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Wegbereiter der Rheumatologie

Z Rheumatol 2008 · 67:252–262 H. Kaiser


DOI 10.1007/s00393-008-0257-x Augsburg
Online publiziert: 24. April 2008
© Springer Medizin Verlag 2008

Von der Pflanze zur Chemie


Redaktion
W. Keitel, Gommern – Die Frühgeschichte
der „Rheumamittel“

Nutzen, oder doch nicht schaden dukten und wurden in verschiedenen eine umfangreiche Arzneimittellehre
Hippokrates Zubereitungen äußerlich und innerlich (in lateinischer Übersetzung: De mate-
angewandt. Entsprechend der Vorstel- ria medica) verfasste (. Abb. 1). Dieses
Die Geschichte der so genannten lung, dass Krankheit durch eine Unaus- Buch, das über 800 pflanzliche Arznei-
Rheumamittel muss man vor dem geglichenheit der Körpersäfte entsteht, mittel beschreibt, von denen noch heute
Hintergrund der allgemeinen Ent- standen evakuierende Maßnahmen wie mehr als 90 in Gebrauch sind [64], wur-
wicklung von Arzneimitteln sehen. Aderlass, Schröpfen sowie Brech- und de in viele Sprachen übersetzt und galt
Deshalb soll ein komprimierter Über- Abführmittel, harn- und schweißtrei- über 1 1/2 Jahrtausende als die maßgeb-
blick dem eigentlichen Thema vor- bende Präparate und schließlich Aus- liche Pharmakopoe [17].
ausgeschickt werden. wurf anregende Mittel im Vordergrund. G.P. Plinius secundus (Plinius der Äl-
Es wurden aber auch Narkotika gegen tere; 23–79 nach Chr.) führte die Signa-
Allgemeines Schmerzen verwendet. Neben diesen turenlehre ein. Das bedeutet, dass Arznei-
Medikamenten spielte die physikalische mittel nach Form und Farbe den mensch-
Therapie in der Therapie wie Anwendung von Kälte, lichen Organen oder einer Krankheit an-
hippokratischen Medizin Wärme, Bädern, Umschlägen und kör- gepasst werden müssen. Auch diese Vor-
perliche Aktivierung ebenfalls eine wich- stellungen haben sich teilweise bis in die
Wenn es auch schon bei den Naturvöl- tige Rolle [37]. Aus dieser Darstellung er- Neuzeit gehalten [45, 57].
kern neben Magie und Beschwörungen gibt sich, dass in der Antike mit weni- Galen von Pergamon (129–200), der
Ansätze von Heilmitteln gab, so verfügen gen Ausnahmen (z. B. die Podagra) kei- größte seinerzeit in Rom tätige Arzt, hat
wir über zuverlässige Quellen erst aus der ne Krankheiten, sondern Symptome und das gesammelte Wissen der Antike zu-
griechischen Zeit. Im Corpus hippocrati- Beschwerden behandelt wurden. sammengetragen und bis in die Neuzeit
cum (5. bis 4. Jh. vor Chr.) standen Diä- tradiert. Galen verwendete, entsprechend
tetik, d. h. eine in jeder Beziehung maß- Medizin der alten Römer den Empfehlungen von Dioscurides, im
volle Lebensgestaltung, und chirurgische und der Byzantiner Allgemeinen pflanzliche Drogen ohne
Maßnahmen im Vordergrund [20]. Arz- chemische Zubereitung, woraus sich die
neimittel hatten nicht den Stellenwert, Alexander von Tralles (525–605), der Bezeichnung Galenika ableitet [1].
den sie heute haben. Im Corpus hippo- 12 Bücher über Therapeutik verfasste, In späteren Jahren hat man Arznei-
craticum gibt es keine Schrift, die sich forderte, dass Medikamente erst einge- mittelmischungen bevorzugt, wobei der
ausführlich mit Wirkung und Herstel- setzt werden, wenn physikalische Maß- als Prophylaktikum und Therapeutikum
lung von Medikamenten befasst [28, 38]. nahmen nicht ausreichen [20]. Obwohl bis ins 11. Jh. gebräuchliche Theriak bis zu
Trotzdem finden darin 270–280 Pharma- schon in der Zeit vor Christus einige Bü- 100 Bestandteile enthielt [1].
ka Erwähnung [64]. Unter diesem Aus- cher über­ Heilpflanzen erschienen wa-
druck verstanden die alten Griechen auch ren– z. B. ­von Diokles von Karystos (4. Jh. Die Klostermedizin
Gifte. Erst der Römer H.C. Celsus (5 bis? vor Chr.), Theo­phrast von Eresos (372–287
nach Chr.) trennte sie: „Medicamentum“ vor Chr.) und Krateuas (2. bis 1. Jh. vor Etwa ab dem Jahr 1000 nach Chr. wid-
gegenüber „Virus“ [57]. Chr.; [38]), war es Pedanios Dioscurides meten sich die Klöster der Krankenpfle-
Die Heilmittel bestanden großen- aus Anazarbos in Kilikien (1. Jh. nach ge und legten Heilkräutergärten an. Wa-
teils aus Pflanzen, zum geringeren Teil Chr.), der aufgrund seiner Erfahrungen lafried Strabo (806–849), der Benediktine-
aus tierischen oder mineralischen Pro- in römischen Diensten um 60. nach Chr. rabt von der Insel Reichenau am Boden-

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see, beschrieb 840 in seinem Hortulus die
Heilkräuter des Klostergartens.
Die Äbtissin Hildegard von Bingen
(1098–1179) hat die Heilkräfte von 213
überwiegend heimischen Pflanzen be-
sprochen.

Iatrochemie

Der Begründer der Iatrochemie, Theo-


phrastus Bombastus von Hohenheim, der
sich Paracelsus nannte (1493–1541), lehnte
die galenische Säftelehre und in der The-
rapie die meisten pflanzlichen Arzneimit-
tel ab; er glaubte an die spezifische Wir-
kung speziell der Mineralien. Aber auch
er wurde durch die Signaturenlehre beein-
flusst. Einen nachhaltigen Einfluss auf die
Entwicklung der Medizin hatte er nach
Meinung maßgeblicher Medizinhistori-
ker nicht.
Literatur: [1, 18, 20, 24, 37, 57, 59, 64].
Zusammenfassend kann man davon
ausgehen, dass die Arzneimittelthera-
pie während 3 Jahrtausenden auf gesam-
melten Erfahrungen beruhte. Anfang des
19. Jh. musste sie jedoch wegen der oft
fragwürdigen Wirkungen einem thera-
peutischen Nihilismus weichen. Erst in
der zweiten Hälfte des 19. Jh. trat durch
chemische Analysen der Wirkstoffe und
teilweise durch synthetische Herstellung
der wirksamen Substanzen eine Ände-
rung ein [57].

Isolierung pflanzlicher Wirkstoffe

Einen entscheidenden Schritt in der


Entwicklung der Arzneimitteltherapie
brachten die Jahre 1804–1806, als dem Abb. 1 8 Titelblatt der deutschen Ausgabe des Werkes von P. Dioscurides aus dem Jahr 1610 [17]
Paderborner Apothekengehilfen F.W.
Sertüner (1783–1841) erstmals die Isolie- (1795–1870) sowie Atropin, Colchicin, stellte ab 1826 Morphin her, bot 1827 be-
rung des schmerzstillenden und schlaf- Aconitin, Hyoscyamin, Lobelin, Nikotin reits weitere 16 Alkaloide an, und bis 1842
machenden Alkaloides aus Opium (Saft durch verschiedene deutsche Chemiker. wuchs die Zahl der Produkte auf 34. Aus
des Schlafmohns) gelang. 1817 gab er ihm der Engelapotheke wurde auf diese Weise
den Namen Morphium, in Anlehnung an Industrielle Herstellung die erste pharmazeutische Fabrik der Welt
den griechischen Gott der Träume Mor- von Arzneimitteln [40]. Dem Merck’schen Beispiel folgten
pheus. bald weitere Apotheker, so z. B. Schering
In rascher Folge gelang es in den Jah- Die Extraktion der genannten Substan- 1855 oder Nestlé 1865.
ren 1817–1840 französischen und deut- zen auf ein Einzelrezept war für die Apo-
schen Apothekern weitere Alkaloide aus theker seinerzeit schwierig. Deshalb ha- Synthese von Naturstoffen
Pflanzen zu isolieren. Um nur einige der ben sich einige darauf spezialisiert, das je-
wichtigsten zu nennen: Emetin, Strychnin, weilige Produkt in großen Mengen herzu- Der nächste große Fortschritt in der Arz-
Chinin, Coffein, Codein durch J. Pelletier stellen. Der erste war H.E. Merck (1794– neimittelherstellung war die Synthese der
(1788–1842) zusammen mit J. Caventou 1855; . Abb. 2), der in 7. Generation die Naturstoffe. Sie wurde angestrebt, weil da-
(1795–1877) und Salicin durch P.J. Leroux Engelapotheke in Darmstadt führte. Er durch die Produktion einfacher, zuverläs-

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Wegbereiter der Rheumatologie

Die Herbstzeitlose – das Auch arabische Ärzte sprachen sich im


älteste Rheumamittel 1. Jh. für die Anwendung des Surugen bei
Gelenkkrankheiten aus. Serapion der Äl-
Die Pflanze Colchicum autumnale tere aus Damaskus (870–930) und J. Me-
(. Abb. 3) hat ihren Namen von der sue der Jüngere (928–1018) betonten, dass
Landschaft Kolchis am Schwarzen Meer, die Blätter der Pflanze 6 Monate getrock-
der Heimat der Medea, wo sie bevor- net werden müssen, weil sie sonst zu gif-
zugt gefunden wurde. Örtliche Spezial- tig sind. Rhazes (865–925) bestätigte, dass
arten von ihr wurden in der griechischen Hermodaktylus eine spezifische Wirkung
Antike Hermodaktylos (Finger des Got- bei Gicht hat; es bringe die Kranken aus
tes Hermes) oder Ephemeron genannt. dem Bett.
Die Römer sprachen von Bulbus agrestis
und die arabischen Völker von Surugen. > Die Herbstzeitlose wurde
Bei uns heißt sie Herbstzeitlose. Alle die- schon in der Antike zur
se Pflanzen enthalten den gleichen Wirk- Behandlung der Gicht und von
stoff, der von J. Pelletier (1788–1842) zu- Gelenkkrankheiten empfohlen
sammen mit J. Caventou (1795–1877) 1819
Abb. 2 8 Aoptheker H.E. Merck, Darmstadt. entdeckt wurde. 1883 haben Geiger und Offenbar unter dem Eindruck der War-
(Aus [40]) Hesse die Substanz rein dargestellt und nungen von Dioscurides, dessen Buch
ihr den Namen Colchicin gegeben. 1924 viele Jahrhunderte das maßgebliche Phar-
beschrieb A. Windaus (1876–1959) die makologiewerk blieb, finden sich bis zum
Formel, die sich aber als nicht richtig er- 17./18. Jh. kaum noch Empfehlungen zur
wies. Erst 1945 hat Sir J. Dewar die rich- Gichttherapie mit Colchicum. Und es
tige Formel gefunden, die inzwischen wurde auch in den Lehrbüchern nicht be-
mehrfach bestätigt worden ist. sprochen.
Die ältesten Hinweise auf die Anwen- Hildegard von Bingen (1098–1179) er-
dung des Heilmittels finden sich im Papy- wähnt Colchicum mit dem Namen Heil-
rus Ebers (1550 vor Chr.), indem es neben heupt und betont, dass es ein gefährliches
Riten und Beschwörungen zur Behand- Gift sei, das keine Heilwirkungen habe.
lung von Gelenkkrankheiten und Gicht Th. Sydenham (1624–1689), dessen
erwähnt wird. In der griechischen Antike Tractatus de podagra (et hydrope) die ers-
war bekannt, dass es sich um ein drasti- te vollständige klinische und auch heute
sches Abführmittel handelt. Theophrastus noch gültige Beschreibung der Gicht dar-
von Eresos (372–287 vor Chr.) warnte des- stellt (1683), erwähnt Colchicum nicht
halb in seiner Geschichte der Pflanzen vor und betont, dass er alle auf den Darm wir-
Benützung als Arzneimittel. Dioscurides kenden Mittel ablehnt.
(1. Jh. nach Chr.), der große Pharmakolo- 1763 hat sich van Swietens Schüler und
ge der klassischen Zeit, warnte dringend Nachfolger A. von Stoerck (1731–1803)
vor Ephemeron, weil es zu „Würgen und in Wien im Rahmen seiner Suche nach
Ersticken“ und schließlich zum Tode füh- Krebsmitteln mit Colchicum beschäftigt
Abb. 3 8 Colchicum autumnale. (Aus [47])
re. Bei versehentlicher Einnahme schlug und betont, dass es bei geringer Dosie-
er Kuhmilch als Antidot vor. rung ungefährlich sei. Seine Veröffentli-
siger rein, leichter standardisierbar und Mehrere berühmte byzantinische Ärzte chungen erregten großes Aufsehen und
erheblich billiger werden konnte. empfahlen dagegen Hermodaktylus zur führten quasi zu einer Rehabilitation des
Gichttherapie, so z. B. Jakob Psychrestos Colchicum – auch wenn er selbst es nicht
E Als erste Substanz wurde 1859 die (?–467). Alexander von Tralles (525–605) bei Gicht angewendet hat.
Salicylsäure vom Marburger Chemiker bezeichnete es als Spezifikum gegen Gicht Einen „Boom“ erlebte die Anwendung
H. Kolbe (1818–1884) synthetisiert. und setzte sich mit Anwendungsformen, von Colchicum in Frankreich und Eng-
Dosierung und Nebenwirkungen ausein- land als N. Husson, ein Offizier der fran-
Nun folgten kontinuierlich weitere Syn- ander. Paulus von Aegina (625–690), der zösischen Armee in Sédan, 1783 einen
thesen, teilweise auch Derivate der Aus- nicht nur ein großer Gefäßchirurg war, Trank gegen die weit verbreitete Gicht zu-
gangsstoffe. Diese Entwicklung setzt sich sondern auch ein Buch über Arzneimit- sammenbraute. Dieses „eau médicinale“
bis zum heutigen Tage fort. tel herausgab, empfahl Hermodaktylus bei avancierte rasch zum Allheilmittel. 1814
Literatur: [1, 7, 9, 18, 40, 45, 57]. akuten Fällen und bei Exazerbationen von wurde nachgewiesen, dass es u. a. einen
Gelenkkrankheiten. Aufguss von Colchicin enthielt.

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Zusammenfassung · Abstract

Diese Entwicklung hob die Ablehnung Z Rheumatol 2008 · 67:252–262  DOI 10.1007/s00393-008-0257-x


der „giftigen“ Herbstzeitlosen auf und © Springer Medizin Verlag 2008
führte zur internationalen Anerkennung
H. Kaiser
als Mittel der Wahl beim Gichtanfall. Das
Von der Pflanze zur Chemie – Die Frühgeschichte der „Rheumamittel“
ging so weit, dass ein Nichtansprechen der
Symptome eine Arthritis urica ausschlie- Zusammenfassung
ßen ließ. Die empirische Anwendung von Arzneimit- Nach dem 2. Weltkrieg wurde das stärks-
Fazit: Wenn Colchicum als das ältes- teln pflanzlicher, tierischer, aber auch minera- te entzündungshemmende Mittel, Cortison,
te Rheumamittel bezeichnet wird (Scha- lischer Herkunft reicht Jahrtausende zurück. entdeckt, dessen Derivate auch heute noch
Erst im 19. Jahrhundert gewann die Therapie für die Behandlung entzündlich-rheuma-
dewaldt [55]), so liegt das daran, dass es
eine wissenschaftliche Basis durch Extraktion tischer Krankheiten unverzichtbar sind. Etwa
zuerst bei der Podagra angewandt worden der Wirkstoffe, deren chemische Analyse und zum gleichen Zeitpunkt kam es zu einer neu-
ist, der einzigen und sehr frühzeitig dif- schließlich synthetische Herstellung sowie en Forschungswelle, die zur Entwicklung ei-
ferenzierten so genannten rheumatischen teilweise chemische Abwandlung der wirk- ner großen Zahl so genannter nichtsteroi-
Krankheit. Schon früher bekannte Pflan- samen Substanz. daler Antirheumatika führte.
zen wurden zur Behandlung nicht genauer Die Herbstzeitlose wurde seit dem 2. Jahr- Nach Entdeckung der proinflammato-
hundert vor Christus zur Behandlung von Ge- rischen Zytokine in den 1970er Jahren gelang
definierter Krankheiten verwendet.
lenkkrankheiten und Gicht verwendet; der es in den 1990er Jahren, Antikörper gegen
Nach 3000 Jahren Empirie ist gesi- Wirkstoff Colchicin wurde 1819 entdeckt. die­se Substanzen herzustellen, die eine neue
chert, dass Colchicin, der Wirkstoff der Ebenfalls seit 4000 Jahren gilt die Wei- Perspektive für die Rheumatherapie brach-
Herbstzeitlosen, ein Spezifikum für den denrinde als Mittel gegen Fieber, Schmerzen ten: die so genannten Biologika.
akuten Gichtanfall ist. und Gicht. Der Wirkstoff Salicin wurde 1829 Der Saft der Mohnkapseln galt schon bei
Wenn in früherer Zeit „Gelenkkrank- isoliert, die Salicylsäure 1838 und die bes- Hippokrates als Schmerzmittel. Der Wirkstoff
ser verträgliche Acetylsalicylsäure 1897 syn- Morphin wurde zu Beginn des 19. Jahrhun-
heiten“ als Indikation angegeben und mit thetisiert. derts isoliert. In der Rheumatherapie kommen
weniger oder mehr Erfolg behandelt wor- Das Fiebermittel Chinarinde war zwar – wenn überhaupt – nur synthetisch herge-
den sind, so liegt es daran, dass Gicht und nie ein Rheumamittel, wurde aber zum Aus- stellte so genannte Opioide zum Einsatz.
rheumatoide Arthritis erst 1642 durch gangspunkt wichtiger Antirheumatika. Auf
G. de Baillou (1538–1616) getrennt wur- der Suche nach einem Chininersatz wurden Schlüsselwörter
1844 Antipyrin und später, davon abgeleitet, Colchicin · Salicylate · Chinin · Pyrazolon ·
den, die Konfusion der Begriffe aber noch
viele antiphlogistisch, antipyretisch und anal- NSAR · Opioide
3 Jahrhunderte anhielt. Voraussetzung für getisch wirksame Substanzen entwickelt.
die therapeutische Anwendung von Col-
chicum ist eine vorsichtige Dosierung.
Colchicin ist auch heute im Zeitalter der From the plant to chemistry – the early
NSAR und Corticoide eine Alternative, history of “rheumatic medication”
wenn diese Mittel kontraindiziert sind. Ei-
Abstract
ne Langzeittherapie mit Colchicin wird je- The empirical administration of medication Following the Second World War, the
doch heute weitgehend abgelehnt, zuma- of plant, animal and even mineral origin goes strongest antiinflammatory drug, cortisone,
len Dustin und Grégoire 1933 eine antimito- back thousands of years. It was only in the was discovered, derivates of which are still in-
tische Wirkung nachgewiesen haben. 19th century that such therapy gained a sci- dispensable today for the treatment of in-
Literatur: [1, 2, 8, 9, 10, 13, 15, 17, 18, 23, entific basis by means of the possibility to ex- flammatory rheumatic diseases. At about the
tract the active substances and analyze them same time, there was a new wave of research
29, 31, 35, 39, 52, 55, 64, 66, 67]. chemically, and ultimately create them syn- which lead to the development of a large
thetically and modify them chemically. number of so-called non-steroidal antiinflam-
Vier Jahrtausende Salicyltherapie Meadow saffron was used from the 2nd matory drugs.
century BC for the treatment of joint disease Following the discovery of proinflamma-
Von der Weidenrinde and gout; the active ingredient colchicine tory cytokines in the 1970s, it became pos-
was discovered in 1819. sible in the 1990s to produce antibodies
zur Salicylsäure For 4000 years willow bark has also been against these substances, which gave rheu-
considered a remedy against fever, pain and matic therapy new perspectives in the form
Blätter und Rinde der Weide (Salix alba, gout. The active ingredient salicin was isolat- of “biologicals”.
rubra und andere Arten; . Abb. 4) ge- ed in 1829, followed by salicyl acid in 1838, The sap from poppy seed capsules was al-
hören zu den schon in frühester Zeit als while the better tolerated acetysylicalic acid ready considered to have analgesic proper-
Heilmittel verwendeten Pflanzen. Die Su- was synthesized in 1897. ties in the time of Hippocrates. The active in-
Although the antipyretic agent cinchona gredient morphine was isolated at the begin-
merer, die etwa 2000 vor Chr. zwischen
was never a rheumatic remedy, it was initial- ning of the 19th century. Today, only synthet-
Euphrat und Tigris lebten, verwendeten ly considered an important antiinflammoto- ically produced“opioids” are used, if at all, for
Weidenzubereitungen gegen Fieber [18]. ry medication. In 1844, during the search for the treatment of rheumatic disease.
Im Corpus hippocraticum (5. bis 4. Jh. vor an alternative to quinin, antipyrin was devel-
Chr.) wird Cortex salicis als Schmerzmittel oped, from which many antiphlogistic, anti- Keywords
erwähnt, eine Abkochung der Blätter auch pyretic and analgetic active substances were Colchicine · Salicylate · Quinine · Pyrazolone ·
later derived. NSAIDs · Opioids
gegen Fieber angewandt [45]. Bei Diosco-

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Wegbereiter der Rheumatologie

Mittel der Wahl für die Behandlung fie- erhielt so eine kristallisierende Säure, die
berhafter Krankheiten, speziell der Ma- Salicylsäure. 1859 hat der deutsche Chemi-
laria, war aber schwer zu beschaffen und ker H. Kolbe (1818–1884) erstmals die Sali-
sehr teuer. Deshalb versuchte Stone die cylsäure synthetisiert und entwickelte 1874
Weidenrinde. Im Laufe von 6 Jahren be- ein Verfahren zur Herstellung im Großen.
handelte er 50 Patienten mit Erfolg, was er Dies wurde von seinem Schüler von Hey-
1763 in einem Brief dem Präsidenten der den in Radebeul übernommen
Royal Society mitteilte [30, 48, 68]. Literatur: [9, 11, 27, 30, 45, 48, 55, 58, 68].
Als Napoleon I. 1806 die Kontinental- Der erste klinische Bericht über die
sperre verhängte, war Chinin nicht mehr antipyretische Wirkung der Salicylsäu-
zu beschaffen, weshalb eine intensive Su- re stammt von C. Buss aus der St. Gal-
che nach einem Ersatz einsetzte. ler Klinik 1875. Das Präparat wurde unter
Als erste isolierten die italienischen Vorstellung einer desinfizierenden Wir-
Apotheker Fontana und Brugnatelli 1826 kung bei Typhuskranken gegeben und
kleine Mengen des Glykosides Salicin aus führte prompt zur Entfieberung [11]. Aus
der Salix purpurea [11, 30]. der Klinik von L. Traube (1818–1876) an
1829 gelang dem Münchner Pharma- der Charité Berlin berichtete S. Stricker
zieprofessor J.A. Buchner (1783–1857) so- (1834–1898) 1876 erstmals über Anwen-
wie dem Franzosen P.J. Leroux (1795–1870) dung der Salicylsäure beim akuten Ge-
Abb. 4 8 Salix fragilis. (Aus [46]) die Gewinnung eines rein kristallinen Sa- lenkrheumatismus [65]. Bei 14 Patienten
licins. 1831 gewann der Berner Apotheker beobachtete er einen raschen Abfall der
J. Pagenstecher (1783–1856) eine dem Sali- Temperatur sowie Rückgang von Schwel-
rides (1. Jh. nach Chr.) steht in der deut- cin identische Substanz aus dem Rosenge- lung, Rötung und Schmerz an den be-
schen Übersetzung von 1610 [17]: „In der wächs Mädesüß (Spirea ulmaria, heute Fi- troffenen Gelenken. In seinem Resümee
Brüh, da die Blätter und Rinde inn gesot- lipendula ulmaria genannt). Auch in ver- sagt er, dass „die Salicylsäure – ganz ab-
ten haben, wird das Podagra oder Zipper- schiedenen anderen Pflanzen wurde der gesehen von ihrer antipyretischen Wir-
lein nützlich gebähet“. Verschiedene Zu- gleiche Wirkstoff gefunden, z. B. in Win- kung – das wirksamste, vielleicht ein ra-
bereitungen aus Blättern, Samen und Rin- tergrün (Gaultheria; [27, 30]). dikales Heilmittel des akuten Gelenk-
de wurden aber auch gegen allerlei andere Schon ab 1832 stellte der Darmstädter rheumatismus“ sei.
Krankheiten empfohlen. Apotheker E. Merck reines Salicin in fa-
Die römischen Enyzklopädisten brikmäßigem Umfang und zum halben > Ab 1876 wurde die
A.C. Celsus (5–? nach Chr.), Plinius der Äl- Preis von Chinin zur Verfügung [40]. Das Salycilsäure in Kliniken
tere (23–79 nach Chr.) sowie Galen (129– Präparat wurde in zunehmendem Maße gegen Gelenkrheumatismus
200) erwähnen die Bitterstoffe aus Wei- zur Behandlung von Fieber verwendet. verabreicht
denrinde als Mittel gegen fieberhafte Er- Ausgehend von der Überzeugung,
krankungen [27]. dass ein Rheumamittel aus feuchtem Kli- Ebenfalls 1875 publizierte L. Riess [49] aus
Im Mittelalter verschwand die Wei- ma kommen müsse (Signaturendoktrin!) dem Städtischen Krankenhaus in Berlin
denrinde aus der Literatur, blieb aber in versuchte T. Maclagan (1838–1903) ab 1874 über seine Erfahrungen mit der Salicyl-
der Volksmedizin gebräuchlich [45, 39]. das aus der „mit den Füßen im Wasser ste- säure bei über 400 Patienten mit fieber-
Hildegard von Bingen z. B. (1098–1179) er- henden Weide“ gewonnene Salicin bei Pa- haften Erkrankungen, überwiegend Ty-
wähnte die Weidenrinde nicht [44]; gegen tienten mit „akutem Rheumatismus“. 1876 phus abdominalis, darunter auch 15 Fäl-
Gicht empfahl sie dagegen 21 verschiedene berichtete er über seine Erfahrungen bei le von akutem Gelenkrheumatismus. Bei
andere pflanzliche Zubereitungen. Dass 8 Patienten, davon 4 mit akutem rheu- einer Dosierung von meist 5,0 g/Tag kam
ihre Diagnose „Gicht“ nicht mit unserer matischen Fieber, 3 mit subakutem und es fast immer schon nach Stunden zum
heutigen Definition übereinstimmt, ergibt einem mit chronischem Rheuma [42, 43]. Fieberabfall. Nach Erscheinen der Arbeit
sich z. B. aus der Empfehlung, in Oliven- Sein Resümee: Je akuter der Rheumatis- von Stricker betonte Riess 1876 [50], dass
öl geröstete Petersilie so heiß wie möglich mus, um so rascher bessern sich Tem- er jetzt 27 Patienten mit akutem Gelenk-
lokal anzuwenden [57]. peratur und Schmerzen, bei subakutem rheumatismus überblicke, bei denen das
Erst Ende des 18. Jh. erwachte das In- Verlauf bessert sich der Schmerz vor dem Fieber sofort, die Gelenksymptome je-
teresse an der Weidenrinde erneut. Reve- Temperaturabfall und bei chronischem doch weniger und später zurückgingen.
rend E. Stone aus der Grafschaft Oxford Rheuma ist die Wirkung weniger gut. Die relativ schlechte Verträglichkeit habe
verkostete 1757 den in der Volksmedizin Der nächste Schritt gelang 1838 dem sich gebessert, seit er statt Salicylsäure das
verwendeten Weidenrindenabsud und aus Pisa stammenden, in Paris tätigen Natriumsalz verwendet.
fand ihn genau so bitter wie die seit dem Chemiker R. Piria (1815–1865). Er spaltete Auch der Pariser Kliniker G. Sée (1818–
17. Jh. in Europa gebräuchliche „perua- Salicin in einen Zucker- und einen aroma- 1896), der sich ausführlich mit der Salicyl-
nische Rinde“ (Chinin). Letztere galt als tischen Teil, oxydierte den letzteren und säure und verschiedenen Estern im Hin-

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blick auf das Nebenwirkungsprofil be- aufweist. Es wurde eine Reihe von Estern
schäftigt hatte, bevorzugte Natriumsali- und Äthern entwickelt.
cylat zur Behandlung des akuten Gelenk- Im Auftrag von Eichengrün hat F. Hoff-
rheumatismus, der chronischen Polyarth- mann (1868–1946) im Jahre 1897 eine rei-
ritis, der Gicht und verschiedener Erkran- ne Acetylsalicylsäure hergestellt. Hoff-
kungen des Nervensystems. Er berichte- mann war an diesem Problem deshalb
te am 10. Juli 1877 über diese ersten Er- besonders interessiert, da sein Vater an
fahrungen in Frankreich vor der Acadé- „Rheuma“ litt, aber weder Salicylsäure
mie de Médecine [61]. Der große Meister noch Natriumsalicylat vertrug. Die Tes-
J.B. Bouillaud (1796–1881), noch ein Ver- tung durch Dreser ergab, dass das Pro-
fechter der Aderlasstherapie, reagierte ag- dukt kardiotoxisch sei, weshalb eine kli-
gressiv und zynisch, musste aber später nische Prüfung verboten wurde. Eichen-
die gute Wirkung der Salicylate zugeben grün war vom Wert des Präparates über-
[36]. Auch eine methylierte Verbindung zeugt und entschloss sich zu einem Selbst-
sowie ein Phenylester wurden in der Ab- versuch. Er nahm beginnend mit 0,5 bis
sicht, die unerwünschten Wirkungen zu zu 5 g täglich und anschließend langfristig
reduzieren, versucht [11, 12, 48]. Ein ent- morgens und abends je 1 g ein und vertrug
scheidender Durchbruch gelang aber das Mittel sehr gut, insbesondere bemerk-
nicht [45]. te er keine nachteiligen Auswirkungen auf
das Herz. Daraufhin vermittelte Eichen-
> Acetylsalicylsäure wurde grün das Präparat ohne Wissen der Ge-
1853 erstmals synthetisiert, schäftsleitung an einige zuverlässige Ärzte
aber noch ohne deren in Berlin zur Prüfung an Patienten. Die-
Bedeutung zu erkennen se bestätigten die gleiche therapeutische
Wirkung wie Salicylsäure bei jedoch sehr
Schon 1853 hatte der Straßburger Ch.J. Ger- viel besserer Verträglichkeit. Der zusam-
hardt (1816–1856) eine Acetylsalicylsäure menfassende Bericht wurde Dreser vor-
synthetisiert, aber deren Bedeutung nicht gelegt; sein Kommentar: „Das ist die üb-
erkannt. Auch der Deutsche K. Kraut hat liche Berliner Großmäuligkeit, das Präpa-
1869 Acetylsalicylsäure hergestellt, oh- rat hat keinen Wert.“ C. Duisberg (1861–
ne dass eine therapeutische Anwendung 1935), der Firmenchef, erfuhr davon und
stattfand [30, 45, 48]. veranlasste eine Prüfung durch den Phar-
makologen Prof. Heffter (1859–1925), der
Der „Aspirin-Krimi“ das Präparat für ungefährlich hielt [21, 30,
45, 51, 58, 62].
Die Bayer-Werke in Elberfeld hatten Jetzt wurden offizielle klinische Prü-
Weltruf als Farbenfabrik. Da seit Anfang fungen durchgeführt. Aus der Charité-
des 19. Jh. in zunehmendem Maße Apo- Klinik E. von Leydens (1832–1910) berich-
theker fabrikmäßig Arzneimittel herstell- tete Wohlgemuth über die Behandlung
ten, entschied die Direktion von Bayer, von 10 Patienten, von denen 8 an Infek-
sich auch der Arzneimittelherstellung tionskrankheiten und 2 an akutem Ge-
zuzuwenden. Dazu berief sie 1896 zum lenkrheumatismus litten. Die Wirkung
Aufbau und zur Leitung der pharmazeu- erwies sich der Salicylsäure als ebenbür-
tisch-wissenschaftlichen Abteilung den tig, aber die Verträglichkeit war erheblich
auf dem Gebiet der pharmazeutischen besser [70].
Chemie erfahrenen Dr. phil. A. Eichen- K. Wittauer vom Diakonissenkranken-
grün (1868–1948). Gleichzeitig wurde der haus in Halle [69] hat innerhalb eines Jah-
Bonner Professor H. Dreser (1860–1925) res über 50 Patienten mit einer Tagesdosis
zum Leiter des pharmakologischen La- von 4–5 g behandelt. Er beschreibt meh-
boratoriums bestellt. Eichengrün ent- rere Fälle von akutem Gelenkrheumatis-
wickelte zusammen mit seinen 10 meist mus, Gicht, chronischem Gelenkrheuma-
jungen Chemikern eine Reihe von neu- tismus, rezidivierenden Gelenkentzün-
en Arzneimitteln. Sein spezielles Inter- dungen sowie eine Pneumonie mit Pleuri-
esse galt aber der Findung eines Deri- tis. In allen Fällen wurde ein rascher Tem-
vates der Salicylsäure, das nicht die er- peraturabfall und Rückgang der Schmer-
heblichen unerwünschten Wirkungen zen und Gelenkschwellungen beobachtet.
Wegbereiter der Rheumatologie
O
gen heute: „Eichengrün ist der eigentliche roidale Antirheumatika gibt. Bedeutung
Erfinder des Aspirins“ [58] oder „Der tra- hat Aspirin dagegen in der Prophyla-
gische Erfinder des Aspirins ist Eichen- xe von Gefäßverschlüssen. Nach wie vor
N
grün“ [51]. aber ist es ein bei der Bevölkerung aller
N 1909 gründete Eichengrün in Berlin Länder beliebtes Hausmittel gegen Kopf-
ein eigenes chemisches Labor. Dort be- schmerzen und Erkältungskrankheiten
schäftigte er sich weiter mit der Essigsäu- (die so genannte Grippe).
CH3 CH3
re und entwickelte die Acetylzellulose, ei-
ANTIPYRINE
[correct structure] nen Ausgangsstoff für die Herstellung Auf der Suche nach einem
vieler Kunststoffe, der Kunstseide sowie Chininersatz: Pyrazolon
Abb. 5 8 Antipyrin-Formel. (Aus [7]) von nicht brennbaren Filmen. Eichen-
grüns Betrieb florierte und erlangte viele Wie schon bei der Entwicklung der Sali-
Keiner dieser Patienten klagte über Ma- Patente. 1938 wurde die Firma durch die cylate berichtet, fand im 19. Jh. eine Suche
gen-Darm-Beschwerden oder Ohrensau- Nazi-Regierung enteignet. Eichengrün nach Ersatz für das Antipyretikum Chinin
sen. Auch in der Allgemeinpraxis hat sich selbst blieb bis 1944 in Freiheit, da er eine statt. 1881 synthetisierte O. Fischer (1852–
Acetylsalicylsäure bei 31 Patienten mit „arische“ Frau hatte. Im Alter von 76 Jah- 1932), ein Verwandter des Nobelpreisträ-
verschiedenen „rheumatischen“ Krank- ren wurde er ins KZ Theresienstadt ver- gers E. Fischer (1852–1913), das erste halb-
heiten als sehr gut wirksam und neben- schleppt, wo er überlebte und 1945 durch synthetische Antipyretikum Kairin. Die
wirkungsarm erwiesen, wie Roelig 1900 die russische Armee befreit wurde. In Testung durch den Erlanger Pharmakolo-
berichtete [53]. Theresienstadt verfasste er einen Bericht gen W. Filehne (1844–1927) ergab jedoch,
Erst nach den beiden klinischen Be- über die Entstehung des Aspirins, der dass es für die praktische Anwendung zu
richten erschien ein pharmakologisches 1949 veröffentlicht wurde [21]. Nachdem toxisch ist.
Gutachten von Dreser [19]. Dabei kommt Eichengrün schon 1929 den Dr. ing h. c. E. Fischers Schüler L. Knorr (1859–1921)
er zur Feststellung, dass Acetylsalicyl- der Technischen Hochschule Hannover produzierte 1844 in Erlangen beim Ver-
säure – im Gegensatz zum Natriumsali­ erhalten hatte, verlieh ihm 1946 die Uni- such, Chinin zu synthetisieren, eine neue
cylat – am isolierten Froschherzen die versität Erlangen das Goldene Doktordi- Substanz: Antipyrin. Dabei stellte er fest,
Arbeitsleistung erhöht und dass die Ge- plom und 1947 die Technische Universi- dass es sich entgegen der ersten Annah-
samttoxizität ebenfalls niedriger ist. Die tät Berlin den Dr. rer. nat. h. c. Aus An- me nicht um ein Chinolinderivat, sondern
Schleimhautverträglichkeit wurde an den lass seines 80. Geburtstages 1948 erschie- um ein Pyrazolon handelt (. Abb. 5).
Schwimmflossen kleiner Fische getestet; nen mehrere Laudationes über diesen au- Filehne wies die antipyretische Wirkung
auch hierbei erwies sich die Acetylsalicyl- ßergewöhnlichen Forscher [5, 21, 63]. nach, und der Berliner Kliniker P. Gutt-
säure als weniger aggressiv. Erst nach knapp 100 Jahren klinischer mann bestätigte 1885 die sehr gute Wir-
Zur gleichen Zeit (1899) wurde Acetyl- Empirie entdeckte 1971 Sir J.R. Vane (gebo- kung beim rheumatischen Fieber. Die Ho-
salicylsäure als Aspirin von Bayer in den ren 1927) den Wirkungsmechanismus des echster Farbwerke übernahmen das Prä-
Handel gebracht. Der Name leitete sich ab Aspirins und aller antiphlogistischen Subs- parat in ihre Produktion. Antipyrin wird
von A = Acetyl, spir von Spirasäure (iden- tanzen: die Hemmung der Zyklooxygena- heute als „Mutter aller modernen Antipy-
tisch mit Salicylsäure) und in als üblicher se, wodurch sich nicht nur die therapeu- retika“ angesehen [7].
Endung in der industriellen Chemie. tisch beobachteten, sondern auch die un- 1887 wollten Cahn und Hepp in der
Dreser hatte sich in seinem Vertrag erwünschten Wirkungen auf den Magen- Kussmaul’schen Klinik in Straßburg bei
mit Bayer zusagen lassen, dass er am wirt- Darm-Kanal mit dem hohen Blutungsri- einem Patienten intestinale Parasiten be-
schaftlichen Erfolg aller in seiner Ära ent- siko erklären. Vane erhielt für die­se Er- seitigen und bestellten in der Apotheke
wickelten Arzneimittel beteiligt wird. Ei- kenntnis 1982 den Nobelpreis [8, 27, 60]. Naphthalin. Durch eine Verwechslung er-
chengrün und Hoffmann gingen leer aus! Die Acetylsalicylsäure-Forschung er- hielten sie statt dessen das Anilinderivat
Nach all dem Gesagten ist kein Zweifel, lebte nochmals einen Auftrieb, als 1968 Acetanilid. Dieses hatte keinen Einfluss
dass zwischen Eichengrün und Dreser – O’Brien nachwies, dass sie selbst in sehr auf die Erreger, aber die Temperatur ging
wie man heute sehr zutreffend sagen wür- niedriger Dosis die Thrombozytenaggre- signifikant zurück. Es wurde daher als An-
de – „die Chemie nicht stimmte“. Das hat gation hemmt und damit Gefäßverschlüs- tifebrin in den Handel gebracht.
sich nicht nur negativ für Eichengrün aus- sen bei Atherosklerose vorbeugen kann Ebenfalls 1887 synthetisierte O. Hins-
gewirkt, sondern hätte beinahe dazu ge- [60, 68]. berg (1857–1939) im Auftrag von C. Du-
führt, dass eines der auch heute noch be- Fazit: Die Salicylate und speziell As- isberg (1861–1935) in den Bayer-Werken
deutendsten Arzneimittel nicht in den pirin sind ein Musterbeispiel für die Ent- in Elberfeld Phenacetin, das ein beliebtes
Handel gekommen wäre. Man fragt sich, wicklung eines Arzneimittels im Laufe Analgetikum und Antipyretikum wur-
ob hier etwa Antisemitismus eine Rolle von Jahrtausenden. Für die Rheumathera- de. Wegen seines hohen Nebenwirkungs-
gespielt haben könnte. Die Folge war je- pie spielen sie heute praktisch keine Rolle risikos, insbesondere seiner Nephroto-
denfalls, dass Eichengrün 1908 die Bayer- mehr, nachdem es besser verträgliche syn- xizität, wurde es später aus dem Handel
Werke verließ. Kenner der Geschichte sa- thetisch hergestellte so genannte nichtste- ­genommen.

258 |  Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2008


Paracetamol, der Hauptmetabolit des als ausreichend wirksam und unbedenk-
Phenacetin, zeigte eine sehr starke an- lich erwiesen. Mehrere sind wieder vom
algetische, aber kaum antiphlogistische Markt verschwunden.
Wirkung. Seit 1953 auf dem Markt erwies Literatur: [1, 6, 7, 8, 9, 11, 26, 45, 52, 56].
es sich als erheblich weniger toxisch und
wird auch heute noch viel verwendet. Entwicklung weiterer
Auf Vorschlag von Filehne wurde das Antiphlogistika
von F. Stolz (1860–1936) in Hoechst her-
gestellte Antipyrinderivat mit einer Dim- Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es, vor-
ethylamino-Gruppe (Aminopyrin) 4 Jah- wiegend in den USA, zu einer neuen For-
re lang tierexperimentell und klinisch ge- schungswelle, die zur Entwicklung der so
testet und erprobt. Die Substanz wurde genannten nichtsteroidalen Antirheumati-
als sehr starkes Antipyretikum mit anal- ka führte [8, 9].
getischer und antiphlogistischer Wirkung Wie erwähnt, hatte J.R. Vane 1971
beurteilt und 1896 als Pyramidon in den festgestellt, dass alle antiphlogistischen
Handel gebracht. Substanzen den gleichen Wirkungsme-
chanismus haben, wenn auch in unter-
E Pyramidon war jahrelang das schiedlicher Intensität: Hemmung der
Rheumamittel der ersten Wahl, Prostaglandinsynthese durch Beeinflus-
wurde aber wegen Auftretens von sung der Zyklooxygenase. 1990 fanden
Agranulozytosen verlassen. Fu et al., dass dieses Enzym aus 2 Iso-
enzymen besteht, wobei Cox I für einen
Da Aminopyrin schwer wasserlöslich ist, Großteil der unerwünschten Wirkungen,
wurden weitere Verbindungen gesucht. In insbesondere der Entwicklung von gas-
Melubrin wurde von M. Bockmühl (1882– trointestinalen Ulzera verantwortlich ist.
1949) 1912 ein wasserlösliches und daher Daraufhin wurden ab 1999 selektive Cox-
injizierbares, gut wirksames Antiphlogis- II-Hemmer entwickelt, die so genannten
tikum gefunden, das sich ebenfalls als An- Coxibe [8].
tirheumatikum bewährte. Das stärkste entzündungshemmende
Einige Jahre später brachte Hoechst Mittel wurde 1948 durch Ph. Hench
Metamizol, ein N-Methyl-Melubrin, mit (1896–1995) in die Therapie eingeführt:
noch stärkerer analgetischer Wirkung un- Das Nebennierenrindenhormon Corti-
ter dem Namen Novalgin auf den Markt. son [33].
Es wurde von der Ärzteschaft enthusias- Seine Derivate sind heute noch un-
tisch aufgenommen. verzichtbar für die Behandlung aller ent-
Auf der Suche nach einem Lösungsver- zündlich-rheumatischen Krankheiten.
mittler für Aminophenazon fand H. Sten- In den 70er Jahren des 20. Jh. wur-
zel (1880–1980) Phenylbutazon. Die Mi- den die proinflammatorischen Zytokine
schung der beiden Substanzen kam 1949 entdeckt, als erste Interleukin 1 und Tu-
als Irgapyrin in den Handel. Es stellte sich mornekrosefaktor-Alpha (TNF-α), und
heraus, dass Phenylbutazon selbst stark in den 90er Jahren ihre Rolle in der Pa-
antiphlogistisch und analgetisch wirkt, so- thogenese der rheumatoiden Arthritis
dass es 1953 als Butazolidin auf den Markt von mehreren Forschergruppen nachge-
kam. Die beiden Präparate waren viele wiesen [14]. Ein Antikörper gegen TNF-α­
Jahre lang sehr beliebte Antirheumatika. erwies sich als therapeutisch hoch wirk-
Wegen ihrer hohen Nebenwirkungsrate sam [22] und leitete die Entwicklung wei-
werden sie heute nur noch ausnahmswei- terer so genannter Biologika ein.
se, kurzfristig und in niedriger Dosierung Schließlich seien noch Medikamente
angewandt. erwähnt, die nicht primär entzündungs-
Fazit: Die Arzneimittelforschung hat hemmend wirken, aber nach längerer
auf der Suche nach einem Ersatz für Chi- Verabreichung die Aktivität und Progres-
nin zwischen der zweiten Hälfte des 19. sion der rheumatoiden Arthritis hemmen,
und der ersten Hälfte des 20. Jh., ausge- die so genannten Basistherapeutika („di-
hend von den Pyrazolonen, eine ganze sease modifying antirheumatic drugs“,
Reihe von Antipyretika-Analgetika ent- DMARs). Das erste Mittel dieser inzwi-
wickelt. Nicht alle haben sich auf Dauer schen großen Gruppe waren die Gold-
Wegbereiter der Rheumatologie

de, weil sie so schwer zu beschaffen und


teuer war.
Ab 1800 gab es Versuche, die wirk-
same Substanz in der Chinawurzel zu fin-
den. 1819 entdeckte der Jenenser Pharma-
zeut F. Runge (1795–1867), der im gleichen
Jahr auch Coffein isoliert hat, eine Subs-
tanz, die er Chininbase nannte. Die groß-
en französischen Alkaloidforscher J. Pelle-
tier und J. Caventou fanden 1820 Cincho-
nin und Chinin und stellten die Substan-
zen ab 1824 im großen Umfang her. Ab
1828 stand Chininsulfat zur Verfügung
und wurde vom französischen Kliniker
A.F. Chomel (1788–1858) mit gutem Er-
folg bei intermittierendem Fieber einge-
setzt: 10 Heilungen bei 13 Patienten.
Zwischen 1900 und 1906 wurde die
Abb. 6 8 Cinchona succirubra. (Aus [47])
Konstitution des Chinin durch verschie-
dene Forscher aufgeklärt. Schon 1834 hatte
Abb. 8 8 Papaver somniferum. (Aus [16]) F. Runge den synthetischen Chininersatz
Chinolin aus Steinkohlenteer gewonnen,
ein Produkt, das wegen seiner lähmenden
nin wurde deshalb begründet oder Wirkung nicht in den Arzneischatz über-
unbegründet bei den verschiedensten ging. Die Synthese des Chinin gelang erst
Krankheiten eingesetzt. 1944 dem Amerikaner R.B. Woodward
2. Auf der Suche nach Ersatz für das (1917–1979), der 1965 für die Gesamtheit
schwer erhältliche und teure Chinin seiner Forschungen mit dem Nobelpreis
sowie auf dem Wege zur Chininsyn- ausgezeichnet wurde.
these wurden 2 in der Rheumathera- Die Wirkung der Chinarinde wurde
pie wichtige Medikamentengruppen im 18. Jh. auf eine „fäulniswidrige“ Kraft
entdeckt, die Salicylate und die Pyra- bezogen. Seit 1867 hat sich der Bonner
zolone. Pharmakologe C. Binz (1832–1913) in vie-
len Versuchen mit dem Wirkungsmecha-
In Südamerika, speziell im Andengebiet nismus beschäftigt. Er konnte eine desin-
von Peru, wuchsen verschiedene Arten fizierende Wirkung nachweisen und un-
von Cinchona (. Abb. 6; Chinarinden- terstellte 1868, dass die Malaria durch ein-
baum). Über ihre Anwendung als Heil- fache Organismen hervorgerufen wird,
mittel bei Indios und Inkas gibt es nur Le- sodass Chinin kein Antipyretikum, son-
Abb. 7 8 Aconitum napellus. (Aus [47])
genden. Der erste verbürgte Hinweis auf dern eine kausale Therapie darstelle [4].
therapeutische Verwendung stammt aus Diese Annahme traf Binz 12 Jahre bevor
salze, die 1928 durch J. Forestier (1890– dem Jahre 1630; ein spanischer Richter Ch. Laveran (1845–1922) in Paris das Ma-
1978) eingeführt wurden [32]. soll vom „Wechselfieber“ geheilt worden lariaplasmodium entdeckte (1880) und
sein. 1632 sei die Chinarinde durch den dafür 1907 den Nobelpreis erhielt.
Chinin – ein Rheumamittel? Jesuitenpater B. de Cobo (1582–1657) nach
Spanien gekommen und habe rasch Ver- > Chinin wurde bei fieberhaften
Man mag sich wundern, wenn in einem breitung in ganz Europa gefunden. Die Erkrankungen gegeben, bevor
Überblick über „Rheumamittel“ Chinin Anwendung beim Wechselfieber wurde man seine antiparasitäre
erscheint. Doch dafür gibt es 2 Begrün- durch den Niederländer H. van der Hey- Wirksamkeit entdeckte
dungen: den (1572-1650) als erstem Europäer pro-
1. Seit dem 18. Jh. war die Malaria in pagiert. Andere berühmte Ärzte lehnten Bevor sich diese neue Erkenntnis allge-
Europa eine häufige Krankheit. Sie diese Therapie ab, so der Hallenser Ordi- mein durchsetzte, wurde Chinin bei den
konnte sehr gut durch die „Perua- narius G.E. Stahl (1659–1734) oder der De- verschiedensten fieberhaften Krank-
nische Wurzel“ behandelt werden. Si- kan der Pariser Fakultät G. Patin (1600– heiten verordnet. Diese Tendenz wurde
cher aber war damals nicht jede fie- 1672). Die Chinarinde setzte sich trotzdem verstärkt, seit K. Liebermeister (1833–1901)
berhafte Krankheit eine Malaria. Chi- bei der Ärzteschaft durch, vielleicht gera- entgegen der klassischen Medizin, welche

260 |  Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2008


das Fieber als etwas Nützliches ansah, die der giftige Eisenhut (Aconitum napellus;
„Antipyresewelle“ [1] auslöste. So wur- . Abb. 7). Die Pflanze wurde schon in
de auch das rheumatische Fieber, das von der traditionellen chinesischen Medizin
G. de Baillou (1538–1660) erstmals „Rheu- (etwa 3000 vor Chr.) verwendet, nachdem
matismus“ genannt worden war und von sie bei entsprechender Zubereitung nicht
der Gicht abgegrenzt wurde [35], mit Chi- mehr giftig war. Im Corpus hippocraticum
nin behandelt. 1830 beschrieb Berends [3], (5. bis 4. Jh. vor Chr.) wird Struthion, ei-
dass dieses Mittel den Verlauf des Fiebers ne Aconit-Art, genannt. Theophrast von
abkürzt und vor Übergang in „faulichten Eresos (372–287 vor Chr.) bestätigt in sei-
und nervösen Charakter“ sichert. Auch ner Geschichte der Pflanzen den therapeu-
Th. Sydenham (1624–1689) soll Chinin als tischen Wert von Aconit. Der Römer Scri-
bevorzugtes Mittel beim rheumatischen bonius Largus (1. Jh. nach Chr.) erwähnt
Fieber angesehen haben [13]. Longstreth es in seinen Compositiones medicamen-
[41] weist aber 1882 darauf hin, dass Chi- tum. Der im Umgang mit giftigen Pflan-
nin trotz vieler Empfehlungen keine allge- zen immer sehr vorsichtige Dioscurides
meine Anerkennung als Mittel gegen aku- (1. Jh. nach Chr.) betont, dass diese Pflanze
ten Gelenkrheumatismus gefunden hat. „Wolf und Panther“ töte. Eine Anwendung
Nachdem die antiparasitäre Wirkung als Arzneimittel gibt es bei ihm nicht.
gesichert war, kam Chinin für die Behand- Der Wiener A. von Stoerck (1731–1803),
lung nicht erregerbedingter fieberhafter der – wie erwähnt – die Therapie mit dem
Erkrankungen und speziell das rheuma- als giftig angesehenen Colchicum wieder
tische Fieber nicht mehr infrage. Auch in hoffähig gemacht hatte, befasst sich auch
der Therapie der Malaria wird es kaum in Selbstversuchen mit der therapeu-
noch verwendet. Für deren Behandlung tischen Anwendung von Aconit.
stehen heute sowohl wirksamere als auch Chr. W. Hufeland (1762–1836), einer der
verträglichere synthetische Präparate zur größten Ärzte dieser Epoche, empfiehlt
Verfügung. das Mittel gegen Epilepsie.
Fazit: Chinin war nie ein „Rheumamit- 1833 gelingt P.L. Geiger (1785–1836) zu-
tel“, auch wenn es bei fieberhaften rheu- sammen mit L. Hesse (1810–1862) die Iso-
matischen Krankheiten mit einem gewis- lierung des Wirkstoffs: das Alkaloid Aco-
sen Erfolg angewandt worden ist. Aber es nitin. Ab 1842 wurde es von Merck in
hat den Weg zur Entwicklung der wich- Darmstadt mengenmäßig vertrieben.
tigsten Antirheumatika geöffnet. Longstreth (1882) empfiehlt Aconit al-
Literatur: [1, 3, 4, 9, 11, 13, 18, 41, 45, 55]. lein oder in Kombination mit Opium bei
der akuten Gicht.
Analgetika in der Jahrzehntelang hat sich Aconitin in ge-
„Rheumatherapie“ eigneter Dosierung zur Schmerztherapie
bewährt. Wir haben es nach dem Zweiten
Schmerzstillende Mittel und Verfahren Weltkrieg viel verwendet. Heute ist es aus
spielen in der Medizin seit Menschen- dem Arzneischatz verschwunden.
gedenken eine große Rolle, da es für die Literatur: [1, 17, 18, 23, 25, 31, 41, 54, 59]
meisten Krankheiten keine kausale The- Nicht viel jünger als die Anwendung
rapie gab und für viele auch heute noch von Aconit ist die Therapie mit dem
nicht gibt. Saft der Mohnkapseln (Papaver somnife-
Als „Rheumamittel“ bezeichnet man rum; . Abb. 8), genannt Opium (abge-
die beschriebenen antipyretisch-anti- leitet von dem griechischen Wort „opos“:
phlogistisch und analgetisch wirkenden Saft). Im alten Ägypten (Papyrus Ebers,
­Substanzen. etwa 1550 vor Chr.) wird es zur Behand-
Daneben wurden und werden reine lung von Kindsgeschwüren verwendet.
Analgetika eingesetzt, zumal ein nicht ge- Im Corpus hippocraticum (5. bis 4. Jh. vor
ringer Anteil der so genannten rheuma- Chr.) gilt der Mohnsaft als Schmerzmit-
tischen Krankheiten weder mit Fieber tel. Die erste zweifelsfreie Empfehlung von
einhergeht, noch ein entzündliches Subs- Opium stammt von Theophrast von Ere-
trat aufweist. sos (372–287 vor Chr.). Herakleides von Ta-
Eine der ältesten Pflanzen, die als rent (1. Jh. vor Chr.) und Scribonius Lar-
Schmerzmittel Verwendung fanden, ist gus (1. Jh. nach Chr.) setzten sich für sei-
Wegbereiter der Rheumatologie

ne therapeutische Anwendung ein. Dio- Korrespondenzadresse 52. Rodnan G, Benedek TG (1970) The early history of
antirheumatic drugs. Arthritis Rheum 13: 145
scurides (1. Jh. nach Chr.) gibt genau an, Prof. Dr. H. Kaiser 54. Ruillère R (1981) Histoire de la médecine. Masson,
wie man die Schnitte führen solle, um den Frauentorstraße 22 Paris
Mohnsaft zu gewinnen. 86152 Augsburg 55. Schadewaldt H (1983) Der Rheumatismus und sei-
ne Behandlung im Wandel der Zeiten. Z Rheuma-
Eine große Verbreitung fand Opi- tol 42: 139
Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor
um, als der Grieche Andromachos (1. Jh. gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 56. Schadewaldt H (1985) 100 Jahre Pyrazolone. In:
nach Chr.), Leibarzt von Kaiser Nero in Brune K, Lanz R (Hrsg) 100 Jahre Pyrazolone. Ur-
ban und Schwarzenberg, München
Rom, den Theriak entwickelte, eine Mi- 58. Schmitz R (1983) Arzneimittelklassiker. Med Welt
schung aus pflanzlichen und tierischen Literatur (Auswahl) 34: 799
Produkten, deren wirksamer Bestandteil 62. Sneader W (2000) The discovery of aspirin. BMJ
  1. Ackerknecht EH (1970) Therapie von den Primi- 321: 23
aber das Opium war. 64. Stille G (2004) Kräuter, Geister, Rezepturen. Eine
tiven bis zum 20. Jahrhundert. Enke, Stuttgart
Zunächst als Antidot gegen Vergif-   2. Benedum J (1993) Rheuma, Zipperlein und Pfoten- Kulturgeschichte der Arznei. Wiss. Buchges., Darm-
tungen, wurde Theriak ein allgemeines gram: Die Therapie rheumatischer Erkrankungen stadt

Prophylaktikum und schließlich ein All- im Wandel der Zeit. Z Rheumatol 52: 1
  4. Bertling RM (1969) Der Pharmakologe Carl Binz.
heilmittel, das in immer wieder wech- Inaugural-Dissertation, Bonn Das vollständige Literaturverzeichnis ...
selnden Zusammensetzungen in der   6. Brune K (1985) Knorr und Filehne in Erlangen. In:
Brune K, Lanz R (Hrsg) 100 Jahre Pyrazolone. Ur- ... finden Sie in der html-Version dieses
Volksmedizin bis ins 20. Jh. Verwen- Beitrags im Online-Archiv auf der  
ban und Schwarzenberg, München
dung fand.   7. Brune K (1997) The early history of non-opioid an- Zeitschriftenhomepage  
Aber auch die Ärzteschaft war dem algesics. Acute Pain 1: 33 www.ZeitschriftfuerRheumatologie.de
Opium nicht abhold. H. Boerhaave (1668–   8. Brune K (2002) Medikamentöse Therapie heute. In:
Laufer S, Gay S, Brune K (Hrsg) Rheumatische Er-
1738), der größte Arzt des 18. Jh., war ein krankungen und Entzündung. Thieme, Stuttgart
Freund der pflanzlichen Arzneimittel und   9. Brune K, Hinz B (2004) The discovery and develop-
verwendete Opium relativ großzügig als ment of antiinflammatory drugs. Arthritis Rheum
50: 2391
Schmerzmittel. 11. Chast F (2003) Histoire contemporaire des médica-
M. Longstreth (1882) empfahl in seinem ments. La Découverte, Paris
Buch über Rheumatismus und Gicht Opi- 15. Delpeuch A (1900) La goutte et le rhumatisme.
Carré et Naud, Paris
um wegen seiner narkotischen Wirkung 16. Dillemann G (1986) Die französische Pharmazie
und seines diaphoretischen Effektes. vom 3. Jahrhundert bis zur Gegenwart. In: Toellner
Wie schon erwähnt, hat F.W. Sertürner R (Hrsg) Illustrierte Geschichte der Medizin, Bd 3.
Andreas & Andreas, Salzburg
(1783–1841) 1804–1806 das wirksame Al- 17. Dioscorides P (1610) Kräuterbuch des braven und
kaloid aus dem Opium isoliert. in aller Welt berühmten griechischen Skribenten
Wegen der großen Suchtgefahr wur- Pedacii Dioscoridis Anazarbei. Frankfurt; Reprint
1964 Kölbl, München
den Morphium und alle Opiate unter 18. Dousset JC (1985) Histoire des médicaments des
das Betäubungsmittelgesetz gestellt, was origines à nos jours. Payot, Paris
die therapeutische Anwendung erheblich 19. Dreser H (1899) Pharmakologisches über Aspirin
(Acetylsalicylsäure). Pflugers Arch Ges Physiol 76:
einschränkte. Die Präparate werden heute 306
nur noch bei Krebskranken im Endstadi- 20. Eckardt WU (2005) Geschichte der Medizin. 5. Aufl.
um verwendet. Wenn bei rheumatischen Springer, Heidelberg
22. Elliot MJ, Maini RN, Feldmann M et al. (1994) Ran-
Krankheiten die so genannten NSAR domised double-blind comparison of chimeric
nicht ausreichen, stehen eine Reihe von monoclonal antibody to tumor necrosis factor al-
synthetischen Produkten zur Verfügung, pha versus placebo in rheumatoid arthritis. Lancet
344: 1105
die so genannten Opioide. 24. Frohn B (2001) Klostermedizin. Deutscher Taschen-
Literatur: [1, 7, 8, 11, 17, 18, 34, 41, 45] buch Verlag, München
Fazit: Da Schmerz eines der Kardinal- 26. Guttmann P (1885) Über antipyretische Mittel. Ber-
liner Klin Wochenschr 22: 377
symptome des „Rheumatismus“ ist, ver- 27. Hangarter W (1974) Die Salicylsäure und ihre Ab-
steht sich, dass man in Zeiten, als noch kömmlinge. F. K. Schattauer, Stuttgart
keine pathogenetische und klinische Dif- 38. Krug A (1985) Heilkunst und Heilkult. Medizin der
Antike. Beck, München
ferenzierung dieser Krankheiten möglich 39. Leca AP (1984) Histoire illustrée de la rhumatolo-
war, versuchte, den Schmerz zu behan- gie. Dacosta, Paris
deln. Da heute eine differenzierte The- 41. Longstreth M (1882) Rheumatism, gout, and some
allied disorders. Wood & Co., New York
rapie möglich ist, sind reine Analgetika 44. Müller I (1982) Die pflanzlichen Heilmittel bei
in den Hintergrund getreten; ganz ver- Hildegard von Bingen. Otto Müller, Salzburg
zichten kann man aber immer noch nicht 48. Rainsford KD (1984) Aspirin and the salicylates.
Butterworths, London
auf sie. 49. Riess L (1875) Ueber die innerliche Anwendung
der Salicylsäure. Berliner Klin Wochenschr 12: 673
und 690

262 |  Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2008


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