quae sapientia. Et eadem bonitas, quae sapientia et magnituda
et eadem veritas, quae illa omnia. Et non est ibi aliud beatum esse et aliud
magnum aut sapientem aut verum aut bonum esse aut omnino ipsum esse.
2 Ibid. XV, 13.
^ Ibid. V, I: Est tarnen sine dubitatione substantia, vel si melius hoc
appellatur, essentia, quam Graeci ojsi'av vocant. Ibid. VII, 5: Deus autem
si subsistit, ut substantia proprie dici possit, inest in eo aliquid tanquam in
ßubjecto et non est simplex , cui hoc sit esse ,
quod Uli est, quidquid aliud
de illo ad illum dicitur. Unde manifestum est, Deum abusive substantiam
vocari, ut nomine usitatiore intelligatur essentia, quod vere ac proprie dicitur.
* Ibid. II, 18.
§ 20. ©er ©otteSbegtiff. 183
©Ott fönnen au6) feine Unterfd^iebe ber 2(ttribute gellen, ^cnn ent^
n)eber mad^en hk 2lttribute ^a^ gött({(|e 2Befen au0 nnb bann fatTen fie
mit bemfetben jnfammen, ober fie finb anfällig für ha§ göttlid^e Sßefen,
5lcciben§ien , bann aber finben fie in ©Ott feine Stelle, ^enn rcenn
unoerönberlid^ fein. 9^ur bann, roenn ^Ideg, raag ©Ott f)at, ju feinem
©eele ganj im ganjen Körper nnb gan^ in jebem 2;^eile besfelben gegen?
radrtig. 5IB l^oc^fter ©eift aber ift er fd^ted^tl^in erl^aben über htn
O^aum. ^ie gange 2öe(t fa^t ©Ott nid^t, nmgefel^rt aber oermöd^te fie
gar nid^t gu fein, raenn nic^t ©Ott in i§r n)äre. 3Son i^m, burdf) i§n
unb in il^m ift Sldeg; er erfüllt unb umfaßt bk gange Sßelt^. Ueberatt
l^in ift ©Ott auggegoffen, aber nid^t fo, ha^ er felbft eine ^efd^affenl^eit
ber Sßßelt rodre, fonbern al§ Ut hk Sßelt fd^affenbe unb regierenbe Sub«
ftang. S^id^t burd^ hk D^tdume, raie irgenb eine ÜJlaterie, ift er au§s
gegoffen, fo \)a% er in ber einen §dlfte ber SBelt l^alb unb ^alb in ber
gang ,
§immel unb (Srbe mit feiner fd^öpferifd^en ^ad£)t erfüllenb ^
Ueberall raeife er gang unb ron feinem D^aume umfdliloffen gu fein; er
n3eiB gu fommen, inbem er fid^ nid^t oou ha entfernt, voo er roar, unb
^ Ibid. V, 2: Sed
quae dicuntur essentiae sive substantiae, ca-
aliae
piunt accidentia, fiat vel magna vel quantacunque mutatio.
quibus in eis
Deo autem aliquid ejusmodi accidere non potest, et ideo sola est incommu-
tabilis substantia vel essentia, quae Deus est, cui profecto ipsum esse, unde
essentia nominata est, maxime ac verissime competit. Quod enim mutatur,
non servat ipsum esse, et quod mutari potest, etiamsi non mutetur, potest,
quod fuerat, non esse; ac per hoc illud solum, quod non tantum non mutatur,
verum etiam mutari omnino non potest, sine scrupulo occurrit, quod verissime
dicatur.
2 Conf. I, 2. 3 De civit. Dei VII, 30; X, 3.
184 Stiertet Z^dl
er n)ei§ ^u ge^ett , o^m \)a^ er ben Ort uerldBt , rcoi^er er tarn *. (5r
atfo auc^ über atte ^Berdnberung , rceld^e in Ut ^tit fdttt, ergaben ift.
5{uf i^n fann nid^t ein Sd^atten ber 35eränberung , alfo aud^ nid^t ber
3eit(id^feit fallen. 2Ba§ nid^t gefc^affen ift unb bod^ ift, ^at nid^t^ an
fidö, n)a§ üorl^er nid^t raar; in le^terem aber liegt ba§ SS^efen ber
SSerdnberung unb be§ S5>edf)fel§. Smmerbar lebt @ott unb nid^tä ftirbt
an il^m, raeil er t)or 5lnbeginn ber 3^^^^!^ ^ft i^^^ ^^^ 5lllem, n)a§ nur
ror genannt rcerben fann. „©u bift," fagt 5(uguftinus, „ber §od^fte
unb t)erdnberft bid^ nid^t unb e§ üergel^t in bir nid^t ber l^eutige ^ag,
unb bod^ üergel^t er auc^ roieber in bir, rceil in bir an^ aW ba§ ®e=
fd^affene fein 8ein ^at. 2)enn n)ie fönnte e§ rorüberge^en, raenn e§
nid^t in bir beftdnbe ? Unb raeil beine ^a^xt fein Qn'ot nel^men, fo finb
beine Saläre raie ber heutige %ag,. 2Bte riele üon unferen unb unferer
t)on xf)m i^x SSfta^ empfangen unb in il^m raie aud^ immer ibr ^afein
geliabt! Unb fo raerben nod^ anbere üorübergel^en unb il^r '^Jfla^ unb
raag immer für ein ©afein empfangen. $Du aber bift berfelbe^. ^tud^
ben 33egriff beä einen üon ben ^erfmalen ber 33eid^rdn!t]^eit unb Un=
üollfommen^eit be§ anberen befreit unb fönnen nun ba^u fortgeben , J)a§
nad^ ^Tnalogie be§ menfd^lid^en (^ti]k^, ber ein ^benbilb ®otte§ ift, gu
beftimmen, inbem rcir i^n auf biefem 3Bege un§ als \)a^ ^öd^fte unb
SSollfommenfte ^u benfen fud^en, 'ba^ überhaupt ba§ ©enfen erreid^en
fann. ©enn rcir muffen ja gerabe fein 2öefen beB^egen negatio be-
au(f| über ben menfcbli^en ©eift, unenblid^ ergaben unb barum oon aller
1 Epist. 2 ad Volus.
2 Conf. I, Quidquid factum non est et tarnen est, non
6; ibid. XI, 4:
est in eo quidquam, quod antea non erat, quod est mutari atque variari.
§ 20. ©er ®otte§begriff. 185
üoöfommen ift. Unfer Sßiffen t)on ®ott ift ba^er aUerbtngä me^r ein
5^id^tn)i[fen ; tüollen wir akr bod§ üon i§m fpred^en, fo muffen it)ir xf)m
ben!en (ä^t, baBei jebüd^ un§ beffen Beraubt bleiben, ha^ eine ab äquale
(Sr!enntni§ ®otte§ un§ l^ienieben nid^t moglid^ ift, fonbern nur eine fe
fenntni^ per analogiam ^ 2Be!^e benen , hit üon ©Ott fd^roeigen , weit
fie fd^roä^enbe 8tumme finb ; allein n)a§ fagt uberl^aupt einer mit feinen
Dfleben über ®ott?2
©Ott ift unb jn3ar auf bie l^öd^fte Sßeife; er ift \)a^ (Sein im ooll-
fommenften «Sinne, raeil er auä fi($ fetbft unb bal^er \)a^ raa^re unb
unoer anberlii^e ®ein ift^ rcdl^renb 5(ire§, n)a§ er gefd^affen l^at, nur
ein retatioeä 6ein ^at, nur in geraiffer SBeife eyiftirt ^. S5on ber Kreatur
!ann man nur fagen, la^ fie ift, rcenn man fie nid^t in 35ergleid^ mit
©Ott bringt; im SSergleid^ mit ©ott ift i^r (Sein ein S^lid^tfein, raeil
citur, non translate ac per similitudinem, sed proprie si tarnen de illo proprie ;
stantia, ubi nulla discrepantia, nulla confusio, nulla transitio, nulla indigentia,
nulla mors; ubi summa concordia, summa evidentia, summa constantia, summa
plenitudo, summa vita. Ubi nihil deest, nihil redundat.
* De civit. Dei XXII, 24: Qui summe est et facit esse, quidquid aliquo
modo est.
5 Enarr. in Ps. 134: Ita enim ille est. ut in ejus comparatione ea, quae
facta sunt , non comparanda quoniam ab illo sunt.
sint illi Uli comparata
,
—
non sunt, quia verum esse, incommutabile esse est, quod ille solus est. Tract.
38 in evang. Joann. c. 10: Res enim quaelibet si mutabilis est, non vere est;
non enim est ibi verum esse ubi est et non esse quidquid enim mutari
,
;
potest, mutatum non est, quod erat. Si non est, quod erat, mors quaedam
ibi facta est: peremptum est aliquid ibi, quod erat, et non est.
186 23terter X^eil.
fte§ 6ein tft @ott ferner bag reine, ab fo tute @etn, über alle Unter=
fd^iebe unb ©egenfü^e beä üeränberlid^en <Setn§ ergaben, bem ntd^tä ent^
gegengefe^t fein fann, alä ba§ 3^id^tfetn ^ liefen 6a§, ben fpäter Be?
fonberg D'licolau^ Don ^n^a aufgriff, l^ebt 2Inguftinu§ immer roieber
auf ©Ott ftnbet, muB er ^e\)a^t raerben ar§ \ia^ fc^ted^t^in einfa^e
(Sein, ^ie menfdjlid^e ©eele ift, rcie rcir gefe^en l^aben, a(ä immaterielle
(Bein ; aber fie ift nid^t fd^Ied^tl^in einfad^ , raeit fie rerdnberfid^ ift unb
be^fjalb ben Unter)d)ieb oon Subftanj unb (Sigenfd^aften unb ben Unters
fc^ieb ber Oualitaten in fid^ ^at. @ott aber, ba§ unrcanbelbare (Sein,
mu6 al§ bie abfotute ©infad^^eit, al§ bie fd^ted^tl^in einfädle 2Befen^eit
gebälgt n3erben, rceld^e üon bem, n)a§ fie befit^t, nid^t oerfd^ieben ift unb
bal^er nid^t§ üon bem, ma§ fie l^at, cerlieren fann, raeit ba§, raa§ fte
l^at, nid^tg 2Inbere§ ift alg i^r eigene^ (Sein, raeld^e alfo jeben Unter?
t)on ber unfrigen, raeit feine ©rfenntnife feine ^ei^eit , fur§, raeit in
i^m ^Ite§ cin§ ift*. ^it ber Seigre ron ber abfotuten ©infad^l^eit
^ De Dei XII,
civit. 2.
est. Propter hoc itaque natura dicitur simplex cui non sit aliquid habere, ,
quod vel possit amittere vel aliud sit habens aliud quod habet. De trinit.
, ,
Yn, 6 Nihil enim simplex mutabile est, omnis autem creatura mutabilis.
:
* De trinit. VI, 10: Ubi est prima et summa vita, cui non est aliud
vivere et aliud esse, sed idem est esse et vivere; et primus ac summus in-
tellectus, cui non est aliud vivere et aliud intelligere, sed id, quod est intel-
ligere,hoc vivere, hoc esse est, unum omnia. Ibid. V, 4: Nihil accidens in
Deo, quia nihil mutabile et amissibile. In creatis atque mutabilibus quod —
non secundum substantiam dicitur restat ut secundum accidens dicatur. , ,
Omnia enim accidunt eis, quae vel amitti possunt vel minui.
§ 20. ®cr ©ottegbegriff. 187
®otte§ rviU Sluguftinug ntd^t fagen, bafe @ott aller Slttribute Dottig ent-
behre, bafe fie il^m alfo nur im uneigenUid^en <8inne ^ngefd^rieben raer^
ben; üielnie^r ift in (S5otte§ Sßefen ber reale ®runb oller biefer Eigens
fd^aften, aber fie finb in i^m \o geeint, baB feine o^ne bie anbere gebac^t
n)erben fann. (Sr wiU einerfeitä feineSroegö, bafe bie einzelnen (Sigen^
%a^ fie in ©Ott a(§ unter] dfiieben , a(§ getrennt ^e\iaiS)t werben, ^enn
fie. alle jufammen briltfen nur bie (5ine Sßefenl^eit ®otte§ au§, für bie
rerdnbertid^e.
4)er menfd^lid^e @eift ift re(atir), b. 1^. im ^ergleid^ mit bem forpcrs
(id^en 8ein erl^aben über htn diaum, ha er gan§ im ganzen fieibe unb
ganj in jebem ^l^eile be§felben ift. ©Ott aber, ber fd^led^tl^in über ben
$Raum erl^aben ift, ift bod^ raieberum, nad^ 5lnaIogie ber menfd^lid^en
6ecle %thai^i, in jebem D^laume unb iwav gan^ im ©anjen unb gang in
allen ^l^eilen be§felben, b. ^. er ift allgegenwärtig.
5(ller Sed^fel unb alle ^eränberung geftfiiel^t in ber ^tit; befel^alb
ift aud^ ber menfd^lid^e ©eift, al§ Deranberlirf)e§ ©ein, ber Kategorie ber
über bie ^dt erl^aben, aber bod^ wieber, nad^ Stnalogie be§ menfd^lidC;en
aller ^inge unb befel^alb weife er bie ©inge nid^t, weil fie finb, fonbern
fie finb, weil er fie weifet. 5ru§ biefem ©runbe ift er aud^ allwif^
fenb; nid^ts ift i^m üerborgen. 2öeil ferner feine ©rfenntnife bem
6ein ber ^inge üorauggel^t, ift er aud^ oorl^erwiffenb unb jwar ift
i^n ber Sßed^fet ber 3^^^ ^^^^ Berül^rt \ 5lud^ burd^ fein (^d^affen
rDud^§ fein 2öiffen nid^t, \)a alle ^inge jug teid^ unb oon (5raig!eit ^er
üon i^m finb ^, rcag rcir ^enfc^en freilid^ nid^t üöUig begreifen Tonnen ^
„^^m ^at nad^ ber 6:Tfd^affung gefallen, Tüa§ i^m fd^on üorl^er gefallen
l^atte, al§ e§ nod^ in ber Bloßen (Sd^öpfung§ibee lag; nid^t al§ ob ba§
3Biffen ®otte§ oeränbert roürbe, fo ha^ barin eiue anbere SSorftellung
erregte, roaä uod^ nid^t ift, eine anbere, wa§ bereite ift, eine anbere,
tt)a§ geraefen ift. ^enn er fd^aut nid^t nad^ unferer Sßeife au§ nad^
bem, raag jufünftig ift, ober l^in auf ha^, n)a§ gegenrcärtig ift, ober
luxM auf ha^, rcag oergangen ift, fonbern auf eine oon unferer Slrt ju
benfen ^immelrceit oerfd^iebene SSeife. ^enn er fd^aut nid^t ron biefem
auf jenes mit raed^felnben @eban!en, fonbern er fd^aut auf burd^auä uns
rcanbelbare Sßcife, fo ba^ er alt' ba§, wag in ber ^dt gefd^ie^t unb
al§ gufünftig nod^ nid^t ift, al§ gegenwärtig je^t ift unb alä ©ergangen
nid^t me^r ift, in unoerSnberlid^er unb ewiger (Gegenwart er!ennt, nid^t
anber§ je^t, anberg oorl^er unb anber§ nad^^er; benn nid^t wie unfer
Sßiffen änbert fid^ nad^ ber SSerfd^ieben^eit ber brei Seiten, ber gegen^
wärtigen unb ber vergangenen ober julünftigen, ha^ Sß^iffen beäjenigen,
M bem fein Sßed^fel ift unb fein (Sd^atten üon 33erdnberung. ^enn
aud^ feine 33etradjtung gel^t nid^t ron ©ebanfe ju ©ebanfe über, ha in
^ Conf. VIII, 3: Nam tu semper idem, qui ea, quae non sempe^. nee
eodem modo sunt, eodem modo semper nosti omnia. De trinit. VI. 10: Ibi
novit omnia Deus quae fecit per ipsam et ideo cum decedant et succedant
, ,
,
tempora, non decedit aliquid vel succedit scientiae Dei. Non enim haec, quae
creata sunt, ideo sciuntur a Deo, quia facta sunt: ac non potius ideo facta
sunt vel mutabilia, quia immutabiliter a Deo sciuntur.
2 De trinit. XV, 13 : Nee aliter ea scivit creata quam creanda. Non
enim ejus sapientiae aliquid accessit ex eis, sed Ulis existentibus, sicut opor-
tebat et quando oportebat, illa mansit, ut erat.
3 Ibid. XV, 7: Quis ergo hominum potest istam sapientiam, qua novit
Deus omnia, ita ut nee ea quae dicuntur praeterita, ibi praetereant, nee ea,
quae dicuntur futura, quasi desint, exspectentur, ut veniant, sed et praeterita
et futura cum praesentibus sint cuncta praesentia, nee singula cogitentur et
ab aliis ad alia cogitando transeatur, sed in uno conspectu simul praesto siut
universa: quis, inquam, hominum comprehendit istam sapientiam?
§ 20. ©er ©otteSBcgrltf. 189
eBenfo fennt er bie ^dkn, ol^ne jeitlid^e 33egriffe ju l^aben, rcie er baä
.3eit(i(|e Beraegt, ol^ne felber jettlid^ Betregt ^u tüetben. SDa alfo fal^ er,
bafe gut fei, rcaS er fd^uf, rao er fa)^, bafe e§ gut fei, um eä ju fc^affen.
2{ud) üerboppelte bie^, ha^ er eg gefd^affen fal^, fein 2Ö5iffeu nid^t ober
l^dtte, Beoor er fd^uf, raa§ er \a^, er, ber uid^t fo coUfommen tüirfen
irürbe, rcenn nid^t fein SSiffen fo oollfommen rcare, bafe e§ burd^ feine
ber ein fo gro^eä SBiffen unb 3}orJ)ern)iffen befi|t, ha^ er alle§ ^Ser^
gangene unb 3w^önftige fennt, wie ic^ ^. ^. ein ganj befannteg Sieb
fenne, fo ift ein fotd^er @eift geraig über tk ^a^en raunberbar unb
jum (Srfc^redfen erftauntid^, \)a il^m, raaS oon ben 3^1^^^"^« oorüber^
gegangen ober nod^ baoon übrig ift, ebenfo rcenig entgel^t, fo raenig mir,
wenn id^ ha^ Sieb finge, entgeht, roaä unb wie Diel baoon fd^on oors
über unb rva^ unb raie oiel big ju feiner 33eenbigung noc^ übrig ift.
2tber ferne fei eä oon mir, ju meinen, bu, ber ©d^öpfer be§ 2lllä, bu
(5d^öpfer ber ©eifter unb ber Körper, hn fenneft in fold^er Sßeife aUe
3ufunft unb 33ergangen]^eit. ^tit, wdi n)unberbarer unb gel^eimnife^
ooüer ift bein Sßiffen. ^enn raenn fonft jemanb ein befannteg ßieb
fingt ober fingen prt, fo roirb er burd^ W (Srraartung ber 5löne, bie
noc§ fommen, unb burd^ bie Erinnerung an hit bereite gefungenen oers
fd^iebentüd^ berül^rt unb feine 2lufmer!famfeit nad^ jraei leiten ^in ges
©renken ftetfen; fein 2öiffen ift raie fein 2öefen unenblid^, ba er atle§
(Snblid^e nad^ ?!Jla§ unb 3^'^'^ gefc^affen unb georbnet ^at SDie ^ei?
nung, bafe ©Ott nur Enblid§e§ crfaffen unb begreifen fönne, ift eine
erfaßt wirb, burd^ ha^ ©rfaffen be§ 3öiffenben begrenzt wirb, fo ift aud^
jebe Unenblid^feit auf eine gewiffe unau§fpred^lid^e Sßeife für ©Ott enbs
lid^, roeil fie für fein Sßiffen nid^t unerfapar ift. ®o ift aud^ bie Un«
enblid^feit ber ^a^Un für ba§ SSiffen ©otteg, burd^ weld^eä fie umfafet
wirb, nid^t unenblid^ unb wir bürfen un§ nid^t l^erauäne^men ,
feinem
Söiffen baburd^ eine ©ren^e ^u fterfen, \ia^ voix fagen, ©Ott !önne, rcemt
tragen raürbe^
5ri§ Söille ift ber menfd^tic^e @eift frei; nad^ Slnalogie üon i^m
gebadet, ift 'ak gottlid^e SSefenl^eit al§ WiUt fd^led^t^tn frei, nid^t
ein (Sd^atten t)on ^^ot^menbigfeit fann auf fie fallen 2. Sßie ferner
unb jtl^un an feinen SCßed^fel ju benfen ; aud^ fein ^Bollen unb S^l^un ift
bare SöiHe ift ein fold^er, ber nidfit balb rciK unb balb nid^t tritt, ber
nid^t Dom Df^id^trcolfen jum SS^otlen, oom ^f^id^tt^un jum ^l^un übergel^t,
in bem fein fpdterer ©ntfd^IuB auf einen frül^eren folgt unb nod^ tüCs
niger ein fpdterer (5ntfd^Iu§ ben früheren aufl^eben ober dnbern würbe.
3)kn barf nid^t benfen, \>a^ ©Ott anber§ afficirt fei, wenn er rul^t,
anber§, rcenn er wirft, weil man ron i^m gar nid^t fagen barf, bafe
nid^t gewefen. ©enn wer afficirt wirb, erleibet eima^ unb aUeä, ma^
eUva^ erleibet, ift wanbelbar, ha^ Unwanbelbare bagegen ift reine
5lctualitdt. ^an barf bei feiner D^ul^e nid^t an Unt^dtigfeit unb ^dg=
l^eit unb bei feinem SS^irfen nid^t an ^Trbeit, ^IJ^ül^e unb 5Inftrengung
benfen. 6t rvti^ rulienb ^u l^anbetn unb l^anbelnb ^u rul^en. (Sr fann
bei einem neuen 3Ber! nid^t einen neuen, fonbern nur einen ewigen
9flat]^|(^(uB ausführen ^.
tatem, quoniam ex nulla specie motuve mutaris, nee temporibus variatur vo-
luntas tua ,
quia non est immortalis voluntas ,
quae alia et alia est. Ibid.
2Ba§ ©Ott tritt, ta^ vermag er aud^, b. 1^. ®ott tft atlmdd^tig^
Unb er rermag atteg, voa^ er tt)ttt, burd§ feinen Bloßen Sßttten, ol^ne
nod^ t^un, fo baö er aud§ in etl^ifc^er §infid§t ha§ benfbar pd^fte unb
Dottfommenfte Söefen, b. 1^. fd^Ied^t^in heilig ift. 33ofe§ motten ober
er baäienige, ma§ er mitt, nur gum 23eften feiner ©efc^öpfe mitt, unb
bk unenblid^e ©ered^tigfeit ©otteä, ber gemäß er ba§ ©ute be^
§ 21.
aber !önnte unb bod^ nid^t bercirfte, fo märe er neibifd^, ma§ bem 33e=
benn er genügt fid^ felbft unb bebarf l^iep feiner t)on i^m üerfc^iebenen
SBefen. 6eine unenblid^e 35ottfommen]^eit fd[jtießt in fid^ feine unenb::
ii^e (Beligfeit, hk burd^ W ©d^öpfung feinen ^urvad)^ befommen
!onnte; feine fc^opferifd^e SSirffamfeit fommt nur ben ©efd^öpfen felbft
per tempora varietur nee ejus voluntas extra ejus substantiam sit? Unde
eum non modo modo
velle hoc semper velle
velle illud, sed semel et simul et
omnia, quae vult, non iterum et iterum, neque nunc ista nunc illa, nee
velle postea, quod nolebat, aut nolle, quod prius volebat, quia talis volun-
tas mutabilis est et omne mutabile aefcernum non est; Dens autem noster
aeternus est.
^ De civit. Dei XXI, 7; De Genes, ad lit. lib. imp. c. 15: Accipi etiam
potest tenebrarum nomine ipsum omnino nihilum quod non feeit Deus et ,
,
unde fecit, quaecunque facere pro sua ineffabili bonitate dignatus est, cum
Sit omnipotens, qui etiam de nihilo tanta fecit.
2 De civit. Dei XXII, 25.
192 33ieTtcr XJ^etl.
fonnen, fd^uf er^ ^a^er ift nid^t einmal W (^^xe unb 33er^errltd^ung
©olteä ber l)öc^fte (Snb^rcecf ber 8cf)opfung, rceil ja ©Ott, ber unenblic^
DoUfommen unb in fid^ felbft unenblid^ feiig ift, burd^ hie 3Sere]^vung
Don Seiten ber ©ejd^opfe nic^t§ gerainnen fann; nielmel^r foHen biefe
il^n eieren unb Der]^errli($en p bem ^n>ed, baB fte ron i^m §eil unb
Scligfeit empfangen 2. 2Bill man alfo nad^ einem 33eftimmung§grunb
im göttlichen Sd^öpferraillen felbft fragen, fo fann at§ fold^er nur bie
©Ute ober ßiebe ©otteä angefe^en raerben. 3^^1"öfern ift bie 5ßelt=
fi^öpfung eine Offenbarung ber göttlid^en @üte^ (J§ ift ein großer
^rrt^um, raenn hk ^Oianic^aer, W bem guten ^rtncip ein bofeg gegen=
raenbigfeit raar üor^anben. ^enn \>k göttlicfie @üte fonnte ®ott nid^t
in ber Sßeife gum Schaffen beftimmen, 'oai bie ^öeltfc^opfung für i§n
eine i)Rot§raenbig!eit geraefen raäre. Malier ift ber §öc^fte @runb ber
©r ^at bie 2Selt gefd^affen, raeil er raollte. Sein 2öille ift ber le^te
1 De Genes, ad lit. IV, 16 : Porro alia res bona praeter ipsum nulla est,
quam ipse non fecit , ac per hoc nulla praeter se alio "bono eget ,
qui bono,
quod fecit, non eget. Sed bona facere, si non posset, nulla esset potentia; si
autem posset nee faceret, magna esset invidentia. Quia ergo est omnipotens
et bonus, omnia valde bona fecit. De civit. Dei XI, 21 Hanc etiam et Plato :
causam condendi mundum justissimam dixit, ut a bono Deo bona opera fierent.
Ibid. XI, 24: In eo vero, quod dicitur: Vidit Deus. quia bonum est, satis
significatur, Deum nulla necessitate, nulla sua cujusquam utilitatis indigentia,
sed sola bonitate fecisse, quod factum est, id est, quia bonum est; quod ideo,
postquam factum est, dicitur, ut res, quae facta est, congruere bonitati, propter
quam factum est, indicetur.
2 De Genes, ad lit. IV, 15—16; ibid. VIII, 11: Ideo verus et solus est
dominus, quia non illi ad suam, sed ad nostram utilitatem salutemque ser-
vimus. Priusquam essem tu eras nee eram cui praestares,
Conf. VIII, 1 : , ; ,
ut essem; et tamen ecce sum ex bonitate tua praeveniente totum hoc, quod
me fecisti et unde me fecisti. Neque enim eguisti me aut ego tale bonum
sum, quo tu adjuveris, Dominus meus et Deus meus; non ut tibi sie serviam,
quasi ne fatigeris in agendo , aut ne minor sit potestas tua careng obsequio
meo, neque ut sie te colam quasi terram, ut sis incultus, si non te colam,
sed ut serviam tibi et colam te, ut de te mihi bene sit, a quo mihi est, ut
sim, cui bene sit.
@runb berfelben, aii^er bem e§ feinen anbeten inel^r gibt nnb über bcn
l^tnauS nad^ feinem weiteren geforfd^t werben fann unb barf. %m bicfen
göttlichen SBiden nod^ einen l^öl^eren ©rnnb fud^en töoHen, l^ief^e über
©Ott noc^ eine l^öl^ere Wla^t fetten, von ber er abl^öngig wäre, nnb fo
bie ^Ibfolntl^eit ©otteg anf^eBen. 5Itfo weber eine ändere nod^ eine
§at, fo fd^uf er fie bod^ nidjt in rein toiUfürlid^er SBeife, nid^t oI)ne
lid^en ©eifte§ ift, ba^ er nid^t ol^ne üevnünftigen ©runb l^anble, fo barf
gefetzt werben ^. ^er ©runb ber SBettbinge aber liegt in ber abfoluten
intelligent f^^^ft; ©^tt fd^uf bie Sßett nad^ bem ^orbilb ber ewigen
3been, weld^e in bem, ©Ott bem 33ater gleid^ ewigen SS orte, im
Sogo§ ©otteö ober in ©ott ©olfin, bem wefenägleidf;en (Sbenbilb ber
oon bem, burd^ ben unb in bem alle SDinge finb (a quo, per quem,
facere coelum et terram? respondendum est eis, ut prius discant vim volun-
tatis humanae, qui voluntatem Dei nosse desiderant. Causas enim voluntatis
Dei scire quaerunt, cum voluntas Dei omnium, quae sunt, ipsa sit causa. Si
enim habet causam voluntas Dei, est aliquid quod antecedat voluntatem Dei, ,
quod nefas est credere. Qui ergo dicit Quare fecit Deus coelum et terram ? :
respondendum est ei: Quia voluit. Voluntas enim Dei causa est coeli et
terrae et ideo major est voluntas Dei, quam coelum et terra. Qui autem
dicit: Quare voluit facere coelum et terram? majus aliquid quaerit, quam est
voluntas Dei nihil autem majus inveniri potest.
:
Deum irrationahiliter omnia condidisse? Quodsi recte dici et credi non po-
test, restat, ut omnia ratione sint condita. Retr. I, 3 Quam (rationem sem- — :
piternam atque incommutabilem, qua fecit Deus mundum) qui esse negat, se-
quitur, ut dicat irrationahiliter Deum fecisse, quod fecit; aut cum faceret vel
antequam faceret, nescisse quid faceret, si apud eum ratio faciendi non erat.
^ Epist. 268 ad Nehr, In se habeat haec tria et prae se gerat, primo
:
ut Sit, deinde ut hoc vel illud sit, tertio, ut in eo, quod est, maneat, quantum
potest. Primum illud causam ipsam naturae ostentat, ex qua sunt omnia.
Alterum speciem per quam fabricantur et quodammodo formantur omnia.
,
in quo sunt omnia). ^er 2ogo§ t[t eine göttlicfie ^erfon unb infofern
an pd^ ein Moment im trinitarijd^en ßeben ®otte§; fofern er aber bie
Sßeltibee in \\6) trägt, liegt in i^m ^ugtetdj hie ^ejiel^ung ber ©ottlfieit
auf ein 2lnbere§ alg fie felBft. (5r ift ber (5;ompIe): beä ^nteüigibeln,
mit bem, roie rair früher gefeiten, ber menjrfilid^e ©eift in unmittelbarem
dontact ftel^t unb ha^ in ben formen ber gefd^affenen ©tnge jur ©r-
fd^einung fommt. ©iefer Inbegriff beg ^^^^'^^Ö^^^^^ r
^^^ ^^^ neiblofe
©Ott in ben SSettbingen jur (Srfd^einung fommen lie^, ift ha^ Urbitb
ber SCöelt, biefe atfo ein SIbbilb be§ intetligibeln £ogo§ über ber gött-
2ll§ intetligibteg gottlid^eä Urbitb ber Sßelt ift ber ßogo§ bie um
oeranberlidie Sßa^rl^eit in i^rer abfoluten (Sinfad^^eit. 3n il^m i^t nv-
fprünglii^ unb unoeränbert aKe§ gumat, nic^t nur, n)a§ gegenraartig fid^
in ber 2Belt befinbet, fonbern aud^, mag mar unb fein rcirb. ©ort
aber mar eg raeber, nod^ mirb e§ fein, fonbern ift nur unb 2ltleg ift
Seben unb 5lIIeä ift ©inä K 2II§ fd^opferifd^eg ^rincip aber, burc^ ha^
2((Ie§ gemad^t mürbe, ift er eine gemifjegorm, aber nid^t eine geformte
gorm (forma formata), fonbern bie gorm aUeS ©eformten, bie unoer?
2lbnal^me unb ?D^angeI, ol^ne ^dt unb Otaum, ^Illeg überragenb, für
5l[leä forco^I ber ©runb, morin eg ift, al§ audE) ber 3^^^P^"^*f "^^^^^
bem eg ift. Sßenn man fagt, baß in i|m 5I(Ieä ift, fo lügt man nid^t.
3)enn @otte§ Sßort rairb ©otteg ^ti^dt genannt, unb eg 'i)ti)^t in ber
unb reränberltc^en befinben. ©er Sogo§ ift eine gemiffe ^unft be§ all:
©inge; in i^m erfennt ©ott alleä, mag er burd^ il^n gefd^affen l^at^.
ventium incommutabilium. —
Ibi novit omnia Deus, quae fecit per ipsam.
§ 21. 5Die göttlid^en ^becn. 195
^iefe vox\vdÜ\(S)en, eraigen ©rünbe ber SDinge im ßogo§ finb nic^t btofe
fo Toie ber ^'ünftler t)on aufeen bem ©toffe eine gorm aufprägt, fon=
bern fie finb bie inneren, W ^inge in il^rer Söefen^eit unb gorm
fe^enben ßebenägrünbe , raeil ja ber ßogoä ha^ intedigible Urbitb ber
Söelt ift, \)k 233e(tibee alfo §u i^m nid^t in einem btofe äu^erlid^en SSer=
l^dltni^ fielet, fonbern ein ^ÖJoment feine§ Sßefenä bilbet. 5lber eg ift
Sogo§ alä alius Dei gebadet rcerben mu^, loö^renb tk 51ßelt ba^
aliud Dei ift ^
^iefe ©rünbe affer ®inge im göttli(^en Sogog fei^t Sluguftinug
gleid^ ben platonifd^en 3^een unb nennt fie, ä^nlid; U)ie ^(ato, bie
Jebes in ber ^dt, alfo im SKed^fel unb in ber 3^eränberung fid^ bar=
lebenbe SDing fid^ geftaltet, raäl^renb fie felber, alö eraig unb unt)eränber>
üd^, nid^t erft geftaltet raurben^. ^a, 5luguftinuä fd^lteBt fid^ im 2lu§^-
continet ea, aliter autem in illo sunt ea, quae ipse est.
2 De div. quaest. 83 qu. 46 Sunt namque ideae principales formae :
quaedam vel rationes rerum stabiles atque incommutabiles quae ipsae for- ,
matae non sunt ac per hoc aeternae ac semper eodem modo sese habentes,
quae in divina intelligentia continentur. Et cum ipsae neque oriantur neque
intereant, secundum eas tarnen formari dicitur omne, quod oriri et interire
potest, et omne, quod oritur et interit. Quis autem religiosus et vera religione
imbutus, quamvis nondum possit haec intueri, negare tarnen audeat, immo
non etiam profiteatur omnia quae sunt id est quaecunque in suo genere
,
,
,
,
propria quadam natura continentur, ut sint, Deo auctore esse procreata eoque
auctore omnia, quae vivunt, vivere atque universalem rerum incolumitatem
ordinemque ipsum, quo ea quae mutantur, suos temporales cursus certo
,
didisse? Quod si recte dici vel credi non potest, restat, ut omnia ratione sint
condita. Nee eadem ratione homo, qua equus: hoc enim absurdum est exi-
stimare. Singula igitur propriis sunt creata rationibus. Has autem rationes
ubi arbitrandum est esse nisi in ipsa mente creatoris ? Non enim extra se
,
13*
196 SStertcr tl^cit.
hxnd fo rcett an $Iato an, ha^ er an einer 8teKe fagt, bie 2öelt fei
beffer geraejen in ber 3^ee, al§ fie in 5ßir!(id^feit ift, fie fei realerer,
felbft aud^ ercig unb uuüeränberlid^ finb. SInbererfeitg gebrandet er, roie
^(ato, ha^ 23eifpiel üom menfd^lid^en ^ünftler, ber t)on bem, rca§ er
geftatten voiU, guüor hk 3^ee al§ ^unftform in fid^ tragt; unb er tl^ut
menfdjiidjen £ünftler§ unb ben 3been ®otte§. ©rftere, fagt er, finb
rationes principales appellavit ideas Plato: non solum sunt ideae, sed ipsae
verae sunt, quia aeternae sunt, et ejusmodi atque incommutabiles manent,
quarum participatione fit ut sit, quidquid est, quoquomodo est.
jelne 3been angenommen l^abe, fo ift bieg bei Sluguftinug aufeer ^tüeifel.
5Da er le^rt, ha^ jegtid^eä 6etn cor feiner jeitlid^en (^rfd^einung fd^on
in. ber götttid^en intelligent ^t'oa^t ift, fo ift eg nad^ il§m an^ fd^on
fetbft in feiner ©injel^eit aB ^htt in ©Ott. SDie 3^een finb nid^t Ho§
W aHgemeinen Urformen ber ^inge, fonbern fte bejiel^en fid) and^ auf
baä ©injelne; für jebeä einzelne ©ing e^iftirt in ®ott ein eigener, eroiger
2.
SSernunftgrunb, eine eigentl^ümlid^e ^hzz, ba fein Sßiffen 5l(Ie§ umfaßt
5Da fein SBiffen mit feinem Sßefen ibentifd^ unb biefeä abfotut einfach
ift, fo fönnte man freilid^ hk grage erljeben, raie man fid^ eine göttlid^e
Sßettibee benfen foll, in rceld^er ba§ (Sinjetne geraupt wirb, ol^ne baf?
in (^inl^eit^.
SDiefe n)äre nun hk fiel^re be§ 5(uguftinu§ über bie göttlid^en 3^een.
^an !ann nid&t beftreiten, bag fie fid^ üoKfommen auf bem rein tl^eifti=
abfohlten ßaufalitöt unb ben t)on il^m gefd^affenen fingen allen ^an^
tl^eigmuä au§fd§Iie§t. ^Serantafet burd^ feinen ^ampf gegen hk Wla=
nid^äer, ^at gerabe 5luguftiiuiä ben ^ant^ei^muä ber alten ^{)i(ofop^ie
im ^rincip befämpft, raie feiner oor i^m. 5lnbererfeit§ aber fal^ er fid^,
* Conf. I, 6 : Apud
rerum omnium instabilium stant causae et rerum
te
omnium mutabilium immutabiles manent origines et omnium irrationabilium
et temporalium sempiternae vivunt rationes.
2 De civit. Dei XI, 10; XII, 26.
ntc^t, mein ©Ott, fagt er, id) lüäre burd;au§ nid^t, rcäreft bu nid^t in
mir. Ober mufe id^ nid^t üielmel^r fagen : id) rcdre nid^t, rcäre icf) nid^t
2l(Ie§ bir fein (Sein oerbanft unb baJ3 51lleg in bir begrenzt ift, aber
nid^t mt im D^aume, fonbern lüeit bu 5lüe§ in beiner $anb, in beiner
fid^t, rceld^e ©ott jur SSeltfeele mad^t^. ®ie Sßett erraeiät fid^ i^m
baburd^ fd^on alä erjd^affen, baß fie üerdnberlid^ ift; benn ba§ Un^
gefdfjaffene, baö feinen ^afeinggrunb in fid^ felbft l^at, ift uuüerdnberlid^;
ujdre atfo bie Sßett rcefenögleid^ mit ©Ott, fo müßte fie ein unüerdnber=
lid^eä 2ßefen l^aben*. ^ie 2öelt, fagt er, !onnte o^ne biefe 3^ttianenj
©otte§ in i^r nid^t befte^en^, aber fie ift nid^t au§ bem Sßeien ©otteS,
fonbern üon ©Ott au§ ^\(i)t§ erfd^affen, fo baß ©Ott jraar not^menbig
alleä rcal^re ©ein umfaßt, aber bod& in foldfjer SSeife, bafe er 3Rid^t§ uon
atten fingen ber 5öelt ift, fonbern biefe ein relatio eigene^ 6ein l^aben,
unb bafe er ^mar Me§ in ben fingen n)ir!t, aber fo mirft, ha^ biefe
©ein nid^t t)om abfoluten abtrennen unb le^rt beß^alb bie ^^nmanen^
ber ^öeltibee, be§ mundus intelligibilis, im göttlichen £ogo§, fo baß
corporis universi praesente potentia tenet Universum. Non enim fecit atque
disceasit effectumque deseruit. —
lila effectoria vis vacare non potest, quin
id, quod ab eo factum est, tueatur et specie carere non sinat, qua est, in
quantumcunque est. Quod enim per se non est, si deseratur ab eo, per quod .
sed sicut Deus, id est ubique totus: nullis inclusus locis, ex nuUa parte mu-
tabilis implens coelum et terram praesente potentia
, non indigente natura. ,
Sic itaque administrat omnia, quae creavit, ut etiara ipsa proprios exercere
et agere motus sinat. Quamvis enim nihil esse possint sine ipso non sunt, ,
quod ipse.
S 21. :^ie göttUd^en ^bcen. 199
na(^ i^m ®ott nid^t, tüie ein irbifd^er Sßevhneiftev , ein äuf^erltd^eä 9J^a=
terial notl^roenbtg l^at, fonbevn bafe ev ba§, rcaä er fc^afft, au§ ber
eigenen ;Öebengfütte fdjöpft, ba^ bie göttlid^en 3been nidjt Mo^e ^.^pen
finb, nad) benen baö enbtid^e ©ein geftaltet n)evben joll, fonbevn si^Ö^ei»^
bie {ebenbigen ©rünbe unb j^eime, rcetd^e \\d) in ber 2öelt e^pliciren.
3lber bie pantl^eiftifd^e 5lnffaffung biefer Seigre raeiät er babnrc^ ab, ha^
er raiebernm §n)ifd)en ber Smmanenj ber ^Beltibee in ®ott nnb ber ^m-
manen3 ber eigenen göttlidjen SSefenl^eit in @ott wo^ unterfd^eibet S bafe
er betont, bie Sßelt fei üon ©Ott bnrd; ben ßogo§ an§ '^i(i)t^ ge^
benen ein üon ©Ott au§ S^lidjtg gefd^affener ©toff geftaltet raerben foU.
©Ott — baä ift feine Seigre — jeugte auä fid^ ben Sogo§, fein n)efen§=
gleid^eä ©benbilb, nnb fd^nf bnrd^ ben Sogo§ bie Sffielt alg ein 51 b?
bitb ber in tetU gibein Sßefenl^eit be§ göttlid^en fiogo§, fo bafe bie
il^rer abfoluten ©in^eit ju ben!en ; in jener ^Siell^eit f)at fid^ biefe ©inl^eit
raeßl^atb biefem, n)ie rair an einem anberen Orte bargetl^an l^aben, ebenfo
habet similitudinem Dei, quandoquidem Deus fecit omnia bona valde, non ob
aliud, nisi quia ipse summe bonus est? In quantum ergo bonum est, quid-
quid est, in tantuni scilicet quam vis longe distantem, habet tamen nonnullam
similitudinem summi boni. Ibid. VII, 3: Ex quo fit,ut de nihilo crea-
verit omnia, de se autem non creaverit, sed genuerit, quod sibi par esset,
quam filium Dei nominamus, quem, cum planius enuntiare conamur, Dei vir-
tutem et Dei sapientiam nominamus, per quam fecit omnia, quae de nihilo
facta sunt. —
Cujus (be§ göttlid^en 2ogo§) exemplo et nos non discedamus a
Deo quia et nos imago Dei sumus. Non quidem aequalis facta quippe a
,
,
patre per filium, non nata de patre sicut illa. Et nos, quia illuminamur
lumine, illa vero quia lumen illuminans. Ibid. VI, 10
,
Hie in rebus cor- :
poreis non tantum est res una, quantum tres simul et plus aliquid sunt duae
quam una res. Ceterum in illa summa trinitate tantum est una quam tres
simul nee plus aliquid sunt duae quam una. — Ita et singula cuncta sunt in
singulis omnia in singulis et singula in omnibus et omnia in omnibus et
et
unum omnia. Qui videt hoc vel ex parte vel per speculum et in aenigmate,
gaudeat cognoscens Deum.
200 23ierter Stilett.
§ 22.
raar; fte trar al§ göttüd^er ©ebanfe, ha man nid^t annehmen fann, baß
©Ott ürva^ fd^uf, ba§ er nid^t fannte, aber fie raar nid^t, wk [k je^t
i^rer 9^atur nad^ ift ^ @§ tft eben bie SBettibee, W al§ götttid^er ®e=
banfe aUerbingä mit bem 2öefen ©otteä ibentifc^ ift, alg fd^öpferifc^er
©ebanfe jn faffen unb in hk\em 6inne alä gormprtncip ber 2öelt, a(§
etroaä 5tnbere§ W 3bee unb etn)a§ 5Inbere§ ba§ creatürltd^e ©ein; bie
©inge finb bie croigen ©ebanfen ©otteg, finb aber baburd; gemorben,
ha^ fid^ in il^nen jene fc^öpferifd^en ©ebanfen alä ^'^^'"^P^^^cipien , mit
einer beftimmungggemäfeen (Energie unb plaftifd^en ^raft unb at§ eraigeS
©e[ei^ i^reä ©ein§ in ber gorm be§ oeränbertid^en ,
jeitlid^en ©afcinö
^ur beftimmten (Sntiüicfelnng offenbaren unb barteben ^, bafe fie fid^ offen=
baren alg bie ©rünbe unb jleime, oou unb nad^ meldten in urfprüng-
lid^er ©efet^mö^igfeit ha^ enblid^e (Bein geftaltet ift *. 2öeil aber anbrer=
erant. Quomodo ergo Deo nota erant, quae non erant? Et rursus quomodo
ea faceret, quae sibi nota non erant? Non enim quidquam fecit ignorans.
Nota ergo fecit, non facta cognovit. Proinde antequam fierent, et erffnt et
non erant; erant in Dei scientia, non erant in sua natura.
2 Ibid. V, 15: Priusquam fierent, apud illum erant eo modo nota, quo
serapiterne atque incommutabiliter vivunt et vita sunt: facta autem eo modo,
quo unaquaeque natura in genere suo est. De lib. arb. II, 17: Conficitur
itaque, ut et corpus et animus forma quadam immutabili et semper manente
formentur. Si enim omnia, quae sunt, forma penitus subtracta nuUa erunt,
forma ipsa incommutabilis, per quam mutabilia cuncta subsistunt, ut formarum
suarum numeris impleantur et agantur, ipsa est eorum Providentia; non enim
ista essent, si illa non esset.
^ De Genes, ad lit. IV, 33: Deus condidit omnia, quae per illum sunt
condita, ut hoc, quod nunc temporalibus intervallis ea videri videmus ad
peragenda, quae suo cuique generi competunt, ex Ulis insitis rationibus veniat,
quas tamquam seminaliter sparsit Deus in ictu condendi.
^ De trinit. III, 8 : Invisibilium enim seminum creator ipse creator est
§ 22. üDie Sbeen unb ba§ eiiblid^e «Sein. 201
ibenttfd^ finb, fo finb hie enblid^en ^inge ^max iiid^t gleidjiuefentlirf; mit
biefen @eban!en, aber bod^ eine Offenbarung, ein 5lbbilb beg götttt($en
2ßefen§, beg eraigen gormprincip§ , fo ba^ \\^, rate rair bereite in bev
5ßefen, je nac^ ber ©tnfe beg enblid^en ©einä in mel^r ober raeniger
öollfommener 2öeife, funbgibt. ^a bagfelbe eine inteUigible 2öefen=
l^eit ift, fo mn§ e§ fid^ um fo Dollfommener in ber ^^orm eineä ^tngcg
funbgeben, je me^r btefeä ^ntelligibleg an fid^ l^at, alfo am t)oII!ommen=
8etn fei raa^rer aU ha^ förperlid^e. SDie^ ift ber metapl^^fifd^e ©rnnb
baoon, ha'^ rair bie intelligible 33}efen^eit ®otte§ au§ ber fld^tbaren
2ße(t, nod^ raeit üoHfommener aber au§ bem intedigibeln ^^neren be^
'OJienfd^en ju ernennen oermogen. @ott ift bie unraanbelbare gorm aller
raanbelbaren formen, oon i^m, in i^m unb burd^ i^n ift alle§ formbare
33eränberlid^e, er ift bie (Sinl^eit, burc^ wtl(i)t jebeS ^ing ein§ ift, bie
2ißal^rl^eit, burd^ raeld^e ade ^inge raal^r finb, bie ^d^önl^eit, burd^
raeld^e bie SDinge fd^ön finb, ta^ @ute, burd^ raeld^eg bie SDinge gut
finb; baburd^, ba^ er bie SDinge formte, finb fie eing, raal^r, fd^ön unb
gut* unb fo ein '^Wüh feiner Sßefenl^eit, biefer äl^nlid^^ eine 9^ad)5
fie ber gorm raenigftenä fällig ift, al§ etroaä @uteä angufe^en 3. 2Benn
bal^er hk förperUc^e 3^atur a-
^. nicf)t bie öolle @enauig!eit unb 6d^ön=
^eit ber geometrifd^en gorm erreicht, fo liegt bod^ in ber Sle^nlid^fcit mit
biefer, in ber D^lad^a^mung berfetbeu, follie eä aud^ nur eine fd;it)ad^c
* De Music. VI, 11: Quae vero superiora sunt, nisi illa, in quibus summa,
inconcussa, incommutabilis et aeterna manet aequalitas? Ubi nullum est tem-
pus, quia nulla mutabilitas unde tempora fabricantur et ordinantur et
est, et
modificantur aeternitatem imitantia,dum coeli conversio ad idem redit et coe-
lestia Corpora ad idem revocat diebusque et mensibus et annis et lustris
ceierisque siderum ordinibus legibusque aequalitatis et unitatis et ordinationis
obtemperat. Ita coelestibus terrena subjecta orbes temporum suorum nume-
rosa successione quasi carmini universitatis consociant.
2 De Genes, ad lit. IV, 2 Secundum id quod novimus mensuram in
:
,
quae metiri possunt, ut videatur mensura sine mensura, excedere omnia, (^ae
numerari possunt, ut videatur numerus sine numero, excedere omnia, quae
appendi possunt, ut videatur pondus sine pondere.
De civit. Dei XII, 5; conf. XII, 22: Sicut dicimus, amplius bonum
^
esse,quod creatum atque formatum est, ita fatemur, minus bonum esse, quod
factum est creabile atque formabile, sed tarnen bonum. De nat. bon. c. 18: —
Hylen dico quandam penitus informem et sine qualitate materiam, unde istae,
quas sentimus qualitates, formantur. —
Nee ista ergo hyle malurfi dicenda
est, quae non per aliquam speciem sentiri, sed per omnimodam speciei pri-
vationem cogitari vix potest. Habet enim et ipsa capacitatem formarum.
Porro si bonum aliquid est forma, prncul dubio bonum aliquod est etiam ca-
pacitas formae. — Contr. advers. leg. et prophet. c. 8 : Ergo et ipsam (ma-
teriem) Deus fecit. Nee mala est putanda, quia informiß, sed bona est in-
telligenda, quia formabilis, id est, formationis capax. Omnium si boni aliquid
est forma, nonnihil est boni, esse capacem boni.
§ 22. 5)ie ^bcen unb \>a^ cubtid^c «Sein. 203
t^örtd^t tft bte 5tnfid^t be§ ^orpl^pvtug, ml6)tv behauptet, hk 6eele fei
mit ber !örpevlid)en ^ilatur üerbuiibeu raovben, bamit fte \)k Uebel bev
Materie fennen lerne unb babnri^ belehrt, fid^ jum ©uten jurütfraenbe;
anberen unb bie ®inge finb nur befe^alb ungleid^, um atleS ju fein.
@ott konnten fie freilid^ nid^t gteid^ werben, gerabe wtil fte werben unb
bal^er ber S^eränberung unterworfen fein mußten, aber alleä in ber 2Belt
ift nad^ \)en ewigen 3^een ber ©d^ön^eit unb (^3ük georbnet, -alfo ©Ott
äl^nlid^ nad^ Derfdf)iebenen ©raben ber Slel^nlid^Mt. Unb jwar ift ©Ott
berart ein großer ^ünftler im ©ro^en, ba^ er nid[)t kleiner ift im
kleinen, baä nid^t nad^ feiner ©rö^e, fonbern nad^ ber 3öciä§eit beg
^ünftlerS gemeffen werben mu^. 2Bie faft gar nid^tS würbe j. 23. an
ber ©eftatt be§ fid^tbaren ^enfd^en ^inwcggenommen, wenn eine 3tugen-
fel^r fd^ön unb gut; bie ©dfjönl^eit unb ©üte be§ ©anjen übertrifft nod^
bie ber einzelnen Sl^eile ^. ^n ber ©efammtl^eit iljrer ^l^eile ift fte ferner
nid^t blo6 fel^r fd^ön unb gut, fonbern aud^ oollftänbig, eine univer-
sitas"^, babei aber ein fo ein^eitUd^eg ©anje, ba^ fte ein 5lbbilb
ber ^'in^eit be§ göttlid^en Sßefenä barfteHt. ^ie SSeltibee, fofern fie mit
bem Söefen beg göttlidljen ßogoä ibentifc^ ift, l^aben wir, getnäfe ber ah^
^u benfen. ^ie 3ßelt aber ift nid^t einfad^ wk ba§ ©wige, fonbern
' Enchirid.
c. 10 Bona etiam singula.
: Simul vero universa valde bona,
quia ex omnibus consistit universitatis admirabilis pulchritudo. Conf. —
XIII, 28 Vidisti omnia
: quae fecisti et ecce non solum bona sed etiam
,
, ,
valde bona tanquam simul omnia. Nam singula tantum bona erant, simul
autem omnia et bona et valde. Hoc modo dicuntur quaeque pulchra corpora,
quia longe multo pulchrius est corpus, quod ex membris pulchris omnibus
constat quam ipsa membra singula, quorum ordinatissimo conventu completur
Universum, quamvis et illa etiam singulatim pulchra sint.
* De div. qu. 83 qu. 41: Non
essent aequalia; non
essent omnia. si
enim essent multa rerum genera, quibus conficitur universitas, primas et se-
cundas et deinceps usque ad ultimas ordinatas habens creaturas, et hoc est,
quod dicitur omnia.
204 33icrtcr Zf)dl
manntgfad^, jebod^ aB Slbbilb beä ©rotgen, einl^ettltd^ ; fie ift tl^rer 3bee
nad^ ein einl^eitltcleö ©aii^e; aber biefe 3^ee fteHt fid^ in ber äußeren
fdjön unb gut, in ber ©efammtl^eit il^rer 3:i^eile aber fel^r fd^ön unb
gut ift, fo ift fie aud^ in i^ren Dielen einzelnen ^t^eilen fd^ön unb gut,
in i^rer J^armonifd^en (Sinl^eit aber fel)r fd)ön unb gut unb l^eiJ3t alä
W\c^ einl^eitlid^e unb üollftänbige ©aii^e Uniücrfum^.
21B Uniüerfum, al§ ein einl^eitlid^eä unb üollftänbigeä ©aiije, muffen
rair Vie 2öelt un§ benfen, mögen wir fie nun alg 5Ibbilb ber einfad^en
göttlid^en SSefen^eit ober aB bie in hk äu^erlid^e 3öirflic^feit gefetzte
üom göttlid^en teufen, ba^ mit bem 2Be)en ©otteg ibentifd^ ift. ©al^er
'Dinge unterfd^eibenbeö ,
fonbern aud^ ein ©inl^eit§=, b. ^. eine ©in^eit
bilbenbeg ^^rincip unb ba§ 5"^^'^"^" f^^^^^ ^^^ (Sin^eitgeben *. Daä Sein
ift begl^alb ibentifd^ mit (Sin§[ein^ 3n ^Jolge beffen ftrebt jebeg Ding
fd^on vermöge feiner 3^atur m^ (^inf)nt *. Unb wa§ t)on ben einzelnen
fingen gilt, g{(t aud^ dou ber Sßelt im ©anjen, beren Orbnung eben
barin beftel^t, ha^ jebeg ein^efne SDing für fid^ eine ©inl^eit; t)on jebeni
anberen burd^ feine eigentl^ümlid^e gorm t)erfd§ieben , aber mit bcr Ovb-
SDie gottlid^e Sßeltibee, burd^ raeld^e ha^ ^11 ber ©inge in feiner
^d^onl^eit unb @üte geraorben ift, erl^ält unb leitet aud^ bie Sßelt.
6ie ift uermöge be§ götttid^en <Sd^öpfern)ilIen§ ha^ ®efe^, burd^ 'tia^
bie natürlid^e Orbnung ber ©inge geraal^rt unb ror (Störung gefd^ül^t
rairb, bie raaltenbe 35orfel^ung für ade im ^ed^fel unb in ber 9Ser=
fein, unb raenn eä fid^ aud^ nod^ fo fel^r oerminbert, fo mu6 bod^ etraaä
unum amo, sed cum discerno purgatum, cum connecto integrum volo. De —
mor. Manich. II, 6 : Nihil est autem esse quam unum esse. Itaque in quan-
tum quodque unitatem adipiscitur, in tantum est. Unitatis est enim operatio
convenientia et concordia, qua sunt, in quantum sunt ea, quae composita sunt:
nam simplicia per se sunt, quia una sunt; quae autem non sunt simplicia,
concordia partium imitantur unitatem et in tantum sunt, in quantum asse-
quuntur.
* De mus. VI, 17 : Quam ob rem quisquis fatetur, nullam esse naturam,
quae non, ut sit, quidquid est, appetat unitatem.
2 De ver. relig. c. 7 : Omnis enim res vel substantia vel essentia vel
natura vel si quo alio verbo melius enuntiatur, simul haec tria habet, ut et
unum aliquid sit et specie propria discernatur a ceteris et rerum ordinem
non excedat.
^ De lib. Hinc etiam comprehenditur omnia Providentia
arb. II, 17: ,
gubernari. Si enim omnia, quae sunt, forma penitus subtracta nulla erunt,
forma ipsa incommutabilis per quam mutabilia cuncta subsistunt, ut forma-
,
cujus pars est, quam in eo, a quo est, in quo et ipsum Universum est, pro
206 SSicrter Z^dl
^a^er ge^t aud^ bei einem Slbfatt ron ber 3^ee, ben üerniinftig^ freie
©efc^öpfe ]\^ beige^ien lafjen fönnen, nid^t alle gorm perloren, )o baji
baä ©ein üernid^tet mürbe, fonbern burd§ bie 3^ee ift bag ©ein immer
nod^ in irgenb einer 3öeife, fo baß immer nnr ein grabueHer, aber nie;
mala ein üollftdnbiger Dflücffall aug bem ©ein in ba§ 3^Üd^tfein erfolgen
fann ^.
n)ie fie rein an fid^ üon ©rcigfeit l^er im göttlid)en ßogoä finb, ndmlid^
nidEjt gefd^affen, fonbern eraig unb in abfoluter (Sinlieit; anberg in ber
primären etementarifc^en ©ubftanj ber creatürlid^en SSelt, ndmlid^ ge^
fd^affen unb raerbenb, anberä in ben n)irflid)en fingen, rcie fie in golge
tempore creantur, in quibus Adam jam formatus ex limo et Dei flatu anima-
tus, sicut foenum exortum , aliter in seminibus , in quibus rursus quasi pri-
mordiales causae repetuntur quae secundum causas
, de rebus ductae , ,
quas
primum condidit, exstiterant, velut herba ex terra, semen ex herba.
§ 22. ®ic Sbccn unb ba§ cnblid;e ©ein. 207
ber abfotuten ^SoCfenbimg [etenbe ©ein unb \)a^ creatürdd^e ©ein bie in
ber jeitlid^en ©):iftenjn)eife fid^ barlebenbe 3bee. ^n bev 3bee ift bag
©ein am raal^rften unb üoHenbetften ; in jeber anbeten ©piftenjraeife ift
e§ rt)af)v unb üottenbet in beut ®rabe, al§ bie 3bee fid^ an i^m t)ev=
fid^ üerrairüid^t unb auägeftaltet, raag vox^n nod^ nid)t in ber (5-rfd^ei=
nung raar, fid^ nod^ nid)t üerrcirflid^t unb auggeftattet l^atte, n3eil e§
^Serben, feienb unb nod^ nid)tfeienb ift 2. (Srft am ß-nbe aller jeitlid^en
($Tbe n)irb, neu nid^t burd^ Untergang ber ©ubftan^, fonbern burd^ Um^
geftattung ber gorm ^.
agunt, quod non in istis causaliter factum sit inchoata vero, quoniam quaedam ;
ift nid^t raie ein menjdilid^er ^ünftler, ber M förperlic^en fingen blofe
äu^erUd^ eine gorm anbringen fann, fonbern er ift eg, ber ©inge ^u
erfc^ äffen ujeiB, tüie roir benn M alTen entfte^enben unb üerge^enben
fingen ber 2öelt fe^en, baB i^re gormen nitfit üon auBen ange=
ber einen Körper au§ bem anbern bilbet nad^ bem ßrmeffen feiner ©ee(e,
bie ba§ 33ermögen befi^t, fo gut e§ eben geljt, einem Körper W ©eftalt
ju geben, hk fie i^m geben raiH, unb ber biefe ©eftalt nur einem bereite
ber enblid^en S)inge auf Df^ed^nung ber 3^legation unb laffe bejjl^atb ^IIe§
(Snblid^e, fonieit eä enblid^ ift, ber 91egation üerfaUen fein; a(ä lel)ve er,
'oa^ ©ein ber Sßett, ha^ 33eranberlic^e in i^r ftamme oon ber 9^Jegation,
^abc, unb fo unterfc^eibe fidj bie 2Be(t oon ®ott baburd^, bau in il^r
Nam unde tibi hoc, quod tu non feceras, unde aliquid faceres? Quid enim
est, nisi quia tu es ?
3 De nat. boni c. 2G: Non de bis rebus, quae jam erant, sed de bis,
alfo burd§ ba§ minus esse gegenüber bem summe esse. 5luguftinu§
vertritt feine anbete ße^re aB bie trabitioneU ürc^ttc^e non bev ©d^öpfung
au§ S^ic^tg. ©d^Ort ber Slu^brutf summe esse beutet !Iar barauf ^tn,
bag, n)ie iDtr fpäter fe^en raerben, 5i[uguft{nu§ ntd^t einen Unterfd^ieb
3roar Tüurbe bie ftrfjtbare 2BeIt aug einer fornilofen ^laterie ge=
bilbet, üon ber rair un§ feine abäquate ^SorftelTung Bilben, fonbern nur
fa^en fönnen, ba^ fte feine inteüigible ©ein^form ift, roeit hk ?iJtaterie
ha^ gorm^ unb ©eftaltlofe nid^t finnlid) rcal^rnel^mbar ift 2. 5(ber uid^t
biefe ungeftaltete ^Ocaterie ift \ia^ ^Rid^tS, auö bem W SSelt gefd^affen
Tüurbe;' fte fte^t tüo^I bem 9^ic^t§ na^e, in ber ?0^itte ^raifd^en ©eftalt
unb "^U^t^, nid^t ©eftalt unb aud^ nid^t B^lid^tg, ein gaft=^{d)t§ ^ aber
an fid^ ift fie bereite ^tma§ %oxm'baxe^, für bie ©eftaltung ©mpfäng=
Itd^eä '^.
©amit alfo, ha^ bie SSelt auä 9^id§t§ gefd^affeu raorben fei, ift
nid^t bto^ gefagt, ha^ fte au§ einer formtofen ?0^aterie geftaltet rcurbe,
fonbern ha^ fie aii§ einer foId)en formtofen ?[Raterte geftaltet rourbe,
W felber a\i§ bem abfolnten "^1^)1^ in^g ©afein gernfen tüorben ift^.
1 Conf. VII, 11: Et inspexi cetera infra te et vidi nee omnino esse nee
omnino non esse. Esse quidem, quoniam abs te sunt, non esse autem, quoniam
id, quod es, non sunt. Id enim vere est, quod incommutabiliter manet.
2 Conf. XII, 5.
^ Ibid. XII, 6:enim non esse censebam, quod omni forma pri-
Citius
varetur, quam cogltabam quiddam inter formam et nihil, nee formatum nee
nihil, informe prope nihil.
* Ibid. autem totum prope nihil erat, quoniam adhuc in-
XII, 8: Illud
forme erat; jam tamen erat quod formari poterat. Ibid. XIII, 33: De nihilo
enim a te, non de te facta sunt, non de te aliqua, non de tua, vel quae antea
fuerit, sed de concreata, id est, simul a te creata materia, qui ejus informitatem
sine Ulla temporis interpositione formasti. Nam cum aliud sit coeli et terrae
materies, aliud coeli et terrae species materiem quidem de omnino nihilo,
,
^üburd^, bafe ®ott für bie erotgen. gormprincipten ein gormBare§, eine
formlofe 93ktevie aus bem 9^id)tä in'g Sai'ein rief unb bicfe burd^ jene
an^uneljtnen, @ütt ber 5111mäc[)tige i)aht etiraä gebrandet, raaö i^n jnr
©c^öpfnng ber £)inge nnterftüt^te , of)ne felber üon it)m ^n fein. (Sine
fo(d)e Stnna^me f)öbe gerabe^u ben begriff ber SlUmadjt auf 2. ^ilRan
mundus, haec ipsa facta est omnino de nihilo. Nam et quod nondum forma-
tum est, tarnen aliquo modo, ut formari possit, inchoatum est, Dei beneficio
formabile est. Ideo bonorum omnium auctor, qui praestitit formam, ipse fecit
etiam j)osse formari. Ita omue, quod est, in quantum est, et omne, quod
nondum est, in quantum esse potest, ex Deo habet. Quod alio modo sie dici-
tur Omne formatum, in quantum formatum est, et omne, quod nondum for-
:
de nihilo fecisse, quia, etiamsi omnia formata de ista materia facta- sunt, haec
ipsa materia tamen de omnino nihilo facta est. Non enim debemus esse ai-
miles istis, qui omnipotentem Deum non credunt aliquid de nihilo facere po-
tuisse, cum considerant fabros et quoslibet opifices non posse aliquid fabricare,
nisi habuerint,unde fabricent. Omnipotens autem Dens nulla re adjuvandus
erat, quam ipse non fecerat, ut, quod volebat, efficeret. Si enim ad eas res
quas facere volebat, adjuvabat eum aliqua res, quam ipse non fecerat, non
erat omnipotens, quod sacrilegium est credere. Contr. Fort. Manich. disp. I: —
§ 23. 5Dic (Srotgfeit be§ ©d^öpfungäafteS. 211
§ 23.
^ag bie Sßelt au§ 91t($tä gefi^affen ttiurbe, erbeut \m^ 3Iuguftinu§
fd^on baraug, ba§ fie bem 20öerf){et iinb ber 3}eränberung untevraorfen
ift;. beim ^a^ 3Seränberli(^e tft niä)t ett)tg, alfo ni6)t au§ fi^ felbft^.
TO nid^t in bie Qtit, fonbern ift ein eraiger Mt §ierang ergibt ftd^
mit innerer ^ot^raenbigfeit bie weitere g^^^lge, ha^ bie 2öelt nid)t in
ber ^tit, fonbern W ^dt mit i^r erfcEiaffen raurbe, rceil biefe nid^t in
t)or ber Söeltfd^öpfung getrau l^abe unb ob nid^t, wenn er üorl^er mü^ig
xvax , burd§ ben 5l!t ber Sßettfd^öpfung eine 33eränberlid^!eit unb ^tiU
(id^feit in fein 2ße[en tarn, ha ja fein 2Bi(Ie ibentifd^ ift mit feinem
2öefen unb fomit ein neuer 2SitIen§a!t aud^ eine 33eränberung feineä
3Öefen§ wäre*, ob alfo nid^t umgefe^rt, raeit @otte§ 2Befen en)ig ift,
aud^ W ^^it eraig fein mit[{e. SDer 5Infang ber SSelt ift ^ugteii^ ber
5lnfang ber ^ni\ aber ber göttlid^e ©d)öpfung§a!t fällt nid^t felber in
W ^dt, weil ha^ jeitli^e ©ein ja erft \)a^ ^^robuct ber fdljßpferifd^en
^ptigMt ober bie ^dt alä ^Dafeinsform be§ ©efd^affenen erft eine Jolge
Omnipotens non est, qui quaerit adjuvari aliqna materia, unde faciat, quod
velit. — Contr. advers. leg. et proph. c. 8 : Absit, ut dicatur omnipotens non
potuisse facere, nisi, unde faceret, inveniret.
1 De Gen. ad lit. IV, 8 : Rerum condendarum tarn facultas quam facul-
tas incomparabilis atque ineffabilis est apud Deum.
2 De civit. XI, 4 Ecce sunt coelum et terra, clamant,
Dei XII, 1 ; conf. :
quod facta sint. Mutantur enim atque variantur. Clamant etiam, quod se —
ipsa non fecerint ideo sumus quia facta sumus. Non ergo eramus
: ante-
,
,
quam essemus, ut fieri possemus a nobis. Et vox dicentium est ipsa evi-
dentia.
De civit. XI, 6 Si recte discernuntur aeternitas et tempus, quod tem-
3 :
pus sine aliqua mobilitate non est, in aeternitate autem nuUa mutatio est, quis
non videat, quod tempora non fuissent, nisi creatura fieret, quae aliquid ali-
qua motione mutaret?
* Conf. XI, 10; de civit. Dei XI, 4.
14*
212 33ierter 3:^eU.
fann fomit nur t)on einem 5^-ül^er ober ©pöter ber einzelnen ^inge,
aber nid^t oon einem grul^er ober ©pdter ber ganzen Sßelt hie dtthe
fein, ba erft mit ber Sß^elt bie ^dt gegeben ift. (5§ gab freilid^ feine
^eit, rao feine (Kreatur raar, n)ei( mit ber (Kreatur bie Qdt gegeben ift,
alfo raar hk 3ße(t ju jeber ^zit; aber man barf bie (S'migfeit ®otte§,
hk über aller ^dt fte^t, nid^t mit einer immerraä^renben ^eii r)er=
raec^feln, ®ott ift oor ber 3Sett, raeit er hk 2i)e(turfa($e ift; e§ ift l^ier
ein caufateä prius gemeint, nid^t ein jeittic^eä. ©Ott ift in emiger ^S^eife
jeittofer @runb ber Sßelt 2. SSo^l ge^t ber ^eitlic^en Sföett bie ©raigfeit
be§ ©c^öpferg uoraug, ber fie fd[)uf unb il^r ben Einfang gab, aber nic^t
ber ^dt nad^, ba e§ nod^ feine ^dt gab, fonbern ben 2lnfang i^reä
33efte^en§. 5(bfurb rcäre e§ ^u fagen, @ott ^ahe erft ror etraa 6000
3a^ren baran gebadet, fid^ eine SSeltibee ^u bilben, unb ebenfo abjurb
p fagen, @ott Ijabe fid^ erft oor etrja 6000 ^ö^ren baju entfd^Ioffen,
feine SBettibee burd^ bie (Sd^öpfung ju Dernjirflidien. '>Jl\d)t nur bie
Sßettibee ift ein eiüiger ©ebanfe ©otleg, ein ©ebanfe, o^ne ben ©Ott nie
n)ar, fonbern biefer en)ige ©ebanfe ift aud^ oor aller ^dt burd^ hk
>Sd[;öpfung oermirflid^t röorben. ^enn ®otte§ SSiUe ift ercig unb un=
oeränberlid^, fo ha^ er nii^t jemals ttvoa^ raoUte, raa§ er oorl^er nid^t
rcollte, unb mit biefem eraig gleichen Sßiden l^at er aud^ hk ^elt?
fd^öpfung t)on (Sraigfeit l^er geraolTt. (5r l^at fie in feiner raanbellofen
Deus, quemadmodum faeit nunc talia, cum pluit et cum operantur homines.
Haec enim jam per moras temporum fiunt quae tunc non erant cum fecit ,
,
fecit Deus coelum et terram, quid agebat, antequam faceret coelum et terram?
Et quid ei subito placuit facere, quod nunquam antea fecerat per tempora
aeterna? — De civit. Dei XII, 15: Ille semper fuit aeternitate immutabili,
isti autem facti sunt, sed ideo semper fuisse dicuntur, quia omni tempore
fueruntj sine quibus tempora nullo modo esse potuerunt.
§ 23. ©te e-n)ig!eit beä ©d^öpfung§afte§. 213
mä)t Qnfang§to§ unb eraig, fonbern jeitttd^ begrenzt, aber ber OT ber
2BeItf^öpfung tft ror unb über aller 2>^\t ^. ^er Moment beg fd^öpfes
rifd^en 2ßtrfen§ fällt alfo nid^t alö eine 3^i^ i" ®ött, fonbern aufeer
l^Jott in bie (Kreatur. 2öer t)ermöc|te e§ , fagt 5Iuguftinu§ , biefe uner?
grünblid^e unb unerfovfd^Iidöe ^iefe ber ©ottl^eit gu ergrünben unb ju
erfor[d^en, wie @ott nad^ eraigem D^tat^fd^Iu^ 3^^*^^^^^ erfd^uf? 5tIIein
benen, hk fidö haM nid^t Beruljigen raoUen, ift ju erraibern, bafe man
€ben ©Ott nid^t mit bem Wa^ be§ ©nblid^en meffen unb bie ^ptig!eit
©otteg nid^t nad^ ber menfd)lid^cn 3:ptigfeit beurtl^eilen barf. „©enn
barin irren biefe, \)a^ fie ben gan^ unb gar unraanbelbaren ,
jebe Un*
enblid^feit erfaffenben unb off W un^äfiligen ^inge ol^ne SKedifel beä
baren unb befdjränften ©eifte meffen. Unb e§ gefd^iel^t t^nen, roag ber
Wpoftel fagt: fid§ felber mit \id) fetber üergleic^enb, I;aben fie feine (Sins
fid^t. ^enn meil fie, mag immer i^nen 5^eue§ ju tl^un in ben ©inn
fommt, s^folge eineä neuen (Sntfd^luffeg tl^un, "i^a fie einen manbelbaren
<5inn ^aben, fo oergleid^en fie in ber ^l^Ijat, inbem fie nid^t ©Ott, ben
fie ni<S)t benfen fönnen, fonbern ftatt feiner fid^ felbft benfen, nid)t i^n,
fonbern fi$ fetber unb nid§t mit i^m, fonbern mit fid^ felber. Unä
aber ift eg nid§t geftattet, p glauben, \>a^ ©Ott anberö afficirt fei, menn
er rul^t, anber^ , menn er mir!t , meil man üon i§m gar nid^t fagen
barf, ba^ er afficirt merbe, a(§ ob in feiner 9Ratur etmaä mürbe, ma§
öorlier nic^t gemefen. S)enn mer afficirt rcirb, erleibet äwa^, unb affeä,
n)a§ etmaä erleibet, ift roanbelbar. ^O^an barf alfo bei feiner D^ul^e
^ Conf. XII, 15: Num dicetis falsa esse, quae mihi veritas dicit de vera
aeternitate creatoris, quod nequaquam ejus substantia per tempora varietur
nee ejus voluntas extra ejus substantiam sit? Unde non eum modo velle hoc,
modo velle illud, sed semel et simul et semper velle omnia, quae vult, non
iterum et iterum , neque nunc ista nunc illa , nee velle postea ,
quae nolebat,
aut nolle, quae prius volebat: quia talis voluntas mutabilis est, et omne mu-
tabile aeternum non Deus autem noster aeternus est. Item quod mihi
est;
dicitur in aurem interiorem, exspectatio rerum venturarum fit contuitus, cum
venerint; idemque contuitus fit memoria, cum praeterierint omnis porro in- ;
intentio, quae ita variatur, mutabilis est et omne mutabile aeternum non est;
Deus autem noster aeternus est. Haec colligo atque conjungo et invenio,
Deum meum, Deum aeternum, non aliqua tali nova voluntate condidisse crea-
turam nee scientiam ejus transitorium aliquid pati. De civit. Dei XII 14: — ,
l^anbeln unb ^anbelnb ^u ru^en. (5r fann bei einem neuen 59erfe ntc^t
einen neuen, jonbern nur einen eraigen ^atl^jd^luB ausführen, unb er
etraa reut, boB er ficf) früher beä ©cfiaffenä entfialten. 5l6er auc^ raenn
er früher be^ @d^a|fen§ fid^ ent^iielt unb nac^^er rcirfte — rcie baüon
aber dn ^en|c^ ]ic| einen ^egrifi mai^en fann, rüeiB id^ nid^t — ,
ja
raar o^ne 3^^^if^^ ^^^/ ^^^ früher ober jpäter genannt rairb, in htn
©in gen, raetd^e früher nic^t ejciftirten unb fpdter e):i|'tirten. ^n i^m
aber l^at nid^t ein anberer nac^folgenber ^"Öitle einen anberen üorau^?
ge^enben geänbert ober aufgelioben, fonbern buri^ einen unb benfelben
emigen unb unraanbetbaren 2ßi(Ien f)at er berairft, baf3 bie ©inge, rcelc^e
er in§ ©afein rief, früher nid)t raaren, fo lange jie ni(f)t raaren, unb
^
nac^^er raaren, alä fie ^u fein anfingen."
©eB^alb barf man barau§, ^a^ @ott unb barum aud^ ber gött(icf)e
©(^öpfunggaft eraig ift, nic^t fdjliefsen, baö audj bie K^dt eioig fein
muffe, ober ha^ fie jraar t)on @ott gefdf;affen raorben fei, aber feinen
5lnfang ber ^tit, fonbern nur einen Slnfang i^rer ß-rfcfjaffung l^abe, fo
baB fie immerbar, oon ©raigfeit ^er gefd)affen rcdre. ©enn abgelesen
baoon, baB ^it 2öett felbft firf) unö a(ä eine geittidje barftellt, raeif bie
"Sd^öpfung ift ein fid^ felbft auf6ebenber ©ebanfe; raer bie 3^^^^icf)feit
©inne fagt 5Iuguftinu§, ber 33egriff §err fei lebiglid^ oon ber 3Be(t
auä auf ©Ott anjumenben; benn bie (Kreaturen feien nid)t enng, a(fo
fei er aud) ni(^t eroig i^r §err^; roo^t aber fei er immer, ^u-^jeber
3ett §err geroefen unb ^aU bef^^alb aud) immer, ^u ieber3^it sine
(5g fommt fomit atle§ barauf an, baB man bie 33egriffe Qtit unb
Ibid. XI, 4: Qui lioc dicunt, si mundum aetemum sine ullo initio et
2
ideo nee a Deo factum videri volunt, nimis aversi sunt a veritate.
3 De trinit. V, 15 Nam etsi dominus non dicitur, nisi cum jam habere
:
incipit servum, etiam ista appellatio relativa ex tempore est Deo. 5son enim
sempiterna creatura est, cujus est ille dominus.
* Dei XII, 15: Si Dens semper
De civit. fuit dominus, semper habuit
creaturam suo dominatui servientem.
§ 23. 2)ie (ätüigfelt be§ (Sc|öpfiinQ§afte§. 215
^ie ^ergangenljeit nnb 3^i^i^"ft f^^^^ ^^^ ©renken ber ©egenraart, rceld^e
in ber einen r)er[c§n)inbet unb auä ber anberen fierüorge^t. 2ßürbe bie
raäre fie felbft (Jraigfeit, b. f). grenjenlo^. ^ie ^eit aber ift nur eine
folgt, ha^ e§ feine ^dkn gäbe, rcenn nirf)t ein ®efd)öpf geraorben roäre,
ha^ burc^ feine 33en)egung 55eränberung oerurfadjte, eine 53en)egung unb
33eränberung, roobei ha§> (J:ine bem 5Inbern meidet unb nadjfolgt, roeit
nid^t beibeä s^igleic^ fein fann, unb wobei an§ bem längeren ober für^eren
(5ntir)irfehing§üerlaufe hk 3^it fi<$ ergibt, ^arum mu^ bie Söelt nid^t
in ber 3^^^/ fonbern mit ber ^tit erjd)affen rcorben fein. 2Ba§ in ber
3eit wirb, ba§ wirb nac| einer unb oor einer ^e\t\ na^ ber jenigen,
wellte üergangen ift, unb üor berjenigen, w^ld)e ^ufünftig ift. (JS
fonnte aber oor ber @($i)pfung feine oergangene ^dt geben, weil e§
üerlaufen wäre. ?D^it ber ^^\t ift hk 5öelt gefi^affen worben, weil hei
3Be(t fei in ber 3^^^ Ö^fc^öff^n worben, weil bamit eine 3^^^ ^^^
ber ^exi angenommen wirb^.
SBenn übrigen^ bte ^zit üon ber 33eit)egung iinb bie 33err)egung
oon bem tafeln einer üeränbertidjen (Sreatur abfängt, fo folgt bavaug
nid^t, baj3 hk 3^^^ ^^^ ^ercegung felber ift; fie ift üielme^r bag ^^afe,
mit bem man bie 33en)egung , nid^t blojs biefe, fonbern aud^ bie Dtul^e
miBt^ ©ie !5nnte aber nid)t alö ^D^ag bienen, um W ^Bewegung unb
bie dln^t §u meffen, röenn man nid)t [ie felbft meffen fönnte; nnb in
ber Z^at ift eg ber menfc^Iidje ©eift, ber fie mifet. 2lber roie mißt er
fie unb raaä mifet er, raenn er fie mifjt? 3ßaä man 33ergangenbeit,
©egenmart unb 3"^""f^ nennt, nÜBt er nid^t; bie ©egenmart nid^t,
benn biefe l^at feine S)auer unb ift nur ein ^unft, ber im 3^ad^einanber
ber 23ert)egung üorüberge^t; hk QSergangen^eit nic^t, rceit fie nid^t me§r
ift, unb hk S>^fnn\t nid^t, raeil fie nod^ nid^t ift. ^er menfdjlic^e @eift
mißt alfo biefe 3eiten nid^t unb bod^ mißt er \>k Reiten 2. (Sr mi§t fie
cederent, nullum esset tempus omnino. Moveri autem creatura non utique
posset, si non esset. Potius ergo tempus a creatura, quam creatara coepit a
tempore, utrumque autem ex Deo.
1 Conf. XI, 23—24: Nemo
ergo mihi dicat, coelestium corporum motus
esse tempora. Cum
enim movetur corpus, tempore metior, quamdiu moveatur,
ex quo moveri incipit, donec desinat. Cum itaque aliud sit motus corporis,
aliud, quo metimur, quamdiu sit, quis non sentiat, quid horum potius tempus
dicendum sit? Nam etsi varie corpus aliquando movetur, aliquando stat, non
solum motum ejus, sed etiam statum tempore metimur et dicimus: tantum
stetit, quantum motum est, aut duplo vel triplo stetit, ad id quod motunv^est,
mora extenduntur, nee ea, quae terminos non habent. Nee futurum ergo nee
praeterita nee praesentia nee praetereuntia tempora metimur, et metimur tamen
tempora.
3 Ibid. c. 27: In te, anime meus, tempora metior. In te, inquam, afTec-
tionem, quam res praetereuntes in te faciunt, et, cum illae praeterierint,
§ 23. SDie (Stüigfeit beä ©d^öpfungSafteS. 217
menfd^Iti^en ©elftem : bie be§ 5lufmerfen§, bie ber (Erinnerung unb bte
ber (Srraartung, unb banad^ t^^ilt fid§ für i^n aud^ bie 3^^^ i^'^ @egen-
raart, 33ergangen^eit unb 3"^^^iif^- ^^^ ©egenraart ift nur ber tn^§
unb fid^ 3)ar(ebenbe mer!t; rca§ aber Dorübergegangen ift, t)on bem läfet
9^eue§ erraarten (ä^t, gibt eä für i^n aud^ eine 3w^i^"ft, bie er nad^
htm SSfla^t feineä SBarten§ mijjt^ llebrigen§ gel^t aud^ biefe breifai^e
^l&ätigfeit be§ menfd^Iid^en @eifte§ felber, wie überl^aupt alle feine Seben^s
t^ätigfeit, nur in ber Qtit vor ftd^ unb trägt burdjgängig bie gorm ber
3ett an fid^^, fo ha\^ man fagen mufe, bie ^zit an \i6) fei nid)tä
3ft aber bie 3^^t ni(^tä 5(nbereg alg bie gorm beg creatürlid^en
manet. Ipsam metior praesentem, non eas, quae praeterierunt, ut fieret. Ip-
sam metior, cum tempora metior.
* Ibid. c. 28: In animo, qui illud agit, tria sunt.. Nam et exspectat et
attendit et meminit, ut id, quod exspectat, per id, quod attendit, transeat in id,
quod meminerit. Quis igitur negat, futura nondum esse? Sed tamen jam est
in animo exspectatio futurorum. Et quis negat, praeterita jam non esse?
Sed tamen adhuc est in animo memoria praeteritorum. Et quis negat, prae-
sens tempus carere spatio praeterit ? Sed tamen perdurat
,
quia in puncto
attentio, per quam quod aderit. Non igitur longum tempus
peragat abesse,
futurum, quod non est, sed longum futurum longa exspectatio futuri. Neque
longum praeteritum tempus quod non est sed longum praeteritum longa
,
,
unb e§ fei, %a fein ©ruiib Dorl^anben gercefen, raaruni @ott bei ber
2tu§Tüa]^l ber 3^^^ ^^^* ^^^^^" ^^r ber anberen ptte ben ^or^ug geben
foHen, für i^n ^nfätlig geraefen, baö er gerabe bamaB unb nirf)t in
einer früheren Qe'it bte 2Be(t er] d^ äffend ©Ott f)at burd^ einen nid^t
nic^t waren, unb nac^^er waren, a(ä fie §u fein anfingen, worauf man
nur ^u erfennen üermag, baB ^^ ber 35>e(t nid^t beburfte, fonbern fte au§
freier ®üte erfc^uf^.
3ener gragc, warum ber ewige G^ott bamalä unb ni(^t frül^er ges
fd^affen ^ahe, fönnte man mit bemfelben dlt^i anbere W beifügen, warum
ber über allen Dlaum erf)abene, unermejslidie ©Ott hit ^löelt gerabe ba
fd^uf, WO fie jel^t ift, unb nic^t in einem anberen Dtaum, gleic^fam alä
wäre W 5Iugwa^( biefeä Otaume§ üor aii^n anberen bloB S^fätlig ges
fd)el^en. 35or ber (Bcf)öpfung gab e§ ebenfo wenig einen iRaum a(ö eine
3eit, fonbern ber Dlaum ift, wie hk >^eit , mit ber 2öe(t geworben al§
fo fann man ebenfo gut außerhalb ber raumtic^en Söelt noc^ unenblid^e
D^läume erfinnen, in benen ©Ott noc^ unenblicf} ciete 2Be(ten i^ätte er-
fd)affen fönnen. 'iDhiß man aber anerfennen, baB eä eitit ©ebanfen ber
^D^enfd^en finb, wenn fie fid^ unenblic^e D^äume auBer^alb ber 2i3e(t ein=
bilben, weii e§ eben auöerljalb ber Sßelt feinen Otaum gibt, fonbern nur
eine SSett, ^war in ungeheurer forperlidier ^usbeljuung, aber bod^ enb=
(id^ unb rönmüd^ begrenzt, burdf) ben ©djöpfungsaft ®otte§ geworben
ift: fo benfen hk ^iJ^enfc^en in gleicher 35^eife eitel, wenn fie fid^ Der?
gangene 32iten üorftellen, in weld^en ©ott unt^dtig gewefen fei, bo- üor
©cf)öpfung biefer Sx^ett, meint, bie Söelt unb bie ^enfi^en feien immer
gewejen, ober bie 5Öett entfte^e unb uerge^e in gewiffen 3sitrdumen un=
1 DeDei XI, 5.
civit. 2 ibid. XII, 17.
^ä^Iige ?i}iale *. 5ludf; biejenigen irren, roelcfie fid; taxan ftogert, bafe ber
?[Renfd^ n{rf)t in ben enbfofen r)orauögegan(-;enen ^tit^n ge]d)affen tüorben,
fonbern erft fo fpät in'ä ^afein getreten fei, ha^ eg Don bem 3^^tpwn!t
an, rao er nad) ber 5)arfteIIung ber l)eiligen (Sd^rift §u fein anfing,
weniger a(g 6000 ^af)ve jinb. ©ie brandien fic^ an ber ^ürge biefeg
bie feitljerige ^auer ber ^H'elt auf üiele 3:anfenbe üon S^^ren bered^nen.
®enn wäre aud^ eine unan^fpred)licfte Qa^l üon S^^^^l^'^^iifet^^^n fett ber
^nt, wie jene 6000 ^af)xt oerfd^winben gleid^ einem tropfen gegenüber
bem Ocean ober üietmc^r in unoergleid^tid^ p^erem ^afee, wie nii^tg.
SDer tropfen nämlid^ ift freilid^ im 3Sergleid^ mit bem Ocean fel^r Hein,
aber Mhe finb hod) begrenzt, hk (Swigfeit aber ift ol^ne Einfang unb
(5'nbe, o^ne ©renken, fo ha^ mit i^r eine aud) nod^ fo grof^e unb un-
augfprecfjlid^e 3eitbauer, bie eben alö enblid^ burd§ ein beftimmte§ ^a§
abgefd^Iüffen unb begrenzt wirb, gar nid)t x)erg(id)en werben fann^.
$ßeil ber ©d^öpfungöaft ein ewiger, Mn ^eitlid^er ift, fo (inb aud^
bie 3^inge nid^t nad)einanber, fonbern alle ^umal gefdjaffen wor^
ben (creavit omnia simul). ©ott ^at alle ^inge gefdjaffen burd^ fein
eraigeg 2öort (ben Sogos), ba^ @ott ift M i^m unb ha^ von (Swigfeit
l^er au§gefprod)en wirb unb in bem alTe ©inge üon (5wigfeit ^er augs
gefprodjen werben. ^a§ SS>ort, ha^ ©ott auggefprod^en Ijat, f)bxt ni^t
auf unb e§ wirb nid^t eine§ nadC) bem anberen unb fo nad^ unb nad^
5{IIeg au^gefprod}en ; fonft fönbe fid^ ja l^ierbei fd^on ^eit unb SS^ed^fel
unb feine wa^re ©wigfeit. 3^^ feinem 5I^orte ift fein ^erge^en unb fein
gortgang; benn e§ ift in 2ßa^rf)eit ewig unb befe^alb fprid^t ©Ott mit
feinem i^m gteid^ ewigen 2Borte jugleid^ unb üon ©raigfeit l^er atleä
@ott fd^afft md^t anber§ at^ burd^ fein eraigeg ^^ort iinb bod^
rairb ba§, raaä er burd^ fein 2Bort fdjafft, nid^t alleg i^ugleid^ unb Don
^rcigfeit ^er. ,;3Barum mm bas? 3d^ befit^e roo^l eine ©rfenntnife
banon, aber i^ rceiB nid^t, lüie ic^ mid^ barüber anberg ausbrücfen jotl,
a(ä etroa ]o: ha^ jebeä SBcfen, \)a^ gu fein anfangt unb ^u fein auf=
^bxi, mit bem 3^iipiJ"^t gu fein anfängt unb aufbort, für ben bie ©r^
lenntniB ber eraigen Vernunft, in rceld^er nid^ts anfängt unb nicf)t§ auf=
l^ört, ben 2lnfang ober ha^ (Snbe feineä €ein§ beftimmt l^at" \ b. 1^.
®al;er tonnte fie aud^ feinen 5Iugenb(idf a(§ fotmtofe 'üRaterie epftiren,
fonbern muffte com erften 5Iugenb(icf i^reS ©afeing an geformt fein.
6ie raar nidöt ber ^tit nad) früher als bie gorm, fonbern nur ber
'^atnx mä), fofern fie al^ ©ubftvat ber gorm üorauSgefet^t ift. ^ur
in biefem (Sinne ift fie im (Bdfiöpfungsaft ^uerft gefegt rcorben. ^n il^r
finb alle fpäteren formen feimartig enthalten unb infofern ^at @ott
5Itte§ ^umal gef(f)affen, ]üeil aCfeg fpätere (Sein auf bem 2öege ber ©nt=
ad lit. V, 23: Sicut in ipso grano invisibiliter erant omnia simul, quae per
tempora in arborem surgerent, ita ipse mundus cogitandus est, cum Deus simul
omnia creavit, habuisse simul omnia, quae in illo et cum illo facta sunt,
quando factus est dies.
§ 23. ®ic ©roigfeit be§ ©d^öpfung§afte§. 221
informe prius fecerat : sed sicut a loquente fiunt verba sonantia, ubi non prius
vox informis post accepit formam, sed formata profertur, ita intelligendus est
Deus de materie quidem informi fecisse mundum sed simul eam concreasse ,
mundo.
De Genes, ad lit. I, 15: Non quia informis materia formatis rebus
2
tempore prior est, cum sit utrumque simul concreatum et unde factum est et
quod factum est. Sicut enim vox materia est verborum, verba vero formatam
vocem non autem, qui loquitur, prius emittit informem vocem, quam
indicant,
possit postea colligere atque in verba formare ita creator Deus non priorem :
praestans eis etiam ordinem non intervallo temporum sed connexione cau-
, ,
sarum, ut ea, quae simul facta sunt, senario quoque illius diei numero prae-
sentato perficerentur. Non itaque temporali, sed causali ordine prius facta
est informis formabilisque raateries et spiritalis et corporalis, de qua fieret,
2Be[tfubftan^ ^um ^c^uf il^rer (^ntraicfelung gefegen tft, unb gerabe fed^ä
finb fomit jene fetf)§ 3:age feine ^age, iiberl;aupt feine ^ß^^^^äume; jie
bingg fc^raer ^u üerftet)en; aber ber jenige, ber eg nic^t Derfte^t, foK e§
foldjen überlaffen, bie es ^u oerfte^en im ©tanbe finb ^. 3^/ ^^ ^i^er
fpäteren ^cfirift"^ gibt 2Iuguftinu§ fetber gu, bap e§ fel^r frfiraer, ober
gar itnmögüc^ fei ju fagen, roeld^er 2lrt jene (Bdjöpfungstage feien.
äBarum fprid^t aber bann ber mofaifd^e iBeric^t überhaupt Don 6d^ö=
pfungetagen? 31>a§ ^utnal gefd^iel^t, fagt 3Iuguftinu5, fann, rcenn e§
erjä^tt rcirb, nid^t aud^ ^untal er^ä^It raerben; aud^ ber 8($öpfung5aft
erfc^eint befe^alb im mofaifdien 33erid^t in ber gorm ber ©ucceffion,
raeil ber Wtnidi) gemeinfiin nur in ber gorm ber 8ucce)fion ju ets
fennen oermag ^.
3m enjtgen 3(ft ber 3ÖeItfc§öüfuttg tft ein für aUemat gefetzt, Tt)a§
immer in ber Sßelt fein iinb roerben foll; ni($t§ gefd^ie^t im 35erlaufe
ber ^^\t, bte mit ber Sßelt gefd^affen raurbe, in Jvolge eine§ neuen gott=
mehrere 6cf)öpfafte nad^ einanber fetzte, fonbern Sltleä §nmal fd§uf, and}
fein ©tillftanb ober fein 5luf^ören eintreten. 2ßenn baljer in ber I;eiligen
fo ift bamit nur angebeutet, ha^ er feine raeitere Orbnung üon fingen
mel^r jd[)uf. 5[Ran barf öiefe D^u^e am flebenten ^age nicf)t etraa auf
eine iöeränberung ber göttlidCjen ^^ätigfeit felbft bejie^en^. @ott
rul^t; Reifet foüiel al§: @ott wixh alö rnl^enb erfannt; benn er rüeife ja
^ptigfeit l^at fid^ na^ ber ©diöpfung nid^t geänbert; auc^ nad^ ber
fein ©d) äffen unb fein ©r galten fid^ nid^t unterfd^eiben (äffen. 2Bäre
er nid^t mit feiner fd^öpferifdjen "DIRadit beftänbig in ber Söett gegen^
TDÖrtig, würbe er il^r biefe ?OIad)t ent^ie^en, fo müfete fie augenblitflii^
generibus creaturae, quia ultra jam non condidit aliqua genera nova: deinceps
autem usque nunc operatur eorumdem generum administrationem quae tunc ,
instituta sunt. —
Proinde et quod dominus ait: Pater meus usque nunc ope-
ratur, continuationem quandam operis ejus, qua universam creaturam continet
atque ministrat, ostendit. — Quapropter sie accipimus Deum requievisse ab
Omnibus operibus suis, quae fecit, ut jam novam naturam ulterius nullam con-
deret, non utique, ut quod condiderat, continere et gubernare cessaret. Unde
et illud verum est, quod in septimo die requievit Dens, et illud, quod usque
nunc operatur. —
Contr. Adimant. c. 2 Eequievit ab omnibus operibus suis, :
quae fecit, ut jam ultra non faceret mundum cum omnibus, quae in eo sunt,
non tarnen a mundi administratione requiesceret.
224 Sßierter X^eil.
bod^ oergel^t er an^ tüteber in btr, raeil in bir alTeä @e[($affene fein
®ein l^at. ©enn rcie !önnte eä üorüberge^en, rcenn e§ nid^t in btv be^
ftdnbe? Unb raeil beine ^af)xz fein ©nbe nehmen, fo finb beine ^a^xe
ber genüge ^ag. 2öie üiele üon nn[eren unb unjerer 3Säter ^agen finb
fd^on rcäl^renb beineS §ente üorübevgegangen, l^aben Don i^m il^r ^afein
empfangen nnb in i§m raie au(^ immer i^r ©ajein gehabt! Unb fo
rcerben nod^ anbere üorüberge^en nnb i^r SSla^ unb rcag immer für ein
SDafein empfangen, ^u aber bift berfelbe unb alleS Morgige nnb atle§,
raag barüber l^inaug, unb aKe§ ©eftrige nnb wa^ barüber rütfmärtg
liegt, ha§ rairfeft unb rairfteft bu l^eute. SS^aä !ann ic§ bafür, rcenn
jemanb hk^ nid^t begreift! "SRoge er fid^ freuen, nud^ rcenn er fagen
mufe: raaS l^ei^t ba§? 5lud^ bann nod^ freue er fid^, unb e§ fei il^m
lieber, raenn er bei feinem 9^id)tfinben 't)i<i) finbet, al§ roenn er M feinem
ginben hi^ nid^t finbet" ^, b. l). bie eraige ©egenrcart ®otte§ in ber
Sßelt ift fd^raer §u begreifen, aber gerabe je fd^roerer [te p begreifen ift,
§ 24.
©ie ©(^öpfung ber ©eele.
©Ott, ber auf bie Ijöc^fte Sßeife ift, roeil er unmanbelbar ift (qui
summe est, quia incommutabilis est), f)ai ben fingen, W er au§
5Rid^t§ erfd^uf, bag ©ein gegeben, aber nid^t ha^ l)öd)fte ©ein, ba§ nur
il^m gufommt, fonbern ha^ ©ein üerlie^ er bem (Sinen in l^ö^erem, bem
5Inberen in geringerem ©rabe unb l^at hk D^atur ber 2öefen ftufenmä^ig
georbnet^. ©iefe ©tufenfolge ber ©d^öpfung begreift in fid) eine fünfs
^a<S)t diti^t üon Sßefen. ^n unterft ftel^t \)a^ blofee, leblofe ©ein, bie
^örperraelt. 5luf fie folgt bie lebenbige 9^atur, bie fid^ in ^flanjen^
unb jll^ierraelt fd^eibet, rooüon letztere p§er fteljt, rceil fie mit 33e=
1 Conf. I, 6.
2 De civit. Dei XII, 2 : Naturas essentiarum gradibus ordinavit.
3 Ibid. XI, 16.
^ Ibid. XI, 33: In principio creavit Deus coelura et terram: quibuä
§ 24. SDle (Sd^öpfung ber @eelc. 225
. ^um ^mtd ber ©d^opfung ber förperlid^en (Sreatur rief ©Ott burd^
feine SlITmad^t einen Urftoff in'g ^afein, ber mit x)erfd)iebenen Dramen
benannt, nid)t unpaffenb aud^ Söaffer genannt raerben fann, ba je^t
nod^ ha^ ©ntftel^en ber (Sin^elbinge auf gtüffigeg aB auf ta^ fubftantiett
Ur^uftänblid^e l^inroeiät; nur barf ber 2lugbrud^ Sßaffer blofe aB eine
Söelt geformt raurbe, aufgefaßt unb barunter nid^t baä je^ige fogen.
gefenft. 2Bie aber ber Urftoff ^umal gefd^affen raurbe, fo rairfen an^
biefe gormprincipien ^umal, mo immer fie nad^ ©etegenl^eit ber ^dt unb
Urfad^e in ben in W (Srfd^einung tretenben SDingen rairffam ftnb. (S§
fragt fid^ nun, ob mir un§ b(o§ eine Wlakxk ju benfen l^aben, auä ber
bie förpertid^e Sßelt geftaltet mürbe. 2luguftinu§ fagt, ha^ man bie
SSorte ber ©d^rift: 3m 3Infang fd)uf ©Ott §immel unb ©rbe, audf) fo
benfen fönne, ©Ott l^abe in feinem il^m gleid^ eraigen 2öort bie geftalt^
lofe Materie für 'Die folgenbe fomol^l lebenbige aB (eblofe, fpiritate unb
forperlid^e, atfo für bie gefammte Kreatur gefd^ äffen
""
unb e§ fei nid^t
^ De
Genes, ad lit. I, 5 Sive aquae nomine appellare voluit totam cor-
:
humida natura videmus omnia in terra per species varias formari atque con-
crescere. — De Genes, ad Quocirca congruentius aquae
lit. lib. imp. c. 4:
nomine appellaretur materies, cum subdita operi artificis insinuaretur propter
mobilitatem et conversionem in quaeque nascentia corpora.
* Conf. XII, 22: In principio fecit Deus coelum et terram, id est, in
Verbo suo sibi coaeterno fecit Deus informem materiam creaturae spiritalis
et corporalis.
(Störs, f)I. 2luguftinu§. 15
226 3}ierter Zf)til
ber ^dt, raol^l aber ber Urfac^Iid^Mt nad§ bie geftaltlofe, aber formbare
SJlaterie guerft geraorbeu, unb ^raar forcol^l bie fptritale al§ bie torper=
lid^e ?[Raterie, au§ ber alte§ geftattet raurbe, roas geftaltet rcerben
jollte ^ Somit tel^rt 3(uguftinu§, baJ3 man eine ^J^aterie, etrcaS Un=
geformtes, aber formbares für bie Sd^öpfung nnb ©eftaltung atfer
(Stufen be§ creatürlic^en Seing, be§ inteKigibeln raie be§ fenfibeln, beä
liefen Subftrat gebilbet, roie hie 'Dinge ber fic^tbaren Dtatur; fonft müfete
fie fetbft auc^ forperlid^ fein, ^enn raenn eima^ 2)"^aterietleg aud^ x)cr=
änbert ober üerrcant^elt rcirb, fo ^ort e§ botf) nid^t auf, materiell ju fein;
fein, ^enn n)a§ l^ätten roir un§ unter einer fold^en materies spiritalis
ju benfen? ß'ine oernünftige ober eine unüernünftige Subftan^? 2^enn
fie erft üernünftig raurbe, al§ aua i^r bie menfd^lid^e Seele gebilbet
rourbe, roenn fie alfo Doil^er unoernünftig rcar, raas roar bann für ein
TOeiter: roo^er roare biefe anima irrationalis felber? (Stma au§ ber
förperlid^en Materie? Slllein bann rcäre fie bloß bie l^öclifte ^otenj
biefer ^^aterie unb im ©runbe felbft forperli(^. (5§ mü^te fomit ba§
^orperlid^e in W uncernünftige Seelenfubftanj unb biefe in W oer=
caro facta est. Omne quipi)e corpus in omne corpus mutari posse non de- ,
roelter ge'^en, gur 2(nna!§me, baf3 baS ^ö^ere in ba§ ^'liebere ^urü(f!e]§re,
pr lOel^re üon ber aller gefunben 3Sernunft §ol^n fpred^enben Seigre üon
ber ©eetentüanberung. ^(fo !ann ntd^t eine nnt)ernünfttge animalijd^e
^ubftan^ ha^ (E^uBftrat ber men[d^Iid§en 6eele fein, fonbern biefe ift
3^nn fragt e§ fid^ aber: wann ranrbe bie ©eete gef (Raffen? Sßenn
bie @enefi§ erjä^It, ©ott l^aBe bem menfd^lid^en Setb eine ©eele ein?
gel^and^t, fo fönnte man baranä fd^Iießen, letztere fei erft bamaB, alg
fie mit bem Seibe rerbnnben rourbe, an($ gefi^affen raorben. Mein ber
en)ige ©Ott l^at, raie n3ir bereite gefe^en, aUeS jnmat erf($affen; n)ie
fönnte alfo erft fpäter no($ etn)a§ 5^eue§ gefd^affen raorben fein, roa^
nid^t in golge ber eraigen ©d^öpfung^ibee oor^er in irgenb einer SSeife
fel^t raurbe, it)ie ber £eib in ber aEgemetnen 9^atnrfubftanj, nnb wie für
aEe§ 5Inbere, fo and^ für ben ßeib nnb bie ©eele bie betreffenben 3^een
mit allem anberen ©ein au§ bem ^lid^tbafein in ba§ tafeln gerufen
rcurbe unb in golge be§ 6d^öpfung§a!te§ in latenter ^iftenjmeife oor-
l)anben raar, bi§ fie, raie bie @enefi§ tv^ai)lt, am fed£)gten (Sd^öpfung§s
tage bem Seibe einge^and^t, b. 1^. nid^t erft er f Raffen, fonbern mit bem
Seibe oerbnnben rcurbe. ^iefe 33erbinbung aber gefd^a^ felber auf
natura ulla corporis vel irrationalis animae verteretur, ac per hoc de nihilo.
2 Ibid. c. 28: Tunc enim factum, cum exortum est, non antequam exo-
riretur, quis non diceret, nisi scripturae verba revocarent? Meminerit enim
scriptum esse : Qui vivit in aeternum, creavit omnia simul ; et videat, quem-
admodum creata dici j)0ssint, quorum creatio spatiis temporalibus distat, non
horarum taritum, sed etiam dierum.
15*
228 Vierter Z^dl
feit ]^er alä bie leknbige ©pnt^efe t)on SeiB unb ©eete gebadet rcar,
reali[irt raorben^
^ä biefer 5Innal^me fommt einer[eitg ba§ Creavit omnia simul
ju feinem D^led^te unb anbererfeitä ift bie ©d^opfung ber 6eele ang nid^tg
geraal^rt. 2Bie atle§ enblid^e «Sein, ift auc| bie @eele unb ber ?D^enfc§
da ^pntl^efe x)on Seib unb @eele t)on ©raigfeit l^er atä 3^^^ ^^ ©ott,
bie in golge beg gteid^ eraigen ©d^opfunggafteg in hk ^eitlid^e 2S$ir!Iid§s
feit gefegt rcurbe unb bal^er aud^ in ber gorm beä ^eitlidöen 6einö in
ben roid^tigen (Sd^luB ju j^e^en, baB ber ©eete üon D^atur aug ein
Streben nad^ ^Bereinigung mit bem Seibe innerao^ne, baB ^^n alfo, hie
gefenft raorben^.
33on ber ßofung ber grage, mann bie menfd^tid^e ©eele gefd^affen
raurbe, ^dngt aud^ bie ^eantraortung ber weiteren 5^age über ha^ forts
^ Ibid. c. 24: Illud ergo videamus, utrum forsitan verum esse possit,
quod certe humanae opinioni tolerabilius mihi videtur, Deum in illis primis
operibus, quae simul omnia creavit, animam etiam humanam creasse, quam
suo tempore membris ex limo formati corporis inspiraret, cujus corporis in
illis simul conditis rebus rationem creasset causaliter , secundum quam fteret,
corporis quidem humani ratio causalis in elementis mundi, anima vero jam
ipsa crearetur, sicut primus conditus est dies et creata lateret in operitws
Dei, donec eam suo tempore sufflando , hoc est inspirando formato ex limo
corporis insereret.
2 Ibid. VI, 11 Consummasse quippe ista intelligimus Deum, cum creavit
:
dialibus, cum simul omnia crearentur sed creatus in tempore suo visibiliter
; ,
aBev raar gerabe gur 3^^^ ^^^ 5(itguftinu§ me^r aB je üon allgemeinem
Sntereffe unb Bel^errfd^te gerabe bamalö bie (^riftlidien SDenfer in t)or=
^errfd^enbem Wla^e, tüeti bie ^etagianer, fici§ ftü^enb auf bie (Steationg^
(el^re, bie ©rbfünbe läugneten. diejenigen, an rcetd^e \\^ bie ©täubigen
benbe 2Intn)ort ^u geben, aber er raibmete biefer grage eine fel^r intern
nungen gebilbet. ^luSge^enb oon bem 5lu§fprud^ ber ©d^rift, ba§ ©Ott
2nie§ jumat gefd^affen unb am fiebenten 5tage oon allem Sßerfe geruht
fjabe, nal^men (Einige an, bie ©eelen feien urfprünglid^ aUe miteinanber
erfd^affen rcorben unb roerben irgenbrao aufbehalten, hi^ fie in ben 2tib
roerbe (©eneratiani§mu§). ß-ine britte ^Tnfid^t war, bafe burd) bie QtUi
gung nur ber 2t\b fortgepflanzt, hk ©eele aber oon ©ott neu ein^
tranberung nnb befdmpft x)on biefem ®efic^t§pun!t au§ au($ ^lato, ber
ba§ Sernen auf Sßiebererinnern gurücffü^rte K ©ie abfotute $räe):iften5i
lel^re rerrcirft er, raeil ja nai^ feiner ßreation§t^eorie alleö 8ein au^er
©Ott nur burc^ @ott ift unb ^rcar fo, ha^ eg nid^t in ber Sßeife ber
golge eine§ frül^eren 2lbfallg üou ©ott jur (Strafe in ben Seib rcie in
©eeten fogar ben ©runb ber Sßeltfc^öpfung fnüpfen !önnen, ba^ in§=
befonbere ber gelehrte OrigeneS nid^t eingefe^en ^^be, rcie bann, raenn
TDOtlen, fonbern fie feien unrid^tig oerftanben raorben, fie ^aben mit ber
ber ?0^enfd^en be^eid^nen moITen unb biefen ftarfen 5lu§brucf nur ge=
fd^ieben hti ber 2öal^l ^raifd^en bem ©eneratianiömug unb bem Sreatia=
ni§mu§ *. ©r fagt felber in feinem Briefe an Optatug, bafe er in feinen
entfd^etben unb etraaä für gerat^ au^jugebeu, n)a§ il^m fetber nid^t für
hk eine raie hk anbere 2tnfid)t annehmbar, infofern jebe @ott alg ben
(Sd^öpfer ber ©eele anerfennt; benn auc^ für W ^(npnger be§ (^t-
neratiani^muS ift @ott ber ©d^öpfer ber ©eele, raeit @ott im 5Infang
burd^ feinen ercigen ^d^opfungäaft bie @eete fo gefd^affen l^at, ha^ mit^
tetft ber Fortpflanzung hk einzelnen ©eelen nad^ einanber in ba§ ©afein
treten, ä^nlid^ roie fi^ im 33ereid^ ber organifd^en Statur 'i)k ^injelbinge
burd^ il^re ^rincipien mittetft ber ©amen au§ fid^ rcieber^oten^. SlUein
@ott, ber 5tt(eä ^umal gefd^affen (qui creavit omnia siraul), im Saufe
ber 3eit 3^eue§ f^affe; bie ©migfeit unb Unneränbertid^feit ber gött(id§en
animae creatorem Deum atque factorem ? Non itaque unum quem facto ex ,
terra homini primo inspiravit, sed omnem flatum ipse fecit, ipse adhuc facit.
Quaeritur tamen, utrum omnem flatum ex illo uno flatu, sicut omne corpus
bomini ex uno illo corpore, faciat, an vero nova quidem corpora faciat ex
uno, animas autem novas ex nihilo. Quis enim congrua suis originibus genera
rerum etiam de seminibus facit, nisi qui ipsa semina sine seminibus fecit? —
De anim. et ej. orig. I, 16 : Ipse quidem dat, etiamsi de propagine dat.
232 SStcrter S^eil.
gerner lägt fid^ auf bem 6tanbpunft beg ©eneratiamsmuä bag SDogma
t)on ber ß-rbfünbe leidet erklären. OTein e§ erl^ebt fid) l^ier bte grage,
rote eine gortpftanjung ber menfd^lid^en 6eele möglich fei, ob etwa nad^
ber 5lrt unb Söeife, tüte ein ßid^t am anberen angejünbet rairb ol^ne
3}erminberung be§ (enteren, ober auf treidle anbere 3öeife bie 6ee(e be§
,^inbe§ auä ber (Seele be§ 3Saterg rcerbe ober fid^ fortpflanze, namentlid^
TOie bie unt^eilbare ©eele fid^ t)on einer anberen 8ee(e foKe abjrceigen
Tonnen, nad^ 5lrt beg t^eilbaren ^örperg, ber fic^ oon einem anberen
Körper aBlöfen fann, fo ba^ ^it (5ee(e au§ ber ©eele, rcie ber Körper
au§ bem Körper ^eroorginge. Sßie l^at man fid^ biefe gortpflanjung
ju benfen, o^ne bem ^O^aterialismug ^u oerfaHen unb bie ^eele für
etraa§ Materiellem ^u l^alten, raie ^lertullian, ber ben ^rabucianismuä
unter ber ^^oraugfet^ung leierte, ba^ hk ©eele förpertid^ fei, unb beffen
für ben (^reatianigmug. ©ie (Seele, bie oon ©Ott neu gefd^affen toirb,
fann nur al§ gut gebadet raerben, rceil @ott nur ©utes fd^afft unb bie
gefd^affene ©eele nod^ ni($t gefünbigt l^at; ift fie aber gut, raol^er liat
fie e§ bann oerbient, bag fie in ha^ fünb^afte gleifd^ eingefenft unb
baburd^ felber oon ber ©rbfünbe beffecft unb fd^ulbbelaben rcirb? wie
ift eä mit ber göttlid^en ©ered^tigfeit ^u oereinbaren, ba^ aud^ hk ^inber
ben Strafen ber (Srbfünbe unterliegen, rcenn fie, el^e fie fünbigen fonnen,
ol^ne "^taufe ba^infterben ^. ©eraiffen anberen (Jinraürfen gegenüber fann
centibus adhaeserunt, quibus eas animandis ille creavit et dedit, qui utique
noverat, quod unaquaeque earum nuUa sua culpa sine baptismo Christi de
corpore fuerat exitura? Quoniam neque de Deo possumus dicere. quod
igitur
vel cogat animas fieri peccatrices vel puniat innocentes neque negare fas ,
ber ©eburt fterben, Seelen einfd^affe, ober trarum er fogar ben el^e^
ber Einraurf ift ntd^t fticll^altig , ha^ @ott, ber Sllleg pmal gef (Raffen
§aBe, ntd^t im Saufe ber Qtit immer roieber dltm^ fc^offe, \ia, vok mv
gefe^en, ber 2(u§fprud^ ber ©d^rift: Creavit omnia simul, fid^ mit bem
anberen: Usque nunc operatur, rcol^I nereinbaren (ä^t, ba bte burd^
treten ^
2llg 5l]^eologe fanb fonad§ ^luguftinuä bie größeren 6d^n)ierig!eiten
raie man aud^ auf bem ©tanbpunft biefer ^§eorie W (5*rbfünbe erftären
ber feinigen mad^en ju fönnen, unb raanbte fid^ in biefer grage me§rs=
ha^ ber Sreatiani§mu§ raal^r fein mödjte, rcenngleid^, fagte er, man
burrf) feinen Sßunfd^ hk Sßal^rl^eit einer ©ad^e beraerffteöigen fönne,
unb erüärte, bafe er Don ber galfd^l^eit beSfelben nid^tö weniger aB
überzeugt fei^. (Sr raottte ^raar nid^t, ba^ ber @eneratianigmu§ o^ne
entfd^eibenben ©runb üerraorfen rcerbe*, aber ebenfo raenig raoüte er
neben einanber befielen, ol^ne fid^ für hk eine mit 5luäftf)(u§ ber anberen
ju entfd^eiben, unb befd^ranfte fid^ barauf, hk 3Sertreter berfelben auf bte
fenditur, qua creduntur animae non ex illa una primi hominis fieri omnesj
sed sicut illauna uni, ita singulis singulae?
^ Epist. 28 ad Hieron.: Hoc nunc
non instituendo, quod non
et facit,
erat, Unde et illud verum est, quod a rebus,
sed multiplicando quod erat.
quae non erant, instituendis requievit. Et hoc verum est, quod non solum
gubernando, quae fecit, verum etiam aliquid non quod nondum, sed quod jam
creaverat, numerosius creando usque nunc operatur.
2 Epist. 157 ad Opt. ; epist. 28 ad Hieron.; epist. 260 ad Ocean.
^ Epist. 28 ad Hieron.; de anim. et ej. orig. II, 6.
De Genes, ad lit. X, 16. & Ep. 28 ad Hieron.
234 3Siertcr Z^tii.
§ 25.
al§ ein buri^raeg tabedofeg SlbBilb unb 2S>er! be§ 8d^öpfer§ bar, in
rael^em 5Ille§ üernunftgemäB, oBjectiü üernünftig, gut unb fd^ön ift, bag
trot3 feiner (5:nblid)!eit ein in fid^ üoUftänbigeä ©an^eg bilbet unb in
Treibern tro^ ber 35iel|eit unb ^erfrfiiebenl^eit ber Ginjelbinge eine ^avc
felbft al§ ein S^eil in biefelbe eingefügt finb unb 'üa^ ©anje, beffen
fennen raürben, roie alle einzelnen Sll^eile mit i^m im fc^önften (Sinflang
ftel^en K 9^un bann raäre etraa 5ln(afe ^um ^abel vox^an'otn, trenn bie
9^nn ift aber mit ber (Srbe anc^ ber ^immel erfd^affen raorben. &
finb über^anpt alle ©tnfen unb ©rabe be§ ^afeing geraorben unb 9^ie=
^inge raol^t ein ©efi^öpf, an ha^ ber menfd^lic^e 3Serftanb nid^t benft,
aber wa^ mit mal^rem ©runbe gebad)t rairb, bag mu§ im 51(1 ber ^inge
epftiren. Sßäre j. 33. ber §immel unfid^tbar, fo rcürbe bod) bie nad^
überzeugt fein, auc^ rcenn fie ben mirfliifien §immel niemals mit eigenen
Singen fe^^en fönnte^. Sßenn ^etnanb jagt, biefe ^inge foHten nid^t fo
befd^affen fein, ober and^ nur: biefe ^inge foöten fo befi^affen fein, fo
ift, raenn er mit biefer gorbernng ein @ef($öpf ^aben mill, roie ba§
l^öl^er fte^enbe ift, biefeS aud^ fc^on la unb jmar in fold^er Steife, ba^
il^m nid^tä mel^r l^injugefügt raerben fann, rceil e§ oottfommen ift. 3öer
dita, sed nee inter se esse oportebat aequalia; et ideo sunt omnia bona. Nam
si essent aequalia, unum genus bonorum esset, non omnia. Nunc vero ideo
sujit omnia bona, quia sunt aliis alia meliora et bonitas inferiorum additur
non facto bono in quo fierent omnia bona valde secundum naturam et aliis
,
bemnad^ fagt: aud^ btefe SDtnge follten fo fein, wiU entraeber untnä^ig
unb ungerecht bem ^o^^ren Si^efen nod^ etraaä l^tnjufügen ober au§
^ogl^eit unb S^eib \)a§ niebrtgeve 3Se]"en gerftoren. Sßer aber fagt : biefe
SDinge follten n\d)t fein, ift ntd^t minber bosl^aft unb neibifd^, raetl er
nidjt ratH, ha^ ein ©efd^öpf fei, ba er genötl^tgt ift, eine nod^ geringere
Kreatur ^u loben. Sßer g. 33. fagt: ber ?D^onb follte nid^t fein, ber
n)ün|c|t fid§ benfelben aB «Sonne unb begel^t hamit einen boppelten 3rr=
t^um, inbem er einerfeitä ber 3}ollfommen^eit ber ^inge nod^ ttxüa^ l^im
loünfd^t \
gerner pnb alle @e]"($öpfe ilirer DIatur nad^ gut, raeil fie burd^
©Ott finb unb burd^ i^n il^r ?0^aB, i^re 6d^ön^eit unb fo ju fagen
t§ren grieben mit fid^ f eiber l^aben. ^n ber (Stufenfolge ber ©inge ift
\)a§ eine nod^ beffer at§ ba§ anbere, aber fo, ha^ W Sßelt in i^rer
Stotatitat oollfommen ift 2. 2lud^ ha§ ^ßergel^en ber einzelnen ©inge ift
fein fanget, ber ju tabeln rcäre. ^^erbleiben fie bort, rao fie nad^ ber
Drbnung ber D^atur fein follen, fo beraa^ren fie il^r SDafein, roie fie es
nad^ bem @ebraud§ unb ber 33ern)enbung, benen fie nad^ bem ®efe^ be§
ber göttlid^en 33orfe^ung ein folc^eä ©nbjiel anftreben, raie e§ ber ^lan
ber göttlidjen Söeltregierung evl^eifd^t, fo baß au§ i^rer ^iluflofung unb
i^rem Untergang anbere ^efen entfielen ^. Q§ jeigt fid^ bemnad^, bafe
Söefen l^od^ p preifen ift*; alle§ l^at ber gütige, neiblofe ®ott gut er=
1 Ibid. III, 9.
^ De Genes, contr. Manich. 11, 29 : Nos dicimus , nullum malum esse
naturae, sed omnes naturas bonas esse et ipsum Deum summam esse naturam,
ceteras ex ipso esse naturas et omnes bonas, in quantum sunt, quoniam fecit
Deus omnia bona valde, sed distinetionis gradibus ordinata, ut sit aliud alio
melius atque omni genere bonorum universitas ista compleatur, quae qui-
ita
5 Contr. ep. Manich. c. 19: Quodsi aliquod magnum bonum, quod tamen
S 25. 5)lc Unt)oa!ommcn^eit unb ba§ UeBcl in her 2öelt. 237
fel^ung be§ allgütigen ®ütte§ gu erfennen, rairb un§ mit dit^i befolgten,
aUerbingä nid^t infofern fie blo^ nac^ unferem 9^u|en ober (Sd^aben,
fonbern fofern fie an unb für fid^ Mxaä)kt rairb ^ 3^ ^i^^ ^^^/ ^tx§
tprid^ten SlRenfd^en böfe bün!t, wie geuer, ,^älte, rei^enbe ^^iere u. f. xü.,
unb trägt ^u feiner 3^^i^^^ ^^^ ^w^ S^^ unferem 3^u^en bei, raenn rair
e§ auf gehörige unb finge SBeife gebraud^en , raie benn ©ifte nur bann
fd^äblid^ raerben, raenn man fie falfd^ Derraenbet, racil^renb fie bei Der«
©inge, an raeld^en rair unä erfreuen, raie ©peife, ^Iran! unb Sid^t, bei
fei, bie ©ünbe nid^t auf @ott jurüdfjufü^ren , raenn bod^ ©Ott bag
^ßrincip aller ^inge, ber alleinige Url^eber alle§ gebend ift unb ba§
33öfe nid^t, raie tk ?iJlanid§äer bel^aupten, au§ einem anberen ^rincip au^er
©Ott, an^ einem eraigen böfen ^rincip, abgeleitet n)erben !ann. 5lber
^ie ©ünbe fann i^ren Urfprung nid^t in ©Ott l^aben, raeil er ber abfolut
Sauge ^tii ^atte bie grage nad^ bem Urfprung be§ 33öfen ben
illo ipso esset inferius, Dens ex rdhilo facere potuit, potuit etiam, quia bonus
est et nulli bono invidet, facere alterum "bonum quod illo priore esset in-
,
gegenüber bem ^etn betrad^tete unb aus btefer 33efttmmung einen ©ninb
entnal^m, um hk 33eunru]^tguugen wegen ber UnBegreifttd^feit be§ ^öjen
nur üor^anben in Olütfjid^t auf bie ^injelraefen, bereu D'tatur üon bem=
jetben ergrinen rairb , unb auc^ in i^nen , roie hie. c'^ranf^eit im Crga^
niämuä, am ^oben be§ (Seienben l^aftenb. ^n biefem @inne [teilte er
fagte er, ift \)a^ 33öfe ber ©egenfa^ gegen ©Ott; \)a nun aber ha^ Sßefen
@otte§ al§ \ia^ I)ö(^fte ©ein gebadet roerben mu^, fo !ann \ia^ ^öfe
nid^t aU ein ©ein, !ann jebe (Srfd^einung be§ 33öfen nur alä SSefenss
bebeutet ba§ im ©runb genommen uid^t§ 2lnbere§ al§ : ha^ ^öfe fei nid^t ein
©ein; benn Diatur, ©ein unb Söefen finb nur üerfd)iebene 9^amen für ben=
felben begriff. 2ßa§ gegen bie ?^atur ift, ift auc§ gegen "ta^ ©ein ober
gegen \)a^ 3öefen, alfo felber wefenloS. ^ag 9^aturwibrige äußert fid^ in ber
^Verringerung unb 2(uf(öfung ber Statur, ^iel^t bie 9'^atur ^in jum 91id^t=
fein. Ober wenn bie ÜJ^anicfiäer fagen, ba^ 33öfe fei ha^ ©^aben=
bringenbe , fo ift ba§ ©d^abenbringenbe infofern fd^ablid^ , aB e§ bem,
wetd^em eg ©c^aben bringt, etwag @ute§ entjiel^t; benn wo e§ nid^t§
@ute§ ju üernid^ten gibt, \)a gibt e§ audfj nirf)t§ ©d^äblid^eg. Slbermalä
alfo äuj3ert fid^ ber (SinfIuJ3 be§ 33öfen barin, baft e§ hk ©ubftanj
Derringert unb ^um 5Rid^tfein l^injiel^t. 5lu§ bemfelben ©runbe ift aud^
\)a^ 33erberben gewiß feine an unb für fid^ befte^enbe ©ubftanj, fonbern
ftorung berfelben. 2Itfo ftellt fid^ ha^ ^öfe ^erau§ nid^t alä eine ©ub^
ftanj, fonbern at§ ein ©egenfa^ gegen bie ©ubftanj, non bem wo§(
gefagt tüerben Um, rao^er eg nii^t ift, nätnlidf) nidEit üon ber götttid^en
©ubftanj; nid^t üon ®ott, üou bem aber ni^t gefagt werben fann,
TOOl^er eg fei ^.
gegen bie ^Jlanid^äer, rceld^e ba§ ^öfe für gletc^ urfprüngltd^ mit bem
©Uten unb für ein jraeite§ äöefen neben jenem l^ielten. 5ttle§, rca§ ift,
fagt 5ruguftinug, ift, infofern e§ ift, forao^l voa^x alg gut, raeil aUt
Statur au§ @ott ftammt unb e§ feine Statur gibt, bie uidjt in ©Ott
i^ren Urfprung ^ätte^. ®ag 33ofe aber exiftirt nie an fic^, wk bie
bemnad^ feine 9^atur, fonbern tri ber hit D^atur^ unb fann uid^t in
@ott feinen Urfprung f)aben, rceil ©Ott ber ©d^öpfer beg @ein§ ift\
(Sg ift ' nid^tg 5(nbere§ alg eine 35erle^ung, ein 3}erberbni6
(corruptio) fei e§ ber 33efdf)affenl^eit ober ber gorm ober ber natürlid^en
videat, id cuique generi malum esse, quod contra ejus naturam est? Sed hoc
constituto evertitur haeresis vestra. Nulla enim natura malum
, sed quod ,
contra naturam est, id erit malum. Ibid. c. 8 Quid enim aliud, cum quaero, quid :
Sit malum, responsuri estis, nisi aut quod contra naturam est aut quod noceat
non natura ejus, sed contra naturam ejus est nihilque aliud est, quam pecca-
tum et poena peccati, inde intelligitur, nullam naturam vel si melius ita dici-
tur, nullam substantiam sive essentiam malum esse.
* De morib. Manich. c. 6 : Cujus defectionis auctor non est ,
qui est
auctor essentiae.
^ Contr. epist. Manich. c. 35: Quis enim dubitet, totum illud, quod
dicitur malum, quam corruptionem? Possunt quidem aliis
nihil esse aliud,
atque aliis vocabulis alia atque alia mala nominari, sed quod omnium rerum
malum sit, in quibus mali aliquid animadverti potest, corruptio est. De —
nat. bon. c. 4 Omnis ergo natura bona est. Proinde cum quaeritur unde
: ,
Sit malum, prius quaerendum est, quid sit malum, quod nihil aliud est quam
ten D^aturen finb nur infofern bofe, at§ fie üerberBt finb, aber infofern
fie Staturen finb, finb fie gut; felbft i^re geiler finb ein ^^i^Ött^B t^^er
@üte; benn raären fie nic^t gut, fo fönnten il^nen ja bte T^^^^er nid^t
Dlatur nid^t für fid^ befielen fann, üernid^tet roerben müBte. ©al§er
fann e§ aud^ fein 2ßefen geben, ba§ fi^Ied^t^in böfe wäre, in bem fic^
gar nid^t§ (53ute§ fdnbe; fo böfe irgenb ein SBefen aud^ fein mag, info*
fern eä ift, b. ^. ein Sein ^at, ift unb bleibt e§ immer gut. (Sin
reine 9'^egatton, ^^i^tfein. (5§ fann nur ein unbebingt (55ute§, aber
fein unbebingt Vöfeg geben '^. ©a^er ergibt fid^, fagt 2Iuguftinug7 ber
1 Ibid. XII, 3.
2 De mor. Manich. c. 6 : Deficiunt autem omnia per corruptionem ab eo,
quod non permanere coguntur, non esse coguntur.
erant, et Itaque quod —
summe et maxime esse dicitur. permanendo in se dicitur. Nam quod mutatur
in pejus, non, quia manebat, mutatur, sed quia pervertebatur in pejus, id est,
ab essentia deficiebat. —
Mutantur ergo quaedam in meliora et propterea ten-
dunt ad esse, —
ad ordinem tendunt. Ibid. c. 2 Idipsum ergo malum e^'t, :
(rebus) et minui bonum et augeri potest. Sed bonum minui malum est. —
§ 25. ®ic UnDotlfommenl^eit unb bo§ UeBel in her SBcIt. 241
etraag ®ute§ tft, bei* @a^: ein fe^Ier^afteg Sßefen fei ein Bofe§ 2öefen,
nid^t§ 5Inbere§ befagen fann al§: 23öfe fei, tt)a§ gut ift, unb böfe fei
nur, rcag gut ift. Unb fo lä^t un§ beim ©egenfat^ graifd^en gut unb
böfe W D^egel ber ^taleftifer im (5tid^, raonai^ fie bel^aupten, (^nU
gegengefe^teg !önne fid^ M feinem ©ing gleid^jeitig finben. 5Da§ 33öfe
fann abfolut nid^t o^ne "iia^ ©ute unb fann nur an bem ©uten fein,
tt)(i^renb anbererfeit§ \)a^ ®ute o^ne ba§ 53öfe fein !ann. 2lu§ bem
©Uten alfo ^at ^a^ 33ö)e feinen 5Iu§gang§pun!t genommen unb nur an
bem ©Uten fann eä ejciftiren. (Sä gab buri^auä feinen ©ntfte^unggs
grunb für eine ©ubftan^ beä ^öfen. ^enn gäbe eg eine fold^e, fo raäre
unb ber mit biefem ^uali§mu§ "gufammen^ängenben ßel^re oon ber 2ße(t=
fönnen, gar mandfie S'igenfc^aften be§ ©ulen auf bag 33öfe ^u über=
tragen, ba^ i^re Seigre oon ber 2BeltbiIbung unb Sßeltentmicfelung , \)a
fie oerberbenbe (Sinmirfung beg ©uten auf bag 33öfe unb be§ 33öfen
auf ha^ @ute annel^me, nid^t nur eine 3ßiberfinnigfeit, fonbern aud^ eine
ßäfterung entl^alte. ©enn rceber an bem ooÜfommenen @uten nod^ an
bem DoUfommenen ^ofen fei etn)a§ p t)erberben. ©otte^Iäfterung aber
fei e§, raenn man fage, ba§ bie göttlid^e Statur bem 35erberben auggefe^t
gemefen fei. ^'benfo raenig fönne man annehmen, ba^ eine bofe ?D^aterie
Dor^anben tüar, vooxau^ @ott fd^uf unb bie er nur Ulhek unb orbnete
unb groar fo, baß er fie nid^t Dollftänbig in @ute§ ummanbelte. S)enn
bann fonnte ober roollte er W^ nid^t tl^un : jeneg rciberfprid^t aber feiner
im ©egenf^eit mit feiner 5IIImad§t oernid^tete unb eine gute ?D^aterie 5^r=
Cum vero corrumpitur, ideo malum est ejus corruptio, quia eam qualicunque
privat bono , nam si nullo bono privat , non nocet , nocet autem adimendo
bonum. — Quae (natura) si corruptione consumitur, nee ipsa corruptio re-
manebit , ubi nulla esse possit subsistente natura. Ibid. c. 13 : Ac per hoc
nulluni est, quod dicitur malum, si nullum sit bonum.
1 Enchir. c. 13—14. 2 Conf. VII, 5.
fann ber Urfpriing be§ 33ö)'en nur baburd^ erflärt rcerben, ha^ man
mtttelft be§ ©djöpfimggbegriffeS jraifd^eu bem abfoluten 3Befen ©ottes
iinb bem creatürtid^eu 3Be[en ober jroifrfjen bem Unguten unb bem an
bem Unguten tl^eil^aBenben @uten unterf($eibet. 5lIIe ©efd^öpfe finb i^rer
D^atnr nad^ gut, rceil bte 3^een @otte§, be§ ]df)le(^tl)in @uten, bie gorm=
principien ber ^tnge finb; aber raeil [ie nid^t, raie i^r ©d)öpfer, auf
bte l^öd^fte, unraan beibare 2öet[e gut finb, fo fann ba§ ©ute in
i^nen üermeljrt ober üerminbert raerben unb eben in ber 33erminberung
unb Deränberlid^ finb fie ja, raeil fie nid^t au§ unb burd; fid^ felbft
fmb, fonbern auä nid^tS erfi^affen finb. ©arin alfo, baf3 W SDinge
auö nid)t§ gefd^affen nnb barum üeränberlidj finb, liegt bie ?iJloglid^=
feit bes 33ofen unb näljerl^in barin, ba J3 hie Dernünf ti gen, freien
SSefen t)eränberii($ finb, liegt bie ^öglii^fett ju fünbigen. 3"^"^^^'
raieber ftnben n3ir in ben ®d)riften be§ 5(uguftinuä ben <Bai^: ber enb^
üii)t ©eift fonnte fünbigen, roeit er auä nid^tg gefd^affen raurbe^ unb
inbem 2tuguftinug in folc^er 2ßeife hk ?[JJogltd§!eit beg 23öien au§ bem
ßrfd^ äffen] ein aug ni(^t§ ableitet, betont er ben '^JJanid^äern gegenüber
mit allem 91ad^brudf, baf^ er unter bem „nid)t§" nid)t etn^aä O^ealeä
oerftel^e unb il^m feine ^raft beilege, ha^ erfd^affen fein au^ nid)tä fo
oiel bebeute al§ nid^t au§ bem 2öefen, nid^t glei^er Dlatur mit ©Ott
fein unb bie creatürlid^en SSefen bem ^öfen cerfallen fonnen, obgleid^
fie t)on ©Ott gemad^t finb, rceil fie au§ nid^tä gefdjaffen unb nid^t-au§
non ex eo esse incipere, quod natura est sed ex eo quod de nihilo natura ,
,
facta est.
25. SDie UnDoüfornmenl^eit imb ba§ Uebel in bcr SBelt. 243
©Ott finb uub begl^alb üerönberltd^ ftnb ^, fei eg nun, ba^ hk 35er?
dnberungen au§ bem SSiUen ^evüorge^en, rate Bei ben üevnünftigen SSefen,
ober auä ben eigenen Qualitäten ber ^inge. SSeil hk\Q 3[^eränbevnngen
fein nid)t ibentifd^ mit ©ünbigenfönnen; nid^t atteä, raaS au§ nid§t§
gef($affen ift, !ann funbigen, raie benn W nnoernünftigen nnb bie leBlofen
©efd^öpfe nidfit fünbigen fönnen; aber nmgefe^rt ift aEe§, raag fünbigen
fann, au§ D^id^tg erfd^affen, unb Bei ben vernünftigen Sßefen fädt W
^ögtid§!eit ^n fünbigen mit bem ©rfd^ affenfein an§ nid^t§ ^nfammen,
fo ha^ fie nid^t eine ^öglid^Mt ift, hk amS) m<^t fein fönnte, fonbern
hk, eben raeil W 3^atur aller creatürlid)en Söefen üeränberlid^ ift, nidjt
nid^t fein fann. ^iefe 91ot^n)enbig!eit bog fünbigen fönnenö ift aber
Sßefen nnb ben Urfprung be§ 33öfen gibt unb rconad^ biefe§ für etmaS
nidf)t ©ubftantielleä erflärt toirb, ift ba^ 33öfe in negatioer SBeife befinirt.
fünbigen; jmifd^en bem ©ünbigen fönnen, roeldtjeg Statur ift, unb bem
roirflid^en fünbigen, ba§ fd^ulbbar ift, beftel^t ein großer Unterfd^ieb^
2kg,t fomü bie ^D^oglid^Mt be§ 33öien in bem (5rfc^ affenfein be§ ^^enfd^en,
fo ift hk SßirHic^feit bei ^ofen i^rem Urfprung nad^ auf bie freie
5lft, fo ift bie^ ber 5l!t einer oernünftigen Kreatur ^. tiefer läf3t fic^
ber Urfprung beä 33öfen nic^t ergrünben. ©er 3SiHe ift bie berairfenbe
Urfac§e feiner §anblungen, tin roeitereg gorfd^en l^ätte alfo nur ben
0inn, bie Urfad^e ber Urfad^e finben ^u raoUen. ©a^er ift n)of)l ber
Sßille bie berairfenbe Urfad^e für fein iBöfefein. „®enn rcaä ift eö,
ba§ ben Saiden bofe mad^t, ba eben er "i^a^, böfe 2öerf ooUbringt? Unb
beB^alb berairft ber bofe 2[i>iIIe ha^ bofe Sßerf, eine beroirfenbe Urfad^e
bei böfen SSilTenä aber gibt e§ nid^t." ^ ®aB bem fo ift, bezeugt jebem
baB feine ©ünbe o^ne freie ^^f^^^^iung bei SBilTeni gefd^e^e. ©benfo
jeugt ]^iefür H^ Sob, ha^ ber ^ugenb unb ©ered^tigfeit, unb ber ^abel,
roetc^er ber ©ünbe unb ber Ungered)tigfeit ^u ^^ei( rairb"^. 2(uc^ 'ük
ditnt ift eine bem ^enfd^en eingeprägte Sd^rift, rceld^e bejeugt, ba^ ^k
ideo peccavit, sed ideo peccare potuit, quia de nihilo factus est. Inter pecca-
vit et peccare potuit plurimum distat. — De ver. vel, c. 20 : Vitium ergo
animae est quod fecit et difficultas ex vitio poeiia est, quam patitur et hoc
,
,
est totum malum: facere autem et pati non est substantia, quapropter sub-
stantia non est malum.
1 De perf. just. c. 2: Quaerendum est, quid est peccatum, actus an res?
Respondendum est, peccatum quidem actum dici, nou rem. De lib. arb. —
III, 1 Non enim quidquam tam firme atque intime sentio quam me habere
:
,
tatis a te, qui es, ad id, quod minus est, quia talis motus delictum atque
peccatum est.
3 Dei XII, 6; de lib. arb. III, 17: Sed quae tandem esse po-
De civit.
terit ante voluntatem causa voluntatis? Aut igitur ipsa voluntas est prima—
causa peccandi aut nuUum peccatum est prima causa peccandi.
* De duab. anim. c. 11: Exspecta sine prius etiam peccatum definia- ,
mus, quod sine voluntate esse non posse omnis mens apud se divinitus scrip-
tum legit. —
Quodsi nemo vituperatione vel damnatione dignus est, aut non
contra vetitum justitiae faciens aut, quod non potest, non faciens, omne autem
peccatum vel vituperandum est vel damnandum, quis dubitet tunc esse pecca-
©ünbe eine ^l^at be§ freien ^iUeng ift. ©te ift jene l^etlfame ©emüt^S-
ftimmung, in rceld^er ber Dftenmüt^ige fü^It, ba^ er 33öfeg get^an ^abe,
i;)ä5renb er f)ütk ®nte§ ll^wn fönnen*.
SBöfe rctrb ber 2öiIIe burd^ 5IBfalI (deficere) Dom l^öd^ften unb
Eingabe an geringere^ ©ein. ^tefe§ geringere ©ein aber ift rceber
felbft a(g foI$e§ böfe, raeil \a alle ^efen von D^atur au§ gut finb,
no(| mad^t e§ burd^ fid^ bcn SöiHen böfe, ba ba§ @ute bod^ ba§ 33öfe
ntd^t ben)ir!en !ann. (^§ ift ^. 33. (Selb unb ®ut nid^t ©d^ulb an ber
§abfud^t, nod^ bte ©d^ön^ett be§ Setbeg an ber fünb^aften fiuft, nod^
ber D^u^m an ber (Sitelfeit, nod) bie ^ac^t an bem ©tol^e, fonbern
n)a§ ben SBtden böfe mad^t, ift bie 3]er!e^rt^eit feiner Dftid^tung, in ber
er fid^ üon @ott abfeiert unb auf unred^tmäi3ige unb ungeorbnete 2Beife
(efficiens) llrfad^e beg 33öfefeinä be§ SSiHenä, fonbern nur eine er-
fid^ felbft rcirb , aber nid)t naturgemäß , fonbern burd^ 5IbfalI oon ber
5Iuge fie^t bie förperlid^en formen unb fte^t nirgenb§ ginfterniß, außer
1 Ibid c. 14: Poenitendi enim affectio illa, quae prodit male fecisse
poenitentem, et bene facere potuisse testatur.
2 De civit. Dei XII, 6 Cum
enim se voluntas relicto superiore ad in-
:
feriora convertit, efficitur mala: non quia malum est, quo se convertit, sed
quia perversa est ipsa conversio. Idcirco non res inferior voluntatem malam
facit, sed rem inferiorem prave atque inordinate ipsa, quae facta est appeti- ,
vit. — Ibid. c. 7: Deficere namque ab eo, quod summe est, ad id, quod
minus est, hoc est incipere habere voluntatem malam. De lib. arb. I, 16: —
Est ita, ut dicis, et assentior, omnia peccata hoc uno genere contineri, cum
quis avertitur a divinis vere manentibus et ad mutabilia atque incerta con-
vertitur. Quae, quamquam in ordine suo recte locata sint et suam quandam
pulchritudinem peragant, perversi tarnen animi est et inordinati, eis sequendis
subjici.
246 33ieTter l^zxl
©Ott atg ba^ ab[otute, unraanbelbare 8ein, bei raetd^em ©ein unb
©iitfein ibentifc^ ift, fann \x(i) nid^t ]e(b|t oertaffen, tjori fid^ abfallen,
fonft mügte er }a fein eigenes 6ein negiren; aud^ l^at er a(§ ha^ abfolut
üoUfommene 8ein nichts ^effereS über fic^, an ha^ er ftd^ ^injngeben
l^atte, fann alfo nic^t bur^ 5tbfa[I t)on bemfetben fünbigen 2. 53eim
enbli^en ©eifte bagegen ift ha^ (Sein nid^t ibentifc^ mit bem ©utfein,
fein ©ein ift ni(^t ein au§ unb burc^ fic^ ©utfein. gerner l^at er al§
enblid^eä 3Befen fein ^ki unb (5nbe ni(^t in fic^, fonbern in einem
§o^eren über fid^, üon bem unb burc^ ha^ er ift; al§ nic^t burrf) fid^
bem l^öd^ften ©ein abfällt, mit bem vereinigt er feine ^oUenbung unb
©eügfeit finbet^ 5)a§ il^m aber pon DIatur bie ^IRogIid^!eit in^ärirt,
unb in ben unter i^m fteljenben fingen ber 9latur. '^a^tx ift eä in
feiner 5^atur not^raenbig gelegen, ha^ e§ i!)m möglid^ ift, ftatt fid^ ©Ott
jujuraenben, fid^ oon ©Ott ab^ufet;ren unb ftatt ©ott fid^ felbft ober ein
finben fann^ Unb raeil biefer 5lbfall oon ©Ott eine Verringerung
feineä '^lÖefenS in ftd^ fd^lteßt, fo ift er etroaS, raa§ nid^t fein foU, raa§
feinem ©ein 35erberben bringt, alfo gegen feine Diatur (contra naturam)
ift. 5llg ^Verringerung feinet 3Sefeng, fagt 5luguftinu§, ift er eine
bem fic^ ber Mottle l)inneigt, fonbern er felber, ber fiel) liinabneigt, rairb
ettüa ba§ raürbe, p bem er ]t(^ l^inneigt, fonbern er ratrb nur tn fetner
%xt geringer; ber ©eift j. ^. ratrb ntd)t Körper, raenn er \\ä) ^u il^m
geraifferma^en. ^er 5(bfa(I üom ^ö(^ftcn ©ein ift infofern nitfjt nid^t§,
aber ein §inftreBen ^nm 9^i(f)t§, eine 33en3egnng be§ 5öiIIen§, in ber er
Don bem ©Incffic^eu unb ©inigen fid^ ah unb bem, roa^ ntd^t @ott ift,
ift, auf je l^ö^ere unb nollfommenere 2öeife e§ ift 2; eg ift ein 9IbfalI
Don ber emigen 3^ee, nac^ ber ber ^enfd^ gefd^affen ift, üon bem eraigen
1 De civit. Dei XIV, 13 : Relicto itaque Deo esse in semetipso, hoc est,
sibi placere, non jam nihil esse est, sed nihilo propinquare. — Contr. Secund.
Manich. c. 11 : Deficere autem non jam nihil est, sed ad nihilum tendit. Cum
enim quae magis sunt, declinant ad ea, quae minus sunt, non illa, in quae
ea,
declinant, sed illa, quae declinant, deficiunt et minus esse incipiunt quam
erant: non quidem ut ea sint, ad quae declinaverunt
, sed pro suo genere ,
minus.
2 De immortal. anim. c. 7 : At enim aversio ipsa a ratione, per quam
stultitiam contingit animo, sine defectu ejus fieri non potest: si enim magis
est ad rationem conversus eique inhaerens, ideo quod inhaeret incommutabili
rei, quae est veritas, quae et maxirae et primitus est, cum ab ea est aversus,
idipsum esse minus habet, quod est deficere Omnis autem defectus tendit
ad nihilum.
^ Ibid. c. 8 : Tanto enim magis est corpus quanto speciosius est atque ,
quadam tendit ad nihilum, sed tunc imitatur verbi formam, sed semper atque
incommutabiliter patri cohaerentem, cum et ipsa pro sui generis conversione
248 3Sterter Xrjcit.
?0f^enf(5 tft fetner (SuBfian^ nad^ gut, raivb oBer ein um fo Befjereg @ut,
je me^r er [id^ fretrcttltg an ©Ott Eingibt, burd; ben er jur feiigen
GTiften^rceife, jur ^^eilna^me an ber ercigen ©etigfeit be§ göttlichen
2Befen§ gelangen fann, raä^renb er umgefer^rt burc§ ben 5lbfaü ron
©Ott fein (Sein oerfdjled^tert unb bem eroigen 33erber6en fic^ preisgibt i.
§ienad^ ift ber Urfprung ber ©ünbe, obgleid^ @ott ber Urgrunb
aller ^inge ift, nic^t auf ©Ott, fonbern auf ben freien Sßiaen beg
^Q^enfd^en, auf ben ^IRiprau^ biefeg Söiaeng surütf^ufü^ren. Gr^ebt
man nun ben ^'inraanb, eä raäre beffer geraefen, ©ott ^ätte ben freien
SßiKen gar nid^t gegeben, rceil bann ber 2)hnfd^ benfelben nid;t l^dtte
gum S3ofen mißbraui^en fönnen, fo ift ju betonen, ba^ ©Ott il^n nid^t
jum Wi^hxan^, fonbern ^um guten ©ebraud^ gegeben f)at, bamit ber
^enfd^ baburd^ tugenbl^aft unb feiig raerbe. ^n biefer (Jigenfd^aft aB
posse non peccare ift ber ÜöiUe felbft fd^on ein ^oljeg ©ut unb fonnten
ol^ne i^n bie ^öc^ften ©üter, ^ugenb unb ©eligfeit, nid^t erraorben
raerben. ^2>^m er i^n aber roegen feine§ möglidjen ^Ji^braud^ä nid^t
geben foHen, fo burfte er überhaupt gar feine ©üter geben, rceld^e mi^^
ad id, quod vere ac semper est, id est ad creatorem suae substantiae formam
capit, ut Sit perfecta creatura. — Scriptum est, dixit Deus: fiat, ut per id,
quod principium est, insinuet exordium creaturae existentis ab illo adhuc im-
perfectae, per id autem, quod verbum insinuet perfectionem creaturae revo-
catae ad eum , ut formaretur inhaerendo creatori et pro suo genere imitanda
formam sempiterne atque incommutabiliter inhaerentem patri.
1 De Genes, ad lit. VIII, 10 Quia Deus est incommutabile bonum, homo:
nid^t in bem (Sinne eine not^raenbige, ha^ fte in ber Statur be§
creatürlid^en ®eifte§ für immer verbleiben mü^te, fonbern nur eine
mit ber ^atur begfelben ^raar notl^menbig gegebene, aber für biefe felbft
rorüberge^enbe, ba ber creatürlid^e ®eift, für ben bag posse non peccare
fd^on ein ®nt ift, hk Slufgabe ^at unb eben fraft feineg freien SßiHenS
aud^ im (5tanbe ift, burd^ fortgefel^te gute SßiHenSbetptignng , burd^
fortgefet^ten guten ©ebraud^ beä 2öillen§ ta^ posse peccare feiner
5^atur aKmöl^lid^ ju überrainben unb ju negiren unb fid^ ba§, n)a§ nur
©Ott, nid^t aber ber (Sreatur üon 9^atur au§ pfommt, nämlid^ ba§
non posse peccare (üon raeld^em in ber $ft)d§oIogie bic D^tebe raar),
glüdfUd^e 3^ot:§n)enbtg!eit ift, p ber er, unterftü^t üon ber ©nabe ©otteg,
t)on ber natürlid^en ^^ot^rcenbigfeit ber ^oglid^feit §u fünbigen fort=
fd^reiten foll *.
(Sagt man aber, ©ott ptte raentgftenö jene, ron benen er üoraug^
fa5, bag fie fein ©efd^en! be§ freien S[öillen§ mipraud^en unb fünbigen
raürben, ntd^t erfd^affen füHen, fo ift aud^ bie^ eine tprid^te gorberung.
©enn mögen fie aud^ nod^ fo htfiedt fein bnrd^ hk Sünbe, fo befi^en
fie bennod^ eine pl^ere 2Bürbe al§ j. 33. ba§ finnti(|e 2i^t, beffen 5ln=
blidf bod^ aUe pm greife be§ (5d^öpfer§ aufforbert. Sßenn ein burd^=
geT^enbeg ^ferb immer nod^ beffer ift al§ ein ©tein, ber nid^t burd^gel^t,
raeil e§ il^m an 33en)egung mangelt, fo ift aud^ ein ©efd^öpf, ha^ mit
freiem Sötffen fünbigt, bemjenigen nodt; raeit oorp^iel^en, ba§ btofe be^s
l^alb nid^t fünbigt, roeil e§ feinen freien ^Bitten l^at^. ^eint man
aber, ©Ott ^tk biejenigen , oon benen er üorau^fa^ , ha^ fie fünbigen
raerben, be^^atb nid^t erfd^affcn foKen, rceit W Sünbe ben ?D^enfd^en
raegä beffer ift atg ba§ Unglüdflid^fein unb ba§ e§ nur eine 3:äufd^ung
ift, rcenn ein Unglüdflid^er ba§ 9^id^tfein oorjiel^t. ©enn raenn er au($
liebt, unb rairb ba^er mit D^ted^t ju einem anberen ©ein genötl)igt, ba§
er nic^t liebt. Wein eben raeil er aui^ alä Unbanfbarer nod^ be[i|t,
raa§ er raünfd^t, nämlid^ ha^ ©ein, muB bie @üte beä ©c^öpferS ge^
priefen werben *. ^ehzx ^k^t jule^t aud§ ein unglücflid^eä ©a[ein bem
S^id^tfein vox , raeil er felber üom ^od^ften ©ein abftammt. SSenn er
rairb er bem ^öd^ften ©ein raerben. ^amtt rairb aber aud^ fein 53er5
langen nad^ ber eraigen ®lüdf[elig!eit raad^[en unb ber SSiUe in i^m
Dor^errfd^enb raerben, fid^ fo ^u geftalten, ba^ fein 35erlangen nid^t mel^r
auf jeitlid^e unb üergänglid^e ^inge gel^t, fonbern auf ba§ eraige
bient benn ^eitlid^eg Unglück oielfad^ jur §eilung unb 33efferung, be^
au§. ©a§ ^id^tfein aber ift fein (StraaS, fonbern ift nid^tä unb eg fann
unmöglid^ auf oernünftige Söeife geraäl^lt raerben, rao ber ©egenftanb,
ben man raä^lt, nid^t§ ift. ^D^an raäl^lt immer ba§ 33effere; allein raa§
nid^tS ift, fann unmöglidj ha^ 23effere fein. SSer etwa^ ?fieä)ie^ raünfd^t,
rairb burd^ bie (Erfüllung feineg SSunfd^eg beffer. 2lber raer nid^t ift,
!ann offenbar aud^ nid^t beffer raerben. ©omit fann niemanb oernünf^
tiger Sßeife ha^ S^id^tfein raunfc^en. ®a§ 35erlangen aller, raeld^e fid^
ben ^ob raünfd^en, jielt benn aud§ nid^t auf ein eigentlid^eg ^Jlid^tfein
abf fonbern auf D^u^e, hk raieberum ein ©ein unb ^raar ein Doltfom=
Söenn inbeffen \)a§ Unglüdflid^fein al§ ©ein immer nod^ eine Dffen=
barung ber göttlid^en @üte ift, fo gibt fid^ in il)m nod^ wtii mel^r eine
©ünben befteljen fann, raie umgefel^rt im 2ßerfe ber (Srlöfung fid^ bie
^
Ibid. III, 6. 2 i]3i(i. III, 7. 3 Ibid. III, 8.
§ 25. ©le UitDoKfornmenl^eit unb ha^ UeBel in bcr 2öelt. 251
feligeö, ben böfen ein unglücffeltgeg ßeben. STuguftinuS bleibt nic^t Bei
trenbig, nid^t nur golge ber SDegrabation unfere§ 3ßefen§ burd^ ^rit)a=
tion ift, fonbern loeil eä geredet ift, ha^ Uebel mit ber ©ünbe t)er=
ha^ ber ©c^ulb ©träfe entfpred^e. ©ott, fagt er, ift aller ©tnge Orb*
ner unb ©d^öpfer, ber ©ünbe aber nur Drbner^ nnb er orbnet gema§
feiner (S3ered[jtig!eit bte ©ünbe fo, bafe fte tk Harmonie unb Orbnung
ber 2ßelt uberl^aupt ntd^t beeinträd^tigen !ann. 33etont 2luguftinu§ im
Kampfe gegen ben ^antd^äi^mug überl^aupt in erfter Stute bte Orbnung
unb Harmonie in ber Sßelt aB ber Offenbarung ber gottlid^en ©igen=
fd^aften, fo fonnte er ^^ffeu, bem ?[Rantd§ät§mu§ am Mftigften ju
begegnen mit bem (Sat^e: eä gibt nid^tä, raaä bte göttlid^e Orbnung
ftören !ann; alleä l^at feine Harmonie in fid^ unb raenn nid^t in fid^,
fo bod^ im @an§en; aud^ bag 23ofe ift ber allgemeinen Orbnung unb
Harmonie unterraorfen jur Offenbarung ber göttltd^en ®eredC)tig!eit.
Uebung ber ©ered^ttgfeit ober burd^ ©rbulbung oon Setben. ^lud^ finb
©d^ulb unb (Strafe ntd^t jeitlid^ oon etnanber getrennt, fonbern unmtttel=
Unioerfumä baburdf) getrübt raerbe, ha^ in tbr bte §äBltd[;!ett ber ©ünbe
erfd^eint o^ne bie Qkxhe ber geredeten ©träfe ^, fonbern immerbar jebe
ungeorbnete, fünbige ©eele fid^ felbft jttr ©träfe ift^ §ierin liegt bie
Crbnung ber Sßett tft nic^t o^ne bie ©ered^tigfeit unb erraeigt fid^ eben
aud^ burd^ bie|e juglei^ al§ ©tfiön^eit unb Orbnung^. (Sbenfo tft bie
®ered^ttg!eit ntd^t o^ne W @üte; benn alle§, raaä geredet tft, tft ja aud^
gut 2 unb bavum ift aud§ W ©träfe ber 6ünbe , tüeil fte geredet ift,
itad^ ber öon ©Ott gej'e^ten Orbnung gefd^ie^t, felber gut unb tragt
bemnac^ felber ^ur 35olI!ommen]^ett ber SSelt bei. ^a^er finb aud^ W
in golge ber ©ünbe unglücf feiig ©eraorbenen, bie geredeter ^eife un=
glücffelig finb, felbft in i^rem (Stenb innerhalb ber Orbnung^. Ol^ne
bie @ünbe trürbe bie ©(^öpfung auf aUen i§ren ©tufen ©Ott oer^err^
tid^t ^aben, aber mit ber 6ünbe oer^errlid^t fie il^n nic^t minber, info=
gegtid^en rairb. 6omit gereicht bk ^lage, ba^ burd§ ben 5lbfatl beä
menfd§Ii(^en 2ßiIIen§ oon ©Ott fo gro^eä (Stenb unb 3}erberben über hk
men]'d^li(^e Dlatur gekommen [ei, nur ^um :^obe ber menjd^Iid^en 3^atur
unb il^reä geredeten ©c§öpfer§; im ©e^orfam gegen ha^ oon i^m georb=
nete eraige ©efe^ unb in ©emeinf(^aft mit i^m ju oer^arren, ift baä
erfte unb ftöd&fte ©ut beg 'Ilcenfd^en.
SDefi^alb !ann man aud^ nid^t ben ©inraanb erl^eben, ©Ott fei
allerbings nid^t ber Url^eber be§ 33ö]en; allein raenn ©Ott eä nid^t ju=
gelaffen ^atte, fonnte eä fid^ in ber 3ßelt nic^t oorfinben, ha o^ne ben
stantia, quae ab omni peccato munda est Deo subjecta, subjectis sibi ceteris
dominatur. Ea vero, quae peccavit, ibi ordinata est, ubi esse tales decet,
ut Deo conditore atque rectore universitatis decora sint omnia. Et est pul-
,chritudo universae creaturae per haec tria inculpabilis damnatione pecca- :
SBtHen @otte§ nid^tg fei; ba§ S3ofe fet ba^er rcol^I gegen ben göttlichen
bod^ nid^t in bem 6inne gegen ben göttlid^en SßiUen, ba^ eg ganj
raiber @otte§ SSillen ba raäre; ptte ©Ott e§ nii^t ^ulaffen loollen, fo
iDÖre e§ aui^ nid^t ba. ^iegegen ift ^n bemerfen: rcenn ha^ 33öie at§
fold^eä nic^t gut ift, fo mufe e§ bod^ gut fein, bafe baä 33öfe ift, eben
weit e§ nid^t o^ne @otte§ gulaffenben ^öiUen ha ift. ©g ift aber ht^-
l^alb gut, ba^ ba§ 33i)fe fei, rceit eg felbft rcieberum bem ©uten bienen
mufe. (5§ ift jraar gegen bie Orbnung, fofern e§ biefelbe ftörcn wiU;
aber e§ ift bod§ rcieberum ni^t aufeer ber Orbnung, raeit ©Ott ha^
ift ®otte§ SBeiö^eit unb ^J^ad^t, bafe er adeS, rcaS feinem ^Bitten aud^
nod^ fo fe^r entgegen ju fein fd^eint, ^u bem guten unb redeten ^kk
Ien!t, ha^ er iDorl^erfa^ unb feftfe^te. ©r Ijiclt eg für beffer, aug bem
33öfen felbft ®ute§ ^n bereiten, alg gar !ein ^öfeä ^u^ulaffen 2. Unb
raenn er babei ba§ 33öfe ber ©träfe unterstellt, fo finbet feine 5(enberung
feinet 2öillen§ \iatt, fo ha^ er je^t benjenigen ^ürnen würbe, gegen bie
er Dorl^er gütig war; melmel^r üeranbern \\^ bie[e unb ftnben ©Ott in
ben ©trafen, W fie erleiben, neränbert, ü^nlid^ wie fid^ bie ©onne
anbert gegen franfe 5lugen unb in geraiffer Steife l^art wirb gegen bie,
benen fie oor^er freunblid^ raar, obwolil fie in fid^ felbft immer biefelbe
bleibt 3.
quam facit, nisi cum peccat qui tarnen supplicio redigitur ad naturam ad
,
;
naturalem quippe justitiae ordinem pertinet, ut aut peccata non fiant aut im-
punita esse non valeant; quodlibet liorum sit: naturalis ordo servatur, si non
ab anima, certe a Deo. —
Music. VI, 14: Amor inferioris pulchritudinis
animam polluit, quae amisit ipsa ordinem suum, nee tamen excessit ordinem
rerum, quandoquidem ibi est et ita est, ubi esse et quomodo esse tales
ordinatissimum est. Aliud enim est teuere ordinem, aliud ordine teneri.
2 De lib. arb. III, 12; enchir. e. 27; De Genes, ad lit. XI, 6: Cum
etiam per injustos justi ac per impios pii proficiunt , frustra dicitur : Non
crearet Deus, quos praeseiebat malos futuros. Cur enim non erearet, quos
praesciebat bonis profuturos, ut et utiles eorum bonis voluntatibus exercen-
dis admonendisque nascantur et juste pro sua mala voluntate puniantur. —
Adv. Faust. Manich. XVI, 21 Ad aliquem usum sanctorum ordinatur omnis
:
caecitas impiorum a summo Deo, qui pro sui regiminis aequitate bene utitur
etiam malis, ut, qui pro suo arbitrio injuste vivunt, illius judicio juste dis-
ponantur.
3 De civit. Dei XXII, 2.
254 3Sierter 2^ett.
ftreitenber 5Dinge erl^ö^t ^ nnb röie ber (Schatten, gehörig angebrad^t, nur
W ^d)bn^tit eineg @emd(be§ üerme^rt, fo ift ):)a^ Unioerfum ber ^inge,
raenn jemanb bagjelbe überf^auen fönnte, anc^ mit ben 8ünben ]^bn,
obrao^t biefe für fic^ betrad^tet burd^ eigene DD^i^geftalt ^ä^li^ finb ^
©nblid) aber muffen rair nn§ überhaupt, roie fd^on bemerft rourbe,
bie S5}elt äd)t p^ilofop^iic^ alg ein organifc^e§ @an^e benfen, inorin jebe§
©lieb mit lyiotl^tDenbigfeit üor^anben ift, infofern e§ üon ber 3^^^ ^^^
©anjen geforbert rcirb. ^arum ift and; hk Giciften^ roiriensfreier unb
barum ber Sünbe fähiger Sß^efen nid^t etraa§ 3^f^^^9^^ "^^ ^^n ©ott
raiKfürlid^ in ber 35}elt ®efet^te§, fonbern mit ber 3bee ber Sßelt not]^=
menbig gegeben. 3^ ^^9^^^'f ^^^ ^^^^ ^^^9^ überhaupt fdjon eine 3:ota=
lität bes 8eing, fo baJ3 eine Inrfen^afte, unooUftänbige 2Öett nid^t einmal
ein Unioerfnm, ein Jlogmoä rcäre. 3" ^^i^f^'^j^ ^^\ ^^^ 35ollftänbigfeit
ber Sßelt unb auf Vie üotlfommene Crbnung in ber 35erbinbnng aller
3ßefen, foraofjl im DRaume als in ber Qeit, fann bal^er bie ©d^öpfung
!eineg einzigen ^enfd^en, aud) beffen ntdf)t, ber feinen freien Söitfen jur
raetd^e fünbigen fön neu unb, raenn fie gefünbigt l^aben, notl^raenbig
unfeUg roerben. Sßenn nad^ ^Jinraegnal^me ber ©ünbe bie Unfeligfeit
nodf; fortbauerte ober roenn fie fd^on \i^n ©ünben üorau§ginge, fo rcürbe
bieB atlerbings ber 3^^^ eine§ ^o^mog nic^t entfpred^en. 2Benn aber
©ünben gefd^e^en raürben, o^tte ^a^ jie bte Unfeligfett mit \\^ Brächten,
fo raürbe bog 33öfe bte Orbnung be§ ^o§mo§ zerrütten, bleiben alle,
©enn biird^ bte ©träfe n)irb ja, tüte gefagt, bte ©iittbe mit ber all=
ja aurf) ^eilt unb beffert, l^ört auf f($änbüd^ ^u fein, tnetl burc§ fte bie
©($mad§ ber ©ünbe getilgt roirb unb fie infofern not^raeitbig jum
©c^mucfe be§ UniüerfumS gel)ört*.
^a^er bient alTeg, 2oh rate ^abel ber @efd§öpfe, nur ^um greife
©d^öpfer getobt, t)on bem fie il^re 3^atur empfingen; rcerben fie aber
getabett, fo trifft ber ^abel nid^t bte Statur eine§ Sßefenä, bie ja an
fi(^ gut ift, fotxbern ben gel^ler etneg S[ßefen§, ber feiner ^atur ^uraiber
ift. ©amit aber rcirb hk 3^atur felbft gelobt, raeil ha§, raa§ i^r gu?
raiber ift, ber geiler, getabelt toirb. 5Xud^ biefeä Sob gel)t bann mieber
auf hen ©c^öpfer inxüd, ber baburd), ha^ feine ©efd^öpfe rceber getobt
nod^ getabelt werben fönnen, o^ne ha^ er geprtefen raürbe, fic^ alä ein
& erl^ebt fic§ je^t nur uo^ hk grage, rcie fid) mit ben böfeu
§anblungen, bie au§ bem freien Sßitten beä ^Jenfd^en ^eroorge^en, ha^
2ßie ©Ott bie SBelt erfc^affen unb georbnet l^at, fo regiert er aucC)
alteS unb fülirt alle 2)inge burd^ feine 3Sorfe|ung p bem i^nen üor=
geftedften ^kU. 6eine ^^orfe^ung erftredft fid^ auf ha^ ©in^elfte in ber
9^atur raie in ber ^enfc^enroelt. ©ie ift inäbefonbere in ^infid^t auf
ben ^wfammen^ang ber ©efd^öpfe ber ©runb ber Orbnung unb ber
werben, ba^ hk 2lbfolutl)ett ber erfteren gema^rt wirb, o^ne bie 2ßirf=
lid^feit ber legieren ju negiren. Slllein eben "oa fragt eg fid^, mie hk
menfd^lid^e grei^eit benfbar fei, rcettn ©Ott alleg, raag gefc^ie^t, mit uu:
bar in fein, fo ha^ man entraeber biefeS ober jeneg aufgeben muJ3.
©iefer Schein Ijai fdjon manche getäufd^t unb p ben t^orid^teften 2In=
nal^men üerleitet, raie 5. 33. jur ße^re üom gatum ober jum aftrotogifd^en
l^ebt ba§ göttliche 35or]^ern)iffen bie freie 2öiIIen§t^atigfeit nid^t nur nid^t
auf, fonbern ponirt fie. ^enn raag ®ott üorau§fiel^t, ift eben ber Sßille,
ber biefe§ ober jene§ roill ober aud^ nid^t raill unb lebiglid) burd^ feine
tüill ja, roag er raid, auf ®runb ber ©elbftbeftimmung, nid^t auf ©runb
ber göttlichen ^rdfcien^; er roill nid^t, raeil ©Ott e§ üoraugfiel^t, fonbern
umgefel^rt, ©ott fielet e§ üoraug, raeil er rciH; ©Ott fie^t ba§ 5ßoHen
t)orau§. ©g ift bal^er gar nid^t einjufel^en, rcie au§ ber göttlid^en
eine§ anbeveti ^enfd^en bem SCötUen be§ testeten feinen 3^ö^9 ^wf=
erlegt, fo rcirb au($ @ott üorauäfel^en fonnen, rate raiHenäfreie ?[Renfd§en
fid^ üielmel^r gum 3i^'fiittf^i9ftt ^^^ ^^§ menfd^Iid^e @eba^tni§ ^um 5^er=
ift bie göttlid^e ^räfcieng Urfad^e, ba§ ha^ 33öfe ge[c|e]^en muffe, ha^
gefd^el^en rairb, nnb rate ic^ mic^ an manc^eg erinnere, raa§ id^ get^an
l^aBe, ofjne beg^alb aKe§ get^an ^u ^aBen, raoran td^ mid^ erinnere, fo
raei§ and) @ott ade§ üorau§ , raa§ er felber t^nn rairb , o^ne beß^atB
alleä '^u berairfen, Don bem er r)orau§raet§, baß e§ gefd^e^en raerbe ^ <Bo
^at ®ott ben Unglauben ber 3uben üorauggefel^en unb burd^ \)k ^xo-
Poeten an(^ üoraulgefagt ; allein be^raegen ift i^r Unglaube ntdfit fein
SBerf, fonbern t§r2ßer!. (5r l^at nur oorauggefel^en, raa§ fie raollten;
ptten fie ftatt be§ 33öfen ba§ (Buk geraoöt, fo l^dtte er eben btefeg
üorau^gefe^en ^.
©Ott ift allerbing§ ber ©d^öpfer unb Senfer aUer ©inge, aber er
3um ^orau§ flar aufgebedft l (5§ ift ferner aUerbingg rid^tig, ba§ jum
3raedf ber ein^eitlid^en Sßeltregierung im göttlicfien teufen aCfe berair=
voluntatis est praesciiis — Non igitur per ejus praescientiam mihi potestas
adimitur, quae propterea mihi certior aderit, quia ille. cujus praescientia non
fallitur, adfuturam mihi esse praescivit.
* De lib. arb. c. 4. ^ Tract. 53 in evang. Joann. c. 4.
3 De civit. Dei VII, 30.
258 SSiertcr ^txl
bie üom göttlid^en 35or]^ern3iffen umfaßt rairb; alfo ift feine freie (5elbft=
rairft roirb, bie letztem aber finb Urfac^en, roeld^e rairfen unb gerairft
alä felbft roirfcn, bürfen nidjt gu ben rairfenben Urfac^en gejault raerben,
ba fie nur '^ütd für ben SSiCfen ber @eifter finb K 2öeber oon @ott
alfo, noc| Don ber 3SeItorbnung, noc^ üon ber fic^tbaren ^atur brojt
eine S^cegation ber menfc^Iidien grei^eit unb e§ bleibt ber (5a^ befte^en:
©Ott ^at ben Söillen aB freien SßilTen erfc^affen unb beffen 5l!te finben
nid^t ftatt, raeil @ott fie üorausraeig, fonbern ©Ott roeiB fie üorauä,
raeit fie felbft ftattfinben loerben.
1 Ibid. V, 9.
5acl)re3t|iei\
%.
Slfobemtfd^e @!ep[i§ 8. 31. 46; x^x üer= Sbeen 48. 71; Sbee ber SBo^r^eit 48;
borgener 3"^^'^ l-^- ber @d^önl}eit 53. 170; ber 2ßei§=
5tnf(^aiumg, inteüectuelle 69. 80; il^re 55. 168; be§ ©uten unb D^ed;ten
rieit
^Pl^ifofop^ie, t^r (Jnbsiet 17. 19; ©eftnis ©inn, Sumerer 40 ; innerer ober ®emein=
tion beri'elBen 18; actbe unb con= ftnn 43. 135; innerfier 60. 134.
temptattüe 93; Uttsulängltd^fett 25 ff. <Sinne§täu[d§ungen 37. 41.
93; pi'i^djologtic^e D^td^tung 24; t^eo^ ©inneäroal^rnel^mung 42. 45. 47; unb
logild^er ßj^arofter 18, ieltgiö§ = prafs finnlid^e 33or)teÜungen 112.
ttfd^er ©tonbpunft berfelben 22. ©ofrateS 21. 93.
^latoiiifd^e unb neitpIatoni[d§e ^j^ilo^ Spiritus, spiritalis 124.
foppte 11. 15. 43. 60. 93. 157. ©tufen be0 @ein§ 102.
^13rotin 93.
^iSräej-iftensIel^re 61. 229—230.
5ßt)t^agora§ 13.
^eränberlid^feit 7.
5Sernunft 12. 46. 133.
33erftanb 44.
Ratio unb ratiocinatio 132. Visio corporalis, spiritalis unb intellec-
dianm{[ä)hit beä Jiörperlid^en 110. tualis 132.
Dfteligion, ci^nllltd^e 25 ff.; raa^re 91. 3SolIfommen]^eit ber ®inge 234.
©d^önl^eit ber 5)inge 234; be§ 2eiBe§ 124. 3S-a]§r^eit, bie SB. an fid^ 39. 63. 174.
SSaJ^rld^etnlid^feit 32.
©d^öpfung, i^r ©runb 192 qu§ nichts ;
114; eine ©ubjtanj 113, 115; ein SEitte138; [eine ^ret^eit 139; [eine for=
©eifl 129; ein (Sbenbilb ®otte§ 164.
male unb ftttlid^e grei^eit 142. 249;
©eeleuüermögen, bereu (Sinl^eit 116. 25. unb ©nabe 145; [eine |)anbrungeu
©elbftberouBtfein, [eine ©eroi^l^eit 16. 31. unb bie göttlid^e ^rä[cienä 255 f[.
34; !)abituale§ unb octualeä 131. m\\m 30. 45.
©elbfter^altungätrieb 135. SSi[[en§trteb 33. 47.
O
•H
fU
-^ivm-
imm
'l"
i J^iÄ^
ifi^^
i^üÄfc ä^^fti
l^t