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Zeichnung: lgor Smirnow
POLITISCHE Nr.2
WOCHENSCHRIFT Gründungsjahr
der deutschen Ausgabe
1945
VON TIMISOARA;
t,t:tara,ttt,..:a,:::tt:t,lt.ti
,,Polifonija" beim Sowjetischen
Kulturfonds bereit, ein Sönder-
muß schwerwiegende Gründe
geben, die Menschen zum Ver-
Plymouth, Großbritannien
konto zu eröffnen und alle Ein- lassen ihrer Heimat bewegen. I Im Frühjahr 1988 fand die
nahmen des ersten Konzertes Sie nahmen immerhin eine Gründungskonferenz von
geistlicher Musik aus der von uns gefahrvolie Reise in Kauf, die ,,Leningrad" statt, die dieser
inspirierten Reihe,,Wosroshda- vielen schon das Leben (die Wohhätigkeitsgesellschaft einen
jemaja kultura" (,,Wiedergebo- Boote gingen oft unter) und die offiziellen Status verlieh. Diese
g,ilEUE zErI"2.oo
lch schäme mich für SO GESEHEN
meine Regierung...
erste Wohltätigkeitsorganisa-
tion innerhalb der UdSSR wird
vom Schriftsteller und Volksde-
putierten Daniil Granin geleitet.
In der Gesellschaft wirken Frei-
willige, die alleinstehenden älte-
ren Leuten und Behinderten hel-
fen, sich unentgeltlich behinder-
ter Kinder annehmen und an der
Zeichnung : Wladimir lienaschew
Resozialisierung ehemaliger
Häftlinge mitwirken. Unsere ,,Leningrad" Gefahr besteht, daß Menschen- Jurist in einer Frauenberatungs-
Organisation hat die erste UdSSR-190000-Leningrad, ul. blut vergossen wird, dort ist mei- stelle, wo ich werdende Mütter
kostenlose Suppenküche eröff- Dzierzynskogo 5 ner Meinung nach der Einsatz über die Gesetze zum Schutz der
net. Inzwischen gibt es davon N. Djatschenko unserer Einheiten als humane Mutterschaft und der Kindheit
allein in Leningrad Dutzende Stellv. Vorstandsvorsitzender der und barmherzige Aktion anzuse- aufkläre, ist mir der Gedanke in
von verschiedenen Organisatio- Wohltätigkeitsgesellschaft ,, Lenin- hen. denn wir sind die einzige den Sinn gekommen, daß in unse-
nen! Wohltätigkeit und Frie- grad" Kraft, die Blutvergießen verhin- ren Gesetzen eine wichtige Frage
densschöpfung sind verwandte dern kann. völlig ungenügend behandelt ist,
Begriffe. Unsere Freiwilligen I Wenn man sagt, die Truppen Alexej Romanow nämlich die Verantwortung der
suchen in ihrer Tätigkeit nach des Innenministeriums sind Woronesh, RSFSR Mutter für die Gesundheit ihres
Wegen zur gegenseitigen Ver- etwas Böses, bin nicht nur ich, Kindes. Eine verantwortungsbe-
ständigung, zur Einigung der sondern auch meine Kameraden I Ich habe aufinerksam den Mei- wußte Haltung der Frau gegen-
Menschen, zur Lösung von Kon- beleidigt. Am liebsten würde ich nungsstreit im Obersten Sorijet über ihrer Gesundheit während
flikten. Von einem Freiwilligen sie fragen, was sie denn anstellc bezüglich der junuen Leute \er- der Schwangerschaft und die prä-
der Gesellschaft werden psycho- von uns vorzuschlagen hätten. tblgt. die in Pakistan in Gefaneen- zise Befolgung aller ärztlichen
logische Kenntnisse, Lebens- Losungen? Hohles Cesch*ätz schatt sind. Der Staat hat die an Empfehlungen stellen wichtige
weisheit, Taktgefühl und über die friedliche Beilegung Körper und Geist noch ungetesrig- Bedingungen ftir eine erfolgreiche
Geduld verlangt. von Konflikten? Über polirische ten jungen
\{änner in eile schs ere Entbindung und die Geburt eines
Die Wohltätigkeit erlebt in Regelungen? Uber demokrati- und ungesetzliche l-age gebracht. gesunden Kindes dar. Leider
unserem Land eine Wiederge- sche Pri-nzipien? Und was ist, als er sie zum Kriegfiihren ins Aus- begreifen längst nicht alle Frauen
burt. Wir unternehmen die wenn in diesem Moment vor land schickte. Was soll man nun die Tragweite ihrer Verantwor-
ersten Schritte und brauchen unseren Augen eine gewalttätige tun, wenn sie aufgrundbestimmter tung. Sie gehen nicht zur Untersu-
dringend die Erfahrungen aus- und entmenschte Menge lawi- Umstände oder einfach deshalb. chung und weigern sich selbst in
ländischer Wohltätigkeitsorga- nenartig über ein paar zrusa(n- weil sie der psychischen Spannung dringenden Fällen, sich stationär
nisationen. Die ersten Kontakte mengedrängte hilflose Alte, nicht gewachsen waren, in Gefan- behandeln zu lassen. Manchmal
zu Gleichgesinnten aus Italien, Frauen und Kinder herfällt, um geschaft gerieten und fanatische lassen sich werdende Mütter,
den USA, Kanada, Großbritan- sie fertigzumachen, nur weil sie ideologische Forderungen nicht nachdem sie ihren Schwanger-
nien und Japan haben gezeigl, anderer Nationalität sind? erfüllten? Nun, meinen viele. schaftsurlaub angetreten haben,
wie fruchtbringend diese Zrsam- Bevor meine Einheit nach müsse man sie alsVerräter gar nicht mehr beim Arzt sehen.
menarbeit auf dem Gebiet der Nagorny Karabach verlegt betrachten. Meiner Ansicht nach Als Folge davon sterben viel zu
Wohltätigkeit sein kann. Unsere wurde, habe ich noch nie so viel sollte man aber Patriotismus nicht viele Neugeborene. In vielen zivi-
Gesellschaft hat eine Schule der Blut fließen sehen. Am schwer- mit unbedingtem Gehorsam lisierten Ländern ist die Verant-
Wohltätigkeit eröffriet, die Orga- sten fiel es mir, meine Hand gegenüber dem hernchenden wortung der werdenden Mütter
nisatoren der Wohltätigkeitsbe- gegen einen Menschen zu erhe- Regime gleichsetzen. für die Gesundheit ihrer Kinder
wegung ausbildet. Wir hoffen, ben. Wieviel Blut würde aber Man muß diesen Jungen hel- gesetzlich geregelt, wobei die
daß der Kurs ,,Erfahrungen aus- fließen, würden meine Kamera- fen, zu Hause ein normales Höhe der Beihilfezahlungen vom
ländischer Wohft ätigkeitsorgani- den und ich abseits stehen? Leben führen zu können. Sie Verhalten während der Schwan-
sationen" von Gästen unseres Allein die Vorstellung läßt mich haben es verdient. gerschaft abhängig gemacht wird.
Landes gelesen wird. erschrecken. Michail Nasarow Sollten wir das nicht auch tun?
Allen, die an einer Zusammen- Ich behaupte keineswegs, daß llanskij, Region Krasnojarsk, . J. Bordunowa
arbeit mit uns interessiert sind, sich alle Konflikte mit Hilfe von RSFSR Moskau
teilen wir unsere Anschrift mit: Truppen des Innenministeriums Zasamnengesblll wn
Wohltätigkeitsorganisation lösen kassen. Wo aber die I Bei meiner Tätigkeit als T,Tsc[emora
umänien ist für uns nicht bloß ein Nach- I ch freue mich, dem ausgezeichneten Dra-
barland. Wir haben viele Berührungs- I matiker und Prosaisten Vaclav Havel als
I lpunkte in der Geschichte und geistigen I dem neuen Präsidenten der Tschechoslo-
Kultur., viel Gemeinsames in der Sprache,
Sorache. wakei gratulieren zu können. Ich möchte ihm
Folklore und Literatur. Deshalb löste der Sturz und seinem Volk im neuen Jahr Glück wün-
des autoritären Ceausescu-Regimes Freude schen, vor allem aber Erfolg beim demonstrier-
und die Hoffnung aufeine bessere Zukunft des ten bemerkenswerten Beispiel eines friedli-
rumänischen Volks aus, verursachte jedoch chen Übergangs vom stalinistischen dogmati-
zugleich einen tiefen Schmerz um die zahlrei- schen Sozialismus zu einer demokratischen
chen Menschenopfer. Gesellschaft. Ein wirklich nachahmenswertes
Gleich vom Beginn der Ereignisse in Rumä- und lehrreiches Beispiel.
nien unterstützten das ZKder KP Moldawiens Ich denke, daß Vaclavs Havels humanitäres
# und die Regierung unserer Republik die Talent ihm auch in seiner neuen Tätigkeit hel-
PJOTR DANIIL
gerechte Sache des rumänischen Volks. Um fen wird. Die Prüfungen, die in den vergange-
LUTSCHINSKI GRANIN
der in Mitleidenschaft gezogenen Bevölkerung nen Jahren sein Los waren, und die Standhaf-
Erster Schriftsteller,
Sekretär Rumäniens zu helfen, wurde eine Regierungs- tigkeit. mit der er sie überstanden hat. machen Volks'
deo ZK der KP kommission eingesetzt. Ihr gehören auch Ver- Vaclav Havel zu einem Menschen, der beim deputierter
lloldawions treter der Volksfront Moldawiens an. Die eigenen Volk und bei vielen von uns Vertrauen der UdSSR
Kommission koordiniert die ganze Arbeit. genießt. Seine Vergangenheit bildet die Hoff-
Beim ZK der Gesellschaft vom Roten Kreuz nung und Garantie, daß die Menschenrechte,
der Moldauischen SSR wurde ein Hilfskomitee fur die er sich so furchtlos einsetzte, in der
für das rumänische Volk geschaffen, es wirken Tschechoslowakei wahrgenommen werden.
zahlreiche Bürgerinitiativen.
Ich möchte besonders hervorheben, daß die
Hilfe von Vertretern verschiedener in Molda-
wien lebender Nationalitäten kommt. Wir
haben schon 120 Waggons mit Nahrungsmit- ie ,,Prawda" erscheint ab diesem Jahr
teln und Industriewaren von einem Gesamtge- mit einem anderen Kopf: Anstatt der
wicht von ca. 2400 t sowie Medikamente für traditionellen Orden sieht man einc
300 000 Rubel geschickt. Auf das Hilfskonto Abbildung Lenins. Meiner Meinung nach ist
für das rumänische Volk wurden 2 257 000 das sehr richtig. Die Zeitung erhielt die Orden
Rubel überwiesen, 1,0 477 Menschen spendeten seinerzeit keineswegs dafür, daß sie in der Vor-
Blut für das Nachbarland. hut der Glasnost gewesen wäre. Während der
Die Demokratisierung und Offenheit, das Stagnation war es überhaupt eine traurigc
neue politische Denken fördern auch offenere Gesetzmäßigkeit: Je schlechter es uns ging.
Beziehungen zwischen Moldawien und Rumä- desto mehr Orden wurden verteilt.
nien. Ich bin sicher, daß unsere Wirtschafts- Übrigens war ich schon immer der Meinung,
und Kulturbeziehungen einen neuen Impuls daß es absurd und eine bürokratische Erfin-
bekommen werden und sich das Verfahren der dung ist. Zeitungen, Wasserkraftwerken, Sta- ALEXANDER
gegenseitigen Besuchsreisen unserer dien. Fabriken, U-Bahnen, Amtern, Kolcho- WASSINSKI
vereinfachen wird. sen und Republiken Orden zu verleihen (merk- Publizist
Die demokratischen Umgestaltungen in würdig, daß man seinerzeit nicht daraufverfiel,
Rumänien sind nur zu begrüßen. \Yir werden die UdSSR mit dem Orden der Völkerfreund-
ihm auch weiter helfen, damit die Ideale der schaft auszuzeichnen). Die ,,Prawda" hat die-
Demokratie und des Humanismus triumphie- sen Schritt getan, und folglich haben wir eine
ren. kleine Absurdität weniger.
Das Land erwacht aus der politischen Lethargie
Am Wendepunkt
n der Stadt ha; iici ::e I-e lersnrttelversor- gekommen, die rumänische Gesellschaft umzu-
gung verbesen. Es:na*:6 ::obieren die bauen, Bei uns ist es zu einer Teilung zwischen der
Bukarester Kinder Oraoger. Enmalig seit Staatsmacht und der politischen Macht gekom-
vielen Jahren erhalten de Eins'ohner men, was seltr wichtig ist. Das Gebot der Zeit lau-
Energielieferungen in ausreicbendem tet, einen gesamtnationalen Konsens ftir gemein-
Umfang. Erstmalig seit vielen Ja-hren kann same Ziele zu erreichen: Vertiefung der Demo-
I ich mich mit meinen rumänischen Kolleeen kratisierung, Abschaffung aller Mittel der Willkür
unterhalten, ohne die obligatorische A-nwesenieit und Diktatur, Rekonstruktion (wohlgemerktr
Allmählich eines Mitarbeiters der bertichtigten,,Protokollab- nicht Umgestaltung, sondern eben Rekonstruk-
normalisiert sich teilung" der Nachrichtenagentur Agerpres, der tion) des ganzen Landes in jeder Hinsicht. vor
die Situation in jedes Wort mitschrieb, erdulden zu mü$sen. allem des materiellen und geistigen Lebens des
Gerade darüber sprach ich mit Radu Pascale, Volkes.
Bukarest und im Chefredakteur der Zeitschrift,,Lumea".
Lande Es gilt, das tradierte nationale geistige Erbe
Er erzählt: ,,Unsere Redaktion unterstützt unseres Volkes wiederherzustellen, Rumänien
ohne Vorbehalt den Rat der Front der Nationalen wieder dem modernen Europa einzugliedern und
Rettung. In der Redaktion besteht ein örtliches zu einem festen Bestandteil der weltweitenZivili-
Komitee dieser Front. Der Inhalt unseres fälligen sation zu machen,"
Hefts weist große Veränderungen auf. Die rus-
sischsprachige Ausgabe von ,Lumea' wird erhal- Ich bitte Pascale, mir zu sagen, ob sich aus der
ten, wohl atrer aus technischen Gr{inden mit eini- Einberufung des außerordentlichen Militärtribu-
ger Verspätung erscheinen. nals viele Fragen ergeben.
Unserer Meinung nach sind die Ereignisse, die ,,Für dieses Phänomen gibt es nur eine einzige
am 21.. Dezember begannen, für Rumänien von Erklärung. Rumänien durchlebt eine Zeit maxi-
wirklich historischer Bedeutung. Die Zeit ist maler Spannungen. Davon zeugen die 70 000
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Menschenopfer allein in der ersten
Woche der Revolution. In Bukarest sind
noch immer Terroristengruppen am Der Vorsitzende des Rates der Front der Nationalen
Werk, es gibt sie auch in anderen Teilen Rettung Rumäniens wurde 1931 in der Familie eines
des Landes." illegal tätigen Kommuni5ten geboren. Nach Absolvie-
rung der Moskauer Hochschule für Ene,rgetik war er im
,,Eine weitere Frage. Was wird Ihrer
Meinung nach aus der KP Rumäniens? Jugendverband, später im Apparat des ZK der Fumä-
Aus den rumänisch-sowjetischen Bezie- nisihen KP tätig.
hungen?" ,1967 wurde lliscu zurn 1. ZK-Sekretär des Kom-
rnunistischen Jugendverbands Rumän*ens,gewählt,
,,Man muß ehdich sagen, daß das
gegenwärtig von vielen im In- und Aus- Zwischen Februar und .Ju,li 't971 war er Seketär des
land gefragt wird. Jahrzehntelang assozi- ZK der RKP fur ideologische Fragen. Aber lliescus
ierte sich die KP Rumäniens mit einem internationalistische Überzeugungen und seine Prin-
einzigen Menschen, der in Wahrheit kein
lon lliescu zipienfestigkeit paßten der damaligen engeh RKP-
Recht hatte, sich Kommunist zu nennen. Führung nicht, man entsandte ihn,,zur Subalternen
Wie kam das, was waren die Gründe? Parteiarbeit nach Timisoara, dann nach iasi, dann in
Die rumänischen Kommunisten und die den Nationalrat für Wasserressourcen der Republik,
gesamte rumänische Gesellschaft müs- bis s schlieBlich aß DireK€r in einem obskuren tech-
sen auf diese Frage antworten. Wie sich nischen Verlag landete.
das Schicksal unserer Partei gestaltet, lon ll iescu gehört :zu jenen rumäniscfren Kom mun -
: i
wird die Zeitzeigen. sten. die nie mit dem Vom Ceausescu-Clan dürchge-
Ich wiederhole, heute besteht die seEten Kurs des Perconenkults und des Aufbaus
wichtigste Aufgabe in der Rekonstruk- ei*es feudalen,,sozialismus" einverstanden waren.
tion und Erneuerung des Landes. Wir Nach dem Stüz derCeausesbu-Diktatui Würde ei zu
müssen alles tun, damit die Demokrati- der heute wichtigsten Funktion im rumänischen Staat
sierung erfolgreich verläuft. In dieser gewähft.
schwierigen historischen Periode hat das
rumänische Volk die guten Wünsche
Michail Gorbatschows und Nikolai
Ryshkows an die Adresse des Rats der len Betrieb wiederaufgenommen. Das So bezeichnete Ceausescu die Ernte
Front der Nationalen Rettung sehr Staatswappen des Landes ist geändert, von 1989 als die höchste in der rumäni-
dankbar aufgenommen. Wir sind über- aus dem Namen des Landes das Wort schen Geschichte. In Wirklichkeit
zeugt, daß sich die zwischen Rumänien ,,sozialistisch" entfernt q-orden. Alle machte sie bei Weizen 40%, bei Mais
und der Sowjetunion traditionellen Begrenzungen ftir Strom wurden abge- rd. t2Y", bei Zuckerrnben21To und bei
Beziehungen im Interesse der erfolgrei- schafft, die Werktäti,sen haben ein reales Kartoffeln 16% dessen aus, was offi-
chen Verwirklichung der Erneuerungsr, Recht auf einen E-Stunden-Tag und eine ziell gemeldet wurde. Das Bruttoauf-
prozesse in unseren beiden Ländern, im 5-Tage-Woche erhalten, vor allem aber kommen bei Getreide macht nur ein
Interesse eines besseren Weltklimas können die Menschen ruhig, ohne sich Viertel des ,,papiernen" aus, und das
weiterentwickeln werden. Ich hoffe, umblicken zu müssen und ohne die verursacht große Schwierigkeiten bei
daß sich auch unsere zwischenstaatli- eigene Zukunft und die ihrer Familien der Versorgung der Bevölkerung mit
chen Beziehungen jetzt durch Offen- aufs Spiel zu setzen. von ihren schreien- Nahrungsmitteln und der Viehhaltung
heit auszeichnen werden. den Problemen sprechen. mit Futter.
Kurzum, die Lage ist schwer. Dennoch
Wie ich glaube, wird die rumänische Die bekannte rumänische Schriftstel-
lerin Doina Cornea, Mitglied des Rats sind alle, mit denen ich mich unterhalten
Außenpolitik eine neue Entwicklung
erfahren. Wie die neue Führung des Lan- der Front der Nationalen Rettung, sagte konnte, frohen Mutes. Prof. Dumitru
des schon erklärt hat, waren und bleiben in einer Sendung des Freien Rumäni- Mazilu, der vor kurzem zum stellvertre-
wir Mitglied der Warschauer Vertragsor- schen Fernsehens: ,,Wir haben die tenden Vorsitzenden des Rats der Front
ganisation und werden unsere Politik scheußliche Angst und Feigheit von frü- der Nationalen Rettung gewählt wurde,
unter Berücksichtigung dieses Vertrages her abgelegt. Wir erleben jedoch recht sagte vor kurzem zu dieser neuen
gestalten. Zugleich sind wir fest ent- schwierige Zeiten, uns droht ein Chaos, Gemütsverfassung:,,Das rumänische
schlossen, uns in die Schaffung eines ein- denn nach jeder Umwälzung ist die Lage Volk, das als sehr demütig und zu ruhig
heitlichen Europas, eines gesamteuro- immer schwer und ungewiß." galt, hat nicht nur bewiesen, daß es einen
plüschen Hauses für alle Völker unseres Hinzu kommt die außerordentlich Plalz an der Sonne verdient, sondern
Kontinents einzuschalten und unseren schwere Lage in Rumäniens Wirtschaft. auch, daß es die notwendige Kraft auf-
internationalen Verpflichtungen nachzu- Die prahlerischen Erklärungen der frü- bringt und mit der komplizierten Situa-
kommen, darunter solchen, die die Men-
heren Führung über grandiose Wirt- tion, in der es sich jahrzehntelang
schenrechte schützen," befand, rasch fertig werden wird."
schaftserfolge haben sich als Betrug
Inzwischen hat die Entwicklung eine erwiesen. Wie Agerpres meldet, wurden Sergej
beispiellose Rasanz angenommen. Die der Bevölkerung und der ganzen Welt
letzten Widerstandsherde der Ceaus- nicht die wirklichen Produktionskennzif-
Swirin
escu-Anhänger werden unterdrückt. Der fern mitgeteilt, sondern andere, von den NZ-Korrespondent
Bukarester Flughafen hat seinen norma- Behörden stark überhöhte. BUKAREST
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Ruhmloses Ende Mechanismus der Wirtschaftsbeziehungen
nvischen den RGW-Ländern. Daß Rumänien
zu günstigen Bedingungen sowjetische Roh-
stoffe erhielt, erlaubte es dem Land, erfolg-
Aufstieg und Fall des Ceausescu-Clans reich die Schwer- und die l,eichtindustrie zu
entwickeln. Der Export von verarbeiteten Öl-
it dem rumänischen ,,Conducator" tion entstanden. Viele Parteiveteranen bean- und petrolchemischen Produkten nahm zu.
und Diktator, der vom Volksauf- spruchten den frei gewordenen Platz. Die Rumänien, das 1.0 bis l2Mio t Erdöl jährlich
E U I stand hinweggefegt wurde, ftihrte Lage spitzte sich zu. Ceausescus WahI zum forderte, importierte zusätzlich bis zu 18 Mio
mich das Schicksal in den vielen Jahren mei- Generalsekretär war sozusagen eine Kompro- t Ol zu den niedrigen Weltmarktspreisen. Der
ner diplomatischen Tätigkeit in Bukarest mißlösung. Man erwartete, Ceausescu werde Verkauf von Produkten, die aus dem in rumä-
zusammen. Ich war Zeuge der atemberauben- auf die Stimme der iilteren Genossen hören nischen Raffinerien verarbeiteten Öl gewon-
den Karriere Ceausescus. Meine Kollegen, und die Angelegenheiten der Partei im Geiste nen uurden, erwies sich als sehr lohnend. In
ausländische Diplomaten in Rumänien, der Kollegialität führen. Doch bald schon der l-andwirtschaft gab es ebenfalls anfangs
waren stets erstaunt, wie dieser im Grunde mußte man sich vom Gegenteil überzeugen. keine hobieme. Gute Emten wurden einge-
recht beschrlinkte Mann eine so enorne Ceausescu, der an die Spitze von Partei und bracht. Die lrbensmittelversorgung war
Macht in seinen Händen konzentrieren und Staat trat, legte sein eigenes politisches Pro- zufüedenstellend. Die Produktionsgrund-
dem temperamentvollen rumänischen Volk gramm vor. Eine Vorstellung davon konnte fonds des Landes wurden erweitert, die
diktieren konnte, wie es zu leben und wohin man sich bei der Lektüre rumänischer Zeirun- Bevölkerung wurde weitgehend mit den wich-
es zu gehen habe. Ja, wie war das möglich? gen machen, die immer häufiger von Reden tigsten Nahrungsmitteln und Industriewaren
Der künftige Diktator Rumäniens wurde des ,,Conducator" gefüllt wurden. Er rief dazu versorgt, die.lähne und Gehälter stiegen. Der
1918 in einer kindeneichen Bauernfamilie auf, einen großen, prosperierenden Staat zu Export von Olprodukten und landwirtschaftli-
geboren. Die patriarchalische Atmosphäre schaffen, unabhängig in der Außenpolitik von chen Erzeugnissen brachte Devisen.
der Kindheit lehrte ihn, sich auf die Hilfe und den Ländern der sozialistischen Gemein- In Rumänien begann man bereitwillig Io-
Untentützung der Familie zu verlassen. Als schaft, von der Sowjetunion. Diese Ideen fan- sungen in Sprechchören zu verkünden, I.o-
Halbwüchsiger ging er in die Stadt, wurde den ein Echo. Die Vertreter der rumänischen sungen, diejeder hörte, der das Land besuchte:
Schustergeselle. Anfang der 30er Jahre wurde Intelligenz, mit denen ich zuvmmentraf, ,,Ceausescu und das Volk! Ceausescu -RKP!
er verhaftet -
am ehesten wohl wegen eines bekundeten Solidaritat und L ntersttitzung fi.ir Geliebter Führer!"
kleineren Diebstahls oder einer Schlägerei. Ceausescu. Seht doch. erklärten sie, ,,unser Die tatsächlichen und angeblichen Erfolge
Doch in der Haft in einem der schrecklichsten Ceao" rechnet nicht mehr mit Moskau, der verdrehten manchem den Kopf, ließen die
Gefängnisse Rumäniens, Doftana, lernte er Westen aber trägr ihn gleichsam auf den Arroganz immer unerträglicher werden, wur-
den bekannten Revolutionär Gheorghe Ghe- Armen. Ja. Ceau,sescu fand die besondere den zum Fundament des Größenwahns.
orghiu-Dej kennenn der großen Einfluß auf Sympathie der LS-Präsidenten Nixon, Ford mit
Ceausescu rechnete so gut wie nicht mehr
ihn hatte. und Carter. mit denen er in Bukarest und demZK und der Regierung.
Diese Bekanntschaft half Ceausescu, nach Washington zu-sarrunentraf. Die häufigen Wir wissen nicht, wer ihm die Idee der
dem Sieg der demokratischen Volksrevolu- Kontakte mit q.estlichen Vertretern vermittel- Rotation von Partei- und Staatsämtern sugge-
tion schnell politische Karriere zu machen. ten ihm die Zuversicht, seine ,,herausragen- rierte, doch er griff nur zu gem nach ihr, sah
Zunächst itbemahm er die lritung des Rumä- den" Qualitäten würden im Ausland hoch darin ein Mittel, ihm Unbequeme, an denen
nischen Kommunistischen Jugendverbandes, geschäta und man betrachte ihn als ,,histori- er zweifelte, denen er aus verschiedenen
dann wechselte er zur Parteiarbeit über und sche" Persönlichkeit. Ich sah, wie der selbst- Gründen nicht vertraute, loszuwerden, Die
schließlich wurde er lriter der politischen zufriedene Ceausescu auf einem Empfang in Rotation ließ alle führenden Politiker zu Gei-
Verwaltung und stellvertretender Minister für der französischen Botschaft zu Ehren von de seln werden. Jeden Augenblick (und das
nationale Verteidigung. Ich hörte wiederholt, Gaulle mal den einen, dann den anderen Bot- wußte jeder nur zu gut) konnte Ceausescu
der junge Ceausescu sei grob gegenüber schafter um Komplimente anging... In Wirk- einen ihm nicht voll hörigen oder, wie er
Untergebenen gewesen, hochnäsig und lichkeit erinnerte er an einen Operettenbuffo, meinte, ,,schwachen" Leiter entfernen und
unduldsam gegentiber Kritik. Gerade seine der eine Opernpartie tibernommen hatte. ihn degradieren. Unter dem Vorwand der
Tätigkeit in deiArmeedtirfte ihn zu der Über- In der Wirtschaftspolitik nutzte Ceausescu Erneuerung der Parteiftihrung schickte er
zeugung gebracht haben, daß widerspruchslo- anfangs geschickt die Unvollkommenheit des viele alte Kommunisten und fähige junge
ser Gehonam die Grundlage der Spitzenpolitiker -
Ion Iliescu,
Macht sein milsse. rWiderstand sei Gheorghe Apostol, Ilie Verdet,
um jeden Preis zu unterdrücken. Ianos Fazecas u. a, -in die !
,,II E U E Z E I I"
Die Spaltung in der KP Litauens ist vollendete Tatsacfie- Wdche H*.rrg sol loctqr einelrnen?
weiteren Schreiben: ,,Unsere für die Ver?inde- cäen Fragsa nät di
besretr HeHer. Man muß Paneidokumente haiten.\\'er in diesem Jahr
rungen in der UdSSR und in Osteuropa emp nät besonders schlau sein, rm etwas an vemr- eintritt. bekonmt eine prorisorische Mitglieds-
fängliche Gesellschaft ähnelt heute einer Fruh.' leilen und an bandmarken. Den litauischeo karte. Ab 1. Januar 1991 sollen dann neue Par-
jahnflut. Uberall verändern sich sttirmiscb GeDN€n zuzrstfunmen, bedeutet jedoch, die teidokumente ausgestellt werden.
gesellschaftliche Strukturen und brechen ah€ Spaltung zu vertiefen. " Man muß offen sagen: Für die Erhaltung
politische Bastionen zusarnmen. Wir können Das Plenum des ZK der KPdSU beauftragte der alten Lage sprechen sich unverkennbar
nicht länger passive Beobachter bleiben. Wir eine große Gruppe der Parteifunktionäre, dar- meist die polnisch- und die russischsprachi-
wünschen nicht, daß die Stimme der Kommuni- unter den Generalsekretär des ZK, nach gen Parteiorganisationen aus. Es gelang der
sten überhört wird, rtaR sie als Geiseln der Sta- Litauen zu reisen. Was erwartet sie dort? litauischen Mehrheit nicht, die nationalen
linschen und Breshnewschen Eiszeit gelten und Im Grunde wirkt die neue Partei schon. Ihre Minderheiten von der Garantie ihrer Interes-
deshalb aus dem realen politischen Leben ver- Prinzipien sind Freiwilligkeit, Gewissensfrei- sen zu überzeugen. Möglich, daß sie sich
drängt werden." heit, Meinungsfieiheit (Mitglieder der Partei nicht sehr darum bemühte. Möglich ist fer-
Anders ausgedrückt erklärte der Kongreß mtissen der Position der Mehrheit nicht zustim- ner, daß die in Litauen lebenden Russen,
seine Beschlüsse sehr prosaisch: Es ginge um men und können ihre eigene Plattform durchzu- Polen und Ukrainer mit ihren Nachbarn nicht
das Überleben der KP, der in Litauen die völlige setzen versuchen; in der KP Litauens sind schon sehr gut. äuskamen und sich auch nicht sehr
Verdrängung von der Macht und der völlige drei Fraktionen im Entstehen), Ko[egialität, darum bemühten, diese zu verstehen. Auf
Schwund des Einflusses drohten. Der Leiter des Offenheit, Parteidisziplin (ist aber ein Beschluß jeden Fall sind die Veränderungen in der
Instituts ftir Philosophie, Soziologie und Recht der Parteiorgane für einen Genossen unan- Republik und dieser Absonderungsprozeß
der republikanischen AdW nannte in Vilnius nehmbar, braucht er ihn nicht zu befolgen), bedrohlich, man setzt die ganze Hoffnung auf
Angaben einer umfassenden soziologischen Erweiterung der Demokratie. Das Institut der Moskau. das die Minderheiten in seinen
Befragung: 56% der Befragten äußerten sich ftir Kandidaten der Partei, das der Bürgen und der Schutz nehmen würde. Um ehrlich zu sein,
eine selbst?indige KP, 8olo für eine autonome KP Bestätigung eines Neuaufgenommenen durch können wir nicht damit rechnen, daß die
im Bestand der KPdSU, 60/o gegen die Abspal- ein übergeordnetes Parteikomitee sind abge- Mehrheit und die Minderheit sich gegenseitig
tung von der KPdSU; 13% hatten keine Mei- schafft. Ein Parteimitglied kann wählen, wel- nachgiebig zeigen.
nung dazu , weit ere L6"/o interessierten sich nicht cher Grundorganisation er angehören will. Das ZKdeTKPdSU solljetä eine Formel ftir
für Fragen der KP Litauens. Außerdem sagten Jinige scblugen vor, im Statut ideologische das Einvemehmen finden, und das nicht nur
29o/" der Be{ragten, sie wij.rden für keine KP und organisatorische Grundlagen der Partei wie zwischen beiden Parteien in Litauen, sondern
Litauens stimmen. die marxistisch-leninistische Ideologie, den auch z';vischen den Vertretern verschiedener
Der Kongreß hoffte, in Moakau würde man sozialistischen Internationalismus, den demo- Ansichten innerhalb der KPdSU. Bald nach
die verzlveifelte Lage der Partei und die Not- kratischen Zentralismus und die unverbrüchli- dem Beschluß des Obersten Sowjets Lettlands,
wendigkeit dieser Selbsnettungsaktion verste- ghs idsslls Einheit der Kommunisten zu bestim- der den ehemaligen Status der KP kttlands
hen. Der Versuch, sich allein zu retten, wirkt men", sagte Wadimir Beresow, 2. Sekretär des abgeschafft und das Mehrparteiensystem lega-
jedoch als Desertion und bringt daüb€r hinaus ZK, der seinen Posten nach den Neuwahlen lisiert hatte, stellte das ZK der KP lrttlands
auch die übrigen in eine noch schwierigere behalten hat. ,,[rider haben solche Vorschläge die Frage nach einer Revision des Parteistat-
Lage. Nach M. Gorbatschows Bericht zu urtei- häufig einen konservativen Beigeschmack." uts: Es müsse dem Status der Republik ent-
len, ist die Führung der KPdSU und unseres Durch einen Beschluß des Kongresses wer- sprechen, die ebenso wie Litauen eine Dekla-
Staates nicht über die Eigenwilligkeit von Vil- den alle Mtglieder der alten Partei mechanisch ration über die Souveränität annahm. Ein ähn-
nius, nicht über den formalen Verlust der Kon- Mitglieder der neuen. Es gibt keine Neuregi- licher Prozeß ist in der KP Estlands im Gange.
trolle über die KP Litauens und nicht über die strierung. Wer mit Programm und Statut nicht In den kommunistischen Parteien einiger
Ver?inderung gewohnter Formeln und Strukhr- einverstanden ist, kann der Partei den Rücken anderer Republiken treten die nationalen
ren besorgt, sondern über die Gefahr einer weit kehren. Wer in der KPdSU bleiben will, kann Interessen in den Vordergrund, dort fordert
ernsthafteren Spaltung als in Litauen. bis zu ihrem 28. Parteitag in der neuen KP man eine Absonderung nicht nur der Repu-
Selbstverständlich waren viele über die Frei- Litauens bleiben. Bis dahin verändert sich die blik, sondem auch der Partei. Diese Tendenz
denkerei in Vilnius, den Verzicht auf die Dog- organisatorische Struktur der Partei nicht. zerstört die integrierende Rolle der KPdSU.
men, den Bruch mit der Vergangenheit uod Das neue Statut senkt die Mtgliedsbeiträge; Deshalbwird das Plenum des ZKderKPdSU,
schon über den Wunsch, selbständig zu leben, das werde dazu ftihren, den Apparat der Partei- dasseine Arbeitwiederaufnehmensoll, nichtnur
höchst empört. Die Forderung, die Abweichler organe und -limter beinahe auf die Hälfte zu seine Haltung zum Kongreß in Vilnius ausarbei-
streng zu bestrafen und jene lriter, die ,,so kürzen, wie der Vorsitzende der (iazwischen ten, sondern auch mit der Suche nach einer uni-
etwas zugelassen" hätten, in Moskau zw Ver- ebenfalls abgeschafften) Revisionskommission versellen l-<isung beginnen müssen, die dazu
antwortung zu Äehen, drückte wohl auf das beim Kongreß sagte. Es wurden eine Beru- angetan wäre, die Integrität der ftir die garze
Plenum, aber Gorbatschow gab einen anderen fungs- und eine Finanzkornmission der KPL, Union einzigen Partei zu erhalten.
Ton an: beide vom ZK unabhängig, gewählt.
,,Es geht nicht um Emotionen, sie sind in sol- Unterdessen wird man sich an die früheren Leonid Mletschin
entstehen. Die Menschen tauschen die rungen treten zurück - und das wirkt sich zuweisen. Doch dabei sollte man nicht ver-
unpopulären 20-Kronen-Scheine mit dem weder auf die Arbeit des Staatsapparats gessen, daß die Zeit kein Wundarzt und
Bildvon Klement Gottwaldbei den Banken noch auf das Warenangebot in den kein Priester ist, der die Sünden vergibt..
um.. . Und all das vor dem Hintergrund von Geschäften aus. Und zweitens ist es dort Die Zeit läßt uns nur älter und weiser wer-
Großkundgebungen und -demonstratio- nicht üblich, führende Politiker, die verlo- den.
nen, doch ohne zerschlagene Fensterschei- ren haben und gehen müssen, durch den Ja, an jähen Wendepunkten der
ben, brennende Autos und Schießereien, Dreck zu ziehen. Geschichte sagen sich die Sieger nicht sel' .
ohne eine spürbare Störung des normalen Ja, jenseits des bereits stark durchgero- ten selbstbewußt vom Erbe ihrer Vorgän-
Lebens. steten ,,eisernen Vorhangs" führeo ehema- ger los. So war es 1948, als die Führung:r
,,Vergiß nicht, daß die Tschechoslowa- lige Premiers und Präsidenten, Parteiführer unter Gottwald das pluralistische Pro-:i
kei nicht Rumänien ist", sagte mir ein Pra- und Minister in der Regel ein friedliches gramm eines tschechoslowakischen Weges
ger Kollege. ,,Die Erfahrungen der Leben, werden keinem Scherbengericht zum demokratischen Sozialismus durch-
"IIEUE ZEII"
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t.ffi.
dab@i;;::;: :
stand wieder die erste Tanne der tschechoslowatrischen l{arptstadl Do.t, auf dem Altstäd- Gr ündl!$q Fec{rercFn:
ter Platz, fand nach der Wahl des Präsidenten der Feprölik eine gro8e Party unter freiem
Himmel statt und Analysen,
,,
, kritische Q@hte
Foto aus: ,,Rude Pravo" (CSSR)
kreuzte. So verfuhr auch die lvlannschaft von Rechtsstaates interessiert sind, von welchem
Husak, die alles, rvas mit dem Prager FrüLh- Land auch die Rede sein mag. Und ich fühle
finden y,ngpre,Leser
ling verbunden war, ausz.rmerzen suchte. mich sehr unwohl, wenn ich höre, daß der : :::lJlclef ,, .
..l ..:,....:.....,lfföönsf.:|äsit$öftfif,t,..........t..,
verteidigen will, die in den vielen Jahren bogen mit roter Farbe beschmiert.
ihrer verantwortungslosen Herrschaft
Straflosigkeit gewöhnt, degradierten. Ich
an
Bewertung eines bestimmten Geschichtsab- lassen. Nichts kann die Tschechoslowakei zwin-
.,..,,.,,,,'.,...,.,.,.,,,,,.Z':iE.ll..I..l.tr...ilo.*iiii.l..ii.il..'li....llll.'li......l
schnitts darf man nicht nur die großen und gen, vom Weg zur Demokratie abzugehen, heißt
kleinen Fehler der einen oder anderen Spit- esim Regierungsprograrnm. Die Einhaltung der
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Funotene
-
: : :.: a.i i::: : : : :
sekretär war, wurden viele meiner engen tion und die Entwicklung in der Tschechoslo-
Freunde, Tschechen und Slowaken, ehrliche s'akei seit 1968 haben deutlich werden lassen,
daß Repressalien, die Verfolgung von ;.iä..',.öär....$ö
.,..'
j. üniön,i1,..1r.''. .1
in ihrem Beruf arbeiten. Ihr ..Verbrechen" nicht den Weg zu einem demokratischen Standpunkte in Po-liti k,
bestand darin, daß sie Stalinismus nicht
Sozialismus und eine imperiale Politik nicht
Rechtsstaat eröffnen, keine Gewähr für Frei-
heit, Gleichheit und Brüderlichkeit geben. :: Wirtschäft,,,,,
Internationalismus nennen wol]ten... Im Gegenteil ftihren sie in die Sackgasse. :::::i'::*ll:::,,,:.i,:]:.wi$sää$öil1äft:i::::].:iill:.ii:;::ili:;ii::i::
Nichtsdestoweniger war ich es irgendwie
gewohnt, daß man in der Tschechoslowakei
Kurz bevor Vaclav Havel Präsident wurde,
sagte er in einer Ansprache: ,,Lange Reden
und Kultü,r. ' ,
stets Respekt vor den eigenen Präsidenten haben wir genug gehört. Deshalb möchte ich
hatte - sowohl vor jenen, die als Sieger in nur an das Wichtigste erinnern. Es geht heute
die Geschichte eingingen, wie Tomas Masa- schon nicht um eine bessere Zukunft der
ryk, als auch vor denjenigen, die Niederla- Tschechoslowakei. Daß sie besser sein wird,
gen hinnehmen mußten, wie Eduard Benes, ist klar. Es geht um mehr. Damit der Weg,
und auch vor jenen, die nur bemüht waren,
ehrlich das schwere Amt des Staatsober-
auf dem wir zu einer besseren Zukunft gelan-
gen, nJ einer besseren Zukunft ganz Euro- .ffi
hauptes auszufüllen, die Fehler wie Erfolge
auf ihrem Konto zu verbuchen haben, wie
pas, der ganzen Welt führt."
Wünschen wir dem Volk der Tschechoslo- 'fl:.Itffffi'
Zapotocky, Novotny und Svoboda. Ich wakei Erfolse-
auf diesem Wes.
Alexander Didussenko
ffi.,ffi.iilf,m*.i'
rhoffte, gerade diese Erfahrungen könnten,
rheute zum Allgemeingut aller werden, die an NZ-Sonderkorrespondent
PRAG-MOSKAU
ido Entwicklung eines demokratischen
,,IIEUE ZEII" 2.eo tr
Sozial ismus heute
Gedanken des Prernierministers der Französischen der demokratischen Gesellschaft besteht
ja gerade darin, sich nicht den Weg mit
Republik, Michel Rocard, zum Schicksal sozialistischer endgültigen Entscheidungen ztr ver-
Theorie und Praxis, zur Demokratie und den bauen, sondern eine offene Gesellschaft
Aufgaben, vor denen die Linken in Zukunft stehen zu sein, damit alle Mitglieder der Gesell-
schaft nach ständiger Verbesserung stre-
ben können. Der Begriff Gleichheit
er Begriff Sozialismus war nie ein- Heute hat sich beim demokratischen behält seine Bedeutung als Protest gegen
deutig. Seine Anhänger waren sich Sozialismus ein Gleichgewicht eingepe- den Druck der sich in der Gesellschaft
einig darin, daß sich in einer gelt. Achtung der Menschenrechte und fügenden Umstände.
gerechten Gesellschaftsordnung die Pro- politischer Pluralismus gehen einher mit
duktionsmittel im Besitz oder unter Kon- der Orientierung auf eine effektive Wirt- Wenn man die Ziele des Sozialismus
trolle der Gesellschaft befinden müssen. schaft und einen hohen Grad an sozialer so verstehr. ist es keine leichte
Aufgabe,
In der Praxis waren allerdings die Vorstel- Sicherheit. sie zu erreichen. Vielen Völkern, die
lungen davon, wie man das erreichen Bei alldem ist der demokratische Sozia- das Diktat des sozialen Durcheinanders
könne, äußerst vielfältig. Was entstanden lismus jedoch keineswegs eine magische satt haben und danach streben, die
nicht in Frankreich seit der ersten Hälfte Formel. E,ine Demokratie, die ausgeht organisierte Freiheit zum Entwicklungs-
des 19. Jh. alles für sozialistische Schulen prinzip zu machen, geben diese Ziele
- vom Anarchismus bis hin zum sozialen MICHEL ROCARD: Hoffnung.
Republikanismus. Nach 1917 wurde die Heute ist ohne Z*eifel das Wichtigste,
Konfrontation zwischen der kommunisti- zrt erkemen. daß eine bestimmte
schen und der sozialistischen Bewegung geschichtliche Epoche zu Ende geht. Die
zum bestimrnenden Faktor fur
die Dramatik, die sie erlüllte. wird noch lange
gesamte Gegenwartsgeschichte. Ütbrigens Stoff für Geschichtsdispute liefern. Die
kämpften bei einer gewaltigen Prüfung, Sozialisten des Westens sind jedoch zur
wie sie der zweite Weltkrieg darstellte, Zusammenarbeit bereit. dre noch vor kur-
Sozialisten und Kommunisten Schulter an zem undenkbar schien.
Schulter. Die Differenzen darum, was Vor allem die Sozialisten können ihre
denn nun Sozialismus tatsächlich sei, Erfahrungen allen zur Verfügung stel-
waren allerdings zu groß, um eine Eini len. die Bedarf haben. Außerdem sind
gung über einen größeren Zeitraum hin- sie bereit. an der Klärung von Proble-
aus zu erzielen. men mitzurvirken. die alle Menschen der
Dem in der Sowjetunion begonnenen Erde bewegen. Die Erhaltung des Frie-
Reformprozeß kommt heute außeror- ,,Heute stehen wir
dens, der Schutz der Menschenrechte,
dentliche Bedeutung zu. Er macht uns all- vor einer Herausforderung,
Aussöhnung der Interessen von Süd und
mählich klar, daß der Sozialismus nur eine der wir nach Möglichkeit Nord, Umweltschutz - all das bedingt
Zukunft hat, wenn er sich aufeine wettbe- mit gemeinsamer Kraft globales politisches Vorgehen und neue
werbsfähige, offene und entwickelte entgegentreten sollten(' Formen der multilateralen Zusammen-
Wirtschaft, politischen Pluralismus und arbeit.
Rechtsstaatlichkeit stützt. Ohne Demo-
kratie werden wirtschaftliche Reformen Jede neue Epoche bringt günstige
Umstände mit sich, die es unbedingt zu
immer lebensunfähige Halbheiten blei- vom Vorhandensein von Konflikten und
nutzen gilt. Um die nach Beendigung des
ben. Andererseits kann man sich auf poli- Unterschiede zuläßt, ist nur unter Kom-
tische Reformen, die nicht von einer -
promißbedingungen lebensfähig. Auch
zweiten Weltkriegs vergebenen Möglich-
keiten zu verwirklichen, stehen uns viele
effektiven Wirtschaft unternauert wer- der Markt kann nicht alle wirtschaftlichen
ernsthafte Veränderungen bevor. Man
den, nicht verlassen. Funktionen wahrnehmen. Indem er stän-
muß neu an das Verständnis der Souve-
Bei seiner Wahl ist der westliche Sozia- dig Ungleichheit generiert, läßt er auch
ränität eines Staates herangehen. Uirab-
lismus von diesen Voraussetzungen aus- soziale Effektivität und Erfindungsreich-
dingbar ist die Anerkennung der gewach-
gegangen. Die Geschichte jedes westli- tum zu.
senen Rolle internationaler und regiona-
chen Landes gestattet es, ziemlich genau Die ganz auf Freiheit fixierten Soziali-
ler Organisationen.
den Moment zu bestimmen, da man diese sten können sich aber natürlich nicht
Grundsätze begriffen hat. Die Republik damit abfinden, daß das Wirtschaftssy- Heute stehen wir vor einer Herausfor-
als Staatsform wurde in Frankreich einige stem außerhalb der bewußten Kontrolle derung, der wir nach Möglichkeit mit
Jahrzehnte vor Entstehung der sozialisti- der Menschen funktioniert. In der Tat ist gemeinsamer Kraft entgegentreten soll-
schen Bewegung eingeführt, doch die eine demokratische Gesellschaft nicht nur ten. Wir müssen unseren Verstand und
Ideen von Demokratie und Sozialismus ein Zusammenschluß freier Individuen, Willen fär die Lösung globaler Probleme
sind eng miteinander verbunden. Es ver- sondern auch eine bewußt wirkende und einsetzen. Wenn wir in diesem Sinne han-
ging allerdings eine ganze Weile, bis sich über die Freiheit der Wahl verfügende deln, bleiben wir dem wahrhaft interna-
im sozialistischen Bewußtsein zwei Wand- Gemeinschaft. Die Erfahrungen lehrten tionalen Geist treu, dervon Anfang an die
lungen vollzogen: Zuerst sagte sich der uns, daß dieser Widerspruch nicht gelöst sozialistischen Ideale bestimmt hat.
Sozialismus von der Gewalt los, dann von werden kann. Die Sozialisten müssen alle Foto aus: ,,Express"
der Idee eines staatlichen Vormunds. beiden Seiten in Betracht ziehen. Das Ziel (Frankreich)
Grenada-Variante
Der Uberfall auf Panama hat gezeigt, daß man im deren haben geschlossen. Inzwischen kommt
der Handel nur zaghaft wieder in Gang.
Weißen Haus immer noch meint, in Lateinamerika Unmittelbar nach Beginn der Intervention
rvurde Guillermo Endara, Vorsitzender der
den eigenen Hinterhof vor sich zu haben Allianz der demokratischen Opposition,
ls ich von dem amerikanischen so viel wie die \Iannschaftsstärke der zum neuen Präsidenten von Panama er-
Überfall auf Panama erfuhr, Kräfte der nationalen Verteidigung (FD), nannt. Endara hält sich mit einiger Berechti-
waren die Einzelheiten der Ope- der Armee von Panama, und der para- gung für den Sieger derPräsidentschaftswah-
ration und die Mannschaftsstärke militärischen Freiwilligeneinheiten, len vom 7. Mai letzten Jahres, deren Ergeb-
der von den Vereinigten Staaten der sogenannten Dignidad(,,Würde")- nisse das Noriega-Regime annulliert hatte.
eingesetzten Truppen noch nicht klar. Bataillone. Sie bestehen aus Sympathisan- In einem Interview für den 4. Femsehkanal,
Zuerst wollte ich gar nicht glauben, was da ten der regierenden Revolutionär-Demo- der von den .{merikanern kontrolliert wird,
passiert war. Sollte Washington sich tat- kratischen Partei und der (kommunisti- bemängelte Endara, daß er unter den
sächlich zu diesem Schritt entschlossen schen) Panei des Volkes. US-Verteidi- schlimmsten Bedingungen, in denen man
haben? Ich dachte: Vielleicht ist das ja wie- gungsminister Cheney behauptet, daß die sich als Präsident in Panama nur befinden
der nur so ein Umsturzversuch wie der, den Amerikaner in Panama zum ersten Mal kann, Staatschef geworden sei. Als beson-
eine Gruppe von panamesischen Militärs einen nir Radarschirme unsichtbaren ders negativ bewertet er die Tatsache, daß er
Anfang Oktober unternommen hatte? ..Stea.lth--Jagdbomber F-1174 unter das Präsidentenamt übernimrnt, nachdem
Eine Mitteilung aus Washington zer- Ikiegsbedingungen eingesetzt hätten. Panama von einer ausländischen Interven-
streute meine Zwertel. Präsident George Die Amerikaner konnten den Wider- tion heimgesucht wurde. Dennoch plant
Bush hatte tatsächlich den Befehl erteilt. srand der panamesischen Armee in der Endara vorerst keine Neurvahlen. weil er der
eine Operation durchzuführen, die das Ziei Hauptstadt schnell unterdrücken, was Meinung ist, daß er und seine Mannschaft am
hat, den panamesischen General lrlanuel ihnen mit den Dignidad-Bataillonen nicht 7. Mai, wie esinderVerfassungvorgesehenist,
Antonio Noriega zu ergreifen und an ern :ofon gelang. Ein Teil der Soldaten und ein Mandat auf tünf Jahre erhalten hätten.
amerikanisches Gericht auszulielern :o*re treixilligen Kämpfer zog sich in die gebirgi- Die Regierung in Washington war die
in diesem kleinen lateinamerilani-.chen gen Regionen des Landes zurück, um den erste, die die Regierung Endara offüiell
Land ,,die Demokratie zu verteidrgen-. Kampf gegen den Aggressor fortzusetzen. anerkannt hat. Es wurde mitgeteilt, daß die
Der Präsident hatte seinen Bes-hluß zs'ei Die Kampfhandlungen kamen jedoch bald Wirtschaftssanttionen gegen Panama aufge-
Tage vor der Inten'ention eefaßr. Diese zum Erliegen. hoben, daß Panamas auf annähernd 370 Mil-
Maßnahme Washingtons rrlrde zum Kul- Panama City bietet inzwischen ein depri- lionen Dollar geschätzte Forderungen an die
minationspunkt der Spanaungen z*ischen mierOndes Bild. Viele Gebäude sind zer- USA wieder für rechtsgültig erklärt und
diesen beiden Staaten. Serr mildestens zrr'ei stört. Zehntausende von Menschen haben großzügige Kredite in Aussicht gestellt wor-
Jahren hatten sich diese Spamu-neen ver- kein Dach über dem Kopf. Die Okkupan- den seien. Vorläufigen Schätzungen von
stärkt. Die ganze Zrit über surden über ten befreiten Teilnehmer der letzten regie- Experten zufolge werden zrvei bis drei Mil-
Noriega, der vor noch nichr allzu langer runssfeindlichen Meuterei aus den Gefäng- liarden Dollar vonnöten sein. um das Zer-
Zeit den Amerikanern gegenüber lolaI ein- nis-n. Plözlich befanden sich auch einige störte wiederaufzubauen und die Wirtschaft
gestellt war und, wie behauptet *ird. eirst Lriminelle in Freiheit. Kein Wunder also, daß in Panama zu stabilisieren.
sogar gewisse Aufträge für die CIA über- rn Jer Hauptstadt Plündereien einsetzten. Zu den ersten Schritten der Regierung
nommen hatte, wie aus einem Füllhorn Vicic Glr-hliirc sinrl ausgcriiuml. l)ic un- Frrtlrrnr r:t'hiirtc tlic Frncnntrng cin('\ ncucn
diverse Beschuldigungen ausgeschüttet:
Korruption, Teilhaberschaft am Drogenge-
schäft, Wahlmanipulationen, politische
Morde usw. Die Aktionen der Opposition
in Panama gegen das Regime des Generals
hatten die USA durch wirtschaftliche Sank-
tionen gegen Panama unterstützt.
In den letzten Monaten lebte das Land in
ständiger Alarmbereitschaft. Mitte Dezem-
ber hatte die Regierung in Panama mehrere
Gesetze und Dekrete verabschiedet, die
Verfassungsgarantien einschränkten, und
damit praktisch den Kriegszustand einge-
führt. In die Presse sickerten Nachrichten
durch, daß angeblich Listen mit ,,Landes-
verrätern" bereitlägen, die für den Fall
eines Konflikts zu liquidieren seien.
Im Anfangsstadium der Operation waren
mehr als 20 000 Militärangehörige der USA
beteiligt, sowohl die früher schon in der
Kanalzone stationierten Truppen als auch
aus den USA eingeflogene Verstärkung. In
den folgenden Tagen trafen weitere Ver-
stärkungstruppen ein, so daß derzahlenmä-
ßige Umfang der Besatzungsarmee inzwi- Vorerst beabsichtigt man im Pentagon nicht, die US-Soldaten aus Panama abzuziehen
schen 26 000 Mann beträgt. Das ist doppelt Fotu: RcutL'r - TASS
tr "1{
E I r" 2.90
bunden sind, zueinander finden müssen. Fragen nachgedacht hatte. Er studierte an der vor Augen, die Geschichte machen. Einer von
Diese Überzeugung ließ ihn letzten Endes in Universität Barcelona und war dann Rechts- ihnen ist der Papst. Wer wollte behaupten,
der Freundschaftsgesellschaft UdSSR -
Spa- anwalt. In der täglichen Auseinandersetzung daß er nicht von einem neuen Europa
nien Vorstandsmitglied werden. mit Ungerechtigkeit und menschlicher Not geträumt hätte? Ich erinnere mich noch an
Die ungewöhnliche Persönlichkeit des beschloß er schließlich, sich Gott zu weihen den ersten Besuch des Papstes in Spanien und
Padre und die Vielseitigkeit seiner Interessen und Geistlicher zu u'etden. Die Mensehen an seine Worte, die er in Gegenwart Seiner
legen meine erste Frage nahe: Welche Mission können nicht fiedlich miteinander auskom- Majestät des Königs aussprach, als eine riesige
findet er für sich persönlich wichtiger? Wel- men, wenn sie srch nicht Gott annähern, nach Menge von Gläubigen sich versammelt hatte:
cher Posten hat für ihn Vorrang? seinen Geboten leben und die Weisheit der ,,Europa muß wieder Europa werden." Er
,,Ich glaube", sagt er, ,,daß ich kaum irgend- Irhre Christi in sich aufnehmen. sprach von einem gemeinsamen Haus für alle
einen hohen Posten bekleide, mit einer einzi- ,,Alles. rlas in unseren Tagen vor sich Europäer, in dem es keine trennenden
gen Ausnahme, und zwar ist das eine Auf- geht". saet der Priester, ,,würde ich als neue Schranken mehr geben sollte. Die Schaffung
gabe, die mir vorschreibt, mich für das Auferstehuns bezeichnen. Sie kam aus den eines solchen Europas wurde zu seinem sehn-
menschliche Wesen zu begeistern und den Händen ton sehenden Menschen nach lichsten Ziel. Als dann der 1. Dezember L989
Menschen bei seinem persönlichen Integra- Euri-n: und in unsere Welt. Unser alter Kon- kam, habe ich auf dem Gesicht des Papstes
tions- und Entwicklungsprozeß nt begleiten. keine Anzeichen seiner frtiheren Besorgnis
Wenn ich in der Welt herumreise oder in Spa- mehr gesehen. Sein ganzes äußeres Erschei-
nien arbeite, stellt nichts anderes für mich nungsbild sprach dafür, daß dieser Wunsch
einen Wert dar. Außer der Möglichkeit und jetzt anfängt, in Erftillung zu gehen.
meiner Fähigkeit, dem Menschen zu dienen. Die Möglichkeit eines neuen Europa und
sei er hier neben mir oder irgendwo weit von eines gesamteuropäischen Hauses war schon
mir entfernt. Damit möchte ich sagen, daß ich in den Abkommen von Helsinki angelegt.
selbst gar keine so wichtige Person bin. Ilein N{inleru'eile ist dieser Prozeß schon so weit
größter Reichtum ist mein Gespür dafü1. ri:r' gediehen. daß man von einer neuen Konfe-
ich für andere nützlich sein kann. renz in Helsinki sprechen kann. Als ich dann
Mein ganzes Leben lang lerne ich u'eiie:. Gorbatschows Gesicht im Fernsehen sah,
Die Kenntnisse, die ich habe, fuhren rni.-:r hatte ich das Geftihl, daß auch er seinen Weg
immer nur zu einer einzigen Wahrheit: \1.r von der Sorge um das Schicksal des Konti-
muß lernen, dem anderen zuzuhören mj L:n nents zu klarer L,rberzeugung zurückgelegt
wahrannehmen. Selbst wenn die:er \f;nsr hat, daß ein beüächtlicher Teil der Arbeit
mich nicht braucht. Wenn ich a':e: rr ihn bereits getan ist.
glaube, gebe ich ihm den \\'u:,-;: '-n.l das Damit möchte ich sagen, daß ein großes
Bedürfnis zurück, seine Zukuri :r :re eige- Ziel goße Kräfte hervorbringt. Wenn deh
nen Hände zu nehmen. ln c-re-i Er-e:nschaft Menschen ein goßes Ze1 beflügelt, bringt es
biete ich mich allen ljrCer '"r:: \{enschen ihm auch Vertrauen und Achtung von ande-
der Welt an, selbst rvem ü-i e:ü3 €er andere ren ein. Dieses Vedrauen gibt ihm neue Kraft
meint, auf meine Dienste reä;hien zu kön- und bringt neue Hofftiungen hervor.
nen." Ohne Hoffnungen kann niemand leben.
,,Sie sprechen darr.r. i:lj Sie den Men- Wir brauchen sie, wie die Erde den erquicken-
schen dienen uollen. \\'ö::it * aber heut- den Regen. Es gab eine Znit, da wurde die
zutage, lv{ensch zu =:i. Dre menschliche Hoffnung an falsche Zele gebunden. Ihre
Kirche in ToledÖ
Zvilisation, die über u:le,liiee Erleuchtun- h.oto: der Autor
Unhaltbarkeit rief bei den Völkern Verärge-
gen und Optbr geschac3ir nr.rde. kann durch rung hervor. Heute brauchen wir Zeit und
eben diesen Menschen ron erner \linute auf tinent verändert sich vor unseren Augen. Die Raum, damit der Weg des Fortschritts und des
die andere vernichtet *'eiiei. ' Quelle dieser Veränderungen ist der Prozeß, Wohlstands nicht nur mit materiellen Werten
,,Ja, das ist so. Heuzuta,se *hs eben wir in der in der Sowjetunion als Hinwendung zu gepflastert wird. In seinen Bau sollten auch
lrbensgefahr. Um sie zu übe:qinden. brau- Emeuerung und Reformen geboren wurde. moralische, sittliche und geistige Krlifte ein-
chen wir mehr von dem. q-a: ic5 a1s Licht oder Dieser Bewegung ist die ganze Menschheit fließen. Nur sie können der Menschheit den
als Auflrellung bezeichne. Ei,n :ol.'hes Licht entgegengekommen. Gerechtigkeit und Weg in eine bessere Welt eröffnen.
schafft Offenheit, Klarheit unC R:u:r ftir den Wahrheit sind einander begegnet und haben Daß alle das Gleiche denken, gibt es nicht.
Dialog. Menschen, die keinen Dialog fuhren, sich umarmt. Wenn Gerechtigkeit und Wahr- Das muß auch gar nicht so sein. [m Gegenteil,
gehören der Vergangenheit an. Ich bi-n iroh, heit eine Verbindung eingehen, entsteht Frei- wenn nämlich zwei, drei oder zlvanzig Men-
daß es heute mehr Licht gibt als foüher. heit. schen efwas Eigenes denken, kann bei ihrem
Ich werde die jüngste Begegnung nijschen Überlegen wir doch einmal. Rom, der Vati- Gedankenaustausch Neues geboren werden.
Herm Gorbatschow und dem Papst nie ver- kan, Malta, der Passagierschiff. Dieses Schiff Es kommt nur darauf an, daß sie alle densel-
gessen. Ein solches schönes Lächeln im hat Licht nach West- und Osteuropa gebracht. ben moralischen Kompaß benutzen und an
Gesicht Ihres Staatschefs habe ich zum enten Es hat Spannungen beseitigt und unsere Welt dieselben geistigen Werte glauben. Die ganze
Mal gesehen. Er strahlte ein Licht aus, da-s aus gelassener und sicherer gemacht. So etwas europ2üsche Kultur ist ein Beweis dafür, daß
der Tiefe seiner Seele strömte. Auch der Papst vermag das Licht des Vertrauens." es diese Möglichkeit gibt.
hatte ein solches Lächeln im Gesicht, *'eil er Die Begegnungen im Vatikan und auf ,,Geschichte ist ein Prozeß", sagt der Padre.
sich aufüchtig über diese Begegnung gefreut Malta machten aus uns allen tatsächlich ,,Es ist unmöglich, den gestrigen Tag aus dem
hat. Beide haben schließlich ihre bedeutende Bewohner einer neuen Welt, einer veränder- Gedächtnis zu streichen, und genauso unmög-
und edle Mission erkannt. ten Welt. Einer Welt der Partner und nicht der lich ist es, nur in der Vergangenheit zu leben.
Ich muß gestehen, daß fi.ir mich als Diener Gegner. Glaubt der Padre. daß der Übergang Zum gegenwärtigen für Europa historischen
der katholischen Kirche ein solches Licht zu dieser neuen Qualität unumkehrbar ist? Zeitpunkt müssen wir uns von einem festen
übereinstimmenden Schaffens die höchste ,,Natürlich finden solche Veränderungen Glauben an den morgigen Tag durchdringen
Encheinungsform menschlichen Wesens nicht von heute auf morgen statt. Sie müssen lassen. Auch ein Flugzeug muß erst seine
ist." lange vorbereitet werden und bringen die Ein- Motoren warmlaufen lassen und braucht eine
Beim Rückblick auf sein bisheriges trben sicht in eine Notwendigkeit zum Ausdruck. Startbahn, wenn es abheben will. Wenn es erst
sagt der Padre, daß er seine ersten 30 Jahre Wer diese Notwendigkeit eingesehen hat, die nötige Geschwindigkeit erreicht hat und
wie ein gewöhalicher Mensch aus der Provinz wird zum Gestalter der Geschichte. aufgestiegen ist, kommt es bald auf sch'ü/indel-
verbracht und kein einziges Mal über religiöse Ich habe jetzt drei hervorragende Politiker erregende Geschwindigkeit und läßt den
,,lt E t E Z E I I"
Abstand zwischen Ländern und Kontinenten und sagte, daß er keinen Gott gesehen habe. zu erhalten. Die Lehrzeit betrug genau 20
immer kürzer werden. Die heutigen Verän- Ich beglückwünsche ihn zu dieser Entdek- Jahre. In dieser Zeit erhielt der zukünftige
derungen in Europa und der Welt lassen sich kung. Er konnte gar nichts sehen, weil Gott König die Diplome der höchsten Offiziers-
durchaus mit einem solchen Flug verglei- nicht materiell ist. Materiell sind unsere Welt schulen des Heeres, der Marine und der Lufts-
chen. Darüber kann man sich nur freuen. und die darin lebenden Menschen. Materiell treitkräfte, wurde Jagdflieger, absolvierte die
Jetzt muß man den richtigen Kurs halten und bin ich, sind Sie, der Greis, der Jüngling, der Universität Madrid, wo er Geschichte, Phi-
darf sich nicht vom Weg abbringen lassen. Trinker, der in der Gosse liegt, die Frau, dib. Iosophie. Recht und politische Ökonomie stu-
Das hängt in erster Linie von denen ab, die Wäsche wäscht. Gott selbst aber hat kein dierte. Danach volontierte er mehrere Jahre in
das Steuer in der Hand haben." Bild. Er ist in uns. Deshalb bin ich auch verschiedenen Ministerien und Behörden und
Glaubt er an die Weisheit der gegenwärti- sicher, Gott zu dienen, wenn ich den Men- erlernte die Wissenschaft der Staatsführung.
gen Politiker? schen diene. Das Wichtigste in meinem In dieser Zeit vermählte sich Juan Carlos
,,Mir scheint", antwortet der Padre, ,,sie Leben ist Gott, also der Mensch. Der ein- mit der griechischen Prinzessin Sofia. Aus
brauchen nicht so sehr Weisheit als vielmehr zelne und die ganze menschliche Gemein- einer offiziellen Informationsschrift, die mir
Menschlichkeit. Die Einsicht in den Primat schaft. Ich habe schon längst begriffen, daß von der Abteilung für diplomatische Informa-
allgemeiner Menschheitswerte über alles ich kein Thema für eine Unterhalrung suchen tionen des spanischen Außenministeriums lie-
andere. muß, ich muß nurzuhören und antworten. So benswürdigerweise zur Verfügung gestellt
Das Schönste in diesem Zimmer ist das verlaufen auch die Gespräche zq'ischen dem wurde, geht hervor, daß der Stammbaum der
Fenster. Wenn man die Gardinen wegzieht, spanischen König Juan Carlos und mir." Prinzessin zwei deutsche Kaiser, acht dänische
eröffnet sich vor uns eine erstaunliche Land- Als mein Gegenüber diesen Namen aus- Ktnige, fünf schwedische Könige, sieben rus-
schaft. Natur und Menschen sehen wir so, spricht, hält er inne, als sei er vor einer sische Zaren, den König und die Königin von
wie sie sind. Wenn Sie bei sich zu Hause von unsichtbaren Trennwand stehengeblieben. Norwegen, die englische Königin und fünf
' j'Glasnost
verstehe ich das so, daß Das Beichtgeheimnis ist heilig. Niemandem griechische Monarchen aufweist. Nichtsdesto-
' sie damitsprechen,
Durchsichtigkeit, Zugänglichkeit ist es erlaubt, sich an ihm zu vergreifen. weniger führte das junge Ehepaar ein einfa-
und Offenheit meinen. Herr Gorbatschow Trotzdem frage ich den Padre. was es für ihn ches und offenes Leben. Sie reisten viel in Spa-
hat den Vorhang aufgezogen, damit alle Ihre bedeutet, Beichtvater des Königs zu sein. nien und im Ausland. Inzwischen haben sie
Absichten deutlich sehen und beurteilen Schließlich ist ihre Beziehung Gegenstand drei Kinder.
können. Er ruft die ganze Menschheit auf, diverser Gerüchte. Seinerzeit schrieben die Am 22. November 1975, zwei Tage nach dem
die Fenster aufzureißen und sich unvoreinge- Zeitungen, Juan Carlos habe es dem Rat sei- Tod des 82jährigen Generalissimus Franco,
nommen selbst anzuschauen. Dafür bin ich nes Beichtvaters zu verdanken, daß er eine so. wurde Prinz Juan Carlos, nachdem er Staats-
Gorbatschow von Herzen dankbar. Ich erstaunliche Festigkeit an den Tag legte, als oberhaupt geworden war, zum Königvon Spa-
möchte ihm sagen, daß er nicht alleine ist. im Februar 1981 putschende Generale die nien unter dem Namen Juan Carlos I. ausgeru-
Viele, sehr viele Menschen in der Welt wol- Demokratie in Spanien ernsthaft bedrohten. fen. Die"Franco-Herrschaft gehörte damit der
len so sein wie er. Während ich mich so hell- Standhaftigkeit und Entschlossenheit des Vergangenheit an. Spanien schlug den Weg
auf begeistert über ihn äußere, möchte ich Königs ermöglichten es den Verschwörern demokratischer Veränderungen ein, von
damit sagen, daß ich selbst davon träume, nicht, die Armee ftir ihre Ziele zu mißbrau- denen viele mit der Persönlichkeit des neuen
ihm ähnlich zu sein." chen. Damit war das Scheitern des Militär- Monarchen in Verbindung gebracht werden
Ich frage meinen Gesprächspartner, was er putschs sicher. Später hieß es, daß die Idee sollten. Zum ersten Mal in der modernen
von der Konzeption eines neuen Denkens in für einen Besuch des spanischen Staatschefs Geschichte Spaniens wurden die Begriffe
internationalen Angelegenheiten, wie es die 1984 in der So*jetunion unter dem Eindruck monarchistisch und reaktionär nicht mehrmit-
Sowjetunion ins Gespräch gebracht hat, hält. von Erzähluneen des Padre über seine Rei- einander identifiziert.
Könnte es einmal so weit kommen, daß sich sen in unser Land zustande gekommen sei. Die 30 Jahre, die Juan Carlos in der Umge-
diese Idee in der internationalen Öffentlich- Padre Banolomae streitet entschieden ab, bung von Franco verbracht hätte, haben ihn
keit durchsetzt? daß er ett'as mit den Beschlüssen des Staats- nicht zu seinem politischen Gleichgesinnten
,,Ohne Zweifel, das hat jetzt schon ange- oberhaupts zu run habe. werden lassen. Mit jeder Handlung bekräftigt
fangen, weil diese Idee zutiefst moralisch ist. ,,Man eibt Königen keine Ratschläge", er die Idee, der zufolge der Monarch die Sou-
Ich bin auf einer Erde geboren und großge- sagt er. .-und ich glaube, sie würden ihnen veränität des Volkes verkörpert und als
worden, wo schon seit Menschengedenken auch nicht t'olgen. Garant der Interessen der ganzen Nation auf-
Zitronen und Apfelsinen angebaut werden. Was es heißt, Beichtvater des Königs zu tritt. Die Spanier wissen aus den Medien, daß
Ich kann mich an keinen Fall erinnern, daß sein? Für mich ist das ein wertvolles der König und die Königin sich prinzipiell
Apfelsinen auf einem Zitronenbaum wuch- Geschenl. Ich achte Seine Majestät sehr, nicht an Wahlen beteiligen und damit zeigen,
sen oder umgekehrt. Das wäre wider die weil er zu den Menschen gehört, die sich und daß sie über den politischen Querelen stehen.
Natur. Ich weiß aber, was man tun muß, anderen glauben und den Fortschritt fördern. Aus denselben Quellen erfuhr die Öffentlich-
damit die Früchte meines Baumes die besten Juan Carlos ist dermaßen natürlich, aufrich- keit auch, daß Juan Carlos 1980 als Kandidat
im ganzen Umkreis werden. Daftir muß man tig und schlicht, daß nur Gott allein weiß, daß für den Friedens-Nobelpreis benannt wurde.
den Baum gut pflegen, trockene Triebe er ein König ist. ,,Für die historische Rolle, die er bei der Nor-
rechtzeitig entfernen, ihn gießen und dün- Ich kann mich unentwegt ftir ihn begei- rnalisierung des Lebens in Spanien gespielt hat
gen. Bei der Moral ist das genauso. Sie kann stern und bin mir ständig dessen bewußt, wie und seine ständigen Bemühungen, die der
herunterkommen. Unter der Einwirkung veranrs'orungsvoll die Mission ist, die ich Festigung des Weltfriedens dienen. "
belebender Kräfte dagegen kann sie Wunder erftille. Ihr Sinn besteht darin, einen Men- ,,Ein weiser Mann", fährt der Padre fort,
vollbringen. Die menschliche Persönlichkeit schen sich selbst sein zu lassen." ,,hat einmal gesagt, daß Könige sich nicht irren
kann, ohne sich auf moralische Werte zu stüi- Ich habe den Eindruck, daß auch die einfa- können, weil sie nicht regieren, sondern herr-
zen, nicht bestehen und sich nicht entfalten. chen Spanier ihrem Monarchen ähnliche schen. Ich habe nicht die Absicht, diese
Die Menschen brauchen sie. Das heißt aber, Geftihle entgegenbringen. Behauptung anzuzweifeln, bin aber davon
daß Ihre edle Idee der Zusammenarbeit um Farbfotos des königlichen Paars sieht man überzeugt, daß es heute keinen verantwor-
einer besseren Zukunft willen menschlichen nicht nur in offiziellen Arbeitszimmern, son- tungsvollen führenden Politiker gibt, der nicht
Forderungen genügt und mit der uns von dern auch in normalen Wohnhäusern. Die auf die Stimme des Volkes hören und sich
Gott auferlegten Idee einer brüderlichen Volksseele assoziiert den Monarchen mit nicht in das hineinversetzen würde, worüber
Menschheit harmoniert. einem aufrichtigen und charakterfesten die Menschen auf der Straße sprechen. Wer
Gott und Mensch. Ein gewaltiges Thema. Mann, dem jede Geziertheit fernliegt und der das nicht tut, verfällt frtiher oder später in
Ich habe Gott noch nie gesehen, ich habe nur ein offenes und umgängliches Wesen hat. Extreme. Ich komme aus dem Volk, ich bin
Menschen gesehen, die ihn in ihren Herzen 1948 wurde nach einer Ubereinkunft zwi- das Volk. Daraus leite ich im wesenttichen
tragen. schen Franco und Don Juan von Barcelona auch die Pflicht ab.5[ie mir z.ugq.fallpn iSt." f
Vor zwei Monaten kam Ihr Kosmonaut dessen 10jähriger Sohn Juan Carlos nach JergeJ Uoqakow
Aksjonow von seinem Weltraumflug zurück Spanien geschickt, um dort eine Ausbildung MADRID _ MOSKAU
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nach einem Krieg, den die Briten gegen die ,,Nein, die arith-
Franzosen gewannen, das Gebiet an die metische Mehrheit
Krone von England abgetreten wurde, so war dagegen, aber
nicht mehr länger leben können. Quebec die Idee der Zwei-
war keine Kolonie, sondern Bestandteil sprachigkeit wurde
Kanadas, allerdings sein Hinterhof, der von den meisten
,kleine Bruder' der Anglophonen. Intellektuellen
In den 60er Jahren verschärfte sich hier befürwortet. Dieser
die Lage vor dem Hintergrund der intellek- Prozeß verlief recht
tuellen und rechtlichen Revolution in West- schmerzhaft, denn
europa. Diese revolutionäre Welle rollte die Provinzen waren
auch über den amerikanischen Kontinent mit der Neuerung
und kam im Kampf für die Gleichberechti- nicht einverstanden.
gung der Frauen, Neger und anderer natio- Im Land gibt es nur
naler Minderheiten zum Ausdruck. Hier in eine zweisprachise
Kanada kämpfte man um einen gleichbe- Provinz, nämlich
rechtigten Platz von Quebec in der Konfö- New Bruns*ick. qo
deration der kanadischen Provinzen. Da ein Drittel der
dieser Kampf als solcher nicht verstanden Bevölkerung franzG
wurde, beschränkten sich die Zugeständ- sischer Herkunft ist.
nisse der anglophonen Führer des Landes Seither ist die Zw'ei-
auf verbale Versprechungen: ,,Ja, wir reali- sprachrg:keit der
sieren eure Gleichberechtigung". Darunter
Kanada - ein Vielvölkerstaat
Stein des .{.nstoßes,
war eine größere Beteiligung an der Regie- obrlohl sie offizielle Staatspolitik Kanadas mezustand ein. Damit wurden die verfas-
rung, eine Förderung der französischen ist. " sungsmäßigen Garantien außer Kraft
Sprache und die Erhöhung der staatlichen ..Aber in Quebec, im Unterschied zu gesetzt und viele mutmaßliche Terroristen
Investitionen zu verstehen. Das alles klane Ontario, wo alle Straßen usw. zweisprachig festgenommen... Trudeau erläuterte
nicht schlecht. Für gleiche Rechte sar es ausgeschildert sind, gibt es ausschließlich damals seine Politik so: Quebec hat das
aber schon zu spät. Imr-ischen fordene die französische Aufschriften. Selbst das inter- Recht, sich von Kanada zu lösen und, wenn
Bewegung in Quebec die unverzügliche national übliche STOP an Straßenkreuzun- es will. einen unabhängigen Staat bilden.
Gewährung außerordentlicher Rechte. um gen wurde durch das französische ARRET Aber nicht mit Gewalt, sondern auf demo-
die viele Jahre fehlende Gleichberechti- ersetzt..." kratischem Weg. durch Konsultationen,
gung zu kompensieren. In den USA fuhrte ,,Auf Quebec, mit Ausnahme der Bun- ausreichende Vorbereitung und ein natio-
das zur Praxis der ,aff,rmative actions'. zur desbehörden, wird die Zweisprachigkeit nales Referendum. Einige Monate später
Gewährung außerordentlicher Rechte. nicht angewendet. Quebec hat eigenmäch- konnte der Ausnahmezustand aufgehoben
z. B. zur Festlegung von Quoten ftir Neger tig ein eigenes Gesetz erlassen, daß alle werden. Danach begann der Umwand-
in Hochschulen. Viele haben damals diese Aufschriften und Aushänge von Geschäf- lungsprozeß. der Quebec zu einer, wie man
Aktionen nicht verstanden. In der UdSSR ten und Privatfirmen nur in französischer hier sagt, distinct society, einer Gesellschaft
verstehen viele auch heute noch nicht, Sprache gestattet. Die Bundesbehörden mit besonderem Status, werden läß1."
warum die Litauer, Letten und Aserbaid- genehmigten diesen Schritt. Französisch ist ,,Warum eine ,Gesellschaft mit besonde-=
shaner besonderer Sorge bedürfen. Die also die offizielle Landessprache von Que- rem Status'?"
Gewährung außerordentlicher Rechte ist bec, englisch dagegen nicht. Damit ist ganz ,,Weil diese Provinz von Frankophonen
eine Kompensation, die die Erkämpfung Kanada einverstanden. Der Sinn des besiedelt ist, weil man ihnen jahrhunderte-
einer tatsächlichen Gleichberechtigung Kampfes um Quebec besteht darin, diese lang die gleichen Rechte vorenthielt. weil
ermöglicht. Das hatte Pierre Trudeau französische Enklave innerhalb der anglo- sie eine Minderheit sind, weil ihr politisches
begriffen. Nach seinem Amtsantritt 1.968 phonen Umgebung zu erhalten, denn Que- Gewicht innerhalb Kanadas nicht mit ihrer
überzeugte er die öffentliche Meinung mit bec hat immer das Schicksal von Louisiana Zahl in Übereinstimmung gebracht werden
propagandistischen Nlitteln und entschlos- gedroht. In den USA hatte es ebenfalls muß, sondern mit ihrer Rolle im Land, weil
senem Handeln von der \otuendigkeit, einen französischen Bundesstaat gegeben, die Notwendigkeit besteht, sie im Verband
daß Kanada ein zweisprachises Land wer- von dem höchstens noch die französische Kanadas zu erhalten."
den muß. Das Französische sollte unqeach- Küche und vielleicht die Musik zeugt. Fran- ,,Sie sprachen von der Notwendigkeit,
tet der Tatsache, daß es die Munenprache zösische Kultur gibt es dort nicht mehr. In die Provinz im Verband Kanadas zu erhal-
einer Minderheit ist, die zudem ncrch kon- Quebec dagegen ist sie erhalten geblieben. ten. Für wen besteht diese Notwendig-
zertiert in einer Provinz lebt, zur Staats- L nd um sie auch u eiterhin in einer Welt zu kei t?"
sprache des ganzen Landes s'erden. erha::en. in der die Inteerationsprozesse ..Das ist eine Notwendigkeit ftir Kanada.
Kanada hat aufgehört. ein englisches Land s.-hnei rorarx*hreiten. t'ekam die Provinz \\'ir gehen hier davon aus, daß Quebec
mit französischer Minderheit zu sein. .{,uf die *-i:h:rgsie Konpensaiion. Cie ieder nicht ohne Kanada, Kanada aber schon gar
Beschluß des Parlaments und der Regie- fdde-rive S:aa: -iaen Besrandteilen nicht ohne Quebec existieren kann.
rung Trudeau wurde Kanada zu einem ge\Aähren muB. um sie als starke Bestand- Wir sind den US-Amerikanern gar nicht
binationalen Staat. Beide Sprachen sind teile zu behalten.- so ähnlich, wie das auf den ersten Blick
jetzt offiziell Landcssprachen. Säit Ende ..Damals q'ar es il Quebec selbst recht erscheint. Wir unterscheiden uns deutlich
der 60er Jahre kann niemand mehr in den unruhig..." voneinander. Die kanadische Gesellschaft
Staatsdienst treten, der nicht beide Spra- ..Der Konflikt spitzte sich zu, es kam ist kein ,Schmelztiegel'wie die US-ameri-
chen beherrscht, selbst in Vancouver, wo es auch zum Blutvergießen. 1968 bis 1970 kanische. Wir betrachten unser Land als
praktisch keine Frankophonen gibt. Das rollte eine Welle des Terrorismus über Gemeinde von Gemeinden. Wir nennen es
Prinzip steht über dem ,Realismus'. Das Quebec. Man entführte und ermordete ,,kanadisches Mosaik", das aus zwei gleich-
Pnnzip, das ist Realismus im höchsten einen Minister, ermordete einen britischen berechtigten Vötkern, den Anglophonen
Sinne dieses Wortes." Diplomaten, Bombenanschläge wurden und den Frankophonen sowie einigen Dut-
,,War denn die Mehrheit der Bevölke- verübt usw. Bei allem Demokratismus in zend anderer nationaler Gemeinden
rung damit einverstanden?" Kanada führte Trudeau 1970 den Ausnah- besteht, angefangen bei dcn Ureinwohnern
t,
kurzen Planberatung \\'egen der einen Großbetrieb der Rüstungsindustrie aufsu-
Würstchen abkanzelt. In einem chen und dort vor Ort Informationen, die meine
Raketenwerk zerbrechen sich die Konstrukteure Zw eifel oder Befürchtungen beseitigen, erhalten
den Kopf über eine Wurstanlage, die zum zu können.
Arbeiter verlieren Erzeugnis Nr. 1 wurde."
die Zuversicht, Ich hörte meinem Freund erstaunt und befrem- ,,Konzeption Sorenko"
det zu. Von den Problemen der Konversion ist
Werke verlieren schon nicht selten die Rede. doch erstrnals spürte Gennatli Sorenko zierte sich nicht lange. son-
Arbeiter. ich in "den Worten eines lt{annes, der davon dern reichte mir gleich eine Akte mit Plänen für
Raketenkonstruk- direkt betroffen ist, so deutlich Besorgnis. Mitar- die alternative Produktion von Konsumgütern in
teure entwerfen beiter, die kündigen. technologische Verluste Betrieben von Rostow. ,,Entscheiden Sie selbst.
Würstchenaggre- und soziale Probleme - mit all dem wurde man Ich würde Ihnen die Hubschraubervereinigung
gate, Panzerbauer im Werk konfrontiert. Wird sich auch die Kon- empfehlen. Dort hat Michail Nagibin interes-
version nur so schs'er ihren Weg bahnen, wird es sante Ideen."
lernen es, dabei nur auf das Ziel ankommen, das die Mittel Der jetzige Leiter der Planungsabteilung des
Teigknetmaschinen angeblich rechtfertigl.' Werden wir nach einer Gebietsexekutivkomitees, unlängst nobh Bürger-
herzustellen. lst ,,Offensive" oder einer weiteren Sturmschicht meister der Stadt, legt mir gerrrseine Sicht der
das Konversion? erneut die Opfer zählen müssen? Wann endlich Konversion dar. Sein Gedanke ist did intensive
werden diejenieen. die die ,,Offensive" zu planen Nutzung der Verbindungen zu ausländischen
haben, auf dre Strmme der Vernunft hören? Partnerstädten - die Wirtschaftsverbindungen
Doch die Ortensile hat bereits begonnen, das zu ihnen weiterzuentwickeln, dort Erzeugnisse
aber, was Kcsalenko sagte, bedeutete, daß es der örtlichen Industrie zu verkaufen und die so
keinen Generalplan gibt! Wenn überhaupt eine eingehenden Devisen zu verwenden, um Kon-
Strategie der Konversion existiert, dann nur in sumgüter, Lizenzen und Anlagen für die kicht-
allgemeineo Zügea, ohne auf die Spezifik der industrie von Rostow zu erwerben. ,,Warum das
betroffenen Betriebe einzugehen. Das strategi- Fahrrad noch einmal erfinden?" fragte Sorenko.
sche Szenario *lrde per Telephon und in Direk- ,,Warum Konstruktionsbüros der Rüstungsindu-
tiven nach unten weitergeleitet. Die Absicht strie zwingen, sich mit einer ihnen fremden Arbeit
dabei ist klar: Unser Land braucht Konsumgüter, zu befassen? Sie brauchen mindestens 2 bis 3 Jahre,
Anlagen fur die verarbeitende und die Nahrungs- um tatsächlich zu für sie akzeptablen Wegen einer
mittclrndusrri.-. Allcs fiir dic Dcfizitcl Dic Krrpa- alternativen Produktion zu gelangen. Dann wird es
keine technologischen Verluste, keine sozialen Pro-
bleme geben." ..
.. Aus Sorenkos Uberlegungen sprach seine feste
Uberzeugung. Die Werksdirektoren klagen über
mangelnde Informationen, was die ausländischen
Partner angeht. Sie bildeten einen Verband von
Vertretern der Massenmedien der Partnerstädte.
Jetzt erfolgt ein intensiver Austausch von Arti-
keln, werden Fernseh- und Rundfunksendungen
ausgetauscht. Das aber ist eine Möglichkeit, ein-
ander besser kennenzulernen. Dazu kommt die
Werbung. Eine Vereinigung für die geschäftliche
Zusammenarbeit mit dem Ausland ist im Entste-
hen begriffen. Im Grunde ist dies der erste prak-
tische Schritt, um Sorenkos Ideen zu verwirkli-
chen. So gelingt es, auch das Devisenkonto der
Stadt aufzufüllen - vor allem sind es Betriebe
von Rostow, die Valuta abführen, das bereits
einige tausend in fester Währung und nicht in
weichen Rubeln auf seinem Konto hat.
Ich will nicht verhehlen, daß mir die Ideen mei-
nes Gesprächspartners, die ich insgeheim ,,Konzep-
tion Sorenko" nannte, sympathisch waren -
ebenso wie er selbst, offen und genau wissend, wel-
Militärtechnik unter dem Hammer. Das ist noch keine Konversion chen Weg nrarr gehcn mulJ, noch bevor cinc I)irck-
S E..S:i
nnerungen an das
Eri
Ende der Geschichte Elgß Posdnjakow, Dr. phil. habil., Historiker
die wechselhafte, grobe und vielschichtige heroische Anstrengungen auf sich neh- Zickzackkurven seines historischen Ver- t
menschliche Natur viel zu verfeinert sei. Er men, um sich dort zu halten. Sonst ist es laut! nachzudenken. Wollte man ernsthaft
meint, man dürfe sich nicht darüber wun- nicht mehr weit zu dem Punkt, daß man in sagen, wohin diese Wege führen, könnte
dern, daß die Menschheit inzwischen bereit einen Zustand der Erstarrung mit man doch mehr dem Gedanken zuneigen,
ist, ihr den Rücken zu kehren: Das Experi- anschließender Degradierung verfällt. daß, wenn es überhaupt zu einem Ende der
ment war zu kompliziert und zu schwer, als Das wäre dann der direkte Rückweg in die Geschichte kommen muß, das keineswegs
daß es hätte Wurzeln schlagen können. ,,Geschichte".
dem Triumph der liberaldemokratischen
Wäre es damit nur getan! Eine liberale Idee zu verdanken sein wird. Wahrscheinli-
Demokratie mit atomarer Raketenladung, ller Weg rur Harmonie cher ist da schon ein Ende durch eigene
mit unaufhaltsam um sich greifender Hand, die diese ganze Ungeheuerlichkeit
Rauschgiftsucht und zunehmendem geisti- Müssen sich eigentlich diejenigen, die nach aus Atomraketen und Umweltverschmut-
gen Verfall: Wäre das die Krönung? Fukuyamas Definition immer noch im zung angerichtet hat.
Sumpf der Geschichte sitzen, um ihr Ende Gestehen wir uns ein, daß sowohl
Rückkehr zum natäflidnn kümmern? Für sie wäre das doch nur eine Geschichte als auch posthistorische
Art Glasperlenspiel. Allerdings müssen sie Ara letztendlich genau so abstrakte
Zustand das, meint Fukuyama. ,,Die um Gorba- und metaphysische Gegensätzlichkeiten
tschow gescharte liberale sowjetische Intel- sind wie Sozialismus und Kapitalismus.
Während ich Fukuyamas Gedankenwin- ligenz" , schreibt er, ,,ist in einer ungewöhn- Geist und Materie, Gut und Böse. Die Har-
dungen folgte, erinnerte ich mich an die lich kurzen Frist zur Idee vom Ende der monie liegt nur in der Einheit aller Seiten.
Aussagen des von uns unverdientermaßen Geschichte gelangt..." Halten wir fest, daß wir, wenn wir die Ein-
vergessenen sowjetischen Gelehrten Alex- Sie ist zweifellos wirklich zur Idee vom heit vernichten, Chaos und Zerstörung
ander Bogdanow. Er hat wahrscheinlich Ende der Geschichte gelangt, allerdings in säen.
I n Zeitungen und Zeitschriften stößt man heutzutage oft durch die Gesetze dieses Staates geregelten Rechte und
I auf den Eegriff der ..bürgerlichen Gesellschaft". iiner Fflichten.
I Gesellschaft von Bürgern, einer zivilisierten Gesell- Im weiterfi.ihrenden sozialphilosophischen Sinne ist der
I schaft. Soziologen, Pof,tologen, Philosophen und Juri- Bürger ein freies, aktives und, weil im Besitz von Privatei-
I sten wissen geriau, was unte-r diesem Be'griffzu verste- gentum, wirtschaftlich unabhängiges sowie mit Stimmrecht
hen ist. Die Gebildeteren unter ihnen könnten aus dem ausgesraftetes Mitglied der Gesellschaft .
Stand eine ganze Vorlesung halten, in der sie die französi- Diese Vorstellung vom Bürger kam während der Franzö-
schen Aufklärer, Adam Smith, Hegel und Karl Marx zitie- sischen Revolution auf. Später wurde der Bürger von Marx
ren. In theoretischen Diskussionen ist die Verwendung die- kritrsien. Er arbeitete zwei Seiten des Begriffs Bürger her-
ses Begriffs also durchaus gerechtfertigt. WeiI er nun in den aus. 1 . Ein unabhängiges, durch Privateigentum zum Egois-
Zeitungen gewöhnlich ohne zusätzliche Erläuterungen Ver- mu-c ansehaltenes Individuum und Mitglied der Bourgeois-
wendung findet, könnte der Eindruck entstehen. daß er Ges€ll\chatt. 2. Ein moralisch verantwortungsbewußtes
nicht nur Fachleuten, sondern allen lrsem geläufig ist, lndiriduum. ein Staatsbürger. Privateigentum fühlt nach
Ich muß zugeben, das habe ich auch gedacht. Bis ich bei \fani zu Detbrmation und Zerstörung der privaten und
einer wissenschaftlichen Konferenz mit einer interessanten :ozialen Beziehungen. Deshalb mußte es abgeschafft wer-
Tatsache Bekanntschaft schloß. Die bürgerliche Ge-11- den. Die künftige staatsbürgerliche Gesellschaft welde sich
schaft kam dort viel und oft zur Sprache. Dann rrat ein Pro- d:nn auf Rechr und \Ioral gründen.
fessor ans Rednerpult und brachte seine Ventändnissch*ie- De tatsächliche Enruicklung des Sozialismus zeigte, wie
rigkeiten zum Ausdruck. ,,Ich verstehe sar nicht". sagte er. problematisch die- \'ontellung ist. In der Praxis kaur cs so
,,warum hier andauernd behauptet uüd. *ir bräuchten eine weit, daß die Beseinsune des Privateigenturrrs, die zu einer
bürgerliche Gesellschaft. Natürlich. *ir haben eine große totalen Verstaatlichung der Produktionsrnittel tührte, den
Armee, aber trotzdem haben wir eine bürgerliche Gesell- eilzelnen des Wichtisten beraubt, nän-rlich seiner wirt-
schaft. Hätten wir eine Militärdiktatur, könnte ich noch ver- schaftlichen Unabhziryigleit. in einem beachtlichen Aus-
stehen, daß man sagt, wir brauchen eine bürgerliche Gesell- maß jeden schöpferischen -{.nreiz in ihrn unrerdrückt und
schaft. Aber so... " Er gab sein Befremden durch ein Achsel- ihn zum Sklaven von administrativen bürokratischen staatli-
zucken zu verstehen. chen Strukturen macht. Im Grunde har das zur Zer-stirrung
Auf diesen Redebeitrag haben die Zuhörrr nicht sofort seiner Existenz als Smarsbrirger gefü-hn.
reagiert. Wahrscheinlich verstand man nicht sofort, worauf In der Sprache fand das einen interessanten Niederschlag.
der Redner hinauswollte. Erst später ahnten viele, daß der Das Wort ,,Bürger" wurde bei Verhandlunsen zwischen
rerehrte Professor unter einer bürgerlichen Gesellschaft Rechtsverletzern oder Verdächtigen und Reprä:enr an ren
eine Gesellschatt verstand, irr der es viele Zivilisten und der Staatsmacht (,,Btirger lJnrenuchun::riihter")
uenrg \flta-rs gab. Dort aber, wo es viele Militärs gibt, gibt gebraucht. Allgemein üblich war dage_een die Anrede
es ke r-le : i ree rli ch e G e sellschaft . Mit anderen Worten, man ,,Genosse". Der Bürgel war kein Genosse. Wenn rnan sich
könne eLr.e :u:ierhche von einer nichtbürgerlichen Gesell- mit der Anrede ,,Btirger" an jemanden wandte. betlcutete
schan C.:";: :::ers.-heiCen. $o meht Biesen und Schulter- das, daß derjenige (beinahe schon) aus den genossenschaft-
stücke ge:::g:: r ::J.en. lichen Beziehungen ausgegrenzt wurde, aus Beziehunsen
Da *ä.-u rcr. iaß der lnhalt des Begnffs derbürgerlichen zwischen Menschen, die sich an einer gemeinsamen Slche
Gesellschar 5ei n eitem nicht so klar ist. wie es Fachleuten beteiligen. Diese gemeinsame Sache war vor allem im sozia-
vorkommer m.xhte. listischen Staat verkörpert, der immer mehr a.ls einzrqe
Ihm l-re5 ;er recht r"ieldeutige Begriff des Bürgers Quelle ftir Recht und Moral angesehen wurde.
zugrunde. L r :ie Grundbedeutung herauszufinden. schiug Damit hat die Verstaatlichung des Privateigentums zu
ich das ..Sorli;lrr-he enzyklopädische Wörterbuch" auf. In einer Verstaatlichung von Recht und Moral, zu einer Ver-
meinem Ree;r r;eht die Ausgabe von 198,{. Unter ,,Der Bür- staatlichung des Menschen insgesamt geftihrt, uncl cias xar
ger" fand ich ni:;;e !:leichlamige Zeitschrift, ein Organ des gleichbedeutend mit der Vernichtung der bürgerlichen
reaktionären -4.J.:-: '.on 1872 bis 1914. Einen Bürger ohne Gesellschaft.
Gänseftißchen konnre ich in diesem Wörterbuch nicht
Heute kämpfen wir dafür, daß sie in unserem Land zu
ermitteln.
neuen Ehren gelangt. Wirsind Zeugen zunehmenden politi-
Also mußte ich :elbst denken. In dem uns am meisten ver-
schen Engagements undweit um sich greifender geselischaft-
fiag1sn $inns ist der Bürger eine Person, die juristischeinem
licher Aktivitäten. Wirlegen das Fundament fu r Markrbezie-
bestimmten Staat zuseordnet ist, zum Beispiel ein Bürger
hungen, wir legen das Fundament für Rechtsbeziehungen
der UdSSR. Auf die:e Person erstrecken sich folglich die
zwischen Staat und Individuum. Rechtsstaat, politische Frei-
heit und Markt sind die Grundpfeiler der bürgerlichen
men. Sie besuchen die LehrveranJtultun- ffiji,ä.E-,ry,31 tlie gleichen \{oglichkeiten für die Auf-
' gen, treiben Sport und widmen sich gesell- "t{;ijiftiii rrahme eines Studiums geben wollen. Das
schaftlichen Dingen. Obwohl nian in den scheint uns gerecht. Bildung höchster Qua-
uSAnich'l""'uo*"'il; .
hung spricht (Kurator,
die ftir die Erziehungsart lch lerne an einer lfftlll*#;i.T"'#
n
verantwortlich sind, gibt es rI I I nach dem Prinzip: etwas,
beispielsweise nicht), zeich- 1rl faFf A,Va ein wenig und irgendwie.
üTJ::t,*:"X-,älä:'ä""Til
ihre Erziehung aus. Sie
am e ri ka n r
lZ a Ff I 1\ 1Ft ]f 11 Ff
i sche
r I tr I
*""1$:',::#.J:J-i:$:
I I Freiheitselbstvordemleh-
Charakter
drücken dem
und dem Geisteswer
ihrer Studenten einen deut-
Unlvefsltat ;än'j;P"fi13i"#t'Jil
len auf den ersten Blick
lichen Stempel auf und schaffen somit deh und Polizeireviere. Am interessantesten erschreckend wenig Disziplin und einen
besonderen Typ des amerikanischen Intel- waren nicht die Geschäfte. nicht die präch- recht seichten Unterricht. Ständig und ziel-
lektuellen, eines Menschen, der in seiner tigen Häuser, in denen rrir bei freundlichen strebig wird aber die Auslese jener getrof-
Jugend fleißig für eigenes, schwer verdien- Gastgebern u'ohnten. nicht einmal die fen, die lernen wollen, und diese, die den
Ites Geld gelernt, viele Entbehrungen au{ Schulen, sondern die Universitäten.'Sie Wunsch und die Fähigkeit dazu haben,
sich genommen, manchmal sogar gehun- sind es. die einen sehr wichtigen Teil des bekommen eine immer komplizierter wer-
, gert hat, um soviel Wissen wie möglich zu amerikanischen Lebens darstellen, zumal dende Ausbildung, nicht nur schmalspurig
erwerben, um später soviel wie möglich zu jenen Teil. über den bei uns am wenigsten spezialisiert, sondern breit gefächert. Um
verdienen, eines Menschen, in dem sich berichtet wird, ohne den es aber kein blü- die Breite der Hochschulausbildung sind
ausgeprägter Individualismus mit Team- hendes Amerika gäbe. Der Reichtum des dieAmerikanersehrbemüht. Indenbesten
geist, mit der Bereitschaft paart, an gesell- Amerika von heute besteht in seiner Wis- Universitäten sind Studenten der Human-
schaftlichen Dingen teilzuhaben, anderen senschaft, der Reichtum der Wissenschaft wissenschaften seit kurzem zur obligatori-
zu Hilfe zu kommen, sich um Angelegen- besteht in seinen Universitäten. schen Belegung von zwei naturwissen-
heiten des Landes und der Welt, die ihn Da wir immer noch so sehr ans Verglei- schaftlichen Kursen verpflichtet, damit sie,
nicht direkt persönlich berühren, um chen gewöhnt sind, unser Leben gegen das wie ein Dekan von der Yale University
Schwache und Behinderte zu kümmem. anderer abwägen, und weil es doch besser sagte, die wissenschaftlichen Methoden
Ich war in drei Universitäten, in der Wa- ist. sich im Bereish des Bildungswesen mit- und die wissenschaftliche Logik verstehen,
shington State University, in der privaten einander zu rqpssen als beim atomaren ,,ob es sich um sauren Regen, Abtreibun-
, Hamlin University in St. Paul und in der Wettrüsten, will ich gleich sagen, daß abge- gen oder Weltraumforschung handelt".
recht großen (60 000 Studenten) University sehen von der Ausstattung die Unterstufe Aus denselben Erwägungen heraus hat man
of Minnesota. Ichbesuchteauchvieleschu- etwa mit der sowjetischen vergleichbar ist. an der Hamlin University vor kurzem fünf
len in verschiedenen Landesteilen. Meine Die Mittel- und Oberstufe ist vielleicht obligatorische Examen für alle Absolven-
dreiwöchige Reise war von der NZ, dem sogar etwas schwächer (nur 12 Prozent der ten eingeführt, welche Fachrichtung sie
Fonds für soziale Entdeckungen der Schüler lernen in den oberen Klassen Phy- auch studiert haben mögen: Lesen, Schrei-
UdSSR und dem Zentrum flir amerika- sik). Datür aber liegen wir, was die Hoch- ben, Rhetorik, Computerkunde und
nisch-sowjetische Initiativen in San Fran- schulausbildung angeht, weit zurück. Im Fremdsprache. Da es sich hierbei um
cisco (Programm ,,Soviets meet Middle Bereich der postgradualen Ausbildung eine private und teure Universität handelt,
America") organisiert worden. Ich habe müssenwirunsgänzlichgeschlagengeben. fürchtetemanzunächst,wegenderExamen
viele Eindrücke gewonnen. Man zeigte uns Hier liegt die Antwort auf eine Frage, die würde sich die Zahl der Bewerber verrin-
Krankenhäuser, Feuerwehrmannschaften ich mir vor meiner Reise nicht beantworten gern. Aber das Gegenteil war der
das nur in Sonntagsreden erklären. fen. Natürlich ist dieses Bild sehr hvpotherisch und subjektiv, bis-
Was widersteht den zerstörerischen Tendenzen des heutigen weilen bedingt utopisch. Ich betra;htete mich dabei nicht fest
l,ebens (oder kann ihnen, muß ihnen widerstehen)? Ich halte die gebunden an das Jahr 2024 , d. h mir ging es rveniger um den kon-
Uberwindung der Teilung der Welt in antagonistische Staaten- kreten Zeitpunkt als viel-nehr um dre meiner \{einung nach mög-
gruppen, den Prozeß der Annäherung (Konvergenz) des soziali- lichen Tendenzen. Die ZukunnsiLrßcher der jüngsten Vergan-
stischen und des kapitalistischen Systems für besonders wichtig, genheit gingen in ihren ProEnosen meist ron zu großen Z,eiftäu-
begleitet von einer Entmilitarisierung, einer Stärkung des inter- men aus, doch bei den heurisen Futurologen kann auch der ent-
nationalen Vertrauens, vom Schutz der Menschenrechte, von gegengesetzte Fehler nicht ausgeschlossen rverden.
Recht und Freiheit, von weitgehendem sozialem Fortschritt und Ich gehe von einer allmäblichen (bis zum lahre2024 noch kei-
von Demokratisierung, von der Stärkung des Moralischen, Gei- neswegs absesch-lossenen) Ausgliederung von zwei Typen von
stigen in jedem Menschen. Territorien aus der überbevölkerten, für das.Leben der Men-
Ich meine, daß die Wirtschaftsordnung, die infolge dieses Pro- schen und die Bewahrung der Natur schlecht ofganisierten Indu-
zesses der Annäherung entsteht, eine Mischwirtschaft sein muß, strie\\elr aus. Ich will sie so nennen: ,,Arbeitsterritorium" (im
die ein Höchstmaß von Flexibilität, Freiheit, sozialen Errungen- ueiteren AT) und ,,Schutzterritorium" (ST). Das seiner Fläche
schaften und Möglichkeiten für eine globale Regelung in sich ver- nach größere ST soll das natürliche Gleichgewicht auf der Erde
eint. aufrechterhalten, die Erholung der Menschen und die aktive
Bedeutend muß die Rolle internationaler Organisationen - Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts des einzelnen
der UNO, der UNESCO und anderer - sein, in denen ich die ermöglichen. Auf dem AT (der Fläche nach kleiner und mit viel
Vorform einer Weltregierung, der alle Ziele außer den allge- größerer Bevölkerungsdichte) verbringen die Menschen einen
meinmenschlichen fremd sind. sehen nöchte. Großteil ihrer Zeit, intensive Landwirtschaft wird betrieben, die
Doch es ist notrvendig. so schnell s'ie möglich *esentliche, Natur ist vollständig umgewandelt für praktische Erfordernisse,
schon heute mögliche Zrvischenschritte zu tun. \Ieiner lleinung die gesamte Industrie mit gigantischen automatischen und halb-
nach sollte das eine Ausweituns der wrnschaftlichen und kultu- automatischen Werken ist dort konzentriert, fast alle Menschen
rellen Hilfe für die Entwicklungsländer sein, insbesondere der leben in einer Megalopolis, in deren Zentrum Wolkenkratzer mit
Hilfe bei der Lösung der Ernährungsprobleme und bei der Schaf- künstlichem Komfort stehen - mit künstlichen Klimaanlagen,
fung einer wirtschaftlich aktiven. geistig gesunden Gesellschaft; mit künstlicher Beleuchtung, mit vollautomatischen Küchen,
die Schaffung internationaler konsultativer Organe, die über die holografischen Landschaftswänden usw. Ein Großteil dieser
Achtung der Menschenrechte in jedem Land und über den Städte sind Vororte, die sich über Dutzende von Kilometern hin-
Umweltschutz wachen. Und das Einfachste - die weltweite ziehen. Ich stelle mir diese Vorstädte der Zukunft vor wie in den
Beendigung so unzulässiger Dinge wie jeglicher Formen der Ver- heute reichsten Ländern * gepflegte Einzelhäuser mit Garten,
folgung Andersdenkender. Die welt*'eite Zulassung bereits Kindereinrichtungen, Sportplätzen, Schwimmbecken, mit allen
bestehender internationaler Organisationen (des Roten Kreuzes, Dienstleistungsbetrieben und mit modernem städtischem Kom-
der Weltgesundheitsorganisation, von Amnestv International u. fort, mit einem lautlosen und bequemen öffentlichen Nahver-
a.) dort, wo man Menschenrechtsverletzungen vermuten kanh, kehr. mit reiner Luft, mit Klein- und Heimgewerbe, mit einem ,,ti--
Jt,
-^
vor allem zu den Haftanstalten und den psychiatrischen Gefäng- freien und vielfältigen kulturellen LeUer{
nissen; die demokratische Lösung des Problems der weltweiten Trotz der recht hohen Bevölkerungsdichfe kann das Leben in
Bewegungsfreiheit (der Emigration, der Reemigration und von den AT bei vernünftiger Lösung der sozialen und zwischenstaat-
Privatreisen). lichen Probleme genau so gesund, natürlich und glücklich sein
Die Lösung des Problems der weltweiten Bewegungsfreiheit ist wie das Leben eines Vertreters der Mittelschicht in den heutigen
besonders wichtig, um die Geschlossenheit der sozialistischen Industrieländern, d. h. viel gesünder als das der überwiegenden
Länder zu überwinden, um eine Atmosphäre des Vertrauens zu Mehrheit unserer Zeitgenossen. Doch der Mensch der Zukunft
schaffen, um rechtliche und wirtschaftliche Kriterien in verschie- wird, wie ich hoffe, die Möglichkeit haben, einen Teil seinerZeit,
denen Ländern einander anzugleichen. und sei es einen geringeren, unter den noch ,,natürlichere["
Ich weiß nicht, ob die Menschen im Westen voll verstehen, was Bedingungen des ST zu verbringen. Ich gehe davon aus, daß irr'
die jetzt angekündigte Freiheit des Reiseverkehrs in den soziali- den ST die Menschen ebenfalls ein Leben führen werden, das eih
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Arrnenier enger zusam- Filmschaüenden. das vom I)ramalurgen Vlktor Mereshko gelöiter nlrd, die ,,Erklärung '89", ein
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regelrechtes Manifest
entstanden Hilfskomi-
beschloß, eineo Kollegenr rurf,
mit urwrwr Aufgabe au
dieser nsrBsu9 betrauen.
zu uF1t4u9!t . :l:,
der Befreiung.
Seither gibt es im Liben des Hauses der Filmschaffenden viele Neuerungen.
tBes, man $ämmelte Helmut Flieg, so sein
Hier fanden die ersten Abende statt, die dem Schaffen von Aläxandei Solshehi.
Geld und leistete Dien$t r
richtigar Name, legte
in Krankonhäus€rn... zyn ünd anderer im Ausland lebonder VeffreJsr dsr nl$*i$ö1reg,Kqltür i
met waren. Hier fand dcr erste Nikita-Chrustschow-Gedenkakrle,itAttl
sich in der Emigration
Auch Wagan Emin, des- das Pseudonym $lefan
scn Name iedem Arme- gibt hier eine eigene Zeitung heraus, hier gibt er,ein Thöater {unteidertLeitr
Heym zu, Schon 1931
nier geläufig ist, blieb wurde er für Gedichte
nicht abseits. verfolgt, die gegen den
ln
N4oskau gibt e$ deutschen Nationalis-
bereits sieben Schulen, mus gerichtet waren.
in denen samstags und Nach seiner Übersiede-
sonntägs die armeni- lung in die USA ärboitete
sche Sprache gelehrt er an einer antifaschisti-
wird. Konzerte, Vorle- schen Zeitung mit. ln den
sungen und Abende USA gab er auch seinen
werden organisiert. ln ersten Roman in engli-
den von der Organisa- ter Streifen im Studio MOSRLM. scher Sprache heraus.
tion ins Leben gerufenen Währond des Krieges
Sektionen arbeiten kämpfte er in den Beihen
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PERS0llAttEil
stößt auf eine Mauer der nicht nur die Berliner Das, was sie von
i'i:,,t;:i Entfremdung, eine Mauer gefallen ist, son- ihrem Großvater weiß,
Mauer des Autoritaris- dern auch die Mauer der den man 18 Jahi'e vor
mus und Bürokratismus, Entfremdung, die bisher ihrer Gebud mit dem
eine Mauer der Gleich- den Schriftsteller Kopf nach unten aufge-
gültigkeit der nichts ver- umgab. hängt hatte, unterschei-
stehenden und schwei- det sich allerdings deut-
genden Masse. Selbst lich von der historischen
der kuze Augenblick der
re Einschätzung: ,,Mein
gesellschaft lichen Aner- Die junge italienische Vater erinnerte sich an
kennung. die den Helden Schauspielerin Ales- ihn als einen guten
auf den Gipfel des sandra Mussolini fühlt Familienvater, einen
Ruhms tragt. entfremdet sich immer etwas ffi impuisiven lvlenschen
u.
ihn de,!^ I'lenschen noch
meri:'. C€ai, nu;n wifd er
z- e i€fin Oolekt des Nei-
unwohl, wenn man ihren
Namen nennt. Die Enke-
lin des Duce sagte, sie
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cnen Geschlechts." Die
amerikanische Wocher-
,$ftti
Umsteigen
Warum geht ein Regisseur aus einem berühmten kow hätte inszenieren wollen, hätte ich mir
keine Gedanken darüber gemacht, ob ich
Theater an ein weniger populäres? Wie sieht den Saal vollkriege oder nicht. Die Ein-
das Theater der Zukunft aus? trittskarten wären weggegangen wie warme
Semmeln. Heute, ungeachtet dessen, daß
Der künstlerische Leiter des Jermolowa-Theaters das immerhin Nabokow ist und sich unser
Theater im Stadtzentrum befindet, kann ich
Wladimir Fokin antwoftet auf Fragen des NZ-Korrespondenten dieses Stück nicht auf der großen Bühne
Sie begannen in einem so wunderbaren wurde in letzter Znit zum Schimpfuort. Mir inszenieren. Weil das ein elitärer Autor ist,
Theater wie dem "Sowremennik", heute scheint, das sei nicht richtig, weil die Pubtüi- der einen begrenzten Zuschauerkreis
sind Sie künsüerischer Leiter des Jermo- stik ein wunderbares Genre ist. Das Theater anspricht. Das Stück läuft im Saal für L50
lowa-Theaters. Ohne die Verdienste des mu9 aber heute weitergehen, sich direkt mit Zuschauer.
letzteren herabzuwürdigen, mu8 man Kunst befassen. Man darf nicht vergessen, [Jnsere Premiere ..Unser Decamerone"
doch aber zugeben, daß der,Sowremen- daß es auch schöngeistige Publizistik gibt. nach einem Srück von Radsinski, das
nik" ein Theater ist, mit dem eine ganze Das schließt aber nicht aus, daß sich einzelne Roman Wiktjuk insfunierte, füllt im
Epoche in unserer Kunsl veöunden ist. Theater mit Potitik beschäftigen. Überhaupt Gegenteil jeden Saal. Bei diesem Stück
Warum sind Sie da weggegangen? sollte der Sinn dieser neuen Sichtweise darin rennt man uns die Türen ein. Kitsch? Bou-
Ich wollte natürlich vor allem selbständig bestehen, daß alles Daseinsberechtigung hat. levard-Theater? Nennen Sie es. wie Sie
werden. Man darf nicht vergessen, daß das im Wenn ein Theater ein politisches Stück auf- wollen, doch der Saal ist voll.
April 1985 war, damals wurden junge Leute fuhren will, bitte. Man soll nichts ausklam- Pluralismus im Repedoire setzt eine
nicht zu Chefregiseuren emannt. Nennen Sie mern. Der einzige Richter ist der Zuschauer. starke Schauspielertruppe voraus.
es, wie Sie wollen: den Wunsch, sichzubestä- Wer besucht heute lhr TheateP Wenn ein und derselbe Zuschauer nicht
tigen, einen neuen Weg zu gehen. Wenn man Die Zuschauer sind unser größtes Pro- zu zwei verschiedenen Aufführungen
38 ist, und sich eine, vielleicht auch noch so blem. Ich bin nicht ganz einverstanden mit geht, kann in ihnen denn ein und der-
illusorische Möglichkeit bietet, freier an wer- der Meinung unserer Kritiker, daß das Thea- selbe Schauspieler mitwirken?
den im eigenen Schaffen, überlegt man nicht ter heute insgesamt in einer Krise stecke und Ich denke, daß sich überhaupt unsere
lange. Es gab übrigens Einwände gegen meine die Gleichgültigkeit der Zuschauer nur den Wechselbeziehungen zu der Truppe,
Ernennung sowohl in der Theaterszene als Mißerfolgen des Theaters zuzurechnen sei. unsere internen Theatergesetze verändern
auch im Stadtparteikomitee. Das ist wohl nicht richtig. Es gibt auch noch sollten. Wir sind heute praktisch frei.
Sie haben das Theater gewechsetl die Krise des Zuschauers. Das ist meiner Haben alles bekommen, dürfen den Lohn
Auch die Ansichten über das TheateP Meinung nach nattirlich, weil man heute die in der Höhe zahlen, wie wir das für richtig
Theater bleibt immer Theater. Fine andere Möglichkeit hat, auszuwählen. Bücher, erachten. Wir können selbst den Stellen-
Sache, wenn man den ,,Sowremenni*" Kino;. Video..; Es entstand ein Markt. plan ändern, die Zahl der Aufführungen
ninrmt, so grtinden sich seine Traditibnenv.or Schlecht?'Das ist herrlich. Es gibt Konkur- festlegen, Wir machen alles selbst, außer
allem auf die Stücke, diä stäätsbtirgerliche renz,l'Dbr: ZusChauer' wählt aus. Heute ist einem. Wir können keinen guten Schau-
Positionen behaupten. Er örftilltä eine uralte . wohl die Zeit lekommen, da wir uns überle- spieler am Theater halten und keinen
Funktion, die der russischen Kunst eigen ist gen müssen, für wen und wofür wir die schlechten rauswerfen. Also das Problem
und die Gogol einst definierte: Theater ist eine Stücke spielen. Wenn ich vor einigen Jahren der Beziehungen zwischen mir als künstleri-
Tribüne. Das war also vor allem ein Theater auf der großen Bühne (für 800 Zuschauer) scher Leiter und der Truppe blieb ungelöst.
gesellschaft spolitischer Ausrichtung, das seine die ,,Einladung zur Hinrichtung" von Nabo- Ich kann niemanden rauswerfen, wenn
Hauptaufgabe im Dienst an der Gesellschaft jemand nicht gerade säuft, und kann keinen
sah. Wenn ich heute sage, daß sich die Zeiten guten Schauspieler halten, der zum Film
gelindert haben, so heißt das nicht, dnß ich in geht. Wir haben die Verträge nicht, von
den gesellschaftlichen Idealen enttäuscht wor- denen wir immer reden und ohne die es
den bin oder den Glauben verloren habe. Nur. letztlich nicht geht. Jetzt kann man Kon-
die T.etten haben sich wirklich geändert. Und trakte noch nicht einführen, denn die sozia-
das Theater, wenn es nicht hinter der Z,eit len Bedingungen sind nicht reif, es fehlt der
zurück bleiben will, und das will es nattirlich Rechtsschutz für die Persönlichkeit. Eine
nicht, muß umsteigen. Menge Leute werden einfach aufder Straße
Was verstehen Sie daruntef landen. Sie können doch aber nichts...
Erinnem Sie sich an unserejüngste Vergan- Solange dieses Problem nicht gelöst ist,
genheit. Man schlägt die Zeitschrift auf - haben wir nicht die Möglichkeit, normal zu
Lügen, schaltet das Radio an - Lügcn, geht arbeiten. Wenn ich zum Beispiel sage, daß
auf Atsstellungen : auch Lügen. Dt:e Men- ich dem und dem 500 Rubel mehr zahlen
schen gingen um der Wahrheit ivillen ins möchte, weil mit ihm das Repertoire steht
Theater. tr{eute kauft man dafür Z,eitungen und fällt, bekomme ich gleich zu hören:
oder schaltet den Fernseher an. Das heißt, Nichts da. Alle rnüßten mehr kriegen, jeder
heute muß sich das Theater meiner Meinung 15 Rubel. Und an dieser Gleichmacherei
nach direkt mit dem Menschen befassen. kranken alle Theater, außer den neuen Stu-
Seine Seele ergründen. seine Mentalität. diotheatern, die auf Vertragsbasis arbeiten.
Sie wollen das Theater wieder weg von der Nur unter der Bedingung, daß man selbst
Publizistik, zurück zur rein künsüedschen Ver- die Truppe zusammenstellen und Schau-
arbeitung der Wirklichkeit führen? spieler unter Vertrag nehmen kann. hat
Das ist bei uns oft so: Das eine bauen wir man die Möglichkeit, eine optimale Zusam-
auf, das andere begraben wir. Publizistik mensetzung für jedes Theaterstück zu fin-
ausländische Firma. Wir wollen, die Fas- nen nicht vorwärtskommen. Stardarstellern. Ohne ihre Teilnahme
völlig neues Gebäude
sade erhaltend, ein Mit anderen Worten, Sie meinen, kann man kaum mit Erfolg rechnen. Der
dortige Zuschauer steht teilweise gaaz iir:
errichten. Dort wird es vier Bühnen daß sich viele Künstler an der eigenen
geben, mit Zuschauerräumen für 400, 200 Abrechnung mit der Vergangenheit Banne der Werbung, Deshalb spielen
durchaus nicht die künstlerischen Fakto-
und 1-00 Besucher. Dazu die Räumlichtei- festgebissen haben?
ren die größte Rolle, sondern die Art der
ten ftir Ausstellungen, ein Videotheater Wissen Sie, man hat das leidenschaftli-
Bühne, für wieviel Stücke sie berectrnet
und ein Hotel der Spitzenklasse. Ein klei- che Vor-die-Brust-Schlagen satt: Wie ist, wieviel das kostet. Obwohl natürlich
nes komfortables Hotel fur ausländische schwer wir es hatten und was wir doch für
das Stück selbst und der Schlüssel zum
Gäste, das die Finanzen unseres Zen- ungewöhnliche Menschen sind. Das ist Erfolg von entscheidender Bederrtung
trums auffüllen helfen sol1. Vergangenheit. Wir müssen heute leben.
Warum gehen Sie von der üblichen Wie sieht lhr Heute aus?
sind - die Idee, der man es zu verdanken
hat, daß der ,,Idiot" dem japanischen
Form des Theaters ab? Ich arbeite an dem Stück ,,Die Beses- Publikum nahegebrächt wird. Wahr-
Die Leute werden hierher mit ihren sene" von N. Klimontowitsch nach dem scheinlich spielen meine Erfahrungen bei
Familien kommen. Ich möchte in unse- ,.ldiot" von Dostojewski. Übrigens habe der Arbeit im Ausland ebenfalls eine
rem Zentrum eine Ausbildungsstätte fur ich vor kurzem dieses Stück in Japan in- Rolle. Ich habe bereits Stücke in Polen,
Kinder aufinachen, die sich nicht nur aufs szeniert. Ich werde nicht erzählen, wie Ungarn und den USA inszeniert.
Theaterspielen spezialisiert, sondern eine interessant das war und was das für ein lst eine solch aktive Tätigkeit auf
breite ästhetische Bildung vermittelt. Auf herrliches Land ist. Vom rein beruflichen Bühnen im Ausland nicht ihrer Arbeit
den Bühnen des Zentrums werden übri- Standpunkt aus ist das japanische Theater im Jermolowa-Theater hinderlich?
gens nicht nur Theaterfestivals stattfin- ein ganz besonderes. Der wichtigste Sie hilft mir sogar. Mir sind aber solche
den. Unterschied sind nicht die verschiedenen
Befürchtungen bekannt. Mit diesen Fra-
Sie hoffen damit dem Theater eine kulturellen Wurzeln und Traditionen; das
gen meint man immer indirekt. ich sei dc:,
Möglichkeit geben zu können, mit ist normal. Was velblülft, ist die Einstel-
Verdienstes wegen ins Ausland gegangen.
Kino, Video und Musikshows zu kon- lung der Schauspieler zu ihrem Beruf. Die
Das hat so einen abwertenden Beige-
kurrieren? Leute bekommen kein Geld, bevor nicht
schmack. Ich antworte gewöhnlich darailf,
Unbedingt. Auf der ganzen Welt gibt es das Stück steht. Erst wenn es auf den daß, wenn man mich einlädt, meine Arbeit
schon derartige Zentren. Man muß den Spielplan kommt, aufgeführt wird, die offensichtlich konkurrenzfähig sei. Von
Leuten das Recht geben, auszuwählen. Zuschauer kommen und Einkünfte erzielt solchen Reisen kommt man immer rnit
Das Theater darf sich heute nicht ein- werden, gibt es die Gage. Es gilt als vcillig neuen ldeen, neuen Kräften und großern
igeln. Wir verändern uns, und wer das normal, daß die Schauspieler Nebenver- Arbeitshunger zurück...
nicht wahrhaben will, ist verurteilt. Ich dienste haben. Ich habe selbst gesehen,
möchte eigentlich noch folgendes bemer- wie ein ausgezeichneter Schauspieler Das Gespräch fülrrte
ken: Wenn wir Künstler nicht aufhören, nachts in der Bar arbeitet, eine Schauspie- Anatoli Tschebotarjow
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dem 16. Juli 1989
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Abflug aus Wien dienstags und sonntags,
aus Tokio montags und mittwochs.
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*Ortszeit