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Internationales Zentrum für Menschenrechte der Kurden

IMK Menschenrechtsinformationsdienst
Datum: 23. Dezember 2004 – 23. Januar 2005 Nummer: 238-239

Türkische Polizei übt Selbstkritik Kenner seiner Landsleute wüsste er, was es be-
Istanbul (AFP) - Die zentrale türkische Polizeibe- deutete, wenn von ihnen 90 Prozent eine Mit-
hörde hat Gewalteinsätze der Sicherheits-kräfte gliedschaft befürworteten. Allerdings könne er die
kritisiert und Konsequenzen angekündigt. Unange- Erfüllung der Kopenhagener Kriterien so als seien
messene Gewaltanwendung durch die Po-lizei dürfe sie ein Opfer für die Türkei, nicht verstehen. Wäre
es nicht geben, sagte der stellvertretende Polizei- es ein Opfer für die Türkei, die Rechte seiner 20
chef der Türkei, Ramazan Er, am Freitag vor Jour- Millionen Kurden anzuerkennen? Was verlöre die
nalisten in Ankara. "Wir treten dafür ein, dass die Türkei, wenn sie 20 Millionen erlaubte ihre Mutter-
Bürger ihre verfassungsmäßigen Rechte ausü-ben sprache zu sprechen? Zwei vollkommen integrierte
können", sagte Er, der auch als Pressesprecher der Kulturen könnten der Türkei helfen, sich selbst in
Behörde fungiert. Er bezog sich unter anderem auf andere Kulturen zu integrieren. Eine einzigartige
einen Polizeieinsatz gegen demonstrierende Lehrer Gelegenheit, was wollen die EU Demokratien
vor einigen Tagen in Istanbul. Die Polizei hatte mehr? Wäre es Zypern? Dieses dringende Problem
Demonstranten getreten und geschlagen; zu-dem braucht eine Lösung, die alle Zyprioten akzeptieren
setzte sie Pfeffergas ein. (Quelle: yahoo, 10.12.2004) können.
Zum Abschluss sagte er: „Ich habe gehört, es gäbe
kulturelle Defizite, um die EU-Standarts zu er-
Zeitung konfisziert reichen: Vögel können nicht mit einem Flügel flie-
Die Lokalzeitung "Ararat'in Sesi", die im Kreis Do- gen. Technologie, Wirtschaft und Forschung kön-
gubeyazit (Agri) herausgebracht wird, wurde kon- nen nicht ohne kulturellen Reichtum gedeihen
fisziert, weil ein Foto von Abdullah Öcalan abge- (Quelle: Turkish Daily News, 20. Dezember 2004)
druckt war. Betroffen war die Ausgabe vom 9. De-
zember. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft wur-
de mit § 312 TSG begründet. (Quelle: Bia, 18.12.2004) Massengrab bei Kulp
Die AKP Abgeordneten Cavit Torun und Hakan
Tasci und der CHP Abgeordnete Mesut Deger, die
Journalist mehrfach festgenommen im Auftrag der parlamentarischen Menschenrechts-
Berichte über den Journalisten Mustafa Benli, der kommission die Vorführung eines Massengrabes im
als Chefredakteur der Zeitschrift "Hedef" seit 1998 Kreis Kulp (Diyarbakir) untersucht haben, gaben
in Haft war, sprechen davon, dass er nach seiner ihren Bericht bekannt. Darin sagten sie u.a.: "Es
vorzeitigen Haftentlassung aufgrund des neuen konnte nicht festgestellt, dass die nach der Fest-
Strafgesetzes drei Mal wieder in Polizeihaft genom- nahme verschwundenen Personen etwas mit der
men wurde. Im Verlauf des Todesfastens war er am PKK zu tun hatten. In den offiziellen Berichten
Wernicke-Korsakoff-Syndrom erkrankt. Im Dezem- wird dies auch nicht behauptet. Die Staatsan-
ber wurde er nun wegen des geringeren Strafmaßes waltschaft in Kulp hat nicht die nötige Vorsicht
im neuen Strafgesetz aus dem Gefängnis vom Typ walten lassen. Sie hat die Dorfbewohner aufge-
F in Edirne freigelassen. Beim Verlassen des Ge- fordert, ihr Knochen und Kleidungsstücke zu brin-
fängnisses wurde er gleich in Polizeihaft genom- gen. Sie wurden dann in Säcke gepackt und erst
men, aber nach ein paar Stunden wieder frei- danach ging der Staatsanwalt mit der nationalen
gelassen. Er ging nach Corum, wo er am 7. Dezem- Presse zum Tatort. Aus den Unterlagen, die vom
ber erneut festgenommen wurde. Erst nachdem klar Europäischen Menschenrechtsgerichtshof stammen,
wurde, dass auf ihn die Änderungen des § 312 TSG geht hervor, dass die Operation unter General Ya-
anzuwenden sind, wurde er freigelassen. Am 8. vuz Ertürk durchgeführt wurde… Obwohl die Be-
Dezember wurde Mustafa Benli erneut festgenom- troffenen entschädigt wurden, halten wir es zur
men, dieses Mal, weil er im Verfahren wegen der Linderung ihrer Schmerzen für erforderlich, dass
Operation in der geschlossenen Haftanstalt von An- gegen die Verantwortlichen ein Verfahren durchge-
kara noch keine Aussage gemacht hatte. Nach 8 führt wird. Bei der Untersuchung durch die Ge-
Stunden kam er wieder auf freien Fuß. (Quelle: Bia, richtsmedizin sollte sich herausstellen, um wen es
19.12.2004) sich bei den Getöteten handelt. Wir sind zu der
Überzeugung gekommen, dass diese Personen zur
Yasar Kemal schreibt zu dem türki- Zeit der Operation gegen Semdin Sakik ums Leben
schen EU Bericht kamen. (Quelle: Cumhuriyet vom 22.12.2004)
In der italienischen Zeitung Corriera della Sera
schrieb der bekannte Schriftsteller am 18.12 2004 Verfahren gegen Folterer
einen Artikel mit der Überschrift „Wir werden Die Staatsanwaltschaft in Van hat die Polizeibeam-
unseren Feind mit mehr Demokratie bezwingen“, ten Ahmet Yildirim und Oguz Sahan wegen Miss-
Kemal sagte, der 17. Dezember, als die EU Mit- handlung des Kindes Tacettin Kurt, den sie am 22.
glieder beschlossen, ein Datum für den Beginn der September in Van festgenommen hatten, angeklagt.
Beitrittsverhandlungen zu nennen, war das der Tag, Das Verfahren wird am 10. Februar 2005 beginnen.
auf den die Türkei 40 Jahre gewartet hatte. Der Anwalt Murat Timur teilte unterdessen mit,
Anschließend fügte er hinzu: Die Türkei sei ein dass Polizeibeamte die Familie am 18. November
wichtiges Land für jeden. Lange Zeit seien Türken aufsuchten und den Vater Sahabettin Kurt und
Unterstützer des Friedens gewesen und könnten so Tacettin Kurt bedrohten, damit sie ihre Anzeige
einen wertvollen Beitrag zur EU leisten, die ge- zurückziehen. (Quelle: Özgür Gündem, 22.12.2004)
gründet wurde, um den Frieden zu sichern. Als

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Folterer freigesprochen Offener Brief an den Generalstab
Die 7. Kammer des Landgerichts Izmir hat am 22. Der Anwalt Hüseyin Aygün hat in einem offenen
Dezember die Polizeibeamten Muhtesem Cavusog- Brief an den Generalstab auf "Verschwundene" in
lu, Mesut Angi, Alim Ercetin und Hürriyet Gündüz der Provinz Tunceli hingewiesen und um Aufklä-
vom Vorwurf der Folter am deutschen Staatsbürger rung gebeten. Er erinnerte dabei an den Bericht der
Mehmet Desde, der im Juli 2002 vier Tage in Poli- Kommission im Parlament, die für das "Verschwin-
zeihaft war, freigesprochen. Der Freispruch erfolgte den" von 11 Dorfbewohner im Kreis Kulp (Diyar-
aus Mangel an Beweisen. Das Gericht hielt es trotz bakir) ein Kommando aus Bolu verantwortlich
Gutachten der Ärztekammer Izmir und der Ege- macht. Dieses Kommando sei im Jahre 1994 in der
Universität nicht für erwiesen, dass Mehmet Desde Provinz Tunceli aktiv gewesen. Bei einer Operation
gefoltert worden war. (Quelle: TIHV, 23.12.2004) im Weiler Mirik, Dorf Gökcek, das zum Zen-
tralkreis von Tunceli gehört, sind am 23. und 24.
Neue Projekte für Rückkehr September 1994 sieben Mitglieder der Familien Isik
in die Dörfer und Serin "verschwunden". Insgesamt seien im
Nach dem Vorschlag der EU, neue Projekte für eine Jahre 1994 in der Provinz Tunceli 16 Menschen
Beschleunigung der Rückkehr in die Dörfer zu ent- "verschwunden". (Quelle: Bia, 23.12.04)
wickeln, hat der Petitionsausschuss im Parlament
der Regierung eine Reihe von Vorschlägen ge- Journalist kommt in Haft
macht. Zunächst einmal solle das Budget für das Yasar Camyar (33), der ehemalige Chefredakteur
Rückkehrerprojekt aufgestockt werden. Im Jahre der Zeitschrift "Alinterimiz" hatte nach der Ab-
2004 waren dem Projekt 6,4 Trillionen TL zuge- leistung seines Militärdienstes (November 2004)
ordnet worden. Nach Angaben des Innenmini- Hochzeitspläne geschmiedet und ging deshalb zum
steriums sollen durch den Terror in der Gesamt- Standesamt in Kadiköy (Istanbul). Dort wurde er
türkei 930 Dörfer und 2.018 Weiler entvölkert sein. verhaftet, damit er eine Reststrafe verbüßt. Vermut-
In 12 Provinzen wurden dadurch 353.000 Men- lich hatte das Amtsgericht Sisli die Geldstrafen, die
schen heimatlos. Von ihnen waren am 30. Novem- gegen ihn wegen Verstoßes gegen Artikel 7/2 ATG
ber 2004 insgesamt 128.085 Menschen zurück- verhängt worden waren, in eine Haftstrafe um-
gekehrt. (Quelle: Hürriyet vom 20.12.2004) gewandelt. (Quelle: Bia 23.12.04)

Solidarität mit Kriegsdienstverweigerer Antwort auf Bericht des Gouverneurs


Der IHD Istanbul hat eine Kampagne für Halil Zum ersten Mal hat der Gouverneur von Di-
Savda begonnen. Er hatte am 12. Dezember seine yarbakir, Efkan Ala, auf die Monatsberichte des
Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen IHD Diyarbakir zu Menschenrechtsverletzungen in
(KDV) erklärt. Auf der Internet-Seite des Kriegs- der Region in den Monaten August und September
gegner wurden zu ihm folgende Angaben gemacht: reagiert. Dies ist eine positive Entwicklung, wenn
In der Verhandlung vor dem Militärgericht in Corlu man bedenkt, dass es bislang in ca. 250 Fällen zu
hat Halil Savda am 16. Dezember erklärt, dass er Ermittlungen gegen den Verein aufgrund von Straf-
ein KDV'ler sei. Er werde eine detaillierte Aussage anzeigen des Gouverneurs (gerade im Zusam-
nach einem Gespräch mit seinem Anwalt machen. menhang mit den Monatsberichten) kam. Aller-
Er wurde wegen Befehlsverweigerung in das Mi- dings sind in der Erklärung lediglich 21 Fälle auf-
litärgefängnis von Corlu eingewiesen. Dort sitzt er gelistet, in denen es nicht zu Verletzungen der
mit seinem Trainingsanzug in einer Einzelle." Menschenrechte gekommen sein soll. Selahattin
In einem Brief vom 20.12.2004 hatte Halil Savda Demirtas, der Vorsitzende der Zweigstelle Diyar-
erklärt: "Ich bin 1974 in einem Dorf im Kreis Cizre bakir, sagte dazu: "In dem angegebenen Zeitraum
(Sirnak) geboren worden. Im Jahre 1993 war ich sind bei uns 467 Beschwerden eingegangen. Aus
einen Monat lang in Polizeihaft und bin schwer ge- diesem Grunde sind die Angaben zu lediglich 21
foltert worden. Ich wurde als Unterstützer der PKK Fällen unzureichend. Wir haben außerdem weitere
verurteilt und im Jahre 1996 entlassen. Im Mai Informationen zu diesen Fällen aufgelistet und hof-
1996 wurde ich eingezogen. Nach der Grundaus- fen, dass sich der Gouverneur damit erneut aus-
bildung bin ich nicht wieder zurückgekehrt. Im einandersetzt. Es fällt auf, dass die 21 Ereignisse
November 1997 wurde ich in Mersin als Mitglied alle zur Amtszeit vom Gouverneur Nusret Miroglu
der PKK festgenommen und vom SSG Adana zu 15 passiert sind, und wir denken daher, dass die Po-
Jahren Haft verurteilt. Durch das neue Strafgesetz lizeidirektion die Fakten dem Gouverneur unvoll-
kam ich am 18.11.2004 auf freien Fuß. Am glei- ständig übermittelt hat."
chen Tag wurde ich in Handschellen zur Gendar- Die ersten 10 Fälle (von insgesamt 21 Fällen) wer-
meriestation Sehitkamil (Provinz Antep) gebracht den exemplarisch wiedergegeben:
und als Fahnenflüchtiger 6 Tage in Haft gehalten. Fall 1: Hier sagt der Gouverneur, dass es keine
Es gab kein Bett, nur eine Bank und Militär- Festnahme von S.C. gegeben haben kann, weil es in
Decken. Ich durfte meine Familie nicht benach- dem Dorf Gündecano (Kirectepe) keine Teestube
richtigen. Am 25.11. wurde ich nach Tekirdag ge- gebe und in der Gegend keine Operation stattfand.
bracht und am nächsten Tag dem Militär-Staats- Der IHD stellt richtig, dass S.C. in dem Dorf arbei-
anwalt vorgeführt. Ich habe kurz gesagt, dass ich tete, die Festnahme aber in einer Teestube in der
KDV'ler bin. 8 Tage lang war ich in Isolationshaft Kreisstadt Silvan erfolgte. Etwas anderes sei auch
in einem Militärgefängnis. In der Kaserne Be- nicht behauptet worden.
siktepe habe ich meine Verweigerung mit der Folter Fall 2: Dem Gouverneur zufolge soll es am 23. Juni
im Jahre 1993 und meiner humanistischen und frei- in der Region Duru (Kreis Lice) nicht zu einem
heitlichen Grundhaltung begründet. Ich habe auf Brand gekommen sein. Der IHD benennt den Be-
Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskon- schwerdeführer und weitere Zeugen, die die An-
vention hingewiesen. (Quelle: Bia, 20.12.2004) gaben bei einer Recherche bestätigten.

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Fall 3: Die Festnahme von R.A., dessen Vater und Kül, Hakan Sengül, Ismail Kiliç, Mustafa Demiral
Brüder wird abgestritten. Dem IHD zufolge besteht und Müslüm Demir festgenommen. Müslüm Demir
Ramazan Ayaz auf seiner Beschwerde, im Kreis kam am Folgetag in U-Haft. Hacer Anilir, die sich
Cinar (Diyarbakir) festgenommen worden zu sein. in dem Fahrzeug befunden hatte, sagte: "Wir woll-
Das bedeutet, dass seine Festnahme nicht registriert ten um 1.30 Uhr nach Van fahren. In Höhe der
wurde. Gendarmeriestation traten vier Männer in Schnee-
Fall 4: Bei den Operationen in den Hevsel Gärten masken vor das Fahrzeug. Wir fuhren langsamer
(Diyarbakir) will der Gouverneur Hilfspakete ver- und als wir fast standen, hielten die Männer die
teilt haben. Der IHD bestätigt die Verteilung von Waffen in unsere Richtung. Wir bekamen Angst
Hilfsgütern, aber nicht während, sondern nach den und dachten, es könnten Terroristen sein. Sie haben
Aktionen. dann von hinten auf uns geschossen und Yücel
Fall 5: Der Jugendverein Dicle soll am 14.09.2004 Solmaz wurde auf dem Vordersitz getroffen. Ein
auf Beschluss des Staatsanwalts durchsucht worden Soldat hat danach noch vier Mal auf das Fahrzeug
sein. Dies wird vom IHD nicht bestritten, allerdings geschossen. (Quelle: Milliyet vom 27.12.2004)
richte sich die Beschwerde gegen die Tatsache, dass
der Vereinsvertreter Ilker Boga während der Durch- "Verschwundene" angeblich
suchung an Händen und Füßen gefesselt wur-de. Geiseln der Organisation
Fall 6: Das Verbot der Kundgebung am 5. Sep- Schon vor 10 Jahren wandte sich Süleyman Isik an
tember (DEHAP) wird mit den am gleichen Tag das Parlament (27.12.1994), um eine Aufklärung
stattfindenden Zulassungsprüfungen für den Hoch- des "Verschwindens" von 7 Dorfbewohnern zu er-
schulzugang begründet (u.a. könne der Verkehr halten, zu denen auch seine Angehörigen gehörten.
behindert werden). Der IHD führt an, dass die Prü- Es ging hier wie bei vielen ähnlichen Ereignissen
fungsstätten weit vom Kundgebungsort entfernt um einen Einsatz der Kommandoeinheit aus Bolu.
liegen und die Kundgebung zu einer Zeit stattfinden Die Antwort landete bei der Staatsanwaltschaft in
sollte, in der die Prüflinge mehr als 10 Kilometer Tunceli, wurde aber erst jetzt bekannt. Dort hieß es:
außerhalb der Stadt (auf dem Campus der Uni) sein "Die Sicherheitskräfte führten zwischen dem 21.
würden. Daher sei die Begründung des Verbots und 26. September 1994 Operationen (in der Pro-
irrelevant. vinz Tunceli) durch, bei denen 18 Terroristen tot
Fall 7: Nach dem Überfall am 5. August auf einen mit ihren Waffen festgenommen und 2 Soldaten zu
Polizeiposten sollen 2 Terroristen mit ihren Waffen Märtyrern wurden. In dem Weiler Mirik beim Dorf
festgenommen worden sein. Der IHD führt diesen Gökcek sollten 8 Personen leben, aber während der
Vorfall unter den Opfern bei Gefechten auf. Operationen war von den Familien Serin und Isik
Fall 8: 16 Personen, die am 19. Juli bei einer unan- niemand dort anwesend. In einem Umkreis von 35
gemeldeten Demonstration festgenommen wurden, Kilometern wurden dann 200 Schafe gefunden, die
wurden wieder freigelassen aber gleichzeitig ange- der Gendarmeriestation Gökcek übergeben wurden,
klagt. Der IHD spricht von 9 Festnahmen. Die damit sie den Besitzern zurückgegeben würden…
Festgenommenen haben sich wegen Misshandlung Bei späteren Untersuchungen wurden keine Infor-
in der Polizeihaft beschwert. mationen über die "Verschwundenen" entdeckt. Es
Fall 9: Studenten, die am 29. Mai Parolen für Ab- steht zu vermuten, dass die Organisation, die bei
dullah Öcalan gerufen haben sollen, wurden anhand den Operationen große Verluste erlitt, sie als Gei-
von Kassetten von S.K. ermittelt, am 2. Juli festge- seln mitgenommen hat." Der Anwalt Hüseyin Ay-
nommen und am gleichen Tag wieder freigelassen. gün wies auf andere Fälle hin, in denen die Be-
Der IHD stellt fest, dass nicht S.K. sich an den hauptung aufgestellt wurde, dass die "Verschwun-
Verein wandte, sondern Polat Güllü. Anstatt zur denen" sich der Organisation angeschlossen haben.
Polizei gebracht zu werden, hätte er gleich dem Das sei aber bei der 3-jährigen Dilek Serin (die da-
Staatsanwalt vorgeführt werden sollen. mals auch "verschwand") wohl kaum denkbar.
Fall 10: 3 Personen, die wegen Beteiligung an dem Neben dem Kind waren damals Hidir Isik, Hatun
Überfall in Mardinkapi angezeigt wurden, wurden Isik, Eli Isik, Yeter Isik, Düzali Serin und Gülizar
in Silvan festgenommen und vom Staatsanwalt Serin "verschwunden". (Quelle: Özgür Politika vom
freigelassen. Der IHD spricht von 4 ungerechtfer- 28.12.2004)
tigten Festnahmen in Silvan... (Quelle: PE des IHD-
Diyarbakir, 23.12.2004)
Selbstverbrennung
Sergül Albayrak, die sich am 26. Dezember aus
Erneut Freispruch für Autor Protest gegen das neue Strafvollzugsgesetz auf dem
Hasan Basri Aydin, der Autor des Buches "Briefe Taksim Platz in Brand gesetzt hatte, ist am 28. De-
an Gott", der wegen Beleidigung des Staates ange- zember ihren Verletzungen erlegen. Sie soll als
klagt und freigesprochen worden war, ist heute am Mitglied der DHKP/C inhaftiert gewesen sein.
Amtsgericht Istanbul wegen seines Buches "Briefe (Quelle: Cumhuriyet vom 29.12.2004)
an Gott - 2" erneut freigesprochen worden. Ursache
der Anklage waren jeweils seine Worte, die er als
Vorsitzender der HADEP in Bakirköy, gesagt hatte. Anklage wegen Vorfall in Kiziltepe
(Quelle: Bia, 24.12.04) Die Staatsanwaltschaft in Kiziltepe hat im Zu-
sammenhang mit der Erschießung von Ahmet Kay-
maz und seinem Sohn Ugur Kaymaz (12) am 21.
Todesschüsse in Edremit November Anklage gegen die Polizeibeamten Meh-
Am 25. Dezember eröffnete die Gendarmerie in met Karaca, Yasafettin Açiksöz, Seydi Ahmet Tön-
Edremit (Provinz Van) Feuer auf ein Fahrzeug, das gel und Salih Ayaz erhoben. Der Anklage zu-folge
angeblich nicht anhielt. Dabei wurde Yücel Solmaz soll der Überläufer Halil Ibrahim Öztürk ge-warnt
getötet. (Quelle: Özgür Gündem vom 28.12.2004) haben, dass es zu einer Aktion gegen die Si-
Im Zusammenhang mit dem Vorfall wurden der cherheitskräfte kommen könne und die der Gen-
Unteroffizier Atalay Boylu und die Soldaten Halil darmerie am nächsten gelegene Wohnung eines Mi-

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lizionärs (Ahmet Kaymaz) benutzt werden könne. Ugur Kaymaz am 21. November 2004 wird am 12.
Danach sei die Wohnung überwacht worden. Nach Februar vor der 2. Kammer des Landgerichts in
Aussage der angeklagten Polizisten haben sie Mardin beginnen. Anträge auf Inhaftierung der an-
plötzlich Ahmet Kaymaz und seinem Sohn ge- geklagten Polizeibeamten wurden abgelehnt. Milli-
genüber gestanden, sie zum Anhalten aufgefordert, yet berichtete, dass Halil Ibrahim Öztürk, der ver-
aber es sei auf sie geschossen worden. Zum Selbst- meintliche Überläufer, dessen Aussage zur Über-
schutz hätten sie ziellos zurück gefeuert. Die An- wachung der Wohnung der Familie Kaymaz geführt
klage geht davon aus, dass die Polizisten dabei ihre haben soll, erst am 22. November in Gaziantep fest-
Kompetenzen überschritten und möchte sie zu 4-6 genommen wurde.
Jahren Haft verurteilt sehen. Die Polizisten sollen (Quelle: Milliyet/Radikal/Özgür Gündem vom 01.-03.01.2005)
den 12-jährigen Ugur Kaymaz mit dem vom Über-
läufer benannten Militanten Nusret Bali ver- Erklärung des Vorsitzenden der
wechselt haben. Das wird wiederum dem Vater an- Menschenrechtsstiftung der Türkei
gelastet, der damit dem Militanten zur Flucht ver- (TIHV) Yavuz Önen
holfen haben soll. Zum Jahresende hat der Vorsitzende der Men-
Unterdessen soll Makbule Kaymaz, Frau und Mut- schenrechtsstiftung der Türkei die Lage der Men-
ter der Getöteten, wegen Mitgliedschaft in einer schenrechte bewertet. Er sagte, dass von den 918
illegalen Organisation angeklagt werden. Der Ab- Personen, die sich im Jahre 2004 wegen Folter an
geordnete der CHP, Ahmet Ersin, der zur Dele- die 5 Zentren für kostenlose Behandlung gewandt
gation des Menschenrechtsausschusses im Parla- haben, 337 im letzten Jahr gefoltert wurden. Im
ment gehörte, die den Vorfall untersuchte, kom- Vergleich dazu hatten sich 2003 insgesamt 945
mentierte die Anklage mit den Worten: "Wenn es Personen bei der TIHV gemeldet und von ihnen
ein Gefecht gegeben hätte, dann wären die 6 Ein- hatten 340 gesagt, dass sie in diesem Jahr gefoltert
schüsse nicht alle zwischen der 4. und 8. Rippe in wurden. Diese Zahlen und die Daten des Men-
einem Bereich von maximal 12cm. Die Behaup- schenrechtsvereins IHD machten deutlich, dass die
tung, dass einem Militanten zur Flucht verholfen Folter nach wie vor systematisch sei. Önen machte
wurde, ist neu. Wie aber soll jemand entkommen, darauf aufmerksam, dass im neuen Strafgesetz die
wenn das ganze Haus umstellt ist." Bestimmungen gegen die Meinungsfreiheit weiter-
(Quelle: Birgün/Radikal vom 30.12.2004) hin bestehen und wies auf die extreme Gewalt der
Sicherheitskräfte gegen Demonstranten hin. Ange-
Untersuchung zu Todesschüssen in sichts der jüngsten Vorfälle in Gümüshane und
Edremit (s.o.) Kiziltepe sei auch ein Anstieg bei den extra-legalen
Eine Delegation des IHD, Mazlum Der und SES Hinrichtungen zu verzeichnen, meinte Yavuz Önen.
(Gewerkschaft im Gesundheitswesen) hat die Er- Im letzten Jahr habe das Dokumentationszentrum
schießung des SES Mitglieds Yücel Solmaz (35) der TIHV 21 Todesfälle als extra-legale Hinrich-
am 26.12.2004 in Edremit untersucht. Die Dele- tungen, Schüsse der Sicherheitskräfte nach Stopp-
gation sprach mit Angehörigen, Augenzeugen und warnungen oder willkürliches Schießen verzeich-
Offiziellen. Der Landrat Ismail Kaygisiz bedauerte net. In den Gefängnissen seien im Jahre 2004 ins-
den Vorfall und sagte, dass der Einsatz von Schuss- gesamt 175 Menschen gestorben. In 139 Fällen
waffen unnötig gewesen sei. Die Sache werde mitt- handele es sich um einen natürlichen Tod, während
lerweile von der Justiz untersucht. Der Staatsanwalt 25 Menschen sich das Leben nahmen; 4 sich in
Kemal Kacan sagte, dass es Unterschiede zwischen Brand steckten; 1 Person infolge des Todesfastens
den Aussagen des verhafteten Soldaten und seines starb und 4 Gefangene von Mithäftlingen um-
Vorgesetzten bezüglich eines Schießbefehls gebe. gebracht wurden. In der Polizeihaft sind nach Fest-
Die tödliche Kugel aber stamme aus dem Gewehr stellungen der TIHV 5 Personen im Jahre 2004 zu
des Soldaten. Ein Augenzeuge, der seinen Namen Tode gekommen. Yavuz Önen betonte, dass in der
nicht angeben wollte, sagte, dass er für eine Ver- Kurdenfrage ernste Schritte unternommen wer-den
gnügungsfahrt sein Auto zur Verfügung gestellt müssten. In Bezug auf das Gesetz zur Abfin-dung
hatte. Im Augenblick des Vorfalls habe Yücel Sol- bei Schäden durch Terror oder Terrorbe-kämpfung
maz neben dem Fahrer gesessen. Es habe keine kritisierte er, dass viele Schäden nicht eingeschlos-
Warnung zum Stehenbleiben gegeben. Als Schüsse sen seien und bei den Kommissionen zur Feststel-
zu hören waren, habe Yücel gerufen, dass der Fah- lung der Schäden zivile Organisationen nicht betei-
rer Gas geben solle. Die beiden anderen Insassen ligt seien. Bei Explosionen von Minen oder unbe-
sagten ebenfalls, dass es keine Warnungen vor den aufsichtigter Munition seien im letzten Jahr 31
Schüssen gegeben habe. Die Delegation stellte fest, Menschen, darunter 14 Kinder, umgekom-men und
dass der Vorfall an einem Punkt stattfand, an dem 78 Personen, darunter 34 Kinder, seien verletzt
eigentlich die Polizei zuständig ist (Stadtgebiet). worden. (Quelle: Bia, 03.01.2005)
Der Platz sei auch gut beleuchtet gewesen und es
habe keinen Grund für das Anhalten des Fahrzeugs Minenopfer angeklagt
gegeben. Der Hauptgefreite Halil Gül, der den Bei einer Minenexplosion in der Nähe des Dorfes
Schießbefehl gegeben haben soll, habe an dem Tag Yaylak im Kreis Kulp (Diyarbakir) wurde Sela-
keinen Dienst gehabt. Er habe 5 Schüsse aus seiner hattin Gündüz (55) am 16. November schwer ver-
Pistole abgefeuert, aber weder er, noch der andere letzt. Er verlor dabei ein Auge. Am 21. November
Soldat, der geschossen hatte, seien in U-Haft ge- wurde er inhaftiert und später wegen Mitgliedschaft
nommen worden. (Quelle: Bia, 30.12.2004) in Hizbullah und Besitzes von Explosiva angeklagt.
Das Verfahren begann am 29. Dezember vor der 5.
Extra-legale Hinrichtungen Kammer des Landgerichts Diyarbakir. Gündüz sag-
von Kiziltepe te aus, dass es zur Explosion der Mine kam, als er
Das Verfahren im Zusammenhang mit der Er- den Weg vor seinem Haus verbreitern wollte. Sein
schießung von Ahmet Kaymaz und seinem Sohn Anwalt Serhat Eren sagte, dass das Verfahren auf

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grund falscher Anschuldigungen des Gendarme- Unter den Angeklagten sind auch 2 Reporter der
riekommandanten und der Dorfschützer eröffnet Zeitschrift "Atilim". (Quelle: Radikal vom 10.01.2005)
wurde. (Quelle: Özgür Gündem vom 03.01.2005)
Misshandlung im Gefängnis
Flüchtlinge ertrunken Bahattin Boz, der Vater von Mehdi Boz, hat sich
Am 2. Januar sank ein Boot, mit dem Flüchtlinge beim Justizministerium über Misshandlung seines
versuchten, von Ayvalik (Provinz Balikesir) zur Sohnes beschwert. In seiner Petition sagte er, dass
Insel Lesbos zu gelangen. Der Bootsbesitzer kam sein Sohn zu 36 Jahren Haft verurteilt wurde und
dabei ums Leben und zwei Flüchtlinge werden seit 10 Jahren im Gefängnis sei. Im E-Typ Gefäng-
vermisst. Die anderen 12 Flüchtlinge sollen aus nis von Mus haben ihn der 1. Direktor und der
dem Iran, Somalia und Mauretanien sein. (Quelle: Hauptwärter geschlagen. Er sei im November in das
Milliyet vom 03.01.2005) E-Typ Gefängnis von Bitlis verlegt worden und
habe dort nackt eine Stunde im Schnee ausharren
Auslassungen bei der Begründung des müssen. Desweiteren sei er für 3 Monate in Isola-
neuen Strafgesetzes tionshaft gesteckt worden und ihm seien offene
Die Begründung des am 1. April 2005 in Kraft Besuche für 1 Jahr verboten worden. Als er sich bei
tretenden Strafgesetzes (StGB) wurde den EU-Ver- der Staatsanwaltschaft beschwert habe, sei ihm
tretungen retuschiert zugesandt. In der Broschüre, gesagt worden, dass sein Sohn ein PKK'ler, ein
die das Justizministerium dem Generalsekretariat Terrorist sei, der keinen Besuch empfangen dürfe.
der EU-Kommission und der Delegation der Kom- (Quelle: Özgür Gündem vom 10.01.2005)
mission in der Türkei zusandte, war klammheim-
lich ein umstrittener Abschnitt aus der Begründung IHD'ler angeklagt
des Artikel 305 gestrichen worden. In der amtlichen Gegen den Vorstand des IHD in Diyarbakir wurden
Begründung wird als Beispiel für "Handlungen zwei Verfahren eröffnet, weil sie Delegationen aus
gegen nationale Interessen" die Behauptung aufge- dem Ausland empfangen haben. Damit sollen sie
führt, dass im ersten Weltkrieg die Armenier zu eine nicht genehmigte Versammlung abgehalten
Opfern eines Völkermords wurden oder die türki- und gegen Artikel 43 des Vereinsgesetzes verstoßen
schen Soldaten aus Zypern abgezogen werden haben. Der Artikel schreibt vor, dass eine Erlaubnis
mussten. Die "Feinabstimmung" war in den letzten des Innenministeriums für internationale Treffen
Tagen Gegenstand von Artikeln in der in Istanbul gegeben werden muss. Das 1. Verfahren beruht auf
erscheinenden und an armenisch-stämmige Lands- dem Besuch des Nahostkomitees der Sozialisti-
leute gerichteten Zeitung AGOS. (Quelle: Hürriyet vom schen Internationale unter Leitung von Leif Evert
04.01.2005) Frederiksson am 16. Juli 2004. Das andere Ver-
fahren bezieht sich auf einen Besuch von Vertretern
Bericht aus Bingöl von schwedischen Universitäten am 16. April 2004.
Die Zweigstelle des IHD in Bingöl hat einen Be- (Quelle: Özgür Gündem vom 12.01.2005)
richt zum Jahre 2004 herausgebracht. Es soll in
dem letzten Jahr zu 131 Verletzungen des Rechtes Viertel-Jahresbericht und Jahresbericht
auf Sicherheit und Leben gekommen sein. Im Ein- des IHD Diyarbakir
zelnen wurden gezählt: 9 Menschen, die bei Ge- Die Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in
fechten das Leben verloren; 2 Menschen, die bei Diyarbakir hat einen Bericht über die letzten drei
Minen- oder anderen Explosionen ihr Leben ver- Monate des Jahres 2004 herausgegeben. Es sei in
loren. An zweifelhaften Toden und Selbstmorden dem Zeitraum zu 3.078 Verletzungen der Men-
gab es 13 und 29 Menschen haben sich wegen Fol- schenrechte gekommen. 54 Menschen seien ums
ter und Misshandlung beschwert. (Quelle: Bia (Kom- Leben gekommen und 26 Personen seien verletzt
munikationsnetzwerk) vom 04.01.2005) worden. Davon seien 8 Menschen durch Minen um-
gekommen. 68 Menschen hätten sich wegen Folter
Folterverfahren in Istanbul und Misshandlung beschwert. Vom Vorsitzenden
Die Staatsanwaltschaft in Fatih hat ein Verfahren des IHD Diyarbakir, Selahattin Demirtas, und dem
gegen 7 Polizeibeamte wegen Folter an 6 Studen- Repräsentanten für Südost-Anatolien, Mihdi Perin-
ten im Mai 2002 eröffnet. Die Studenten waren im cek, wurde die Abnahme der Foltervorwürfe als
Zusammenhang mit der Ermordung des Mädchens positive Entwicklung gewertet. Es habe aber auch
Yasemin Durgunärz 2001 festgenommen worden. ernsthafte Menschenrechtsverletzungen gegeben.
In dem Verfahren werden sich auch 3 Ärzte des Dazu gehörten extra-legale Hinrichtungen, bewaff-
Krankenhauses in Haseki wegen Ausstellung fal- nete Auseinandersetzungen, Massengräber und Er-
scher Atteste verantworten müssen. (Quelle: Sabah mittlungen gegen die Meinungsfreiheit.
vom 06.01.2005)
Die Statistik des IHD Diyarbakir für das Jahr 2004
führt 209 Tote bei Gefechten und 68 Opfer von
extra-legalen Hinrichtungen und Morde durch uner-
Demonstranten als kannte Täter auf. 338 Personen haben sich wegen
Organisationsmitglieder angeklagt Folter oder Misshandlung beschwert. Durch Minen-
Die Staatsanwaltschaft in Ankara hat 46 Demon- explosionen starben im Jahr 2004 insgesamt 18
strantInnen angeklagt, die am 7. Dezember 2004 als Personen. Im Verlauf des Jahres wurden 12 Vor-
Mitglieder der Sozialistischen Plattform der Unter- würfe von "Verschwindenlassen" gemeldet.
drückten gegen das neue Gesetz zum Strafvollzug Als Antwort auf Fragen von bianet sagte Selahattin
auf dem Kizilay-Platz protestiert hatten. Nach Mei- Demirtas, dass die Etablierung von Wahrheit- und
nung der Staatsanwaltschaft sollen die Demonstran- Gerechtigkeitskommissionen notwendig sei, weil es
tInnen Mitglieder der MKLP sein, die Sicherheits- nicht ausreiche, dass Menschenrechtsverletzungen
kräfte angegriffen und 3 Polizisten verletzt haben. abnehmen. Es gehe aber darum, die gesellschaft-
lichen Traumata zu überwinden, und dazu müssten

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die Verantwortlichen der Verletzungen der Vergan- nach dem Anti-Terror Gesetz und 20 nach dem
genheit ermittelt werden. Als Beispiele von Er- Pressegesetz eröffnet worden. Im Verlaufe des Jah-
eignissen, die in der Türkei noch nicht verarbeitet res seien gegen 11 Publikationen (9 davon lokal)
seien, wies Demirtas auf das Armenierproblem, die Geldstrafen von insgesamt 1,3 Millionen neue TL
Hinrichtungen von Adnan Menderes und Deniz (fast 1 Million Euro) verhängt worden. Ein Sende-
Gezmis sowie den Militürputsch von 1980 hin. verbot von insgesamt 360 Tagen sei 12 Einrich-
(Quelle: Radikal (bia.net-Unabhängiges Kommunikations- tungen der Medien auferlegt worden. Ein Problem
netzwerk) vom 11.01.2005) der Journalisten sei, dass ihre Beschwerden wegen
Prügel oder ungerechtfertigter Haft in der Regel
Gütliche Einigung im Rechtsstreit der keine Konsequenzen haben. Als derzeit inhaftierte
Türkei mit Leyla Zana Journalisten wurde auf Memik Horuz (Isci-Köylü)
Die Türkei hat einen Rechtsstreit mit der türkischen und Yasar Camyar (Alinterimiz) hingewiesen.
Kurdenpolitikerin Leyla Zana und zwei ihrer Mit- Weitere 8 Journalisten seien in U-Haft und entwe-
streiter am Europäischen Gerichtshof für Men- der wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung ille-
schenrechte (EGMR) gütlich beigelegt. Die Be- galer Organisationen angeklagt. (Quelle: bia.net (Un-
schwerde betraf einen Artikel Zanas und Äuße- abhängiges Kommunikationsnetzwerk) vom 14.01.2004)
rungen, die Anfang 1997 in der Zeitung der Kur-
denpartei HADEP veröffentlicht wurden. Den An- Ragip Zarakolu erhielt Menschenrecht-
gaben des EGMR zufolge sieht die Einigung vor, spreis
dass die Regierung in Ankara Zana 9.000 Euro Die norwegische Schriftstellervereinigung und das
Schadensersatz zahlt und den beiden anderen Klä- norwegische Kulturministerium verliehen den dies-
gern jeweils 7.000 Euro. jährigen „Preis für Meinungsfreiheit“ an den
(Quelle: yahoo! vom 11.01.2005) Schriftsteller und Verleger Ragip Zarakolu. (Quelle:
BIA Haber Merkezi (BIA Nachrichtenzentrum) vom
Türkei wegen Todes eines kurdischen 14.01.2005)
Häftlings verurteilt
PKK-Mitglied starb 1996 bei Verlegung Bericht des IHD Istanbul
in anderes Gefängnis Nach dem Bericht des IHD Istanbul kam es im
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte letzten Jahr zu 5.512 Festnahmen. Es haben sich
(EGMR) in Straßburg hat die Türkei wegen des To- 299 Personen wegen Folter und Misshandlung be-
des eines Häftlings während des Transports in ei- klagt. Die Vorsitzende Eren Keskin beschwerte sich
nem Polizeiwagen wegen Verletzung des Rechts vor allem über die nicht registrierten Festnahmen,
auf Leben verurteilt. Bei einem Transport von dem die enorm zugenommen hätten. Das Vorstandsmit-
Gefängnis in Diyarbakir zu jenem in Gaziantep ver- glied Saban Dayanan präsentierte als weitere Zah-
lor im Jahr 1996 Kadir Demir, ein Mitglied der ver- len aus dem Jahr 2004 den Tod von 2 Menschen in
botenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, sein Le- der Polizeihaft, 18 Gefangenen und 4 Menschen
ben. Demir war zu zwölf Jahren und sechs Monaten durch Schüsse der Polizei. Es sei zu 39 Bomben-
Haft verurteilt worden. anschlägen gekommen, bei denen 9 Menschen ihr
Eine Obduktion der Leiche hatte laut Gerichtsurteil Leben verloren. Der Hohe Rat für Radio und Fern-
auf verschiedene Wunden am Körper hingewiesen, sehen habe 29 Sendern Verbote auferlegt, die sich
unter anderem in der Kopfgegend. Ohne genau fest- auf insgesamt 296 Tage beliefen. Im Bereich der
zulegen, ob die Wunden im Gefängnis von Diyar- Meinungsfreiheit seien Strafen von insgesamt 54
bakir, in der es am 24. September 1996 zu einem Jahren und 3 Monaten Haft ausgesprochen wor-
Aufstand der Häftlinge gekommen war, oder wäh- den. Daneben wurden Geldstrafen in Höhe von 23,8
rend des Transports zugefügt wurden, schloss der Milliarden alte TL verhängt. (Quelle: Özgür Politika
EGMR auf die Verantwortung des türkischen Staa- vom 16.01.2005)
tes. Ankara wurde in dem Urteil weiter vorge-
worfen, keine amtlichen Ermittlungen über die Um- Irak:
stände des Todesfalles veranlasst zu haben. Ankara Gefahr für assyro-chaldäischen Chris-
wurde verurteilt, den Hinterbliebenen des Opfers ten
88.000 Euro Schadenersatz zu zahlen. (Quelle: Der 2005 droht der endgültige Exodus der assyro-chal-
Standard Online vom 13.01.2005) däischen Christen aus dem Irak - Weihnachtsappell
an 30 westliche Regierungen
Bilanz im Bereich Journalismus Wenn nicht bald Hilfe kommt, wird sich nach Er-
Das Projekt "Bia2", das sich als Netzwerk zur Beo- kenntnissen der Gesellschaft für bedrohte Völker
bachtung und Berichterstattung über Medienfreiheit (GfbV) das 1400-jährige Zusammenleben zwischen
und unabhängigen Journalismus versteht, hat im Muslimen und Christen im Mittel- und Südirak im
Jahre 2004 drei Vierteljahrsberichte herausgegeben kommenden Jahr gewaltsam beendet werden. Jetzt
und daraus einen 32-seitigen Bericht über das ver- droht die vollständige Flucht und Vertreibung der
gangene Jahr erstellt. In dem Bericht werden 115 noch etwa 650 000 Angehörige zählenden christ-
Verfahren gegen Journalisten aufgelistet und die Si- lichen Gemeinschaft der Assyro-Chaldäer aus dem
tuation von 222 Journalisten aufgelistet, die Opfer Irak, nachdem bereits etwa 50 000 im zurücklie-
von Überfällen oder Festnahmen wurden. Seit dem genden Jahr 2004 nach Syrien, Jordanien oder nach
7. Juni strahle TRT (Radio und Fernsehen) Sen- Irakisch-Kurdistan geflüchtet sind, erklärte der
dungen in Bosnisch, Kurdisch (Kurmanci und Za- GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Don-
za), Arabisch und Tscherkessisch aus. Eine Ent- nerstag. Ebenso gefährdet sind die noch rund
scheidung über Sendungen in Lasisch stehe noch 50.000 Mandäer, eine vorchristliche, auf Johannes
aus, ebenso wie die Anträge lokaler Sender noch den Täufer zurückgehende Konfession. Seit Anfang
nicht beschieden seien. Von den 115 Verfahren ge- 2004 dokumentiert die internationale Menschen-
gen Journalisten seien 38 nach dem Strafgesetz, 7 rechtsorganisation die kontinuierlich zunehmenden

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Angriffe gegen die christlichen Minderheiten, Bom- Lösegeld nicht bezahlen konnten, und am
benanschläge gegen Kirchen und kirchliche In- 30.10.2004 stirbt Ma´an Yousouf in seinem Elek-
stitutionen, Morde, Entführungen und Vergewal- trogeschäft in Mosul. Am 09. Dezember werden
tigungen, für die islamische Extremisten, arabische zwei entführte christliche Geschäftsleute ermordet.
Nationalisten und Baathisten verantwortlich sind. Erschreckend häufig werden Menschen im Irak ent-
Inzwischen wurden mehr als 25 Kirchen gezielt an- führt, um Geld zu erpressen. Opfer von Entfüh-
gegriffen und zerstört. Ende 2003 wurden die ersten rungen werden vor allem Christen. Betroffen sind
Sprengsätze in zwei christlichen Schulen in Bagdad Kinder, Frauen und Männer gleichermaßen. Christ-
und Mosul gefunden, am 24. Dezember 2003 folgte liche Institutionen geben an, dass 90 % der ent-
die erste Explosion in einer Kirche ebenfalls in führten Personen Christen sind. Am 16.11.2004
Mosul. schätzte der Leiter einer christlichen irakischen Ge-
Unter den inzwischen ganz oder teilweise zerstörten meinschaft, dass von 200 Christen, deren Ent-
Kirchen und Klöster befanden sich syrisch-katho- führung bekannt wurde, 60 ermordet wurden.
lische, syrisch-orthodoxe, chaldäische, assyro-an- Christen und Mandäer, schreibt eine Kennerin der
glikanische, altapostolisch-nestorianische Kirchen Menschenrechtslage im Irak, verhalten sich still
der Assyro-Chaldäer, armenisch-katholische und und wollen nur, dass ihre Angehörigen schnell zu-
armenisch-orthodoxe der kleinen armenischen Min- rückkommen. Die Täter wissen, dass sie keine
derheit sowie eine adventistische Missionskirche. Schwierigkeiten machen. Das ermutigt zu immer
Die meisten der Angriffe fanden jeweils nach dem neuen Entführungen.
islamischen Freitag und vor dem christlichen Sonn- Auch mit ständigen Drohungen gegen die Christen
tag statt. wird versucht, ihre Vertreibung zu beschleunigen
Die Liste der seit Sommer 2003 ermordeten ira- und sich auch ihres Eigentums zu bemächtigen. So
kischen Christen hat die Zahl 300 überschritten. hat die Mehrheit der Assyro-Chaldäer die Stadt
Wir greifen einige dieser schrecklichen Morde her- Basra bereits verlassen. In christlichen Wohn-
aus: Mohannad Malawi wird am 11.07.2003 er- vierteln erscheinen Hetz-Graffitis auf Häuser-
schossen, weil er sich weigerte, seine Schwester für wänden. Christen in Drohbriefen zum Zwangs-
eine Vergewaltigung auszuliefern. Die Brüder Ber- übertritt auf. Frauen müssen sich verschleiern, wer-
dan werden in ihrem Juweliergeschäft am den bedrängt, beleidigt und angegriffen, christliche
11.08.2003 getötet. Studentinnen von Campus der Universität ver-
Die mandäischen Brüder Yahya werden am wiesen, wenn sie kein Kopftuch tragen.
11.08.2003 mit 14 bzw. neun Schüssen ermordet. Christen werden an ihrer Berufsausübung ge-
Nadan Yonadam wird liquidiert, weil er der US- hindert, Büros christlicher Parteien angegriffen.
Armee als Übersetzer diente. Safa Khoshi wird am Christen werden als angeblich Verbündete der ame-
07.10.2003 mit einer Granate beseitigt. Fünf Tage rikanischen Besatzungsmacht betrachtet. Ihnen
später müssen Danny und Wilhelm Cesar am werden Verbindungen zu Verwandten in Übersee
12.10.2003 in Falluja sterben, weil sie für die US- vorgeworfen. Dazu kommt der Vorwurf, einer
Armee arbeiteten. nicht-arabischen Nation anzugehören. Anschläge
Den Richter Yousif Sadeq erreicht sein Schicksal in hindern Kinder daran, zur Schule zu gehen, und
seinem Haus in Mosul am 04.11.2003. Am Gläubige, ihre Kirchen und Gemeinden zu be-
08.11.2003 trifft es den Vertreter der Assyrischen suchen.
Demokratischen Bewegung Sargon Nano. Am Es ist in Europa weithin unbekannt, dass im Irak
01.01.2004 werden zwei Armenierinnen und zwei und den angrenzenden Ländern eine Million assyro-
Assyrerinnen, Wäscherinnen der US-Militär Basis chaldäische Christen eine eigene ethnische Gemein-
Habbaniyah ermordet, am 21.01.2004 fünf christ- schaft bilden, die bis heute das Aramäische, die
liche Mädchen in der Nähe von Falluja. Der fünf- Muttersprache Christi, in moderner Form sprechen.
jährige Aziz Azzo und seine 14-jährige Schwester Die Assyro-Chaldäer und die Mandäer sind die ei-
Ranne werden im März 2004 vor ihrer Kirche er- gentlichen Ureinwohner des Irak. Nur im irakischen
schossen. Am 17.03.2004 überlebt eine fünfköpfige Kurdistan genießt das Neu-Aramäische heute offi-
assyrische Familie einen Bombenanschlag nicht. ziellen Status und ist dort in den 15 Grund- und
Am 26.03.2004 trifft es den Leutnant Esha David in Oberschulen der Assyro-Chaldäer für 4002 Schüler
seinem Haus in Kirkuk. Am 7. Juni 2004 er- und 201 Lehrer Unterrichtssprache.
schießen arabische Nationalisten aus einem vor- Mindestens 1,5 Mio. Angehörige dieses Volkes le-
beifahrenden Auto heraus vier Assyrer und zwei ben in der Diaspora in West-Europa, Nord-Ame-
Armenier in Bagdad. Am 23.06.2004 müssen die rika, Australien und Neuseeland. In Deutschland
Schwestern Janet und Shatha Odisho ihre Arbeit für zählen sie heute etwa 80 000 Menschen. Die ara-
die Firma Bechtel mit ihrem Leben bezahlen. Am mäischsprachigen Christen in der westlichen Welt
17.07.2004 fällt Adeeb Aqrawi in seinem Piz- sind meist Überlebende des türkischen Genozids,
zaladen einem Attentäter zum Opfer. Am 31. Au- dem 1915 -1918 rund eine Million Armenier, auch
gust 2004 folgt ein Anschlag auf drei junge as- etwa 500 000 aramäischsprachige Christen zum
syrische Frauen, Mitarbeiterinnen des Kranken- Opfer gefallen sind. Während der Herrschaft Sad-
hauses in Mosul. dam Husseins teilten die Assyro-Chaldäer im Nord-
Im September 2004 werden in Mosul zwei as- Irak das Schicksal der Kurden, wurden Opfer von
syrische Christen geköpft und das Video auf den Giftgasangriffen, Massakern und Zwangsumsied-
Märkten der Stadt angeboten. Auch die Ermordung lung, erlebten die Zerstörung ihrer Dörfer und
des 3ährigen Bassam Sabi ebenfalls in Mosul wird flüchteten im Januar 1991 gemeinsam mit den Kur-
auf CD aufgenommen und in der Stadt verbreitet. den in die schneebedeckten Bergregionen der Tür-
Noch am 27. September 2004 erfolgt die Er- kei und des Iran. Damals brachte ein Team der
schießung von neun Kellnern in einem christlichen GfbV zu einem nicht versorgten Lager mit 50 000
Club. Auch ihre Namen sind der GfbV bekannt. Kurden und Assyro-Chaldäern in 2000 Meter Höhe
Am 14.10.2004 wird ein kleines Mädchen tot in Lebensmittel und Medikamente.
Bagdad aufgefunden, dessen Eltern das geforderte

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Die GfbV bedauert das Desinteresse von großen Sache“ dafür verantwortlich. Er besteht darauf, dass
Teilen der internationalen Öffentlichkeit an dem Familien, die unter Saddam aus der Stadt ausge-
Schicksal der Christen und Mandäer des Irak und wiesen worden waren, wieder, wie es im Artikel 58
appelliert an die Bundesregierung, die Regierungs- der Übergangsregierung steht, in die Stadt zu-
und Oppositionsparteien, an die Friedens- und Drit- rückkehren können.
te Welt-Bewegung, sich für die Assyro-Chaldäer Der Angriff ereignete sich am zweiten Tag der
einzusetzen. Wahlkampagne für den politischen Wendepunkt am
Mit Schreiben an alle Abgeordneten des Europa- 30. Januar, an dem nicht nur die Nationalver-
parlamentes, die 25 Regierungen der EU-Staaten, sammlung gewählt wird, sondern auch 18 Regio-
die Regierungen Kanadas, der USA, der Schweiz, nalvertretungen und ein kurdisches Regionalparla-
Norwegens und Japans sowie an alle in den Par- ment für die drei früher von Rebellen unterstützten,
lamenten dieser 30 Staaten vertretenden Fraktionen jetzt aber bereits autonomen Provinzen.
mit der Bitte gewandt, einen Fonds zur Unter- Kurdische Politiker in Kirkuk hatten die Wahl für
stützung der christlichen Flüchtlinge im Nordirak die regionale Vertretung bis zur endgültigen Klä-
einzurichten. rung des Status der Stadt aufschieben wollen.
Insbesondere tritt die GfbV dafür ein, die Bemü- Sie möchten Kirkuk als Hauptstadt ihrer autonomen
hungen des nordirakischen Teilstaates Kurdistan für Region genauso, wie sie am Ölreichtum teilhaben
die Integration der assyro-chaldäischen Flüchtlinge wollen.
zu unterstützen. Dort erhalten Flüchtlingsfamilien Aber viele Araber in der Stadt in wehren sich gegen
Sozialhilfe von der Demokratischen Partei Kurdi- jede Änderung, so wie es viele in der großen turk-
stans und Grundstücke sowie Mittel für den Haus- menischen Bevölkerung gibt, die die Unterstützung
bau von der Patriotischen Union Kurdistan. (Quelle: der Türkei haben. (Quelle: AFP, 17.Dezember 2004)
PE von GfbV, 23.12.04)
7 Kurden in Syrien sind
Massengrab in Suleimania entdeckt verhaftet worden
Bauarbeiter fanden bei Ausschachtungen für ein Nach unserer Informationen sind (7) Kurden in
neues Krankenhaus im kurdischen Nord Irak letzten Syrien wegen politischer Aktivitäten verhaftet wor-
Mittwoch ein Massengrab mit etwa 60 Leichen. den. Sie sind zum militärischen Sicherheitsdienst
Der kurdische Regionalminister für Menschenrech- gebracht worden. Die uns bekannten Namen sind:
te, Salah Rashid, vermutet, dass dies die Überreste
von Kurden sind, die getötet wurden, als nach dem - Anas Fauzi Abdi
Golfkrieg 1991 die Truppen von Saddam Hussein - Barzan Mohamed Kehro
versuchten, einen Aufstand nieder zu schlagen. - Mohamed Abdilqadûs Abdo
Die irakische Übergangsregierung hat um ausländi- - Rahib Ibrahim Isa
sche Unterstützung bei der Identifizierung von - Rawaned Ibrahim Schuwesch
Hunderttausenden von Toten gebeten, die nach dem - Schorasch Ibrahim Haj Qasem
US geführten Sturz von Saddam gefunden wurden. - Xabat Saleh Scheikho
Bisher fand man 259 Massengräber mit 300000
Leichen, von denen man annimmt, dass sie unter Die Kurden werden beschuldigt, dass sie mit dem
Saddams Regime getötet worden. Schätzungen kurdischen Aufstand des letzten Jahres (12 März
sprechen von bis zu einer Million Opfern. 2004) zu tun gehabt haben. (Quelle: KDPS, 15.01.2004)
Gegen Saddam, der sich zur Zeit in einem US Ge-
fangenenlager befindet, werden 7 Anklagen wegen Erklärung an die Öffentlichkeit
Verbrechen gegen die Menschheit erhoben. Darun- Die Unterdrückung des kurdischen Volks seitens
ter ist auch der Angriff von 1987-1988 der kur- des syrischen Regimes und die massiven Men-
dische Dörfer dem Erdboden gleichmachte und der schenrechtsverletzungen gegenüber Kurden sind
Giftgasangriff auf Hallabja mit 5000 Toten. immer noch an der Tagsordnung.
Anfang Dezember wurde in der Nähe von Su- Die Kurden, deren Zahl heute ca. 3 Mio. beträgt
leimania ein weiteres Grab mit 500 Leichen, unter und damit die zweite ethnische Gruppe im Lande
ihnen auch Frauen und Kinder, entdeckt. darstellen, werden nur auf Grund ihrer ethnischen
(Quelle: AFP, 29.Dezember 2004) Zugehörigkeit verhaftet und misshandelt. Die Mas-
senverhaftungen und Misshandlungen nahmen nach
Drei Kurden sterben bei Angriff auf die den Ereignissen vom 12 März 2004 enorm zu.
Ölstadt Kirkuk Das Massaker vom 12 März 2004 und die Ermor-
Mit einem Raketenangriff auf ein Rückkehrerlager dung von 7 Kurden durch die Sicherheitskräfte, ha-
für Kurden in der Nähe von Kirkuk, versuchte man ben kurdische Massenproteste ausgelöst. Diese ka-
vor den Wahlen am 30.Januar in diesem Gebiet men als Ausdruck des Widerstands und der Ableh-
Spannungen zu schaffen. nung der systematischen Politik der Unter-
Während des Angriffs auf das Lager wurden drei drückung.
Kurden getötet. Die Verfolgung und Unterdrückung der Kurden in
Wie der dortige Polizeichef, General Turhan Syrien haben heute einen neuen Stand erreicht. Die
Yussef, gegenüber AFP berichtete, wurde dabei politischen Gefangenen sind brutaler Folter und
auch ein 10jähriges Mädchen schwer verletzt. brutalen Misshandlungen ausgesetzt. Mindestens
Dies bestätigte Dr.Mustafa Azad Ali vom Kran- fünf Gefangene sind unter Folter getötet worden.
kenhaus in Azadi. Mehrere Gefangene sind mit körperlichen und phy-
Die Toten waren unter den 14000.Kurden, die nach sischen Behinderungen aus der Haft entlassen wor-
Saddams Sturz in die von ihm arabisierte, früher den.
aber hauptsächlich kurdische Stadt, zurückkehrten. Syrien ist eine Burg der Verfolgung und der Un-
Der für die Rückkehrer verantwortliche Beamte, terdrückung geworden. Das syrische Regime kann
Hassib Rozbiyani, macht „Feinde der kurdischen trotzdem und unbeschadet dessen, seine Politik der

IMK - Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 238-239 8


Verfolgung und der Willkür weiter führen. Die 1989 bis 1993 war Marwan Osman Mitherausgeber
Menschenrechte und Grundfreiheiten werden mit der literarisch-politischen Zeitschrift Rê (Der Weg)
Füssen getreten. Mit seiner Politik, verstößt das und 1993 bis 1998 der Zeitschrift Al Hiwar (Dia-
syrische Regime gegen internationale Normen und log). Sie erscheint in arabischer Sprache. Zur glei-
Verträge, welche auch Syrien unterschrieben hat. chen Zeit war er Mitbegründer und Mitherausgeber
Die Internationale Gemeinschaft schaut zu und der Literaturzeitschrift Pirs (kurdisch: Die Frage)
bleibt tatenlos gegenüber dieser Unterdrückung. und seit 1999 auch von Kadaia Wa Hiwarat (Pro-
Aufgrund dessen und als Protest gegen die Politik bleme und Dialoge); diese Zeitschrift erscheint in
des syrischen Regimes, beginne ich mit einem of- arabischer Sprache. Außerdem ist er seit 1999 Mit-
fenen Hungerstreik und appelliere an Weltöf- herausgeber des Parteiorgans der kurdisch-demo-
fentlichkeit, die EU, die vor der Ratifizierung des kratischen Union Yekiti (Die Einheit).
Assoziationsabkommens mit Syrien steht, die Men- In kurdischer Sprache zu schreiben und zu ver-
schenrechtsorganisationen und alle Freunde der De- öffentlichen, ist ein unmittelbar politischer Akt in
mokratie und der Menschenrechte in der Welt, sich einem „arabischen“ Land, in dem diese Sprache
einzusetzen, dass: und ihre Kultur unterdrückt werden. Es ist der Aus-
- Die Menschenrechtsverletzungen fair und unab- druck einer verbotenen Realität - selbst das Lesen
hängig untersucht werden in dieser Sprache wird tabuiert. Schreibt ein syri-
- Die Verhaftungen der Kurden aufgrund deren scher Dichter in seiner kurdischen Mutter-sprache
ethnischen Zugehörigkeit beendet werden ist dieses Schreiben ein Kampf zur Be-freiung von
- Alle kurdischen politischen Gefangene, die in Unterdrückung und so verweben sich bei Merwan
Zusammenhang mit den Ereignissen von März Osman unmittelbar Lyrik und po-litische Aussage.
2004 oder aufgrund ihrer Aktivitäten für die Rechte Da Sprache eng mit der persönlichen und kollekti-
des kurdischen Volkes verhaftet wurden, frei gelas- ven Identität verknüpft ist, ist ihre Verwendung
sen werden darüber hinaus ein Kampf um die eigene Identität.
- Alle Gefangene der freien Meinungsäußerung in Wegen des Erscheinens eines Textes - seiner ersten
Syrien, unabhängig von ihrer politischen und ethi- Veröffentlichung - war Marwan Othman 1981 eine
schen Zugehörigkeit freigelassen werden Woche im Gefängnis. 1990 wurde er erneut für
- Die Ereignisse vom 12 März 2004 und die da- zwanzig Tage festgenommen, als sein erster Ge-
durch ausgelösten kurdischen Massenproteste fair dichtband erschien.
und unabhängig untersucht werden. An drei wichtigen Aktivitäten, die die demokra-
Marwan Othman tische Bewegung in Syrien gefördert haben, war
Hannover, den 18.01.2005 Marwan Othman an entscheidender Stelle beteiligt.
Tel. 0511-4500637 Zum Ersten war das die Auseinandersetzung um die
e-mail: marwan_othman@hotmail.com Legalisierung des kurdischen Neujahrsfestes (New-
roz). Zum Zweiten war dies die Arbeit an der Ent-
Ein Portät von Marwan Othman stehung des öffentlichen Lebens in den kur-dischen
Der kurdische Lyriker und Schriftsteller Marwan Landesteilen: Merwan scheute sich nicht, Flugblät-
Othman wurde 1959 in der Stadt Amouda im kurdi- ter an Punkten zu plakatieren, an denen de-
schen Teil Syriens geboren. Marwan Othman ge- mokratische Öffentlichkeit entstehen könnte, also
hört zur zweiten Generation kurdischer Lyriker, die dort, wo sich viele Menschen begegnen.
die Literatur ihrer Heimat modernisiert haben. Die Dritte Aktion war vielleicht die bedeutendste:
Wie fast alle kurdischen Schriftsteller schrieb Mar- Merwan Othman hat eine Demonstration vor dem
wan Othman unter Pseudonymen. Unter Royarê syrischen Parlament angeführt, in der unter an-
Amed wurde sein erster Gedichtband veröffentlicht, derem Freiheit für die kurdische Sprache und Kul-
sein zweites Pseudonym ist Bêwar. Seinen ersten tur gefordert wurde. Wegen dieser Demon-stration
Gedichtband veröffentlichte er 1990 in kurdischer wurde er, gemeinsam mit seinem Partei-freund
Sprache unter dem Titel „Blut des Rebhuhns und Hasan Salih, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
der Reiter der Fata Morgana“. Zwei weitere Ge- Durch Intervention verschiedener Menschen-rech-
dichtbände sind bisher aufgrund der politischen tsorganisation, darunter Amnesty International,
Umstände in Syrien unveröffentlicht: „Ferne der Gesellschaft für bedrohte Völker, PEN-Club Inter-
Melancholie und ein fliehender Traum“ und „Eine national sowie des britischen PEN-Clubs wur-den
zu spät gekommene Hymne“ in kurdischer Sprache. beide nach fünfzehn Monaten entlassen. Außer-dem
In arabischer Sprache ist von ihm noch unver- setzten sich die deutsche Regierung und die Ver-
öffentlicht „Die Kurdenfrage in Syrien, Dimen- tretung der Europäischen Union in Damaskus für
sionen und Konsequenzen“. deren Freilassung ein.

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Neuerscheinung: Johannes Düchting, Die Kinder des Engel Pfau –


Religion und Geschichte der kurdischen Yezidi
KOMKAR Publikation, ISBN: 3-927213-23-3, Preis: 20,00 Euro
In Kurdistan ist eine der ältesten Religionen der Menschheit beheimatet: die Religion der Yezidi. Auf Grund von
Migration und Vertreibung leben inzwischen aber auch in der Bundesrepublik Deutschland zehntausende An-
hänger dieser Religion. Hier dürfte sie inzwischen nach Christen, Moslems und Juden die viertgrößte Religions-
gruppe sein. Bekannt ist einer breiten Öffentlichkeit aber so gut wie nichts über sie. Lediglich von „Teufelsan-
betern“ oder einer „Geheimreligion“ wird gemunkelt und alle paar Wochen verbreitet ein deutsches Montagsma-
gazin Schauergeschichten über die Religionsgruppe. Allenfalls weiß man noch aus der Lektüre Karls Mays, daß
die Yezidi irgendwo im „wilden Kurdistan“ beheimatet sind.
Johannes Düchting, Vorstandsmitglied des Internationalen Zentrums für Menschenrechte der Kurden, berichtet
in seinem im November 2004 erschienenen Werk kenntnisreich über die Inhalte der yezidischen Religion und
die Geschichte des yezidischen Volkes. Der Autor zählt zahlreiche Angehörige der Religion zu seinem Bekann-
tenkreis und hat mehrfach die Heimatregion der Yezidi (zuletzt im September 2004 das im Nord-Irak gelegene
religiöse Zentrum von Sheikh Adi) besucht. Schwerpunkt des ersten Teils des auf zwei Bände konzipierten Wer-
kes sind die Inhalte und die Praxis der yezidischen Religion, die der Autor im Vergleich mit zahlreichen anderen
kurdischen und nah-östlichen Religionen darstellt, die Einfluß auf die Yezidi-Religion genommen haben, aber
auch von dieser beeinflußt worden sind. Bestellung: beim IMK e.V.

Neue Dokumentation: Trauma und Therapie


Erfahrungen in der psychosozialen Arbeit mit Überlebenden von Krieg und Gewalt
Mit Beiträgen von: Knut Rauchfuss, Imihan Zorlu, Hamidiye Ünal, Jutta Bierwirth, Cinur Ghaderi, Karin Grie-
se, Dr. med. Hubertus Adam, Dr. med. Joachim Walter, Salah Ahmad, Joachim Sobotta und Johannes Düchting
Das Internationale Zentrum für Menschenrechte der Kurden und die Medizinische Flüchtlingshilfe haben in den
Jahren 2002 und 2003 eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen für MitarbeiterInnen und KollegInnen in der
Arbeit mit Kriegs- und Gewaltopfern sowie für andere beruflich motivierte InteressentInnen durchgeführt.
Im Rahmen der Fortbildungsreihe stellten ExpertInnen aus unterschiedlichen Feldern der psychosozialen Arbeit
ihre Erfahrungen im Umgang mit Opfern von Krieg und staatlicher Gewalt vor und referierten über Entste-
hungsbedingungen von Traumata, Therapiemethoden sowie über die vielschichtigen gesellschaftlichen Hinder-
nisse in der Arbeit mit Betroffenen.
Ein Teil der Vorträge dieser Fortbildungsreihe, ergänzt um eigene Beiträge der HerausgeberInnen, haben zu
diesem Buch geführt. Es soll dazu beitragen, die Diskussion um Methoden und Ziele psychosozialer Arbeit mit
Überlebenden von Krieg und Folter fortzuführen.
ISBN 3 – 933881 – 19 – 6, Zu beziehen über IMK e.V., Preis: 21,-- Euro (incl. Versandkosten)

"Mord im Namen der Ehre"


Entwicklung und Hintergründe von "Ehrenmorden" – eine in Kurdistan verbreitete Form der
Gewalt gegen Frauen
Eine besonders verabscheuenswürdige Form der Gewalt gegen Frauen sind die "Morde im Namen der Ehre," die
bis heute im Nahen Osten und vor allem auch in Kurdistan üblich sind, ja sogar in den letzten Jahren häufiger
geworden zu sein scheinen. Immer wieder werden dort Frauen ermordet, nur weil sie in Konflikt mit den rigiden
herrschenden Moralvorstellungen geraten sind.
Was sind die Gründe dafür, dass zahlreiche Frauen umgebracht werden, nur um die angeblich durch sie be-
fleckte Familienehre zu reinigen? Stehen die "Ehrenmorde" mit dem Erstarken des Islam und seinen Moralvor-
stellungen im Zusammenhang? Warum sind diese Morde vor allem in Kurdistan zu beobachten, handelt es sich
bei ihnen etwa um eine "kurdische Tradition"? Diesen Fragen gehen in diesem Buch zwei kurdische Wissen-
schaftlerinnen nach. Die Rechtsanwältin Hamiyet Izol untersucht das Phänomen in den türkischen Teilen Kurdi-
stans, Dr. Mukaddes Sahin in den irakischen Teilen des Landes, vor allem in den sog. kurdischen Selbstverwal-
tungs-Gebieten, die schon vor dem Sturz des Saddam-Regimes dem Zugriff des Tyrannen entzogen waren. Jo-
hannes Düchting informiert darüber, wie das deutsche Flüchtlingsrecht mit Frauen umgeht, die Gefahr laufen, in
ihrer Heimat Opfer von "Ehrenmorden" zu werden.
Zu beziehen über IMK e.V. Preis: 12,-- Euro (incl. Versandkosten)

IMK - Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 238-239 10

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