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Heft 38
Handwerk in
Mittel- und Südosteuropa
Mobilität, Vermittlung und Wandel
im Handwerk des 18. bis 20. Jahrhunderts
Herausgegeben von
Klaus Roth
Im Selbstverlag der
Südosteuropa-Gesellschaft
München 1987
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B a y e rle c h •
Staatebittiothek
München
Inhaltsverzeichnis
Klaus Roth
V o r w o r t .................................................................................................................... 7
H ermann Gross
Die Entwicklung des Handwerks in Südosteuropa unter mitteleuropä-
ischen und osmanischen Einflüssen .................................................................. 11
Michael Palairet
The Migrant Workers of the Balkans and Their Villages
(18th C entury — World W ar II) ...................................................................... 23
Josef Ehmer
Die H erkunft der Handwerker in überregionalen städtischen Zentren:
Zürich, Wien und Zagreb zur Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s ........................ 47
O ttó Domonkos
Zur Wanderung ungarischer Gesellen im 19. J a h r h u n d e r t ........................ 69
Rainer S. Elkar
Schola migrationis. Überlegungen und Thesen zur neuzeitlichen Ge-
schichte der Gesellenwanderungen aus der Perspektive quantitativer
U n te r s u c h u n g e n ..................................................................................................... 87
Horst Klusch
Interethnische Beziehungen und Vermittlungsprozesse im siebenbürgi-
sehen Töpferhandwerk des 19. Jahrhunderts ................................................ 137
Fritz Markmiller
Archivalische Quellen und ihre Interpretation zur Differenzierung des
Handwerks in Niederbayern zwischen 30jährigem Krieg und Säkularisa-
tion ........................................................................................................................... 149
R u d o lf Weinhold
Sächsische und Thüringer Keramikproduktion zwischen dem 18. und dem
Anfang des 20. Jahrhunderts — Konstanz und W a n d e l............................... 173
Osman Okyar
Industrialisation and Handicrafts in the 19th C entury O tto m an Empire 183
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Gustav Otruba
H andw erk und Industrialisierung in Österreich im 19. und am Beginn des
20. J a h r h u n d e r t s ..................................................................................................... 195
Klaus Roth
Die Pflege alter H andw erke im heutigen B ulgarien..................................... 217
Peter N icki
Aufgaben und Ziele der Handwerkspflege in Bayern ................................. 231
Vorwort
Vom 19.—23. N ovem ber 1985 fand in München in den Räumen des Bayerischen
Nationalmuseums ein interdisziplinäres Symposium zum Them a ״H andw erk in
Mittel- und Südosteuropa im 18. bis 20. Jahrhundert“ statt, das gemeinsam von
der Südosteuropa-Gesellschaft, dem Bayerischen Nationalmuseum und dem
Institut für deutsche und vergleichende Volkskunde der Universität M ünchen
veranstaltet wurde. Wirtschafts- und Sozialgeschichtler, N ationalökonom en,
Volkskundler, Handwerksforscher und Praktiker aus Ungarn, Rumänien, Bulga-
rien, der Türkei, der D D R, aus Schottland, Österreich und der Bundesrepublik
Deutschland trugen ihre Forschungsergebnisse vor und diskutierten über Pro-
bleme des historischen und des heutigen Handwerks; einige Kollegen aus süd-
osteuropäischen Ländern konnten der Einladung zur Teilnahme bedauerlicher-
weise nicht Folge leisten. Die während der Tagung gehaltenen 14 Referate sind
in dem vorliegenden Band zusammengefaßt.
Ziel dieses bereits durch seine Themenstellung vergleichend angelegten Bandes
ist es, gegen die noch verbreitete statische Sicht des H andwerks dessen Mobilität
als einen entscheidenden Faktor zu behandeln. In den M ittelpunkt tritt damit
zum einen — als Folge räumlicher Mobilität — die Vermittlungsfunktion des
H andw erks zwischen Stadt und Land, zwischen verschiedenen Regionen, zwi-
sehen Ländern und G roßräum en, wobei hier die Beziehungen zwischen Mittel-
europa und der Balkanhalbinsel im Vordergrund stehen sollen; zum ändern ver-
dient die schwierige, infolge der sozialen und geistigen Mobilität vielfach erfolg-
reiche Anpassung des Handwerks an die durch die Industrialisierung veränderten
Bedingungen Beachtung.
Beziehungen zwischen Mittel- und Südosteuropa sind im Bereich des Hand-
werks — in unterschiedlicher Intensität — vom 12. bis zum 20. Jahrhundert nach-
zuweisen. Vor allem deutschsprachige H andw erker und ihre Organisationen
strahlten, wie Hermann Gross in seinem einleitenden Beitrag zeigt, über Ungarn
und Siebenbürgen aus auf die Balkanhalbinsel. Ihr Einfluß dort wurde jedoch seit
dem ausgehenden 14. Jahrhundert zurückgedrängt, als mit der osmanischen
Herrschaft sich türkische Handwerke und Handwerksorganisationen mit
wesentlich anderen Formen und Strukturen etablierten und für Jahrhunderte die
Entwicklung des Handwerks vor allem in den Städten prägten. Erst im späten
18. und besonders im 19. Jahrhundert konnten sich — als Teil der ״Europäisie-
rung“ Südosteuropas — dort wieder mitteleuropäische und italienische Einflüsse
durchsetzen.
Eine der Grundlagen des Handwerks war die Gesellenwanderung und die —
meist wirtschaftlich erzwungene — Bereitschaft, sich tem porär oder auf Dauer
in der Fremde niederzulassen und eine Werkstatt zu eröffnen. Diese Mobilität
der H andw erker war für die ökonomische, soziale und auch kulturelle Entwick-
lung der Länder Mitteleuropas wie auch der Balkanhalbinsel von Bedeutung, wie
Michael Palairet am Beispiel der südslawischen W anderhandwerker und R ainer
5. Elkar, O ttó Domonkos und Josef Ehmer am Beispiel der Gesellenwanderung
bzw. der Mobilität von Lehrlingen, Gesellen und Meistern aufzeigen. Aufgrund
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ihrer Grenzen überschreitenden Mobilität waren die H andw erker Vermittler in
mehrfacher Hinsicht: Sie brachten, wie Bärbel KerkhoffHader am Beispiel der
Töpfer zeigen kann, ihre Fertigkeiten und ihr technisches Wissen, ihre Arbeits-
kraft und ihre Organisationsformen mit in andere Regionen; sie vermittelten,
wie Horst Kluscb am Beispiel Siebenbürgens nachweist, kulturelle Techniken und
F orm en von einer ethnischen G ruppe in die andere; sie spielten, wie Virginia
Paskaleva am bulgarischen Beispiel zeigt, eine entscheidende Rolle im nationalen
Befreiungskampf und bei der ״Europäisierung“ Südosteuropas; und sie vermittel*
ten schließlich zwischen städtischer und ländlicher Kultur, wie F ń tz Markmiller
an niederbayerischen Archivquellen nachweisen kann.
Mobilität und Vermittlung zwischen Ländern, Regionen, Ethnien und Kultu-
ren scheinen damit wichtige Charakteristika des einstigen H andw erks gewesen
zu sein. Beide wurden eingeschränkt oder gelähmt durch das Vordringen der
Manufakturen und vor allem der Industrie zuerst in Mitteleuropa und dann —
seit dem späten 19. Jahrhundert — auch in Südosteuropa und der Türkei. Dem
Wandel des Handwerks und der Auseinandersetzung des H andwerks mit der
vorrückenden Industrie widmen sich die Beiträge R u d o lf Weinbolds, Osman Oky-
ars und Gustav Otrubas, wobei ihre Untersuchungen über Sachsen/Thüringen,
die Türkei und Österreich deutlich machen, daß das düstere Bild vom Untergang
des Handwerks infolge der Industrialisierung in wesentlichen Punkten korrigiert
werden muß, denn der W ettbewerb zwischen beiden Wirtschaftszweigen hatte
je nach Art und Anpassungsfähigkeit des einzelnen Handwerks und je nach den
sozio-ökonomischen Bedingungen der Region oder des Landes durchaus unter-
schiedliche Konsequenzen. Zahlreiche Handwerke paßten sich an die neuen
Gegebenheiten flexibel an, neue Handwerke entstanden in größerer Zahl, wäh-
rend andere Handw erke dem D ruck der Industrie oder dem Wandel der Bedürf*
nisse zum O pfer fielen. Mit diesen untergehenden H andw erken verschwanden
zahlreiche überkom m ene Techniken und Fertigkeiten — ein Verlust, der die
Handwerkspflege auf den Plan rief. Ihr geht es, wie Klaus Roth am bulgarischen
und Peter N icki am bayerischen Beispiel zeigen, weniger um die D okum entation
als vielmehr um die praktische Wiederbelebung und Fortführung traditioneller
Handwerke, wobei sich tro tz der erheblichen Unterschiede zwischen den Län-
dern und Wirtschaftssystemen erstaunliche Parallelen in den Entwicklungsten-
denzen und Problemen ergeben.
Mobilität, Vermittlung und Wandel im H andw erk sind somit die Schlüsselbe-
griffe dieses Bandes und jeder der Beiträge leistet als exemplarische Studie etwas
zu ihrer Klärung. Es versteht sich aber, daß bei einer so kleinen Tagung zahlrei-
che Bereiche der Handwerksgeschichte und auch Länder ausgespart bleiben müs-
sen.
Sowohl die D urchführung des Symposiums als auch die Drucklegung dieses
Bandes wurde erst möglich durch die materielle U nterstützung von mehreren
Seiten. Dank für die tatkräftige Hilfe bei der Gestaltung der Tagung gebührt an
erster Stelle Ingolf Bauer vom Bayerischen Nationalmuseum, dem Präsidium der
Südosteuropa-Gesellschaft, dem D A A D und dem Gesamtdeutschen Ministerium
in Bonn sowie der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Universität
München. Z u r Finanzierung dieses Bandes trugen neben der Südosteuropa-Ge-
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Vorwort 9
sellschaft das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und V erkehr sowie die
H andw erkskam m er für O berbayern wesentlich bei; ihnen sei an dieser Stelle aus-
drücklich gedankt.
11
Viel länger als in Mittel- und Westeuropa bildete in Südosteuropa die Landwirt-
schaft mit der ihr verbundenen Hauswirtschaft die Grundlage des Wirtschafts-
lebens. U nter Südosteuropa verstehen wir — wie allgemein üblich — die Gebiete
des alten Königreichs Ungarn, Rumänien und Jugoslawien, ferner Bulgarien,
Albanien, Griechenland und die Türkei. Es handelt sich also um sieben Länder,
die ethnisch, entwicklungsgeschichtlich, sozio-kulturell, zivilisatorisch und poli-
tisch von jeher eine für diesen Teil Europas charakteristische besonders große
Vielfalt aufgewiesen haben.
Trotzdem erkennen wir in Entwicklung und Struktur des Handwerks gewisse
gemeinsame Züge für diejenigen Gebiete Südosteuropas, die unter mitteleuropä-
ischen und jene, die unter orientalisch-osmanischen Einflüssen jahrhundertelang
gestanden haben, wobei die ungefähre Grenze entlang der unteren Donau und
Save verlief. Aufgabe der folgenden Ausführungen soll es sein, einen historischen
Überblick über die Entwicklung des H andw erks in den beiden Einflußbereichen
bis zum Zweiten Weltkrieg zu geben. Dies ist n u r in einer stark verallgemeinern-
den to u r d ’horizon möglich. Die Behandlung der speziellen Probleme des Hand-
werks und seiner Lage in Mittel- und Südosteuropa bleibt den Beiträgen über die
einzelnen Länder Vorbehalten.
In den südosteuropäischen Agrarländern bildeten ursprünglich das Hauswerk
und das verlegte H eimwerk die wichtigsten gewerblichen Organisationsformen.
Die im wesentlichen auf Selbstversorgung ausgerichtete arbeitsteilige hausgenos-
senschaftliche Lebens- und Betriebsgemeinschaft fand in der südslawischen und
orientalischen Großfamilie eine günstige Existenzgrundlage. Am höchsten ent-
wickelt waren das Hauswerk und verlegte H eim w erk in den bulgarischen Pro-
vinzen des osmanischen Reiches.
Mit dem Eindringen neuzeitlicher Wirtschaftsformen und Industriegüter sowie
der fortschreitenden Realteilung des Bodens bei starker Bevölkerungsvermeh-
rung verschwindet in dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts diese patriar-
chalische Form der Familienhauswirtschaft. N u r in den Gebirgsregionen und
den verkehrsmäßig wenig erschlossenen Gegenden behält das Hauswerk noch
eine gewisse soziale und wirtschaftliche Bedeutung.
Das Hauswerk, vor allem das häusliche Kunstgewerbe wurde zwar in den süd-
osteuropäischen Ländern aus wirtschaftlichen und nationalen G ründen von
staatlicher und auch privater Seite (z.B. Vereine) durch Errichtung von Lehr-
Werkstätten und Abhaltung praktischer Kurse sowie U nterricht in den Schulen
gefördert. Einen entscheidenden Einfluß auf die wirtschaftliche Stellung des
Haus- und Heimwerks haben diese Bemühungen allerdings nicht gehabt, da die
hausgewerblichen Erzeugnisse immer mehr durch billigere Industrieprodukte
ersetzt wurden.
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12 H erm ann Gross
seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts rapide zu. Durch die Auswan-
derung gingen dem Land wertvolle Arbeitskräfte verloren und es entstand ein
empfindlicher Arbeitsmangel, der sich auf die damals einsetzende Industrialisie-
rung ungünstig auswirkte.
Erst auf G ru n d des Industrieförderungsgesetzes von 1899 fand in U ngarn eine
systematische staatliche Förderung des Kleingewerbes und seiner Genossenschaf-
ten sowie des H andw erks statt. Diese A ktion, die in Verteilung von Maschinen
und anderen Arbeitsbehelfen, in der Errichtung gemeinsamer W erkstätten, in
der Beteiligung des Kleingewerbes an den Submissionen des Staates und in einer
Förderung des Bildungs- und Genossenschaftswesens bestand, hat sich im allge-
meinen wohl bewährt; jedoch k onnte sie sich wegen der beschränkten Mittel nur
auf einen verhältnismäßig kleinen Teil von Betrieben erstrecken. Wegen des
empfindlichen Mangels an gelernten gewerblichen Arbeitskräften wandte der
ungarische Staat (seit 1892) auch dem gewerblichen U nterrichts wesen seine Auf-
merksamkeit zu, das dadurch eine bemerkenswerte H ö h e erreichte.
Die wirtschaftliche Lage des H andw erks in U ngarn war allerdings bei der star-
ken Uberbesetzung der einzelnen Handwerkszweige und bei der scharfen Kon-
kurrenz der Fabrikate der auf einer beachtlichen H ö h e stehenden einheimischen
Industrie sehr ungünstig. D er H andw erkerstand zeigte darum auch nach dem
Ersten Weltkrieg einen Rückgang. T rotzdem war das moderne H andw erk in
Ungarn insgesamt viel stärker vertreten als etwa in den Balkanländern, w o die
handwerkliche Entwicklung anders und ungünstiger verlaufen ist als im übrigen
Europa.
In den unter der Osmanenherrschaft stehenden Gebieten der Balkanhalbinsel, die
von der westlichen Welt weitgehend abgeschlossen waren, haben sich bis zur
Donau herauf byzantinisch-orientalische Einflüsse auf die Entwicklung des
Handwerks und seiner Organisation, den ״esnaf“ , geltend gemacht und die frü-
her dort bestehenden zunftähnlichen Organisationen verdrängt. Die osmanische
Zunft- d.h. esnaf-Organisation ist aus den byzantinischen Organisationen unter
Einfluß der arabischen Zunftorganisation der ״taif“ und administrativen Maß-
nahmen der Behörden gegenüber den verschiedenen H andw erkergruppen — ins-
besondere in der Zeit Suleimans I. (1520—1566) — entstanden und hat sich mit
den O sm anen über den Balkan verbreitet. Diese Zünfte unterscheiden sich von
denen Mitteleuropas dadurch, daß das Bannmeilenrecht, die Wanderjahre und
das Meisterstück als A ufnahm eprüfung fehlten. Sie waren juristische Personen
mit eigener Gerichtsbarkeit. Die Zunftkasse war eine A rt Bank, deren Mittel an
verschiedene Personen gegen Zinsen ausgeliehen wurden.
Zur vollen Entfaltung kam das H andw erk mit seinen esnaf-Organisationen in
Konstantinopel und einigen Teilen Anatoliens sowie in den mohamedanisierten
Gebieten der Balkanhalbinsel — Bosnien-Herzegowina und Teilen Makedoniens
— sowie in Bulgarien, das als ״W erkstatt des Osmanenreichs“ eine Sonderstel-
lung einnahm. Dagegen ist das einheimische H andw erk in den meisten európai-
sehen Regionen des Osmanenreichs zum großen Teil verkümmert, da die Aus-
übung der wichtigsten Gewerbezweige den Moslems Vorbehalten war. N u r auf
den unter venezianischer Herrschaft stehenden Ionischen Inseln und in dalmati-
nischen Städten gab es ein blühendes Gewerbe- und Zunftwesen.
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14 Hermann Gross
W enn auch die osmanischen Beamten und Militärs die wichtigsten Kunden des
H andw erks in den europäischen Provinzen des Osmanenreichs waren, so wurde
das gesamte Gewerbe durch die unzulängliche Verwaltung, die häufigen Epide-
mien und die unsicheren innenpolitischen Verhältnisse zur Zeit des fortschrei־
tenden Verfalls der Osmanenherrschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen.
In den rumänischen Fürstentümern, die mitteleuropäischen Einflüssen stärker
zugänglich waren, konnte sich n u r auf dem Lande das nationale bäuerliche
Gewerbe erhalten und zum L ohnw erk, teilweise auch zum selbständigen Hand-
w erk weiterentwickeln. Die Mehrzahl der Handwerkszweige ist von fremden
H andw erkern gegründet worden, die schon seit Ende des 18. Jahrhunderts dank
besserer Ausbildung, größerer Anpassungsfähigkeit und größerer Kapitalstärke
sich durchzusetzen begannen und zur Europäisierung des Wirtschaftslebens bei-
getragen haben. Beschleunigt wurde dieser Prozeß durch die Ö ffnung der Gren-
zen der Donaufürstentümer auf G ru n d des Friedens von Adrianopel •• von 1829
(durch Abschaffung des Vorkaufsrechts des Osmanenreiches und Öffnung des
Schwarzen Meeres und der D onaum ündungen für den Weltverkehr) sowie durch
die Einführung der Gewerbefreiheit 1834.
So entstand noch während der politischen Abhängigkeit der rumänischen Pro-
vinzen von der H ohen Pforte unter dem Einfluß der Deutschen, Österreicher
und Ungarn im N orden und der Armenier, Juden und Griechen im Süden und
Osten des Landes ein neues, größtenteils aus Frem den bestehendes Handwerk,
das die reichsten Erwerbsquellen in der H and hatte und in Zünften organisiert
war. Nach deren Auflösung (1873) trat eine allmähliche Nationalisierung des
H andw erks ein.
D er rumänische Staat hat dem H an d w erk keinen ausreichenden Schutz ange-
deihen lassen. Erst das Industrieförderungsgesetz von 1912 gewährte auch den
Handwerksorganisationen die gleichen Erleichterungen wie den Industrieunter־
nehmungen. Im Jahre 1920 wurde ein besonderes Arbeitsministerium errichtet
für die Schaffung von Gesetzen, die eine zweckmäßige Organisation und den
Schutz der gewerblichen Arbeit gewährleisten sollten. D er Staat wandte sich aber
auch in der Folgezeit in erster Linie der Förderung und dem Ausbau der Indu*
strie zu.
Ähnlich wie in Rumänien ist die handwerkliche Entw icklung auch in Serbien
verlaufen. Der junge serbische Staat versuchte zwar schon früh, mit einer Anzahl
von Gesetzen einen einheimischen H andw erkerstand und eine leistungsfähige
Handwerkerorganisation nach deutschem Vorbild zu schaffen; jedoch ist eine
H ebung der gewerblichen Bildung und eine zweckmäßige Regelung der Konkur-
renzverhältnisse innerhalb des berufsmäßigen H andw erks nicht erreicht worden.
Beim Fehlen eines eigenen gut ausgebildeten Handwerkerstandes hat sich
neben den von Bulgaren und Zinzaren ausgeübten Handwerkszweigen nur ein
von Deutschen, Österreichern und U ngarn eingeführtes H an d w erk entwickelt,
das aber unter der K onkurrenz der europäischen Fabrikerzeugnisse, besonders
seit der Erschließung des Landes durch Bahnbauten, keine größere Bedeutung
gewinnen konnte.
In den seit 1878 unter österreichisch-ungarischer Verwaltung gestandenen Pro-
vinzen Bosnien und Herzegowina war das einheimische H an d w erk und Kleinge-
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Entwicklung des Handwerks in Südosteuropa 15
werbe wie auch die Hausindustrie durch die Ü berschwem m ung mit billigen
Fabrikerzeugnissen aus der Monarchie schwer geschädigt worden. Erst unter
dem Einfluß von Frem den und mit U nterstützung der österreich-ungarischen
Verwaltung konnte sich ein modernes H andw erk neben dem alten orientali-
sehen entwickeln.
In Griechenland ist das moderne H an d w erk nach der Befreiung von den Osma-
nen durch H an d w erk er aus Bayern — unter der Regierung König O ttos seit 1833 —
sowie aus den Ionischen Inseln, von Italien und dem übrigen Ausland eingeführt
worden. Das neuentstandene H an d w erk blieb rückständig, da die Zahl der unter-
einander konkurrierenden H an d w erk er in den verhältnismäßig wenigen Städten
immer m ehr anwuchs und sich seit den neunziger Jahren der W ettbewerb der bes-
seren europäischen Einfuhrw aren sehr fühlbar machte. Die schon früh unternom -
menen Versuche des H andw erks, durch Zusammenschluß in Zünften seine Lage
zu heben, sind vom griechischen Staat nicht unterstützt worden.
Neue Impulse erhielten das griechische H andw erk und die Hausindustrie nach
1922 durch die kleinasiatischen Flüchtlinge. Allerdings wurden durch die einströ-
menden H an d w erk er die Existenzmöglichkeiten des Handwerkerstandes stark
beengt und die Konkurrenzverhältnisse außerordentlich verschärft, so daß man-
eher einheimische H andw erksbetrieb zugrunde ging.
In Bulgarien hat das alte, einst hochentwickelte einheimische H andw erk eine
besondere Entw icklung genommen. Seine bemerkenswerte wirtschaftliche Blüte
und der hohe Stand seiner P roduktion unter den Osmanen sind auf besondere
wirtschaftliche und Bevölkerungsverhältnisse seiner Gebiete und auf deren spe-
zielle F unktionen innerhalb des Osmanenreichs zurückzuführen.
In den Gebieten des Balkan- und des Rhodopengebirges sah sich die sehr dicht
gewordene Bevölkerung zu Schaf- und Ziegenzucht, Gärtnerei und Holzschnit-
zerei sowie zu anderen Arten von hausindustrieller und handwerksmäßiger Betä-
tigung gezwungen. Das Weben von ״A b a “ ׳und feineren ״Schajek“-Wollstoffen
und die ״G a ita n ”■Spinnerei (Besatzschnüre für Volkstrachten) konnten sich auf
G rund der günstigen örtlichen und ausländischen Absatzverhältnisse über den
Hausbedarf hinaus entwickeln. Die an Wäldern und Wasserkraft reichen Gebirge
bargen in sich eine Fülle von Rohstoffen und Brennmaterial; die benachbarten
Wiesentäler mit ihren zahlreichen Schafherden lieferten die nötige Wolle.
Verkehrsgeographisch im H erzen des damaligen Osmanenreiches gelegen,
spielte Bulgarien mit seinem gepflegten Garten- und Gemüsebau, seiner ent-
wickelten Hausindustrie und seinem blühenden in Zünften zusammengeschlos-
senen H andw erk als landwirtschaftliches und vor allem gewerbliches Überschuß-
gebiet für die Versorgung der M etropole und für die Belieferung des osmanischen
Heeres eine sehr wichtige Rolle. D arum hatten die fleißigen und tüchtigen bulga-
rischen H andw erker, tro tz ihres christlichen Glaubens, von den Sultanen beson-
dere Privilegien hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Betätigung erhalten. N icht
nur in Konstantinopel, sondern auch in den übrigen Wirtschaftszentren und auf
den Jahrm ärkten des Osmanischen Reiches arbeiteten bulgarische H andw erker
und waren die bulgarischen Erzeugnisse begehrt und geschätzt.
Diese günstige Stellung der bulgarischen Produkte wurde durch den seit den
siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eindringenden W ettbewerb európai-
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16 Hermann Gross
D u rch die Deportation der Armenier im Ersten Weltkrieg sowie die Flucht
und den Abzug der Griechen während und nach dem türkischen Befreiungs-
kam pf 1922 sind dem Land zahlreiche wertvolle Handwerkskräfte verloren
gegangen. Jedoch sind dadurch der Türkei bei ihrem damaligen niedrigen w in-
schaftlichen Entwicklungsstand keine nachhaltigen Schäden auf die Dauer ent-
standen. In der Folgezeit wurden die armenischen und griechischen Handwer-
ker durch aus Griechenland und Bulgarien — auf G rund des Bevölkerungs-
austausches — rückgesiedelte Türken, sog. muhacirs, sowie durch Einheimische
längst ersetzt und hat sich eine neue Generation von modernen H andw erkern
gebildet.
Die bemerkenswerte volkswirtschaftliche Entwicklung der Türkischen Repu-
blik durch Mechanisierung der Landwirtschaft, Motorisierung des Verkehrswe-
sens, fonschreitende Industrialisierung und Elektrifizierung hat zum Entstehen
neuer Handwerkszweige wesentlich beigetragen. Tüchtige unternehmungsfreu-
dige Arbeiter, die zunächst in Fabriken als Angelernte tätig waren und dort zu
Fachkräften aufgestiegen sind, haben sich öfter durch G ründung eigener Werk-
Stätten, zumeist Reparatur- und Mechanikerbetriebe, selbständig gemacht. In die-
sen Fällen erfolgte also eine U m kehrung des historischen Entwicklungsganges,
nämlich vom H andw erk zur Manufaktur und schließlich zur Fabrik, indem nun-
m ehr die Fabrik zur Ausbildungsstätte und zum Lieferanten m oderner Hand-
w erker wurde. Diesen Vorgang finden wir insbesondere in Entwicklungslän-
dern. Er ist der Beweis, daß auch die Industrie auf ein leistungsfähigeres Hand-
werk angewiesen ist, d.h. daß sich Industrie und H andwerk in ihrer Entwicklung
gegenseitig bedingen. Aus dieser Erkenntnis haben inzwischen auch die sozialisti-
sehen Staaten in ihrer Wirtschaftspolitik gegenüber dem H andw erk Konsequen-
zen zu ziehen begonnen.
In Istanbul haben sich diejenigen Handwerkszweige, die sich auch in der kapi-
talistischen Wirtschaft behaupten können, erhalten; sie sind noch größtenteils
(etwa zwei Drittel der Gewerbetreibenden) in den esnaf-Verbänden organisiert.
Diese Organisationen haben hie und da schon angefangen, in genossenschaftli-
eher F orm gemeinsam Maschinen anzuschaffen und moderne genossenschaftlich
organisierte Industriebetriebe zu errichten. Damit ist ganz allgemein der Weg
gewiesen, den das Handwerk auch in Südosteuropa gehen sollte, um im Kampf
gegen die inländischen wie ausländischen Fabrikerzeugnisse bestehen zu können.
Genossenschaftliche Organisationen mit Verbandsbildungen und Zentralstel-
len haben sich in Bulgarien und Ungarn, in geringem Ausmaß in Rumänien,
Jugoslawien, Griechenland und der Türkei entwickelt. Auf ihre Bedeutung, die
von Land zu Land recht verschieden ist, müßte in einem eigenen Beitrag einge-
gangen werden.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß im letzten Drittel des vorigen Jahrhun-
derts dem H andw erk in Südosteuropa seine frühere Stellung als der die breite
Volksmasse neben der Landwirtschaft erhaltende Produktionszweig größtenteils
verloren gegangen ist. Ähnlich wie in der westlichen Welt, hat auch das südosteu-
ropäische H andw erk die Herstellung von Massenartikeln an die Industrie des In-
und Auslands abgegeben und sich auf die Deckung des individuellen und örtlich
gebundenen Bedarfs sowie auf Reparaturarbeiten beschränken müssen.
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leaving the vilayet of Monastir (Bitola) was put at 30,ООО13 while the same ter-
ritory sent out 33,200 in 1911/13.
The northw ard extension of the pecalbar belt into the okrugs of Vranje, Pirot
and T im ok in southeast Serbia included about 53,400 migrants14 or about 45 per-
cent of their m anpow er on the basis of the 1900 census15. In 1892, the adjacent
Trãn okrãg of Bulgaria supplied a further 3,574 pecalbars, mainly builders, or
about 19 percent of its m a n p o w e r16. F o r the southern extension of the belt into
present day Greece we lack numerical data. The other major pecalbar zone in the
okolijas of G. Orjahovica, Elena and V. T ãrnovo in north central Bulgaria sent
out 11,960 migrants in 190017, mainly as market gardeners, a figure which then
rose steadily to a peak of 21,620 by 190918. D uring the interwar years, increased
political stability in Macedonia, land reform, economic depression and the
nostrification of labour markets reduced the volume of migrant labour activity19.
Southern Yugoslavia (including Serbia’s pre-1913 territory) is estimated to have
sent out an annual average of 50,095 pecalbars in 1920—3520. The supply was
potentially much greater, for in times of serious unemployment, many would
be discouraged from seeking w ork, so during the economic upswing of the late
1930s, numbers may have returned to around 100,ООО21.
13 Repon fo r the Year 1889 on the Trade o f the C onsular D is tric t o f Salonica, p. 23, P.P. 1890— 91,
L X X X V III.
14 M y estimate based on D ju ra Z la tko vié -M ilié : Z ia vremena. M onogrāfijā Lužnice (1876— 1945).
Babušnica 1967, p. 104 and o th e r data.
15 Assuming m anpower at 25 percent o f population.
16 Izloženie za sãstojanieto na T rā n sko to okražie prez 1891— 1892 g. Sumen 1892, p. 48— 9.
, יH r. St. H in k o v : Statističeski svedenija otnositelno stranstvujuštite gradinari ot Tam ovskija okrág.
In: Spisanie na Bälgarskoto ikonom ičesko družestvo V II (1903) 1— 2, pp. 91-2, n .l.
18 Izloženie za sãstojanieto na T ã rn o vsko to okražie prez 1908— 1909 g. V. Tãrnovo 1909, p. 31.
19 Petar S. Jovanovié: Poreče. In: Naselja i p o re klo stanovništva X X V III (Belgrade 1935) 287.
20 Purić: R abotnički jug, p. 117.
21 Rastko S. Purić: Analiza sastava radnistva i radnog tržista južne Srbije. In: Socijalni A rh iv V (1939)
p. 140.
22 Konstantinov: Pcčalbarstvo, p. 30.
23 L ju b o m ir Pavlovié: Kolubara i Podgorina. Belgrad 1907, p. 423; V la d im ir Karić: Srbija. O pis zemi-
je. Belgrade 1887, p. 416; M. D j. M ilicevié: Kneževina Srbija. Belgrade 1876, p. 116.
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26 Michael Palairet
24 M ile n ko S. F ilip o vic & Ljubo M ičevic: Popovo и Hercegovim . Sarajevo 1959, pp. 130— 33.
25 Stavri Zaprjanov: Iz m inaloto na Zlatograd (5 parts). In: R odopi 7 (1977), 29— 30.
26 Vlad. N ik o lic : О pečalbarima iz iztocne Srbije. In: G lasnik Etnografskog muzeja и Beogradu V I
(Belgrade 1931) pp. 14— 15.
27 Pavlovié: Kolubara, p. 423.
28 M arin St. Sirakov: G radinante ot T ãrnovsko v stranstvo. V. T ã rn o vo 1922, p. 16.
29 Konstantinov: PeČalbarstvo, p. 28; Petar ConČev: Iz stopanskoto m inalo na G abrovo. Sofia 1929,
p. 37.
30 G rig o r Vasilev: D julgerskite sdružavanija iz Trānsko. In: Spisanie na Bälgarskoto ikonom ičesko
družestvo V II (1905) pp. 697— 8.
31 Asen Vasiliev: M ateriali za trjavnenskite narodni m ajstori stro ite li i rezbari. In: Izvestija na In-
stituta po gradoustrojstvo i a rh ite ktū ra p ri B A N , 1952, 219— 21.
32 Tanja Boneva: Proizvodstven b it na djulgerite o t srednite R odopi prez vtorata polovina na xix i
načaloto na xx vek. In: Bälgarska etnogrāfijā III (1978) 2, pp. 40— 1; St. N . Siskov: D julgerskite
sdružavanija v Rodopite. In: Rodopski napredak I I I (1905) 173— 4. In the Rhodope, the system was
also applied in the coppersmiths' trade, see Zaprjanov: Zlatograd I (7) p. 29.
33 G. Vasilev: D julgerskite sdružavanija, 699.
34 M ile n ko S. F ilipovic: Debarski D rim k o l. Skoplje 1939, p. 50; Berissav A rs itc h : La vie économique
de la Serbie du sud au x ix ־e siècle. Paris 1936, pp. 152— 3; K onstantinov: PeČalbarstvo, p. 49.
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00055689
In the first half of the nineteenth century, most demand for the services of
agricultural labour gangs emanated from the latifundia (cifliks) in Eastern
Bulgaria, the D obrudža, and the environs of Thessaloniki, Adrianople and Con-
stantinople. At least till the 1840s much of this labour was impressed. The migra-
tion was not created artificially, however. In 1839, 3,000 harvest workers were
sent from T ãrnovo okolija to the Dobrudža. It was claimed that if only they were
paid honestly, according to their contract, “ these harvesters would go to the
harvest in future o f their ow n volition.” The same point was made the following
year35. Free labour was willing to travel huge distances to the estates, as for exam-
pie the peasants from the sandžak o f Niš, w ho in the 1850s, travelled each year
in gangs 200—500 strong to the environs of Constantinople, a walk of 20 days,
to reap, thresh, plough, and sow and then to retu rn 36. After mid century,
Romania drew increasingly heavily on its Balkan neighbours for pecalbar labour.
In the 1860s, Bulgarian businessmen took short leases on estate lands in Romania
which they would farm as large scale undertakings, using the migrant labour of
their fellow c o u n try m e n 37. At the tim e of Bulgaria’s liberation the num ber of
such workers going to R om ania from northern Bulgaria was around 40,ООО38 but
as large numbers of peasants were gaining land of their own, so numbers declined
to 15,000 in 189239, and recruiters widened their catchment into Zaglavak in
eastern Serbia. Here, a hitherto p o o r but sedentary peasantry welcomed the op-
p o rtu n ity so presented40, and dragomans operating in eastern Serbia would put
together gangs of 100—300 labourers41, by which means they provided the
Rom anian estates with an estimated 30—40,000 workers a year on the eve of
W orld W ar I42. Significant numbers were also beginning to migrate from Serbia
to H ungary for estate labour at this time, as pay and conditions there were more
attractive43. 1,500—2,000 came each year from the Mačva, in northwest Serbia44.
Though agricultural tasks probably occupied the largest group of pecalbars,
these were the occupation only of a continually shifting fringe group which lack-
ed any specific skill to offer, and in villages long established in periodic migration
most labour migrants specialized in more skilled and remunerative occupations,
particularly building. Southeast Serbia’s pecalbars were mainly farm workers in
the mid nineteenth century, but these were exceptional by 1912, when nearly
28 Michael Palairet
nearly all had switched to the building and pottery trades45. H itherto passive
regions to the north subsequently supplied most of the labour for the Romanian
estates. But even in these regions which had been newly brought into labour
migration, workers were soon seeking better paid w ork in the building trade46.
T h e building craft appears to have been communicated to Bulgaria and Serbia
from west Macedonia. This region probably provided the largest concentration
o f Balkan builders, till the late nineteenth century. In certain west Macedonian
settlements, building was a skilled trade of several centuries standing. Later in
this essay, we will take one such settlement, the township of Galičnik near
Debar, as a case study of the experience of a classic pecalbar village. Pecalbars
from west Macedonia, and in particular, the Dibrailije, the migrant builders of
D ebar to w n and its outlying villages, were famed for their architectural skills,
o r at least for their ubiquitous availability as constructional labour. When the
Danube-Black Sea railway was built in the 1870s, most of the masons were
“ Christians from Albania w ho swarm(ed) all over European Turkey and
return(ed) home in the winter m onths,” but faithfully returned each year47. In
the course of their migrations, they would pick up unskilled assistance in the
areas they worked. They also tended to emigrate, and resettle when favourable
opportunities occured. By both these means, they communicated their skills, and
som ething of their architectural style to most of what were to become the major
Balkan building centres of the nineteenth century. The builders craft at Trän was
learned from the Dibrailije**, as also at G abrovo49, and Momčilovci in the
R hodope50, and woodcarving at Trjavna51, most probably through the recruiting
o f assistant workers at these places, while Debãrstica village52 and Bracigovo
tow n acquired the craft directly through immigration from west Macedonia.
Bracigovo builders in turn took assistants from Trjavna and Drjanovo, Bulgarian
mountain townships which were also to become noted building centres53, and
from Smolsko village (Zlatica district)54, which subsequently specialized in the
trade. Trjavna thence communicated its skill in turn to other centres55. Builders
from west Macedonia also communicated their skills to Serbia. The woodwork*
ing craft was learned from the Dibrailija sawyers in the Ibar valley56, and the
building craft reached southeast Serbia by similar means57.
T hanks to their acquired skills, the Balkan building neimars could build not
only cottages, but also the public works of the period, including stone bridges,
administrative buildings and above all, the O rthodox churches which were reap*
pearing in the O tto m an Balkans, structures often of considerable artistry, com-
plete with finely carved doors and iconostases, murals, frescos, and icons. At
Trjavna, some building artels included the full range of skills needed for such
w ork. A village church could be run up by them for as little as £ 18 sterling58.
T he art of the Balkan building artels may also be seen in the elegant facades and
interiors of the tow n houses they built for the rising Christian bourgeoisie.
Markets for the building trade were quite as diffuse as for agriculture, since
much of the w ork was to be found in the Balkan villages, where building jobs
were usually combined with agricultural work, at least if no building w o rk were
available59. A few builders from Macedonia were at w ork in Serbia in the 1830s,
though the authorities regretted there were not more of them, but by the 1860s,
their numbers had grown so much that the threat they posed to domestic crafts-
men led to restrictive measures being taken against them 60. By 1872, their remit-
tances from the country had attained £ 200,000 sterling61, a consideration which
also excited the complaint that they caused a shortage of m oney and created debt
problem s62. Till the 1870s, some 5,000 of these builders were Bulgārs from Trän,
w h o came to Serbia each sum mer63, but this flow reversed itself in the 1880s and
’90s, when all within reach of Sofia, including the Serbians of Pirot, converged
for building w ork in that rapidly expanding new capital city64. At first the
rebuilding of Sofia depended on Italian artizans, but the builders from Bulgaria
and Macedonia w ho assisted them were quick to pick up their skills and to
displace them 65. The great attraction of work in Sofia, at least for west Bulgarian
56 R adom ir M . Ilic: Ibar. Antropogeografska proučvanija. In: Naselja srpskih zemalja III (Belgrade
1905) p. 565.
57 Rista T . N ik o lić : Krajište i Vlasina. In: Naselja srpskih zemalja V III (Belgrade 1912) 55.
58 A . Vasiliev: Vazroždenski majstori, pp. 17— 8, 102.
59 Ljub. V. Jankovic: Iz narodnog života и p irotskom okrugu. Pečalovina. In: Srpski književni
glasnik V II (1902) 59; Petrovic: Pecalbari, p. 17; Rista T . N ik o lić : Poljanica i Klisura. In: Naselja
srpskih zemalja III (Belgrade 1905) p. 50; V e lim ir Vasic: PeČalbarstvo istočne Srbije. unpublished
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za narodni um otvorenija, nauka i knižnina V II (1892) 485.
60 Ljubisa D o klcstik: Makedonskite vo Srbija i n iv n o to uČestvo vo nejziniot stopanski i opštestven
život vo xix vek. In: Glasnik na in s titu to t na nacionalna istorija X III (1969) 14— 15.
61 Report by Consul-General L o n g w o rth on the Trade o f Servia fo r the Year 1872, Belgrade 26 N o v .
1873, p. 343, P.P. 1874 LXVI.
62 Svetozar M arkovié: Celokupna dela. Belgrade 1912, pp. 66, 69— 70, 74.
63 K onstantin Jireček: Knjažestvo Bālgarija. Plovdiv 1899, II, p. 506.
64 Delčo Sapundžiev: B itovi kooperativni sdruženija. Sofia n.d. pp. 96— 7; Petrovic: Pecalbari, pp. 20,
2 4 -5 .
63 K ra tk o izloženie po zemledelieto i zanajatite v Bãlgarija. Sofia 1889, p. 21; Jovan C vijic: Osnove
za gcografiju i ģeoloģiju Makedonije i stare Srbije III (Belgrade 1911) p. 1010.
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30 Michael Palairet
migrants, was that they could now w o rk w ithout interruption at their trade, in-
stead of winning fitful building jobs along with less well paid general labouring66.
But despite the attractions of Sofia, there was no lack of alternative outlets.
Rhodope builders preferred to w ork on the Aegean coast and in the islands67.
Most of the 2—3,000 Bulgarian building pecalbars w h o began to depart from the
G abrovo villages68, and the carpenters and masons of T rojan69 went, like the ma-
jority of those from Macedonia, to Romania. Belgrade too remained a significant
market for pecalbars, who still dominated the building trade there as late as
190770. Most were now Serbian nationals, for the boom which had drawn foreign
builders into the country was past. Belgrade nevertheless attracted some
755—1042 seasonal building workers from Macedonia in 1897—190571.
Closely related to the building skills were those of w orkers in ceramic. The
largest concentration of the brick and tile making craft was at Svrljig and
Vlasotinci in southeast Serbia. The trade was practiced by gangs of 6—8 men
whose leader would contract with the ow ner of a brickyard to produce at an
agreed rate per hundred bricks, or would lease the brickyard himself, and deliver
the product at a contractual price72. Before W orld W ar I, brickmakers had little
trouble finding w ork, even though their techniques were usually backward,
because demand for builders’ supplies was expanding73, and they found w ork in
H ungary, Bosnia, Romania, Bulgaria, and Serbia itself74. Brickmakers from Pčin*
ja found higher pay working in Austria75. In Macedonia the trade centred on
Veles and its villages, which sent out 5,000 brickmakers a year76.
The major Balkan focus of the potters craft was southeast Serbia. T w o
Bulgarian centres, Businci, Trãn okrãg77, and Elena (at least in the 1830s)78
specialized in finer pottery. Coarse pottery also engaged 66 percent of the men
in six G abrovo villages. In summer they would load their carts with pots and
barter them in northern Bulgaria for the quantity o f grain that the vessels would
hold79. In southeast Serbia it was the lower lying villages which specialized in
ceramic w ork, probably because these disposed supplies of suitable clay80, but as
their product was coarse and bulky, most potters had to migrate to w ork. In the
1880s they w orked their way round the villages81, but increasingly traded in the
tow ns82. Though the masters might return to their villages in winter, they would
usually bring an assistant whose task it was to sell off the produce which remain-
ed from the sum m er w orking season, so many of these shops, to be found in
most Serbian provincial towns, became permanent pottery businesses83. At
Kruševac there was an entire street of potters, all pecalbars from the Pirot
region84. Markets for Serbian potters also included Bulgaria and Romania, where
they encountered and undercut competition from Bulgarian workers. Romania
was a favoured market especially during the spring pomana festival w hen pottery
was a traditional gift85.
Pecalbar labour also extended to a wide range of miscellaneous occupations,
often the specialty of a single village or locality. F rom the Suva Pianina in
Kosovo Cartwrights would set out for Serbia86. From G olo Brdo, in the Albanian
borderland, w oodw orkers of Steblevo village fabricated wooden implements as
pecalbars in R om ania87, and from Klenje village itinerant tailors sewed from
house to house in nearby D rim k o l88. Cooperage is a frequently mentioned
pecalbar skill, associated especially with Gara village in Vlasina (southeast Ser-
bia)89. At Trjavna in central Bulgaria, icon painters would practice their art in
their w orkshops in winter, and set out each summer to sell their products90. At
Janjevo, a Catholic tow nship of 400 houses in Old Serbia, the one time mining
and smelting industry of N o v o brdo had given way to the small scale casting of
bronze trinkets, especially icon lamps, rings and bracelets. In February the men
would fill their saddle-bags with these artefacts and distribute them throughout
the Balkans, together with miscellaneous textile goods. This trade continued up
to W orld War I, though by then Janjevo bronzeware was being displaced by fac-
tory goods, causing 200 families to emigrate to Pittsburg and Chicago91.
M any of these pecalbar activities were of a business nature, and pecalbars were
to contribute significantly to the formation of a business class in the Balkans.
T he Cincars o f the Macedonian mountains and the Pindus were — at least by
origin — transhum ant sheepraisers w ho migrated between the sum mer grazings
in their homelands and winter pastures near the Aegean shore. Their high villag-
es around Kastoria and Monastir had no other economic function than as secure
grazing bases for the families, for the Cincars rarely engaged in agriculture. The
nomadic life developed their awareness of the opportunities which existed for
trading between regions of differentiated resources and culture. Their sheeprais-
ing origins showed up in an especial inclination towards the dairying trades, car-
rying, the keeping of inns and cafes, thence towards commerce in general. They
seem however to have eschewed manual labour. They would characteristically
remain away from their villages for an entire working lifetime, normally 30 years
(the Kruševo gurbet) subsequently to return and live by usury from their
savings92. Villagers of other ethnic groups emulated them, and among these,
especially the Albanians, we find a whole range of pecalbar trades associated
mainly w ith catering, including bakery work, the making and vending of
sweetmeats and soft drinks93. Here is another migrant trade which appears to
have been diffused through the Balkans from Macedonia. The villagers of Žednja.
southwest Bulgaria, were taken on in the 1840s as assistants by halva makers
from Macedonia. Later they formed their own artels which leased shops in the
towns, where they made halva by night and distributed it on the streets by day94.
Before 1914, catering migrations were confined mainly to the Balkans, though
we also find restaurateurs from Macedonia established in Egypt95, and Prilep men
rather less well established, making and selling sweetmeats at street corners in
Leipzig and Vienna96. There was no mistaking the business proclivities of the
pecalbars91, and the enterprise attitudes they displayed were much at odds with
the then prevailing social values of south Slavdom. O f the Hercegovinian
pecalbars, another group similar to the Cincars, whose long range trade activity
probably evolved from origins in transhumance, it was observed that unlike
most Dinaric peoples, w ho “ valued heroism more than wealth,” they regarded
poverty as shameful, and responded by distinguishing themselves in business
th ro u g h o u t the Balkans98. A contem porary disparagingly associates the pecalbar
lifestyle with the “ small shopkeeper spirit” , and “ an earnings psychosis of in-
satiable greed” 99. Seen in a developmental light, it was just such a “ psychosis”
which was needed to overcome the immobilities of a subsistence culture.
The periodic migrants of the Veliko Tãrnovo villages in Bulgaria were a highly
distinctive group. Most were market gardeners, but gardening was not a skill in-
digeneous to this area. Migrants from the Tãrnovo villages are claimed to have
learned their trade by working for the Karamanli gardeners w ho supplied the
Constantinople market with its vegetables. In about 1754, one group, led by a
certain Cani Bradvička, frustrated by its exclusion from the Constantinople
gardeners’ guild, began instead to practice the gardening trade at Kronstadt (now
Brasov), in Transylvania100. Its success encouraged emulation and the diffusion
of gardeners tajfas from Tãrnovo okrãg through the tow ns of Romania, Serbia
and Hungary, and later in Russia. By 1914, this was their fastest expanding
market, and 4,512 Bulgarian gardeners were then at w o rk there, mainly in the
Ukraine and the Caucasus101. Disposing a skill which was in short supply,
Bulgarian gardeners faced little native competition in the countries where they
worked, and enjoyed considerable prosperity. They introduced their trade to
Serbia in the early nineteenth century and for a long time they enjoyed an effec-
tive m onopoly there*02. Early in the twentieth century, they were arriving in the
U.S.A., where a num ber of Bulgarian market gardens were established103, and
between the World Wars in Brazil and Uruguay*04, but in the Americas they fail-
ed to make much impact as gardeners. Rather they merged quickly into the
general labour market.
Nearly all pecalbars were male. The women stayed in their villages, where they
worked on the land. This represented a less than perfect but nevertheless rational
division of labour which harmonized with the patriarchal values of the village.
Though in Serbia, Bosnia, and Montenegro, it was unthinkable for a w om an to
work away from h o m e 105, young unmarried women in Bulgaria and Macedonia
could become, in effect, pecalbars. A widespread practice was for girls to take part
in organized harvesting gangs which went out each year to the latifundia round
Thessaloniki106 and in southeastern Bulgaria107. These were very short term
migrations, even though they involved movement over considerable distances,
but longer term migrations for domestic service were also undertaken. Girls
from Vakarel in western Bulgaria, and from the ethnic Bulgarian villages round
Bosiljgrad108 (annexed by Yugoslavia) were customarily sent to the cities for
domestic service. At Vakarel, the servant trade is said to have originated from
the practice of the T u rk s at Samokov of inducing the peasants to send the girls
as servants. This encouraged the subsequent growth of the trade, and at Vakarel
in 1920, 70 percent of all girls between 14 and 20 years of age were in service,
mainly in Sofia109. Moreover the early textile factories round G abrovo drew on
young female labour from the surrounding villages110, a supply side advantage
which gave them an edge over their competitors in regions where only male
labour was offered111.
As comm unications improved, pecalbar activity ceased to be confined to the
Balkans. By 1914, almost all regions identified with periodic migration, especially
west Macedonia, were sending emigrants to the U.S.A. Some 27,000 persons
from Macedonia migrated there between 1903 and 1909112. They were regarded
in their villages simply as pecalbars, and in fact most of them were young men
w ho sent heavy remittances back to their families, and a high proportion of them
duly retu rn ed 113. F o r example, the villages of Sirinačka Żupa in O ld Serbia sent
5—600 emigrants to N o rth America between about 1890 and 1914. They were
claimed to be earning 2,000 dinars a year each, and most are said to have returned
within 2—6 years114. Some of these pecalbar immigrants maintained their distinc-
tive trades in the U.S.A., but as they needed to find employment quickly, most
worked initially on railroad construction115, or as factory and railroad round-
house labour116. The increasing numbers w ho abandoned their original commit-
ment to return subsequently moved massively into business, notably in the cater-
ing trades. Pecalbars were beginning also to find w ork in western Europe: Pirot
peasants were reported to be working in France as tailors, and in G ermany in
the metal trades117. T he oil industry at Baku also attracted migrants from
D ebar118.
Between the wars, the international market for pecalbar labour virtually col-
lapsed. N o t only was the U.S.A. closed as the “pecalbar eldorado,” but so too
was Greece in 1927, and during the slump virtually every other former labour
market. Even worse for pecalbars, who were accustomed to migrating long
distances, a Yugoslav law of 1928 hit their interests by giving priority in employ-
ment to locally resident labour119. Even so, pecalbars presented themselves
109 G . Gunčev: Sluginstvoto v Vakarelsko. In: Spisanie na Bälgarskoto ikonom ičesko družestvo
X X X II (1933) 9 3 - 4 , 99.
110 Cončev: G abrovo, pp. 539— 41.
111 A . Rakovska: Ženskijat naemno-rabotniški tru d v Bāl gari ja i negovoto razvitie. In: N o v o vreme
IX (1905) 7 1 4 -5 .
112 Emigrācijā Makedonaca. In: Stampa X (1911) 356, p. 1.
113 This is discussed fu rth e r in Michael Palairet: The 4New* Im m igration and the Newest: Slavic
M igrations fro m the Balkans to Am erica and Industrial Europe since the Late N ineteenth C entury.
In: The Search fo r W ealth and Stability: Essays in Econom ic and Social H is to ry presented to M .W .
F linn, ed. T .C . Smout. London 1979, pp. 43— 51.
114 Savie: Zanati i industrija, pp. 275— 6.
115 B. Zografov: Bãlgarite v A m erika. In: Otec Paisij IX (1936) 22— 3.
116 Stoyan C hristow e: T his is M y C o u n try. N ew Y o rk 1938, p. 57.
117 M .M . Savié: Naša Industrija I, p. 298.
118 Rastko S. Purić: О pečalbarima južne Srbije. In: Radnička zastita X V I (1934) 170.
1,9 Teofan Ristie: Najam na radna snaga и našoj poljoprivredi. Belgrade 1939, p. 22.
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The Migrant Workers o f the Balkan and Their Villages 35
anywhere that a transient demand for labour might occur. In 1933 Debar
peasants started to go out to Persia for highly paid rail construction w o r k 120, and
an estimated 2,000 Yugoslavs were working there in 1937121. But the great ma-
jority were forced to w ork in their own countries. U ntil about 1927, this was
no great hardship, for opportunities were opening up in reconstruction, com-
munications, and factory w ork, but the consequences of the slump were par-
ticularly severe for a labour force which found itself marginalized for the benefit
of the regular urban workforce, and which was particularly dependent for its
em ploym ent on construction. During the interwar years, pecalbar w ork was
gradually changing in character. The old artel system was declining, as improved
communications, cheap w o rk m e n ’s fares, and labour exchanges made it easier for
individuals to seek employment directly, and to a much larger extent than hither-
to, pecalbars found w ork in industry.
Pecalbar industrial employment was no new thing. As early as the 1840s, the
woollen mill at Dermendere near Plovdiv recruited mostly pecalbar type labour,
characteristically unaccompanied men from distant places122, and as noted above,
the later Gabrovo mills drew similarly on rural, (in this case female) labour. The
Sofia sugar mill123, Bajloni’s Belgrade brewery and several mining companies124
also used pecalbars, at least for seasonal work. In cotton spinning, the British
ow ned mill at Varna recruited girls from the distant Balkan uplands with attrae-
tive promises125. Pecalbar labour was also an obvious weapon for breaking
strikes126. If the factory was still exceptional as an outlet for pecalbar labour, this
was only because there were still few factories. There is no evidence to suggest
that pecalbars eschewed factory (and mining) w ork, and in Belgrade in 1940, some
2,000 pecalbars were employed in brickyards, and 2—300 from the Zaječar
villages had regular w ork at the breweries, while the textile and leather industries
used a further 2,000 peasant migrants, many of the w o m e n 127.
Pecalbar pay was usually expressed in terms of net earnings at the end of a
season, since that is the way most pecalbars were remunerated. The earnings of
the dragoman-organized workers on the Romanian estates were relatively low.
As they were unskilled labour, and many of them very young, the dragomans
were able to pocket part of the arbitrage between the going wage rates on the
Romanian estates and those pertaining in the Balkan villages128. As the demand
for labour was constantly growing, so in order to avoid having to bid the wage
level upwards, the dragomans continually recruited into new areas where the
peasants were as yet ignorant of labour market mechanisms129. A well established
technique was to get the peasants into debt, and thereby to bind them into the
dragom an’s service130. T h e conditions of employment, reflecting the low level of
business ethics which pervaded Romanian society, were the subject of shrill and
frequent criticism13*. H ow ever, the normal earnings expectation in the early
tw entieth century was of between 40 and 140 Serbian dinars for about six
m onths work*32. Men w ho went out independently of the dragomans could
return about 100 dinars better off than the gang labourers, but the dragomans
were alleged to connive with the authorities to prevent individual travel papers
from being issued133.
The members of artels in the building, brickmaking, and gardening trades fared
far better than these, at least after they had served their apprenticeship. Between
the early 1860s and 1912 the purchase power of their earnings more than doubl-
ed134. This was probably not because of any significant improvement in builder’s
day rates. If we take builders day wages in Belgrade as a benchmark, these only
advanced by about 17 percent in real terms*35. This implies either that the work-
ing season lengthened by 78 percent, or that less time was spent in search of
w ork, o r filled with low paid field labouring. A round 1900, a skilled man would
earn 200—240 dinars, a journeym an 100—200136, but by 1910—13 these rates had
improved sharply to 300—800 and 200—400 respectively137. Earnings of brick
and tile makers fluctuated within a lower range, between 140 and 300 dinars,
while their assistants earned as little as 40—60138. Bulgarian gardeners probably
enjoyed their greatest prosperity during the years before 1878, when earnings
equivalent to several thousand Bulgarian leva were com m onplace139, but by the
end of the nineteenth century, they were feeling the pressure of international
c o m p etitio n 140. Skilled men were now bringing home 200—500 leva at the end of
129 V. N ik o lié : О pečalbarima, 74— 6; Pasié i Rum unija. In: Srpska zastava II (1906) 132, p. 2.
130 Vasic: PeČalbarstvo, p. 141; V .M . N ik o lié : Iz Lužnice, 36— 7.
131 F o r example: A rg a ti. In: RadniČke novinc II (1902) no. 7, p. 1.
132 Stanojevié: Zaglavak. 17.
133 Stenografski zapisnici, 1912, pp. 7— 8.
134 Based on figures fo r 1860/5 and 1912 in Petrovié: Pecalbari, pp. 18, 26, deflated by index o f Ser-
bian export prices in M . Palairet: T h e Influence o f Commerce on the Changing Structure o f Serbia’s
Peasant E conom y, 1860— 1912. Unpublished Ph. D . thesis, U n ive rsity o f E dinburgh, 1976, p. 37.
135 Belgrade b u ild in g wages arc available annually fro m 1862 in the Državopis Srbije and Statistički
godišnjak k r. Srbije serials.
136 R. Kosiadinovié: C rn a trava i C rn o tra vci. Leskovac 1968, p. 79 n. 17; Jankovié: Pečalovina, p.
61; C vijié : O snove III, pp. 1010, 1051; V. N ik o lié : Iz Lužnice, p. 29.
137 petrovié: Pecalbari, p. 26; Savié: Zanati i industrija, pp. 277, 279.
' 3 יB orivoje M iloje vié : Radjevina i Jadar. Antropogeografska ispitivanja. In: Naselja srpskih zemalja
IX (Belgrade 1913) pp. 664, 718; V .M . N ik o lié : Iz Lužnice, p. 29.
139 Iv. Ev. Gešov: Našite gradinarski družestva. In: Periodičesko spisanie X X V II (Sofia 1893) p. 335.
140 Izloženie za sãstojanieto na T ä rnovskoto okražie prez 1901— 1902 god. V. T ã rn o vo 1902, p. 20.
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00055689
an eight m onth season, the less skilled 100—200141. (The dinar and the lev both
traded close to their parity with the French franc.) T hough emigrants in the
U.S.A. and gang leaders in the Balkans enjoyed much bigger earnings than these,
it may be taken conservatively that adults working in the Balkans in the artel
trades would return home with cash (or its equivalent in purchases of clothing,
jewels and household goods)142 amounting to about 250 dinars o r £ 10 sterling
after a 6—8 m onth season. (A wartime survey by the Bulgarians in Macedonia
estimated an eve of war figure of 1,000 francs, which seems too high but affirms
that wages were rising very sharply at that time)143. Securing these sums required
pecalbars to endure long hours and living conditions which might seem harsh to
the outsider, though they probably lived better at w ork than those w ho stayed
in the villages144. T o express these earnings in modern terms is difficult but their
foreign exchange value would compare favourably with what their present day
equivalents could expect to put by after a similar period away from hom e on fac-
to ry o r construction w ork in their own countries.
141 Iv. O rm anov: G radinari ili gradinarski rabotnici? In: N o v o vreme X V II (1914) 500; M . M oskov:
Emigracijata ni v svrãzka s stopanskija ni život. V. Tãrnovo 1911, p. 7; H ris to St. H in k o v :
G radinarskitc sdružvanija v Tãrnovskija okrãg. In: Periodičesko spisanie L X V (1904) p. 246.
142 F ilip o vic: Debarski D rim k o l, p. 50.
143 D . Iaranoff: Macedoine, p. 177.
144 Z la tk o v ic -M ilic : Zia vremena, p. 118.
145 Public Record O ffice, F O 105 36. Baker’s report fo r year ended 29 Sep. 1882.
146 J.H . Skene: F ro n tie r Lands o f the C hristian and the T u rk . London 1853, p. 411.
147 Vasic: PeČalbarstvo, p. 91.
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38 Michael Palairet
148 B orivoje 2. Milosevic: Visoke planine и našoj kraljevini. Belgrade 1937, pp. 203-4; C vijié: Osnove
III, 1010 - 11 .
149 Sreten L. Popovié: Putovanje po novoj Srbiji. Belgrade 1950 (re p rin t), pp. 556— 7.
150 M ile n k o S. F ilip o v ic : O dlaženje na Prehranu. In: G lasnik geografskog drustva X X V II (1947) 85;
Milosevic: Visoke planine, p. 244.
131 Petrovié: Pecalbari, p. 20; F ilip o v ic : Debarski d rim k o l, p. 38.
132 G inčev: G radinarstvo, 1196— 7.
153 Rad socijalističkog parlamenta na T im o k u . Belgrade 1914, pp. 11— 12.
134 Petrovic: Pecalbari, pp. 40— 1; R .T. N ik o lié : Krajište i Vlasina, 63.
135 G incev: G radinarstvo, 1196— 7.
136 Hadži-Vasiljevic: Prilep, p. 44; Rastko S. Purić: О pečalbarima, 170; C v ijic : Péninsule balkanique,
associated157. But in the villages com m itm ent of both sexes to the cash economy
could create a large subsistence deficit, and thereby generate unnecessary transac*
tion costs. Ciprovci and several neighbouring villages in west Bulgaria were
orientated to carpet weaving, at which the w om en w orked tirelessly for low
rem uneration. T he men farmed their small infertile plots, a task which did not
em ploy them intensively. By the beginning of the tw entieth century, they began
to migrate as pecalbars to the U.S.A. T he remittances flowed home, and the
carpet trade prom ptly declined, as the w om en now had an alternative cash in-
come source and could tu rn their industrial efforts to providing their ow n homes
with textile products rather than supplying the m a rk et158. In the Pirot villages,
where the men migrated on building w ork, the w om en were draw n increasingly
from 1890 to W orld W ar I into weaving woollen cloth for the market. The
reward — about 120 dinars for six months w o rk — was but half what a similar
period of building labour would yield, but m any w om en chose to weave, so that
they could keep their husbands at home for longer periods. Significantly, they
turned most of the m oney over to the men to buy land w ith i t 159. In west
Macedonia, signs of cottage industry could be detected here and there. Tresonce,
a Dibrailija village, sold fine woollen cloth (sukno) and striped cloth (kiásni) but
these were produced for the market by “ m any poor w om en, widows and
deserted w o m e n ” — presumably those w ho were not being supported by
pecalbars160. But if opportunities for making a significant contribution to familial
subsistence in agriculture existed, then the women were more rationally
deployed w orking in the fields, as was generally the case. This did not, however,
prevent the unmarried girls from seeking harvesting w o rk on the latifundia in
summer, because several weeks would elapse before the mountain crops had
ripened. Paym ent was often in kind, and helped feed the families through
winter*61.
T he outcome of these devices to balance cash and subsistence production
varied considerably. There were areas in Bulgaria — for example Vakarel, and
in many of the T ãrnovo villages, where significant crop o r livestock surpluses
supplemented the cash incomes of the pecalbars. Southeast Serbia as a whole was
self-sufficient in grains162, and even the expressly pecalbar villages were usually
only in slight deficit, and some exported small surpluses163. In Macedonia most
157 See discussion o f economic patterns in the pre-liberation Bulgarian textile townships in M .
Palairet: The Decline o f the O ld Balkan W oollen Industries 1870— 1914. In: V ierieljahrsschrift fü r
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte L X X (1983) 340— 1.
13* Jordan Zahariev: C iprovci. PoseÜstno-geografski proučvanija s istoričeski beležki. Sofia 1938, pp.
220 - 1.
159 Vasic: PeČalbarstvo, pp. 65— 9.
160 C vijié : Osnove III, p. 1016.
161 Konstantinov: PeČalbarstvo, pp. 69— 70.
162 The grain surplus and deficit map o f Serbia is calculated fo r the years 1896— 8 in M . Palairet,
Thesis, Fig. I l l (i), p. 143.
163 Petrovic: Pecalbari, pp. 23, 35— 6; V .M . N ik o lié : Iz Lužnice i Nišave, 26— 7.
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40 Michael Palairet
pecalbar villages seem to have grown a substantial part of their subsistence. Even
the high level pecalbar villages of Golo brdo usually raised about half their food
requirem ent164, and those with no crops usually managed to export livestock
products. This partial or total self sufficiency in foodstuffs meant that
disbursements of pecalbar earnings for basic essentials were small. Pecalbar
families also had to pay their taxes, but as the direct tax base in the Balkans was
land rather than labour, their exposure to direct taxation was usually lo w 165.
T hey also had relatively little difficulty in meeting the direct taxes which were
demanded of th e m 166. Like most peasants, pecalbars sometimes had recourse to
usurers, and earnings were needed to service debt. In many cases, it was debt pro-
blems which first drove men into w ork migration167, but migrant earnings could
be very effectively used to discharge debts in usury168. Thus in most cases
pecalbar families disposed a significant part of their cash earnings for discre-
tionary purposes, including savings.
Pecalbars saved a high proportion of the cash they earned169. Like similar
groups the world over, they built themselves prestigious and comfortable homes.
In southeast Serbia and central Bulgaria they also strove to furnish them attrae-
tively170, though in Macedonia, because of relative poverty or cultural backward-
ness, the internal appointments even of the most solid looking pecalbar houses
left much to be desired171. But saving was also directed to maintaining self suffi*
ciency and reducing dependence on migrant earnings. Most obviously, this could
be achieved through the purchase of land, which was consequently chased up to
prices unrelated to its fertility172, and the acquisition of draft stock to cultivate
i t 173. Some returning pecalbars from west Macedonia would even bring back
American agricultural machinery174. Less obviously, self-sufficiency was sought
through the payment of high bride-prices175. In a society where the very institu-
tion of pecalbar migration left the villages short of farm labour, the bride-price
represented compensation paid by the household which would gain labour by
marriage to that which would be left short-handed by the transaction176. The go-
ing rate for brides in west Macedonia before World War I was £ 15—25 ster-
ling177, about tw o years net earnings from pecalbar building work. Savings were
also put by to provide security in retirement, leading to the appearance in the
pecalbar villages of sleepy shops and kafanas which provided retired pecalbars
with a little income during their declining years178.
We can therefore reject with some confidence T r o u to n ’s assertion that
pecalbars earned only enough to buy bread and pay taxes and interest179. Indeed
pecalbars came from relatively well to do homes as well as poorer ones180. But
it is difficult to generalize as to whether the pecalbar villages were well o r badly
off, compared with the farming villages. The average pecalbar’s 250 dinar earnings
can be compared with the 290 dinars of cash which the Avramovic enquiry of
1911 showed to be earned by median five hectare farm properties in Serbia181,
and it seems unlikely that the pecalbar farm would produce as much as the
average agricultural property in subsistence goods. Against that, many pecalbar
properties would have sent out more than one migrant at a time, their exposure
to land taxes would be low, and many might have significant incomes from the
sale of animal products. There is a consensus in the literature that pecalbar
villages (at least those which specialized in specific поп-agricultural trades) en-
joyed greater material prosperity than their sedentary counterparts. The
evidence does not, however, support the idea that pecalbar villages were better
off than lowland villages which were actively involved in market agriculture.
But where pecalbar activity was combined with intensive agriculture, the result
could be outstanding prosperity. This is evident from the experience of the
market gardening region of Veliko Tãrnovo. Gardeners’ earnings may have been
lower than those of Macedonia’s building workers, but their villages were un-
equivocally prosperous. The impulse to labour migration here was not the quali-
ty of the land, rather the density with which it was settled. Though the holdings
were small, cultivation techniques were progressive, and very intensive. The
pecalbar region, Ljaskovec district especially, was described variously as the most
intensively, and best cultivated corner of Bulgaria182. Gardening techniques were
seldom applied directly, but the region was early to adopt horse ploughing, the
potatoe, and the sowing of artificial grasses183. To some extent, field agriculture
gave way to the vine, and to certain garden crops, such as onions, spring onions,
and paprikas which passed into trade throughout Bulgaria on the Ljaskovec carts.
A nursery trade also developed184. As most of the men were away at w ork,
42 Michael Palairet
abandonm ent gnawed at the lonely women. Though every y o u n g pecalbar might
have it impressed on him that his duty was to w ork and save money for the fami-
ly at home, and return as soon as he had done so, the sentimental ties of youth
are unpredictable. “ And those men w ho have lived over there for years, and so
are no longer tied by affection to their village — do they belong to the people
over there or to us? W hen they return — if they return — full of admiration for
everything over there, these men find it hard to adjust to their deserted wives” 192.
In particular, the successful and upwardly mobile w ould have least to gain as
perpetual migrants, so paradoxically it was the most successful pecalbar com-
munities which would be most severely racked by the insecurity which arose
from emigration. It was all too likely that pecalbars w ho prospered in trade
would tend to settle where they worked. Cincar communities were especially af-
fected by the continuous drain of their elites193. Permanently settled colonies
originating from Macedonia accumulated in all the Balkan cities, and subsequent-
ly in the United States as well. The Bulgarian census of 1893 showed that bet-
ween 38,000 and 40,000 persons of Macedonian birth were then living in
Bulgaria194. In Belgrade in 1863, immigrants from Macedonia accounted for 5,000
out of a population of 14,ООО195, and in 1934, some 60,000 out of 242,ООО196. Be-
tween 1920 and 1935, 21,312 persons from the pecalbar zones of southern
Yugoslavia were reckoned permanently to have removed, o r had not returned
to their former homes after 15 years197. Some men would intermarry away from
home, and others would bring their wives away from their villages, a prospect
that these women, utterly ignorant of the wider world save only of its real or
imagined hazards, would tend to shun. A nd the pecalbar village would begin to
die. Those houses, so laboriously built, would fall silent and empty, decaying
m onum ents to misplaced investment198. In the Bulgarian gardener villages no
such rundow n occurred, since they were not isolated nor was their land infertile.
Even so they experienced high outward migration, and many gardeners resettled
in the places where they did business199, often becoming vegetable merchants200
— like Nedjelko Gačov, described in 1936 as the biggest greengrocer in
Bordeaux201. At Ljaskovec itself, home of old Cani Bradvička, and the archetypal
gardener village, market gardeners had prospered so much that their descendants
44 Michael Palairet
no longer needed to go out on gardening w ork. In 1888, Ljaskovec had sent 1,086
gardeners abroad, by 1914 “ a few tens,” as the population was said to have mov-
ed into “ trade and usury” 202. T ru c k cropping also furnished comfortable in-
comes, while the well educated young people increasingly sought official
em p lo y m en t203.
202 Ib id ., p. 31.
203 M oskov: Ljaskovec, p. 28.
204 Kančov: Izbrani proizvedenija, II, p. 563.
205 R. O gnjanovic: G a ličn ik. In: Juzna Srbija II (1922) 399.
206 Savie: Zanati i industrija, p. 280; O gnjanovic: G a ličn ik, p. 364.
207 M .M . Velj: D ebar i njegova okolina. In: Bratstvo V III (1899) 36.
201 Svetozar T o m ic : Skoplje — T e to vo — G ostivar — M avrovo — G a ličn ik. In: Bratstvo X V II (1923)
226.
209 Y elj: Debar, p. 35.
210 O gnjanovic: G a ličn ik, p. 403.
2,1 M . Savie: Zanati І industrija, p. 280.
212 G a lič n ik — Jedinstveno selo u svetu. In: Zem lja I (1940) 9, p. 8.
213 P urić: О pečalbarima, p. 170.
214 O gnjanovic: G a ličn ik, p. 397.
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ticularly as they were only likely to see their men at infrequent intervals. O th er
means were therefore needed to ensure their loyalty. Galičnik women, it was
claimed, took care to preserve their looks: light work, a good climate and a milk-
rich diet no doubt helped them in this. They spent much of their time in
needlework, and no doubt the elaborate archaic costumes they made for
themselves were also supposed to enhance their personal attractions, and en-
courage their men to return to them. But there is a certain defensiveness in the
repeated statements that Galičnik men never — well, hardly ever — deserted their
wives o r the com m unity. As Adamic was told, the women reserved their
worst condem nation for men w ho “ forgot” their village228. As the lonely wives
of west Macedonia w ould sing, “ O d o n ’t let him ever see paradise — he w ho re-
mained abroad . . . far, far away in Alexandria” 229.
But emigrate they did. Immigrants from the Debar villages were numerous
enough to have their ow n quarter in Thessaloniki230, and in 1934, 17 Galičnik
families were resident in Sarajevo231. There were probably 508 houses in Galič-
nik in 18 8 8232, and 450 in 1914233. The census of 1931 shows 3,200 inhabitants,
but the first postw ar census in 1951 shows an abrupt decline to 900. By 1971
Galičnik was virtually uninhabited.
* * * *
228 Adam ic: N ative's R e tu rn, pp. 118, 120; G aličnik, (in: Zemlja).
229 C eko Stefanovic: Pečalba bez pečalenja. In: Narodna odbrana X (1935) 566.
230 Kančov: M aķedonija, p. 27.
231 Purić: О pecalbarima, p. 170.
232 K ānčov’s figure o f 3,300 population in 1888 assumes 6.5 per house, — Käncov: Izbrani pro-
izvedenija II, p. 563.
233 Savie: Zanati i industrija, p. 280.
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1 Als neuere Beispiele der Auswertung von Massenquellen vgl. Rainer S. E lkar: Wandernde Gesellen
in Oberdeutschland. Q uantitative Studien zur Sozialgeschichte des H andw erks vom 17. bis zum
19. Jahrhunden. In: U lric h Engelhardt (H g.), H andw erker in der Industrialisierung. Stuttgart 1984,
262— 293; H e lm u t Brauer: Gesellenmigration in der Zeit der industriellen R evolution. K arl-M arx-
Stadt 1982.
2 Vgl. die entsprechenden Hinweise zur Q uellenproblem atik bei Brauer: G esellenm igration, 11; und
Elkar: Wandernde Gesellen, 291.
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Ausgehend von der Beobachtung dieser Probleme wird im folgenden der Ver-
such gemacht, eine zusätzliche Quelle, die bisher vor allem in der historischen
Familienforschung und Dem ographie Verwendung fand, für handwerksge-
schichtliche Fragestellungen nutzbar zu machen. Es handelt sich um Volkszäh־
lungslisten, die seit dem 17. Jah rh u n d ert in ganz Mitteleuropa in breiter Streuung
vorliegen. N atürlich zeichnet sich auch dieser Q uellentyp durch eine Reihe
grundsätzlicher Beschränkungen aus3. Sein Vorteil besteht aber darin, daß er die
gesamte Bevölkerung erfaßt — für unsere konkreten Fragestellungen also Lehr-
linge, Gesellen und Meister aller H andw erke — und daß er es ermöglicht, verschie-
dene soziale Merkmale wie z.B. Beruf, H erk u n ft, Alter, Stellung im Haushalt oder
Familienstand miteinander zu verknüpfen. W o für einen O rt mehrere solcher
Listen erhalten sind, besteht auch die Chance, den zeitlichen Querschnittscharak-
ter zu überwinden und die Dimension des Wandels einfließen zu lassen.
F ü r die vorliegende U ntersuchung stand eine umfangreiche Sammlung von
Volkszählungslisten in maschinenlesbarer und damit mittels EDV analysierbarer
Form zur Verfügung4. Aus diesem Bestand w urden mit Zürich, Wien und
Zagreb drei Städte ausgewählt, in denen das H an d w erk in einer gemeinsamen
Tradition der mitteleuropäischen Zunftverfassung stand, noch zur Mitte des 19.
Jahrhunderts die gewerbliche P roduktion dominierte und das H andw erk insge-
samt einen wesentlichen Teil der Erwerbstätigen beschäftigte. Zugleich unter-
schieden sich diese Untersuchungsgebiete grundlegend nach Größe, Wachstum,
ökonom ischem Entwicklungsstand und Sozialstruktur. Das Sample Zürich 1836
umfaßt die ״kleine Stadt“ , also das links der Limmat gelegene Altstadtviertel, ein
in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts noch überwiegend kleinbürgerlich
geprägtes, kaum von Unterschichten bewohntes Viertel5.
Ergänzend konnten für ganz Zürich auch einige Angaben herangezogen wer-
den, die Bruno Fritzsche aus einem umfangreichen, die Jahre 1866 bis 1880
betreffenden Forschungsprojekt veröffentlichte6. F ü r Wien wurden für die vor-
liegende U ntersuchung drei Gebiete herangezogen: zunächst Teile der Vorstädte
G u m p en d o rf 1827 und Schottenfeld 1857, die beide zu den wichtigsten gewerb-
Eine ausführlichere Diskussion dieses Q uellentyps bei Josef Ehm er: Ein ״intellektueller T ot-
p u n k t"? Z u r Aussagekraft von Volkszählungslisten und zu r ״W iener Datenbank zur europäischen
Familiengeschichte“ . In: Bericht über den 16. österreichischen H isto rike rta g in Krems 1984. Wien
1985, 634-643.
Ebenda ein Ü b e rb lic k über die in der ״W iener Datenbank zu r europäischen Familiengeschichte“
zusammengefaßten Bestände.
V gl. dazu B runo Fritzsche: Das Q u a rtie r als Lebensraum. In: W erner Conze, U lric h Engelhardt
(H g.), Arbeiterexistenz im 19. Jahrhunden. Stuttgart 1981, 95.
Daten zu r H e rk u n ft der Gesellen und erste Ausw ertungen bei B runo Fritzsche: Handwerkerhaus-
halte in Z ü ric h 1865— 1880. Eine Bestandsaufnahme. In: Engelhardt (H g.), H andw erker, 110 ff. Die
von B runo Fritzsche veröffentlichten Daten erfassen alle Gesellen, die in den Jahren 1866— 1880
in Z ü ric h gemeldet waren, unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts. Sie sind nicht vö llig m it
den aus der V olkszählung 1836 gewonnenen zu vergleichen, da Fritzsche nur Angaben zu den in
den Meisterhaushalten mitlebenden Gesellen vorlegt. Einige Branchen — v o r allem die Baugewerbe
— sind dam it in seinem Sample weniger vertreten als im Volkszählungssample 1836.
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liehen Vorstädten zählten, in denen sich traditionelles H andw erk mit hausindu-
strieller und manufaktureller T extilproduktion vermischte7. Das dritte Gebiet
vom V orort Hernals 1880 gehörte — außerhalb der Verzehrsteuergrenze gelegen
— vor 1891 nicht zum eigentlichen W iener Stadtgebiet. U m 1880 war dies eines
der am raschesten wachsenden Viertel der Agglomeration Wien, in dem neben
der industriellen Arbeiterschaft kleine Handwerksbetriebe ihren Platz behielten.
Zagreb, die Hauptstadt des Königreichs Kroatien u nd Slawonien, bot zur Mitte
des 19. Jahrhunderts das Bild einer zentralen Handels-, Handwerks- und Verwal-
tungsstadt, in der Industrialisierungstendenzen noch kaum zu spüren sind8. Das
verwendete Sample Zagreb 1857 umfaßt mit Ausnahme einiger V ororte das
gesamte Stadtgebiet.
Diese drei Städte wiesen also in Bezug auf die Tradition des H andw erks und
seine Bedeutung zur Mitte des 19. Jahrhunderts Gemeinsamkeiten auf, die eine
vergleichende Betrachtung sinnvoll machen und den Blick auf allgemeine Struk-
turm erkm ale des Handwerks lenken. Die Unterschiede zwischen den Samples
sollen es dagegen ermöglichen, die Abhängigkeit der allgemeinen Strukturen von
der jeweiligen ökonomischen, sozialen und demographischen U m w elt zu disku-
tieren. Weniger leicht sind die Einflüsse der jeweiligen Gewerberechtsverhält-
nisse in Betracht zu ziehen, da diese sich ja nicht n u r aus den Rechtssatzungen
selbst, sondern vor allem aus ihrer praktischen A nw endung durch die Zünfte
und Obrigkeiten ergaben. Formal bestand in Wien und Zagreb bis 1860 eine
Zunftverfassung, die jedoch zwischen den Gewerbegruppen differenzierte und
vor allem durch die — örtlich unterschiedlich gehandhabte — Verleihung von
Gewerbebefugnissen durchlöchert w ar9. In Zürich war das Zunftwesen seit 1798
schrittweise zurückgedrängt und 1837 endgültig aufgehoben w o rd e n 10. Es hat
jedoch den Anschein, daß formale gewerberechtliche Bestimmungen wenig
bedeuteten im Vergleich zu den tatsächlich praktizierten, durch Traditionen ver-
festigten Verhaltensweisen einerseits und den realen wirtschaftlichen Spielräu-
men und Herausforderungen andererseits11.
7 A usführlich zu r E n tw icklu n g des H andw erks in W ien Josef Ehmer: F a m ilie n stru ktu r und Arbeits-
organisation im frühindustriellen W ien. W ien 1980.
* A rn o ld Suppan: Die Kroaten. In: D ie Habsburgerm onarchie Bd. 1П/1. W ien 1980, 691; Emanuel
Turczynski: D ie städtische Gesellschaft in den Staaten des Donauraumes. In: Klaus-Detlev G ro th u -
sen (H g.), D ie w irtschaftliche und soziale E n tw ic k lu n g Südosteuropas im 19. und 20. Jahrhunden
— Südosteuropa-Jahrbuch 9. M ünchen 1969, 67 f.; zum Entwicklungsstand der kroatischen W in -
schaft vgl. Igor Karaman: Die E n tw ic k lu n g der M anufakturen beziehungsweise der frühen Industrie
in Kroatien 1750— 1850. In: H e rb e n K n ittle r (H g.), W inschafts- und sozialhistorische Beiträge.
Festschrift fü r A lfre d H offm ann. W ien 1979, 236— 246.
9 Z u r D urchlöcherung der Zunftbestim m ungen vgl. H arald Steindl: Entfesselung der A rb e itskra ft.
In: lus C om m une, Sonderheft 20 (1984) 122 ff.
10 Fritzsche: Handwerkerhaushalte, 107; K a rl D ä n d like r: Geschichte der Stadt und des Kantons
Z ü rich , Bd. III. Z ü ric h 1912, 272 ff.
11 Zu dieser in der handwerksgeschichtlichcn Forschung dom inierenden Sichtweise vgl. zusammen-
fassend K arl H e in ric h Kaufhold: G ew erbefreiheit und gewerbliche E n tw ic k lu n g in Deutschland im
19. Jahrhundert. In: Blätter fü r deutsche Landesgeschichte 118 (1982) 111.
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Die Interpretation der Ergebnisse ist darum bemüht, die H erkunft der Lehr-
linge, Meister und Gesellen im Gesamtzusammenhang der handwerklichen
Sozialverfassung zu verstehen und zugleich damit einige modellhafte Überlegun-
gen zur Wechselbeziehung zwischen der räumlichen und der sozialen Rekrutie-
rung der H andw erker im 19. Jahrhundert zu entwickeln.
II
Auch die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung — wie sie in den Tabellen
im Anhang dokum entiert sind — unterstreichen die bekannte Tatsache, daß die
H erkunft der Lehrlinge, Gesellen und Meister verschieden ist, also die regionale
Mobilität mit der jeweiligen sozialen Position im H andw erk zusammenhängt.
Dies macht es notwendig, die einzelnen G ruppen zunächst getrennt zu behan-
dein, auch w enn das H andw erk als soziales Gesamtsystem im M ittelpunkt unse-
res Interesses steht.
Mit Ausnahme von Hernals 1880 sind in allen unseren Samples die Meister am
ehesten in ihren W o h norten auch geboren. Diese räumliche Persistenz können
w ir als Indiz für soziale Selbstrekrutierung werten. Dabei ist aber weniger an indi-
viduelle K ontinuitäten zu denken, wie etwa die Übernahm e eines väterlichen
Gewerbes durch den Sohn, als vielmehr an kollektive Privilegien bei der Vergabe
von Bürger- und G ew erberechten12. Zugleich machen die Daten deutlich, daß
diese Selbstrekrutierung keinesfalls eine ausschließliche war: In allen Samples
stammen große Teile der Handwerksmeister nicht aus der Stadt selbst. Auch dabei
ist die W irkung rechtlicher Faktoren nicht auszuschließen, etwa in Zürich, wo die
Stadt seit 1831 gegenüber dem übrigen Kanton nicht privilegiert war. Neunzig
Prozent der Meister stammen hier aus Stadt und restlichem Kanton Zürich.
Wichtiger zur Erklärung unterschiedlicher Selbstrekrutierung erscheinen aller-
dings die jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten: Expandierende Märkte
erhöhten die Niederlassungsmöglichkeiten für Zuwanderer (— und sicherlich
auch die Neigung der Behörden zur Vergabe von Gewerbebefugnissen). Dement-
sprechend läßt die Stadt Zagreb bei geringem wirtschaftlichem Wachstum einen
sehr hohen Grad der Selbstrekrutierung erkennen. In Wien liegt er dagegen am
niedrigsten, wobei der Anteil der aus der Stadt selbst stammenden Meister zudem
kontinuierlich zu sinken scheint: Er liegt 1827 (Gumpendorf) bei 43%, 1857
(Schottenfeld) bei 33%, und 1880 (Hernals) bei 24%. Die Bedeutung der Zuwan-
derung für die R ekrutierung der Meister hatte zwar in der Großstadt Wien eine
lange Tradition, die Enwicklung im 19. Jahrhundert läuft jedoch parallel zum
ökonomischen Trend, der durch eine Expansion der handwerklichen Produk-
tion im dritten Viertel des Jahrhunderts gekennzeichnet ist13. Dabei darf aller-
12 Z u r geringen K o n tin u itä t des handwerklichen Familienbetriebs vgl. Michael M itterauer: Z u r fami-
lienbetrieblichen S tru k tu r im zünftigen H andw erk. In: K n ittle r (H g.), Beiträge, 220— 235.
13 Ehmer: F am ilienstruktur.
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dings — wie bei allen Aussagen zur Entwicklung des H andw erks im 19. Jahrhun-
dert — die Differenzierung zwischen den einzelnen Branchen nicht außer acht
gelassen werden: Der Trend zeigt auch eine Umschichtung zu den Massengewer-
ben an, die sich schon in der vorindustriellen Stadt eher aus Zuwanderern rekru-
tierten als die kleineren und wohlhabenden H an d w e rk e14.
Von den Meistern, die nicht in der jeweiligen Stadt selbst geboren wurden, sind
sicherlich zahlreiche als Lehrlinge oder Gesellen, die sich nach der Wanderzeit
etablieren konnten, in die Stadt gelangt. Vor allem der Zusammenhang zur
Zuw anderung der Lehrlinge dürfte hoch sein, da ja die Volkszählungslisten den
O r t der G eburt und nicht den der Freisprechung angeben, so daß die H erkunft
der Meister eine bereits vor dem A ntritt der Lehre vorgenommene Ortsverände-
rung abbilden mag. In diese Kategorie kann die Zuwandererung aus der näheren
Umgebung fallen, die in Zürich und Zagreb sowohl für Meister als für Lehrlinge
bedeutsam war. Diese Übereinstimmung scheint in Zunftsatzungen ihre Entspre-
chung zu finden, in denen ja häufig nicht aus der Stadt stammende, aber hier aus-
gelernte H andw erker eine Mittelstellung zwischen Bürger- bzw. Meistersöhnen
einerseits und fremden Gesellen andererseits einnahmen.
Was die Beziehung zwischen den Herkunftsorten der Meister und jenen der
Gesellen betrifft, so werden auch hier Überlagerungen sichtbar, wenn auch kei-
nesfalls von großem Ausmaß. Parallelitäten zeichnen sich etwa in der Zuwande-
rung von Deutschen in das vormärzliche Wien ab; der Anteil der aus Deutsch-
land Stammenden ist in G um pendorf 1827 bei Gesellen und Meistern hoch. Eine
ähnliche Überlagerung zeigt sich in den späteren Wiener Samples bei den aus
Böhmen kom m enden H andw erkern, was in geringerem Ausmaß auch in Zagreb
der Fall ist. Eine expandierende Handwerkswirtschaft wie die Wiens zur Mitte
des 19. Jahrhunderts hat sicherlich die Möglichkeiten zur Niederlassung für
fremde Gesellen erhöht. Trotzdem erscheint der Zusammenhang zwischen der
H erkunft von Meistern und Gesellen stärker als negativer: Es kom m en offen-
sichtlich keine Meister aus Regionen, aus denen nicht auch Lehrlinge bzw. Gesel-
len stammen.
Wie wenig eine positive Entsprechung vorhanden sein muß, zeigt am besten
das Beispiel Zürich. Hier stammt zwar die Mehrheit der Gesellen, aber kaum ein
Meister aus nichtschweizer Gebiet. In kleinerem Ausmaß k o m m t dies in Zagreb
bei den Zuwanderern aus der Steiermark zum Ausdruck, die unter den Gesellen
einen bedeutenden, unter den Meistern einen sehr kleinen Anteil einnehmen.
Bei der Einschätzung dieses Sachverhalts sind wiederum zwei Faktoren zu
berücksichtigen. Zum einen sind die gewerberechtlichen und ökonomischen
Verhältnisse der jeweiligen Stadt gegenüber jenen des Herkunftsgebiets der
Gesellen abzuwägen, also die Chancen, sich an einem auf der W anderung passier-
ten O r t niederzulassen in Relation zu den Chancen, die ein Geselle bei der etwai
14 Nach einem Verzeichnis von 1742 sind z.B. 15% der W iener Schuhmachermeister und 13% der
Schneidermeister in der Stadt gebürtig, dagegen 56% der Buchbinder und 48% der Goldschmiede;
M itterauer: Fam ilienbetriebliche S truktur, 197 ff.
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52 Josef Ehmer
gen R ückkehr in seinen Geburts- oder Lehrort erwartete. Diesem Problem wird
noch im folgenden Teil ausführlicher nachgegangen werden.
Z um anderen ist der Q uerschnittscharakter der Quelle zu berücksichtigen, der
soziale Vorgänge aus verschiedenen Perioden in einer M omentaufnahme erstar-
ren läßt. Das höhere Alter der Meister gegenüber Gesellen und Lehrlingen
drückt nicht n u r eine bestimmte soziale Position und Stellung im Lebenszyklus
aus, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer Generation, die in bereits vergange-
nen Zeiten aufwuchs. W ährend die H erkunftsorte von Lehrlingen und Gesellen
Ausdruck aktueller Verhältnisse sind, ist im H erk u n ftso rt der Meister ein viel-
leicht zwei oder drei Jahrzehnte zurückliegendes Verhalten festgefroren — für
eine U m bruchsperiode wie die Mitte des 19. Jahrhunderts ein durchaus langer
Zeitraum. Deutlich spiegelt sich dies in den Tabellen bei der Entwicklung der
W iener Z uw anderung aus Deutschland. 1827 liegt der Anteil der Meister und der
Gesellen gemeinsam knapp unter einem Viertel der Gesamtheit. 1857 hat sich bei
den Gesellen das W anderverhalten geändert, aus Deutschland führen nun keine
massenhaft beschrittenen R outen nach Wien, sondern nur mehr individuelle
Wege. Bei den Meistern scheint dagegen das frühere Verhalten noch durch. Wie-
derum eine G eneration später — in Hernals 1880 — hat sich nun eine Angiéi-
chung auf dem niedrigen Niveau durchgesetzt.
III
Auch die H erk u n ft der Lehrlinge läßt sich nur im Zusammenhang mit der sozia-
len R ekrutierung des H andw erks interpretieren. Sie kom m en zu einem beträcht-
lieh geringeren Teil als die Meister aus der jeweiligen Stadt selbst und nehmen
in dieser Hinsicht eine mittlere Position zwischen Meistern und Gesellen ein (—
w enn auch nicht notwendigerweise, wie das Beispiel Schottenfeld 1857 zeigt).
Die H e rk u n ft aus der Stadt selbst ist abhängig davon, wieweit die Handwerks-
meister bestrebt waren, ihre Zunft — oder das H andw erk insgesamt — durch
eigene Kinder zu reproduzieren, wobei man auch hier wieder weniger an indivi-
duelle N ach k o m m en als vielmehr an Angehörige der sozialen G ruppe zu denken
hat. D er Befund dazu ist widersprüchlich: O h n e Zweifel wurde mit Zunftbestim-
mungen versucht, den eigenen N achw uchs zu privilegieren; andererseits man-
gelte es durchaus nicht an Bestrebungen, diesen nicht in das H andw erk, sondern
in höhere soziale Positionen zu führen. Im späten V orm ärz ist es geradezu ein
Topos der Handw erksliteratur, daß Bürger und Meister — vor allem die besser
situierten — ihre Söhne weniger für das eigene G ewerbe als für sozialen Aufstieg
bestim m ten15. Auch aus den Volkszählungslisten wird die tatsächliche Bedeu-
фф
15 Jörg Jeschke: Gewerberecht und H andw erksw irtschaft des Königreichs H annover im Übergang
1815— 1866. G ö ttin g e n 1977, 242. F ü r Z ü ric h im 18. Jahrhundert verweist R u d o lf Braun auf den
hohen Stellenwert der geistlichen Laufbahn als Aufstiegschance fü r reichere H andw erker; R u d o lf
Braun: Das ausgehende Ancien Regime in der Schweiz. G öttingen 1984, 173, 197.
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rung etwa der schulischen Ausbildung oder sozial höherer Berufe für Handwer-
kersöhne sichtbar16. Wieweit allerdings sozialer Aufstieg realisiert werden
konnte, w ar natürlich nicht n u r vom Willen der Betroffenen abhängig, sondern
wesentlich von der Sozialstruktur der Stadt, dem Entwicklungsstand des Schul-
wesens, des Handels, der Verwaltungsberufe etc. Eine wenig differenzierte
Sozialstruktur, wie sie im Vergleich zu Zürich und Wien in Zagreb herrschte,
verringerte sicherlich Motivation und reale Chance zum Verlassen der sozialen
G ruppe. Dies mag ein F ak to r sein, der den hohen Anteil der aus Zagreb selbst
stamm enden Lehrlinge erklärt. Allerdings handelt es sich hier um einen Pro-
blemkreis, der mit den zugrundeliegenden Quellen und den angewandten Metho-
den nicht ausreichend zu untersuchen ist.
N eben den sozialen Bestrebungen haben auch die demographischen Verhält-
nisse des H andw erks seine Selbstrekrutierung behindert. H ohes Heiratsalter,
häufiges Heiraten von W itwen oder älteren Frauen bewirkten insgesamt eine
niedrige Fruchtbarkeit und in der Folge geringe Kinderzahlen.
Aus all dem wird deutlich, daß zwar durch Privilegien dem eigenen Nach-
wuchs gute Einstiegsbedingungen in das Gewerbe gesichert werden sollten, die-
ser aber trotzdem nicht ausreichte, um den zahlenmäßigen Fortbestand des
H andw erks, vor allem aber seinen Bedarf an Arbeitskräften, zu gewährleisten.
Die R ekrutierung aus anderen sozialen Schichten war unumgänglich, und wie
unsere Zahlen zeigen, bedeutete dies auch die R ekrutierung von außerhalb der
Stadt. In Zürich und Wien waren zwischen 75 und 87% der Lehrlinge zugewan-
dert, in Zagreb immerhin m ehr als die Hälfte.
D er hohe Anteil nicht aus der Stadt stammender Lehrlinge und deren soziale
H erk u n ft wirft eine Reihe von Fragen auf: Reichten die Söhne städtischer Unter-
schichten zur Befriedigung des Lehrlingsbedarfs nicht aus oder bevorzugten die
Meister Kinder aus ländlichem Milieu? Handelte es sich um Söhne von Land-
handw erkern, die vielleicht zur Lehrlingsausbildung nicht berechtigt waren oder
eine städtische Ausbildung höher schätzten, oder kamen Lehrlinge aus bäuerli-
chen oder unterbäuerlichen Schichten? Dies sind Fragen, die sich beim gegenwär-
tigen Forschungsstand nicht umfassend beantw orten lassen und die auch mit den
hier zugrundeliegenden Quellen nicht zu erfassen sind17.
U n ter den Zuwanderungsgebieten überwog in Zürich und Zagreb die nähere
Umgebung: in Zürich der Kanton, in Zagreb das Komitat und das angrenzende
Komitat Varaždin. In beiden Fällen scheinen D örfer zu dominieren. Zuwande-
16 Das t r if f t auf die hier verwendeten Listen, insbesondere auf Z ü ric h 1836 zu, w ird aber auch dar-
übcrhinaus sichtbar. W eitere Beispiele bei Josef Ehmer: Ö konom ischer und sozialer S trukturw an-
del im W iener H andw erk. In: Engelhardt (H g.), H andw erker, 104 ff.
17 Für Regensburg 1780— 1800 betonen G rieß inger und R eith den Zusammenhang zwischen reģiona-
1er und sozialer R ekrutierung: je niedriger das Lehrgeld, je kü rze r die Lehrzeit, allgemein je geringer
die Zulassungsbedingungen, desto höher der A n te il der Lehrlinge aus den umliegenden O rtschaf-
ten; Andreas G rießinger, R einhold Reith: Lehrlinge im deutschen H andw erk des ausgehenden 18.
Jahrhunderts. Arbeitsorganisation, Sozialbeziehungen und alltägliche K o n flik te . In: Zeitschriften
fü r historische Forschung 13 (1986) H e ft 2, 156 ff., insbes. 158.
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54 Josef Ehmer
rung aus größerer Entfernung spielte für Lehrlinge eine geringe Rolle, außer in
Wien, w o aus dem umliegenden Niederösterreich absolut und relativ nur wenige
Lehrlinge stammen und die Sudetenländer zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein
anscheinend unerschöpfliches Reservoir bildeten.
Die räumliche N ähe der Herkunftsgebiete der Lehrlinge verweist auch auf den
T y p ihrer Wanderung. Diese war eine einmalige Ortsveränderung, der Übertritt
vom Haushalt der Herkunftsfamilie in den Meisterhaushalt, und kein längerer
Dauerzustand wie bei den Gesellen. Es handelt sich allerdings um Einzelwande-
rung. Die Q uellen bieten keinen Hinweis, daß ein bemerkenswerter Teil der
nicht aus der jeweiligen Stadt stammenden Lehrlinge etwa gemeinsam mit ihrer
Familie zugewandert wäre. Trotzdem ist zu vermuten, daß die W anderung der
Lehrlinge an bereits bestehende soziale oder verwandtschaftliche Beziehungen
anknüpfte oder in anderer Form in institutionalisierten Bahnen erfolgte: zwi-
sehen Böhmen und Wien etwa durch Händler und Fuhrleute, die auf ihren regel-
mäßigen Fahrten in den böhmischen Dörfern Kinder aufsammelten und an
bestimmte Meister in der Stadt ablieferten18.
IV
Bei den Gesellen, die in unseren Samples fast immer die große Mehrheit der hand-
werklichen Arbeitskräfte stellen, ist Zuwanderung die bei weitem wichtigste
Rekrutierungsquelle. Ein extremes Beispiel bietet Zürich, wo kaum einer der
Gesellen aus der Stadt selbst stammt. In den übrigen Untersuchungsgebieten liegt
der Anteil der einheimischen Gesellen ziemlich gleichmäßig bei einem Viertel.
Auch bei den Gesellen ist natürlich ihre H erkunft bis zu einem bestimmten Grad
von der H erk u n ft der Lehrlinge abhängig. Die einheimischen Gesellen haben
höchstwahrscheinlich auch ihre Lehre am Geburtsort absolviert, und sicherlich
ist auch ein Teil der aus der näheren Umgebung stammenden Gesellen nicht
nach, sondern vor ihrer Lehrzeit in die jeweilige Stadt gelangt. Aufgrund der grö-
ßeren Zahl der Gesellen nehmen allerdings die aus dem Umland Stammenden
einen wesentlich geringeren Anteil ein, als dies bei den Lehrlingen der Fall ist.
Auch in absoluten Zahlen liegen die aus der Nähe kommenden Gesellen unter
den Lehrlingen, ein Hinweis dafür, daß unsere Städte nicht nur fremde Gesellen
anzogen, sondern auch — wenn auch in vergleichsweise bescheidenem Ausmaß
— einheimische auf Wanderschaft schickten.
Bei den Gesellen, die nicht aus Stadt und Umland stammen, zeichnen sich zwei
Herkunftskreise ab. Z um einen die Fernwanderung auf weitreichenden, vermut-
lieh seit langem bestehenden Routen, wie sie die aus den norddeutschen Territo-
18 Einen Ü b e rb lic k über Form en der Zuwanderung nach Wien gibt H einz Faßmann: A Survey o f
Patterns and Structures o f M ig ra tio n in Austria 1850— 1900. In: D ir k H oerder (ed.), Labor Migra-
tio n in the A tla n tic Economies in the Period o f Industrialization. C o n trib u tio n s in Labor H is to ry
16 (W estport 1984) 6 9 -9 3 .
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rien nach Zürich oder überhaupt aus deutschen Ländern nach Wien oder Zagreb
kom m enden Gesellen erkennen lassen. Diese Form der W anderung steht m.E.
am ehesten in der langen Tradition zünftigen Gesellenwanderns, das nicht nur
arbeitsmarktpolitische Funktionen erfüllte, sondern auch vom Streben nach all-
gemeiner, beruflicher und im 19. Jahrhundert sicherlich auch politischer Bildung
getragen w a r 19. Wie aus den Herkunftsorten hervorgeht, erfolgte diese Fernwan-
derung überwiegend zwischen größeren städtischen Zentren: Aus Berlin, Ham-
bürg oder Leipzig kamen 1836 jeweils mehrere Züricher Gesellen. In quantitati-
ver Hinsicht ist allerdings nur ein kleiner Teil der Gesellen diesem W andertyp
zuzurechnen. In Zürich stammte 1836 knapp mehr als ein Zehntel der Gesellen-
schaft aus deutschen Territorien, die nicht an die Schweiz angrenzen. Dieser
Anteil scheint jedoch bis in die 1880er Jahre stabil geblieben zu sein. In Wien
wird dagegen — wie bereits erwähnt — ein Bedeutungsverlust der Fernwande-
rung aus Deutschland sichtbar. Kamen in G um pendorf 1827 noch m ehr Gesellen
aus deutschen Ländern als aus Böhmen und Mähren zusammen, so erscheint
Wien in den mittleren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bereits von den Massen-
und Fern Wanderrouten der deutschen Gesellen abgekoppelt. Dies k om m t
sowohl in einem allgemeinen Rückgang zum Ausdruck, als auch in einer zuneh-
menden Verengung ihres Herkunftsbereichs auf Bayern: Von dort kam 1827 nur
ein kleiner Teil, 1857 und 1880 mehr als die Hälfte der deutschen Gesellen in
W ien20. Zagreb wurde von der Fernwanderung deutscher Gesellen zur Mitte des
19. Jahrhunderts nur (noch?) am Rande berührt.
Q uantitativ wesentlich stärker als Fernwanderung und Zuw anderung aus dem
städtischen U m land fällt ein dritter Einzugsbereich ins Gewicht. R und ein Drit-
tel der Züricher Gesellen stammt aus Baden und — vor allem — W ürttemberg;
vierzig bis fünfzig Prozent der Wiener Gesellen kom m en zur Jahrhundertm itte
aus den Sudetenländern, insbesondere aus Böhmen. In Zagreb herrscht unter
dem insgesamt nur knapp über die Hälfte ausmachenden nicht-kroatischen Ein*
zugsbereich eine breitere Streuung. In bescheidenem A usm aß ist allerdings die
Steiermark — und hierunter vor allem die Untersteiermark — als Schwerpunkt
erkennbar.
H ier zeichnen sich verdichtete Beziehungen zwischen den untersuchten über-
regionalen städtischen Zentren auf der einen Seite, und bestimmten bevorzugten
Herkunftsgebieten in meist mittlerer Entfernung auf der anderen Seite ab.
Sicherlich ist die Dichte dieser Beziehungen nicht nur von einem F a k to r allein,
sondern von verschiedenen Ursachen abhängig: Die geringe Zahl bayerischer
Gesellen in Zürich könnte etwa von religiösen Motiven beeinflußt sein; der
Anteil Zagreber Gesellen aus ungarischen Komitaten — unter denen die west-
ungarischen dominieren — mag ethnisch bestimmte Migration ausdrücken; das
19 Ein bekanntes Beispiel fü r politische Interessen bietet der Magdeburger Schneidergesellc W ilh e lm
W eitling, der in den 1830er Jahren in W ien und Z ürich arbeitete.
20 D er Rückgang der deutschen Gesellen in W ien w ird auch in Z unftarchivalien einzelner Gewerbe
deutlich. Z u r H e rk u n ft der W iener Tischlergesellen 1820— 1906 vgl. Ehmer: S trukturw andel, 99.
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56 Josef Ehmer
Ausscheiden Wiens aus den deutschen Fernw anderrouten ist sicherlich von poli-
zeilichen M aßnahm en und dem politischen Auseinanderrücken Österreichs und
der deutschen Territorien beeinflußt. T rotzdem scheint mir, daß der zahlenmä-
ßig bedeutende T y p der Gesellenmigration im Kraftfeld von überregionalem
Z en tru m und bevorzugter H erkunftsregion mittlerer Distanz mit den zentralen
A rgum enten der handwerksgeschichtlichen Diskussion, die vor allem Ausschlie-
ßungsbestrebungen der städtischen Meister und eine breite Palette kollektiver
und individueller Motive als Ursachen der Gesellenmigration hervorhebt, nicht
vollständig erklärt werden kann. D azu scheint vielmehr ein sozialökonomisches
Modell notwendig zu sein, das die Stadt-Land-Beziehungen im H andw erk in den
M ittelpunkt stellt. Dies ist allerdings ein Problembereich, dem von der hand-
werksgeschichtlichen Forschung erst sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt
wurde. Im folgenden kann deswegen n u r versucht werden, einige Elemente eines
derartigen Modells zu skizzieren.
21 G rundlegend dazu Klaus J. Bade: A ltes H a n d w e rk, Wanderzwang und G ute Policey: Gesellenwan-
derung zwischen Z u n ftö k o n o m ie und G ew erbereform . In: VSW G 69 (1982) 1— 37. F ü r frühere
Perioden vgl. ferner K n u t Schulz: Handwerksgesellen und Lohnarbeiter. Sigmaringen 1985,
2 6 8 -2 7 4 .
22 A ls breiten Ü b e rb lic k zu r Geschichte des Landhandwerks vgl. Helga Schultz: Landhandwerk im
Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus. B e rlin /D D R 1984.
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Die Herkunft der Handwerker in städtischen Zentren 57
23 Die W anderung von Lehrlingen und Gesellen vom Land in die Stadt reicht w eit zurück und ist
an vielen Beispielen dokum entiert. Z u den Lehrlingen vgl. M itterauer: Fam ilienbetriebliche Struk-
tur, 214; Jeschke: Gewerberecht, 243; ferner K u n W esoły: Lehrlinge und Gesellen am M itte lrh e in .
Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis zum 17. Jahrhunden. F ra n k fu rt 1985; zu den
Gesellen vgl. neben den zitierten Arbeiten von E lka r und Brauer auch Klaus Schwarz: D ie Lage
der Handwerksgesellen in Bremen während des 18. Jahrhunderts. Bremen 1975, 45 ff.; Franz Ler-
ner: Eine Statistik der Handwerksgesellen in F ra n k fu rt a.M. vom Jahre 1762. In: VSW G 22 (1929)
174-193.
Die Rückwanderung von Gesellen auf das Land, um sich d o rt ständig niederzulassen, ist dagegen
noch wenig erforscht. W ichtige Hinweise auf diese Stadt-Land-Wanderung in marginale Selbstän-
digkeit geben Eckart Schremmer: Standortausweitung der W arenproduktion im langfristigen W irt-
schaftswachstum. Z u r Stadt-Land-Arbeitsteilung im Gewerbe des 18. Jahrhunderts. In: VS W G 59
(1972) 15; K arl H e in rich Kaufhold: Das Gewerbe in Preußen um 1800. G öttingen 1978, 350 f. Daß
vor den in die Stadt wandernden Lehrlingen die Perspektive der Landmeisterexistenz stand, verm u-
ten R eith /G rie ß in g e r: Lehrlinge, 157; und Jeschke, Gewerberecht, 243.
24 Z u r globalen Einschätzung der H andw erksentw icklung im 19. Jahrhundert vgl. die Beiträge von
Karl H e in ric h Kaufhold: H andw erk und Industrie 1800— 1850, 321— 368; W o lfra m Fischer: Berg-
bau, Industrie und H andw erk, 527— 562; W erner Conze: Sozialgeschichte 1850— 1918, 602— 684;
alle in: Handbuch der deutschen W irtschafts- und Sozialgcschichte Bd. 2, Stuttgart 1976.
25 Z u r besonders dynamischen E n tw icklu n g des städtischen H andw erks vgl. Jürgen Bergmann: Das
Berliner H andw erk in den Frühphasen der Industrialisierung. Berlin 1973; Friedrich Lenger: Polari־
sierung und Verlag. Schuhmacher, Schreiner und Schneider in Düsseldorf 1816— 1861. In: Engel-
hardt (H g.), H andw erker, 127— 145; Ehmer: S trukturw andel.
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58 Josef Ehmer
derts zum Ausdruck kommt: U n ter den H andw erkern auf den Dörfern und
Marktflecken überwiegen die Meister bei weitem, und unter den H andw erkern
der Städte dominieren die Gesellen — und zwar umso mehr, je größer die jewei-
lige Stadt26.
Es handelt sich dabei natürlich nur um ein abstraktes Schema, das dazu dienen
soll, bestimmte Züge der Handwerkermigration zu erklären. Etwas konkreter
kann es werden, wenn wir nun die einzelnen bevorzugten Herkunftsgebiete
mittlerer Distanz in die Betrachtung einbeziehen.
Baden und W ürttem berg waren schon um 1800 jene deutschen Territorien mit
dem dichtesten Landhandwerk. Bis zur Mitte der 1840er Jahre wuchs das Hand-
w erk insgesamt stark an, wobei zwei Differenzierungen für uns wichtig sind: Das
ländliche Kleingewerbe wuchs schneller als das städtische, und zumindest in
manchen Perioden stieg die Meisterzahl rascher als die der Gesellen, etwa in
W ürttem berg in den 1830er Jahren27. Diese Region scheint demnach das Beispiel
einer Handwerkerlandschaft zu bieten, die selbständige Niederlassung — wenn
auch meist in Form einer ländlichen Grenzexistenz — ermöglicht, zugleich damit
aber einen Überschuß an unselbständigen Arbeitskräften produziert.
Die Lage des Handwerks in Böhmen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
ist weniger gut erforscht. Schon im ausgehenden 18. Jahrhundert war Böhmen
allerdings von einem dichten N etz textiler Hausindustrie überzogen, und es ist
durchaus anzunehmen, daß die von Helga Schultz konstatierte ״Parallelität“ und
״positive Wechselwirkung“ in der Entwicklung von Exportgewerbe und ländli-
ehern H andw erk auch hier durchschlug28. Für den Vormärz verweisen verschie-
dene Berichte auf die Überbesetzung der Gewerbe in den kleinen Landstädten,
wo die Meister zum Teil als Taglöhner arbeiten müßten, und zwar viele Lehr-
linge annähmen, aber zu arm wären, diese dann auch als Gesellen zu halten.
26 Vgl. etwa die Angaben bei Gustav Schmoller: Z u r Geschichte der Kleingewerbe im 19. Jahrhun-
dert. H alle 1870; fü r eine Reihe einzelner Gewerbe Georg v. Viebahn: Statistik des zollvereinten
und nördlichen Deutschlands, T eil 3. Berlin 1868, 559, 589 (Bäcker), 595 (Fleischer), 671 (Schneider)
usw.; Paul Voigt: D ie Hauptergebnisse der neuesten deutschen H andw erkerstatistik von 1895. In:
Jahrbuch fü r Gesetzgebung, V erw altung und V olksw irtschaft im Deutschen Reich 21 (1897), insbe-
sondere 240, 245, 248 ff. U n te r den neueren A rbeiten bringt dasselbe Ergebnis fü r Rheinhessen
A nne J. MacLachlan: D er Übergang vom H andw erker zum U nternehm er in M ainz 1830— 1860.
In: Engelhardt (Hg.), H andw erker, 155.
27 Z u W achstum und V erteilung des Kleingewerbes in Baden in den Jahren 1809 bis 1829 vgl. W o lf-
ram Fischer: D er Staat und die Anfänge der Industrialisierung in Baden. Berlin 1962, 287— 291; zur
H andw erksentw icklung in W ürttem berg 1829— 1844 vgl. W olfgang von H ippel: Bevölkerungsent-
w icklu n g und W irtschaftsstruktur im Königreich W ürttem berg 1815/65. In: U lric h Engelhardt u.a.
(H g.), Soziale Bewegung und politische Verfassung. Stuttgart 1976, 320. Z u r Landhandwerkerdichte
um 1800 Angaben bei Schultz: Landhandwerk, 33 f., 170; allgemein zu r G ew erbeentw icklung in
Baden und W ürttem berg vgl. auch Schmoller; Kleingewerbe, 104 ff. und 109 gg.
28 Schultz: Landhandwerk, 31. D ie weite V erbreitung der böhmischen Hausindustrie und der fü r den
überlokalen M a rk t arbeitenden ״Kom m erzialgewerbe“ dokum entiert fü r die Jahre 1766— 1797
Gustav O tru b a : Die älteste M anufaktur- und Gewerbestatistik Böhmens. In: Bohemia. Jahrbuch des
C ollegium C arolinum 5 (1964) 104— 241. Gerade fü r Böhmen ist allerdings eine weitere regionale
D ifferenzierung erforderlich; vgl. dazu Schultz: Landhandwerk, 53.
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Auch die disparitätische Verteilung der Arbeitskräfte (Meister auf dem Land —
Gehilfen in den größeren Städten) ist für Böhmen belegt29. T rotzdem scheinen
sich hier die Verhältnisse etwas anders zu gestalten als in Baden und W ürttem-
berg: Arbeitskräfte wurden zwar in großem Maß exponiert, zumindest die Wie-
ner Daten weisen aber darauf hin, daß die böhmischen Gesellen eher daran inter-
essiert waren, sich dauerhaft in der Fremde niederzulassen, als in ihre Heimat
zurückzukehren. O b dies zur Mitte des 19. Jahrhunderts der besonderen Anzie-
hungskraft und dem enormen Wachstum Wiens zu danken ist, oder ob umge-
kehrt die Existenzbedingungen für Landhandwerker in Böhmen zu schlecht
waren, um Rückwanderung zu motivieren, kann gegenwärtig noch nicht ent-
schieden werden.
Zagreb bietet zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein negatives Beispiel für unser
Modell. Hier spielte die Zuwanderung der H andw erker eine geringere Rolle. Das
städtische Kleingewerbe war noch nicht von dem für Zürich und Wien charakte-
ristischen Wachstumsschub erfaßt worden, beschäftigte eine vergleichsweise nur
geringe Zahl von Gesellen und war wenig differenziert. Dazu kom m t, daß auch
in den ländlichen Gebieten im Einzugsbereich Zagrebs zur Mitte des 19. Jahr-
hunderts die wirtschaftliche und soziale Differenzierung nur wenig fortgeschrit-
ten war. In Kroatien, vor allem in den Gebieten der Militärgrenze, hatte noch
die Zadruga Bestand30. Stark belasteter landwirtschaftlicher Kleinstbesitz, der
schon in den 1850er Jahren eine Abwanderungswelle erzwang, war dagegen für
die slowenische Bevölkerung Krains und der Untersteiermark kennzeichnend31.
Dies mag eine höhere Zuwanderung aus diesen Regionen nach Zagreb begrün-
den, wobei allerdings nicht zu übersehen ist, daß das ländliche H an d w erk hier
nur eine marginale Rolle spielte. Vielleicht erklärt dies wiederum, daß vor allem
in den Baugewerben (Maurer, Zimmerer) der Anteil der aus Krain und der Steier-
mark eingewanderten Gesellen besonders deutlich zur Geltung kom m t.
VI
W erner Conze hat für das H andw erk des 19. Jahrhunderts festgestellt, daß mit-
unter auch gesamtwirtschaftlich zutreffende Feststellungen unzureichend oder
sogar irreführend sind, da ״die soziale Wirklichkeit sich uneinheitlich und wider-
sprüchlich ausnahm “ 32. Von daher leitete er für die Sozialgeschichte die N otw en-
digkeit einer nicht nur regionalen, sondern auch branchenspezifischen Differen-
zierung ab. Auch hier soll demnach noch ein kurzer Hinweis auf branchenspezi-
fische Differenzierungen versucht werden. Unser Erklärungsmodell beruht ja auf
29 Hinweise fü r die Zeit vom V orm ärz bis in die 1860er Jahre bietet Peter Heumos: Bruderlande und
proletarischer Tabor. Soziale Bedingungen von A ktions- und Organisationsform en tschechischer
kleingewerblicher A rb e ite r in Böhmen 1850— 1870. In: VSW G 69 (1982) 342, 346.
30 Suppan: Kroaten, 662.
31 Janko Pieterski: D ie Slowenen. In: Die Habsburgermonarchie Bd. 1II/2. W ien 1980, 812 ff.
32 Conze: Sozialgeschichte, 616.
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60 Josef Ehmer
der Annahm e, daß Gesellen zwar in den Städten als A rbeitskräfte gebraucht, aber
in der dauerhaften Niederlassung behindert wurden. Diese Voraussetzung t r if f t
nun v o r allem fü r diejenigen Gewerbe zu, in denen zur M itte des 19. Jahrhun-
derts die Gesellen noch nicht heirateten und einen eigenen Haushalt gründeten,
sondern beim Meister, vielleicht auch als U nterm ieter, Bett- oder Tischgänger
lebten. Insgesamt handelt es sich bei den hausrechtlich abhängigen, im Haushalt
des Meisters lebenden Gesellen in Z ü rich 1836, Zagreb 1857 und Schottenfeld
1857 um die M e h rh e it33. Einige Gewerbe waren aber in besonderem Maße von
diesen Verhältnissen bestimmt: die Nahrungsm ittelgewerbe (Bäcker, Fleischer),
die Schuster, in geringerem Ausmaß auch Schneider und Tischler. Es sind denn
auch diese hausrechtlich verfaßten Branchen, die ein besonders dichtes Migra-
tionsnetz zwischen Z ürich und Baden und W ürttem berg, zwischen W ien und
den Sudetenländern erkennen lassen.
E in anderes M igrationsverhalten zeigen diejenigen handw erklichen Branchen,
in denen eine lange T ra d itio n der Lohnarbeit bestand und es auch fü r Gesellen
üb lich w ar, zu heiraten, einen Haushalt zu gründen, dauerhaft in der jeweiligen
Stadt ansässig zu sein. Sie rekrutieren sich in wesentlich höherem M aß als die
beim M eister wohnenden Gesellen aus der jeweiligen Stadt selbst: Dies w ird deut-
lieh bei den M aurern und Zim m erern in Zagreb, die zu 33 bzw. 40% aus der
Stadt selbst stammen, oder bei den T extilhandw erkern in W ien-Schottenfeld, bei
denen der A n te il der in W ien geborenen sogar zwischen 61 (Weber) und 86%
(Bandmacher) liegt.
A uch diese allgemeine Regel unterschiedlichen M igrationsverhaltens zwischen
lohnarbeitenden und hausrechtlich verfaßten Gewerben t r if f t allerdings nicht in
jedem Fall zu. Betrachten w ir etwa die Textilhandw erker in W ien-G um pendorf
1827, so zeichnen sich die Zeugmacher durch die bereits konstatierte hohe Ansäs-
sigkeit aus, bei den Webern überwiegen dagegen die Zuwanderer — sogar stärker,
als dies bei der Gesamtheit der Gesellen der Fall ist. Auch hier sind also die kon-
kreten Verhältnisse der einzelnen Gewerbe, vo r allem deren regionale und lokale
K o n ju n k tu re n zu berücksichtigen. Eine weitere Besonderheit fä llt bei der Her-
k u n ft der M aurer in Z ü rich auf: V o n ihnen stammt 1836 kein einziger aus der
Stadt selbst, und nur wenige aus dem U m land. Dagegen kom m en große Teile aus
V orarlberg, T iro l und Liechtenstein — alles Herkunftsgebiete, die in den anderen
Gewerben kaum eine Rolle spielen. W ir haben es hier m it Saisonwanderern zu
tu n , die aus eng begrenzten Regionen — etwa dem T iro le r Paznauntal — stam-
men, in größeren G ruppen gemeinsam nach Z ü rich wanderten, d o rt zusammen
in denselben Q uartieren lebten, und zum Ende der Saison wieder zu ihren Fami-
lien zurückkehrten.
A u f der Ebene der einzelnen Gewerbe in den einzelnen Städten w ird demnach
eine große V ielfalt konkreter Migrationsverhältnisse sichtbar. T ro tz dieser Viel-
33 In Z ü ric h lebten 1836 60%, in Zagreb 1857 55% und in W ien-Schottenfeld 1857 52% aller Gesellen
im Haushalt ih re r Meister.
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D ie Angaben in den Tabellen beruhen auf der Ausw ertung von U rm aterialien von Volkszählungs-
listen. Diese Q uelle läßt nicht im m er eine scharfe Abgrenzung des H andw erks und der sozialen Posi-
tio n der H andw erker zu. Für die Ausw ertung g ilt, daß die in den Tabellen enthaltenen Kategorien
״Geselle“ , ״L e h rlin g ״und ״M eister“ im wesentlichen nur solche Personen umfassen, die auch in der
Q uelle so bezeichnet sind. Fehlt in der Q uelle diese Bezeichnung, so w urde sie n ich t fü r die Gesamt-
heit, sondern n u r fü r die Massenhandwerke der Schneider, Schuster, Tischler, Schlosser, Bäcker, Flei-
scher, Z im m erer und M aurer rekonstruiert. Dies t r if f t zu fü r die Meister in Z ü ric h 1836 (der Begriff
Meister findet hier keine Verwendung), fü r Gesellen und Meister in W ien-G um pendorf 1827 (die
Zahl der Lehrlinge w ar hier zu gering, um aufgenommen zu werden) und fü r die Lehrlinge in W ien-
Schottenfeld 1857.
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62 Josef Ehmer
W eiterhin w urden die folgenden Ausweitungen der Kategorien vorgenom m en: Z u Gesellen wurden
auch ״G ehilfen“ und ״Knechte“ gezählt, wenn deren Berufsbezeichnung eindeutig handw erklichen
C harakter tru g (z.B. ״Bäckerknecht“ ). Z u M eistern w urden auch ״befugte“ und ״bürgerliche“ Hand-
w erker gerechnet. In den Tabellen m it den w ichtigsten Einzelgewerben sind Träger bloßer Berufs-
bezeichnungen ( ״Tischler“ ) dann zu Gesellen gerechnet, wenn weitere Angaben in der Q uelle dies
gerechtfertigt erscheinen ließen.
In den W iener Textilgewerbcn w ird m ehrheitlich n u r die Berufsbezeichnung ( ״W eber“ , ״Band-
macher“ ) angeführt, ohne weitere soziale Bestimmung. In dieser Branche w urden deshalb alle Berufs*
träger in den Tabellen zusammengefaßt.
H e rk u n ft der ״Gesellen“
Gesellen Lehrlinge M eister2 1866— 1880 (nach B. Fritzsche)3
% % % %
Schweiz zusammen 193 36,8 111 88,1 112 97,4 4.717 43,1
Vorarlberg 19 3,6
T iro l 27 5,1
Sonst. Österreich 10 1,9
Ф»
Österreich zusammen 56 10,7 421 3,8
1 einschließlich H ohenzollern
2 N u r Meister der Schneider, Schuster, Tischler, Schlosser, Bäcker, Fleischer
3 vgl. A n m . 6
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Stadt Z ü ric h 2 2 1 1 1
K anton Z ü rich 9 11 — 5 3 6 4
Sonstige Kantone 26 16 2 5 5 5 16
Schweiz zus. 37 27 4 11 9 11 21
Baden 19 21 7 1 1 2
W ü rte m b e rg 1 39 23 1 6 11 —
2
Bayern 7 2 —
3 3
Sachsen 3 3 1 —
Hessen 4 1 2 2
N o rd d t. Staaten 3 5 1 4 3
D t. Staaten zus. 75 55 5 22 12 4 7
V orarlberg 1 13 1
T iro l 25
Sonst. Österreich 1 1 4
ф Ф
O sterr. zus. 1 2 42 1
Liechtenstein 16
Sonstige Staaten 1 1
N ic h t zuordenbar 1 3 1 3
Zusammen 115 86 10 37 21 73 30
Gesellen Meister
% %
1 einschließlich V o ro rte
N ic h t zuordenbar 3 4,2 2 9,5 2 n u r Schneider, Schuster,
Tischler, Schlosser, Bäcker,
Zusammen 72 100,0 21 100,0
Fleischer, M aurer, Z im m erer
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64 Josef Ehmer
Tabelle 4: H erkunft der Handwerksgesellen in den wichtigsten Einzelgewerben , W ien-G um pendorf 1827
G um pendorf — — 2 3 11 5
Sonstiges W ie n 1 10 2 — 1 24 17
W ien zusammen 10 2 2 4 35 22
Niederösterreich 2 4 3 1 14 3
Böhmen 2 3 2 1 35 3
Mähren 2 2 1 1 29 1
Schlesien 1 1 11 —
Sonstige Staaten — — — — 1
N ic h t zuordenbar 1 1 — 1 4 3
Zusammen 25 26 13 8 158 35
1 einschließlich V o ro rte
2 überwiegend ״W eber“ , aber einschl. -gesellen, -meister, bei. od. bgl. Weber.
3 überwiegend ״Zeugmacher“ , aber einschl. -gesellen, -meister, bef. od. bgl. Zeugmacher.
1 einschließlich V o ro rte
2 n u r Schneider, Schuster, Tischler, Bäcker, Fleischer, M aurer, Z im m e re r
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״Band* »Zeug-
Schuster Schneider Schlosser Tischler Bäcker Fleischer Maurer
macher2 ״macher‘‘3
Schottenfeld 5 1 2 8 3 39 29
Sonst. W ie n 1 10 1 5 10 2 3 10 29 29
W ien zus. 15 2 7 18 2 6 10 68 58
Niederösterr. 12 3 3 11 3 2 3 2 5
Böhmen 19 9 9 40 4 3 5 3 5
Mähren 9 9 7 13 1 2 2 2
Schlesien 8 1 1 3 2 —
Sonst.
••
O sterr. K ro n l. — 1 3 7 — — 1 4
Ф»
Ö sterreich zus. 63 25 30 92 9 14 20 76 74
Länder der
ungar. K rone 3 4 3 8 — 2 — 2 2
D t. Staaten 2 2 4 8 3 4 1 1 1
Sonst. Staaten — — ״ 1 — — — — —
N ic h t
zuordenbar — — 2 1 — — 1
Zusammen 68 31 37 111 12 21 21 79 78
1 einschließlich V o ro rte
2 überwiegend ״Bandmacher“ , aber einschl. -gesellen, -meister, bef. od. bgl. Bandmacher.
3 überwiegend ״Zeugmacher“ , aber einschl. -gesellen, -meister, bef. od. bgl. Zeugmacher.
66 Josef Ehmer
• »
K o m ita t Agram 5 5 4 1 2
andere kroat.
K o m ita te 1 16 15 5 4 1 3 1 6
Kroatien zus. 35 39 10 17 3 7 19 27
K rain 7 1 1 5 2 1 6 9
Steiermark 14 5 8 5 14 10
Niederösterreich 2 3
Böhmen 5 11 1 5 1 2 2
Mähren 4 3 1 1
Schlesien 2 3 — 1 — 1
sonst.
O sterr. K ro n l. 3 4 3 5 1 3
Österreich zus. 37 30 6 25 8 4 26 19
Länder der
ungar. Krone 4 11 3 2 2 2 —
D t. Staaten 2 —
2 1
Sonst. Staaten — 1 — 7 —
N ic h t
zuordenbar 4 — —
2 — ----
Zusammen 80 82 20 44 13 15 54 47
1 wie Tab. 8.
Samples:
Z ürich 1836: Quelle: Bevölkerungsaufnahme Z ü ric h 1836, Kantonsarchiv Z ü rich . Das Sample
um faßt die A ltstadt lin ks der L im m a t, N « 4 .9 7 5 Personen.
W ien: Quelle: K o n s k rip tio n G u m p e n d o rf 1827, K o n s k rip tio n Schottenfeld 1857, V olkszäh־
lung Hernals 1880, alle: W iener Stadt- und Landesarchiv. Das Sample G u m p e n d o rf
umfaßt einen Stadtteil nahe dem L in ie n w a ll, N - 2.349 Personen; das Sample Schot-
tenfels um faßt einen Stadtteil angrenzend an die Vorstadt Neubau, N * 4 .8 7 5 Perso-
nen; das Sample Hernals einen Stadtteil angrenzend an den L in ie n w a ll, N - 4 .1 7 3 Per-
sonen.
Zagreb 1857: Quelle: K o n s k rip tio n Zagreb 1857, Stadtarchiv Zagreb. Das Sample um faßt die
gesamte Stadt m it Ausnahme einiger Vorstadtgassen, N * 8 .0 2 0 Personen.
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69
70 O ttó Domonkos
2 A magyarországi céhes kézművesipar forrásanyagának katasztere, I. Budapest 1975 und II. 1976.
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72 O ttó Domonkos
Anteil der ungarischen und der ausländischen Gesellen in den Soproner Herbergen.
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74 O ttó Domonkos
MrtKøu
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1211. — D o m o n ko s, O ttó : A főcéhek vonzáskörzetei (Einzugskreise der Hauptladen). In: V.
Kézm üvesipartörténeti Szim pózium , Veszprém 1984, november 20— 21. Veszprém 1985.
4 Xántus János M úzeum — G y ő r, In v .N o . 72.15.2
5 Balassa Bálint M úzeum — Esztergom, In v.N o . 1954-296-1
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Zur Wanderung ungańscher Gesellen im 19. Jh.
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lich in Félegyháza besuchten zwischen 1765 und 1852 1377 Gesellen die Herberge
(Jahresdurchschnitt 15,8), unter denen sich n u r 3 Böhmen befanden, während
alle übrigen ih r H andw erk im Land gelernt haben.
F ü r die ersten Jahrzehnte des 19. Jhs soll von den Städten im südlichen Raum
Szabadka (Subotica) m it 41 Gesellen erwähnt werden6. Daß die Zahl der Gesellen
in den zwei oben genannten Städten so verschieden ist, ist dam it zu erklären, daß
in Esztergom Leinweber, in Félegyháza die ungarischen W eber ih r Leinen
erzeugten. D ie Q ualität w ar sehr unterschiedlich.
Bei den ungarischen Kepemeckschneidem, die m it ih re r A rb e it den Bedarf der
Landbevölkerung an M änteln und Jacken deckten und fü r deren Verzierung
sorgten, w ar der Qualitätsmaßstab so hoch gesteckt, daß die Z u n ft in Debrecen
verordnete, die Gesellen dürften nicht in die Fremde ziehen, w eil nirgends die
A rb e it so gut verrichtet werde w ie in Debrecen. U n w e it von Debrecen, in Nagy •
kalló, finden w ir in den Kürschner-Herbergsbüchern zwischen 1819 und 1872
104 Personen aus 56 O rtschaften verzeichnet, darunter aber n u r eine Person aus
Debrecen. E in Pole war aus Krakau, die ändern Gesellen kamen aus den nördli-
chen und östlichen K om itaten nach K a lló 7.
Debrecen, die große Bauernstadt, erlebte um die Wende vom 18. zum 19. Jh.
eine m erkw ürdige Veränderung. Bis zum Ende des 17. Jhs beschäftigte die Stadt
im Land die meisten H andw erker. D ie während der Türkenherrschaft entvölker-
ten Randgebiete, Ackerland und Wiesen, erwarb die Stadtgemeinde im 18. Jh. Im
letzten D ritte l des 18. und am A nfang des 19. Jhs wurden diese Gebiete dann
unter der Bevölkerung gemäß dem Bürgerrecht und der Größe ih re r G rund-
stücke aufgeteilt. So kamen viele H andw erker zu 20— 30 ha A ckerland und zu
großen Wiesen. Viele verließen daraufhin ihren gelernten Beruf und widm eten
sich in der G e tre id e ko n ju n ktu r ihrem Ackerland. D ie einstige Handwerkerstadt
wurde so zu einer großen Bauernortschaft8. So arbeitete z.B. von 1800— 1878 in
den Schmieden 40— 30 M eister; der Jahresdurchschnitt der Gesellen w ar 25, was
fü r den ganzen Zeitraum 1419 Personen ausmachte. U n te r ihnen ist n u r ein Aus-
länder aus Böhmen9. Diese R ückentw icklung hat den Handwerkerstand der
umliegenden Städte zur Bewegung genötigt.
Charakteristisch ist es fü r die ungarischen Stadtbewohner, daß sie den die
M ode bringenden deutschen H utm achem kein Recht auf Niederlassung gewähr-
ten; diese mußten sich vielm ehr in der M itte des 19. Jhs ih r H eim in einer E ntier-
nung von 30— 50 km aufbauen.
In Südungarn entw ickelte sich Szeged als ein wichtiges H andw erkszentrum in
der M itte des 18. Jhs. Wegen seiner m ilitärischen Bedeutung hatte während der
Besetzung das Zunftleben aufgehört, doch war die Neuorganisation schnell
erreicht worden. M it H ilfe der Zentralregierung wurde in der Bačka und im
-1869- 19 г о
Temeser Banat ein bedeutender Anbau von N utzpflanzen unternom m en, bzw.
Anbauversuche gefördert. E in gutes Ergebnis erzielte man beim Flachsanbau,
was das Seilerhandwerk in Schwung brachte. Szeged war ein wichtiges Bearbei-
tungszentrum und es mußten außer den Fuhrw erken auch die Fischerei und die
S chiffahrt m it Seilen versorgt werden.
A m A nfang des 19. Jhs finden w ir natürlich in den entstehenden vereinigten
Z ü n fte n überall die Seiler. V on den nach Szeged kommenden Wandergesellen
sind 65% Ausländer, v o r allem aus Österreich, Böhmen, M ähren, Sachsen, Bay-
ern usw.; n u r 30% kom m en aus heimischen Städten und aus den Bergwerksstäd-
ten, die viele Seile brauchten und auch anfertigten. Zu diesen 30% trugen die aus
den südlichen Landesteilen (Slavonien, Temeser Banat, Bačka) kom menden
Gesellen ein D ritte l bei. A n der Spitze standen Temesvár, Eszék und A patin.
N ach der A ufhebung der Zunftorganisation (1872) wurde die in Szeged gegrün-
dete Flachs- und Jutefabrik landesweit b e rü h m t10.
In der Gesellenherberge der Schmiede und Wagner des bedeutenden M a rkt-
fleckens Miskolc haben zwischen 1831 und 1859 405 Personen aus 120 O rtschaf-
ten des Landes logiert und hier A rb e it erhalten. Das gibt einen sehr niedrigen
Jahresdurchschnitt von n u r 14 Personen, was der Zahl der Meister entspricht. So
m ußten die M eister in vielen Fällen ohne Lehrlinge und Gesellen n u r m it H ilfe
der Fam ilienangehörigen arbeiten. Ausländer w ar unter den Wandergesellen nur
ein Geselle aus Krakau. Im Jahre 1857 forderten die Gesellen, statt um 4 U h r erst
um 5 U h r frü h die A rb e it beginnen zu dürfen, was aber die M eister geschlossen
ablehnten11. D ie von M iskolc wandernden Gesellen orientierten sich im 19. Jh.
in R ichtung Temeser Banat und auch in die südlichen Städte.
G roße A ufm erksa m keit verdient in den 1860er Jahren das W irkungsfeld der
auf M anufakturebene gehobenen Blaufärberei in Pápa. D ie Aufzeichnungen
umfassen auch die ersten zwei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts, als die Färberei
schon als K le in fa b rik produzierte und 200 Wandergesellen beschäftigte. U n te r
den 6 W erkstätten der Stadt lag sie an der Spitze. 27 Personen sind hier Ausländer
(aus Ö sterreich, Böhm en und Mähren), die übrigen sind einheimische Ungarn.
D ie wandererfahrenen Gesellen arbeiten hier als Lohnarbeiter im U nternehm en
und haben A rb e it fü r Jahre. D ie Geschichte dieser Fabrik ist bestim m t durch
großen Patriarchalismus, ein Erbe der früheren Zunftverfassung12.
Zwischen 1870 und 1880 verm indert sich landesweit die Zahl der Gesellen,
aber es werden viele kleine W erkstätten gegründet. D ie Dauer der W anderung
von 10— 20— 30 Jahren ist am meisten in jenen Berufen sichtbar, die Investitionen
verlangen, z.B. die Schön- und Schwarzfärberei, die Rotgerberei und das Schmie-
dehandwerk. Bei den letztgenannten H andwerken wandern entweder die Gesel-
len oder sie bieten ihre Dienste den Gemeindeschmieden auf dem Land an.
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3 R. Wissell: Des alten H andw erks Recht und G ew ohnheit. 2. Ausg., erw. u. bearb. v. E. Schraepler,
Bd. 1, B e rlin /W e st, S. 301.
4 Einen T e il dieser Q uellen (v.a. zu N ürnberg und Regensburg) habe ich ausgewertet in meinen Bei-
trägen zu dem Sammelband von Engelhardt (wie A n m . 1) und in meinem eigenen Sammelband (wie
A n m . 2), d o rt unter dem T ite l: Umrisse einer Geschichte der Gcsellenwanderungen im Übergang
Forderung nach vergleichbaren und homogenen Q u e lle n stru ktu re n selbst inner-
halb des historischen Zusammenhangs auch n u r einer Stadt v o r dem 19. Jahrhun-
dert n u r m it beträchtlichen Abstrichen einlösbar ist5. Verallgemeinernde
Schlüsse über ״die“ W alz, undifferenzierte geographische Ausdehnungen des
Beobachtungsraumes und nachfolgende Generalisierungen, zum al wenn sie nicht
hinreichend durch quantifizierende Studien abgesichert sind, bedürfen von vorn-
herein einer skeptischen Einschätzung.
von der Frühen Neuzeit zur Neuzeit, S. 85— 116. Ich verzichte daher an dieser Stelle auf ausführli-
che Q uellenzitate. Eine Ausw ertung der übrigen Quellengruppen w ird in K ürze folgen; ich gebe
jedoch schon in diesem Zusammenhang erste Hinweise.
5 Eine nützliche Übersicht über serielle Q uellen zur Geschichte der Gesellenm igration und den ent-
sprechenden bisherigen Forschungsstand bietet: W. Reininghaus: Wanderungen von H andw erkern
zwischen H ohem M itte la ltc r und Industrialisierung. Ein Ü b e rb lick über Ergebnisse der Forschung.
Beitrag zur Tagung des Ludw ig-Boltzm ann-Instituts fü r historische Sozialwissenschaft (Salzburg)
und der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung der materiellen K u ltu r des M ittelalters
(Krems) unter dem Thema ״H orizontale M o b ilitä t und M igration vom M itte la lte r bis zum Ende
des Ancien R egim e", Salzburg 3.— 5. O k to b e r 1985. Ein entsprechender Tagungsband ist in Vorbe-
reitung.
6 So sind folgende Pfarreien und Zeiträum e im StadtA Schwab. H a ll d o kum entiert: St. Michael
(1606-1807), St. Katharina (1635-1807), St. Johann (1635-1702), St. N ic o la i (1703-1805), St.
U rban (ehemals ״Unser liebe Frau“ — ״ecclesia suburbana“ , 1635 bis Ende 18. Jhdt.). St. Katharina
und die ehemalige Johanniterkirche befinden sich in der Katharinenstadt lin ks des Kochers; in den
dortigen Pfarren wie in St. N icolai waren einstmals die ärmeren H andw erker beheimatet. St. U rban
lag außerhalb. Es wäre reizvoll gewesen, gerade diese Handw erkerschicht in die Analyse einzubezie-
hen, doch w ar die Datenbasis nicht m it der von St. Michael vergleichbar. Im Bereich von St.
Michael wiederum w ohnte — auf der rechten Seite des Kochers — der größte T e il der Bevölkerung
einschließlich der wohlhabenderen Schichten; es war die H auptkirche der Stadt. Ü b e r die Bevölke-
rungsgeschichte von H all liegt eine — m it Einschränkung — gelungene Studie vo r, die auch die Ana-
lyse der Totenbücher einbezieht: G. W under: D ie Bürger von H a ll. Sozialgcschichte einer Reichs-
stadt 1216— 1802. Sigmaringen 1980. Leider fehlen in dem W erk die A nm erkungen, so daß nuan-
ciertere Fragestellungen zur Geschichte der Gesellenwanderungen auf keinem wissenschaftlichen
Apparat aufbauen können. Aus diesem G ru n d wurden alle Daten der im Sprengel von St. Michael
verstorbenen H andw erker von neuem in die Datenverarbeitung eingegeben, ein Weg, den W under
einst nicht beschritt. Dem Landeskirchlichen A rc h iv in Stuttgart danke ich fü r die Fernleihe folgen-
der M ik ro film e : KB H a ll 1387— 1390.
90 Rainer S. Elkar
Bürger, die meisten kehrten jedoch wieder in ihre H eim at zurück. Im m erw äh-
-rende Seßhaftigkeit gehörte also keineswegs zu den Lebenserfahrungen der H ai-
1er Bürgerschaft; fü r die H a n d w e rke r war sie zw eihundert Jahre lang eher ein
Ausnahm efall.
D ie Gesellen verkörperten das m obilste Elem ent, dessen zahlenmäßiger A n te il
in den meisten Städten schwer zu bemessen ist — gerade wegen dieser M o b ilitä t.
Lerners Statistik der F ra n k fu rte r Handwerksgesellen bietet gleichsam n u r eine
M om entaufnahm e aus dem Jahre 1762. Demnach stammten n u r 15% der Gesel-
len aus F ra n k fu rt am M ain, 85% waren Fremde m it geringen Aussichten auf
Dauerbeschäftigung7. Solche Gesamteinsichten sind selten, in der Regel ist man
darauf angewiesen, Frequenzreihen fü r einzelne Berufe zu e rm itte ln .
In den beiden Städten N ü rn b e rg und Regensburg bieten die Gesellenlisten der
Zinngießer, Goldschmiede, Lebküchner und Kürschner sowie der Drechsler und
Zeugmacher besonders langfristige E in b licke 8. In der Z e it zwischen 1589 und
1815 kamen bei den Regensburger Drechslern 93,3% der Gesellen aus der
Fremde, bei den Zeugmachern waren es n u r 82,2% zwischen 1660 und 1804. In
N ü rn b e rg wuchs die A nza hl frem der Gesellen bei den Zinngießern von 76,9%
zwischen 1612 und 1640 auf 86,5% zwischen 1687 und 1743 an. Eine ähnliche
E n tw ic k lu n g verzeichneten die Lebküchner: Zwischen 1646 und 1746 kamen
75,2% aus dem weiteren U m kre is, zwischen 1849 und 1868 schließlich 85,1%.
Bei den Kürschnern (1709— 1799) und bei den Goldschmieden (1674— 1799)
betrugen die entsprechenden K ontingente gar 93,6% und 94,6%, doch handelt es
sich offensichtlich um Q uellentypen, die hauptsächlich auswärtige Gesellen
erfaßten. Selbst diese einzelnen Eindrücke verstärken das B ild, daß in der Tat
während der frühen N euzeit m it einer hohen Anwesenheitsdichte frem der
Gesellen in verschiedenen oberdeutschen Städten zu rechnen w ar und daß die
fremden Gesellen die ortsansässigen bei weitem übertrafen.
D ie genannten A n te ile auswärtiger Gesellen fügen sich übrigens auf unter-
schiedliche Weise in den gesamten Frequenzverlauf der jeweiligen Branchen ein.
Bei den N ü rn b e rg e r Zinngießern nahm die Gesamtzahl tendenziell ab, die
A n te ile frem der Gesellen wuchsen hingegen an. Bei den N ü rn b e rg e r Lebküch-
nern hingegen blieb die Gesamtzahl annähernd unverändert m it ebenfalls stei-
genden Prozentsätzen an auswärtigen A rbeitskräften. In Regensburg verm inder-
ten sich die Frequenzen im allgemeinen. In N ü rn b e rg deutete sich in verschiede-
nen Bereichen eine Zunahm e an, so bei den K ürschnern, Schustern und G old-
schmiedegesellen, n ich t aber bei den Goldschmiedelehrjungen.
Schon auf einer so schlichten Analyseebene rücken gewerbetypische und
lokale E igentüm lichkeiten der G esellenrekrutierung und des Wanderverhaltens
in den V ordergrund.
13 Belegt bei E lkar: W andernde Gesellen (A n m . 1). — Ders.: Umrisse einer Geschichte der Gesellen-
Wanderungen im Übergang von der Frühen N euzeit zu r N euzeit. In: Elkar: Deutsches H andw erk
(A n m . 2), S. 85— 116. — A . Bartelmeß: Geschichte des N ürnberger Schlosserhandwerks bis 1945.
In: Ders., R. K ahsnitz (Bearb.): Das N ü rn b e rg e r Schlosserhandwerk von den Anfängen bis 1985.
N ü rn b e rg 1985, S. 27 ff. — Reininghaus: Q uellen (A n m . 1) — V o r allem bei den Goldschmieden
waren die Beziehungen besonders weitreichend und zum T e il international, dies belegen eine Reihe
von Ausstellungskatalogen, die auch die ältere L ite ra tu r referieren: G . Spies: Braunschweiger G old-
schmiede, in: Ders. (H g .), M . Puhle (Red.): Brunsw iek 1031 — Braunschweig 1981. Braunschweig
1981, S. 275— 338. — G . Schiedlausky: D ie N ü rn b e rg e r Goldschm icdckunst als Forschungsaufgabc.
In: G . B ott (H g.): Wenzel Jam nitzer und die N ü rn b e rg e r Goldschm icdckunst 1500— 1700. M ün-
chcn 1985. — A u ffä llig ist auch die hohe Bereitschaft unter den Goldschmieden, ihren Berufsnach-
wuchs in der Fremde in die Lehre zu geben. V gl. hierzu: Lehrjungenbuch der Goldschmiede zu
Leipzig (1550— 1848), StadtA Leipzig Goldschmiede В 2: eine Ausw ertung w ird augenblicklich zur
V e rö ffe n tlich un g vorbereitet.
14 V gl.: Lerner: Statistik (A n m . 1). — W . Gerber: D ie Bauzünftc im alten H am burg. H am burg 1933.
— H . Moser: D ie Steinmetz- und M aurerzunft in Innsbruck von der M itte des 15. bis zur M itte
des 18. Jahrhunderts. Innsbruck 1973. — Es ist jedoch n ich t grundsätzlich von einer weiten Wände-
rung der Bauberufe auszugehen. W o Z im m erleute fü r den gesamten Hausbau zuständig waren,
ko nnten die spezifischen Bauordnungen — zumal in verkehrsfernen Regionen — einengend auf die
E ntfaltung des H andw erks in überregionale Räume w irk e n ; das H andw erk im Siegerland und im
W ittgensteiner Land lie fe n h ie rfü r Beispiele: R.S. E lkar: Umrisse einer Handwerksgeschichte in
W ittgenstein und Siegcrland vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. In: J. H endricks (H g.): A lte und
neue A rbeitsw elt im Siegerland und in W ittgenstein. M ünster 1985, S. 16— 38. Im Gegensatz zu die-
sen ״engen“ K om m unikationsräum en stehen die weiten Verbindungen der spätm ittelalterlichen
und fruhneuzcitlichen Bauhütten, die durch eine wahre L ite ra tu rfü lle belegt sind; hierzu unlängst:
B. Schock-Werner: Das Straßburger M ünster im 15. Jahrhundert. Stilistische E n tw icklu n g und H ü t-
tenorganisation eines Bürger-Dom s. K ö ln 1983; sowie die Beiträge derselben Verfasserin in: A . Leg-
ner (H g.): D ie Parier und der Schöne Stil 1350— 1400, Bd. 3. K ö ln 1978, S. 55— 65. Eine Folie fü r
die In te rpretation m öglicher Gesellenwanderungen liefern: G. Binding, U . M ainzer, A. Wiedenau:
Kleine Kunstgeschichte deb deutschen Fachwerkhaus. Darm stadt 1975.
15 Aus dem B uchbinderhandw erk sind eine beachtliche A n za h l von Einschreibbüchern erhalten, die
z.T. bereits ausgewertet w urden; fü r F ra n k fu rt a.M.: H . Lcnhardt: 150 Jahre (A n m . 1). — M arburg:
K. R um pf: V om ״ehrsamen“ H a n d w e rk und den ״lö b lich e n “ Gesellenbruderschaften. In: Hess.
Bll. f. V olkskunde 55 (1964) 59— 107. — M inden: M . Krieg: Einschreibbuch der kunstliebenden
Buchbindergesellen. In: M in de n e r H e im a tb ll. 4 (1926) H . 9. — Allgem ein: H . H elw ig: Das deutsche
B uchbinder-H andw erk, 2 Bde. Stuttgart 1962/65. — W eitere Einschreibbüchcr sind u.a. aufzufin-
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den in Braunschweig, Lüneburg, Regensburg und Tübingen (von den beiden letzteren sind
E D V -A usw ertungen in Vorbereitung bzw. abgeschlossen). D ie (v.a. h in sich tlich der Wanderschaft)
dünnere Quellenlage in den übrigen D ru ck- und Papierberufen hat dementsprechend weniger Stu-
dien hervorgebracht, umso auffälliger sind die vorzüglichen A rbeiten von J. R ychner, von ihm
zuletzt: J. Rychner: Genève et ses typographes vus de Neuchâtel 1770— 1780. Genève 1984.
16 Z u den Kürschnern, Färbern, S tru m p fw irke rn s.: E lka r (A n m . 1 u. 12). — Z u den Schuhmachern:
G. Jaritz: Gesellenwanderungen in Niederösterreich im 15. und 16. Jahrhundert unter besonderer
Berücksichtigung der T u lln e r ״Schuhknechte“ . In: S om kuti u.a.: Internat, handwerksgesch. Symp.
1978 (A n m . 1), S. 50— 61. — Z u den Schneidern: Wissell: Des alten H andw erks (A n m . 3),
S. 454— 457; auch: K.-S. Kram er: A ltm ü n ch cn cr H andw erk. Bräuche, Lebensformen, Wanderwege.
In: Bay. Jb. f. Volkskunde 1958, S. 111— 137. — Das unterschiedliche M igrationsverhalten der
Schneider und Schuhmacher hängt w om öglich m it den unterschiedlichen Bedingungen des Stadt-
und Landhandwerks zusammen und den M öglichkeiten der Störarbeit; H inw eise fü r diese
Annahm e ergeben sich aus den N ürnberger Q uellen und den Bamberger Gesellenregistern.
17 Vgl. G. Emig: D ie Berufserziehung bei den H andw erkerzünften in der Landgrafschaft Hessen-
Darmstadt und im G roßherzogtum Hessen vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zu r E in fü h ru n g
der G ewerbefreiheit. F ra n kfu rt 1967. — F. Lerner (Red.): Lebendiges Fleischerhandwerk. Ein B lick
in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Deutschen Fleischer-Verband. F ra n k fu rt a.M. 1975. — A .
Bartelmeß, G . Läm m erm ann (Bearb.): C h ro n ik des N ürnberger Bäckerhanderks 1302— 1982, hg.
v. Bäckerinnung N ürnberg. N ürnberg 1981, S. 38 ff.
IS Totenbücher H a ll (wie A n m . 6). — Gesellenregister Bamberg (wie A n m . 12).
19 Z um W andern der Schreiner/Tischler, auch der B ü ttn e r/B ö ttc h e r/F a ß b in d e r/K ü fe r w ichtige
Hinweise bei Wissell: Des alten Handwerks (A n m . 3), S. 338— 350. — M . Fehring: Sitte und Brauch
der Tischler unter besonderer Berücksichtigung hamburgischer Quellen. H am burg 1929. — Z u den
internationalen Verbindungen des H ofhandw erks und der Ebenisten: M . Stürm er: H andw erk und
höfische K u ltu r. Europäische M öbelkunst im 18. Jahrhundert. M ünchen 1982. M . Stürm er befaßt
sich dabei ausführlich m it der Roentgen-Werkstadt. H ie rzu die sehr gründliche P u b lika tio n von
D . Fabian: K in z in g und Roentgen U hren aus N euw ied. Leben und W e rk der U h rm achcrfam ilien
K in zin g und der Kunstschreiner Abraham und D avid Roentgen. Bad Neustadt 1983. A u fg ru n d
bestim m ter konfessioneller Einflüsse bestanden enge Bindungen in die Schweiz (s.a. unten A n m .
15) und nach H errenhuth.
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94 Rainer S. Elkar
20 V gl.: W .L . von Lütgendorff: D ie Geigen- und Lautenmacher vom M itte la lte r bis zur Gegenwart,
N achdr. d. 6. durchges. A u fl., 2 Bde. T u tz in g 1975. — A . Layer: D ie A llgäuer Lauten- und Geigen-
macher. Augsburg 1978.
21 StadtA N ü rn b e rg E 5 I — Zirkelschm iede 28. — Ü b e r Instrum entenbau: G . Adams: Geometrische
und graphische Versuche, ausgew., bearb. u. erläutert v. P. D am erow , W . Lefèvre. Darm stadt 1985.
22 Entsprechende H inw eise danke ich Sabine Sander, In s titu t fü r Geschichte der M edizin, Robert
Bosch S tiftung Stuttgart, die augenblicklich eine U ntersuchung über die A usbildung und das Migra-
tionsverhalten w ürttem bergischer Bader und W undärzte im 18. Jahrhundert anfertigt. — Ü ber das
W andern der Bader nach N ü rn b e rg : StadtA N ü rn b e rg E 5 I — Bader 3,4,5. W ährend in N ürnberg
n u r eine langfristige U m s tru k tu rie ru n g der W andertraditionen aufscheint, stellt S. Sander eine grö-
ßere F le x ib ilitä t fest.
23 D ie Ladenorganisation w ird meist schon durch den Aufbau des Q uellenm aterials ersichtlich. Die
großen Hauptversam m lungen im sächsischen H a n d w e rk werden über die Laden organisiert, wobei
Z w icka u in den neuzeitlichen Q uellen kaum noch als Hauptlade v o rk o m m t. Z u le tzt s.: H . Brauer:
Handwerksgesellen (A n m . 1).
24 J.F.C. Weisser: Das Recht der H andw erker nach allgemeinen Grundsätzen und insbesondere nach
den H erzogl. W irtem bergischen Gesezen. Stuttgart 1780.
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Gesellen aus, alle übrigen K ontingente folgten in weitem Abstand, darunter auch
die T h ü rin g e r m it n u r 8,01%. In Leipzig betrug der A n te il der Schlesier ein
wenig m ehr als in N ü rn b e rg (21,50% zu 22,29%); die Franken hingegen waren
eine unbedeutende G ruppe. V o n einer ausgewogenen Wechselbeziehung konnte
also gar n ich t die Rede sein25.
W ährend allgemein — m it Ausnahmen — die süddeutschen Gesellen wenig
nach N orddeutschland wanderten, verschoben sich die Verhältnisse gerade im
sächsischen Raum. E r verkörperte eine Drehscheibe zwischen N o rd , N o rd o st
und Süden. D ie alte Am m annsche These der T renn un g zwischen dem N o rden
und dem Süden in den Gesellenwanderungen greift hier also n ic h t26.
O hne auf genauere Details einzugehen, muß noch darauf hingewiesen werden,
daß auch Äußerungen der handw erklichen G ru p p e n k u ltu r M ig ra tio n srich tu n -
gen beeinflußten: V errüfe einzelner oder mehrerer Städte, unterschiedliche
A nerkennung von E h rb a rke it störten oder förderten bestim m te Wanderungs-
ströme und K o m m u n ika tio n e n .
25 A ußer den bei E lkar: Wandernde Gesellen (A n m . 1), aufgeführten Q uellen wurden zusätzlich aus-
gewertet: StadtA Leipzig, K ürschner В 52, В 54, С 17; Bäcker В 5; Barbiere В 1, В 11; Barett- und
Strum pfm acher A 1; Beutler С 3; G ü rtle r В 9, В 13, В 16; Kammacher В 9, В 10; M aurer В 1; Schlos-
ser В 1; Stellmacher В 1; T ö p fe r С 4; Zinngießer В 1; Z in n - und Silberplattenknopfgießer В 3; Far-
ber В 1, В 2, В 6, В 7; Tuchbereiter С 3; G old- und Silberarbeiter В 3. D em Handwerksgeschichtli-
chen A rbeitskreis an der U niversität Leipzig danke ich fü r w ichtige H inw eise anläßlich der 2.
Tagung zur sächsischen Handwerksgeschichte. H ie rzu demnächst: R.S. E lkar: Sachsen und Fran-
ken — Zw ei Zentren der Gesellenwanderungen. Bindungen und Verbindungen vom 17. bis zum
19. Jahrhundert.
26 H . A m m ann: Gesellenw׳anderungen (A n m . 1).
27 Gesellenregister Bamberg (w ie A n m . 12).
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96 Rainer S. Elkar
W enn der B egriff der ko lle ktive n In d ivid u a litä t nicht n u r offenkundige D ysfu n k-
tionalitäten zusammenbinden soll, ohne sie tatsächlich aufzuheben, bedarf es
einer inhaltlichen und theoretischen Absicherung und Ausgestaltung. Dabei ist
es durchaus denkbar, daß die beschriebenen W idersprüchlichkeiten in der Ent-
w icklu n g der Gesellenfrequenzen, daß die unterschiedliche Intensität von M o b i-
litä t n u r deswegen so betont hervortreten, w eil sie von keinem systematisieren-
den, theoriegeleiteten Ansatz e rklä rt werden.
Abgesehen von einer Reihe geografischer und soziologischer Theorien, die
sozialgeschichtliche E ntw icklungen allenfalls am Rande berücksichtigen, haben
H is to rik e r selbst sich bislang wenig m it einer theoriebezogenen In terp re tatio n
2* Vergleich auf der Basis von E lkar: Wandernde Gesellen (A nm . 1), und StadtA Leipzig, A k te n des
Kürschnerhandwerks (A n m . 25).
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29 Einen w ichtigen Im puls zur historischen M igrationsforschung gibt: P. M oraw (Hg.): Unterwegs-
sein im Spätm ittelalter. Berlin 1985 (Zschr. f. historische Forschung, Beih. 1). Demnächst auch der
Tagungsband ״H o rizo n ta le M o b ilitä t‘ * (A n m . 5), der insbesondere auf die M igrationstheorie von
H.-J. H o ffm a n n -N o w o tn y eingehcn w ird : Ders.: M ig ra tio n . Ein Beitrag zu einer soziologischen
Erklärung. Stuttgart 1973.
30 K.J. Bade: Altes H andw erk, Wanderzwang und G ute Policey: Gesellenwanderung zwischen
Z u n ftö ko n o m ie und Gewerbereform. In: VSW G 69 (1982) 1— 37.
31 Hauptsächlich: W . Abel: Massenarmut und H ungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch
einer Synopsis. H am burg, Berlin 1974. — C.E. Labrousse: Esquisse du mouvement des p rix et des
revenus en France au X V Iie siècle, 2 Bde. Paris 1933 (u. spätere Arbeiten). — W ich tig nunm ehr:
P. Kriedte: Spätfeudalismus und Handelskapital. G öttingen 1980, der auch kritisch die anglom arxi-
stische Debatte (D obb, Sweezy, Thom pson u.a.) reflektiert.
32 M. Stürm er (H g.): Herbst des A lte n H andw erks. Q u ellen z u r Sozialgeschichte des 18. Jahrhun-
derts. M ünchen 1979. *
HyS&T)
V München /
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98 Rainer S. Elkar
nahm das M anufakturwesen in der zweiten H ä lfte des 18. Jahrhunderts einen
weiteren Aufschw ung: G old- und Silbergespinste, Samt- und Seidenwaren, W o li-
und Baumwollerzeugnisse, Posamenten, H üte, Spielkarten, Buntpapier, Blas-
instrum ente, Rauch- und Schnupftabake, Wachstuche, W achsleinwand und
Tapeten w urden m anufakturiell p ro d u zie rt. D ie dafür nötigen A rbe itskrä fte
waren selbstverständlich nicht n u r Frauen und K in d e r sowie ungelernte A rb e i-
ter, sie re kru tie rte n sich auch aus den Bereichen der Gesellenschaft. 1723 und
1764 verbot der K u rfü rs t nachdrücklich die A b w e rb u n g solcher Fachkräfte nach
Preußen36.
Schließlich bereinigte der handw erkliche M a rk t selbst etliche ökonom ische
Disparitäten: H andw erke gingen samt M eistern und Gesellen unter, ohne daß
zuvo r ein besonderer M igrationsdruck zu erkennen gewesen wäre, so die Posa-
m entierer in Augsburg nach E in fü h ru n g der Bandm ühlen37. In anderen Fällen
küm m erte das H an dw e rk dahin — bei M eistern w ie bei Gesellen; ein deutliches
Beispiel lieferte h ie rfü r das Zeugmacherhandwerk in Regensburg38.
Verschärfter W anderzwang und ein wachsendes migrantes A rbeitskräftepoten-
tia l verkörperten keine eindimensionalen G rößen. E in wichtiges, von Bade n icht
angeführtes B eurteilungskriterium liegt in der durchschnittlichen Beschäfti-
gungsdauer begründet. D ie Zeit, die arbeitslos ,unterwegs‘ verbracht w urde, die
Dauer der Beschäftigungsverhältnisse, eventuell die Tendenz zur zunehmenden
A b kü rzu n g von Z e itko n tra kte n , all dies müßte als zusätzliches K rite riu m fü r die
• •
36 Vgl.: J.G. Schulz: Beschreibung der Stadt Leipzig. Leipzig 1784. — K. C zok: Das alte Leipzig. 2.
verb. A u fl., Leipzig 1985. — H . Schlechte: D ie Staatsreform in Kursachsen 1762— 1763. Q uellen
zum kursächsischen Retablissement nach dem Siebenjährigen Kriege. B e rlin /O s t 1958.
37 R. Reith: Zünftisches H andw erk, technologische In n o va tio n und protoindustrielle K o n ku rre n z.
Die E in fü h ru n g der Bandmühle und der Niedergang des Augsburger Bortenmacherhandwerks v o r
der Industrialisierung. In: R. M ü lle r (Hg.): A u fb ru c h ins Industriezeitalter, Bd. 2. M ünchen 1985,
S. 238-249.
38 Elkar: Wandernde Gesellen (A n m . 1).
39 T . Pierenkemper, R. T illy (H g.): Historische A rbeitsm arktforschung. Entstehung, E n tw ic k lu n g
und Probleme der V erm arktung von A rb e itskra ft. G öttingen 1982 (K ritische Studien zur
Geschichtswissenschaft Bd. 49).
40 K. Stopp: D ie Handwerkskundschaften m it O rtsansichten. Beschreibender Katalog der Arbeits-
attcstate wandernder Handwerksgesellen (1731— 1830), Bd. 1. Stuttgart 1982.
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41 H . Brauer: Gcsellenmigration in der Zeit der industriellen R evolution. Meldeunterlagen als Quel-
len zur Erforschung der Wanderbeziehungen zwischen C hem nitz und dem europäischen Raum.
Karl-Marx-Stadt 1982.
42 StadtA Bamberg В 81 N r. 81, Zeitraum 1789— 1799, Auswertung: Elkar: Wandernde Gesellen
(A n m . 1), S. 268— 272.
43 Totenbücher H a ll (wie A nm . 6). Die meisten H aller H andw erker heirateten in einem A lte r von
26 Jahren, bei den Bäckern und Schustern lagen die W erte etwas unter diesem A lte r.
44 K. Schwarz: D e r Familienstand der Handwerksgesellen in Bremen während des 17. und 18. Jahr-
hundens. In: Jb. d. W itth e it zu Bremen 16 (1972) 43— 63. — H . Brauer: Handwerksgesellen in säch-
sischen Städten (A n m . 1), S. 66.
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Schaft oder Paß nach Handwerksbrauch. Die Pendler in den Nahbereichen blei-
ben so außerhalb des Beobachtungsfeldes, soweit sie nicht im 19. Jahrhundert
sich der Dienst- oder Arbeitsbücher versichern mußten; m ehr noch aber sind die
״ortlosen“ K ontingente zu berücksichtigen. O b der Bettel sich w irk lic h aus einer
hohen A nzahl überalteter ehemaliger Wandergesellen zusammensetzte, ist bis-
lang ungeprüft45.
45 In den Zeitschriften des 18. Jahrhunderts w ird von Bettlcrtrupps berichtet, die sich in Scharen über
die T erritorialgrenzen begaben, hierzu: R.S. Elkar: Franken im Bild seiner Journale — ein Ü ber-
b lic k am Ausgang des A lte n Reichs. In: 121. Jahresbericht des Historischen Vereins Bamberg 1985,
S. 187— 232, insbes. S. 206 ff.
46 K. Schulz: Handwerksgesellen (A n m . 1), S. 265.
47 H . Brauer: Handwerksgesellen (A n m . 1), S. 35.
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102 Rainer S. Elkar
N ic h t so sehr die Entstehung des Wanderns an sich ist von heuristischem Inter-
esse als vielm ehr die Frage, wann denn die Ö ko no m ie des H andw erks selbst
M ig ra tio n als Regulativ begriff. Inzwischen zeichnet sich Einvernehm en darüber
ab, daß der ״W anderzwang“ , den ursprünglich die Z ünfte, später erst der früh*
moderne Staat ausübte, ein Phänomen ist, das zwar durch die Uberbesetzung ♦•
des
Handw erks besonders viru le nt wurde, das aber bereits vo r den großen Uberbe*
setzungskrisen des 17. und 18. Jahrhunderts anzusiedeln ist. Freilich bestehen
einige Unterschiede in der zeitlichen E inordnung des Entstehens einer erzwunge-
nen M igration: Schulz setzt sich besonders deutlich von Wissell ab und erklärt
die Entstehung des Wanderzwanges als kennzeichnend fü r den Z eitraum zwi-
sehen dem 16. und 17. Jahrhundert. E r verweist überdies auf O rdnungen des frü-
hen 17. Jahrhunderts, die das W andern grundsätzlich noch als freie Entschei-
dungsm öglichkeit der Gesellen verstanden. Brauer hingegen gewahrt ״zünftigen
D ru c k “ schon im frühen 16. Jahrhundert, indem er bislang unbekannte Q uellen
zu spezifischen W anderverpflichtungen aus den Stadtarchiven in Leipzig und
Z w ickau heranzieht. Die D ifferenz zwischen beiden Positionen 48 umschließt
mindestens ein halbes, w om öglich sogar ein ganzes Jahrhundert.
Sollte eine neue Diskussion über den Z e itp u n k t einer E infüh run g des Wander-
Zwanges entstehen, so sollte sie sich einem spannenderen Aspekt zuwenden als
dem bloßen Gesichtspunkt der C hronologie: In beiden Positionen liegt eine
A rgum entation m it endogenen Faktoren begründet, d.h. daß die handwerkliche
Produktionsweise selbst und nicht ausschließlich ihre Rahmenbedingungen ein
hervorgehobenes Interesse verdient.
Diese Bemerkung richtet sich auch auf die inzwischen so beliebte A nsicht, daß
der W anderzwang als V e n til handw erklicher Uberbesetzung — exogen — maß-
geblich von einem Bevölkerungsdruck hervorgerufen wurde. Gegen eine dem-
entsprechend monokausale Begründung sind verschiedene Bedenken anzumel-
den:
D ie Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Krieges trafen den m itteleuropä-
ischen Raum sehr unterschiedlich. Es folgte ein zwar beträchtliches, aber regio-
nal wiederum verschiedenes Bevölkerungswachstum49. Bislang liegen kaum nen-
nenswerte Untersuchungen vor, die U m fang und Intensität der E in fü h ru n g von
W anderordnungen m it den Zonen besonders starker Bevölkerungszunahme kor-
relieren. Ebenso gilt es, ein ökonomisches A rgum ent zu berücksichtigen: ver-
48 K. Schulz: Handwerksgesellen (A nm . 1), S. 268, u.a. m it H inw eis auf die Straßburger Leineweber-
Ordnung von 1601. — H . Brauer v e rw irft ebenfalls die älteren Positionen von Wissell und Isenburg
und fü h rt differenzierend die Überlegungen von E lka r weiter; dabei setzt er folgenden wichtigen
A kzent: ״Im Gegensatz zum 15. Jh. kennt die M ehrzahl der Handwerks- und Gesellenordnungen
des 16. Jh. als Strafmaß die Form el, daß der betreffende Geselle am O n nicht geförden w ird , also
zur Wanderung gezwungen war [ . . .].** H . Brauer: Handwerksgesellen (A n m . 1), S. 35 u. 163. —
H . Isenburg: Altes Brauchtum im H andw erk: Das Gesellenwandern und was dam it zusammenhing.
M ünster i.W . 1936. — R.S. Elkar: Umrisse einer Geschichte der Gesellenwanderungen (A n m . 13),
S. 91.
49 Hinweise bei Kriedte: Spätfeudalismus (A n m . 31), S. 128.
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keiten entgegen. Im 19. Jahrhundert traten beide Dim ensionen endgültig ausein-
ander, saisonale Lohnarbeiter und das Pendlertum k o n tu rie rte n sich deutlicher,
wobei es durchaus Parallelen zu älteren Form en saisonaler M ig ra tio n gab, etwa
zu den A rbeitskräften, die aus Italien in die Schweiz und aus dem Tessin in den
Süden Deutschlands zogen55.
Bleibt denn — so läßt sich bei diesem Stand der E rö rte ru n g fragen — von der
so einleuchtenden Bildungsthese R u d o lf Wissells nichts m ehr übrig, w ar die
Gesellenmigration ausschließlich eine Konsequenz der w irtschaftlichen Gege-
benheiten handw erklicher Produktionsweise?
K o n ze n trie rt man das Erkenntnisinteresse hauptsächlich auf den K om plex des
Ausbildungserwerbs, der Ausbildungsergänzung und des Technologietransfers,
so sind in der Tat Zw eifel an der Berechtigung der Wissellschen Annahm e ange-
bracht. Handfeste Belege in der bezeichneten R ichtung sind ungewöhnlich dürf-
tig: In der reichhaltigen M e m o ire n lite ra tu r und in den übrigen biographischen
oder autobiographischen Zeugnissen lassen sich kaum eindeutige Aussagen über
die Aneignung technischer Neuigkeiten und deren E in fü h ru n g in die betriebliche
Praxis an einem anderen O r t finden, soweit es die ״norm ale“ Handwerksarbeit
und n icht etwa das H ofh a n d w e rk anbelangt, wobei an diesem P unkt nicht ver-
hehlt w ird , daß der Verfasser dieser Ausführungen auf umfangreiche Gegenbe-
weise h o fft. V ielm eh r zeigen all diese biographisch m o tivie rten Q uellen einen
hohen Grad von Anpassung an die Bildungsideale der Intelligenz, kon kre ter
noch an die Einstellungen, N o rm e n und W erte, welche aus der Reiseliteratur des
18. und 19. Jahrhunderts bekannt sind56. Aus diesem Zusammenhang rühren
auch die vielfältigen Bemühungen ökonom ischer Abhandlungen und der Rat-
geberliteratur, das Reisen der H andw erker zu einer hohen Schule fü r das notlei-
dende H a n d w e rk zu machen57. Solche Vorstellungen resultierten keineswegs aus
der handwerklichen Produktionsweise, sondern sind eher T e il einer m erkantilen
staatlichen oder bildungsbürgerlichen Aufklärungsstrategie.
Gewichtige Argum ente fü r das ״Lernen auf der W alz“ scheinen sich aus fo r-
schungsergebnissen der Sachvolkskunde und der Kunstgeschichte der Gewerbe
zu ergeben. W ä h lt man ein Beispiel aus dem Grenzbereich zwischen Kunst und
H andw erk, so w ird die P roblem atik offenkundig: V on dem Freudenberger U h r-
macher Stahlschmidt sind eine Reihe von U hren überkom m en, deren äußere
55 H ierüber berichtete A. Schluchter auf der Salzburger Tagung (A n m . 5), eine V eröffentlichung ist
vorgesehen.
56 R.S. E lkar: Reisen bildet. Überlegungen zur Sozial- und Bildungsgeschichte des Reisens während
des 18. und 19. Jahrhunderts. In: B.I. Krasnobaev, G. Robel, H . Zeman (Hg.): Reisen und Reisebe-
Schreibungen im 18. und 19. Jahrhunden als Quellen der Kulturbeziehungsforschung. B e rlin /W e st
1980, S. 5 1 -8 2 .
57 D er wichtigste Anstoß, die Problem atik ausführlicher zu erörtern, ging von dem Preisausschreiben
aus, das die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften in G öttingen unter folgendem T ite l veröf-
fentlichte: ״W ie können die V o n h e ile , welche durch das Wandern der Handwerksgesellen m öglich
sind, befördert, und die dabey vorkom m enden Nachtheile verhütet werden?“ In: G öttingische
Anzeigen von gelehrten Sachen 1798, 103. Stück, S. 1017 ff. Ausführlichere E rörterung dieser Lite-
ratur bei Bade: Altes H andw erk (A n m . 30).
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Gestalt in die eindrucksvolle Nähe der K inzing - und Roentgen-Uhren aus Neu-
w ied gerückt werden müssen. V on ih m sind auch hinreichende Belege seiner
W anderschaft überliefert; N euw ied erreichte er allerdings nie, persönliche K on-
takte während der W alz sind ausgeschlossen58. Ebenso gut hätte er im heimat-
liehen Siegerland sein Können an eingeführten Meisterstücken schulen können.
Ä hnliches läßt sich bei den U hren des Hilchenbacher Uhrmachermeisters H erz
bemerken, der w iederum einen bestimmten Typus nachgestaltete. Bei Künstlern
läßt sich Schulbildung besser belegen, weswegen den A rbeiten der Goldschmiede
und der Zinngießer als kunsthandw erklichen Produkten stets besonderes Inter-
esse entgegenkam, aber auch in deren Kreisen scheint die Nachgestaltung eines
T yp us häufiger vorgekom m en zu sein als die unm ittelbare E rlernung einer Tech-
n ik oder die N achahm ung eines Vorbildes auf der Wanderschaft59. Technologi-
scher Transfer vollzog sich aller W ahrscheinlichkeit nach in anderen Bahnen,
w obei die Wege der unm ittelbaren Werkspionage nicht zu übersehen sind60.
Was die H erstellung von H andw erksprodukten fü r den alltäglichen Bedarf
anbetraf, so scheint Innovationsbereitschaft nicht notw endig von W e rt gewesen
zu sein. D ie von Bärbel K erkhoff-H ader, In g o lf Bauer und R u d o lf W einhold so
grün d lich vorangebrachte Keram ikforschung weist eher in die R ichtung, daß
sich die Produzenten am besten an den traditionellen Bedürfnissen des lokalen
M arktes, d.h. an ihren Käufern orientieren mußten, um zu reüssieren; die
A bnehm erinnen bzw. A bnehm er der Hafnerware oder des W esterwälder Stein-
zeugs wünschten w iederum die gewohnten Erzeugnisse in solider und erwarteter
Q u a litä t61.
T ro tz dieser skeptischen Bemerkungen ist ein Plädoyer fü r die Erfahrungen des
ehemaligen Wandergesellen Wissell angebracht, sprach er doch keineswegs in
58 O . Bäumer: Aus den Papieren und Aufzeichnungen eines alten Freudenberger Uhrm acherm ei-
sters. In: H eim atland. Beilage zur Siegener Zeitung 2 (1927) N r. 2. Z um Vergleich: D . Fabian: K in -
zing und Roentgen U h re n (A n m . 19). D ie uhrengeschichtlichen Hinweise verdanke ich łan Fow ler,
Friesenhagen.
59 Es bedarf hier keiner endlosen Bibliographierung zur Kunstgeschichte des Zinngusses und dessen
Verbreitungsform en. W ic h tig ist der H inw eis, daß der N ürnberger Zinngießer Caspar Enderlein
die vo rb ild lich e n A rb e ite n von B riot nachform te, ohne daß er persönlichen K o n ta k t zu B rio t hatte.
Reiche Literaturnachweise bei: H .-U . Haedeke: Z in n . 3. erw. A u fl., M ünchen 1983. Im übrigen s.a.:
J.F. H ayw ard: V irtu o so G oldsm iths and the T riu m p h o f Mannerism 1540— 1620. London 1976. —
C . H enm arck: D ie K unst der europäischen G old- und Silberschmiede von 1450 bis 1830. M ünchen
1978.
60 V gl.: W . K ro k e r: Wege zu r V erbreitung technologischer Kenntnisse. Berlin 1971. — Wenngleich
aus einem anderen Zusammenhang, aber doch methodisch interessant: H . W itth ö ft: Preußische
Handelsspionage in Lüneburg 1768/69. In: V. Schmidtchen, E. Jäger (Hg.): W irtschaft, Technik
und Geschichte. Festschrift f. A . Tim e. B erlin/W est 1980, S. 213— 230.
61 V gl. deren Beiträge im vorliegenden Band, überdies: I. Bauer: Hafnergeschirr aus A ltbayern. M ün-
chen 1976. — Ders.: T re u ch tlin g e r Geschirr. München 1971. — B. K erkhoff-H ader: Lebens- und
A rbeitsform en der T ö p fe r in der Südwesteifel. Bonn 1980 (Rheinisches A rc h iv 110). — R. W ein-
hold: M eister — Gesellen — M anufakturicr. Z u r K e ra m ikp ro d u ktio n und ihren Produzenten in
Sachsen und T h ü rin g e n zwischen 1750 und 1830. In: Ders. (Hg.): Volksleben zwischen Z u n ft und
F abrik. B e rlin /O s t 1982, S. 165— 250.
62 Zum hier anvisierten Begriffsfeld: R.S. Elkar: Historische Sozialisationsforschung und Regionalge-
schichte. In: F. Kopitzsch (H g.): Erziehungs- und Bildungsgeschichte Schleswig-Holsteins von der
A u fklä ru n g bis zum Kaiserreich. N eum ünster 1981, S. 15— 59.
6J H ierzu speziell wie auch in dem allgemeiner angesprochencn K ontext: A . G rießinger: Das symbo-
lische K apital der Ehre. Streikbewegung und kollektives Bewußtsein deutscher Handwerksgesellen
im 18. Jahrhundert. F ra n kfu rt a.M., Berlin-W ., Wien 1981.
M Aus der E rfahrung des Ehrbaren Zentralleiters des Rolandschachtes verfaßt: R. R ichter: D e r
Rolandschacht. D ie Z u n ft der reisenden Bauhandwerker. Stuttgart o.J. (1982).
65 P. Bourdieu: Z u r Soziologie der symbolischen Formen. F ra n kfu rt a.M. 1974 (franz. O rig . 1970).
109
Z u den Bereichen der A llta g sku ltu r, die in den letzten Jahrzehnten eine umfang-
liehe Bearbeitung erfahren haben, gehören die Töpferw aren, resp. das Töpfer-
handwerk. Das Volkskunst-Syndrom früherer Untersuchungen kann auf dem
Gebiet der Sachforschung als ebenso überwunden gelten w ie die Auseinanderset-
zung fast ausschließlich m it Brauchform en und Zunftgeschichte auf dem Gebiet
der Handwerksforschung. D ie Forschungslage hat sich in dieser Zeit, in der
gleichzeitig eine fundamentale Theoriediskussion um Inhalte und Zielsetzungen
vo lksku n d lich e r Forschung stattgefunden hat, derart geändert, daß es heute u.a.
zu den G rundforderungen gehört, daß eine Objektanalyse das gesamte von Töp-
fern hergestellte W arenrepertoire zu umfassen hat und es eine Vielzahl von
A rbeiten gibt, in denen die Produkte des Handwerks in die Untersuchung seiner
lokalen oder regionalen Voraussetzungen und seiner jeweils spezifischen Hand-
lungsform en im Bereich von Herstellung, Handel und Sozialgefüge eingebunden
sin d1.
Einem so angelegten Forschungskonzept entspricht eine Frage wie die nach der
V e rm ittlu n g von Handwerkstechniken und -form en. A u f der Grundlage bisher
geleisteter A rb e it sollte es auch m öglich sein, sie exemplarisch zu beantworten.
D ie Frage ist handlungsorientiert. Das bedeutet zunächst, daß weder die abstra-
hierende Analyse einer materialspezifischen P ro d u ktio n in ihrem Kausalzusam-
menhang von Herstellungsphasen und Materialzustand noch die endgültige for-
malästhetische oder funktionsgebundene Gestalt eines Produktes als solche sinn-
gebend sind, sondern die handlungsbestimmenden Faktoren im Herstellungsver-
lauf und die am Gefäß ablesbaren Handlungsm odalitäten, die die Tradierung von
Kenntnissen über Arbeits- und Produktgestaltung bew irken und bezeugen.
Jede keramische Form ist durch den technologischen und ästhetischen A u f-
wand definiert, m it dem sie realisiert wurde. In ih rer gegen unendlich zu denken-
den W iederholung aber bestimmen ihre prim ären Gestaltmerkmale und Ge-
brauchseigenschaften den Form - und Funktionstypus der Warengruppe, der sie
angehört. D er Soziologe R o lf Linde veröffentlichte 1972 eine wissenschaftsge-
schichtliche Studie zum Thema ״Sachdominanz in Sozialstrukturen“ . W o h l auf
diesen T ite l anspielend schlug auf dem Regensburger Volkskunde-Kongreß 1981,
auf dem es um den ״Umgang m it Sachen“ ging, H erm ann Bausinger vor, diese
Sentenz um zukehren in ״Sozialdominanz in Sachstrukturen“ (K östlin/B a usin
1 V gl. die Ausführungen zur Forschungsgeschichte in: K erkhoff-H ader 1985: 49— 61; desgl. die von
W . Endres zusammengestellte L ite ra tu r zur Keram ikforschung in: Bayer. Blätter fü r Volkskunde,
T e il I— V III, zuletzt Jg. 12, H e ft 2, 1985 (weitere Angaben in K c rk h o ff-H . 1985: 78 f.).
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110 Bärbel Kerkhoff-Hader
1 Krugbäckergehöft in
Niersbach/Krs. Bernkastel־
Wittlich mit Wohnhaus,
Scheune, Stall und Töpfer-
ofen, gemalt von L. Blatt
1940; Privatbesitz.
2 D er Ingenieur Paul Stieber (Begründer des Deutschen H afner-Archivs am Bayer. Nationalm useum
M ünchen) behandelte das zwischen Volkskunde und Naturwissenschaften angesiedelte Them a m it
großer Sachkenntnis und G rü n d lich ke it: Sein Aufsatz sei nachdrücklich der Lektüre empfohlen.
3 D er B ildanteil gegenüber dem m ündlichen Referat, das auf die Visualisierung der Argum entationen
angelegt war, ist hier auf ca. 40% reduziert, aber doch noch so umfangreich, daß der optische Nach voll-
zug fü r fast alle abgehandelten Aspekte der V e rm ittlu n g m öglich ist. Reduziert wurden v o r allem grö-
ßere Vergleichsreihen z u r Sichtbarmachung von Regelhaftigkeit, Variationsbreite oder Abweichung.
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Vermittlung von Handwerkstechniken und ־formen 113
6 V 7
4 Phase beim Aufziehen einer Flasche: Die Schulter-Hals-Zone wird ausgebildet, Speicher
1974. — 5 Zwischenhandlung: Das Ausloten der Ware beim Einsetzen in den Ofen
(Schnur mit Tonklumpen), Speicher 1974. — 6 ״Blauen“ der Ware: 80—100 Kannen in
der Stunde, Speicher 1969. — 7 Serienproduktion: Ungebrannte ״Schweizer“ Kannen,
Speicher 1969.
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114 Bärbel Kerkhoff-Hader
4 V gl. z.B. die abgedrucktcn Zunftstatuten in: Falke 1908: 119— 125; desgl. K erkhoff-H ader 1980:
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häuslichen oder anderen handwerksfrem den A rbe ite n gänzlich aussparen zu wol*
len. Da die Lehrjungen in der Regel aber eigene Söhne waren, k o m m t hinzu, daß
form elles und inform elles Lernen stark ineinander übergingen. Nach den em piri*
sehen Untersuchungsergebnissen ist es auch fü r die historische Realität angemes-
sen, davon auszugehen, daß schon kleine K in d e r fü r H ilfsarbeiten im H andw erk
herangezogen wurden und auch die von der H a n d w e rkstra d itio n rechtlich ausge-
schlossenen N achkom m en ein bestimmtes Maß an handw erklichem Können
durch die häusliche Situation v e rm itte lt bekamen. Das handwerkliche Wissen
konnte sich im engen Z irk e l fa m iliä re r K o m m u n ik a tio n tradieren und festigen.
Dies fü h rte zu Eigenständigkeiten innerhalb des von der Z u n ft gesteckten Rah-
mens.
Ehefrauen und T öchter waren in diesen T raditionskreis in allen rheinischen
Steinzeugzentren durch ihre spezifische A rbeitsleistung, die keine Z u n fto rd n u n g
nennt, eingebunden. Sowohl aus anderen archivalischen Q uellen wie aus im m er
wiederkehrenden Bemerkungen in der Feldforschung ist gesichert zu entneh-
men, daß das Bemalen, das ״Blauen“ der Ware, und andere D ekortechniken
ebenso w ie das H enkeln von Töpfen, Kannen und Krügen in älterer Zeit aus-
schließlich in den Händen w eiblicher Fam ilienm itglieder lag. Daraus ergab sich
ein w eiterer fam iliärer T ra d itio n s h o riz o n t. D ie p rim ä r sozialw irtschaftlich
gedachte Begünstigung von Ehen unter M eisterkindern hatte eine innerorganisa*
torische Stützung des H andw erks zu r Folge.
In“ den Fam ilien lie f die Tradierung von A rbeitstechniken und von Form - und
D ekorrepertoires in erster L in ie über Form en der direkten K o m m u n ik a tio n ,
d.h. über das Zuschauen und die sprachliche A n le itu n g bei der A rb e it, die ein
Gewährsmann (Jg. 1909) in der Südwesteifel m em orierte. Jahrzehnte später
(1970) konnte er die erteilten Anweisungen seines Vaters ohne Zögern wiederho-
len, sofort vom Hochdeutschen in die M u n d a rt fallend. E r beschrieb Phase fü r
Phase die Entstehung einer bauchigen Henkelflasche vom Aufschlagen des Ton*
ballens auf den Scheibenkopf über das Zentrieren und Aufbrechen bis zu dem
Z e itp u n k t, w o die charakteristischste F o rm der Südwesteifel auf dem Trocken-
brett stand (K erkhoff-H ader 1980: 139 f.).
W ie ausgeprägt diese Verm ittlungsprozesse durch fam iliäre S trukturen beein-
flu ß t gewesen sein müssen, zeigen Untersuchungen zu r Geschichte einzelner
T ö pferfa m ilien. U b e r Generationen überw og in den K rugbäckerdörfern der Süd-
westeifel in den T ö pferfam ilien die handw erksorientierte H eirat — auch nach
A uflösung der Z ünfte m it ihren w ie im Kannenbäckerland die Ehe unter Krug*
bäckerkindern begünstigenden Bestimmungen (K e rkh o ff-H a d e r 1980: 175— 185;
Zeichn. 26, 27). D ie gefestigten T raditionsketten in w eiblichen oder in m ännli-
chen Familienzweigen lösten sich erst auf, als es zu separaten W erkstattgründun-
gen außerhalb des häuslichen Bereichs kam und T ö p fe r zuweilen auch das Hen-
kein und Blauen der Ware übernahmen oder in expandierenden Betrieben hand*
werksfremde A rb e ite r Beschäftigung fanden. D ie Erfassung der Lage von Töpfer-
gehöften in O rtsstrukturplänen machte außerdem eine Tendenz zur
Vergesellschaftung in bestim m ten D o rfzo n e n offensichtlich, die z.T. auch
sprachlich m it ״A u f dem A u le n d “ oder ״Krugecken“ verifizie rb ar sind (K erk-
hoff-H ader 1980: 88— 92; Zeichn. 19— 24).
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12 Bauchige Kanne, H 49 cm, datiert, Westerwald 1827; Bayer. Nationalmuseum, München
Inv.Nr. 82/167 (Bauer 1982: Abb. 30). — 13 Bauchige Kanne, H 34 cm, Peterskirchen/Nie-
derbayern vor 1850(?); Bayer. Nationalmuseum, München, Inv.Nr. 71/268 (Bauer 1976:
Kat.Nr. 198). — 14 Bauchige Kanne, H 38,5 cm, wahrscheinlich Peterskirchen/Niederbay-
ern um I860(?); Bayer. Nationalmuseum, München, Inv.Nr. 71/269 (Bauer 1976: 206). —
15 Bauchige Kanne (Irdenware), H 30,5 cm, Niederbayern (Peterskirchen oder Kröning)
um 1830/40(?); Bayer. Nationalmuseum, München, Inv.Nr. 70/47 (Bauer 1976: 164).
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Z u n ft und Fam ilie sorgten durch äußere und innere Form en der O rganisation
fü r K o n tin u itä t im V erm ittlungsprozeß. Das nachbarliche Nebeneinander der
T ö p fe rfa m ilie n und die räum liche Nähe der D ö rfe r zueinander waren ein weite-
re r stabilisierender und norm ierender F a kto r im Inform ationsfluß . D ie Heraus-
b ild u n g von vergleichbaren Arbeitsgew ohnheiten, von Familien-, O rts- und
Regionalstilen ist in diesen Verflechtungen grundgelegt. D ie eingangs zitierte
Sentenz ״Sachdominanz in S ozialstrukturen“ und ih r Pendant ״Sozialdominanz
in Sachstrukturen“ werden in solchen m ikroanalytischen Forschungsergebnissen
überdeutlich sichtbar. Übersehen werden darf aber dabei nicht, daß ein guter
T e il der N orm ierun g, die den F o rm - und D ekortypus festlegt, in der Versor-
gungsfunktion des Töpferhandw erks begründet liegt, das auf Serienherstellung,
auf M assenproduktion und n ic h t auf Einzelfertigung hin angelegt ist. V on der
heutigen Tagesleistung eines Steinzeugtöpfers an der elektrischen Scheibe ausge-
hend, der bei einem geregelten 8-Stunden-Tag 120— 130 Zw eiliterkannen zu dre-
hen vermag, und von einer Blaum alerin, die in der Stunde 80— 100 dieser Kannen
bem alt, ist es ohne Frage einsehbar, daß es beim Drehen einer solchen Kanne
oder bei ih rer D e ko ra tio n n icht im m er wieder um neue Entscheidungen gehen
kann, sondern um die ungezählte W iederholung einer Gefäß- oder D e k o rfo rm ,
die ״aus der H and lä u ft“ und Stück fü r Stück einen einheitlichen Typus tradiert
(A b b . 6 , 7).
Im V erm ittlungsprozeß ist zunächst die aus einer Summe von M erkm alen
abstrahierte Idealform gemeint. In der Realisierung fä llt dieser Typus jedoch m it
leichten bis starken Schwankungen unterschiedlich aus, denn es fließen regional-
typische, werkstattbezogene oder als personengebundene ״H an dsch rift“ zu
erkennende M erkm ale ein. Dementsprechend differenzieren sich engere T radi-
tionskreise aus. Das identische Form gefühl, das aus den beiden bauchigen Hen-
kelflaschen (f) und (g) auf A b b . 10 spricht, läßt den Schluß auf einen gemeinsa-
men H e rk u n fts o rt in der Südwesteifel (Bruch) zu. Derselbe T öpfer w ird sie
gedreht haben, doch blieb er bisher unbekannt. T ro tz der V ariation zwischen
den stilisierten Blütenranken, einschließlich der Einzelblüte 10a, muß auch die
Bemalung in einer Hand gelegen haben. Sie zeigt den persönlichen Spielraum
eines D ekortypus, der sich hier gegen 10c, d, e und gegen 10b abgrenzt. Ihnen
allen gemeinsam ist die weich schwingende Pinselführung. D arin muß d ire kt
oder in d ire k t die V e rm ittlu n g einer M altechnik gelegen haben, ganz im Gegen-
satz zum D uktus auf A bb. 8 und 9, der aus präzise gemalten Form teilen den
D e k o r aufbaut. Malweise und Gefäßform en sind charakteristisch fü r eine
bestimm te W erkstatt in Speicher. A u f A bb. 3 ist links im Bild die hochliegende,
fast kugelförm ige Bauchung der Flaschen und im V ordergrund rechts die Form
des Doppelhenkeltopfes wiederzuerkennen. Die Eindeutigkeit der Zuschreibung
garantieren nicht nur viele weitere Vergleichsstücke und Stempel, sondern
unübersehbar das Siegerkranzm otiv 1915 (m it Soldatenkreuz) und 1931: eine
Zeitspanne von 16 Jahren. A n diesem Beispiel w ird der mögliche Zugang zur
M entalität (zeitgebunden/m ännlich) deutlich. Zugleich steht das M o tiv fü r die
symbolische V e rm ittlu n g s fu n k tio n von Gegenständen über ihren Gebrauchs-
w e n hinaus. Eine andere A r t ih re r medialen F u n k tio n zeigt die Abb. 11, einem
A dendorfer Katalog entnom m en. Sie spiegelt das zwischen Hersteller und Käufer
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5 V gl. die schcmatischc Darstellung k u ltu re lle r Vermittlungsprozesse in analytischen Schnitten bei
G erndt 1981: 124.
20
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W f îm f l ?*rfiU lfi
21
>
22
<1
23
> .
6 A lbrecht 1981: 29— 64; Franz Baaden: Das Kannenbäckerland und seine Ausstrahlungen, ln : Die
Schaulade 5 (1981) 2— 8; Bauer 1980: 44— 53; K erkhoff-H ader 1980: 37— 56; H e in rich Freitag u. Bur-
chard Sielmann: Die T ö p fe rfa m ilic van der Zander — K o n ku rre n z fü r Langerwehe. In: Rhein. Jahr-
buch f. V olkskunde 24 (1982) 93— 126; Marcel Schmitter: Die elsässischen Steinzeugtöpfer, ln:
Rhein. Jahrbuch f. Vkde. 24 (1982) 37— 64; u.a.
26 27
Fig. 3 д J ^ x é
gcsetzJich D. R G M.
gcschùut Nr j > 30 7 h .
30
fu n k tio n im traditionellen Töpferhandw erk. F ü r eine ganze Reihe von nach Ent-
w ü rfe n des Künstlers L. F o ltz bei V ille ro y & Boch hergestellten Gefäßen wurde
dies von I. und W . Endres aufschlußreich nachgewiesen (Endres 1983: 281— 315).
A u ffa lle n d im ganzen ist der freie Umgang m it den personen- bzw. betriebs-
gebundenen Neuschöpfungen. Schon bei V ille ro y & Boch g riff man w iederholt
in die künstlerische K onzeption ein, indem man bei den aus farbigen Feinstein-
zeug hergestellten Gefäßen die farblich kontrastierenden Reliefauflagen verän-
derte, z.B. das Rahm enwerk variierte, m ehrfigurige Szenen — z.T. w idersinnig
— teilte oder M o tive hinzufügte. In einigen aufstrebenden handwerklichen Stein-
zeugbetrieben auf dem Westerwald setzten sich diese Veränderungen fo rt. Man
kopierte die A p p lik e n , paßte sie nach G utdünken in Form at und Ausgestaltung
den in dieser Z eit des H istorism us beliebten T rin k k rü g e n an und setzte sie in die
sich gut einführende, fü r die Massenherstellung von grauem, salzglasierten Stein-
zeug geeignete Technik des Eindrehens in N egativform en um (A b b . 26, 27).
Diese A r t der Aneignung entsprach traditionellem handwerklichen Denken,
welches das Plagiat nicht und den Musterschutz noch nicht kannte, und verhalf
so den E n tw ü rfe n von L. F o ltz zu einer Popularität auf breiter Ebene.
D e r Gedanke an ״gesunkenes K u ltu rg u t“ (Naum ann) ist bei den vorangegange-
nen Beispielen naheliegend, doch wäre es eine kurzsichtige Interpretation, die die
wechselseitige Einflußnahm e von H andw erk und Industrie oder H a n d w e rk und
Kunst(-handw erk) außer acht lassen würde. F ü r Tüllenkannen in der A r t der
Kaffeekanne von V ille ro y & Boch gab es u.a. V o rb ild e r im rheinischen Steinzeug
der Renaissance (Falke 1908: A bb. 87, 88). Auch die reliefverzierten Gefäße aus
Feinsteinzeug derselben Firm a griffen m it der Auflagetechnik und szenischen
G liederung der M o tive M erkm ale historischen Steinzeugs (16./17. Jh.) auf. Inso-
fern knü p fte n die Nachbildungen vom Westerwald durch die V e rm ittlu n g der
V&B-Erzeugnisse m it neuer Technik in der formalen Ausgestaltung an die eigene
T ra d itio n an, während sich der Gefäßtypus von den ״P inten“ der Renaissance
über die ״W alzenkrüge“ des Barock im H andw erk selbst überliefert hatte.
Impulse zu Veränderungen und Neuerungen, ob aus der unm ittelbaren Lebens-
erfahrung der T ö p fe r hervorgehend oder im Zusammenhang m it zeitgenössi*
sehen Trends stehend, richten sich gegen den gruppenspezifisch gesicherten
Kenntnisstand. Ihre Umsetzung in H andlung ist zunächst im m er ein A k t in d ivi-
dueller K re a tivitä t ehe u.U . eine Verallgemeinerung einsetzt. Zw ei Beispiele sol-
len diesen Aspekt der V e rm ittlu n g noch ins B lickfeld rücken.
Z u m festen Formenschatz rheinischer Steinzeugtöpfer gehörten vom 18.— 20־.
Jahrhundert bauchige Henkelflaschen (Abb. 10). A u f den Bauernhöfen der Süd-
westeifel fanden sich mehrfach Flaschen m it abgeschlagenem H enkel, die noch
dazu dienten, krankem Vieh M edizin einzuflößen. U m sie dabei besser halten zu
können, befestigte man am Hals eine K ordel m it oder ohne G riffh o lz (A bb.
28 a). Aus der praktischen Erfahrung — die Krugbäcker der Region waren aus-
nahmslos zugleich Bauern — entstand bei einem von ihnen eine neue Gebrauchs-
fo rm : eine Medizinflasche m it langem Hals (zum besseren Einflößen) und einge-
zogener Fußzone (zur leichteren Handhabung) (A bb. 28 b; vgl. K erkh off-H ad er
1985: 68). Dagegen ließ der spielerische Umgang m it derselben Form bei einem
anderen T ö p fe r die antropom orphe Gestalt einer Henkelflasche entstehen. N och
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7 D e r T ö p fe r, Mathias Pitsch aus Bruch, starb nach Aussagen des Gewährsmannes (Jg. 1904) 1926
65jährig. E r fo rm te an demselben Tag noch einen K o p f vom Bruder des auf Abb. 28 с M odellierten,
der datiert ist (15.2.1885), während die Flasche n u r die Jahreszahl trägt. Bemerkenswert ist: A n die-
sem Tag w ar tatsächlich Fastnachtssonntag (vgl. G rotefend 1971: 173)! Dies ist ein schönes Beispiel
fü r echte ״Feiertagsarbeit“ und fü r Gedächtnistreue in der m ündlichen Überlieferung.
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L ite ra tu r:
Q uellen:
Fotonachweis:
Bayer. N ationalm useum , M ünchen (12, 13, 14, 15); W erner Endres, Regensburg (26, 27); Bärbel
K e rkhoff-H ader, Bonn (1, 2, 4— 10, 16, 18, 19, 22— 24, 28, 30); Landwirtschaftsmuseum Hösseringen
(17, 21); Rhein. Freilichtm useum K om m ern (25); U nbekannt (3).
Für freundlich gewährte H ilfe bei der Beschaffung des Bildmaterials danke ich herzlich D r. Ingolf
Bauer, M ünchen, D r. W erner Endres, Regensburg, D r. Michael Faber, K om m ern, D r. A yte n Fadel,
Bonn, D r. H o rst L ö b e rt, Hösseringen.
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(aba). Etwa M itte des 19. Jhs führte Sliven jährlich etwa 170.000 Ballen Aba aus,
das fü r seine gute Q ualität und Festigkeit bekannt w a r (Tabakov III, 1929: 52).
E in Ballen e n th ie lt 50 m Aba. In Koprivštica, das rund 7.000 E in w o h n e r zählte,
waren etwa 1.500 Personen m it der Herstellung von Aba beschäftigt (Prancov
1886: 21). In den 60er Jahren des 19. Jhs arbeiteten in G abrovo 100 Gerber- und
Kürschnerm eister m it rund 400 Gehilfen (Cončev 1929: 56). In K arlovo , das zu
jener Zeit 12.000 E inw ohner hatte, wurden jährlich 300.000 Schafs- und Ziegen-
feile verarbeitet (Adgera 1897: 468).
Im großen und ganzen entw ickelte sich die bulgarische handw erkliche Produk*
tio n im 18. und 19. Jh., d.h. in der Epoche, die w ir Bulgarische W iedergeburt
nennen, in folgender Weise:
1. D ie traditionellen Handwerke der Vergangenheit wurden w eitere ntw icke lt
und verbreiteten sich auf alle bulgarischen Gebiete. D ie handw erkliche P roduk-
tio n vergrößerte ihre Dimensionen und verbesserte sich qualitätsmäßig.
2. Das H a n d w e rk arbeitete nicht m ehr nur fü r den lokalen M a rk t, fü r den Aus-
tausch von W aren zwischen Stadt und Land, sondern auch fü r die M ä rkte des
weiten Osmanischen Reiches und besonders fü r seine kleinasiatischen P rovin-
zen. Einige Erzeugnisse wie bearbeitete Häute wurden auch in verschiedene
europäische Länder ausgeführt.
3. Einen starken A u ftrie b erhielten bestimmte H andw erke wie die H erstellung
von groben W ollstoffe n und besonders von W ollschnüren (gajtani) fü r das Beset*
zen von K leidern durch die Aufträge der H ohen Pforte, v o r allem nach der
R eform ierung der türkischen Armee. U nunterbrochen wuchsen die staatlichen
Aufträge und dam it die handwerkliche P rod uktion in einigen Zweigen, beson-
ders bis zum K rim k rie g (1853— 56).
4. In den Kassen der Z ünfte sammelten sich zunehmend F inanzm ittel an. Ein
T eil davon w urde fü r die Ausbildung von jungen Menschen ausgegeben, die im
Ausland ״neue H andw erke“ erlernen sollten. So schreibt C h ris to Ivanov,
Kürschner von Beruf, 1859 in seinen Erinnerungen, daß er zu jener Zeit die
Absicht gehabt habe, ״einige O rte Europas“ zu besuchen, um ein ״europäisches
H a n d w e rk“ zu erlernen (Ivanov 1984: 17). E r erlernte in Belgrad die Buchbinde-
rei, w orauf er nach Marseille ging und sogar versuchte, nach A m e rika auszuwan*
dern, doch schließlich kehrte er nach Bulgarien zurück und arbeitete als Buch*
binder in der bekannten D ruckerei C hristo Danovs in P lovdiv. A llerdings
konnte sich das fü r Bulgarien neue H andw erk nicht schnell verbreiten, da die
türkische Regierung aus erklärlichen Gründen die E röffnung von D ruckereien
in den bulgarischen Gebieten nicht genehmigte.
Ein anderes ״neues“ europäisches H andw erk bildete sich m it der E rric h tu n g von
U h rtü rm e n (etwa 100 an der Zahl) in jenen Städten heraus, die zu Handwerks-
Zentren geworden waren. Die U hren maßen die Länge der A rbeitszeit der Hand-
w erker, die Stunden, die fü r die A nfertigung einer bestimmten Warenmenge not-
wendig waren. A u f G rund der technischen Analyse der U hren dieser T ü rm e
kann man sagen, daß sie die ersten automatischen Apparate auf bulgarischem
Boden gewesen sind (Conev 1976: 7— 6). D er Bau und die V erbreitung von U h r-
werken w irk te sich w ohltuend auf die V erbreitung der angewandten M echanik
in den bulgarischen Gebieten aus. So trägt zum Beispiel der T u rm , der 1835 in
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Bańsko neben der Sveta-Troica-Kirche errichtet wurde, eine U h r, die heute noch
geht. Sie ist von dem bekannten M eister T o d o r H adžiradonov gebaut worden,
über den w ir jedoch fast keine biographischen Angaben besitzen. W eder weiß
man, w o er gelernt hat noch sonst etwas. Das von ih m gebaute U h rw e rk zeich-
net sich aus durch eine bedeutend größere K o m p lizie rth e it als die übrigen U hren
jener Zeit. A ber auch die anderen T u rm u h re n sind einzigartig. Die A n fe rtig u n g
von U hren w ar ein neues H andw erk, m it dem sich besonders talentierte Meister
beschäftigten.
A ls neues H andw erk wurde auch das Gießen und V erlöten der Metalle Z in n und
Blei fü r die Herstellung der sogenannten vetlenici betrachtet. Das sind große
Gefäße fü r die P ro d u ktio n von Spirituosen und das Kochen von Rosenblättern, aus
denen man Ö l zu gewinnen begann. Ü berhaupt gestaltete sich die Rosenölgewin-
nung zu einem neuen Erwerbszweig der Bulgaren, v o r allem nachdem sich európai-
sehe Handelsfirm en fü r das bulgarische Rosenöl zu interessieren begannen.
D ie N u tzu n g des Wassers und in geringem Maße des Windes bei verschiedenen
Herstellungsverfahren in der T e x tilp ro d u k tio n ist eine der maßgeblichen Rieh-
tungen in der E n tw icklu n g des technischen F ortschritts in Bulgarien in den
ersten Jahrzehnten des 19. Jhs. D er hydraulische A n trie b m it H ilfe der Wasser-
k ra ft wurde bei der Herstellung von W ollstoffen fü r Oberbekleidung, manchen
dicken Schnüren (gaitani) und im M ühlhandw erk genutzt.
Bei der H olzverarbeitung kam die m it Wasser betriebene D rehbank zum Ein-
satz, auf der Haushaltsgegenstände hergestellt wurden. Ebenso wurde bei der
Bearbeitung von H o lz vielfach mechanische Pressen verwendet.
Auch die Eisengewinnung war von einer umfangreichen N u tzu n g der mecha-
nischen K ra ft begleitet. Dabei wurde gewöhnlich das Wasserrad genutzt. Eine
gründliche Untersuchung der K o n s tru k tio n des Schmiedehammers, der samokov
genannt wurde, ergibt, daß seine K o n s tru k tio n von einem recht hohen Niveau
des empirischen Wissens in jener Epoche und von einer guten K enntnis der
Naturgesetze und ih rer richtigen N u tzu n g zeugt. D ie hohe Leistung dieser Häm*
mer (bis zu 120 Schlägen in der M inute) ist bis heute von manchen mechanischen
H äm m ern noch nicht überboten worden.
5. D er allmähliche Übergang zu neuen Handw erken, die V e rvo llko m m n u n g der
alten und die V e rw irk lic h u n g eines relativen technischen F o rtsch ritts in der
handwerklichen P ro d u ktio n waren von einem sozialen Prozeß bedingt, der sich
in Jahrzehnten vollzog. M it der Verbesserung der Arbeitsorganisation, m it der
E n tw icklu n g der P rod uktion fü r die weiten türkischen M ärkte, m it der sich ver-
größernden K onzentration bei einer im m er rascher anwachsenden W arenzirku-
lation verfiel der patriarchalische W ohlstand der alten Handwerke. In der zwei-
ten H älfte des 18. Jhs vertiefte sich die materielle D ifferenzierung zwischen den
einzelnen M itgliedern der Zünfte. D ie energischeren und leistungsfähigeren
unter ihnen wurden auch vermögender. D ie reich gewordenen Meister eröffne*
ten, obgleich sie M itglieder der Z u n ft blieben, selbständige W erkstätten m it
10— 20 G ehilfen: Bereits Ende des 18. Jhs gab es in der Plovdiver Z u n ft der Aba-
Hersteller Fälle, in denen der Z u n ft angehörende Meister eigene W erkstätten m it
10— 15 G ehilfen einrichteten (A postolidis 1932, I und II: 79, 85, 87, 104 f, 109;
III: 1 5 -1 7 , 40 f, 46 ff).
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tio n ein. Es bildeten sich neue, fü r die Städte typische materielle Lebensbedin-
gungen heraus. Aus diesem G rund kam es nach der Befreiung zu einem schnellen
Niedergang tausender bulgarischer H andw erker, die vo n der F a b rik p ro d u k tio n
d ire k t verdrängt wurden; betroffen w ar z.B. die P ro d u ktio n von groben W o li-
stoffen (Aba) und gaitani, die Kerzenherstellung, die Seifenherstellung u.a. D ie
Handelsbeziehungen zum riesigen M a rk t des Osmanischen Reiches waren in zw i-
sehen abgebrochen, was ein harter Schlag fü r jene H andw erke war, die ihre
W aren nach Kleinasien ausgeführt hatten.
2. A u fg ru n d des Festhaltens der Landbevölkerung an der patriarchalen Lebens-
weise und an anderen Traditionen sowie wegen ihrer niedrigen K a u fkra ft blieben
in Bulgarien jedoch viele alte traditionelle Gegenstände w eiter in Gebrauch. Das
alte H an dw e rk konnte dadurch auf dem Land noch einige Zeit seinen Platz
bewahren, o b w o h l die Z ünfte verfielen. Die Transform ierung im Sinne einer
״Europäisierung“ ging n u r ganz langsam vonstatten und noch lange Z eit erhiel-
ten sich Elemente der traditionellen materiellen und geistigen V o lk s k u ltu r.
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N ach einer Volkszählung der österreichischen Behörden aus dem Jahre 1850
lebten in Siebenbürgen 2.062.379 Menschen, davon 1.227.276, d.h. 59,6% Rumä-
nen, 536.011, das sind 26,1% U ngarn und Szekler und 192.482, also 9,3% Sach-
sen. Z u den restlichen 5 Prozent gehörten Juden, A rm e n ie r, Slawen, Zigeuner
u.a.2
W ährend Ungarn, Szekler und Sachsen ihre eigenen stim m berechtigten Abge-
ordneten in den siebenbürgischen Landtag wählen d u rfte n , waren die Rumänen
noch um die M itte des 19., w ie auch in den vorhergehenden Jahrhunderten, p o li-
tisch und w irtschaftlich rechtlos, o b w o h l sie zahlenmäßig die anderen Bevölke-
rungsgruppen w eit übertrafen. Eine Polarisierung der Interessen w ar demnach
unverm eidlich. W ährend die ungarischen Behörden, geleitet von der Idee des ein-
heitlichen ungarischen Staates, zu einer M agyarisierungspolitik übergegangen
waren, forderten Rumänien und Sachsen eine politische N euordnung der M onar-
chie auf G ru n d der nationalen, politischen, konfessionellen und ku ltu re lle n
Gleichberechtigung aller ih re r Völkerschaften.
N ach der N iederw erfung der R e vo lu tio n von 1848/49 erntete Ö sterreich die
Früchte seiner kurzsichtigen P o litik . Es unterließ, den einen, die gegen es gestrit-
ten hatten, die Hand zur Versöhnung, den anderen, die m it ihm gefochten hat-
ten, die H and zum D an k entgegenzustrecken und entfremdete sich dadurch
Rumänen, Ungarn und Sachsen3.
U n te rstü tzt durch geschichtliche Ereignisse — 1859 erfolgte die Vereinigung der
Walachei m it der M oldau und 1877 proklam ierte das rumänische V o lk durch
seine V ertreter die U nabhängigkeit des Landes — setzten sich fo rts c h rittlic h den-
kende rumänische In tellektu elle zum Z iel, die nationale, kulture lle , sprachliche
und te rrito ria le E inheit der Siebenbürger Rumänen m it jenen von jenseits der
Karpaten zu fördern und forderten, wenn auch vergeblich, v o r dem siebenbürgi-
sehen Landtag zu Herm annstadt (Sibiu, 1863) und v o r dem Budapester Parlament
(1861) w ie auch vo r dem W iener Reichsrat (1860) politische Gleichberechtigung.
D ie Siebenbürger Sachsen, einer Reihe ih re r seit Jahrhunderten verbrieften
politischen und w irtschaftlichen V orrechte verlustig gegangen, w ehrten sich
gegen die E in fü h ru n g der ungarischen Staatssprache anstelle der lateinischen, und
im Rahmen des sich entfaltenden ״Sprachkampfes“ (Landtag zu Klausenburg
1841/42) wiesen sie darauf hin, daß es n icht notw endig sei, eine Landessprache
zu bestimmen, da die wallachische diesen Platz schon eingenommen habe.
Das w irtschaftliche Leben in den Städten Siebenbürgens w ar im Jahre 1811
durch den österreichischen Staatsbankrott schwer erschüttert worden. D ie Preise
stiegen, Hungersnot und Pest forderten ihre O p fe r, ein allgemeiner Geldmangel
lähmte die W irtschaft. Dazu gesellte sich die österreichische K onkurrenz. Viele
Handwerkszweige konnten dieser n ich t entgegentreten und gingen seit der Jahr-
hundertwende ständig zurück. A lle in in H erm annstadt/S ibiu fiel die A nza hl der
Kürschnermeister in den Jahren 1829 bis 1854 von 84 auf 24, die der Schneider-
meister von 66 auf 43 und die der Schmiede von 24 auf 94.
Die demokratischen Freiheitsideen des Jahres 1848 sowie die provisorischen
Handels- und Gewerbeeinrichtungen von 1852 hatten die längst überlebten
Zunftordnungen w irkungslos werden lassen; die A uflösu ng der Z ü nfte durch das
Gewerbegesetz von 1872 w ar n u r noch eine F o rm a litä t. Man verzichtete dam it,
ohne große Trauer, auf eine In s titu tio n , deren Werdegang eng m it der W irtschaft-
liehen und politischen E n tw ic k lu n g v e rk n ü p ft war, sich jedoch schon im 18., vo r
allem aber im 19. Jahrhundert hemmend auf die E ntfaltu ng der W irtschaft ausge-
w ir k t hatte. D ie einschränkenden Bestimmungen der Zunftordnungen hatten
eine zeitgemäße E n tw ic k lu n g des H andw erks verhindert.
Schon im ersten V iertel des 19. Jahrhunderts w urde der Mangel an A rbe itskrä f-
ten durch die k u rz fris tig (1— 4 Jahre) beschäftigten sächsischen, aber auch rumä-
nischen und ungarischen Wandergesellen aus allen Teilen Siebenbürgens über-
brückt. E in dem Herm annstädter T ö p fe rz u n ft- und Bruderschaftsbuch entnom -
menes Beispiel zeigt das V erhältnis zwischen ortsansässigen Töpfern und W an-
dergesellen. Im 19. Jahrhundert sind in H erm annstadt/S ibiu 153 T ö p fe r
(Meister, Gesellen und Lehrjungen) als ansässig registriert; die Anzahl der Wan-
dergesellen beläuft sich jedoch auf 285. Sie w urden nicht in die Z u n ft aufgenom-
men, waren aber schon ab 1830, ohne U nterschied der N atio n a litä t, M itg lie d e r
der Bruderschaft und nahmen regelmäßig an den Zusam m enkünften te il5.
4 Friedrich Tcutsch: Geschichte der Siebenbürger Sachsen, 3. Bd. Hermannstadt 1910, S. 66.
5 H orst Klusch: Z um H erm annstädter T ö p ferhandw erk des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Forschun-
gen zur V o lks ־und Landeskunde 18/1 (1975) 57— 74.
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F ü r das T öpferhandw erk der Siebenbürger Sachsen brachte das 19. Jahrhun-
dert einen Niedergang. M etall- und Porzellangefäße verdrängten die irdenen
im m e r mehr. D ie V erdienstm öglichkeiten der Gesellen gingen zurück, ih r
W ochenlohn unterschied sich zw ar von O r t zu O r t, lag jedoch überall unter dem
der anderen H andw erker. E in Vergleich des W ochenlohns der Gesellen von 39
verschiedenen Gewerbszweigen ergibt, daß der des Töpfergesellen erst an 30.
Stelle einzuordnen ist. In dem gleichen Maße w ie sächsische T ö p fe rzü n fte in
K ronstadt/B ra§ov, Schäßburg/Sighi§oara, H erm annstadt/S ibiu, Broos/O rä§tie,
A g n e th le n /A g n ita und B istritz/B istriça von w irtsch a ftlich e r Stagnation und
Rückgang des Gewerbes befallen waren, entw ickelten, in um gekehrtem Verhält-
nis, durch keine Verbote m ehr gehemmt, rumänische Töpferzentren und -werk-
Stätten eine reiche T ä tig keit, deren Ausmaß von den rumänischen H eim atfo r-
schern bei weitem noch n icht erfaßt w orden ist. Es sind dies Töpferw erkstätten
m it jahrhundertealter T ra d itio n in Südsiebenbürgen (Tohan), im A ltta l (Foga-
rasch/Fãgãra§ und Cîrpçoara), im Bihorgebirge (Leheceni u.a.) und v o r allem im
Bírgãu-Tal.
A lte U rbarialakten, K onskriptioslisten, S teuerprotokolle und M atrikelbe-
stände bieten uns nicht selten w e rtvo lle H inw eise, sow ohl das zahlenmäßige Auf*
treten einer Erscheinung in V erb re itun g und D ich te betreffend, als auch, wie im
Falle von Z u n ftu rku n d e n , die Form ationen des Gewerbelebens, ja ausgespro-
chene Handwerksgenealogien. V o n besonderem W e rt erweisen sich dabei Quel-
len chronistisch-narrativen Inhalts, w ie etwa Reise- und Tagebücher.
Z u diesen gehört das vom W iener Staatsrat H ie tzin g e r verfaßte Z e itd oku m en t
״Statistik der kaiserlichen M ilitä rg re n ze “ 6, das uns außer einem aussagekräftigen
B ild der damaligen sogenannten ״In du strie“ eine n ic h t unerhebliche A nzahl
w irtschaftlicher, technischer und technologischer Daten ü b e rm itte lt. H ietzinger
verm erkt: ״In allen G renzprovinzen werden gemeine Töpferw aren von Hand-
w erkern und noch m ehr von unzünftigen A rb e ite rn in Menge verfertigt. Dem
G eschirr fe h lt fast überall die Glasur. . . . Sehr gute W are erzeugen die T öpfer
von Hatzeg [Haçeg] und Bár [Baru Mare и. Ваги M ie im Kreis Hunedoara] im
ersten W allachenregimente.“
V o n diesem fü r die E n tw ic k lu n g der transsylvanischen Töpfergewerbes des 1.
Viertels des 19. Jahrhunderts überaus aufschlußreichen H in w e is abgesehen, über-
rascht die ״S tatistik“ noch durch eine das zweite, in Nordsiebenbürgen statio-
nierte G renzregim ent betreffende M itte ilu n g über die Bírgãuer Pfeifenindustrie.
Da heißt es w ö rtlic h : ״Eine E ig e n tü m lich ke it des zw eyten Wallachenregiments
nicht nur, sondern vielleicht des ganzen G roß fürstentum s sind die ziem lich weit
verbreiteten schönen und leichten Borgoer P feifenköpfe“ , von denen ״jährlich
über 30.000 nach Galizien und U ngarn ausgeführt w erden.“ Dazu erfahren w ir,
daß einige O rtschaften des Regiments, v o r allem der 4. Kompagnie, und unter
dieser besonders Susenii Birgäului, die Pfeifenherstellung als B roterw e rb betrie-
ben.
6 H o rst Klusch: Borgotaler T ö pferkunst im Ausland gefragt. In: N euer Weg 20. Jg., N r. 6010,
7.X1.1968, S. 4.
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V ogelm otive von T ellern und Krügen — G elb auf braunem G rund. Rumänisches Töpfer*
Zentrum, Birgäu-Tal, Ende des 18. Jhs. (A rbeitete hauptsächlich fü r die rumänische Bevöl-
kerung).
Dieser H in w e is und die darauf folgenden technologischen Details über die H er-
Stellung der Pfeifenköpfe lassen darauf schließen, daß den rumänischen T ö p fe rn
aus dem Bîrgau-Tal eine langjährige E rfahrung im T öpferhandw erk eigen war,
und daß in der zweiten H älfte des 18. Jahrhunderts d o rt eine gute unglasierte
Gebrauchs- und glasierte Z ie rke ra m ik erzeugt w urde, die in Nordsiebenbürgen
einen großen E in flu ß auf den D e k o r der sächsischen und ungarischen Gebrauchs-
und Z ie rke ra m ik gehabt hat.
Im Verbreitungsgebiet des Bírgãu-Tales sind uns Gefäße von guter Q u a litä t
erhalten geblieben, deren kyrillische Inschriften beweisen, daß sie von rum äni-
sehen T ö p fe rn fü r rumänische Verbraucher hergestellt worden waren. Ih r
D e ko r, der bis jetzt irrtü m lic h den sächsischen T ö p fe rn zugeschrieben wurde,
zeigt geometrische wie auch figurale M o tiv e von hervorragender künstlerischer
A usdruckskraft. D ie Vogeldarstellungen auf einigen erhalten gebliebenen T ellern
bezeugen noch alte mythologische Vorstellungen vom Lebensbaum. A u f dem
Rand eines dieser Vogelteller steht in k y rillis c h e r Schrift ״preęu 6 creçari buc“
(6 Kreuzer das Stück). A u f einem anderen sind zwei Vögel jeweils in einem dop-
pelkronigen Lebensbaum dargestellt — ein beliebtes M o tiv , das in ve rkü rzte r
F orm auf siebenbürgisch-sächsischen Z ie rte lle rn aus B istritz Ende des 18. und
Anfang des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Varianten wiedergegeben wurde.
Kundige sächsische Töpferm eister aus dem Gebiet um B istritz hatten m it viel
künstlerischem Einfühlungsvermögen und technischem Können w e rtvo lle
Erfahrungen des siebenbürgischen Töpferhandw erks aller N ationalitäten ver-
wertet und aus der gemeinsamen Ornamentensprache alte Sinnbilder neu belebt.
Ein kontrastreicher Pinselstrich und eine ausgewogene klare M alhorn-Z eichnung
sind ein Wesenszug aller dieser Erzeugnisse. Schlank, m it durchgebogenem
Rücken und langen Schwanzfedern, meist m it nach oben gewendetem, bei eini*
gen Darstellungen fast bis auf den Rücken zurückgebogenem K o p f, m it zie rli-
chen aber schwungvoll gezeichneten Füßen, unterscheiden sich diese Vogeldar-
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T e lle r m it Vogelm otiven — G elb, Braun, G rü n , Blau auf weißem G rund. Sächsisches Töp-
ferzentrum , B istritz, Anfang des 19. Jhs. (Arbeitete fü r rumänische, sächsische und ungari-
sehe Bevölkerung im Nösnerland.)
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T eller — Blau, G rü n , Rotbraun auf weißem G rund. Szekler T öpfer, N o u l Román, 19. Jh.
(Arbeiteten fü r rumänische Bevölkerung aus dem A ltta l.)
7 Paul Stieber: F orm ung und Form . Versuch über das Zustandekommen der keramischen Form , ln:
Bayer. Jahrbuch fü r Volkskunde 1970/71, S. 7— 73.
D e r Käufer oder Empfänger kauft das Stück auf G rund einer aus vielen Kom ponenten zusammen-
gesetzten M o tiv a tio n , die dem H andw erker m itgeteilt w ird . Einige wichtigere von ihnen sind:
Schönheit (was im m er der Empfänger darunter versteht!), Repräsentation, Bedeutung (z.B. ord-
nende, sinngebende usf.), Selbstdarstellung (d.h. das bewußte u n d /o d e r unbewußte Streben
danach), der Gebrauchszweck (Festigkeit, Dauerhaftigkeit, Feuerfestigkeit). Es spielen auch V o rb il-
der verschiedener A r t und T raditionen eine Rolle bei der Bildung der M otiva tio n .
D ie ganze M o tiv a tio n des Empfängers (die Vorstellung von dem, was er haben w ollte, seine Idee
von der Sache, seine Erw artung) muß dem H andw erker, dem Hersteller auf das genaueste bekannt
gemacht werden. Aus diesem, aus seiner E rinnerung und seinen Erfahrungen bildet der Hersteller
seinerseits eine neue M o tiva tio n , die sich in einer Vorstellung dessen, was er herstellen w ill, nieder-
schlägt. Diese ist während des Herstellungsprozesses gegenwärtig, sie geht auf kurzgeschlossenem
Weg in F o rm und D e ko r ein.
Sofern das fertige Stück der Vorstellung des Empfängers nicht entspricht, te ilt dieser die Diskrepanz
beim nächsten K a u f dem Hersteller m it; dam it w ir k t die D ifferenz zwischen dem Ergebnis des H er-
stellers und der E rw artung des Empfängers verändernd auf das Bewußtsein des Herstellers.
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1 Barbu Slãtineanu, Paul Stahl, Paul Petrescu; A rta populara in Republica Populara Românã. Cera-
mica. Bucure$ti: E ditura de stat pentru literatura $i anã, 1958, S. 174.
4 H o rst Klusch: Siebenbürgischc Töpferkunst. Bukarest: K rite rio n Verlag» 1980, S. 53:
D ie H äufigkeit dieses M otivs, das im siebenbürgischen Raum auf Keramikgefäßen verschiedene
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Vogel- und Lebensbaummotiv von Krügen — G rü n , Gelb, Braun, Blau auf weißem
G rund. Szekler T öpfe r, Turda und O dorhei. (Arbeiteten fü r rumänische, sächsische und
ungarische Bevölkerung aus ganz Siebenbürgen.)
Abw andlungen erfahren hat, macht die ausführlichere E rklärung dieses Sinnbilds erforderlich. Ein
altes iranisches M ärchen erzählt von einem Baum, der am unteren Ende des Stammes gespalten ist.
D er Spalte entström t Lebenswasser, das U nsterblichkeit oder H eilung aller Gebrechen verleiht. A ls
W ächter und Beschützer sitzen in der Krone des Baumes zwei Vögel, deren Aufgabe es ist, alle
Schädlinge zu vertilgen und den um H ilfe Flehenden von dem H eilquell Wasser zuzutragen. Dieses
iranische B aum m otiv ko m m t schon frü h in den M ittelm eerraum . A u f Keramikvasen der griechi-
sehen A n tik e w ird der gespaltene Stamm deutlich betont. Die Baumsarkophage des 4. Jahrhunderts
kleinasiatisch-antiochischer H e rk u n ft zeigen Baummotive, die am Fuße des Stammes einen ziem-
lieh w eit hinaufragenden Spalt aufweisen und in dessen Zweigen der unausbleibliche Vogel sitzt.
Nach Siebenbürgen kam das M o tiv im M itte la lte r über Byzanz und Venedig.
10 Interessant ist, daß der iranische Lebensbaum auf Keramikgefäßen Österreichs und der Slowakei
häufig anzutreffen ist, m it gespaltenem Stamm aber n u r in Siebenbürgen a u ftritt.
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146 Horst Klusch
11 I. Sabãu: Relatiile politice d intre M oldova si Transilvania in tim p u l lu i Stefan cel Mare. In: Studii
cu p riv ire la Stefan cel Mare. Bucuresti 1956, S. 225— 227.
12 A . E ichhorn: D ie Töpfer. In: M itte ilu n g des Burzenländer Museums IV (1940) 69— 85.
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ten, in Curtea de Arge§. Auch aus dem 19. Jahrhundert kennt man w ertvolle
Keramikgefäße, die aus dem A ltre ich eingeführt wurden und noch den Zollstem -
pel aufgeklebt haben.
In Analogie zu r V ö lk e rs tru k tu r Siebenbürgens gibt es, wie w ir sehen, eine
rumänische, eine sächsische und eine ungarische volkstüm liche Z ie rke ra m ik,
eine O rdnung, die auch heute als natürliche, historisch und k u ltu re ll bedingte
Klassifikation gerechtfertigt erscheint. Eine ethnische Z uordnung ergibt sich aus
einer eingehenden sozial-kulturellen Analyse der Lebensweise und S achkultur
der betreffenden nationalen G ruppen, wobei das Charakteristische in Formge-
bung, Verzierungstechnik und -stil, Oberflächenbeschaffenheit und fu n k tio n e l-
1er Bedeutung bei der Eingliederung des Keram ikm aterials beachtet werden muß.
M it Rücksicht darauf lassen sich Ballungszentren ethnischer Kulturgebiete aus-
machen, wie beispielsweise das Gebiet um Hatzeg, um das Bihorgebirge und das
Birgäu-Tal fü r rumänische Zierkeram ik, Reps/Rupea, Schäßburg/Sighi§oara und
Umgebung fü r sächsische und das Szeklergebiet fü r ungarische K eram ik. Z w i-
sehen diesen liegen Ubergangszonen, deren Erzeugnisse n u r schwer dem E influß -
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148 Horst Klusek
bereich des einen oder anderen Zentrum s eindeutig zugeordnet werden können.
Das Fehlen eines eingehenden Studiums kennzeichnender M erkm ale hat um
die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert einige Heim atforscher dazu verleitet, die
ethnische Zugehörigkeit der Siebenbürger Keramikgefäße nach der N a tio n a litä t
des vermuteten Erzeugers zu bestimmen. Danach gelten z.B. als ungarische Kera-
m ik alle Erzeugnisse ungarischer T ö pfe r, eine Auffassung, die auch heute noch
teilweise verbreitet ist. Dieser Grundsatz mag w o h l fü r die Z e it, da Töpferei
noch Hausgewerbe war, ric h tig gewesen sein, kann aber fü r das zünftige Hand-
w erk, das sich nach dem Gesetz des Angebots und der Nachfrage richtete, nur
bedingt angewandt werden. Aus den M odellbüchern der Schneiderzunft aus
Mediasch können w ir ersehen, daß nach Bestellung auch rumänische und ungari-
sehe Trachtenhosen angefertigt wurden, die nach ih re r Fertigstellung auch rumä-
nische oder ungarische Trachtenstücke blieben, ob w o h l sie von einem sächsi-
sehen Schneider genäht w orden waren. W arum soll es bei der volkstüm lichen
Z ierke ram ik anders gewesen sein? Ungarische T öpfer aus C orund kopieren
heute m it Vorliebe sächsische Z ierkeram ik: W ird sie dadurch zu einer ungari-
sehen Zierkeram ik? W o h l trägt jedes Keramikerzeugnis die H andschrift seines
Schöpfers, die im stilistischen oder technischen D etail zum Ausdruck ko m m t,
doch sind solche Details eher in d ivid u e ll bestim m t und können nicht im m er als
ethnische Stilelemente gewertet werden.
149
V orbem erkung: Das Symposiumsreferat des Verfassers war frei vorgetragen und
״lebte“ besonders auch durch die ״K o n ve rtie rb a rke it“ des Materials in Bezug auf
Querverweise innerhalb des soziokulturellen Kontextes sowie durch beigegebene
tabellarische Darstellungen via Overhead-Projektion. Nachfolgend w ird deshalb
eine knappe Zusammenfassung im Stil einer kom m entierten Bibliographie und
Q uellenübersicht geboten, die als methodisches Gerüst fü r eingehendere U nter-
suchungen auch in anderen Landschaften dienen kann.
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Straubing, an deren H auptorten sich die Sitze der als staatliche M ittelb eh örd en
amtierenden Regierungen befanden. Diesen unterstanden die in etwa m it unseren
jetzigen Landkreisen vergleichbaren Land- oder Pfleggerichte, die allerdings
neben der Justiz noch weitergehende Verwaltungsaufgaben in den Bereichen
Z o ll, Steuer, M iliz und Staatsdomänen zu erfüllen hatten. M it der sogenannten
Niedergerichtsbarkeit begabt, bildeten Städte, M ärkte und Adels- w ie Kloster-
hofm arken die untere Ebene der Jurisdiktions- und V erw a ltu ng sstruktu r des
bayerischen K urfürstentum s der Barockzeit (s. Karte S. 150).
W ie die Quellen erweisen, stellte diese S tru k tu r jene ״überlieferten O rd n u n -
gen“ gerade auch fü r das H a n d w e rk dar, in denen sich das ״Leben“ der breiten
Bevölkerung — nach einem Term inus des Volkskundlers Leopold Schmidt —
abspielte.
Ferchl, Georg: Bayerische Behörden und Beamte 1550— 1804. In: Oberbayerisches
A rc h iv 53, M ünchen 1908— 1910. — Kom m ission fü r bayerische Landesgeschichte
(Hsg.): Historische A tlanten der niederbayerischen Gerichte. — M a rk m ille r, F ritz :
Entstehung und E n tw icklu n g der Gerichte Landau, D in g o lfin g , Teisbach, Leonsberg
und Reisbach. In: D er Storchenturm 7 (D in g o lfin g 1972) H e ft 13, S. 28— 59. — Ders.:
D ie Beamten des Pfleggerichts D in g o lfin g von 1251 bis 1803. In: ebda., S. 60— 99. —
Bleibrunner, Hans: Niederbayern. Kulturgeschichte des Bayerischen Unterlandes, 2
Bde. Landshut 19822.
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Karte über die W ohnorte der H a fn e r auf dem K rö n in g und der H afner an der Bina
(erarbeitet aus Handwerksarchivalien)
Quellenmaterial
Nochm als sei betont: In erster Linie kom m en fü r Primärforschungen jene U n te r-
lagen in Betracht, die als schriftlicher Niederschlag der Gerichts- und Verw al-
tungstätigkeit relevanter Behörden erhalten sind, deren A u ffin d u n g in den spe-
ziellen A rchiven jedoch die Kenntnis der politischen S tru k tu r wie der aufgrund
ih re r Aufgaben stru kturierten A rc h iv k ö rp e r voraussetzt.
A ls Behörden m it einschlägigem M aterial kom m en in Frage:
— Rentamt/Regierung. Mandate und Patente, d.h. offizielle Verlautbarungen,
Gebote und Verbote im Bereich allgemeiner und spezieller W irtschaftsver-
hältnisse, diesbezüglicher Schriftverkehr von und zur Oberbehörde (H o fra t,
H ofkam m er) sowie von und zu den Landgerichten bzw. anderen Rentäm tern.
— Land-/Pfleggencht. W eiterleitung der vom Rentam t überm ittelten Schriftsätze
an die Niedergerichte, Überwachung der D urchfü hru ng , Vorschlag und
Überwachung von Handwerksordnungen, Abgabe von Stellungnahmen und
Gutachten, Schlichtung von Streitigkeiten der H andw erker untereinander
sowie m it Pfuschern und Störern, Strafverfolgung letzterer und von Vergehen
der etablierten Zünfte (s. Faksimile S. 155).
— Stadt-/Marktrau E rteilung des Bürger- und Handwerksrechts bzw. von Son-
derkonzessionen, Handhabung der Gewerbepolizei, Steuererhebung, Rege-
lung von H andwerksstreitigkeiten am O rt, In ve n tu r von Vermögen und
Fahrnis in bestimmten Erbfällen.
— Hofmarksgencht Anfallende Q uellen wie oben.
D ie Lageorte dieser Q uellen sind bei staatlichen Organisationen das Bayerische
Hauptstaatsarchiv München und das Staatsarchiv Landshut; bei kom m unalen
Organisationen die Stadt- bzw. M arktarchive an den jeweiligen O rte n; und bei
Hofm arksorganisationen die H ofm arksarchive — soweit noch vorhanden — bei
den w eltlichen Rechtsnachfolgern bzw. als deren Depots im Staatsarchiv Lands-
hut, bei geistlicher H e rk u n ft infolge Säkularisation vorzugsweise im Bayerischen
Hauptstaatsarchiv München.
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— 6RENZEN DER RENTÄMTER
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____ GRENZEN DES REGIERUNGSBEZIRKS
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Archivquellen zur Handwerksgeschichte N iederbayem: 155
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Namensliste eines Teils der als ״Gäumeister“ bezeichneten auswärtigen M aurerm eister
der D ingolfinger Handwerks-Viertellade aus der 2. H älfte des 18. Jahrhunderts (überliefert
im Handwerksbuch)
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Karte m it den W ohnorten der M aurer- und Z im m ererm eister der D in g o lfin g e r Viertellade
während des 18. Jahrhunderts (erarbeitet aus H andw erks- und M em orialbuch)
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00055689
W eind l, Hans: Beiträge zur Geschichte des H andw erks und der Z ünfte [im ehem. L K
Landau]. In: Landauer Heim atbuch. Landau 1958, S. 138— 150. — Ders.: Beiträge zur
Geschichte des H andw erks und der Z ü n fte [im ehem. L K V ilsbiburg]. In: D er Land-
kreis V ilsb ibu rg. V ilsb ib u rg 1966, S. 115— 128. — M a rk m ille r, F ritz: D ie M aurer- und
Zim m ererm eister der Handwerks-Viertellade zu D in g o lfin g . In: Verhandlungen des
H istorischen Vereins fü r Niederbayern 98 (Landshut 1972) 70— 82. — Haushofer,
Josef: Z u r O rganisation der H andw erke im südöstlichen Niederbayern. In: D er Stör-
chenturm 7 (D in g o lfin g 1972) H e ft 14, S. 1— 22. — M a rk m ille r, F ritz: N o tize n zum
H a nd w e rk der Binder in Landau und D in g o lfin g . In: D er Storchenturm 11 (D ingo l-
fin g 1976) H e ft 22, S. 66— 75. — Ders.: Katalog zur Ausstellung ״A lte Handwerkszei-
chen“ . In: ebda., S. 96— 126.
M a rk m ille r, F ritz : Welsche M aurer, K a m in keh rer und K räm er in D ing olfing. In: D er
Storchenturm 5 (D in g o lfin g 1970) H e ft 10, S. 56— 68. — Freudenberg, Elisa z u /M o n d -
feld, W o lfra m zu: Altes Z in n aus N iederbayern, 2 Bde. (= Niederbayern — Land und
Leute, 4— 5). Regensburg 1982/83. — A lb re c h t, Lu d w ig: H e rk u n ft und Genealogie der
Kannenbäcker und Pfeifenmacher zu Peterskirchen im R ottal. In: D er Storchenturm
16 (D in g o lfin g 1981) H e ft 31, S. 29— 64.
Karte m it H e rku n ftso rte n der im 16./19. Jahrhundert in der Stadt D in g o lfin g tätigen wel-
sehen M aurer, K am inkehrer und K räm er
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162 Fritz Markmiller
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״ * ׳c f Nachweis der Handwerks-
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Sigrid H in ke lm a n n : D ie Bürgeraufnahmen der Stadt D in g o lfin g von 1743 bis 1808. In:
D er Storchenturm 5 (D in g o lfin g 1970) H e ft 10, S. 20— 31. — Haushofer, Josef: D ie
erwerbstätige Bevölkerung des M arktes Reisbach im Jahr 1690. In: D er Storchenturm
8 (D in g o lfin g 1973) H e ft 15, S. 42— 50. — M a rk m ille r, F ritz : Hersteller und Lieferan-
ten im Bezugsfeld ״T racht und M ode“ . In: D er Storchenturm 18 (D in g o lfin g 1983)
S. 7 5 -1 2 1 .
Sonstige 51 4 11 66 2Д
Gesamtes Dingolänger Pfarrvolk 1901 450 680 3031 100,0
duzierte ähnlich differenziert fü r den P farrherrn, den W irt und den Bäcker im
H o fm a rk s o rt wie fü r die Bauern, Häusler und Taglöhner seines kleineren W ir-
kungsbereichs.
Derartiges galt allgemein, wenn R ohstoffe und P ro d u ktio n sm itte l n icht lokal
gebunden, sondern aus eigenem Besitz oder H erstellung bzw. über den Handel ver-
fügbar waren. D ie H afner auf dem K rö n in g oder jene zu O bernzell konnten dage-
gen n u r in und m it der betreffenden Landschaft existieren, die ihnen die Erwerbs-
grundlagen zu bieten verm ochte. Diese Bedingungen w irk te n sich deshalb von
A nbeginn auf Rechtsverhältnisse, Handwerksorganisation, Absatz und V ertrieb
aus. D ie V erfügung über die R ohstoffe stellt allerdings ein noch kaum erforschtes
Gebiet innerhalb der Handwerksgeschichte n ich t bloß des K rö n in g dar.
Stieber, Paul: Die K rö n in g e r H a fn e r-O rd nun g von 1428 (= Schriften des Deutschen
H afner-A rchivs, 6). M ünchen 1972. — M a rk m ille r, F ritz : D er Streit zwischen den K rö -
ninger und D ing o lfing e r H afnern 1698 bis 1708. In : D e r Storchenturm 10 (D in g o lfin g
1975) H e ft 20, S. 19— 32. — Grasmann, Lam bert: Handwerksordnungen im M a rk t
V ilsbiburg. In: D er Storchenturm 11 (D in g o lfin g 1976) H e ft 22, S. 16— 27. — M a rk m il-
1er, F ritz : Das D in g olfing e r M etzgerhandw erk und seine O rd n u n g von 1777. In: ebda.,
S. 28— 65. — Ders.: Schriftquellen z u r Trachtenkunde Niederbayerns. In: D er Stor-
chenturm 18 (D in g o lfin g 1983) H e ft 36, S. 1— 22.
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TextU-produzierendc und -verarbeitende Handwerke im Jahr 1734
(Meister, Gesellen / Lehrlinge)
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<1 Gewerbe- und H and w erksstruktur der Stadt D in g o lfin g im Bereich Bekleidung vom Jahr
1734 (erarbeitet aus einer Seelenstands-Beschreibung des Pfarramts)
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Textil-produzierende und -verarbeitende Handwerke im Jahr 1787
(Meister / Steuersatz)
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Gewerbe- und Handwerksstruktur der Stadt Dingolfing im Bereich Bekleidung vom Jahr
Leder- (und Filz )־produzierende und ■verarbeitende Handwerke im Jahr 1787
(Meister / Steuersatz)
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00055689
Grasmann, Lam bert: V e rtrie b der K rön in ge r Hafnerware vom 17. bis zum 19. Jahr-
hunden. In: Sonderheft 1 zu D er Storchenturm (D in g o lfin g 1977) S. 1— 40. — Ders.:
D ie G eschirrlieferung der K rö ning er und der M ünchener H afner an den k u rfü rs tli-
chen H o f. In: D er Storchenturm 14 (D in g o lfin g 1979) H e ft 28, S. 48— 61. — H aller,
Reinhard: Neue Belege zum K rön in ge r Geschirrhandel im Bayerischen W ald. In: Son-
derheft 5 zu D e r S torchenturm (D in g o lfin g 1982) S. 13— 14.
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Karte über die Vertriebsorganisation der H afner auf dem K rö n in g während des 19. Jahr-
hunderts (erarbeitet aus Handwerksarchivalien)
M a rk m ille r, F ritz : Das Rathaus der Stadt D in g o lfin g 1743— 1838. In : D e r Storchen-
tu rm 6 (D in g o lfin g 1971) H e ft 11, S. 1— 41. — Ders.: Das M a rk tto r in Teisbach. In:
D er Storchenturm 6 (D in g o lfin g 1971) H e ft 12, S. 46— 54. — H aushofer, Josef: Bau-
und Kunstnachrichten über die K irch e Anzenberg 1688— 1771. In : H e im a t an R ott
und Inn. Eggenfelden 1974, S. 92— 102. — Grasmann, Lam bert: D e r Rathausumbau in
V ilsb ib u rg im Jahr 1727. In: D e r S torchenturm 13 (D in g o lfin g 1978) S. 6— 24.
Religiöse Bindung
Abschließend noch ein H in w e is auf die in Betrachtungsraum und -zeit regelmä-
ßig festzustellende religiöse B indung der berufsständischen Handwerksorganisa-
tionen. D ie Q uellen berichten h ie r von Existenz und Rechtsverhältnissen der
Zunftkapellen an Stadt- und M a rk tp fa rrk irc h e n , von Handwerksjahrtagen und
ihren Gottesdiensten, von Prozessionen und Umgängen, deren gestalterisches
Element wesentlich von der Beteiligung der Handwerksvereinigungen bestim m t
wurde. Vielfach bestanden im Zusammenhang m it den Handwerksladen und
unter dem Schutz des H andw erkspatrons Andachtsbruderschaften, die auch
Berufsfremden zum B e itritt offenstanden. F ü r relevantes Q uellenm aterial wären
neben den bereits genannten Staats- und K om m unalarchiven noch jene der Pfarr-
ämter und Diözesen zu konsultieren.
Zusammenfassung
Es erscheint als unabdingbar, w ill man der einstigen W irk lic h k e it gerecht wer-
den, von der untersten lokalen und kleinräum igen Ebene auszugehen und alle
einschlägigen Q uellen zu erkunden. Erst das Zusammenfügen m öglichst vieler
der erreichbaren Bausteine im kulturh isto risch en K o n te x t bildet die Grundlage
fü r das richtige Verständnis der Dinge. Dies g ilt vorzugsweise auf dem weiten
und durchaus noch zu wenig ״beackerten“ Forschungsfeld altbayerischer Hand-
werksgeschichte. D ilettierende Tüm elei m it den heute so nostalgisch geliebten
vo rin d u strie ll gefertigten D ingen — v o r allem solchen verm eintlicher ״Volks-
kunst“ — ist dabei fehl am Platz. Systematische, som it zeitaufwendige, strecken-
weise durchaus trockene, im E ndeffekt jedoch überraschend erfolgreiche Quel-
lenaufbereitung tu t not.
Allgemeine L ite ra tu r:
Hazzi, Joseph: Statistische Aufschlüsse über das H erzogtum Baiern. N ü rn b e rg 1801 ff.
Spindler, M ax (Hsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. M ünchen 1967 ff.
Schremmer, Eckart: D ie W irtschaft Bayerns. M ünchen 1970.
R u d o lf Weinbold, Dresden
1. Werkstätten u nd Beschäftigte
W enn von der K e ra m ik p ro d u k tio n Sachsens und Thüringens im 18., aber auch
noch im 19. Jahrhundert gesprochen w ird , so bezieht sich das nicht selten auf
die herausragenden Erzeugnisse der M a n u fa ktu r. V oran steht dabei das Porzellan
aus Meißen und einer Reihe von T h ü rin g e r Betrieben. W eiter genannt werden
die Fayencen der — überwiegend — thüringischen W erkstätten. W eniger
bekannt schon ist das Steingut, o b w o h l dieses Genre der K eram ik zu Ende des
18. und während der ersten H ä lfte des 19. Jahrhunderts nachweisbar in knapp
zwei D utzend M anufakturen unseres Gebietes hergestellt wurde.
U n te r den Handwerkserzeugnissen hat v o r allem das Steinzeug aus A lte nb urg ,
Altstadt-W aldenburg, Bürgel, M uskau und Z e itz Beachtung gefunden1, o b w o h l
in diesen O rte n n u r ein T e il der klingend hart gebrannten Ware Sachsens und
Thüringens entstand. Sehr lückenhaft aber w ar — und ist zum T e il auch noch
— das Wissen um die W erkstätten, die sich m it der Erzeugung farbig bemalter
bzw. engobierter und bleiglasierter Irdenware befaßten. Dabei haben neuere
Untersuchungen2 ergeben, daß ihre Zahl beachtlich war. Zwischen 1750 und
1830 betrug sie im D u rch sch n itt mindestens 700 bis 750. Dazu kom m en etwa 150
Steinzeugtöpfereien. D e r überwiegende T e il dieser Kleinbetriebe (knapp 90%) ist
in den Städten nachzuweisen. A b e r möglicherweise verschieben die Ergebnisse
w eiterer Forschungen diese Relation. M e h r als die H ä lfte aller dieser Handwerks-
töpfereien ko n ze n trie rt sich in einigen durch gute R ohstoffvorkom m en begün-
stigten keramischen Zentren in Teilen der O ber- und Niederlausitz, in den
Gebieten zwischen Pleiße, M ulde und W yh ra sowie zwischen Saale und m ittle re r
Elster, im südthüringer, an C ob urg angrenzenden Heldburger Ländchen und an
der m ittle re n W erra m it dem H a u p to rt Gerstungen.
M it der handw erklichen H erstellung von Irdenware und Steinzeug waren um
1800 und danach schätzungsweise 2500 Personen befaßt. Rund 1500 von ihnen,
also 60%, standen als Gesellen und Lehrlinge in Lohnabhängigkeit. Zu ergänzen
ist, daß zu dieser Z e it die Zahl der in den Fayence-, Steingut- und Porzellanmanu-
fakturen sowie m it der A n fe rtig u n g von T onpfeifen Beschäftigten zwischen 1300
1 Zuletzt bei Josef H o rsch ik: Steinzeug im 15. bis 19. Jahrhundert von Bürgel bis Muskau. Dresden
1978.
2 R udolf W einhold: Meister — Gesellen — M anufakturier. Z u r K eram ikp ro d u ktio n und ihren Pro-
duzcnten in Sachsen und T hüringen zwischen 1750 und 1830. In: Volksleben zwischen Z u n ft und
Fabrik. Berlin 1982, S. 168 ff.
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174 R u do lf Weinhold
2. Soziale Organisationsformen
5 A rtik e l der Bruderschaften liegen v o r von Z itta u 1595, neu bestätigt 1686 (Ratsarchiv Z itta u IV —
Ic — 13 zu N r. 1 — F545), von G ö rlitz 1614 (Zobelsche B ib lio th e k — И. A 22 — В 292 Fol. 22b
ff.) und von Bautzen 1712 (Privatbesitz Töpferm eister Römer, Bautzen). Eine weitere, deren
Schriftgut verlorengegangen ist, wurde um 1700 in Löbau gegründet (Stadtarchiv Löbau, Rep. X X I,
Sect. 20 Loc. I, N o . 14 Fol. 86b und 101a).
6 Adam Drunsel: D ie Geschichte der deutschen Töpferbewegung. B erlin o.J. (1911), S. 67.
7 Ebenda, S. 50.
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176 R u d o lf Weinhold
Um gang m it der viel stärker als H o lz rußenden und Gase bildenden K ohle sam-
m ein mußte. D ie Königsbrücker T ö p fe r stellten sich erst gegen Ende des 19. Jhs
auf den neuen Brennstoff u m 13. U n d noch bis in die fünfziger Jahre unseres Jahr-
hunderts feuerte Leopold Berghold im südthüringischen U m m erstadt seinen
Brennofen ausschließlich m it H o lz .
Treibende K ra ft dieser U m stellung war, w ie schon angedeutet, die Landesherr-
schaft. In Sachsen, dessen Montanwesen seit dem hohen M itte la lte r einen ständig
wachsenden H olzbedarf hatte, setzten die Versuche, den Verbrauch dieses w ert-
vollen Rohstoffs durch Verordnungen einzuschränken, schon im 16. Jh ein und
w urden während des 17. Jhs verstärkt — und verschärft — fortgesetzt. Entspre-
chende Weisungen betrafen zunächst das Bauwesen14, w urden aber dann auch auf
den gewerblichen Brennholzkonsum ausgedehnt. D ie T h ü rin g e r Kleinstaaten
scheinen nicht in gleichem Maße m it diesem Problem haben käm pfen zu müssen.
W ahrscheinlich hat der H o lz re ic h tu m w eiter Landesteile solche Sorgen erst spä-
te r aufkom m en lassen. D och bildete die U m m erstädter W erkstatt m it ihrem
H o lzb ra n d noch um 1950 schon eine absolute Ausnahme.
W ir haben es bei diesem U m stieg von H o lz auf K ohle also n ich t m it einem
Prozeß zu tu n , dessen auslösendes M o m en t in der K e ra m ik p ro d u k tio n selbst lag.
D och er hat zu einer Veränderung des Arbeitsverfahrens geführt. Denn um die
farbig engobierte, bemalte und glasierte W are v o r dem K oh len ru ß an flu g zu
schützen, ״fü tte rte “ man sie nunm ehr in Schamottekapseln ein. Diese M ethode
ist sehr wahrscheinlich aus der Porzellan- und Steingutherstellung übernom m en
w orden. A b e r auch im O fenbau gab es auf G ru nd des neuen Brennmaterials
schließlich Veränderungen. Seit dem zweiten D ritte l unseres Jahrhunderts traten
an die Stelle des Kassler Typs zunehmend moderne Form en in der A r t des von
mehreren Feuerstellen her zu beheizenden Viereckofens m it überschlagender
Flam m enführung. Diese M odelle nutzten die H itz e des fossilen Brennmaterials
besser und wiesen auch größere Raum inhalte auf. Heute ist neben sie die elek-
trisch beheizte M u ffel gerückt, ein Zeichen, daß das H a n d w e rk alle industriellen
Errungenschaften zu nutzen weiß und den größeren Betrieben der Steingut- und
P orze lla np rod uktion auf diesem Gebiet qualitativ nicht nachsteht.
Es hat sich ihnen in neuester Z e it auch auf der Ebene des verarbeiteten Roh-
stoffs angenähert. Bis in die erste H ä lfte unseres Jahrhunderts bestand einer der
grundsätzlichen Unterschiede zu anderen keramischen Branchen darin, daß das
Irdenware und Steinzeug herstellende H an dw e rk vorzugsweise natürlich vor-
kom m ende Tone aufbereitete und verarbeitete. Sie fanden sich meist in der Nähe
der W erkstätten oder boten, w ie das Beispiel des Thonbergs bei Kamenz zeigt,
den T ö p fe rn zahlreicher umliegender O rte in großer Fülle gutes M aterial. Seit
den fünfziger Jahren jedoch steht der Verbrauch dieses Rohstoffes bei der Pro-
d u k tio n der engobierten, farbig bemalten und glasierten Irdenw are gegenüber
den durch M ischung verschiedener Tone und mineralischer Zusätze hergestellten
synthetischen Massen zurück. Das daraus gefertigte G eschirr ist im Scherben
dem Steingut ähnlich.
15 s. A n m . 11, S. 62 f.
16 Ebenda, S. 69.
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180 R u d o lf Weinhold
Gerätebesatzes und auch der A rb e itste ilig ke it besonders während der letzten 50
Jahre Einflüsse aus dem Bereich der Steingut- und der Porzellanherstellung w irk -
sam geworden sind.
4. Handwerkserzeugnisse
17 s. A n m . 3, S. 111 f.
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Verm utungen durchaus etwas fü r sich gehabt haben; heute können sie uns aller-
dings n u r noch ein erinnerungsträchtiges Lächeln entlocken.
D ie Sache liegt anders. O hne Z w e ife l beginnt sich der ehedem erheblich
geschrumpfte Konsum entenkreis dieser Ware wieder langsam, aber stetig zu
erweitern. D och jetzt sind es v o r allem die Stadtbewohner, die sie als dekoratives
Element fü r ih r durch die Industrie o ft übers M aß genormtes W ohnungsm obiliar
begehren. Sie haben das Braunzeug neu entdeckt und freuen sich auf ihre Weise
an seiner schlichten Schönheit. N u n macht es sich erneut n ü tzlich — als Schale,
Vase, Flasche, W anddekor, Löffelbehälter, manchmal sogar als Schirmständer.
Einige sind inzwischen sogar wieder darauf gekommen, daß man darin auch vor-
zügliche Dinge kochen, schmoren und backen kann; aber noch scheint das ein
G eheim tip zu sein. Das Schicksal dieser Ware ist sym ptom atisch auch fü r so
manchen anderen Zweig unserer H andw erkskeram ik. Sie w ird auf diese Weise
wieder zum Element der W o h n k u ltu r, sehr zur Freude ih re r H ersteller, die die
wachsende Nachfrage kaum noch bewältigen können.
Diese Feststellung ist in gewisser H in s ic h t eine Bilanz des Dargelegten. Sie mar-
k ie rt aber auch eine in der E n tw ic k lu n g unserer Töpferei im m e r wieder zu beob-
achtende Grundtendenz. Denn ohne den M u t zum E xperim ent, zum Lernen,
zum Übernehm en des Neuen, als ric h tig E rkannten, aber auch zum Bewahren
eines w ertvo llen Erbes hätte unser H a n d w e rk besonders im letztvergangenen
Jahrhundert mehrfach den K o n ku rs v o r scheinbar überm ächtiger K o n ku rre n z
anmelden müssen. Z u r Sicherung seines Bestandes trugen wesentlich die Initia-
tive, der Fleiß, aber auch das künstlerische Vermögen seiner M eister und Fach-
arbeiter bei. Es geht m it der Töpferei wieder voran, und ihre Z u k u n ft liegt in
guten Händen.
183
Osman O kyar, A n ka ra
T his paper describes the changing fate o f O tto m a n guilds during the 19th cen-
tu ry , when the O tto m a n econom y became exposed to the com petition o f
machine-made goods com ing fro m Europe. The fate o f the guilds was determined
against the background o f a non-Western econom y, w h ich quite suddenly,
w ith o u t any in ne r preparation, had become exposed to the challenge o f cheaper
machine-made European goods. L o o k in g at the problem retrospectively, the
final and o n ly w ay o f meeting the European challenge was to give up the guild
system altogether and to adopt the methods o f machine production, thereby
eventually in itia tin g the process o f industrialisation on Western European lines.
H ow ever, the transform ation o f a static, tra d itio n a l econom y clinging to its in-
stitutions and closed to technological innovations, w hich had operated fo r cen-
turies w ith in the context o f a p o litica l, cultural, and social system very different
fro m the West, in to an industrialized capitalistic society could not, by any
means, run so ra p id ly and sm o o th ly as the industrialisation o f Western Europe
had proceeded d u rin g the 19th century. Thus, the industrialisation w hich emerg-
ed in O tto m a n society at the end o f the 19th C e n tu ry s till remained very far
fro m com pletion when the T u rk is h Republic succeeded the O ttom an E m pire in
1923. F urtherm ore, it may w ell be asked how far and how deep industrialisation
has advanced d u rin g the sixty odd years o f republican adm inistration.
T o understand w hat happened to the guilds after the O tto m a n economy was
opened to free trade in 1838, and to fo llo w the hesitant government reactions
as regards p o licy towards the guilds and machine driven production, we have to
keep in m ind the very slo w ly changing cultural, social, and economic back-
ground o f the E m pire in the 19th century. I have argued elsewhere, in a yet un-
published paper on economic g ro w th in the O tto m a n Em pire during the 19th
century, that, in the analysis o f econom ic development fro m the beginning o f
free trade dow n to 1914, we should distinguish tw o clearly different sub-periods.
D u rin g the firs t sub-period, after Free Trade is accepted, the O ttom an economy
changes very little in its structure and fu n ctio n in g , so that even events w ith
potential economic impact such as freedom in foreign trade, heavy b o rro w in g
fro m abroad, early railw ay construction, and an abortive industrialisation drive
remain w ith o u t effects on the econom y u n til the 1880*5. Towards the end o f the
century, governm ent awareness o f economic issues increased, individual
behaviour as regards economic a c tiv ity changed, and foreign credits and invest-
ment brought about a significant net in flo w o f foreign resources, w hich was in-
vested in infrastructure, m aking it possible fo r mechanical industry and
economic g ro w th to emerge. P olicy towards the guilds changed in tim e and the
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II
The in fo rm a tio n given in this paper about the basic features o f O tto m a n guilds
in the period between the 16th and 19th century is draw n fro m w e ll-kn o w n
Western sources, such as the book by G ib b and Bowen, entitled ‘ Islamic Society
and the West* and fro m G abriel Baer’s articles on T u rk is h and M iddle Eastern
guilds1.
Baer, in his w ritings, drew attention to the differences in the co n stitu tio n and
practices o f guilds in the various regions o f the O tto m a n Em pire. H ow ever,
there were also basic features, com m on at least to guilds operating d u rin g the
above period in what I have described as the core o f the E m pire, namely A na tolia
1 H .A .R . G ib b and H a ro ld Bowen: Islamic Society and the West. London: O x fo rd U n iv e rs ity Press
1985. — G abriel Baer: O ttom an G uilds — A Reassessment. In: O . O k y a r and H . Inalcik, Social and
Econom ic H is to ry o f T u rke y. (1071-1920). A nkara: Meteksan Press, 1980.
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Industrialisation and Handicrafts in the Ottoman Empire 185
and Syria. In the fo llo w in g , I am presenting a sum m ary o f the basic features o f
‘O tto m a n ’ guilds w hich, according to o u r present in fo rm a tio n , seem to have re-
mained largely unchanged d u rin g the tw o centuries between 1600— 1800.
There is agreement among O tto m a n historians over the fact that guilds in the
O tto m a n state were not pu re ly and sim ply organisations furnished solely w ith
economic functions. T hey perform ed adm inistrative, religious, and social fune-
tions as w ell. In all tow ns o f the O tto m a n state, the econom ically active part o f
the population (w h ich belonged to the raya-chss in O tto m a n society) were all
affiliated to one o f the guilds in the to w n . The guild set-up thus constituted an
integrated urban organism in O tto m a n society. T h is organism impinged upon
practically all aspects o f the daily life o f the O tto m a n to w n population.
The a d m in is tra tiv e fu n c tio n w h ich Baer th in k s was even more im p o rta n t than
the economic one, was fu lfille d by the leaders o f the guilds (the kethüda o r seyh)
acting as lin ks between the relevant to w n authorities such as the ka d i (judge) an^
ihtisap agasi (local econom ic officer) and the guild members. A lth o u g h guild
leaders were freely elected by the masters o f the corporations, th e ir election had
to be approved by the kadi, a governm ent o fficia l acting both as a judicial
a u th o rity and as governm ent representative in the to w n . T hrough th e ir leaders,
guild members could express th e ir problem s o r grievances to the to w n
authorities, w h ile the authorities could transm it the directives o f the administra-
tio n to the w hole to w n population.
Tax collection was another part o f the adm inistrative aspect o f guilds. T o sum
up, through the guilds the authorities in each to w n effectively kept c o n tro l o f
the w hole to w n po pu la tion , includ ing non-M uslim s as w ell as the Muslims.
The religious dim ension in the life o f O tto m a n town-dwellers was another
aspect o f daily life taken care o f by the guilds. Each guild was usually affiliated
to one o f the m any religious Islamic sects flo u rish in g in the Em pire. 111 many
cases, no m atter w hat religion they belonged to , all the artisans in the same pro-
fession were members o f the same guild. A lth o u g h religious practices were held
separately fo r different religions, guild members participated equally in all other
guild activities.
F in a lly, the guilds had a social side, emphasized by the holding o f social fune-
tions fo r members, by the pa rticip a tio n o f guilds in festivals and state
ceremonies, and by the provision o f social help to needy members o r to th e ir
families. In certain cases, the guilds seem to have lent money fo r economic pur-
poses to th e ir members fro m a fund administered by guild leaders. I hope that
the above statements have made clear the role o f the guilds in preserving the
social and adm inistrative fabric o f the urban life in the Empire.
I tu rn n o w to the econom ic side o f the guilds* activities w hich never reached
param ount and exclusive im portance in the O tto m a n guilds, but all the way
dow n to the 19th century remained integrated w ith th e ir religious, ad-
m inistrative, and social aspects.
Individual gain o r accum ulation o f riches does not appear to have represented
the p rim a ry econom ic m o tiva tio n o f the guild masters w ho had established shop
w ith in a particular guild. The weakness o f the p ro fit m otive is probably the most
im p ortan t characteristic distinguishing the O tto m a n guild system fro m Western
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Europe during m ercantilist times. Indeed, the w hole o f O tto m a n society lived
under a value pattern w hich balanced w o rd ly m otivations w ith spiritual,
religious, and social values.
D istin ct econom ic activities in all O tto m a n tow ns, w hether concerning the
prod uctio n o f goods o r o f services, came under a well-defined guild. W ith in the
field o f each guild, o n ly those w h o had risen to be masters had the permission
to open shops, where goods o r services w o u ld be sold retail to the public. The
num ber o f such shops was s tric tly co n tro lle d by the guild authorities. This
meant that the m o n o p o ly o f p ro d u ctio n and o f sale o f goods w ith in the g u ild ’s
area belonged to the guild masters. In rare instances, cases occurred o f prod uctio n
outside the guilds. There are reports o f w orkshops illegally producing textiles in
Istanbul during the 16th century and o f guilds prosecuting such offences.
A n o th e r example o f p ro d u ctio n outside the guild system is provided by the use
o f the p u ttin g -o u t system, w h ich merchants used around A nka ra fo r the produc-
tio n o f w oollen cloth.
W ith in the guilds, the guild authorities and governm ent representatives con-
tro lle d the qu ality and the prices o f the goods offered fo r sale. Furtherm ore, the
purchase o f raw materials seems to have been often done in b u lk by the guild
authorities. These were then distributed among the masters, w ith the apparent
aim o f keeping alive even the less efficient producers. T h is practice effectively
prevented co m p e titio n among the masters. F in a lly, methods o f p ro d u ctio n were
standardized and determined in each guild by the guild authorities.
There were three categories o f people in any guild, namely, apprentices,
journeym en, and masters. The tim e and the qualifications necessary fo r prom o-
tio n fro m one category to the othe r were also determined by guild authorities,
w hile such p ro m o tio n could take place o n ly after a successful exam ination.
The m onopolistic, rigid, and con tro lle d nature o f such a system o f production
and sale was suited to meet the largely unchanging needs o f a lim ite d local market
interested in buyin g lim ite d amounts o f goods o f standard q u a lity at reasonable
prices. The repetitive character o f this system o f p ro d u ctio n was quite suited to
a static econom y, where methods o f p ro d u ctio n , tastes, and local demand varied
little in the course o f tim e. In small p ro vin cia l tow ns, the guilds were engaged
in w o rk in g up m ostly local raw and interm ediate products in to final goods fo r
consum ption w ith in the region. H ow ever, in the principal cities o f the Em pire,
guilds active in some developed sectors (p a rticu la rly co tto n and silk textiles and
leather goods) did produce sizable surpluses over local consum ption, w hich
could then be exported to Europe by wholesalers o r exporters w h o always re-
mained outside the guild system and w orked independently on th e ir ow n. It ap-
pears also that d u rin g the 18th and early 19th centuries in some places there were
cases o f p ro d u ctio n carried out outside the guilds on a fa cto ry basis. Cases o f
large concentrations o f loom s under one ro o f on w hat seems to have been a
capitalist basis were also observed.
As long as the O tto m a n econom y was largely insulated fro m foreign com peti-
tio n in the staple consum ption goods, the O tto m a n guild system stood upon a
sound but seemingly unchanging basis. W hen it began to be exposed to the com-
petition o f goods produced on a large scale by the mechanical factories o f
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Industrialisation and Handicrafts in the O ttom an Empire 187
Europe, it was bound to be severely shaken and, in the long ru n, to lose its
predominance over the econom y. Its disadvantages consisted in small-scale hand
p ro d u ctio n , w h ich lim ite d o u tp u t and made fo r higher cost per u n it, in its rig id
structure due to the hierarchical nature o f guilds, and in its lack o f com m ercial
m otivations, w hich w o u ld have allowed adaptation, counter co m p e titio n , and in-
novation. The industrial re v o lu tio n in B rita in and later in Western Europe was
generating, d u rin g the early 19th century, ever larger quantities o f machine-made
products, above all textiles, w hich were seeking outlets in exports. The 1838
A n g o -T u rkish com m ercial convention com pletely opened the O tto m a n market
to foreign co m p e titio n and thus began the period when foreign products entered
in to free co m p e titio n w ith O tto m a n goods produced by the guilds in T u rke y.
Ill
2 Figures taken fro m Charles Issawi: The Econom ic H is to ry o f T u rk e y (1800— 1914). Chicago: The
U n ive rsity o f Chicago Press, 1980, p. 16 f.
3 I.T . Berend and G . R ánki: Foreign Trade and the Industrialisation o f the European Periphery. In:
Journal o f European Econom ic H is to ry 9 (1974) N o . 3.
W hat the increase in foreign trade was to o powerless to achieve, did not result
either fro m othe r events w hich occurred around the m iddle o f the century w ith
economic potential, such as the industrialisation drive initiated by Sultan A b-
dülm ecit in the 1840’s, o r fro m the large scale foreign b o rro w in g o f O tto m a n
governments betwen 1854 and 1876.
The am bitious industrialisation carried out w ith the help o f European techni-
cians was designed solely to meet the demands o f the Palace and o f the A rm y .
This experim ent failed, m a inly because a regular supply o f inputs fo r the fac-
tories was n o t taken care of, because skilled labour was badly lacking and because
m arketing had n o t been considered. The beginning o f foreign co m p e titio n was
another adverse factor.
The large scale foreign debt incurred by O tto m a n governments through bonds
sold in Paris and in London yielded, in real terms, around 120 m illio n £ sterling
to the O tto m a n Treasury. The p o in t w h ich surprised some Western observers
is that, although the c o u n try possessed considerable natural resources, the O t-
tom an governments did n o t use the considerable foreign resources they obtained
fo r th e ir developm ent4. H ow ever, such conceptions were then s till beyond the
horizons o f O tto m a n leaders, w h o were p rim a rily concerned w ith meeting the
fast grow ing gap between rising governm ent expenditure and far less ra p id ly ris-
ing revenues. The end result o f the experim ent w ith foreign b o rro w in g was the
bankruptcy o f the O tto m a n State in 1873— 74, to be fo llo w e d by the acceptance
o f European financial c o n tro l in 1880, in the fo rm o f an international Public
Debt C om m ission stationed in Istanbul and armed w ith large financial pow er to
secure the repayment o f the consolidated O tto m a n debt.
A ll in all, the basic characteristics o f the O tto m a n econom y changed little dur-
ing the early phase o f m odernisation, ru n n in g fro m 1839 to around 1880. M oder-
nisation advanced hesitatingly and s lo w ly in the fields o f central and local ad-
m inistration, education, and the in tro d u c tio n o f m odern legislation in com-
merce, the penal code, and land use.
A fte r 1880, we begin to see changes in the econom ic scene w hich occur both
at the governm ent level and at the individual levels o f behaviour and decision-
making. O tto m a n governments became more aware o f economic issues and
began to take an active interest in econom ic development. This is expressed in
various ways, such as the setting up in 1887 o f annual regular governm ent
budgets, the holding o f po pu la tion censuses and o f p ro d u ctio n surveys in
agriculture and industry, the collection o f econom ic statistics, the successive at-
tempts to change the ta riff structure established in 1838 by increasing im p o rt
duties and reducing export duties, the setting up o f governm ent banking institu-
tions o r the encouragement o f foreign and local banks, the passage o f legislation
to encourage the establishment o f private enterprise in in du stry, and the granting
o f concessions to foreign capital to b u ild and operate basic infrastructure installa-
tions.
This change o f attitude at the governm ent level was accompanied by changes
in the behaviour o f individuals as regards p ro d u ctio n and consum ption, w hich
were the result o f increasing m odernisation and consequent changes in the tradi-
tio n a l set o f social values. The standardized consum ption pattern began to give
w ay to freedom o f in dividua l choice among a larger range o f consum ption goods,
w h ile collective action and decision-m aking in the sphere o f p ro d u ctio n was
s lo w ly replaced by in dividua l decision-making, aim ing at profits.
I do not need to emphasize the crucial role o f the above changes in attitudes
and in behaviour fo r changing the nature and objectives o f economic a c tiv ity in
general. These changes constituted conditions necessary fo r a diffused and
cum ulative process o f econom ic g ro w th to take place, but they were not, in
themselves, sufficient to b rin g about an actual start to economic g ro w th . The lat-
ter depended also upon the ava ila bility o f resources to be allocated to infrastruc-
tu re and to productive investment, upon the skills o f management and o f enter-
preneurship, and upon the existence o f a m in im u m level o f technical knowledge.
In all these fields, the gathering in flo w o f foreign resources, accompanied by
technology, w hich began at the tu rn o f the century, played a crucial role.
Seen in retrospect, irksom e though it was to the national pride o f the T u rks,
the im p osition o f European financial c o n tro l in 1880 proved to have conse-
quences w hich not o n ly made possible repaym ent o f past debts on a substantial
scale, but also opened the way fo r an ever grow in g in flo w o f foreign resources
in to the O tto m a n economy. The g ro w th w h ich began in the O tto m a n econom y
around the tu rn o f the century can be qu an tita tive ly evaluated th ro u g h the na-
tio n a l income statistics prepared by Vedat Eldem 5.
In the period fro m 1889 to 1911, the year before the E m pire lost large chunks
o f te rrito ry to Greece, Serbia, Bulgaria, and A lbania, the gross domestic product
rose, in real terms, by approxim ately 2 per cent a year. The activities o f the
Public Debt Com m ission in Istanbul con trib uted to the establishment o f a
clim ate o f confidence and to s ta b ility in econom ic and financial conditions.
These, in tu rn , made possible a net in flo w o f foreign resources, a key factor
behind the emergence o f econom ic grow th.
The later phase o f the m odernisation m ovement thus witnessed the establish-
ment o f small-scale machine driven p ro d u ctio n units in the m anufacturing in-
dustry, p a rticu la rly in the food, textiles, and leather sub-sectors. The disintegra-
tio n o f the tra d itio n a l organisation o f the O tto m a n econom y and what
amounted to the by-passing o f handicrafts (under the guild system) by machine-
driven p ro d u ctio n units, thus began in the later phase o f m odernisation, around
the tu rn o f the century.
IV
As G abriel Baer has remarked in his article on O tto m a n guilds, the h isto ry o f
O tto m a n guilds d u rin g the long period fo llo w in g th e ir ascendency in the 16th
cen tu ry all th ro u g h the times o f the decline o f the E m pire in the 17th and 18th
centuries do w n to th e ir exposure to foreign co m p e titio n in the 19th century, has
n o t yet been subjected to th oro ug h investigation. H ow ever, we k n o w that the
guild system s till continued to fo rm the backbone o f the O tto m a n econom y by
the m iddle o f the 19th century and that the guilds remained an integral part o f
the adm inistrative, social, and religious body o f the E m pire at the tim e. C learly,
u n til there were fundam ental changes in the social body itself under the influence
o f m odernisation, the d o m in an t role o f the guilds in econom ic organisation
w o u ld continue. In the previous chapter I emphasized the slow and hesitating
advance o f m odernisation d u rin g the 19th century. It appears that there was no
change in the legal position o f the guilds u n til 1873, when the governm ent issued
the first law designed to encourage the establishment o f machine driven factories
in the Em pire. T h is meant that the guilds had lost the m o no po listic privileges
they had enjoyed fo r long centuries.
W ith regard to the factual developments in the field o f handicrafts pro d u ctio n
under the guild system, the firs t effects o f the opening up o f the econom y to
foreign co m p e titio n in 1838 are to be observed in textiles, especially co tto n tex-
tiles. The im p o rta tio n o f foreign textiles, in itia lly fro m B rita in , affected han-
dicraft p ro d u ctio n and led to declines in local p ro d u ctio n , especially in coastal
towns, where im p orted textiles, sold in the bazars and shops o f the larger coastal
T u rk is h tow ns, effectively competed w ith local textiles on a price and q u a lity
basis. H ow ever, textile handicrafts in the in te rio r o f the c o u n try managed to sur-
vive against foreign co m p e titio n because o f cheap labour costs and because they
were protected by the high transport costs o f foreign goods w hich resulted fro m
the very p o o r internal transport conditions.
M oreover, handicrafts manufacture in fields o th e r than co tto n textiles, such as
silk, linen, and w oo lle n textiles and in other household goods (metal and leather
objects, earthenware, etc.) proved even more resistant to foreign com p e titio n and
was able to survive fo r very long.
O ne example o f the reaction o f guilds against foreign co m p e titio n is given by
Issawi6. It concerns the protest o f the Istanbul w ine guild to the O tto m a n govern-
ment against to opening o f five new w ine shops in Istanbul by B ritish subjects.
The guilds asked the O tto m a n governm ent to close do w n the shops and the
governm ent proceeded to do so. There seem to have been m any clashes between
the O tto m a n and B ritish governments over the sale o f foreign goods in T u rk e y .
In its diplo m atic notes, the O tto m a n governm ent pleaded that retail sales o f such
goods were in co n tro ve n tio n w ith the laws and w ith the internal economic
system o f the c o u n try , w h ile the B ritish governm ent referred the m atter to the
1838 Agreement and to free trade. The protests o f the guilds and o f the O tto m a n
governm ent against the sale o f foreign goods remained, however, dead letters and
the in flu x o f foreign goods continued unabated.
B y the 1860’s, the first signs occurred that the views o f O tto m a n leaders on
h o w to deal w ith foreign co m p e titio n were beginning to change. The firs t step
was the successful attem pt in 1860 and 1861 to change the perverse nature o f the
customs tariffs structure agreed upon in 1838 b y increasing the im p o rt d u ty fro m
5 per cent to 8 per cent and reducing the export d u ty, in yearly reductions o f
1 per cent, fro m 11 per cent to 1 per cent. M o re im p o rta n tly , the views o f O t-
tom an leaders on the nature o f the long-run response o f the O tto m a n econom y
to the challenge o f foreign com p e titio n began to take a m ore realistic shape. In
1866 the G ra n d -V iz ir Mustafa Re§it realized that the efforts aimed at protecting
and m aintaining the out-m oded m ethod o f handicraft manufacture were doomed
to failure. The C om m ission fo r the re fo rm o f in d u stry w h ich he created issued
a re po rt stating that a local industry re lyin g solely on manual po w er w o u ld never
be able to hold its o w n against the mechanical p ro d u ctio n b y foreigners. The
basic measure proposed by the Com m ission was the fusion o f existing guilds in to
large-scale industrial corporations w h ich used m achinery. The C om m ission also
recommended the creation o f technical schools, the establishment o f industrial
standards, and the opening o f exhibitions. A lth o u g h some o f these recommenda-
tions were p a rtly im plem ented, the basic proposal o f tu rn in g the existing guilds
in to large-scale industrial corporations never went o ff the ground.
B y the 1870’s, ideas about the developm ent and fo rm o f the future in d u stry
had taken the course o f by-passing com pletely existing guilds and o f encouraging
the setting up o f new private industrial undertakings. The first legislation on the
encouragement o f private enterprise in in d u stry, p ro v id in g certain tax and
customs d u ty exemptions to new industrial enterprises, was passed in 1873. A
second law, passed in 1897, enlarged the scope o f tax and customs exemptions.
A fu rth e r law passed in 1913 provided fo r free land grants fo r new factories, ex-
em ption fro m real estate taxation, exem ption fro m customs duties o f inputs used
in current p ro d u ctio n in addition to customs exem ption fo r plant and
m achinery, and fin a lly fo r a degree o f p r io r ity fo r local industry in governm ent
contracts.
A ccord in g to a survey carried out in 1913 by the M in is try o f Trade and
A g ric u ltu re , the num ber o f firm s defined as industrial establishments (i.e. those
using 5 H P o r m ore o f mechanical pow er o r em plo ying 10 persons o r more) had
by then risen to 5647. Since the num ber o f such firm s established by foreigners
o r by O tto m a n citizens up to 1880 had o n ly been 56, it is clear that the sw itch
to local in d u stry quickened betwen 1880 and 1913. In the la tter year, the most
im p o rta n t sectors o f local in d u stry were food, fo llo w e d by textiles and leather
goods.
In 1907, according to national income estimates prepared by Vedat Eldem , the
to ta l annual added value co n trib u te d by the industrial sector as defined above
was 14,4 m illio n O tto m a n pounds (1 £ sterling = 0,9 O tto m a n pound), w hile
to ta l value added co n trib u te d by the handicrafts sector was estimated to be 7,8
m illio n O tto m a n pounds8. Thus the size o f the new in du stry, in value terms, was
approxim ately tw ice the size o f the handicrafts sector.
H ow ever, it should be noted that handicraft pro d u ctio n in the co tto n textile sec-
to r, fo r instance, continued to cover a much larger p ro p o rtio n o f internal con-
sum ption than the new industrial sector, as is revealed b y statistics about the
sources o f the to ta l consum ption o f co tto n textiles in the O tto m a n E m pire in
1913. The in fo rm a tio n in question, taken fro m Eldem ’s bo ok, is reproduced in
the table below:
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G ustav O truba, L in z
Lärm der ersten Maschine w ird zum Grabgeläute, der erste Fabriksschornstein
zum Leichenstein des alten Handwerksbetriebes“ . R. Kobatsch sieht den U nte r-
gang des selbständigen Handwerks darin5: ״In der weiteren Z u k u n ft werden die
Kleingewerbetreibenden — und das ist der Weisheit letzter Schluß — v o rtre fflic h
geschulte M ita rb e ite r der fast ausschließlich im Großen betriebenen U nterneh-
men entweder auf eigene oder fremde Rechnung sein“ . D er Sozialdemokrat
T .W . Teifen sucht eine A n tw o rt auf die Frage ״W arum geht das Kleingewerbe
zu Grunde?“ 6: ״. . . D ie Technik hat in V erbindung m it dem G roß kapital in vie-
len Fällen die Produktionsweise geändert und das Absatzgebiet über die ganze
Erde erw eitert. Dadurch sowie durch die im Dienste des G roßkapitals stehende
H eim arbeit und durch die geänderten Bedürfnisse des Volkes wurden die Lebens-
bedingungen zahlreicher Kleingewerbetreibenden vernichtet. . . . D ie H andw er-
kerfrage ist ein T eil der sozialen Frage. . . . Ihre Lösung ist noch schwieriger als
die der Arbeiterfrage, w eil die H andw erker selbst der richtigen Lösung entgegen-
arbeiten. Sie lassen nämlich nicht von dem Aberglauben, daß das H a n d w e rk in
vergangenen Jahrhunderten einen ,goldenen Boden‘ gehabt hat und ihn heute
noch ebenso haben kann“ . Teifen bietet seine ״sozialistische Lösung“ an7: ״D er
H an dw e rker aber, der sich gegen diese E n tw icklu n g sträubt, möge sich die Frage
vorlegen, was er denn bei seinem Elend durch die Abschaffung der P rivatindu-
strie verlieren kann? . . . N ie darf man das Ziel ,Übergang der P ro d u k tio n in die
Regie des Volkes‘ aus dem Auge verlieren!“ . Gerade diese Gefahr aber sieht auch
der Konservative H . Reschauer, der in seiner ״Geschichte des Kampfes der
H andw erkerzünfte und der Kaufmannsgremien m it der österreichischen Bureau-
cratie“ zu einem Z w eifro ntenkrieg gegen Liberale und Sozialisten a n tritt8: ״D ie
kleinen gewerblichen Unternehm en sind das B ollw erk, dessen Behauptung
gegenüber dem A nsturm e der Sozialdemokratie allein schon hinreicht, dieser die
E rric h tu n g utopischer Strebeziele unm öglich zu machen“ .
In dieser allgemeinen Untergangsstimmung erhoben sich vereinzelt auch
gegenteilige Meinungen. So schreibt V. B öhm en, einer der besten Kenner der
Verhältnisse im Deutschen Reich, bereits 18789: ״D ie landläufige Behauptung,
daß die K leinindustrie untergehe und der G roßindustrie weichen müsse . . . w ird
durch die Ergebnisse der Industriestatistik in dieser Allgem einheit keineswegs
bestätigt“ . F ü r die Habsburgermonarchie k o m m t E. A d le r zwanzig Jahre später
zu einem ähnlichen Ergebnis10: ״W enn w ir uns m it der landläufigen A nsicht, m it
den Aussprüchen einzelner Schriftsteller und m it den offiziellen Klagen der
5 Kobatsch, R.: Das Österreichische Gewerberecht und seine bevorstehende Reform. W ien 1905.
6 Teifen, W .: H a n d w e rk und H andw erker in Österreich. Wien 1899, 19 f., 1, 25. (W iener A rb e ite r
B ib lio th e k H e ft 7).
7 Reschauer, H .: Geschichte des Kampfes der H andw erkerzünfte und der Kaufmannsgremien m it der
österreichischen Bureaukratie. W ien 1882, X II.
1 ebenda, V o rw o rt, X I I f.
9 B öhm ert, V.: D ie Gegenwart und Z u k u n ft des Kleinbetriebes. Leipzig 1878, 12; vgl. auch ders.: Das
deutsche H andw erk und die Zwangsinnungen des Gesetzentwurfes der Abänderung der Gewerbe-
Ordnung, s. 1. 1890.
10 A d le r, E.: U b e r die Lage des Handwerks in Österreich. Freiburg 1898.
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H an dw e rker begnügen w ollte n , dann wäre die Handw erkerfrage bereits gelöst
oder ginge doch in baldigster Z u k u n ft durch den gänzlichen Untergang der
H an dw e rker einer unverm eidlichen Lösung entgegen. A lle in w ir brauchen uns
n u r umzusehen, um zu finden, daß dies gegenwärtig noch n ich t der Fall ist, und
die statistischen Daten geben die Sicherheit, daß dies auch sobald n ich t eintreten
k a n n “ . E r räum t allerdings ein, daß ״eine in dieser Beziehung umfassende
gewerbliche Statistik speziell fü r Österreich allerdings leider n icht bestehe“ .
Letzterer A nsich t neigt auch im m er mehr die neuere w irtschafts- und sozialge-
schichtliche Forschung zu, um die sich fü r W ien v o r allem Josef E hm er mehrfach
verdient gemacht hat. F ür ih n stellt sich das Problem folgendermaßen d a r11: ״D ie
breite Mittelstandsbewegung, die sich im 19. Jahrhundert fo rm ie rte , insbeson-
dere die Neigung zu konservativen, ja reaktionären Ideologien, w ir ft im m er wie-
der die Fragen nach der Stellung des Kleingewerbes in den ökonom ischen und
sozialen S trukturen der industrialisierten Gesellschaft auf; Fragen, die von der
W irtschafts- und Sozialgeschichte noch nicht ausreichend beantw ortet wurden.
. . . Gerade die ergiebigsten wirtschaftshistorischen A rb e ite n behandeln n u r ein-
zelne Phasen der Industrialisierung, sodaß noch große U nsicherheit bei der Ein-
Schätzung des langfristigen historischen Verlaufs herrscht“ . A u fg ru n d fam ilien-
geschichtlicher Forschung und der A usw ertung W iener Innungsakten glaubt er
feststellen zu kö n n e n 12, ״daß die sozialen Verhältnisse des Kleingewerbes in den
letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine durchaus gelungene Anpassung an
die S trukturen der industriekapitalistischen Gesellschaft wiederspiegeln, und daß
der Aufbau einer umfassenden konservativen, nach rückw ärts blickenden und
die alte Z u n ft verherrlichenden Ideologie, der dam it einherging, weder A usdruck
einer K o n tin u itä t oder starken T ra d itio n noch A usdruck eines sozialen Verfalls
war, sondern vielm ehr der Versuch ist, die eigene Position in einer gewandelten
W e lt zu definieren und neue ku ltu re lle Ausdrucksform en fü r neue soziale Bezie-
hungen zu finden“ . Deshalb schlägt Ehm er vor, ״die Sozialgeschichte des K lein-
gewerbes nicht in Begriffen der ,Deklassierung‘ , sondern vielm ehr als ,Klassen-
kon stitu ie ru n g ‘ zu analysieren“ . W iew eit eine solche Forschungsproblem atik
auch auf Landesebene besteht, soll im folgenden untersucht werden.
Ehe ich aber m it quantitativen Überlegungen beginne, scheint es m ir w ich tig ,
die Grundzüge der G ew erbepolitik und deren rechtliche Folgerungen k u rz anzu-
deuten. Diese P roblem atik ist gut erforscht, bring t aber zum Them a ״Verhalten
des Handw erks als Folge der Industrialisierung“ n u r wenig Neues. D ie spektaku-
läre A ufhebung der Z ünfte und die E in fü h ru n g der G ewerbefreiheit 1859 sind
n u r der Schlußstrich zu einer liberalen E n tw ic k lu n g bürokratischen Denkens
seit Joseph II. N ach ihm hat kein Herrscher mehr eine Z u n fto rd n u n g bestätigt;
Handwerksangelegenheiten wurden von oben m it H ofdekreten und -resolutio-
11 Ehmer, J.: Ö konom ischer und sozialer S trukturw andel im W iener H a n d w e rk — von der indu-
striellen R evolution z u r H ochindustrialisierung. In: H andw erker in der Industrialisierung, hrsg.
von U . Engelhardt. Stuttgart 1984, 78 ff.
12 ders.: Lage und Bewußtsein des gewerblichen K leinbürgertum s aus Zeugnissen W iener Innungen
um 1880. In: C h ristlich e D em okratie 4 (W ien 1984) 351 ff.
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nen geregelt13. Ein eigenes F a brikrech t wurde 1838 d e kre tie rt14. V on einer Selbst-
Verwaltung der Z ünfte w ar längst keine Rede mehr. Ü berhaupt stellt 1859 —
ökonom isch betrachtet — keine besondere Zäsur dar. D ie A ufhebung der
Zwangsgenossenschaften erlaubte ausdrücklich das Weiterbestehen fre iw illig e r
Verbände. D ie K o n tro lle der Befähigung w ar bei vielen H andw erkern n icht auf-
gehoben, sondern n u r unter K o n tro lle des Staates geraten. Es tra t auch keine
besondere Verm ehrung der Gewerbe ein, die n u r k u rzfristig anhielt. D e r
gefürchtete todbringende K o n ku rre n zka m p f zwischen Befähigten und Ungelern-
ten blieb aus. D e r Gesetzgeber allerdings hatte sein schon längst geübtes Konzes-
sionssystem und Aufsichtsrecht wesentlich erweitert. A be r auch die Gewerbeno-
veile von 1883, welche die Zwanggenossenschaften in Form von Innungen und
den durch diese k o n tro llie rte n Befähigungsnachweis wieder einführte, brachte
keine entscheidende soziale Besserstellung der Klein- und M ittelbetriebe tro tz der
Forderung nach genossenschaftlichen K redit- und Absatzorganisationen, der
weitgehenden Befreiung sozialer Belastungen (U nfallversicherungspflicht) wie
auch der A ufsicht durch Gewerbeinspektoren. Diese verbesserten W ettbewerbs-
bedingungen gegenüber der davon betroffenen G roßindustrie zeigten n u r wenig
positive A usw irkungen, wenn w ir den ständigen Rückgang der Zahl der Selb-
ständigen zum Maßstab nehmen. In diesem Sinne kann man w o h l von einer K on-
tin u itä t15 im österreichischen Gewerberecht sprechen, einerseits m it wechseln-
den gewerbepolitischen Tendenzen, aber andererseits ohne nachhaltige ökono-
mische A usw irkungen auf das H a n d w e rk selbst.
W ichtiger erscheint m ir die E rklä ru n g und D e fin itio n einiger im Gewerbe-
recht angewandter Begriffe, die dann auch in den Statistiken aufscheinen und o ft
zu Mißverständnissen bei Uneingeweihten führten. D ie Bezeichnungen ״M anu-
fa k tu r, F ila to riu m und F a b rik “ w urden von merkantilistischen A u to re n des 17.
und 18. Jahrhunderts häufig synonym verwendet16. E in solches U nternehm en
besaß (unabhängig von seiner Beschäftigtenzahl) eine vom Landesfürsten p riv ile -
gierte Rechtsstellung, die seine Existenz außerhalb des Zunftzwanges sicherte. Es
verfügte zumeist über ein P rivileg ium priva tivu m , das ihm zeitlich beschränkt
ein Erzeugungsmonopol zusicherte, insbesondere auch Z o ll- und Mautbegünsti-
gungen sowie Niederlagsrechte (Magazine) in den größeren Städten des Landes.
F ü r solche U nternehm en existierte keine Beschränkung der Beschäftigtenzahl,
w obei auch Ungelernte (Frauen und K inder) sowie Akatholische hier A rb e it fin -
den durften. D ie ״Salva guardia“ bewahrte die Fabriken v o r m ilitärischer Ein-
quartierung und Plünderungen sowie R ekrutierung ih rer A rbeitskräfte. Die
17 Pribram , F.: Geschichte der österreichischen G ew erbepolitik von 1740 bis 1860. Leipzig 1907;
A dler, M .: Die Anfänge merkancilistischer G ew erbepolitik in Österreich. W ien 1902.
11 Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie fü r das Jahr 1841, 14. Jg., W ien 1844; C . v.
Czoernig: Statistisches Handbüchlein fü r die österreichische Monarchie. W ien 1861.
ges K rite riu m fü r eine Fabrik die Beschäftigtenzahl (über 16) und die maschinelle
Ausstattung heranzuziehen. Dementsprechend stellt er einen wesentlich höheren
Fabrikenanteil fest (in W ien 17,2%, in den Vorstädten von 5,1%, in Niederöster-
reich von 11,2% und in Böhmen von 28,4%. V on den Dampfmaschinen verteil-
ten sich — unter Berücksichtigung deren Pferdestärken — 14,5% auf N iederöster־
reich und 38,6% auf Böhmen). D ie Grenzzahl der Beschäftigten zwischen F abrik
und Gewerbe wurde seit den 80er Jahren auf 20 erhöht, was in A nbetracht eines
gewaltigen Konzentrationsprozesses19 bei ständig steigenden P ro ko p fp ro d u k-
tionsquoten, die laufend Arbeitsplätze wegrationalisierten, viel zu niedrig gegrif-
fen ist. Dies erklärt auch eine laufend schwindende Fabriksdichte, w obei die
Bedeutung des einzelnen Betriebes überdimensional wächst. Das zweite K rite -
riu m der technischen Ausstattung der Betriebe erscheint ebenfalls fragw ürdig,
w eil Zahlen von Spinnmaschinen und mechanischen W ebstühlen, Dam pfmaschi-
nen, H ochöfen usw. nur wenig über deren jeweiligen Leistungsgrad aussagen.
Besonders schwer ist ein Vergleich der wechselnden Antriebsenergien — vom
Menschen über die Wassernutzung und T ie rk ra ft, die M öglichkeiten im m er lei-
stungskräftigerer Dampfmaschinen bis hin zur E le ktrizitä t. Gerade der E lektro-
m o to r hat in V erbindung m it der Nähmaschine, D rehbank oder Kreissäge den
K lein- und M ittelbetrieben eine erfolgreiche K o n ku rre n z m it den Dampfmaschi-
nen der Fabriken erm öglicht, die viele nationalökonomische Prophezeiungen
Lügen strafte. Produktionsmengen und Umsatzwerte, vo r allem aber der wach-
sende Kapitaleinsatz bieten zur Entscheidung hinsichtlich G roß- und Kleinbe-
trie b ebenfalls Anhaltspunkte, was aber zumeist n u r bei Aktiengesellschaften20,
die erst seit den 80er Jahren öffentlich bilanzpflichtig wurden, m öglich ist. W ei-
tere ebenfalls ״vage“ Unterscheidungsmerkmale zur G rößenordnung von Betrie-
ben erm öglichen die Erwerbsteuertabellen, die ab 1812 vorliegen21. Seit 1851
teilte man diese in 8 Gruppen und 36 Klassen, in 167 Gewerbeklassen progressiv
gestaffelt, ein. D ie Klassifizierung erfolgte jetzt nicht m ehr nach gewerberecht-
liehen, sondern ausschließlich nach technologischen Gesichtspunkten. Ergeb-
nisse der Erwerbssteuererträge liegen fü r 1851 sowie 1859 und 1862 v o r — aller-
dings zuletzt unter Bekanntgabe des niedrigst- und höchstangewandten Steuersat-
zes sowie des Gesamterträgnisses, so daß ein Vergleich m it 1851 nicht m ehr mög-
lieh ist. N u r die Gesamtzahl Erwerbssteuerpflichtiger findet sich in Tabelle II I
fü r 1862 ausgewertet. V on 1863 bis 1897 wurde die Erwerbssteuerstatistik auf-
grund unvollständiger Ausweise der Handels- und Gewerbekammern erstellt
und in deren Fünfjahresberichten fallweise uneinheitlich ve rö ffe n tlich t. Das
Gewerbeschema wurde auf 17 Gruppen und 80 Klassen verändert, was Verglei
22 Systematisches Verzeichnis der Gewerbe fü r statistische Zwecke der Handels* und G cwcrbckam -
mern. W ien 1890.
״Statistische Ausweise zur allgemeinen Erwerbsteuer der (zweiten) Veranlagungsperiode 1900—
1901, Statistische Ausweise zur allgemeinen Erwerbssteuer der (achten) Veranlagungsperiode 1912—
1913. W ien 1902, 1914.
24 Diesen E in d ru ck verm ittelt ein Vergleich m it den Ergebnissen von M . Birnbaum : Das M ünchner
H andw erk im 19. Jahrhundert (1799— 1868). München 1984.
25 Das b e trifft m.E. sowohl ältere als auch jüngere Arbeiten: Untersuchungen über die Lage des
Handwerks in Ö sterreich m it besonderer Rücksicht auf seine K onkurrenzfähigkeit gegenüber der
G roßindustrie. In: Schriften des Vereins fü r S ozialpolitik Bd. 71, Leipzig 1896, behandeln in Wien
die Zuckerbäcker, H utm acher, Schuhmacher, Hemdenmacher, Schirmmacher, Binder, Weißger-
ber, Männerkleidererzeuger, G ü rtle r, Bronzearbeiter und Buchbinder, in Graz die Schlosser, in
Prag Schuhmacher, Handschuhmacher und M öbeltischler, in Brünn H utm acher und Schlosser, in
Proßnitz die Schneider sowie in C zem ow itz Schuhmacher, Wagenbauer und Böttcher. Banik-
Schweitzer, R ./M e iß l, G.: Industriestadt W ien. Die Durchsetzung industrieller M a rk tp ro d u k tio n
in der Habsburgerresidenz. W ien 1983 bringen Vergleiche m it Berlin und Budapest. V gl. auch
M eißl, G.: Industrie und Gewerbe in W ien 1835 bis 1845. Branchenmäßige und regionale Struktu-
ren und Entwicklungstendenzen. In: Forschungen und Beiträge zur W iener Stadtgeschichte 8 (W ien
1980) 75 ff.
26 Teifen 1899, 5 ff.
27 Schiff, W .: D ie Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählung vom 3. Juni 1902. In: Stat. Monats*
schrift N F 13 (B rünn 1908) 217.
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etwa 40 bis 60% besaßen solche Läden — nach H ä u fig ke it gereiht — H ersteller
von Filzhüten, Schirmen, M iedern, chirurgischen Instrum enten, Strohhüten und
U h re n sowie Putzmacher, die so u n m itte lb a r an Kunden n ich t n u r ihre W aren,
sondern häufig auch Fabrikserzeugnisse verkauften und Reparaturen d u rc h fü h r־
ten. Aus H andw erkern w urden ״F lic k e r und K räm er“ . So b le ib t das W achstum
der meisten Handwerksbetriebe — v o r allem in größeren Städten — h in te r jenem
der Bevölkerungsentwicklung zurück, auch dann, wenn es bescheidene Zuwachs־
raten verzeichnete.
A u ffä llig daran ist, daß v o r allem die vom Verlag erfaßte H e im a rb e it auf diese
Weise häufig einen Weg aus der N otlage oder zumindest ein zweites Standbein
suchte. H eim arbeit28 im Verlag setzte sich überall d o rt durch, w o eine schwierige
Rohstoffbeschaffung oder Absatzproblem e auf fernen M ä rkten bestanden, wel-
che m it vielen Risiken verbunden waren, die der H an dw e rker lieber kapitalkräf-
tigen G roßhändlern überließ. Es gab sie aber auch d o rt, w o im arbeitsteiligen
P roduktionsprozeß der F abrikant Teile der H erstellung, die H andarbeit oder
zumindest A rb e it m it geringen technischen H ilfs m itte ln (Spinnrad, H andw eb־
Stuhl, Nähmaschine usw.) erforderten, b illig e r außer Haus an H eim arbeiter ver-
gab. Die Dezentralisation ersparte ih m die E rric h tu n g und E rha ltu ng von W erk-
statten. Zusätzlich sparte er an L o h n durch V erw endung von zumeist wenig qua-
lifizie rte n A rbeitskräften, die er bei Absatzkrisen wochen- und monatelang ohne
A u ftra g und Lohn ihrem Schicksal überlassen konnte. N ic h t geringere Gefahren
entstanden, wenn sich technische Produktionsbedingungen p lö tz lic h änderten.
So zählte man zum Beispiel in der M onarchie 1841 insgesamt 40.444 handwerks-
mäßige Webereien und n u r 401 m it mechanischen W ebstühlen ausgestattete
Fabriken. Bis 1890 verringerte sich die Zahl ersterer auf 7.709, denen jetzt 1.058
G roßbetriebe gegenüberstanden, was einen Verlust von 78,5% aller Betriebe die-
ser Branche bedeutete. Bei den Lederern, C orduanern und G erbern existierten
1841 5.866 H andwerksunternehm en und 104 Fabriken. D ie neuerfundene
C hrom gerbung blieb den Fabriken Vorbehalten. Bis 1890 verm inderte sich die
Zahl der kleinen Handwerksbetriebe auf 2.518, während sich die Zahl der Fabri-
ken auf 232 erhöhte, was die Gesamtzahl aller Betriebe um 50,9% verringerte29.
A b e r auch ein Verlust der Rohstoffbasis konnte verheerende Folgen haben. Die
aus Lombardo-Venetien m it Rohseide versorgten Seidenfabrikanten in W ien
zählten 1850 452 Fabriken, die 8.616 Menschen A rb e it gaben. Nach dem Verlust
O beritaliens 1859 und 1866 verm inderte sich deren Zahl bis 1887 auf 83 Fabriken
m it 1.134 A rbeitern. D ie Arbeitsplätze dieser Branche sanken um 86,8%30. Auch
bei einer radikalen Veränderung der Absatzverhältnisse (zum Beispiel durch neue
28 Schwiedland, E.: Kleingewerbe und Hausindustrie in Ö sterreich. Leipzig 1894; ders.: Aufhebung
des Sitzgescllenwesens durch die A rb e ite r. W ien 1894; Stenographisches P ro to k o ll der durch die
Gewerkschaft Wiens einberufenen gewerblichen Enquete (abgehalten von 18. Dez. 1892 bis 12. Jän.
1893). W ien 1895.
29 Schwiedland: Kleingewerbe, 30 f.
w E n tw icklu n g von Industrie und Gewerbe in Ö sterreich in den Jahren 1848— 1888, hrsg. von der
Com m ission der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung. W ien 1888, 74 f.
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Handwerk und Industrialisierung in Österreich im 19. Jh. 207
Z o llta rife oder wechselnde M odetrends) konnte binnen weniger Jahre ein blü-
hendes H a n d w e rk v ö llig verschwinden. E in Beispiel dafür sind die W iener Perl-
mutterdrechsler. Sie zählten 1845 erst 47 M eister und erreichten 1890 m it 507
W erkstätten ihre größte V erbreitung. Infolge einer w eltw eiten Absatzkrise, her-
vorgerufen durch die M acK inley B ill, w urde dieser Berufszweig v ö llig ru in ie rt31.
Nach der Betriebszählung von 190232 arbeiteten großteils hausindustriell: Baum-
w o li- und W o llw e b e r, K unststicker, W irkw a re n -, Spitzen- und Handschuherzeu-
ger, Glasbearbeiter, Drechsler und S trohflechter. T ro tz starker Verlagsabhängig-
keit konnten ihre Kundenarbeit weitgehend zusätzlich bewahren: Schuhmacher,
Männerkleidererzeuger, Buchbinder, Seiler und G oldarbeiter. Bei den Leinewe-
bern, W äschekonfektionären, Holzwarenerzeugern, Korbm achern, Gelbgie-
ßern, W o llfä rb e rn , Bürstenbindern, M usikinstrum entenm achern und Kartona-
genherstellern w urde Kundenarbeit im m e r seltener. Em. A d le r bemerkte hierzu:
״Das bedeutet also w o h l eine K onservierung der T echnik des H andw erks unter
Verhältnissen, w o sie schon jede w irtschaftliche Berechtigung verloren hat, aber
eine Konservierung, welche aus ehemaligen H andw erkern Proletarier gemacht
hat“ 33.
Eine weitere Deklassierung des H andw erks sowie Einbußen seiner Selbständig-
keit entstanden dadurch, daß es wesentliche Teile seiner bisherigen P ro d u k tio n
aufgeben und die V o rp ro d u k te von G roßhändlern und Fabrikanten beziehen
mußte, die solche b illig e r herzustellen verm ochten. So kauften Schmiede jetzt
fertige Hufeisen und begnügten sich m it dem Beschlag, H utm acher besorgten
sich Filzstum pen und maschinell hergestellte H olzm odelle, w o ra u f sie n u r m ehr
H üte form ten und m it ebenso gekauften Gestecken verzierten, Schuhmacher
bezogen das fe rtig zugeschnittene O berteilleder und die gestanzten Schuhsohlen
von Fabriken, um in Lohnarbeit Schuhe herzustellen, und die Schlosser m ontier-
ten nur m ehr maschinell vorgefertigte Schlösser und Beschläge. N u r bei im m er
seltener werdenden Sonderanfertigungen konnten wenige H andw erke alle Fer-
tigkeiten ih re r Kunst noch unter Beweis stellen.
Fast alle Zeitgenossen34 bestätigen, daß eine Hauptursache des Niedergangs des
Handwerks in der K o n k u rre n z b illig e r M assenproduktion seitens der Fabriken
zu sehen sei. Diese erzeugten n ich t n u r billigere Waren von mindestens gleicher
Q ualität, sondern o ft auch bessere W aren in größerer V ielfalt und genormt. O ft
aber war es auch n u r billigere Ware von geringerer Q ualität, was aber den K un-
den zunächst nicht auffiel. Bestimmte W aren konnte das H andw erk aufgrund
seiner bescheideneren technischen Ausstattung überhaupt nicht erzeugen oder es
verzichtete von vornherein aus G ründen der R entabilität auf deren H erstellung.
Die G roßindustrie verwendete auch ständig neues M aterial, das bisher am M a rk t
entweder nicht bekannt oder n ich t üb lich w ar (zum Beispiel Emailblech, A lu m i-
nium anstelle von K upfer) und überraschte m it billigeren Surrogaten (zum Bei
33 A dler, E.: U b e r die Lage des H andw erks im Ö sterreich. Freiburg 1898.
34 Zusammengefaßt nach E. A d le r, T .W . Teifen, E. Schwiedland u.a.
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spiel C e llu lo id oder Kautschuk anstelle von H o rn und W achstuch), die im Hand-
w e rk überhaupt n ic h t oder erst verspätet Eingang fanden. Selbst in jenen Fällen,
w o das H a n d w e rk W aren von gleicher, ja sogar besserer Q u a litä t als die Fabriken
zu gleichen Preisen anbieten konnte, fehlte ih m die Absatzorganisation35 und das
M arketing.
Bei einem weiteren Siegeszug der G ro ß in du strie fürchteten die N a tio n a lö ko -
nomen des ausgehenden 19. Jahrhunderts folgende A usw irkung en fü r das K lein-
gewerbe: Einzelne Zweige des H andw erks werden zugrunde gehen, darunter alle
jene Produktionsgewerbe, die keines ih re r P rodukte m ehr ko n ku rre n zfä h ig
erzeugen können, sowie alle Arbeitsgewerbe, wenn sie auch die Reparatur- und
W artungsarbeiten an die Industrie verlieren sollten. Uberlebenschancen besitzen
alle jene, die in d ivid u e ll Einzelanfertigungen, M aßarbeit, durch Maschinenarbeit
nicht leicht ausführbare H andarbeit anzubieten haben, die in ih re r P ro d u k tio n
große F le x ib ilitä t und Anpassungsfähigkeit aufweisen und som it rascher als die
Industrie Modetrends Folge leisten können. Dies g ilt v o r allem auch fü r Bezieher
von T e ilp ro d u kte n der Industrie, die sie weiterverarbeiten, m ontieren und zum
G ro ß te il auch als H ändler w eiterverkaufen (O p tik e r, Goldschmiede, Installa-
teure usw.). Das A bsinken zum reinen Arbeitsgewerbe, das repariert und w artet
(zum Beispiel M echaniker) muß keinesfalls einen Verlust an Sozialstatus bezie-
hungsweise E inkom m en bedeuten; in der Regel w ar das Gegenteil der Fall. U ber-
leben werden auch alle jene Erzeugungsgewerbe, deren P rodukte einen größeren,
weiteren T ransport n ich t zulassen (zum Beispiel M öbeltischler) beziehungsweise
erheblich verteuern (Bierbrauer).
Soweit die Diagnosen, von denen bis heute n u r ein geringer T e il eingetroffen
ist. D ie M itte lsta n d sp o litik des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat Früchte ge-
tragen36. Viele K lein- und M ittelbetriebe leben auch heute noch, besonders stark
vertreten in V olksw irtschaften, die im 19. Jahrhundert von der Industrialisie-
rungswelle weitgehend verschont geblieben sind, und sie haben sich auch mehr-
fach als wesentlich krisenfester erwiesen als große Fabrikunternehm en. Außer-
dem ist ihnen im sogenannten tertiären Bereich der W irtsch a ft ein ständig sich
ausweitendes neues Betätigungsfeld entstanden, dem m ehr als die H ä lfte der
W ertschöpfung des N a tio n a lp ro d u kts in modernen V olksw irtschaften zu-
k o m m t37. Im m er neue M ö glichkeiten bisher unbekannter Berufstätigkeiten ent-
w ic ke lt die wachsende Freizeitindustrie, der Sport und Bildungseinrichtungen.
Dies dürfte fü r die nächsten Jahrzehnte die Existenz kleiner m o b ile r und flexi-
bler U nternehm en n ich t n u r sichern, sondern auch deren Bedeutung ausweiten,
w ovon auch A rbeits- bzw. Dienstleistungsgewerbe in großem U m fang p ro fitie -
ren werden.
Eisen 2.4 2.9 3,1 4,9 2,8 2.6 3,4 5,7 — —» 29.7-42.3 17.5 -2 8 .5 25,6 33,8 29,9 -2 6 ,1
davon Schmiede (%) — — 71,3 51,5 — — 52.2 77,4 — — 39,3 52.0 — — 85,8 71.5 — -58,3 — 6.0 — 45.0 — -3 7 ,9
K)
о
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T e x til 0,6 6,6 92,8 0,0 0,3 99,7 0,1 0,7 99,2 0,2 1,2 98,6
Flachs-, H a n fs p in n e r 2,1 8,3 89,6 — — — 8,7 26,1 65,2 3,5 23,4 73,1
S eiler, B indfadenerz. — 2,3 97,7 0,0 0,1 99,9 — 2,6 97,4 0,0 0,7 99,3
Leder 0,0 1,0 99,0 0,3 99,7 0,1 99,9 0,0 0,3 99,7
R ie m e r, Sattler — 0,7 99,3 — — 100,0 — 0,0 100,0 — 0,1 99,9
H o lz v e ra rb e itu n g 0,0 2,0 98,0 — 0,1 99,9 — 0,1 99,9 0,0 0,4 99,6
T is c h le r u.a. 0,0 2,6 97,4 — — 100,0 — 0,1 99,9 0,0 0,3 99,7
N a h ru n g s m itte l 0,4 7,5 92,1 — 2,1 97,9 0,0 0,9 99,1 0,1 1,7 98,2
M ü lle r, Bäcker 0,1 7,1 92,8 — 0,4 99,6 0,0 0,4 99,6 0,0 1.1 98,9
V gl. Statistische Tabellen zur D e n k s c h rift über die direkten Steuern in Ö sterreich und
ihre R eform , W ien 1860
Niederösterreich Oberösterreich Böhmen Ö sterr. Reichshft. NiederÖst. Oberöst. Böhmen Öst. Reichs.
Eisen 6995 7366 7536 3281 3038 2941 14682 15447 15822 44343 44952 45655 5,3 2,3 -7 ,4 -3 .2 5,2 2,4 1,4 1.6
davon Schmiede (%) 35,7 37,9 38,4 48,3 56,6 59,5 61,0 60,1 58,8 57,8 58,4 58,0 11,9 3,7 8,5 1,7 3,7 0,2 2,3 1,0
T e xtil 4974 2608 2492 2811 955 857 9869 5944 5810 35459 20435 19140 -4 8 ,0 — 4,4 -6 6 ,0 -1 0 ,3 -3 9 ,8 -2 ,3 -4 2 ,4 — 6,3
dav. Seiler, Bindfaden•
erzeuger (%) 6,1 8,0 7,1 5,4 14,1 15,8 8,3 10,0 9,9 6,3 8,3 8,5 -3 0 ,0 -1 5 ,0 -1 0 ,6 0,0 -2 7 ,5 -3 ,0 -2 4 ,4 -3 ,5
Leder 1785 1677 1767 833 712 714 3490 3067 3164 10980 9694 9840 -6 ,0 5,0 -1 4 ,5 0,3 -1 2 .0 3,2 -1 1 ,7 1,5
davon Riemer,
Sattler (%) 51,1 57,4 58,8 47,5 59,0 60,9 53,2 61,9 62,4 49,0 56,2 58,8 5,6 8,0 6,0 3,6 2,2 3,2 1.4 6,1
Holzverarbeitung 7920 8433 9080 3541 3575 3729 13541 14029 15065 42036 45412 49303 6,5 7,7 1.0 4,3 3,8 7,4 8,0 8,6
Nahrungsm ittel 8443 8778 9189 5538 5196 5109 27011 27811 28398 79899 83381 86099 4,0 4,7 — 6,2 -1 ,7 3,0 2,1 4,4 3,3
davon Bäcker (%) 24,7 25,6 24,8 29,9 27,6 27,3 31,8 26,8 26,6 26,2 22,6 22,4 7,9 1,6 -1 3 .6 -2 ,8 -1 3 ,2 1,4 -9 ,7 2,2
davon M üller (%) 30,8 25,2 22,8 40,6 41,3 40,9 27,6 26,0 24 2 34,6 32,2 30,6 -1 4 ,7 -5 ,6 -4 ,4 -2 ,7 -2 ,9 -4 ,8 -2 ,9 -1 ,7
Vgl. Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr aus dem Statistischen Departement des k.k. Handelsministeriums
Bd. 3 (1873), Bd. 28 (1884), Bd. 38 (1889), Bd. 54 (1894)
Tabelle V a): Anzahl der Fabriken, Künste und Gewerbe und deren A nteil
am niedrigsten Steuersatz in der Österreichischen Reichshälfte 1874
V gl. Statistisches Jahrbuch der directen Steuern fü r das Jahr 1874, W ien 1875
V gl. Statistisches Jahrbuch der directen Steuern fü r das Jahr 1874, W ien 1875
Tabelle VLš Der A nteil fabrikmäßiger Betriebe nach Gewerbeklassen sowie der A nteil
ausgewählter Handwerksbetriebe an der Gesamtzahl der Betriebe 1902
Niederönerreich Obcrösterreich Böhmen Österr. Reichshälfte
1898 0,8 26,5 72,7 0,3 13,1 86,6 0,7 13,5 85,8 0,6 16,2 83,2
1910/11 0,7 17,3 72,0 0,3 9,3 90,4 0,5 8,0 91,5 0,4 10,5 89,1
Metallverarb. Ind. 1898 1,0 15,8 83,2 0,1 5,4 94,5 0,3 2,3 97,4 0,5 4,9 94,6
Schmiede 0,5 9,5 90,0 0,06 3,5 96,4 0,3 0,6 99,1 0,2 2,5 97,3
Schlosser 0,1 21.2 78,6 _ 3,7 96,3 0,05 5,05 94,9 0,06 10,4 89,5
Metallverarb. Ind. 1910/11 0,8 8,8 90,4 0,3 2,7 97,0 0,1 1,7 98,2 0,3 2,5 97,2
Schmiede 0,5 4,8 94,7 0,1 1,3 98,6 0,02 0,6 99,4 0,08 1,1 98,8
Schlosser 0,1 11*4 88,9 — 4,4 95,6 0,04 3,5 96,5 0,06 5,8 94,1
Bauhandwerker 1898 1,4 16,9 81,7 — 9,2 90,8 — 6,3 93,7 0,0 9,7 90,3
Maurer — 18,3 81,7 — 13,4 86,8 — 11,7 88,3 _ 14,1 85,9
Zimmerer, Dachdecker — 17,5 82,5 — 16,2 83,8 — 5,9 94,1 0,0 10,5 89,5
Glaser 0,3 16,5 83,2 — 3,9 96,1 — 6,8 93,2 — 11,2 88,8
Bauhandwerker 1910/11 0,02 11.0 89,0 8,6 91,4 — 2,9 97,1 0,01 5,4 94,6
Maurer — 23,5 76,5 — 16,3 83,7 — 9,5 90,5 — 9,8 90,2
Zimmerer, Dachdecker 0,07 14,1 85,5 — 18,0 82,0 — 2,7 97,3 0,03 6,2 93,8
Glaser — 8,1 91,9 — 1,5 98,5 — 3,2 96,8 — 4,9 95,1
T extil 1898
Flachs-, Hanfspinnerei 0,4 9,5 90,1 — 4,5 95,5 5,3 10,6 84,1 2,8 10,2 87,0
Seiler, Bindfadenerzeuger 2,3 8,6 89,1 — 2,4 97,6 — 3,8 96,2 0,3 5,1 94,6
T extil 1910/11
Flachs-, Hanfspinnerei — — — 3,7 96,3 4,9 8,4 86,7 77,4 22,6 —
Seiler, Bindfadenerzeuger 0,8 6,7 92,5 — 2,4 97,6 0,2 2,0 97,8 0,2 3,0 96,8
Leder*) 1898 0,15 14,85 85,0 — 1,7 98,3 — 2,3 97,7 0,03 5,1 94,9
Riemer, Sattler 0,09 13,5 86,4 — 1,7 98,2 — 3,8 96,2 0,02 7,2 92,8
Leder 1910/11 0,3 7,6 92,1 0,2 99,8 — 1,6 98,4 0,07 2,8 97,1
Riemer, Sattler — 6,0 94,0 — 0,2 99,8 — 1,2 98,8 — 2,1 97,9
H olz 1898
Tischler 0,2 13,7 86,1 — 0,4 99,6 0,1 3,0 96,9 0,2 5,0 94,8
Böttcher — 4,3 95,7 — 0,4 99,6 — 1,5 98,5 0,02 1,9 98,1
H olz 1910/11
Tischler 0,2 6,4 93,4 — 1,6 98,4 0,03 1,9 98,1 0,09 2,6 97,3
Böttcher — 1,9 98,1 — 0,3 99,7 — 0,9 99,1 — 1,0 99,0
Nahrungsmittel 1898
M üller 0,8 35,5 63,7 0,2 20,9 78,9 6,5 13,1 80,4 0,5 18,7 89,8
Bäcker 1.4 56,4 42,2 0,08 13,2 86,8 0,1 13,5 86.4 0,3 20,8 78,9
Nahrungsmittel 1910/11
M üller 0,6 23,5 75,9 0,1 9,5 90,4 0,5 12,9 86,6 0,4 11,8 87,8
Bäcker 0,1 44,9 55,0 — 7 92,9 0,05 6,0 94,0 0,1 24,0 75,9
Metallverarbeitende Ind. 13,0 11,7 8,9 21,4 20,3 19,3 24,4 20,1 15,5 21,7 18,7 14,8
Schmiede 21,3 20,7 18,8 25,1 22,8 21,9 37,9 33,3 28,6 34,3 30,5 27,0
Schlosser 8,4 7,9 5,8 10,4 10,5 9,6 20,0 8.9 7,3 12,7 9,3 7,6
Bauhandwerk 9,9 11,5 9,3 10,4 9,0 7,4 7,8 6,5 7,3 12,2 10,2 10,0
Maurer 4,8 5,3 2,5 6,0 5,8 3,3 2,7 2,4 1,6 6,5 6,0 4,9
Zimmerer, Dachdecker 5,2 13,2 11,0 9,8 10,3 6,8 10,4 8,9 10,1 13,9 12,9 12,7
Glaser 16,9 39,3 36,0 58,7 54,4 54,7 51,1 48,6 47,8 47,7 48,6 46,8
Textilindustrie 3,3 8,3 9,2 19,1 10,7 9,4 6,8 3,9 9,4 9,6 6,1 10,3
Flachs-, Hanfspinnerei 13,0 1,6 1,3 2,8 2,6 1,3 1,6 1,0 0,8 3,1 3.5 1,4
Seiler, Bindfadenerzeuger 23,1 21,5 24,9 48,1 46,0 53,6 41,6 32,3 33,1 38,0 32,5 30,9
Leder-, Papierindustrie 13,9 10,9 10,2 29,7 18,0 15,1 22,1 15,9 14,0 20,3 15,1 13,6
Gerber, Ledererzeuger 8,4 8,6 5,4 24,7 19,4 13,8 17,7 12,3 8,6 16,7 13,3 9,8
Riemer, Sattler, Taschner 20,6 21,0 19,2 47,9 46,7 45,9 37,1 35,0 31,5 34,0 32,9 29,9
Holz-Industrie 17,4 18,3 16,6 38,4 36,4 31,5 27,6 23,9 23,1 25,4 23,1 21,7
Tischler 18,2 17,4 15,3 35,9 34,5 32,0 31,5 26,7 24,5 27,6 24,4 23,3
Böttcher 26,6 27,5 27,1 54,2 52,4 51,2 35,6 30,2 25,4 37,4 36,1 34,3
Nahrungsmittel-Industrie 19,2 18,3 13,5 30,0 29,3 21,3 24,8 25,5 18,3 26,6 26,6 18,8
M üller 23,6 25,2 22,6 31,7 34,8 31,5 10,7 28,9 24,4 29,8 32,0 28,9
Bäcker 8,1 13,7 12,6 26,0 26,2 22,5 14,1 29,0 26,1 25,7 25,3 23,1
Tabelle IX b): Zu - und Abnahm e der Selbständigen (S) und der Berufstätigen (B) in Prozenten
Niederösterreich Oberösterreich Böhmen österr. Reichshäifte
1890-1900 1900-1910 1890-1900 1900-1910 1890-1900 1900-1910 1890-1900 1900-1910
S В S В S В S B S B S B S B S B
Metallverarb. Ind. 4,1 15,6 31,1 72,9 -7 ,4 -2 ,5 4,8 9,9 — 5,2 15,0 14,1 48,3 -2 .7 12,8 15,7 46,0
Schmiede 1,3 4.5 ־9.7 -0 .3 — 2,2 6,9 -9 ,3 -4 .8 — 0,6 12,9 -7 ,1 7,9 -4 ,7 -0 ,1 -4 .0 10,7
Schlosser 4.0 9.9 -1 ,5 33,6 -10,9 -11,9 10,3 20,5 -17,9 28,6 3,7 26,3 -7 ,5 26,9 5,6 30,0
Bauhandwerk 13,7 -2 ,1 5,8 30,8 -2 ,1 12,9 -14,4 -4 ,4 7,1 28,2 27,3 13,7 5.3 27,0 23,2 25,2
Maurer 12,7 2,7 -42,6 23,4 -3 ,0 0,2 -40,9 5,1 3,2 8,5 -30,1 8.8 -0 ,2 10,0 -1 .1 22,0
Zimmerer,
Dachdecker 6.2 -58,2 -9 .7 8,4 -12,8 -14.7 -33,6 -0 ,2 -15,2 1.7 -23,2 9.0 -8 ,9 -2 ,1 12,4 14,1
Glaser 23.4 ־46,8 — 4,2 4.5 -11.2 -4 ,2 6,7 6,5 1,4 6,9 0,6 7,3 4,1 2Л 3,1 7,0
Textilindustrie 207,7 22,3 33,2 19,6 -47,9 -6 ,9 0,6 14,3 -43,5 -U 184,0 16.7 -36,8 0Л 97,5 15,8
Flachs-,
Hanf-Spinnerei -24,4 521,3 -19.4 -0 .4 -27,8 -21,5 -38,5 19,0 -43.2 -7 .9 1.8 17,9 8,9 5,6 -53,9 5.4
Seiler,
Bindfadenerzeuger -18,5 -12,1 ־4,9 -18,0 -12.7 -8 ,6 -12,6 -25,0 -32,1 -12,6 12,3 9,5 -24,6 ־11,7 0.9 6,3
Leder*, Papierindustrie 7,6 34.9 7,4 15,5 -5 ,7 53,3 -5 ,9 13,7 -3 .5 34,2 4,8 19,1 -3 ,1 30,3 6,0 17,8
Gerber, Leder-
erzeuger -15,3 -17.5 — 35,2 3.4 ־15,9 14.4 -27.1 2,1 -17.2 18,8 -32.6 -3 ,4 -19,3 U -27,7 -0 ,5
Riemer, Sattler,
Taschner 21,8 19,6 16,5 27,4 -4 ,9 -2 ,4 4.4 6,2 8,1 14,6 5,6 17,2 5,5 8.9 9,9 21,1
Holz-Industrie 26,2 39,5 -12,0 -16,3 -3 ,7 13 2,4 18,1 -6 ,1 8,5 16,1 19,9 -1 .0 8.9 14.1 21.2
Tischler 4.5 9,6 10,5 25,8 -1 .4 23 5a 13,5 -2 ,5 14,8 5,0 14,7 2.8 16,2 12,8 18,4
Böttcher 5.6 8,7 -3 ,6 -2 ,3 -1 .5 2,0 -8 .7 -6 ,4 -27,4 -14,4 -9 ,6 7,3 -14,6 -11.5 -2 ,5 2,9
Nahrungsmittelind. 1,4 6,2 1,4 37,3 -3 .8 -1 .4 -5 .1 30,8 57,0 2,9 2,7 30,1 1,5 1.4 2,8 7.6
M üller -1 7 ,0 —י22,0 -28,2 -2 0 .0 -10,8 -18,7 -27,5 -19,9 ־13,5 -67,9 L26,7 -13,4 -11,1 ־17,5 -30.0 -9 ,6
Bäcker 13,7 -32,7 5,1 14,6 8.3 7,8 5,9 23,1 11.4 —45,9 7.5 19.7 11,5 13,0 7,3 21.0
Vgl.: Berufsstatistik nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dez. 1890
(in: Ö sterr. Statistik Bd. 33, W ien 1894)
Berufsstatistik nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dez. 1900
(in: Ö sterr. Statistik Bd. 66, W ien 1904)
Berufsstatistik nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dez. 1910
(in: Ö sterr. Statistik N F Bd. 3, W ien 1912)
217
I
״Zahlreiche einst blühende H andw erke sind dem Untergang geweiht, manche sind
schon als ausgestorben zu betrachten, und es ist deshalb hohe Z e it, daß sich Museen
in den Besitz der alten Geräte und Werkzeuge setzen, um auch unseren Nachfahren
einen B egriff von der W erkstättenarbeit früherer Zeiten zu geben. Es g ilt fü r uns, die
Eigenart alter H andw erke in letzter Stunde zu erkunden, bevor die raschen, alles
U rsprüngliche verwischenden Fluten der fortschreitenden Industrie die letzten Spuren
hinweggefegt haben.“
Diesen A u fr u f zum Handeln ״in letzter Stunde“ stellt H erm ann M o lz bereits im
Jahre 1915 an den A nfang seines A rtik e ls ״Aussterbende H andw erke“ in den
Hessischen Blättern fü r V olkskunde (M o lz 1915: 1). M o lz , der in diesem Beitrag
durchaus die N o tw e n d ig ke it der technischen E n tw ic k lu n g sah und dem es v o r
allem um die D okum entation der vom Untergang bedrohten H andw erke ging,
stand dennoch am Anfang einer Bewegung, die vielfach von technik-feindlichen
und nostalgisch-retrospektiven Tendenzen geleitet w ar und die im Gefolge der
Industrialisierung in mehreren Ländern eine Grundlage fand. F re ilich nicht in
allen europäischen Ländern, denn als der oben zitierte A u fr u f zu r D okum enta-
tio n vergehender H andwerke verfaßt wurde, waren weite Gebiete Europas von
der Industrialisierung nur ansatzweise oder noch gar n ich t erfaßt und verfügten
noch über ein differenziertes System traditioneller H andw erke. Dieses g ilt in
besonderem Maße fü r Südosteuropa. N och 1934, als die Industrialisierung das
Gesicht M itte l- und Westeuropas schon fast ein Jahrhundert lang tiefgreifend
um geform t hatte, war Bulgarien beispielsweise ein Land, in dem 78,6% der
Bevölkerung auf dem Lande w ohnten, 79,9% aller Erwerbstätigen von der Land-
Wirtschaft lebten und nur 7,8% aller Erwerbstätigen im H a n d w e rk oder in der
Industrie tätig waren (Statist, godišnik 1942: 50 f).
D och selbst diese bereits sehr deutlichen Zahlen ve rm itte ln noch n ich t das rieh-
tige B ild des w irtschaftlichen Entwicklungsstandes Bulgariens noch in der Z w i-
schenkriegszeit: V on den 266.400 in H andw erk und Industrie Beschäftigten
(1934) arbeiteten etwa 59% in Betrieben m it bis zu fü n f Beschäftigten, 15% in
Betrieben von 6— 49 Beschäftigten und 26% in Betrieben m it 50 und m ehr
Beschäftigten (Statist, godišnik 1942: 332— 335). Diese Zahlen veränderten sich
auch in den nächsten Jahren kaum, so daß Bulgarien bis etwa 1950 ein A grarland
blieb, dessen W irtschaft bestim m t war durch Landw irtschaft und Kleinhand-
w erk; A rb e ite r in Industrie und H andw erk machten m it weniger als 5% nur
einen verschwindend kleinen T eil aller Erwerbstätigen aus.
W enn das aufgrund der w irtschaftlichen Blüte des Landes im 19. Jahrhundert
differenzierte und hochentwickelte Kleinhandw erk Bulgariens1 in den Jahrzehn-
1 Z um Stand des bulgarischen Handwerks im 19. Jh. vgl. den Beitrag von V. Paskaleva in diesem
Band.
ten nach der Befreiung des Landes (1878) dennoch einen Niedergang zu verzeich-
nen hatte, so ist diese E n tw ic k lu n g n u r in geringem Maße auf die eigene Indu-
strie, in w e it größerem Maße aber auf die mangelnde Anpassungsfähigkeit des
H andw erks an die sich durch die ״Europäisierung“ verändernden Bedürfnisse
sowie auf die starke K o n ku rre n z westlicher Im portw aren zurückzu füh ren2. Die-
ser langsame, v o r allem qualitative Niedergang wurde durch die nach 1950 einset-
zende rapide Umgestaltung der W irtsch aft extrem beschleunigt. In n u r wenigen
Jahren verschwanden nun zahlreiche einst angesehene H andw erke v ö llig und die
H a n d w e rke r gingen in großer Zahl in die neuen Industriebetriebe, während
andere H andw erke auf die D ö rfe r und in Randgebiete verdrängt w urden. In
weniger als drei Jahrzehnten entw ickelte sich das Land vom Agrarstaat zum
Industriestaat, der A n te il der Stadtbevölkerung stieg von knapp 25% im Jahre
1946 auf über 62% im Jahre 1980, und in seiner E rw erbsstruktur unterscheidet
Bulgarien sich heute n u r noch w enig von anderen europäischen Industrielän-
dern. N ic h t n u r die weitgehende Veränderung der Bedürfnisse der urbanisierten
Bevölkerung, sondern auch die E in g riffe der sozialistischen W irtsch a ftsp o litik
w irk e n sich fü r das H andw erk noch zusätzlich in negativer Weise aus. D ie Folge
dieser vielfältigen Veränderungen war, daß das differenzierte K leinhandw erk als
eine w ichtige w irtschaftliche, soziale und ku ltu re lle Erscheinung in weniger als
20 Jahren nahezu ausgelöscht wurde.
Dieses rapide Verschwinden des Kleinhandwerks w ar im Einklang m it der
W irts c h a fts p o litik des sozialistischen Staates. Als Bestandteil einer überwunde־
nen bzw. zu überwindenden Gesellschaftsform mußte es dem w irtschaftlichen,
sozialen und politischen F o rts c h ritt Platz machen und w urde daher als etwas
Negatives betrachtet, das es aus dem Weg zu räumen galt. Ein neuer Mensch m it
einer neuen Lebens- und Arbeitsweise sollte geschaffen werden.
Dieser negativen Sicht des tra dition ellen Handwerks und überhaupt der tradi-
tio ne lle n V o lk s k u ltu r stand nun allerdings bereits nach wenigen Jahren eine posi-
tive Bewertung gegenüber, die v o r allem darauf gründete, daß die traditionelle
K u ltu r und das H andw erk als schöpferischer Ausdruck des einfachen Volkes und
zudem noch des eigenen Volkes anzusehen war. V erstärkt wurde diese soziale
und auch nationale A rgum entation noch durch einen dritte n Faktor. T ro tz des
Stolzes auf die M odernisierung und Industrialisierung des Landes blieb es nicht
aus, daß sich — ähnlich wie Jahrzehnte frü he r in M itteleuropa — das G efühl eines
unw iederbringlichen Verlustes breitmachte. Zu rasch und zu p lö tzlich w ar die
reiche H an dw e rkstra dition und m it ih r der größte T e il der materiellen V olksku l-
tu r verschwunden. U nd wie vo rh e r in Deutschland, so waren es nun auch in Bui-
garien die Ethnographen , die diesem Sentiment frü hze itig Ausdruck verliehen.
C h risto Vakarelski war der erste, der in dieser Z eit des rapiden U m bruchs auf
die N o tw e n d ig ke it der Pflege der alten Handwerke hinwies und diese Aufgabe
auch zum Anliegen der Ethnographie machte. Die Voraussetzungen fü r eine sol-
2 Vgl. hierzu die Dissertation von A .D . Spassow (Spassow 1900), der auf die ״veränderten sozialen
Zustände“ nach der Befreiung und auf die U nfähigkeit der Zünfte, sich dieser E n tw icklu n g anzu-
passen, sowie auf die mangelhafte G ew erbepolitik des Staates hinweist; vgl. auch N ik o lo ff 1908:
81— 104; vgl. auch den Beitrag von O . O k y a r in diesem Band.
che Pflege sah er auch — und sogar besonders — gegeben im Rahmen der soziali-
stischen Gesellschaftsordnung. ״Z u unserem T ro s t,“ schrieb er (Vakarelski 1972:
48), ״geben die heutigen sozio-ökonomischen Bedingungen H o ffn u n g auf die
W iedergeburt und die E rhaltung der volkskünstlerischen T ra d itio n e n .“ Seine
Zuversicht basierte auf einem U m denkprozeß, der sich seit den späten 1960er
Jahren in der K u ltu rp o litik der sozialistischen Länder anbahnte. Ih m lag die Ein-
sicht zugrunde, daß die rasche Industrialisierung und U rbanisierung nicht n u r
W ohltaten gebracht hatte. ״Gleichmacherei und Schablone,“ schrieb Veselin
H a d ž in ik o lo v (1979: 42 f), ״halten ihren Einzug im Städte- und W ohnungsbau,
in der W ohnungseinrichtung, in M öbel und Gerät, Kleidung und Schmuck . . .
Schon ähneln die neuen W ohnviertel der Großstädte einander in allen modernen
Staaten wie ein Ei dem anderen . . . W enn es so w eiter geht, w ird das Leben seine
schöne B untheit, seine herrliche V ie lfa lt . . . verlieren. Das Resultat w ird ein
langweiliges und ermüdendes Einerlei im Alltagsleben der ganzen W elt sein . . . “
Derartige kulturpessimistische Überlegungen, gepaart m it der Angst v o r dem
Verlust der ethnischen Identität, führten in der K u ltu rp o litik zu einer Rückwen-
dung zu der untergegangenen V o lk s k u ltu r und den H andw erkern als deren w ich-
tigsten Schöpfern. D ie W erte dieser K u ltu r galt es fü r die moderne W elt, insbe-
sondere fü r die angestrebte ״sozialistische Lebensweise“ nutzbar zu machen.
H ie rfü r kam nun allerdings nicht die ganze traditionelle V o lk s k u ltu r infrage;
vielm ehr sollte das ״N ü tz lic h e “ vom ״Schädlichen“ , das ״W e rtvo lle “ vom
״W ertlosen“ geschieden werden, dam it ״die A llta g s k u ltu r im Sozialismus durch
die E rhaltung alles Positiven und O rigin ellen aus der überlieferten A llta g s k u ltu r
des Volkes“ bereichert werde (H a d ž in ik o lo v 1979: 42). D e r W ert dieser K u ltu r
ergebe sich daraus, daß sie ״in sich die W eisheit und Erfahrungen von unzähligen
Generationen gesammelt (habe und) . . . einen unermeßlichen Reichtum an
Mustern und Elementen . . ., an materiellen und geistigen W erten“ besitze
(H a d žin iko lo v 1978/79: 69). D ie Aufgabe der T rennung zwischen ״nützlichen“
und ״schädlichen“ Elementen solle neben der Soziologie, der Philosophie und
der Kulturgeschichte vo r allem der Ethnographie zufallen. Nach dem genauen
Studium der V o lk s k u ltu r solle sie ״empfehlen, welche ih re r Züge und Elemente
bei der Schaffung der heutigen sozialistischen K u ltu r und auch bei der k u ltu re ll-
ästhetischen und ideologisch-politischen T ä tig ke it der Partei und des Volksstaa-
tes zu benutzen sind.“ (ebda: 70).
Die N eubewertung der traditionellen V o lk s k u ltu r bildete die Grundlage nicht
nur fü r die D okum entation und Pflege der erhaltenen O bjektivationen der
V o lk s k u ltu r, sondern sie bestimmte zugleich auch die In te n tio n und die Rieh-
tung der staatlichen Handwerkspflege. D ie vom Staat geförderte Wiederauf-
nähme alter Handwerke sollte dabei mehreren gesellschaftspolitischen und kul-
turellen Zielen dienen: Sie sollte die alten T raditio n en bewahren und w eiterfüh-
ren, sollte zur Erziehung und ästhetischen Schulung nachfolgender Generationen
beitragen, sollte das ethnische Selbstbewußtsein stärken und obendrein einen
Beitrag leisten zur Schaffung der ״sozialistischen Lebensweise.“ Diese vie lfä lti-
gen Aufgaben und hochgesteckten Erw artungen haben selbstverständlich einen
nachhaltigen E influß ausgeübt auf die tatsächliche Pflege alter H andw erke in
Bulgarien und sie sind ve ra n tw o rtlich sow ohl fü r die positiven Ergebnisse als
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II
D ie m aterielle und ideelle U nterstützung und Förderung alter H andw erke durch
verschiedene M inisterien, staatliche Organisationen und wissenschaftliche Insti-
tu tio n e n ist umfangreich und vielfältig. D ie wichtigsten Form en dieser Förde-
rung seien k u rz skizziert:
(1) O rden , Auszeichnungen u n d Preise. In regelmäßigen Abständen werden Hand-
w erker, deren Leistungen als herausragend bewertet werden, durch den Staat aus-
gezeichnet. Besondere Bedeutung haben die T ite l ״Volks-H andw erksm eister“ ,
״V erdienter Handwerksm eister“ , ״Schaffender der V olkskunsthandw erke“ und
״V erdienter Schaffender der V olkskunsthandw erke“ , die stets am 24. M ai, dem
Tag des bulgarischen S chrifttum s, verliehen werden. D ie Kandidaten werden
vom K reiskom itee fü r K u ltu r und der ״Zadruga“ (s.u.) vorgeschlagen, ihre
A rb e it w ird von Kom m issionen begutachtet und eine besondere Kom m ission
der Volksversam m lung t r if f t die Entscheidung.
(2) Fachschulen und Berufsschulen. In mehreren O rte n des Landes wurden beson-
dere Berufs- und Fachschulen ( ״T e c h n ik u m “ ) eingerichtet, an denen Lehrlinge
nach A bschluß einer achtjährigen Schulbildung alte H andw erke erlernen kön*
nen, z.B. Töpferei in T rojan und die Herstellung von V olksm usikinstrum enten
in Siroka Läka. Diese Schulen, die dem Kom itee fü r K u ltu r in Sofia unterstehen,
sind recht beliebt und können un te r vielen Bewerbern wählen. In der A usbil-
dung zeigt sich vielfach eine Tendenz zur schöpferischen E ntfaltung der hand-
w erkliche n Techniken und dam it zur angewandten Kunst. Absolventen dieser
Schulen bedürfen daher oftm als einer Um schulung, wenn sie als Handwerksm ei-
ster in den alten H andw erken arbeiten wollen.
(3) Förderung der Handw erksbetriebe. D arüber hinaus werden die H andw erker
bzw. ihre W erkstätten d ire kt gefördert, zum einen auf kom m unaler Ebene und
zum ändern durch die V erw altung der Museen. Beispiele fü r kom m unale Förde-
rung sind die Handwerkerstraßen in V e lik o Tärnovo, in T o lb u ch in und in
Loveč; die ״Samovodska čaršija“ in der A ltstadt von T ärnovo m it etwa einem
D utzend W erkstätten (Zuckerbäcker, Küfer, H olzschnitzer, Teppichweber,
Kupferschm ied, Goldschmied, Bäcker, T öpfer, M attenflechter u.a.) wurde 1981
eröffnet und war zunächst dem Ethnographischen Museum zugeordnet. Im m er
noch dem lokalen Museum angegliedert sind die Meister der alten H andw erke
z.B. in der Töpferstadt T roja n sowie auch in Etära, w o etwa 50 Handwerksm ei-
ster ihren alten H andwerken innerhalb des Freilichtmuseums nachgehen. Den
H andw erkern werden in all diesen Fällen W erkstätten und Lagerräume sowie
auch Rohm aterialien zur V erfügung gestellt und auch der V ertrieb der Hand-
W erksprodukte w ird durch staatliche Maßnahmen gefördert oder aber ganz
durch die Gemeinden bzw. Museen übernommen.
(4) D ie ,yZadruga na m ajstonte“ (Genossenschaft der Handwerksmeister). W ei-
tergehend noch ist die Förderung tra d itio n e lle r Handwerke in einer eigens fü r
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III
3 D er Name ״Zadruga“ k n ü p ft ostentativ an die T ra d itio n der südslavischen G roßfam ilie (zadruga)
an, die vo r allem in Westbulgarien bis in unser Jahrhunden Bedeutung hatte. Den gleichen Nam en
trägt auch die seit 1980 erscheinende Z e itsch rift der ״Zadruga na m ajstorite“ .
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T e rrito ria le V erteilung der M itglie der V erteilung der M itg lie d e r der
der ״Zadruga“ : ״Zadruga“ auf A ltersgruppen:
D ie Rechte der M itglieder werden in § 11 geregelt, unter ihnen das Recht eines
jeden M itglieds, zwei Lehrlinge auszubilden, das Recht auf die G ewährung der
m ateriellen Voraussetzungen fü r die Handwerksausübung und das Recht auf
Teilnahm e an Kom m issionen zur Begutachtung der Erzeugnisse und des Verhal-
tens anderer M itglieder der ״Zadruga“ . D e r einzelne M eister kann sich dam it
innerhalb relativ w eit gesetzter Grenzen frei entfalten und unbeschränkt, d.h.
ohne die in der Planwirtschaft sonst üblichen quantitativen Auflagen und N o r-
men produzieren; lediglich eine gewisse M in d e stp ro d u ktio n ist vorgeschrieben.
A uch hinsich tlich der A r t und Q u a litä t seiner P ro d u k tio n ist der H andw erker
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relativ frei, doch fin d e t diese F reiheit ihre Grenzen durch die regelmäßigen Qua-
litä tsko n tro lle n , die von einer K om m ission aus etwa 15 Handwerksm eistern,
Ethnographen, K ünstlern, A rc h ite k te n , Ö ko n o m e n und Juristen w öchentlich in
Sofia durchgeführt werden. Dieser K om m ission k o m m t fü r die E n tw icklu n g der
alten H andw erke in der ״Zadruga“ eine große Bedeutung zu, denn sie legt im
K am pf ״gegen dekadente Einflüsse und Geschmacklosigkeit“ die G renzlinie fest
zwischen ״echt“ und ״unecht“ , zwischen ״geschmackvoller V o lksku nst“ und
״geschmacklosem K itsch“ . W ie w o h l es unter den M itgliedern dieser Kom m is-
sion n icht selten K o n flik te bei der Beurteilung von Handwerkserzeugnissen gibt,
hat sich doch in den zwei Jahrzehnten des Bestehens der ״Zadruga“ ein Kanon
recht fest etablierter K rite rie n herausgebildet, die die A rb e it der H andw erker
wiederum in starkem Maße prägen. N ach den Maßstäben der Kom m ission muß
jedes vorgelegte Stück die folgenden Bedingungen erfüllen:
1. Das H andw erksstück m uß u n te r A nw e nd ung einer alten Technologie herge-
stellt und d.h. v o r allem handgefertigt sein. D ie Benutzung von Maschinen ist
verboten; ausgenommen sind allein mechanisch angetriebene Töpferscheiben,
Drehbänke u.ä.
2. Das Stück muß ganzheitlich , d.h. ohne A rbe itste ilu ng von einer Person ange-
fe rtig t sein. Diese ganzheitliche H erstellung m uß außerdem im Geiste der T ra ־
d itio n erfolgt sein, eine zentrale Forderung, die in der Praxis zumeist dadurch
e rfü llt w ird , daß die H a n d w e rke r sich an den Beständen ethnographischer
Museen bzw\ an A bbildungen in ethnographischen Publikationen orientie-
ren.
3. Bei den Stücken soll es sich nicht um U n ika te handeln, sondern um Ergeb-
nisse einer S erienproduktion , die daher auch n ich t als reich ornam entierte Ein-
zelstücke, sondern als gebrauchsfähige Mengenware dem Käufer angeboten
werden kann. N ic h t also die ästhetische F u n k tio n , sondern die konkrete
G ebrauchsfunktion in der heutigen Gesellschaft w ird gefordert. G efordert
w ird zudem auch die regionale bzw. ethnische B indung der O bjekte, die zur
Id e n tifik a tio n des Käufers m it seiner Region führen soll; den Handw erkspro-
dukten soll dam it auch eine ethnische oder nationale F u n k tio n zukom m en.
Diese von den Ethnographen erhobenen Forderungen an die A u th e n tiz itä t der
Produkte werden ergänzt durch jene der Kunstwissenschaftler und angewandten
Künstler, fü r die die F o rm , der D e k o r und die gesamte künstlerische A usführung
im M itte lp u n k t steht. Diese Forderungen stehen bereits in einem gewissen Span-
nungsverhältnis zu denen der Ethnographen, denn das Augenm erk w ird v o r
allem darauf gerichtet, daß
4. die ästhetische Formy v o r allem das O rnam ent ganz ״im Geiste der T ra d itio n “
ausgeführt w ird ; besonderes G ew icht w ird dabei auf die gelungene Kom posi-
tio n der O rnam ente gelegt.
5. Auch hinsich tlich der künstlerischen Ausarbeitung, der Formgebung, werden
hohe Ansprüche gestellt. Dabei soll das Stück möglichst das Typische einer
Region repräsentieren, eine Forderung, die zu einer in der T ra d itio n gar nicht
vorgegebenen Stilisierung und Stereotypisierung führen kann.
6. Das P ro d u kt soll schließlich auch noch verkäuflich sein.
Berücksichtigt man auch noch die Forderungen der H andw erker, die meistens
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4 Z u r E n tw icklu n g und S tru k tu r sowie der sozialen und ku ltu re lle n R olle der Z ü n fte in Bulgarien
vgl. Kalpaktschieff 1900 und N ik o lo ff 1908.
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IV
berufe, die meisten Berufe der N ahrungsm ittelverarbeitung und solche Berufe,
die ״u n a ttra ktive “ Gegenstände herstellen. Das vom einstigen Handwerksleben
auf diese A r t gezeichnete und an die nachfolgenden G enerationen ve rm itte lte
B ild ist dam it bereits grob verzerrt, da es n u r die angenehmen, die schöpferischen
Seiten frü he rer Handwerksausübung, n ich t aber die harte und m ühevolle Rou-
tine, die ökonom ische Zwänge und den E xistenzkam pf des K leinhandw erks
erfaßt. D ie Präsentation einer idealen heilen und stets kreativen H andw erksw elt
geht aber noch weiter, denn auch die von den vertretenen H andw erken herge-
stellten Erzeugnisse repräsentieren keinesfalls die ganze Palette frü he rer Pro-
dukte, sondern einen schmalen Sektor, der nach heutigen Gesichtspunkten aus־
gewählt ist. E iner dieser Gesichtspunkte war, so hatten w ir gesehen, die ästheti-
sehe Gestaltung der Erzeugnisse. U m die P ro d u k tio n der H an dw e rker der
״Zadruga“ k la r abzugrenzen von der ״Geschm acklosigkeit“ und dem ״K itsch “ ,
die in den Produkten anderer H andw erker, M anufakturen und Industriebetriebe
vorherrschen, werden mehr und m ehr die ästhetischen M om ente in den V order-
grund gerückt. Diese À sthetisierung auf Kosten des praktischen Gebrauchswertes
zeigt sich besonders deutlich auf den großen Ausstellungen5. T ro tz der gegenteili-
gen Forderungen der Ethnographen haben sich die H a n d w e rke r der ״Zadruga“
weitgehend zu reinen Kunsthandw erkern e n tw icke lt, die sich zunehmend als
K ünstler verstehen und um das Recht käm pfen, ihre W erke signieren zu dürfen.
״Angewandte K unst“ , schreibt Lozanova (1980: 20), ״. . . hat im m e r stärker
begonnen, die heutige P ro d u ktio n zu beeinflussen und n icht n u r den Erzeugnis-
sen, sondern auch den P ro d u ktio n sm itte ln T o n und F o rm zu geben.“
5 Richtungsweisend sind die großen internationalen Ausstellungen in Orešak (bei T ro ja n ); vgl. das
von der ״Zadruga“ herausgegebene H e ft Orešak *84. V to ra meždunarodna izlozba i sim pozium na
narodnite chudožestveni zanajati. Sofia 1984, sowie Georgieva 1984. A uch auf der P lovdiver Messe
ist die ״Zadruga“ vertreten.
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Die Pflege alter Handwerke im heutigen Bulgarien 227
6 N ach A uskunft von M itarbeitern des Ethnographischen Instituts in Sofia. Ihnen wie auch Mitarbei-
tern der ״Zadruga“ sei an dieser Stelle gedankt für ihre Hilfe und ihre Bereitschaft, Fragen und Pro-
bleme der H andw erksförderung zu erläutern.
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Die Pflege alter Handwerke im heutigen Bulgarien 229
Literatur:
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schaft in den letzten 20 Jahren (1960—1980)). In: Bãlgarski fo lk lo r 7:1 (1981) 68— 74.
7 Ganz im Zeichen des staatlichen ״Kampfes gegen alle Formen des Kitsches“ stand eine Ausstellung
im ,Haus des H u m o rs und der Satire* in G abrovo (1984), auf der zahlreiche H andw erksprodukte
ausgestellt waren. D ie Ausstellung wurde in der Presse wegen ihres norm ativen ״K itsch“ ־Begriffes
recht stark k ritis ie rt.
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Željazkov, Iv . 1976: Edin samobiten m ajstor (Ein schöpferischer Handwerker). In: Bälgarska etnogrāfijā
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Peter N ic k i, München
M ein kurzer Beitrag kann n u r Akzente setzen und Probleme andeuten, und so
betrachte ich es als meine Aufgabe, m ich der gegenwärtigen Handwerkspflege
zuzuwenden und so einen K ontrapart zu den vielen Beiträgen dieses Bandes zu
bieten, die sich m it dem historischen H an dw e rk befassen.
W enn w ir v o r Gästen aus dem Ausland von ,H a n d w e rk‘ sprechen, t r i t t im m er
wieder die Schwierigkeit auf, den heute bei uns gebräuchlichen Handwerksbe-
g riff zu ve rm itte ln. H andw erk hat in Deutschland eine sehr systematisierte und
organisierte F o rm , wie sie in dieser Weise in den meisten anderen europäischen
Ländern nicht ausgeprägt ist. Das H andw erk in Deutschland muß daher in seiner
spezifischen E n tw icklu n g und Eigenart betrachtet werden. Gestatten Sie m ir,
daß ich Ihnen zunächst einige grundsätzliche Inform ationen gebe, wobei ich m it
dem H andwerksrecht beginnen möchte.
Nach der E in fü h ru n g der allgemeinen Gewerbefreiheit und dem völligen N ie-
dergang des Zunftwesens M itte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Gesetzes-
novellen zu r Neuregelung des Handwerksrechts in den Jahren 1933 und 1935
erlassen. Sie waren das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen um eine Neu-
Schaffung des Handwerkswesens und der Handwerksorganisationen. D e r rechtli-
che Schutz, den das H andw erk als w irtschaftliche K ra ft durch diese beiden
N ovellen erhielt, wurde nach dem Krieg durch das In kra fttre te n der Handwerks-
Ordnung (1953) bundesweit bestätigt. V on 1945 bis 1953 hatte, unter der jew eili-
gen K o n tro lle der Besatzungsmächte, allgemeine Gewerbefreiheit geherrscht.
Die beiden G rundpfeiler des Handwerksrechts sind die Selbstverwaltung des
Handwerks und der handwerkliche Q ualifikationsnachweis. A u f dem Recht auf
Selbstverwaltung basieren die handwerklichen Organisationen, das Beratungs-
wesen und die politische Interessenvertretung des Handwerks. Das E rfordernis
des handwerklichen Qualifikationsnachweises bedingt das Ausbildungs- und Prü-
fungswesen des Handwerks und das Recht der handwerklichen Berufsausübung.
Die E in fü h ru n g des handwerklichen Qualifikationsnachweises hatte zunächst
eine Einschränkung der allgemeinen Gewerbefreiheit und des G rundrechts der
freien Berufswahl zur Folge. Ein H andw erk darf, seit In kra fttre te n des Gesetzes,
n u r ausüben, wer durch die Ablegung der M eisterprüfung seine handwerkliche
Q u a lifik a tio n nachgewiesen hat.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, dem H andw erk Selbstverwaltung einzu-
räumen, w ar wirtschaftspolitisch von eminenter Bedeutung. M it der G ewährung
des Rechts auf Selbstverwaltung verzichtete der Staat auf K o n tro lle und Regle-
mentierung des Handwerks. E r übte lediglich die staatliche Rechtsaufsicht aus.
Dieses war ein Bekenntnis des Staates zum M ittelstand als der gesunden Basis
einer W irtschaft. Es w ar eine A u fford eru ng an die kleineren und m ittle re n
Betriebe als die kleinsten w irtschaftlichen Zellen zu D yn a m ik, F le xib ilitä t, w ir t
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D ie meisten dieser 126 Berufe haben eigene Innungen als Organe der w irt-
schaftlichen Interessenvertretung auf regionaler, meist auf Bezirksebene. A lle
Innungen eines Bezirks sind regional in einer Kreishandwerkerschaft zusammen-
geschlossen. D ie Innungen eines jeweiligen Fachbereiches schließen sich ihrer-
seits w iederum zu einem Landesinnungsverband zusammen. D ie Landesinnungs-
verbände sind M itg lie d bei einem Bundesinnungsverband und diese gehören
branchenmäßig übergreifenden Fachverbänden an. U b e r all diesen Organisatio-
nen steht der Zentralverband des Deutschen Handw erks als Spitzenorganisation.
D e r B e itritt zu den Innungen ist fre iw illig , Zwangsmitgliedschaft dagegen besteht
bei den H andw erkskam m ern. Im Bundesgebiet gibt es insgesamt 42 Handwerks-
kam m ern, in Bayern sieben, je eine in den sieben Regierungsbezirken. Ihre A u f-
gäbe ist es, die in der H andw erksordnung festgelegten Aufgaben zu realisieren.
D ie E n tw ic k lu n g des H andw erks in der Nachkriegszeit ist gekennzeichnet
durch einen starken T rend z u r Ausw eitung der m ittleren U nternehm en und zur
Stillegung kleinerer, weniger konkurrenzfähiger U nternehm en. Gab es im Jahre
1950 in der Bundesrepublik Deutschland noch 880.000 Betriebe m it 3,3 M illió -
nen A rbeitnehm ern, so sind es heute n u r noch 490.000 Betriebe, allerdings m it
4,2 M illio n e n A rbe itn eh m ern. D er Jahresumsatz des H andw erks betrug 1950 27
M illia rd e n , heute 400 M illia rd e n D M .
D ie dynamische F o rte n tw ic k lu n g des Handwerks und die Anpassung an die
Erfordernisse einer Industriegesellschaft veränderten natürlich auch die D e fin i-
tio n skrite rie n des Handwerksberufes. Das A rbeiten m it der H and ist heute nicht
m ehr das dom inante und ausschlaggebende A bgrenzungskriterium zu einem
industriellen Beruf. D ie Technisierung und Mechanisierung eines Handwerks-
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Aufgaben und Ziele der Handwerkspflege in Bayern 233
durchgeführt werden, muß jeweils eine Frem dfinanzierung gesichert sein. Viele
Pläne und Überlegungen können daher nicht oder nicht in der ursprünglich
geplanten F o rm vollzogen werden. Viele Projekte werden von außen herangetra-
gen und dann im A u ftra g staatlicher oder kom m unaler Behörden, z.B. der Stadt
M ünchen, des Landes Bayern oder bestim m ter Organisationen durchgeführt.
D ie T ä tig ke it der Handwerkspflege ist im wesentlichen eine verm ittelnde,
anregende, inform ierende und didaktische T ätigkeit ohne die M ö g lich ke it, in
irgendeiner Form gestalterische Programme vorzuschreiben. D arüber hinaus ist
es aber auch eine dokumentarische A rb e it, bei der es darum geht, aufzuzeichnen,
was sich auf dem Gebiet des gestaltenden Handwerks ereignet. In diesem Sinne
entstehen auch die P ublikationen, die sich m it den verschiedensten Themenbe-
reichen befassen (z.B. ״D ie Kunst des Pflasterns“ , ״Restauratoren“ , ״Erde,
Asche, Feuer — Keramische Glasuren“ , ״Jugend gestaltet“ , ״M aterial —
Schmuck und G erät“ ).
Aufgabe ist es w eiterhin, die ku ltu re lle n Leistungen des Handwerks in den
B lic k p u n k t der Ö ffe n tlic h k e it zu stellen und mustergültige Beispiele zu zeigen
sowie auf besonders dringende Aufgaben und Probleme hinzuweisen oder öffent-
lieh K r it ik zu üben. D ie politischen M öglichkeiten, kulturelle Ziele durchzuset-
zen, sind dabei relativ gering.
Im folgenden gebe ich Ihnen einen kurzen Ü b e rb lick über die T ätigkeit im
Jahr 1985:
3. Messen u n d Ausstellungen:
In der Galerie H andw erk, dem Ausstellungsraum der Handwerkspflege in
Bayern, wurden im Jahr 1985 folgende jeweils vier bis sechs W ochen dau-
ernde Ausstellungen gezeigt:
״Budapest — Experimente und Im pulse“ : avantgardistische Kunsthandw erker
aus Ungarn;
״D ie Kunst des Pflasterns“ : Beruf, Technik und Ausdrucksform en des Pflaste-
rerhandwerks;
״A frik a A k k o rd “ — K eram ik, T e x til und Schmuck der N u b ie r;
״F a rbtup fer“ — Sammelausstellung zum Thema Farbe;
״Zeitgenössischer Schmuck aus Spanien“ ;
״B untpapier“ : zur Renaissance des Buntpapiers;
״Lebzelten, Wachsstöcke, Votivgaben“ — H andw erk und Brauch.
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Aufgaben und Ziele der Handwerkspflege in Bayern 235
4. P u b lika tio n e n :
Zu folgenden Ausstellungen wurden Kataloge erstellt:
״Die Kunst des Pflasterns“ ;
״E X E M P L A ’85 — Altes H andw erk in jungen Händen“ ;
״Form , Form el, Formalismus — Internationale Schmuckschau 1985“ ;
״Jugend gestaltet ’ 85“ .
Die Förderung von ״V olkskunst“ o rie n tie rt sich an handw erklich hergestellten
O bjekten tra dition eller handw erklicher Erwerbszweige. D o rt w o V olkskunst
nicht m ehr handw erklich hergestellt w ird , sind der Handwerkspflege die Gren-
zen fü r ihre T ätigkeit gesetzt. G efördert w ird entsprechend der Aufgabenstellung
der Handwerkspflege: die E rhaltung der H andwerkstechniken, die Handwerks-
form , die M aterialgerechtigkeit der Verarbeitung, die F u n ktio n a litä t und Q uali-
tat von Form und D e k o r sowie die geistige H altung, in der Form und T e ch n ik
ausgeführt werden. Dies gilt fü r Bereiche wie z.B. die Weberei, die K eram ik, die
Hinterglasbildm alerei und das schmiede- und holzverarbeitende H andw erk,
deren A rbeiten im m er wieder exemplarisch herausgestellt werden, sow ohl im
Rahmen von Ausstellungen als auch durch Publikationen.
Ein interessantes Teilgebiet ist das, was man das intellektualisierte A ufgreifen
von V olkskunst nennen kann. In unserem Land begann es Ende der 60er Jahre.
Einige junge Leute haben, zum T e il auch aus gesellschaftlichem Protest, den
Beruf des Handwerkers gewählt, sich aus der Stadt in ländliche Gebiete abgesetzt
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S Ü D O S T E U R O P A -J A H R B Ü C H E R
S U D O S T E U R O P A -S T U D IE N
Im Namen der Südosteuropa-Gesellschaft herausgegeben von R u d o lf Vogel,
ab 8. H e ft von W alter A lth a m m e r
Erschienen sind bisher 37 Hefte. D ie nachfolgend nicht aufgeführten H efte sind vergriffen.
2. H eft: Gamst, Max und Gerhard Teich (Hsg.)
D ie Donau — Ein Verzeichnis des in der B ib lio th e k des Instituts fü r W e ltw irtsch a ft an der
U niversität K iel vorhandenen einschlägigen Schrifttum s.
M ünchen I960, 69 S., D M 8,—
4. H eft: Ziegler, G en
Griechenland in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
M ünchen 1962. 112 S., D M 10,—
13. H eft: Rohleder, Claus D ieter
D ie O sthandelspolitik der EW G-Mitgliedstaaten, G roßbritanniens und der U S A gegenüber
den Staatshandelsländern Südosteuropas.
M ünchen 1969. 136 S., D M 20,—
14. H eft: A ltham m er. W alter (Hsg.)
D ie Donau als Verkehrsweg Südosteuropas und die Großschiffahrtsstraße Rhein-M ain-
Donau.
M ünchen 1969. 128 S., D M 2 6 , -
15. H eft: Gülich-Bielenberg, Hanna (Red.)
D ie Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und der Handel m it Südosteuropa.
M ünchen 1970. 34 S., D M 1 2 ,-
18. H eft: Pernack, Hans-Joachim
Probleme der w irtschaftlichen E n tw icklu n g Albaniens. U ntersuchung des ökonom ischen
und sozioökonomischen Wandlungsprozesses von 1912/13 bis in die Gegenwart.
M ünchen 1972. 196 S., D M 2 4 , -
19. H eft: G rothusen, Klaus-Detlev
Symposion des wissenschaftlichen Beirates der Südosteuropa-Gesellschaft vom Juni 1971.
Ergebnisse
♦t und Pläne der Südostcuropa-Forschung in der Bundesrepublik Deutschland und
Österreich.
M ünchen 1972. 196 S., D M 2 0 , -
20. H eft: Zotschew, Theodor D.
Strukturw andel in W irtschaft und Gesellschaft Südosteuropas. Eine sozial-ökonomische und
statistische Analyse anläßlich des 20jahrigen Bestehens der Südosteuropa-Gesellschaft.
M ünchen 1972. 113 S., D M 20,—
21. H eft: Gülich-Bielenberg, Hanna (Red.)
Zukunftsperspektiven der Donauschiffahrt nach 1980.
M ünchen 1973. 68 S., D M 12,—
22. H eft: H a rtl, Hans (Red.)
Deutsch-rumänisches C o llo q u iu m junger H is to rik e r, K u ltu rh is to rik e r und Zeitgeschichtler.
M ünchen 1974. 152 S., D M 2 5 , -
23. H eft: H a rtl, Hans (Red.)
Das Gastarbeiterproblem: Rotation? Integration? Arbeitsplatzverlagerung?
(Jugoslawien, Griechenland, T ü rke i), 168 S., München 1975, D M 25,—
24. Heft: (Band 7 der N ürnberger Forschungsberichte)
K o n te tzki, H einz
A grarpolitischer Wandel und M odernisierung in Jugoslawien
Zwischenbilanz einer sozialistischen Entwicklungsstrategie
N ü rn b e rg /M ü n ch e n 1976. 564 S., D M 24,—
25. H eft: H a rtl, Hans (Red.)
Transportproblem Nahost — G üterström e suchen ihren Weg.
M ünchen 1976. 175 S., D M 2 5 , -
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