Está en la página 1de 392

Art.-Nr.

55856942 G 3191 A

GEMEINSAMES

MINISTERIALBLATT
Seite 877

des Auswärtigen Amtes / des Bundesministeriums des Innern / des Bundesministeriums der Finanzen

des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie / des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz / des Bundesministeriums für Familie,

Senioren, Frauen und Jugend / des Bundesministeriums für Gesundheit / des Bundesministeriums für Verkehr,

Bau und Stadtentwicklung / des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

des Bundesministeriums für Bildung und Forschung / des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung / des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

HERAUSGEGEBEN VOM BUNDESMINISTERIUM DES INNERN

60. Jahrgang ISSN 0939-4729 Berlin, den 30. Oktober 2009 Nr. 42– 61

INHALT

Amtlicher Teil Seite

Bundesministerium des Innern

M. Migration, Integration; Flüchtlinge;


Europäische Harmonisierung
AVwV v. 26. 10. 09, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
Aufenthaltsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878
Seite 878 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Amtlicher Teil

Bundesministerium des Innern


M. Migration, Integration; Flüchtlinge; Europäische Harmonisierung

Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zum Aufenthaltsgesetz

Vom 26. Oktober 2009

Nach Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes wird folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen:

Artikel 1 7 Zu § 7 – Aufenthaltserlaubnis
7.1 Aufenthaltszwecke

1 Zu § 1 – Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich 7.2 Befristung bzw. nachträgliche Verkürzung der

1.1 Gesetzeszweck
Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis

1.2 Anwendungsbereich
8 Zu § 8 – Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
2 Zu § 2 – Begriffsbestimmungen 8.1 Verlängerungsvoraussetzungen

2.0 Allgemeines
8.2 Ausschluss der Verlängerung

2.1 Begriff des Ausländers


8.3 Berücksichtigung der Verpflichtung zum

2.2 Erwerbstätigkeit
Integrationskurs

2.3 Sicherung des Lebensunterhalts


8.4 Ausnahmen von Absatz 3

2.4 Ausreichender Wohnraum


9 Zu § 9 – Niederlassungserlaubnis
2.5 Schengen-Visum
9.1 Unbeschränktes Aufenthaltsrecht

2.6 Richtlinie zum vorübergehenden Schutz


9.2 Erteilungsvoraussetzungen

2.7 Langfristig Aufenthaltsberechtigter


9.3 Ehegatten- und Auszubildendenprivileg

9.4 Anrechnung von Auslandsaufenthalten und

3 Zu § 3 – Passpflicht
Aufenthalten zum Zweck des Studiums oder

3.0 Allgemeines
der Berufsausbildung

3.1 Erfüllung der Passpflicht

9a Zu § 9a – Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG


3.2 Befreiung von der Passpflicht

9a.0 Allgemeines

3.3 Deutsche Passersatzpapiere für Ausländer

9a.1 Rechtsfolgen

4 Zu § 4 – Erfordernis eines Aufenthaltstitels 9a.2 Erteilungsvoraussetzungen

4.1 Aufenthaltstitelpflicht
9a.3 Ausschlussgründe

4.2 Erwerbstätigkeit
9b Zu § 9b – Anrechnung von Aufenthaltszeiten
4.3 Die Erwerbstätigkeit erlaubende Aufenthaltstitel

9c Zu § 9c – Lebensunterhalt
4.4 Aufenthaltstitelpflicht von Seeleuten

4.5 Deklaratorischer Aufenthaltstitel


10 Zu § 10 – Aufenthaltstitel bei Asylantrag
10.1 Erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels

5 Zu § 5 – Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
10.2 Verlängerung eines Aufenthaltstitels

5.0 Allgemeines

10.3 Aufenthaltstitel bei Ablehnung oder Rücknahme

5.1 Die Regelerteilungsvoraussetzungen nach


des Asylantrages

Absatz 1

11 Zu § 11 – Einreise- und Aufenthaltsverbot


5.2 Erteilungsvoraussetzungen der Aufenthalts-
erlaubnis und der Niederlassungserlaubnis
11.1 Einreise- und Aufenthaltsverbot nach

Ausweisung, Zurückschiebung oder

5.3 Ausnahmeregelungen

Abschiebung

5.4 Versagungsgründe

11.2 Betretenserlaubnis

5.5 Zusätzlich zu beachtende Einreisevorausset-


zungen nach dem Schengener Grenzkodex
12 Zu § 12 – Geltungsbereich,
Nebenbestimmungen
6 Zu § 6 – Visum
12.1 Geltungsbereich

6.0 Allgemeines
12.2 Nebenbestimmungen

6.1 Erteilung von Schengen-Visa


12.3 Verlassenspflicht

6.2 Erteilung von Visa mit mehrjähriger Gültigkeit


12.4 Beschränkungen des genehmigungsfreien

6.3 Verlängerung von Schengen-Visa


Aufenthalts

6.4 Nationales Visum


12.5 Verlassen des beschränkten Aufenthaltsbereichs

Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 879

13 Zu § 13 – Grenzübertritt 18.5 Erfordernis des Vorliegens eines konkreten

13.1 Ein- und Ausreisekontrolle


Arbeitsplatzangebots

13.2 Beendigung der Einreise


18a Zu § 18a – Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte
13.3 Allgemeine Hinweise zum Grenzübertritt
Geduldete zum Zweck der Beschäftigung
und zur Einreiseverweigerung nach dem
18a.0 Allgemeines

Schengener Grenzkodex
18a.1 Erteilungsvoraussetzungen

14 Zu § 14 – Unerlaubte Einreise; Ausnahmevisum 18a.2 Zustimmungserfordernis der Bundesagentur

für Arbeit
14.1 Kriterien der unerlaubten Einreise

14.2 Erteilung von Ausnahmevisa an der Grenze


19 Zu § 19 – Niederlassungserlaubnis für
Hochqualifizierte
15 Zu § 15 – Zurückweisung
19.1 Voraussetzungen

15.0 Allgemeines

19.2 Regelbeispiele für das Merkmal „hochqualifiziert“

15.1 Zwingende Zurückweisung

20 Zu § 20 – Forschung
15.2 Zurückweisung im Ermessenswege

20.0 Allgemeines

15.3 Zurückweisung von Ausländern, die vom Erfordernis

eines Aufenthaltstitels befreit sind


20.1 Erteilungsvoraussetzungen

15.4 Zurückweisungsverbote und -hindernisse


20.2 Verzicht auf die Vorlage der Kostenübernahme-
erklärung

15.5 Zurückweisungshaft

20.3 Abgabe einer allgemeinen Übernahmeerklärung

15.6 Flughafentransitaufenthalt

20.4 Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis

15a Zu § 15a – Verteilung unerlaubt eingereister 20.5 Inhaber eines Aufenthaltstitels eines anderen

Ausländer Mitgliedstaats

15a.0 Allgemeines
20.6 Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit

15a.1 Persönlicher Anwendungsbereich und Verfahren


20.7 Ausschlussgründe

15a.2 Verpflichtung, sich zu der Verteilungsstelle zu


21 Zu § 21 – Selbständige Erwerbstätigkeit
begeben

21.0 Allgemeines

15a.3 Aufnahmepflicht

21.1 Erteilungsvoraussetzungen

15a.4 Modalitäten der landesinternen Verteilung


21.2 Erteilung aufgrund besonderer völkerrechtlicher

15a.5 Erlaubnis zum länderübergreifenden


Vereinbarungen

Wohnsitzwechsel
21.3 Erfordernis angemessener Altersversorgung bei

15a.6 Zeitlicher Anwendungsbereich


Personen über 45 Jahren

16 Zu § 16 – Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der 21.4 Geltungsdauer

Studienbewerbung, des Studiums, für 21.5 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Freiberufler

Sprachschüler und für den Schulbesuch 21.6 Erlaubnis der selbständigen Tätigkeit an Inhaber

16.0 Allgemeines
anderer Aufenthaltserlaubnisse

16.1 Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums


22 Zu § 22 – Aufnahme aus dem Ausland
sowie vorbereitender Sprachkurse
22.0 Allgemeines

16.1a Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der


22.1 Erteilung aus völkerrechtlichen oder dringenden

Studienbewerbung
humanitären Gründen

16.2 Wechsel des Aufenthaltszweckes


22.2 Erklärung der Aufnahme durch das Bundes-
16.3 Erwerbstätigkeit neben dem Studium
ministerium des Innern zur Wahrung politischer

16.4 Arbeitsplatzsuche und Aufnahme einer


Interessen der Bundesrepublik Deutschland

Erwerbstätigkeit nach Abschluss des Studiums


23 Zu § 23 – Aufenthaltsgewährung durch die
16.5 Aufenthaltserlaubnisse zur Teilnahme an
obersten Landesbehörden; Aufnahme bei besonders
Sprachkursen und zum Schulbesuch
gelagerten politischen Interessen
16.6 Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung eines in
23.0 Allgemeines

einem anderen EU-Mitgliedstaat begonnenen


23.1 Aufenthaltsgewährung durch die obersten

Studiums
Landesbehörden

16.7 Zustimmung der Personensorgeberechtigten


23.2 Aufnahmezusage durch das Bundesamt für Migration

17 Zu § 17 – Sonstige Ausbildungszwecke und Flüchtlinge

23.3 Entsprechende Anwendung von § 24

18 Zu § 18 – Beschäftigung
23a Zu § 23a – Aufenthaltsgewährung in Härtefällen
18.1 Grundsätze für die Zulassung ausläidischer

Beschäftigter
23a.0 Allgemeines

18.2 Erteilungsvoraussetzungen
23a.1 Voraussetzungen

18.3 Aufenthaltserlaubnis für Beschäftigung ohne


23a.2 Verfahren

qualifizierte Berufsausbildung
23a.3 Kostenerstattung bei Umzug

18.4 Aufenthaltserlaubnis für Beschäftigung mit


24 Zu § 24 – Aufenthaltsgewährung zum
qualifizierter Berufsausbildung
vorübergehenden Schutz
Seite 880 GMBl 2009 Nr. 42– 61

24.0 Allgemeines
30 Zu § 30 – Ehegattennachzug zu Ausländern
24.1 Erteilungsvoraussetzungen
30.0 Allgemeines

24.2 Ausschlussgründe
30.1 Anspruch auf Ehegattennachzug

24.3 Verteilung auf die Länder


30.2 Ehegattennachzug nach Ermessen

24.4 Zuweisungsentscheidung
30.3 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

24.5 Örtliche Aufenthaltsbeschränkung


30.4 Mehrehe

24.6 Ausübung einer Erwerbstätigkeit


31 Zu § 31 – Eigenständiges Aufenthaltsrecht der
25 Zu § 25 – Aufenthalt aus humanitären Gründen Ehegatten
25.1 Aufenthaltserlaubnis für Asylberechtigte
31.0 Allgemeines

25.2 Aufenthaltserlaubnis für Konventionsflüchtlinge


31.1 Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

25.3 Aufenthaltserlaubnis bei Abschiebungsverbot nach


31.2 Wegfall der Frist in Fällen besonderer Härte

§ 60 Absatz 2 bis 7
31.3 Erleichterte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis

25.4 Vorübergehender Aufenthalt und Verlängerung


31.4 Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII

25.4.1 Aufenthaltserlaubnis für vorübergehenden Aufent- und Verlängerung

halt aus dringenden humanitären oder politischen

32 Zu § 32 – Kindernachzug
Gründen

32.0 Allgemeines

25.4a Aufenthaltserlaubnis für Opfer von Menschenhandel

32.1 Anspruch auf Nachzug von Kindern bis zum 18.

25.5 Aufenthaltserlaubnis in Fällen, in denen die Ausreise

Lebensjahr

aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen

unmöglich ist
32.2 Anspruch auf Nachzug von Kindern nach Vollendung

des 16. Lebensjahres

26 Zu § 26 – Dauer des Aufenthalts


32.2a Kinder von Ausländern mit einer Erlaubnis zum

26.1 Höchstgeltungsdauer der Aufenthaltserlaubnisse


Daueraufenthalt-EG

nach Kapitel 2 Abschnitt 5


32.3 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Kinder unter

26.2 Ausschluss der Verlängerung


16 Jahren

26.3 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an


32.4 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen

Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach

§ 25 Absatz 1 oder 2
33 Zu § 33 – Geburt eines Kindes im Bundesgebiet
26.4 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an andere
34 Zu § 34 – Aufenthaltsrecht der Kinder
Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären
34.1 Verlängerung bei Weiterbestehen der familiären

Gründen
Lebensgemeinschaft oder bei Bestehen eines Wieder-
27 Zu § 27 – Grundsatz des Familiennachzugs kehrrechts

27.0 Allgemeines
34.2 Eigenständiges Aufenthaltsrecht bei Erreichen der

27.1 Erforderlicher Aufenthaltszweck


Volljährigkeit

27.1a Ausdrücklicher Ausschlussgrund bei Scheinehe,


34.3 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

Scheinverwandtschaftsverhältnissen und Zwangs- 35 Zu § 35 – Eigenständiges, unbefristetes


verheiratung Aufenthaltsrecht der Kinder
27.2 Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaft- 35.0 Allgemeines

lichen Gemeinschaft
35.1 Anspruchsvoraussetzungen

27.3 Absehen von der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis


35.2 Besuch ausländischer Schulen

in Fällen des Angewiesenseins auf Leistungen nach

35.3 Ausschluss des Anspruches

dem SGB II oder XII

35.4 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bei Krank-


27.4 Grundsatz der Zweckbindung und Akzessorietät

heit oder Behinderung

28 Zu § 28 – Familiennachzug zu Deutschen
36 Zu § 36 – Nachzug sonstiger Familienangehöriger
28.1 Voraussetzungen der erstmaligen Erteilung

36.1 Nachzugsrecht der Eltern Minderjähriger

28.2 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und

Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis


36.2 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an sonstige

Familienangehörige

28.3 Eigenständiges Aufenthaltsrecht

28.4 Sonstige Familienangehörige Deutscher


37 Zu § 37 – Recht auf Wiederkehr
28.5 Ausübung einer Erwerbstätigkeit
37.1 Wiederkehranspruch für junge Ausländer

37.2 Ausnahmen

29 Zu § 29 – Familiennachzug zu Ausländern
37.3 Versagung der Wiederkehr

29.1 Aufenthaltsstatus; Wohnraumerfordernis

37.4 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Wieder-


29.2 Abweichungen bei anerkannten Flüchtlingen

kehrer

29.3 Beschränkung des Familiennachzugs bei humanitären

37.5 Wiederkehr von Rentnern

Aufnahmen

29.4 Familiennachzug bei Gewährung vorübergehenden


38 Zu § 38 – Aufenthaltsrecht für ehemalige Deutsche
Schutzes
38.0 Allgemeines

29.5 Ausübung einer Erwerbstätigkeit


38.1 Aufenthaltstitel bei Voraufenthalten in Deutschland

Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 881

38.2 Aufenthaltstitel bei gewöhnlichem Aufenthalt im


44a.3 Auswirkung der Pflichtverletzung

Ausland

45 Zu § 45 – Integrationsprogramm
38.3 Abweichungen von Regelerteilungsvoraussetzungen

in besonderen Fällen
46 Zu § 46 – Ordnungsverfügungen
38.4 Ausübung einer Erwerbstätigkeit
46.0 Allgemeines

38.5 Entsprechende Anwendung bei irrtümlicher


46.1 Ordnungsverfügungen zur Förderung der Ausreise

Behandlung als Deutscher


46.2 Untersagung der Ausreise

38a Zu § 38a – Aufenthaltserlaubnis für in anderen 47 Zu § 47 – Verbot und Beschränkung der politischen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union lang- Betätigung
fristig Aufenthaltsberechtigte 47.0 Allgemeines

38a.0 Allgemeines
47.1 Beschränkung und Untersagung nach Ermessen

38a.1 Erteilungsvoraussetzungen
47.2 Zwingende Untersagung

38a.2 Ausschlussgründe

48 Zu § 48 – Ausweisrechtliche Pflichten
38a.3 Zusätzliche Voraussetzungen für besondere Aufent-
haltszwecke
48.0 Allgemeines

38a.4 Höchstdauer einer Nebenbestimmung nach § 38a


48.1 Pflicht zur Vorlage, zur Aushändigung und Über-
Absatz 4
lassung von Papieren

48.2 Erfüllung der Ausweispflicht mit einem Ausweiser-


39 Zu § 39 – Zustimmung zur Ausländerbe-
satz

schäftigung
48.3 Verpflichtung zur Mitwirkung an der Beschaffung

39.0 Allgemeines

von Dokumenten

39.1 Zustimmungsbedürftigkeit des Aufenthaltstitels

48.4 Ausstellung eines Ausweisersatzes bei Ausnahmen

39.2 Zustimmungsvoraussetzungen
von der Passpflicht

39.3 Anwendbarkeit des Zustimmungsverfahrens auf

andere Aufenthaltszwecke
49 Zu § 49 – Überprüfung, Feststellung und Sicherung
der Identität
39.4 Beschränkung der Zustimmung

49.1 Identitätsüberprüfung und Überprüfung der Echtheit

39.5 Zustimmungsbedürftigkeit der Niederlassungs-


biometriegestützter Identitätspapiere

erlaubnis nach § 19

49.2 Verpflichtung zu Angaben zur Identität und Staats-


39.6 Sonderregeln über Staatsangehörige der neu bei-
angehörigkeit

getretenen EU-Staaten

49.3 Feststellende Maßnahmen bei Zweifeln über die Per-


40 Zu § 40 – Versagungsgründe son, das Lebensalter oder die Staatsangehörigkeit

41 Zu § 41 – Widerruf 49.4 Identitätssicherung bei einer Verteilung gemäß § 15a

42 Zu § 42 – Verordnungsermächtigung und Wei- 49.5 Feststellende und sichernde Maßnahmen in weiteren

sungsrecht Fällen

42.0 Allgemeines
49.6 Ausführung der identitätsfeststellenden und

-sichernden Maßnahmen

42.1 Verordnungsermächtigung nach Absatz 1

49.6a Maßnahmen i. S. d. Absatzes 5 Nummer 5

42.2 Verordnungsermächtigung nach Absatz 2

49.7 Aufzeichnung des gesprochenen Wortes

42.3 Weisungsrecht des Bundesministeriums für Arbeit

und Soziales
49.8 Identitätssicherung bei unerlaubter Einreise

49.9 Identitätssicherung bei Aufenthalt ohne er-


43 Zu § 43 – Integrationskurs forderlichen Aufenthaltstitel

43.0 Allgemeines
49.10 Duldungspflicht

43.1 Förderung der Integration

49a Zu § 49a – Fundpapier-Datenbank


43.2 Grundangebot zur Integration

43.3 Inhalte der Integrationskurse, Rahmenbedingungen


49a.0 Allgemeines

43.4 Rechtsverordnungsermächtigung; Hinweise zur IntV


49a.1 Datenspeicherung, Datenpflege durch die Register-
behörde

43.5 Erfahrungsbericht

49a.2 Übersendungspflichten

44 Zu § 44 – Berechtigung zur Teilnahme an einem


Integrationskurs 49b Zu § 49b – Inhalt der Fundpapier-Datenbank
44.1 Teilnahmeanspruch
50 Zu § 50 – Ausreisepflicht
44.2 Erlöschen des Teilnahmeanspruchs
50.1 Voraussetzungen der Ausreisepflicht

44.3 Nicht anspruchsberechtigte Ausländer


50.2 Ausreisefrist

44.4 Nachholende Integration


50.2a Ausreisepflicht für Opfer von Menschenhandel

44a Zu § 44a – Verpflichtung zur Teilnahme an einem 50.3 Unterbrechung der Ausreisefrist

Integrationskurs 50.4 Erfüllung der Ausreisepflicht

44a.1 Begründung der Teilnahmeverpflichtung


50.5 Anzeigepflicht

44a.2 Befreiung von der Teilnahmepflicht


50.6 Passverwahrung

44a.2a Befreiung von der Teilnahmepflicht am Orientie- 50.7 Ausschreibung in den Fahndungshilfsmitteln der

rungskurs Polizei

Seite 882 GMBl 2009 Nr. 42– 61

51 Zu § 51 – Beendigung der Rechtmäßigkeit des 57.3 Zurückschiebungsverbote und -hindernisse sowie

Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen Zurückschiebungshaft

51.1 Erlöschen der Aufenthaltstitel


58 Zu § 58 – Abschiebung
51.2 Fortgeltung des Aufenthaltsrechts in bestimmten
58.0 Allgemeines und Verfahren

Fällen

58.1 Voraussetzungen für die Abschiebung

51.3 Erfüllung der Wehrpflicht

58.2 Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht

51.4 Wiedereinreisefrist bei Niederlassungserlaubnis oder

58.3 Überwachungsbedürftigkeit der Ausreise

wegen öffentlicher Interessen

51.5 Fortfall der Befreiung vom Genehmigungserfordernis


58a Zu § 58a – Abschiebungsanordnung
51.6 Fortgeltung von Beschränkungen
58a.0 Allgemeines

51.7 Wiederkehr eines Asylberechtigten und eines Flücht- 58a.1 Voraussetzungen der Abschiebungsanordnung

lings
58a.2 Abschiebungsanordnung des Bundesministeriums des

51.8 Konsultationsverfahren bei aufenthaltsbeendenden


Innern

Maßnahmen gegen Inhaber von Aufenthaltserlaub- 58a.3 Prüfung des Vorliegens von Abschiebungsverboten

nissen nach § 38a


58a.4 Verfahren

51.9 Erlöschen der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG

59 Zu § 59 – Androhung der Abschiebung


52 Zu § 52 – Widerruf 59.0 Allgemeines und Verfahren

52.0 Allgemeines
59.1 Abschiebungsandrohung

52.1 Widerrufsgründe
59.2 Zielstaat

52.2 Widerruf bei einem Aufenthalt zum Zwecke der


59.3 Vorliegen von Abschiebungsverboten

Beschäftigung
59.4 Darlegung und Ausschluss von Abschiebungsver-
52.3 Widerruf einer zum Zweck des Studiums erteilten
boten

Aufenthaltserlaubnis
59.5 Abschiebung aus der Haft oder aus öffentlichem Ge-
52.4 Widerruf einer zum Zweck der Forschung nach § 20
wahrsam

erteilten Aufenthaltserlaubnis

60 Zu § 60 – Verbot der Abschiebung


52.5 Widerruf beim Aufenthalt von Opfern von Men-
schenhandel
60.0 Allgemeines und Verfahren

52.6 Widerruf einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a


60.1 Flüchtlingsrechtliche Verfolgung

52.7 Widerruf bei einem Aufenthalt mit Schengen-Visum


60.2 Gefahr der Folter oder der unmenschlichen oder

erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung

Vorbemerkung zu den §§ 53 bis 55 355 (§ 60 Absatz 2)

53 Zu § 53 – Zwingende Ausweisung 60.3 Gefahr der Todesstrafe

60.4 Auslieferungsersuchen

54 Zu § 54 – Ausweisung im Regelfall
60.5 Abschiebungsverbote nach der Europäischen Men-
54a Zu § 54a – Überwachung ausgewiesener Ausländer schenrechtskonvention (EMRK)

aus Gründen der inneren Sicherheit 60.6 Gefahr der Strafverfolgung und Bestrafung in einem

54a.0 Allgemeines
anderen Staat

54a.1 Meldepflicht
60.7 Humanitäre Abschiebungsverbote und Abschie-
54a.3 Wohnsitzbeschränkende Auflagen
bungsverbot im Rahmen bewaffneter Konflikte

54a.4 Kommunikationsbeschränkungen
60.8 Ausschluss des Abschnebungsschutzes nach

54.a.5 Ruhen der Verpflichtungen bei Haft § 60 Absatz 1

60.9 Abschiebung bei möglicher politischer Verfolgung

55 Zu § 55 – Ermessensausweisung
60.10 Abschiebung

55.0 Allgemeines

60.11 Verweis auf die Bestimmungen der Richtlinie 2004/

55.1 Grundtatbestand

83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. EU Num-


55.2 Einzelne Ausweisungsgründe
mer L 304 S. 12, so genannte Qualifikationsrichtlinie)

55.3 Bei der Ausweisungsentscheidung zu berück-


sichtigende Gesichtspunkte
60a Zu § 60a – Vorübergehende Aussetzung der
Abschiebung (Duldung)
56 Zu § 56 – Besonderer Ausweisungsschutz 60a.1 Anordnung der Aussetzung von Abschiebungen

56.0 Allgemeines
durch die oberste Landesbehörde

56.1 Ausweisungsschutz
60a.2 Gesetzliche Duldungsgründe

56.2 Minderjährige und Heranwachsende


60a.2a Duldung wegen gescheiterter Zurückschiebung/

56.3 Fälle des vorübergehenden Schutzes


Abschiebung und Rückübernahmepflicht,

56.4 Asylantragsteller
§ 60a Absatz 2a

60a.3 Fortbestehen der Ausreisepflicht

57 Zu § 57 – Zurückschiebung
60a.4 Bescheinigung

57.0 Allgemeines

60a.5 Abschiebung nach Erlöschen der Duldung

57.1 Voraussetzung und Ziel der Zurückschiebung

57.2 Zurückschiebung rückgeführter und zurück- 61 Zu § 61 – Räumliche Beschränkung


gewiesener Ausländer
61.1 Räumliche Beschränkung und Nebenbestimmungen

Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 883

61.1a Räumliche Beschränkung in Fällen des § 60a


71.3 Zuständigkeit der mit der polizeilichen Kontrolle des

Absatz 2a
grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Behörden

61.2 Ausreiseeinrichtungen
71.4 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

62 Zu § 62 – Abschiebungshaft 71.5 Zuständigkeit der Polizeien der Länder

62.0 Allgemeines und Verfahren


71.6 Anerkennung ausländischer Pässe und

Passersatzpapiere

62.1 Vorbereitungshaft

62.2 S cherungshaft
71a Zu § 71a – Zuständigkeit und Unterrichtung
62.3 Dauer der Sicherungshaft
72 Zu § 72 – Beteiligungserfordernisse
62.4 Vorläufige Ingewahrsamnahme ohne vorherige
72.1 Betretenserlaubnis

richterliche Anordnung zur Sicherstellung der


72.2 Beteiligung des Bundesamtes für Migration und

Sicherungshaft
Flüchtlinge

63 Zu § 63 – Pflichten der Beförderungsunternehmer 72.3 Änderung und Aufhebung von Maßnahmen

63.1 Kontroll- und Sicherungspflichten


72.4 Strafrechtliche Verfahren

63.2 Untersagung der Beförderung und Zwangsgeld


72.5 Nichtanwendung von § 45 – SGB VIII

63.3 Höhe des Zwangsgeldes


72.6 Beteiligung der zuständigen Straf-
63.4 Vereinbarungen mit Beförderungsunternehmen
verfolgungsbehörden sowie des Strafgerichtes bei

Entscheidungen betreffend Aufenthaltstitel nach § 25

64 Zu § 64 – Rückbeförderungspflicht der Absatz 4a bzw. Ausreisefristen nach § 50 Absatz 2a

Beförderungsunternehmer
64.1 Rückbeförderung nach Zurückweisung
73 Zu § 73 – Sonstige Beteiligungserfordernisse im
Visumverfahren und bei der Erteilung von
64.2 Rückbeförderung in sonstigen Fällen

Aufenthaltstiteln
64.3 Bestimmung des Zielstaates

73.1 Beteiligung der Sic7herheitsbehörden im

65 Zu § 65 – Pflichten der Flughafenunternehmer Visumverfahren

66 Zu § 66 – Kostenschuldner; Sicherheitsleistung 73.2 Beteiligung der Sicherheitsbehörden durch die

Ausländerbehörden

66.1 Kostentragungspflicht des Ausländers

73.3 Rückmeldung und Nachberichtspflicht

66.2 Haftung des Verpflichtungsschuldners

73.4 Ermächtigung zum Erlass einer Verwaltungsvor-


66.3 Haftung des Beförderungsunternehmers

schrift

66.4 Haftung des Arbeitgebers bei unerlaubter

Beschäftigung und Haftung des Schleusers


74 Zu § 74 – Beteiligung des Bundes; Weisungsbefugnis
66.5 Sicherheitsleistung
74.1 Beteiligung des Bundes

74.2 Weisungsbefugnis

67 Zu § 67 – Umfang der Kostenhaftung


67.0 Allgemeines
74a Zu § 74a – Durchbeförderung von Ausländern
67.1 Umfang der Kostenhaftung
74a.0 Allgemeines

67.2 Umfang der Haftung des Beförderungsunternehmers


74a.1 Durchbeförderungen auf dem Luftweg in Anwen-
67.3 Kostenerhebung durch Leistungsbescheid
dung der Durchbeförderungsrichtlinie

74a.2 Durchbeförderungen (Land/Luft) auf Grund

68 Zu § 68 – Haftung für Lebensunterhalt zwischenstaatlicher Vereinbarungen

68.0 Allgemeines
74a.3 Durchbeförderungen von gemeinschaftsrechtlich

68.1 Verpflichtungserklärung
begünstigten Personen

68.2 Verfahren
74a.4 Zuständige Behörden

68.3 Unterrichtungspflicht der Auslandsvertretung

75 Zu § 75 – Aufgaben
68.4 Unterrichtungs- und Auskunftspflicht der

Ausländerbehörde
76 Zu § 76 – (weggefallen)
69 Zu § 69 – Gebühren 77 Zu § 77 – Schriftform; Ausnahme von
69.1 Erhebung von Gebühren und Auslagen für
Formerfordernissen
ausländerrechtliche Amtshandlungen
77.0 Allgemeines

69.2 Anwendung des VwKostG


77.1 Schriftformerfordernis

69.3 Höchstsätze
77.2 Ausnahmen

69.4 Zuschläge für Amtshandlungen


78 Zu § 78 – Vordrucke für Aufenthaltstitel,
69.5 Bearbeitungsgebühren
Ausweisersatz und Bescheinigungen
69.6 Widerspruchsgebühren
79 Zu § 79 – Entscheidung über den Aufenthalt
70 Zu § 70 – Verjährung 79.1 Entscheidungsgrundlage

70.1 Verjährungsfrist
79.2 Aussetzung der Entscheidung

70.2 Verjährungsunterbrechung
80 Zu § 80 – Handlungsfähigkeit Minderjähriger
71 Zu § 71 – Zuständigkeit 80.1 Handlungsfähigkeit minderjähriger Ausländer

71.1 Zuständigkeit der Ausländerbehörden


80.2 Besondere aufenthaltsrechtliche Maßnahmen

71.2 Zuständigkeit der deutschen Auslandsvertretungen


80.3 Minderjährigkeit und Geschäftsfähigkeit

Seite 884 GMBl 2009 Nr. 42– 61

80.4 Verpflichtung zur Antragstellung


89.3 Löschung der Daten

81 Zu § 81 – Beantragung des Aufenthaltstitels 89.4 Ausnahmen von den Löschungsfristen

81.1 Antragserfordernis
89a Zu § 89a – Verfahrensvorschriften für die
81.2 Antrag nach Einreise oder Geburt im Bundesgebiet
Fundpapier-Datenbank
81.3 Erlaubnis- und Duldungsfiktion
89a.0 Allgemeines

81.4 Fortgeltungsfiktion
89a.1 Voraussetzungen für den Abgleich

81.5 Fiktionsbescheinigung
89a.2 Zu übermittelnde Daten

89a.3 Datenübermittlung

82 Zu § 82 – Mitwirkung des Ausländers


89a.4 Verfahren bei Zweifeln an der Identität

82.1 Besondere Mitwirkungspflichten

89a.5 Form der Datenübermittlung

82.2 Widerspruchsverfahren

89a.6 Weitere Nutzung der Fundpapier-Datenbank

82.3 Hinweispflicht

89a.7 Löschung

82.4 Zwangsweise Vorführung

89a.8 Gewährleistung von Datenschutz und Daten-


82.5 Mitwirkungspflichten bei Ausstellung von
sicherheit
Dokumenten nach einheitlichem Vordruckmuster

90 Zu § 90 – Übermittlungen durch Ausländer-


83 Zu § 83 – Beschränkung der Anfechtbarkeit behörden
83.1 Ausschluss von Rechtsbehelfen
90.0 Anwendungsbereich

83.2 Ausschluss des Widerspruchsverfahrens


90.1 Unterrichtungspflichten

84 Zu § 84 – Wirkungen von Widerspruch und Klage 90.2 Zusammenarbeit der Behörden

84.1 Ausschluss der aufschiebenden Wirkung


90.3 Datenübermittlungen an die für die Durchführung

84.2 Wirksamkeit der die Ausreisepflicht begründenden


des AsylbLG zuständigen Behörden

Verwaltungsakte
90.4 Unterrichtung der nach § 72 Absatz 6 zu

beteiligenden Stellen

85 Zu § 85 – Berechnung von Aufenthaltszeiten


90.5 Unterrichtung hinsichtlich Anfechtung der

86 Zu § 86 – Erhebung personenbezogener Daten Vaterschaft

86.0 Allgemeines

90a Zu § 90a – Mitteilungen der Ausländerbehörden an


86.1 Datenerhebung
die Meldebehörden
86.2 Erhebung von Daten i. S. d. § 3 Absatz 9 BDSG
90a.0 Allgemeines

87 Zu § 87 – Übermittlungen an Ausländerbehörden 90a.1 Mitteilungspflicht der Ausländerbehörden

87.0 Anwendungsbereich
90a.2 Zu übermittelnde Daten

87.1 Mitteilungen auf Ersuchen


90b Zu § 90b – Datenabgleich zwischen Ausländer- und
87.2 Unterrichtung ohne Ersuchen
Meldebehörden
87.3 Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten der Beauf-
91 Zu § 91 – Speicherung und Löschung personen-
tragten der Bundesregierung für Migration, Flücht-
bezogener Daten
linge und Integration

91.0 Anwendungsbereich

87.4 Unterrichtung über Straf- und Bußgeldverfahren

91.1 Vernichtung von Unterlagen über Ausweisung,

87.5 Mitteilungen der nach § 72 Absatz 6 zu beteiligenden

Zurückschiebung und Abschiebung

Stellen von Amts wegen

91.2 Vernichtung von Mitteilungen nach § 87

87.6 Unterrichtung über eine Vaterschaftsanfechtungs-


klage
91.3 Ausschluss des datenschutzrechtlichen Widerspruchs

88 Zu § 88 – Übermittlungen bei besonderen gesetz- 91a Zu § 91a – Register zum vorübergehenden Schutz
lichen Verwendungsregelungen 91a.1 Registerführende Stelle und Registerinhalt

88.0 Anwendungsbereich
91a.2 Zu übermittelnde Daten

88.1 Besondere gesetzliche Verwendungsregelungen


91a.3 Datenübermittlung an die Registerbehörde

88.2 Übermittlung von Daten, die von einer der in § 203


91a.4 Verantwortung für Registerinhalt, Datenpflege,

Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6 und Absatz 3 StGB


Aufzeichnungspflicht bei Speicherung

genannten Personen zugänglich gemacht worden sind


91a.5 Datenübermittlung durch die Registerbehörde

88.3 Übermittlung von Daten, die dem Steuergeheimnis


91a.6 Aufzeichnungspflicht bei Datenübermittlung

unterliegen
91a.7 Verfahren der Datenübermittlung, automatisiertes

88.4 Übermittlung von Daten durch die mit der Aus- Verfahren

führung des Aufenthaltsgesetzes betrauten Behörden


91a.8 Löschung und Sperrung von Daten, Auskunft an den

und durch nicht-öffentliche Stellen


Betroffenen

89 Zu § 89 – Verfahren bei identitätsüberprüfenden, 91b Zu § 91b – Datenübermittlung durch das Bundes-


-feststellenden und -sichernden Maßnahmen amt für Migration und Flüchtlinge als nationale
89.0 Anwendungsbereich
Kontaktstelle
89.1 Amtshilfe des Bundeskriminalamtes und Speicherung
91c Zu § 91c – Innergemeinschaftliche Auskünfte zur
der Daten
Durchführung der Richtlinie 2003/109/EG
89.2 Nutzung der Daten zu anderen Zwecken
(Daueraufenthalt-Richtlinie)
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 885

91c.0 Allgemeines
98.2a Beauftragung eines Ausländers zu einer nachhaltigen

91c.1 Deutschland erteilt/verlängert Aufenthaltstitel


entgeltlichen Dienst- oder Werkleistung

91c.2 Deutschland will in ein Land außerhalb des


98.3 Weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände

Geltungsbereichs der Daueraufenthalt-Richtlinie


98.4 Versuch

abschieben
98.5 Bußgeldrahmen

91c.3 Aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Deutschland


98.6 Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention

91c.4 Übermittlung der Personalien bei Absatz 1 bis 3


99 Zu § 99 – Verordnungsermächtigung
91c.5 Anderer Mitgliedstaat leitet aufenthaltsbeendende

Maßnahmen ein
100 Zu § 100 – Sprachliche Anpassung
91c.6 Mitteilungspflichten des Bundesamtes für Migration
101 Zu § 101 – Fortgeltung bisheriger Aufenthalts-
und Flüchtlinge gegenüber den Ausländerbehörden
rechte
91d Zu § 91d – Innergemeinschaftliche Auskünfte zur 101.0 Allgemeines

Durchführung der Richtlinie 2004/114/EG 101.1 Aufenthaltsberechtigung; unbefristete Aufenthalts-


(Studentenrichtlinie) erlaubnis

91d.0 Allgemeines
101.2 Übrige Aufenthaltsgenehmigungen

91d.1 Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat nach Studien- 101.3 Daueraufenthalt-EG

zulassung in Deutschland
102 Zu § 102 – Fortgeltung ausländerrechtlicher
91d.2 Studienfortsetzung in Deutschland
Maßnahmen und Anrechnung
91e Zu § 91e – Gemeinsame Vorschriften für das 102.1 Fortgeltung ausländerrechtlicher Maßnahmen

Register zum vorübergehenden Schutz und zu 102.2 Anrechnung

innergemeinschaftlichen Datenübermittlungen 103 Zu § 103 – Anwendung bisherigen Rechts


92–94 Zu den §§ 92–94 Beauftragte für Migration, 104 Zu § 104 – Übergangsregelungen
Flüchtlinge und Integration
104.1 Anträge auf unbefristete Aufenthaltserlaubnis/Auf-
Vorbemerkung zu den §§ 95–98 enthaltsberechtigung

95 Zu § 95 – Strafvorschriften 104.2 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9

104.3 Meistbegünstigungsklausel zum Kindernachzug

95.0 Allgemeines

104.4 Volljährig gewordene Kinder

95.1 Straftaten mit einer Strafobergrenze von einem Jahr

Freiheitsstrafe
104.5 Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs

95.1a Unerlaubte Erwerbstätigkeit


104.6 Anwendung von § 23 Absatz 2

104.7 Niederlassungserlaubnis für Ehegatten, Lebens-


95.2 Straftaten mit einer Strafobergrenze von drei Jahren

partner und minderjährige Kinder

Freiheitsstrafe

95.3 Versuchsstrafbarkeit
104a Zu § 104a – Altfallregelung
95.4 Einziehung
104a.0 Allgemeines

95.5 Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention


104a.1 Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthalts-
95.6 Handeln auf Grund unrechtmäßig erlangtem Aufent- erlaubnisse nach Absatz 1

haltstitel
104a.2 Volljährige ledige Kinder und unbegleitete Minder-
jährige

96 Zu § 96 – Einschleusen von Ausländern


104a.3 Ausschluss bei Straftaten von Familienangehörigen

96.0 Allgemeines
104a.4 Integrationsvereinbarung

96.1 Grundtatbestand
104a.5 Verlängerung gemäß § 104a Absatz 5

96.2 Qualifikationstatbestand
104a.6 Ausnahmen bei der Verlängerung der Aufenthaltser-
96.3 Strafbarkeit des Versuchs
laubnis zur Vermeidung von Härtefällen
96.4 Schleusungen in das Hoheitsgebiet der Mit- 104b Zu § 104b – Aufenthaltsrecht für integrierte Kinder
gliedstaaten der Europäischen Union, der Republik
von geduldeten Ausländern
Island und des Königreichs Norwegen

96.5 Erweiterter Verfall


105 Zu § 105 – Fortgeltung von Arbeitsgenehmigungen
105.1 Arbeitserlaubnis

97 Zu § 97 – Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs-


und bandenmäßiges Einschleusen 105.2 Arbeitsberechtigung

97.0 Allgemeines
105a Zu § 105a – Bestimmungen zum Verwaltungs-
97.1 Einschleusen mit Todesfolge
verfahren
97.2 Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen
106 Zu § 106 – Einschränkung von Grundrechten
97.3 Minder schwerer Fall
107 Zu § 107 – Stadtstaatenklausel
97.4 Erweiterter Verfall

98 Zu § 98 – Bußgeldvorschriften
98.0 Allgemeines

98.1 Fahrlässiges Begehen von Straftatbeständen

98.2 Einzelne Ordnungswidrigkeitentatbestände

Seite 886 GMBl 2009 Nr. 42– 61

1 Zu § 1 – Zweck des Gesetzes; Anwendungs- freiungen vom Erfordernis der Aufenthaltstitel


bereich vorsehen (z. B. NATO-Truppenstatut, Wiener
Übereinkommen über Konsularische Bezie-
1.1 Gesetzeszweck hungen) und/oder zur Ausstellung von Passer-
1.1.1 § 1 Absatz 1 Satz 1 bis 3 enthält die Ziel- satzpapieren verpflichten (Artikel 28 Genfer
bestimmungen des Gesetzes, an denen sich die Flüchtlingskonvention, Artikel 28 Staatenlo-
Ausfüllung von Ermessenstatbeständen zu ori- senübereinkommen). Das SDÜ hat nach seiner
entieren hat. Vorrangiges Ziel ist die Steuerung Überführung in Gemeinschaftsrecht durch den
und Begrenzung der Zuwanderung. Dabei sind Amsterdamer Vertrag nicht mehr die Rechts-
Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie die qualität eines völkerrechtlichen Vertrages, son-
wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen dern von sekundärem Gemeinschaftsrecht. Es
Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu ist daher unmittelbar anwendbar (vgl. Num-
berücksichtigen. mer 1.1.5.3.1).

1.1.2 Nach § 1 Absatz 1 Satz 4 regelt das Gesetz die Das NATO-Truppenstatut und das dazuge-
Einreise und den Aufenthalt von Ausländern. hörige Zusatzübereinkommen enthalten unter
Das Gebiet von inländischen Flughäfen ist un- bestimmten Voraussetzungen für Truppenmit-
geachtet des Erreichens der Grenzkontrollstel- glieder ausländischer Streitkräfte, ziviles Ge-
len Teil des Staatsgebietes der Bundesrepublik folge und deren Angehörige Befreiungen von
Deutschland. Der Transitbereich eines Flug- aufenthaltsrechtlichen Verpflichtungen im
hafens unterliegt in vollem Umfang der deut- Aufenthaltsstaat. Dies gilt insbesondere für
schen staatlichen Hoheitsgewalt. Dasselbe gilt Pass- und Sichtvermerksbestimmungen, Ein-
für das Gebiet von Küstengewässern, Fluss- und Ausreisekontrollen sowie Meldevor-
mündungen und Freihäfen. schriften. Schließt ein Ausländer, der bislang
eines Aufenthaltstitels bedurfte, die Ehe mit
1.1.3 Nach Satz 4 regelt das Gesetz auch die Er- einem i. S. d. NATO-Truppenstatuts privile-
werbstätigkeit von Ausländern. Die Berech- gierten Angehörigen ausländischer Streitkräfte,
tigung zur Erwerbstätigkeit ergibt sich aus dem kommt es zum Ruhen des bisherigen Aufent-
Aufenthaltstitel des Ausländers (vgl. Num- haltsrechts. Im Falle der Ehescheidung oder des
mer 4.2). sonstigen Verlustes der vorgenannten Be-
1.1.4 Das Aufenthaltsgesetz regelt auch das über- freiungen lebt das bisherige Aufenthaltsrecht
geordnete ausländerpolitische Ziel der Integra- wieder auf, soweit es nicht nach § 51 inzwi-
tion, das als wesentlicher Gesetzeszweck im schen erloschen ist. Anders als in den in § 27
Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompe- Absatz 3 AufenthV geregelten Fällen wird ein
tenzen Berücksichtigung findet und damit zu noch nicht beschiedener Antrag des Ehegatten
einer Handlungsmaxime für die mit den aus- auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufent-
länderrechtlichen Entscheidungen betrauten haltstitels dadurch, dass die vorgenannten Be-
Behörden wird. Die Grundsätze der staatlichen freiungen eintreten, gegenstandslos. Ein ent-
Integrationsmaßnahmen sind in den §§ 43 bis sprechender Antrag kann erst nach dem Wegfall
45 niedergelegt. Sie werden ergänzt durch die der vorgenannten Befreiungen wieder gestellt
IntV. werden.

1.1.5 Andere Gesetze i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 5 mit 1.1.5.3 Für nach dem Europäischen Gemeinschafts-
eigenständigen Regelungen für bestimmte Aus- recht freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger
länder sind derzeit insbesondere das und Staatsangehörige der EWR-Staaten und
deren Familienangehörige gilt § 1 Absatz 2
– FreizügG/EU,
Nummer 1.
– AsylVfG,
1.1.5.3.1 Das Europäische Gemeinschaftsrecht hat An-
– HAuslG, wendungsvorrang vor dem Aufenthaltsgesetz.
– SkAufG. Die Verordnungen und Entscheidungen des
Rates und der Kommission haben eine un-
1.1.5.1 Für die Einreise von Asylsuchenden sind ins-
mittelbare Wirkung (Artikel 249 EGV). Das-
besondere Artikel 16a GG sowie §§ 18, 18a, 19
selbe gilt für die Teile des SDÜ und die übrigen
Absatz 3 AsylVfG maßgeblich.
Bestimmungen des Schengen-Acquis, die durch
1.1.5.2 Völkerrechtliche Verträge sind nur dann andere den Amsterdamer Vertrag in Gemeinschafts-
Gesetze i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 5, wenn sie im recht überführt worden sind. Richtlinien der
Wege eines Vertragsgesetzes nach Artikel 59 EU bzw. EG bedürfen der Umsetzung in in-
Absatz 2 Satz 1 GG ratifiziert worden sind und nerstaatliches Recht. Sind Richtlinien nicht
wenn die in ihnen enthaltenen Vorschriften oder nicht ausreichend in innerstaatliches Recht
keine bloßen Staatenverpflichtungen be- umgesetzt worden, gelten nach Ablauf der
gründen, sondern nach ihrem Inhalt und Zweck Umsetzungsfrist die Regelungen der Richtlinie
für eine unmittelbare Anwendung bestimmt als unmittelbar anwendbar, die für eine Einzel-
und geeignet sind (z. B. Genfer Flücht- fallanwendung inhaltlich unbedingt und hin-
lingskonvention, Staatenlosenübereinkom- reichend genau bestimmt sind und nicht selbst
men). Eine unmittelbare Anwendbarkeit ist ge- Verpflichtungen für den Einzelnen begründen.
nerell zu bejahen bei Bestimmungen, die Be- Die mit der Ausführung des Aufenthalts-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 887

gesetzes beauftragten Behörden haben das neten ausländischen Behörden zuständig. Einer
durch die Richtlinien zu erreichende Ziel im Beteiligung der Ausländerbehörde bedarf es
Rahmen bestehender Auslegungs- oder Er- nicht, es sei denn, dies ist ausdrücklich vorge-
messensspielräume zu berücksichtigen. schrieben. Bei der besonderen Erlaubnis, die
etwa aufgrund internationaler Gepflogenheiten
Bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit nationa-
oder zur Wahrung der Gegenseitigkeit für die
len Rechts mit dem Recht der Europäischen
Einreise beispielsweise in der Form eines Vi-
Union, so sollte eine isolierte Entscheidung
sums erteilt wird (so genanntes diplomatisches
einzelner Behörden oder Länder über die
Visum), handelt es sich nicht um einen Aufent-
Nicht-Anwendung nationaler Gesetze wegen
haltstitel i. S. v. § 4.
vermeintlicher Richtlinienwidrigkeit vermie-
den werden. Vielmehr ist eine abgestimmte 1.2.2.2 Die aufenthaltsrechtliche, ausweisrechtliche
Verfahrensweise anzustreben, die zügig her- und sonstige Behandlung von Diplomaten und
beigeführt werden sollte. anderen bevorrechtigten Personen in der Bun-
desrepublik Deutschland findet auf der Grund-
1.2 Anwendungsbereich lage des Rundschreibens des Auswärtigen Am-
tes über Diplomaten und andere bevorrechtigte
1.2.1 Freizügigkeitsgesetz/EU Personen in der jeweils geltenden und im GMBl
1.2.1.1 Ausländer, deren Rechtsstellung durch das Ge- veröffentlichten Fassung statt.
setz über die allgemeine Freizügigkeit von 1.2.2.3 Verzeichnisse über die diplomatischen Mis-
Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – sionen, die konsularischen Vertretungen in der
FreizügG/EU) geregelt ist, sind gemäß § 1 Bundesrepublik Deutschland und die Inter-
FreizügG/EU Staatsangehörige anderer Mit- nationalen Organisationen mit Sitz in der Bun-
gliedstaaten der Europäischen Union (Uni- desrepublik Deutschland sind auf der Internet-
onsbürger) und ihre Familienangehörigen so- seite des Auswärtigen Amtes aufgelistet
wie Staatsangehörige der EWR-Staaten und (www.auswaertiges-amt.de).
ihre Familienangehörigen (§ 12 FreizügG/EU).
1.2.2.4 Eine Zusammenstellung der völkerrechtlichen
1.2.1.2 Auf Grund der fortschreitenden Einigung Eu- Übereinkommen und der damit in Zusammen-
ropas und der weit reichenden Sonderstellung hang stehenden Rechtsvorschriften, aufgrund
des Freizügigkeitsrechts werden Unionsbürger derer Personen, insbesondere Bedienstete aus
und ihre Familienangehörigen grundsätzlich anderen Staaten in der Bundesrepublik
vom Anwendungsbereich des Aufenthalts- Deutschland besondere Vorrechte und Immu-
gesetzes ausgenommen. Es ist auf diese Perso- nitäten genießen, ist in dem vom Bundes-
nen nur anwendbar, wenn dies ausdrücklich ministerium der Justiz jährlich als Beilage zum
durch ein anderes Gesetz bestimmt ist. § 11 BGBl. II herausgegebenen Fundstellennach-
FreizügG/EU erklärt in drei Fällen das Auf- weis B sowie in dem vom Bundesministerium
enthaltsgesetz für anwendbar: der Justiz jährlich als Beilage zum BGBl. I her-
– entsprechende Anwendung der in § 11 Ab- ausgegebenen Fundstellennachweis A enthalten
satz 1 Satz 1 bis 4 FreizügG/EU genannten (www.bgbl.de).
Vorschriften auf Freizügigkeitsberechtigte, 1.2.2.5 Hinsichtlich der Rechtsstellung der Streitkräfte
– entsprechende Anwendung des Aufent- aus den Vertragsstaaten des Nordatlantikver-
haltsgesetzes, wenn dieses eine günstigere trages und der im Rahmen des Nordatlantik-
Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/ vertrages errichteten internationalen militäri-
EU (§ 11 Absatz 1 Satz 5 FreizügG/EU) schen Hauptquartiere (Mitglieder der Truppe
oder und ziviles Gefolge sowie Angehörige) wird auf
– generelle Anwendung des Aufenthalts- das Rundschreiben des Auswärtigen Amtes
gesetzes nach Feststellung des Nichtbeste- über Diplomaten und andere bevorrechtigte
hens oder des Verlustes des Freizügigkeits- Personen in seiner jeweiligen Fassung ver-
rechts (§ 11 Absatz 2 FreizügG/EU). wiesen (siehe Nummer 1.2.2.2).

1.2.2 Völkerrechtliche Ausnahmen 1.2.2.6 Hinsichtlich der Vorrechte und Befreiungen


von Soldaten anderer Staaten wird auf das
1.2.2.1 Die Einreise und der Aufenthalt von Aus- Übereinkommen vom 19. Juni 1995 zwischen
ländern, auf die gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 2 den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages
und 3 das Aufenthaltsgesetz keine Anwendung und den anderen an der Partnerschaft für
findet, werden im Rahmen des Völkerrechts den Frieden teilnehmenden Staaten über
vom Auswärtigen Amt im Einvernehmen mit die Rechtsstellung ihrer Truppen sowie
dem Bundesministerium des Innern durch be- das Zusatzprotokoll (PfP-Truppenstatut,
sondere Bestimmungen geregelt. Soweit diese BGBl. 1998 II S. 1338), die aufgrund des
Bestimmungen für die Einreise und den Auf- Streitkräfteaufenthaltsgesetzes vom 20. Juli
enthalt eine besondere Erlaubnis vorsehen, sind 1995 (BGBl. II S. 554) abgeschlossenen Ver-
für ihre Erteilung, Versagung, Verlängerung einbarungen sowie auf das Rundschreiben des
oder Entziehung das Auswärtige Amt ein- Auswärtigen Amtes über Diplomaten und an-
schließlich der deutschen Auslandsvertretun- dere bevorrechtigte Personen verwiesen (siehe
gen oder die vom Auswärtigen Amt bezeich- Nummer 1.2.2.2).
Seite 888 GMBl 2009 Nr. 42– 61

1.2.2.7 Das Aufenthaltsgesetz findet auf den gemäß Absatz 2 BVFG zuständigen Behörde ein-
§ 27 AufenthV vom Erfordernis eines Aufent- zuholen.
haltstitels befreiten Personenkreis Anwendung
2.1.2 Ist ein Ausländer eingebürgert worden, wird
(Personen bei Vertretungen ausländischer Staa-
sein Aufenthaltstitel gegenstandslos. Die
ten), soweit völkerrechtliche Vereinbarungen
Staatsangehörigkeitsbehörde wird einen vor-
nicht entgegenstehen. Der Aufenthalt dieser
handenen Aufenthaltstitel „ungültig“ stempeln
Ausländer kann gemäß § 12 Absatz 4 zeitlich
und die zuständige Ausländerbehörde unter-
und räumlich beschränkt und von Bedingungen
richten (§ 73 Nummer 1 AufenthV). § 36 Ab-
und Auflagen abhängig gemacht werden, so-
satz 2 und 3 AZRG ist zu beachten. Einem un-
weit hierdurch völkerrechtliche Verpflich-
ter Fortbestehen der bisherigen Staatsangehö-
tungen insbesondere nach dem Wiener Über-
rigkeit Eingebürgerten oder einem Deutschen,
einkommen über diplomatische Beziehungen
der aus einem sonstigen Grund zugleich eine
(WÜD) und dem Wiener Übereinkommen über
oder mehrere fremde Staatsangehörigkeit(en)
konsularische Beziehungen (WÜK) (z. B. Or-
besitzt, darf kein Aufenthaltstitel erteilt wer-
ganisationshoheit der Entsendestaaten, Pflicht
den; ihm kann aber zur Vermeidung von
zu umfassender Unterstützung der auslän-
Schwierigkeiten bei einer Reise in seinen Her-
dischen Mission durch deutsche Behörden)
kunftsstaat im ausländischen Pass oder Passer-
nicht verletzt werden. Dem Aufenthaltsgesetz
satz die Eintragung angebracht werden:
und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels
können allerdings bestimmte Personengruppen, „Der Passinhaber besitzt Aufenthaltsrecht
insbesondere aufgrund ihrer ständigen Ansäs- in der Bundesrepublik Deutschland ...
sigkeit im Bundesgebiet, unterfallen (z. B. im (Datum, Dienstsiegel).“
Bundesgebiet angeworbene Ortskräfte auslän-
2.1.3 Die Behandlung der Pässe und Passersatz-
discher Missionen); vgl. hierzu Rundschreiben
papiere eingebürgerter Personen bzw. die aus-
des Auswärtigen Amtes über Diplomaten und
länderbehördlichen Eintragungen in diesen
andere bevorrechtigte Personen.
Dokumenten bestimmen sich nach den Richtli-
nien des Bundesministeriums des Innern über
die Behandlung ausländischer Pässe, Passer-
2 Zu § 2 – Begriffsbestimmungen
satzpapiere, Personalausweise und Personen-
2.0 Allgemeines standsurkunden in der jeweils geltenden Fas-
sung. Das Eigentumsrecht des ausstellenden
Die in § 2 enthaltenen Begriffsbestimmungen Staates ist zu beachten.
gelten für das gesamte Aufenthaltsgesetz und
die auf seiner Grundlage erlassenen Rechts- 2.1.4 Heimatlose Ausländer sind kraft Gesetzes (§ 12
verordnungen. HAuslG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet be-
rechtigt (siehe Nummer 3.3.4.1.3).
2.1 Begriff des Ausländers
2.2 Erwerbstätigkeit
2.1.1 Ausländer ist jede natürliche Person, die nicht
Deutscher i. S. d. Artikels 116 Absatz 1 GG ist. 2.2.1 Erwerbstätigkeit ist ein Oberbegriff. Er umfasst
Eine Person mit deutscher und zugleich einer sowohl die selbständige Erwerbstätigkeit als
oder mehreren fremden Staatsangehörigkeit(en) auch die Beschäftigung i. S. d. § 7 SGB IV. Die
ist kein Ausländer i. S. d. § 2 Absatz 1. Beruft Definition in § 7 Absatz 1 SGB IV lautet:
sich eine Person darauf, Deutscher zu sein, hat „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit,
sie das Bestehen der deutschen Staatsangehö- insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. An-
rigkeit oder ihre Eigenschaft als Statusdeutscher haltspunkte für eine Beschäftigung sind eine
nach § 82 Absatz 1 nachzuweisen. Die deutsche Tätigkeit nach Weisungen und eine Ein-
Staatsangehörigkeit ist i. d. R. anhand eines gliederung in die Arbeitsorganisation des Wei-
deutschen Personalausweises oder Passes zu sungsgebers.“
belegen. Bei Spätaussiedlern und ihren in den
2.2.2 Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb be-
Aufnahmebescheid einbezogenen Familienan-
ruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Er-
gehörigen (Ehegatte und Abkömmlinge) genügt
fahrungen im Rahmen betrieblicher Berufs-
bis zur Ausstellung eines solchen Personalaus-
bildung (§ 7 Absatz 2 SGB IV).
weises oder Passes die Vorlage einer Be-
scheinigung nach § 15 Absatz 1 oder Absatz 2 2.2.3 Der Begriff der Selbständigkeit ist gesetzlich
BVFG. Bestehen Zweifel, ob die deutsche nicht definiert. Er ergibt sich aus der Umkehr
Staatsangehörigkeit erworben worden ist oder der Kennzeichnungsmerkmale einer abhängi-
noch besteht, ist eine Auskunft der Personal- gen Beschäftigung. Die Abgrenzung zwischen
ausweis- bzw. Passbehörde einzuholen, die ggf. selbständiger Erwerbstätigkeit und Beschäf-
in Zusammenarbeit mit der Staatsangehörig- tigung ist anhand der Kriterien in § 7 Absatz 1
keitsbehörde die entsprechenden Feststellun- SGB IV vorzunehmen. Die Erteilung einer
gen trifft. Bis zur Klärung ist die Person als Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der selbstän-
Ausländer zu behandeln. Bestehen Zweifel, ob digen Erwerbstätigkeit bestimmt sich nach
eine Person nach § 4 Absatz 3 BVFG Status- § 21, wenn die Ausübung der selbständigen
deutscher geworden ist, so ist die Auskunft des Tätigkeit der Hauptzweck des Aufenthalts im
Bundesverwaltungsamtes oder der nach § 100b Bundesgebiet ist; vgl. näher Nummer 21.0.5.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 889

Für die Frage der Abgrenzung zwischen einer 2.3.1.2 Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist ins-
selbständigen Erwerbstätigkeit und einer Be- besondere nicht gesichert, wenn er für sich
schäftigung als Arbeitnehmer kommt es nach selbst einen Anspruch auf Leistungen hat
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
maßgeblich darauf an, ob eine Tätigkeit nach 2.3.1.2.1 – zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
einer Gesamtwürdigung aller Umstände des dem SGB II,
Einzelfalles in persönlicher Abhängigkeit aus- 2.3.1.2.2 – der Grundsicherung im Alter und bei Er-
geübt wird. Kriterien für die Feststellung einer werbsminderung nach SGB XII,
persönlichen Abhängigkeit und damit für das
Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sind ins- 2.3.1.2.3 – der Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB
besondere das Weisungsrecht des Arbeitgebers, XII oder entsprechende Leistungen nach
die Eingliederung in den Betrieb sowie die SGB VIII oder
Vergütung in Gestalt eines monatlichen Ge-
halts. 2.3.1.2.4 – nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
2.2.4 Tätigkeiten, die in den §§ 2 und 4 bis 13 der Auf den tatsächlichen Bezug kommt es nicht
BeschV genannt sind, gelten nach § 16 Satz 1 an.
BeschV nicht als Beschäftigung i. S. d. Aufent-
2.3.1.3 Eine Sicherung des Lebensunterhalts liegt auch
haltsgesetzes, sofern sie nur für bis zu drei Mo-
dann nicht vor, wenn Wohngeld tatsächlich be-
nate innerhalb eines Zeitraums von zwölf Mo-
zogen wird.
naten im Bundesgebiet ausgeübt werden. Das-
selbe gilt nach § 16 Satz 2 BeschV für 2.3.1.4 Dagegen ist der Lebensunterhalt gesichert,
Tätigkeiten von Personen, die nach den §§ 23 wenn der Ausländer Kindergeld, Kinderzu-
bis 30 AufenthV vom Erfordernis eines Auf- schlag und Erziehungsgeld oder Elterngeld
enthaltstitels befreit sind. Die Folge dieser oder öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, die
Ausnahme von der Pflicht zum Besitz eines auf einer Beitragsleistung beruhen (z. B. Leis-
Aufenthaltstitels, die insbesondere visum- tungen aus der Kranken- oder Rentenver-
rechtliche Auswirkungen hat, ist u. a. in § 17 sicherung und das Arbeitslosengeld I) oder ge-
Absatz 2 Satz 1 AufenthV geregelt. Sofern ent- rade zu dem Zweck gewährt werden, dem
sprechende Tätigkeiten selbstständig ausgeübt Ausländer einen Aufenthalt im Bundesgebiet
werden, findet ebenfalls § 17 Absatz 2 zu ermöglichen. Stipendien sollen diesem
AufenthV Anwendung. Vgl. näher Num- Zweck dienen. Der Lebensunterhalt ist auch bei
mer 4.1.3.2.1. Bezug von Leistungen nach dem BAföG, nach
dem Gesetz zur Förderung der beruflichen
2.3 Sicherung des Lebensunterhalts Aufstiegsförderung (AFBG) sowie nach dem
SGB III, Viertes Kapitel, Fünfter Abschnitt
2.3.1 Eine Sicherung des Lebensunterhalts ohne In- (Förderung der Berufsausbildung) gesichert,
anspruchnahme öffentlicher Mittel ist gegeben, auch soweit diese Leistungen zum Teil auf
wenn der Lebensunterhalt entweder aus eige- Darlehensbasis gewährt werden. Dies gilt auch
nen Mitteln des Ausländers oder aus Mitteln in den Fällen der Aufenthaltserlaubnis nach
Dritter, die keine öffentlichen Mittel sind, be- § 16, da BAföG-Leistungen an diesen Perso-
stritten wird. Lebensunterhalt ist dabei die Ge- nenkreis nur in wenigen Fällen geleistet wer-
samtheit der Mittel, die erforderlich sind, um den, die dann dem Ziel dienen, dem Ausländer
den Bedarf eines Menschen zu decken. Eine Si- die Durchführung eines Studiums im Bundes-
cherungsmöglichkeit besteht auch durch einen gebiet zu ermöglichen. Des Weiteren ist bei
Dritten im Rahmen einer Verpflichtungserklä- BAföG-Empfängern der Bezug aufstockender
rung nach § 68. Liegt eine Verpflichtungserklä- Leistungen nach § 22 Absatz 7 SGB II für
rung vor, so führt dies allerdings nicht zwin- Wohnkosten in Fällen, in denen sie bei ihren
gend dazu, dass zugleich auch eine Sicherung nach SGB II geförderten Eltern wohnen, un-
des Lebensunterhalts nach § 5 Absatz 1 Num- schädlich. Dasselbe gilt für BAföG-Empfänger,
mer 1 gegeben ist. Bei der Prüfung dieses Tat- die nach § 7 Absatz 6 SGB II zusätzlich Leis-
bestandes sind vielmehr die Umstände des Ein- tungen nach dem SGB II beziehen können.
zelfalles zu berücksichtigen (vgl. dazu Num-
mer 5.1.1.1). Die Ausländerbehörde soll im 2.3.2 Darüber hinaus setzt die Lebensunterhalts-
Rahmen einer Zustimmung nach § 31 Auf- sicherung des Ausländers voraus, dass er seine
enthV die zur Lebensunterhaltssicherung vor- Unterhaltspflichten gegenüber den in Deutsch-
liegenden Feststellungen und Berechnungen land lebenden Familienangehörigen erfüllen
darlegen. kann. Bei isolierter Betrachtung bezieht sich § 2
Absatz 3 nur auf die Sicherung des Lebens-
2.3.1.1 Die in Artikel 6 GG vorgenommenen Wer-
unterhalts des jeweiligen Antragstellers. Die
tungen wie auch der Verhältnismäßigkeits-
Einbeziehung der Unterhaltspflichten des Aus-
grundsatz sind bei Anwendung von § 2 Ab-
länders ergibt sich jedoch aufgrund gesetzes-
satz 3 zu berücksichtigen. Dem entsprechend
und rechtssystematischer Auslegung:
ist die Inanspruchnahme einzelner Hilfen nach
dem SGB II oder XII in seltenen Ausnah- 2.3.2.1 – In § 2 Absatz 3 Satz 2 werden das Kinder-
mefällen unschädlich, etwa bei Studierenden geld, der Kinderzuschlag und das Erzie-
aufgrund einer Schwangerschaft. hungsgeld oder Elterngeld ausdrücklich aus
Seite 890 GMBl 2009 Nr. 42– 61

der Berechnung der Lebensunterhalts- sind, oder ob die Gefahr der Erwerbslosigkeit
sicherungspflicht herausgenommen. Diese nach Auslaufen des Vertrages nahe liegt. Im Fall
Leistungen – mit Ausnahme des Erzie- der Erwerbstätigkeit sind bei der Berechnung
hungsgeldes und teilweise des Elterngeldes – des verfügbaren Einkommens von dem Er-
werden aber gerade in Bezug auf unter- werbseinkommen sämtliche in § 11 Absatz 2
haltsberechtigte Kinder gewährt und dienen SGB II aufgeführte Beträge abzuziehen, da die-
nicht der Sicherung des Lebensunterhalts se auch bei der Berechnung eines etwaigen leis-
des Elternteils. tungsrechtlichen Anspruchs zu berücksichtigen
sind.
2.3.2.2 – Darüber hinaus unterliegt der Ausländer
ebenso wie ein Deutscher den unterhalts- 2.3.4 Das Aufenthaltsgesetz definiert nicht, wann der
rechtlichen Verpflichtungen des BGB (z. B. Lebensunterhalt gesichert ist. Auch wenn ein
aus §§ 1360, 1601 und 1602 Absatz 2 BGB). Ausländer für sich selbst keine der in Num-
Die Geltung dieser Jedermannpflicht wird mer 2.3.1.2 genannten Leistungen erhält, ist
auch im Aufenthaltsgesetz vorausgesetzt. darauf abzustellen, ob er im konkreten Einzelfall
Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung
2.3.2.3 – Die Notwendigkeit einer Gesamtbetrach- für Arbeitsuchende nach SGB II oder auf Leis-
tung ergibt sich (insbesondere auch in Fa- tungen der Sozialhilfe nach SGB XII hat. Bei der
miliennachzugsfällen) jedoch auch aus dem Bedarfsermittlung sind neben den Regelsätzen
Verständnis der Familie als durch Unter- auch Miet- und Nebenkosten und Beiträge zu
haltspflichten miteinander verbundene Kranken- und Pflegeversicherung sowie alle
Wirtschaftsgemeinschaft. Auch wird bei der weiteren in § 11 Absatz 2 SGB II aufgeführten
Gewährung sozialer Leistungen stets ver- Beträge zu berücksichtigen. Bei Zweifeln ist ggf.
mutet, dass innerhalb einer Haushalts- die örtliche Leistungsbehörde (Träger der
gemeinschaft gemeinsam gewirtschaftet Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialamt)
wird (§ 36 SGB XII) und infolgedessen eine um eine entsprechende Berechnung zu bitten.
Gesamtbetrachtung angestellt. Verbleibt nach dieser fiktiven Berechnung ein
Anspruch auf öffentliche Leistungen, ist der Le-
Die Sicherung des Lebensunterhalts der unter- bensunterhalt nicht gesichert. Einer fiktiven Be-
haltsberechtigten Familienangehörigen ist da- rechnung bedarf es i. d. R. nicht bei Empfängern
her Bestandteil der eigenen Lebensunterhalts- von BAföG-Leistungen. Für diese kann ohne
sicherung. Eine Zusammenrechnung ist hinge- weiteres von gesichertem Lebensunterhalt aus-
gen ausgeschlossen, wenn hierdurch die gegangen werden, da die BAföG-Bedarfssätze
Ehegatten aufenthaltsrechtlich schlechter ste- bedarfsdeckend sind.
hen würden als im Falle einer Trennung. Dies
ist etwa der Fall, wenn ein Ehegatte im Falle der 2.3.4.1 Der Lebensunterhalt kann auch durch Unter-
Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft haltsleistungen von Familienangehörigen ge-
ein eigenes Aufenthaltsrecht (z. B. nach § 31 sichert werden. Der Nachweis, dass im Bun-
Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) hätte, weil sein desgebiet eine zum gesetzlichen Unterhalt ver-
Einkommen ausreicht, seinen eigenen Bedarf pflichtete Person vorhanden ist, reicht für sich
– gemessen an den Maßstäben des SGB II – zu allein nicht aus. Durch Unterhaltsleistungen
decken, so dass die Regelungsvoraussetzungen einer anderen Person ist der Lebensunterhalt
aus § 5 Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2 er- gesichert, wenn und solange sich auch die an-
füllt wären (vgl. BVerfG, Beschluss vom dere Person rechtmäßig in Deutschland aufhält
11. Mai 2007. Az: 2 BvR 2483/06). und den Lebensunterhalt ohne Inanspruch-
nahme öffentlicher Mittel leisten kann. Hält
2.3.3 Die Fähigkeit zur Bestreitung des Lebens- sich die andere Person nicht im Bundesgebiet
unterhalts darf nicht nur vorübergehend sein. auf, hat der Ausländer gemäß § 82 Absatz 1 den
Demnach ist eine Prognoseentscheidung er- Nachweis zu erbringen, dass entsprechende
forderlich, ob der Lebensunterhalt des Aus- Mittel bis zum Ablauf der Geltungsdauer des
länders für die Dauer des beabsichtigten Auf- Aufenthaltstitels verfügbar sind. Berücksichti-
enthalts gesichert ist. Diese Frage ist insbe- gungsfähig sind Geldleistungen und geldwerte
sondere dann zu prüfen, wenn Erziehungsgeld Leistungen, die entweder zu einer Erhöhung
oder Elterngeld bezogen wird, da Erziehungs- des der Familie als Wirtschaftseinheit zur Ver-
geld für maximal 24 Monate und Elterngeld fügung stehenden Einkommens führen (etwa
i. d. R. für maximal 14 Monate gewährt wird Geldüberweisungen) oder zu einer Verringe-
und nicht als Einkommen nach SGB XII gilt, so rung der Ausgabenhöhe führen (etwa kosten-
dass trotz gesicherten Lebensunterhalts den- loses oder deutlich vergünstigtes Wohnen). Der
noch ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe Familienangehörige, der die Unterhaltsleistun-
zum Lebensunterhalt nach SGB XII bestehen gen erbringt, muss nicht mit den Begünstigten
kann. Bei befristeten Arbeitsverträgen ist neben zusammenleben. Familienangehöriger ist jeder
den Gesamtumständen des jeweiligen Einzel- zum Familienkreis Zählende, der gerade auf
falles auch zu berücksichtigen, ob – wie in eini- Grund der familiären Verbundenheit die Un-
gen Wirtschaftszweigen üblich – der ketten- terhaltsleistungen erbringt (etwa auch ein Stief-
artige Abschluss neuer Verträge mit demselben elternteil oder Geschwister). Zur Lebensunter-
Arbeitgeber oder ständig neue Abschlüsse mit haltssicherung bei Stiefkindernachzug vgl.
verschiedenen Vertragspartnern zu erwarten Nummer 32.0.5.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 891

2.3.4.2 Schließlich können auch freiwillige Leistungen länder das umfangreiche Leistungsspektrum,
nicht unterhaltspflichtiger Personen zur Siche- das von einer gesetzlichen Krankenversiche-
rung des Lebensunterhalts i. S. d. § 2 Absatz 3 rung abgedeckt wird, erkennbar nicht in An-
beitragen. Diese Möglichkeit kommt aber für spruch nehmen wird, so dass in diesen Fällen
längerfristige Aufenthalte nur ausnahmsweise eine Krankenversicherung auch dann als aus-
in Betracht. Die Sicherung des Lebensunter- reichend betrachtet werden kann, wenn sie
halts soll i. d. R. aus eigener Kraft, d. h. in erster nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen
Linie durch eigenes Erwerbseinkommen des Krankenversicherung entspricht. Vorausset-
Ausländers bzw. seines Ehepartners erfolgen. zung der Erteilung eines Schengen-Visums zum
Freiwillige Leistungen Dritter sind demgegen- kurzfristigen Aufenthalt von bis zu drei Mona-
über mit erheblichen Unsicherheiten und Ri- ten ist nach Kapitel V der Gemeinsamen Kon-
siken behaftet. Es sind deshalb strenge An- sularischen Instruktion an die diplomatischen
forderungen an den Nachweis der Leistungsfä- Missionen und die konsularischen Vertre-
higkeit des Dritten zu stellen. So muss auf jeden tungen, die von Berufskonsularbeamten geleitet
Fall gewährleistet sein, dass die entsprechenden werden (GKI ABl. C 326 vom 22. Dezember
freiwilligen Leistungen tatsächlich auch über 2005, S. 1 bis 149) grundsätzlich der Nachweis
den erforderlichen Zeitraum erbracht werden. einer ausreichenden Reisekrankenversicherung
auch für Repatriierungs-, ärztliche Nothilfe-
Dies kann etwa dadurch geschehen, dass ein
und Notaufnahmeleistungen im Krankenhaus
selbständiges Schuldversprechen nach § 780
für das gesamte Schengen-Gebiet.
BGB oder eine Verpflichtungserklärung nach
§ 68 abgegeben wird. Die Verpflichtungserklä-
2.3.6 Ausreichende Mittel stehen Studenten, die
rung begründet allerdings für sich genommen
nicht nach dem BAföG gefördert werden, nach
keinen Anspruch zwischen dem Verpflich-
§ 16 dann zur Verfügung, wenn diese dem
tungsgeber und der Bezugsperson, sondern
BAföG-Förderungshöchstsatz (§§ 13 und 13a
vermittelt lediglich eine Rückgriffsmöglichkeit
Absatz 1 BAföG) entsprechen. Dieser wird
öffentlicher Leistungsträger. Ob derartige
jährlich zum Jahresende durch das Bundes-
Schuldversprechen ausreichend sind, kann nur
ministerium des Innern im Bundesanzeiger
im Wege einer Einzelfallwürdigung beurteilt
veröffentlicht.
werden. Da ein Schuldversprechen im Aus-
länderrecht der Belastung öffentlicher Kassen
2.3.7 Als Mindestbetrag für die Lebensunterhalts-
vorbeugen soll, kommt es auf den jeweiligen
sicherung für Forscher nach § 20 gilt nach § 2
Aufenthaltszweck und die jeweilige Aufent-
Absatz 3 Satz 6 ein Betrag in Höhe von zwei
haltsdauer an (siehe dazu auch Num-
Dritteln der Bezugsgröße i. S. d. § 18 SGB IV.
mer 68.1.2). Geht es um einen auf Dauer an-
Das Bundesministerium des Innern gibt den
gelegten Aufenthalt des Ausländers zur Fami-
betreffenden Nettobetrag für das kommende
lienzusammenführung, ist zu fordern, dass der
Jahr jeweils bis zum 31. Dezember des Vor-
Lebensunterhalt dauerhaft gesichert ist.
jahres im Bundesanzeiger bekannt. Stehen dem
2.3.4.3 Hinsichtlich der Sicherstellung des Lebens- Forscher Mittel in Höhe des veröffentlichten
unterhalts im Rahmen eines Ausbildungs- oder Mindestbetrags zur Verfügung, ist in jedem Fall
Studienaufenthalts siehe Nummer 16.0.8. ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass
der Lebensunterhalt gesichert ist. Wird der
2.3.5 Zu dem in § 2 Absatz 3 geforderten Kranken-
Mindestbetrag, z. B. wegen Teilzeitbeschäfti-
versicherungsschutz gehört nicht die Pflege-
gung oder wegen anfänglicher tarifmäßig nied-
versicherung, die einen besonderen Sicherungs-
riger Einstufung nicht erreicht, ist im Wege
grund darstellt (§ 68 Absatz 1 Satz 1) und deren
einer individuellen Prüfung festzustellen, ob
Nachweis aus besonderem Anlass – etwa in den
der Lebensunterhalt nach § 2 Absatz 3 Satz 1
Fällen des § 7 Absatz 1 Satz 3 und der §§ 21, 36
bis 4 gesichert ist (siehe Nummer 2.3.4). Neben
– verlangt werden kann.
dem in der Aufnahmevereinbarung genannten
2.3.5.1 Ausreichender Krankenversicherungsschutz Gehalt sind weitere laufende Einkünfte, wie
liegt im Übrigen vor, wenn der Ausländer in z. B. zugesagte Stipendien, den zur Verfügung
einer gesetzlichen Krankenversicherung kran- stehenden Mitteln zuzurechnen. Bei fehlender
kenversichert ist. Einer weiteren Prüfung be- Sicherung des Lebensunterhalts ist die Aufnah-
darf es in diesem Fall nicht. mevereinbarung nicht wirksam (§ 38f Absatz 2
Nummer 3 AufenthV). Das hat zur Folge, dass
2.3.5.2 Ausreichender Krankenversicherungsschutz die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
kann auch vorliegen, wenn der Ausländer in § 20 nicht erfolgen kann. Die vorstehenden all-
einer privaten Krankenversicherung kranken- gemeinen Grundsätze zur Bedarfsermittlung
versichert ist. In diesem Fall bedarf es einer gelten im Fall des § 2 Absatz 3 Satz 6 nicht.
eingehenden Prüfung anhand des Einzelfalls,
ob ausreichender Krankenversicherungsschutz
vorliegt. Dabei sind u. a. auch der mit dem 2.4 Ausreichender Wohnraum
Aufenthalt verfolgte Zweck sowie die Dauer
des Aufenthalts zu berücksichtigen (vgl. Num- 2.4.0 Der Wohnraum muss einer menschenwürdigen
mer 9c.1.3). So kann bei beabsichtigten Kurz- Unterbringung dienen. Eine abgeschlossene
aufenthalten vermutet werden, dass der Aus- Wohnung wird jedoch nicht verlangt.
Seite 892 GMBl 2009 Nr. 42– 61

2.4.1 Die Voraussetzung „ausreichend“ bezieht sich kel 12 Absatz 2 SDÜ); solche Visa können je-
auf zwei Faktoren: die Beschaffenheit und Be- doch im Rahmen von Vertretungsregelungen,
legung, d. h. die Größe der Wohnung im Hin- die das Auswärtige Amt für den Amtsbereich
blick auf die Zahl der Bewohner. Die Ober- bestimmter Konsulate mit anderen Schengen-
grenze bildet das Sozialwohnungsniveau, d. h. Staaten vereinbart, auch von den Auslands-
es darf keine bessere Ausstattung verlangt wer- vertretungen dieser anderen Schengen-Staaten
den, als sie auch typischerweise Sozialwoh- erteilt werden.
nungen in der jeweils entsprechenden Region
aufweisen. Die Untergrenze bilden die auch für 2.5.3.1 Nach Artikel 21 Absatz 1 SDÜ sind Ausländer,
Deutsche geltenden Rechtsvorschriften der die über einen von einem Schengen-Staat aus-
Länder, also z. B. die Wohnungsaufsichts- gestellten Aufenthaltstitel verfügen, zur Ein-
gesetze oder in Ermangelung solcher Gesetze reise, Durchreise und zum (Kurz-) Aufenthalt
das allgemeine Polizei- bzw. Ordnungsrecht. im gesamten Schengen-Gebiet bis zu drei Mo-
naten berechtigt, soweit sie die in Artikel 5
2.4.2 Ausreichender Wohnraum ist – unbeschadet Absatz 1 Buchstaben a), c) und e) der Verord-
landesrechtlicher Regelungen – stets vorhan- nung (EG) Nummer 562/2006 des Europä-
den, wenn für jedes Familienmitglied über sechs ischen Parlaments und des Rates vom 15. März
Jahren zwölf Quadratmeter und für jedes Fa- 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das
milienmitglied unter sechs Jahren zehn Qua- Überschreiten der Grenzen durch Personen
dratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen (Schengener Grenzkodex; ABl. EG Nummer
und Nebenräume (Küche, Bad, WC) in ange- L 105 S. 1) aufgeführten Einreisevoraus-
messenem Umfang mitbenutzt werden können. setzungen erfüllen und nicht auf der nationalen
Eine Unterschreitung dieser Wohnungsgröße Ausschreibungsliste der betroffenen Vertrags-
um etwa zehn Prozent ist unschädlich. Wohn- partei stehen. Die insoweit berechtigten Aus-
räume, die von Dritten mitbenutzt werden, länder bedürfen demnach für einen kurz-
bleiben grundsätzlich außer Betracht; mitbe- fristigen Aufenthalt bis zu drei Monaten keines
nutzte Nebenräume können berücksichtigt weiteren Aufenthaltstitels. Die jeweils gel-
werden. tenden Aufenthaltstitel ergeben sich aus den
nach Artikel 21 Absatz 3 SDÜ notifizierten Ti-
2.5 Schengen-Visum teln sowie anhand der Anlage 4 der Gemein-
samen Konsularischen Instruktion. Nicht zu
2.5.1 Staatsangehörige der Staaten, die in Anhang I
den Aufenthaltstiteln zählen nach Artikel 2
der aktuellen Fassung der Verordnung (EG)
Nummer 15 Buchstabe b) Schengener Grenz-
Nummer 539/2001 des Rates vom 15. März
kodex die Aufenthaltsgestattung für Asylbe-
2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer,
werber (§ 55 AsylVfG), der erlaubte Aufenthalt
deren Staatsangehörige beim Überschreiten der
nach § 81 Absatz 3 Satz 1, die Aussetzung der
Außengrenzen im Besitz eines Visums sein
Abschiebung nach § 81 Absatz 3 Satz 2, die
müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren
Duldung (§ 60a) sowie die Betretenserlaubnis
Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit
(§ 11 Absatz 2).
sind (ABl. EG Nummer L 81 S. 1) aufgeführt
sind, benötigen für die Einreise in das gemein- 2.5.3.2 Ein Bezugszeitraum für einen dreimonatigen
same Gebiet der Schengenstaaten ein Visum. Kurzaufenthalt ist in Artikel 21 SDÜ nicht
Die Staatsangehörigen der in Anhang II der ausdrücklich festgelegt. Zur Verhinderung von
Verordnung aufgeführten Staaten bedürfen für Missbrauch sind hierbei die durch den Euro-
die Einreise anlässlich eines Kurzaufenthalts für päischen Gerichtshof in der Rechtssache „Bot“
bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006
sechs Monaten vom Tag der ersten Einreise an Rs. C 241/05 – Bot) herausgearbeiteten
kein Visum, sofern sie nicht beabsichtigen, eine Berechnungsgrundsätze heranzuziehen (vgl.
Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. Num- Nummer 6.1.2.3). Missbrauch liegt vor und die
mer 2.2). Der sich anschließende Aufenthalt Interessen der Bundesrepublik Deutschland
nach der Einreise bemisst sich nach Artikel 20 wären gefährdet, wenn sich ein Ausländer auf-
SDÜ. grund von Artikel 21 SDÜ unter Umgehung
2.5.2 Darüber hinaus ergeben sich die wesentlichen aufenthaltsrechtlicher Regelungen des Aufent-
rechtlichen Maßgaben für die Visumerteilung haltsgesetzes insgesamt länger im Bundesgebiet
aus dem SDÜ (siehe hierzu allgemein Num- gewöhnlich aufhielte als in dem Schengen-Staat,
mer 2.5.4). Das Schengen-Visum (siehe § 6 Ab- dessen Aufenthaltstitel er besitzt (Artikel 5
satz 1) wird für einen Kurzaufenthalt bis zu drei Absatz 1 Buchstabe e) Schengener Grenzkodex
Monaten ausgestellt (z. B. für Touristenreisen, i. V. m. § 5 Absatz 1 Nummer 3). Zur Bestim-
Besuchsaufenthalte, Geschäftsreisen, erwerbs- mung des Bezugszeitraums vgl. auch Num-
bezogene Aufenthalte i. S. v. § 16 BeschV) und mer 6.1.8.1.1 ff.
berechtigt nach Maßgabe der Artikel 10, 11 und 2.5.4 Annex: Schengener Durchführungsüberein-
19 SDÜ zum freien Reiseverkehr im Hoheits- kommen (SDÜ)
gebiet der Schengen-Staaten. Für die Erteilung
von Schengen-Visa mit dem Hauptreiseziel 2.5.4.1 Das SDÜ hat zum Ziel, die Kontrollen des
Deutschland sind grundsätzlich die deutschen Personenverkehrs an den gemeinsamen Gren-
Auslandsvertretungen zuständig (vgl. Arti- zen der Vertragsstaaten (Schengen-Binnen-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 893

grenzen) abzuschaffen und den Transport und unmittelbar Rechte und Pflichten für Personen
Warenverkehr zu erleichtern. Gleichzeitig sieht begründen, die sich im Hoheitsgebiet der An-
es eine Reihe von Maßnahmen vor, um dadurch wenderstaaten aufhalten. Bei der Bestimmung,
entstehende Sicherheitseinbußen auszugleichen ob eine Vorschrift unmittelbare Wirkung ent-
(z. B. Harmonisierung der Visumspolitik und faltet, ist vorrangig anhand des Wortlauts zu
des Erteilungsverfahrens, Schaffung einheit- bestimmen, ob die Bestimmung Personen oder
licher Kontrollen an den Schengen-Außen- aber Anwenderstaaten oder deren Behörden zu
grenzen, Einrichtung des SIS, Regelungen zur einem bestimmten Handeln oder Unterlassen
polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit). auffordert. Werden Behörden zu einen be-
stimmten Handeln aufgefordert, bilden die zum
2.5.4.2 Das SDÜ ist – zunächst als völkerrechtlicher Schengen-Recht gehörenden Vorschriften dann
Vertrag – am 26. März 1995 für die Vertrags- eine ausreichende Rechtsgrundlage für das be-
staaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Lu- schriebene Verwaltungshandeln, wobei aller-
xemburg, Niederlande, Spanien und Portugal dings ggf. ergänzende Zuständigkeits- und
und später für Italien, Österreich sowie die Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts
nordischen Staaten Dänemark, Finnland und zu beachten sind.
Schweden und die assoziierten Staaten Island
und Norwegen, die nicht Mitgliedstaaten der 2.5.4.5 Die Regelungen des SDÜ erstrecken sich nur
EU sind, in Kraft gesetzt worden. Im Dezem- auf „Drittausländer“, d. h. auf Personen, die
ber 2007 beschloss der Europäische Rat eine nicht Staatsangehörige eines der Mit-
Ost- und Süderweiterung mit dem Wegfall der gliedstaaten der Europäischen Union sind
Kontrollen an den Binnengrenzen zwischen (Artikel 1 SDÜ). Zu den „Drittausländern“ ge-
Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slo- hören (materiell-rechtlich) auch nicht die
wakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn zum Staatsangehörigen der Schengen-Staaten Island
21. Dezember 2007 (Land- und Seegrenzen) und Norwegen sowie des EWR-Staats Liech-
bzw. zum 30. März 2008 (an den Flughäfen). tenstein und der Schweiz, auf die das mit der
Nachdem der Rat den Beschluss vom Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit-
27. November 2008 über die vollständige An- gliedstaaten geschlossene Freizügigkeitsab-
wendung der Bestimmungen des Schengen-Be- kommen (BGBl. 2001 II S. 810) als gemein-
sitzstandes in der Schweizerischen Eidgenos- schaftsrechtliche Sonderregelung Anwendung
senschaft gefasst hat, sind die Personenkon- findet. Nach Artikel 2 Nummer 6 Schengener
trollen zum 12. Dezember 2008 (Landgrenzen) Grenzkodex ist die Definition nunmehr der
und zum 29. März 2009 (Luftgrenzen) weg- gemeinschaftsrechtlichen Terminologie derge-
gefallen. Gemäß dem Protokoll zum Vertrag stalt angepasst, dass „Drittstaatsangehöriger“
von Amsterdam können sich Irland und das jede Person ist, die nicht Unionsbürger i. S. d.
Vereinigte Königreich am Schengen-Besitz- Artikels 17 Absatz 1 EGV ist und die nicht un-
stand oder an Teilen davon beteiligen. Beide ter Artikel 2 Nummer 5 Schengener Grenz-
Staaten haben hiervon in Teilen Gebrauch ge- kodex fällt. Artikel 2 Nummer 5 Schengener
macht, die jedoch nicht den freien Personen- Grenzkodex definiert „Personen, die das Ge-
verkehr betreffen. meinschaftsrecht auf freien Personenverkehr
2.5.4.3 Nach dem „Protokoll zur Einbeziehung des genießen“. Demnach sind „Drittstaatsange-
Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Eu- hörige“ i. S. d. Schengener Grenzkodex alle
ropäischen Union“, das am 1. Mai 1999 zusam- Personen, die nicht EU-Bürger, EWR-Bürger
men mit dem Amsterdamer Vertrag (BGBl. oder Schweizer und nicht deren Familienange-
1999 II S. 416) in Kraft getreten ist, wurde der hörige sind. Solche Familienangehörigen
damalige „Schengen-Besitzstand“ in das Ge- (Ehegatten oder Lebenspartner sowie die Ver-
meinschaftsrecht überführt und damit zu un- wandten in absteigender Linie, die noch nicht
mittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt
erklärt. Hierdurch wurde er Änderungen und wird oder Verwandte in aufsteigender Linie,
Ergänzungen zugänglich, die auf der Grundlage denen Unterhalt gewährt wird), die die Staats-
der in Artikel 61 ff. EGV enthaltenen Er- angehörigkeit von Drittstaaten besitzen, ge-
mächtigungen erfolgen können; ein völker- nießen ein dem europäischen Freizügigkeits-
rechtlicher Vertrag ist für eine Änderung des recht nachgebildetes „abgeleitetes“ Recht auf
SDÜ nicht länger erforderlich. Wegen dieser Freizügigkeit.
Änderung des Rechtscharakters sind sowohl
das SDÜ als auch die übrigen zum Schengen- 2.5.4.6 Das SDÜ und die übrigen schengenrechtlichen
Besitzstand gehörenden Vorschriften bei der Regelungen finden zudem grundsätzlich nur
Auslegung als unmittelbar geltendes Gemein- auf die dort erwähnten Aufenthalte Anwen-
schaftsrecht zu behandeln, das Anwendungs- dung. Dies sind zum einen die (Kurz-)Auf-
vorrang gegenüber eventuell abweichenden na- enthalte, die den zeitlichen Rahmen von drei
tionalen Rechtsvorschriften besitzt. Der Euro- Monaten je Sechsmonatszeitraum – jeweils ab
päische Gerichtshof ist für die Auslegung der der Einreise gerechnet – nicht überschreiten
Bestimmungen des Schengen-Rechts zuständig. (Artikel 11, 19 SDÜ, Artikel 5 Absatz 1 Schen-
gener Grenzkodex) oder Durchreisen in den
2.5.4.4 Vorschriften des SDÜ und die übrigen Vor- Ausstellerstaat eines Aufenthaltstitels bzw. na-
schriften des Schengen-Rechts können somit tionalen Visums (Artikel 5 Absatz 4 Buch-
Seite 894 GMBl 2009 Nr. 42– 61

stabe a) Schengener Grenzkodex, Artikel 18 fordernis eines Aufenthaltstitels, die im deut-


SDÜ). Zum anderen sind Aufenthalte in Bezug schen Recht durch die §§ 16 bis 25 und 29 Auf-
genommen, bei denen visumbefreite Drittaus- enthV ausgefüllt werden (vgl. zu § 16 AufenthV
länder oder Inhaber eines Aufenthaltstitels die Ausführungen in Nummer 4.1.3.1 ff.).
eines Anwenderstaates vorübergehend in einen
anderen Anwenderstaat reisen (Artikel 20, 21 2.5.4.6.3 Verordnung (EG) Nummer 415/2003 des Rates
SDÜ). vom 27. Februar 2003 über die Erteilung von
Visa an der Grenze, einschließlich der Erteilung
2.5.4.6.1 Verordnung (EG) Nummer 562/2006 des Eu- derartiger Visa an Seeleute auf der Durchreise
ropäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. EG Nummer L 64 S. 1)
15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex
für das Überschreiten der Grenzen durch Per- Die Verordnung regelt unmittelbar die Er-
sonen (Schengener Grenzkodex; ABl. EG teilung von Visa an der Grenze (vgl. Artikel 17
Nummer L 105 S. 1) Absatz 3 Buchstabe c) SDÜ; siehe hierzu im
Einzelnen Nummer 14.2).
Mit dem Schengener Grenzkodex wurden die
Artikel 2 bis 8 des SDÜ sowie weitere Rechts-
akte aufgehoben. Bezugnahmen auf die ge- 2.6 Richtlinie zum vorübergehenden Schutz
strichenen Artikel des SDÜ und die aufgeho-
benen Rechtsakte gelten als Bezugnahme auf Die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom
den Schengener Grenzkodex. 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Ge-
währung vorübergehenden Schutzes im Falle
Der Schengener Grenzkodex hat als Verord- eines Massenzustroms von Vertriebenen und
nung der Europäischen Union Gesetzes- Maßnahmen zur Förderung einer ausgewo-
charakter und gilt seit seinem Inkrafttreten am genen Verteilung der Belastungen, die mit der
13. Oktober 2006 in allen Anwenderstaaten. Aufnahme dieser Personen und den Folgen
Für die neuen Beitrittsstaaten der Europäischen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mit-
Union, in denen das SDÜ noch nicht voll- gliedstaaten (ABl. EG Nummer L 212 S. 12, so
ständig angewendet wird, gelten die Be- genannte Richtlinie zum vorübergehenden
stimmungen des Schengener Grenzkodex in Schutz) wird durch das Aufenthaltsgesetz und
dem Umfang, wie es die Beitrittsakte vorsehen. die AufenthV in das innerstaatliche Recht um-
2.5.4.6.2 Verordnung (EG) Nummer 539/2001 des Rates gesetzt. § 24 regelt den Aufenthaltsstatus und
zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren die Verteilung von Ausländern, die vorüber-
Staatsangehörige beim Überschreiten der Au- gehenden Schutz genießen, § 29 Absatz 4 die
ßengrenzen im Besitz eines Visums sein müs- Familienzusammenführung und § 56 Absatz 3
sen, sowie der Liste der Drittländer, deren den besonderen Ausweisungsschutz. §§ 42 und
Staatsangehörige von dieser Visumpflicht be- 43 AufenthV regeln die Verlegung des Wohn-
freit sind, vom 15. März 2001 (ABl. EG Num- sitzes, § 91 a das Register über die Personen,
mer L 81 S. 1) denen nach der Richtlinie vorübergehender
Schutz gewährt wird, und § 91 b den innerge-
Die Verordnung regelt unmittelbar, welche meinschaftlichen Datenaustausch hierzu.
Staatsangehörigen von Drittländern beim
Überschreiten der Außengrenzen der Mit-
2.7 Langfristig Aufenthaltsberechtigter
gliedstaaten für Kurzaufenthalte visumpflichtig
und welche für Kurzaufenthalte von der Vi- 2.7.1 Absatz 7 enthält die Legaldefinition eines lang-
sumpflicht befreit sind. Artikel 1 Absatz 1 der fristig Aufenthaltsberechtigten i. S. v. Artikel 2
Verordnung bestimmt eine Visumpflicht für Buchtstabe b) der Richtlinie 2003/109/EG des
beabsichtigte Aufenthalte von bis zu drei Mo- Rates vom 25. November 2003 betreffend die
naten. Diese supranationale Bestimmung ent- Rechtsstellung der langfristig aufenthalts-
spricht der Aufenthaltstitelpflicht für die Ein- berechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU
reise nach § 4 Absatz 1. Eine Einreise ohne Vi- 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte Dauer-
sum entgegen dieser Vorschrift ist unerlaubt. aufenthalt-Richtlinie).
Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung befreit die
benannten Personengruppen von der Visum- 2.7.2 Der Begriff umfasst diejenigen Drittstaatsange-
pflicht nach Absatz 1 für geplante Aufenthalte hörigen, die in anderen Anwenderstaaten der
bis zu drei Monaten im Gebiet der Schengen- Daueraufenthalt-Richtlinie die Rechtsstellung
Staaten. Die Befreiung von der Aufenthalts- besitzen. Das Vereinigte Königreich, Irland und
titelpflicht nach der Einreise richtet sich vor- Dänemark beteiligen sich nicht an dieser
rangig nach Artikel 20 Absatz 1 SDÜ. Richtlinie (Erwägungsgrund 25 und 26 der
Daueraufenthalt-Richtlinie). Sie sind daher we-
Einreisen zu geplanten Aufenthalten von über
der zur Umsetzung verpflichtet, noch können
drei Monaten unterliegen grundsätzlich der
sie den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“
Aufenthaltstitelpflicht nach § 4 Absatz 1, so-
i. S. d. Daueraufenthalt-Richtlinie erteilen.
fern keine Ausnahmeregelung nach § 41 Auf-
Auch die Mobilitätsregelungen des dritten Ka-
enthV besteht.
pitels der Richtlinie können folglich auf Aus-
Daneben enthält die Verordnung Öffnungs- länder, die sich in diesen Staaten aufhalten, kei-
klauseln für nationale Befreiungen vom Er- ne Anwendung finden.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 895

2.7.3 Durch die Formulierung „verliehen und nicht Passpflicht ist grundsätzlich eine zwingende
entzogen wurde“ wird klargestellt, dass die Voraussetzung für die erlaubte Einreise (§ 14
Rechtsstellung auf Grund eines Verwaltungs- Absatz 1 Nummer 1) sowie für die Erteilung
aktes auf Antrag und nicht etwa bereits bei Er- eines Aufenthaltstitels oder dessen Verlänge-
füllung der Voraussetzungen erworben wird. rung (§ 5 Absatz 1 Nummer 4 und § 8 Ab-
Zudem wird durch die Worte „und nicht ent- satz 1). Bei der Erteilung und Verlängerung von
zogen“ klargestellt, dass die Rechtsstellung Aufenthaltstiteln sind jedoch Ausnahmen vom
i. S. d. Definition fortbesteht, bis sie entzogen Regelerteilungsgrund der Passpflicht in dem in
wird und nicht etwa bereits dann entfällt, wenn § 5 Absatz 3 genannten Umfang zulässig. Wird
die Voraussetzungen für eine Entziehung gege- die Passpflicht im Bundesgebiet nicht mehr er-
ben sind. füllt, kann ein erteilter Aufenthaltstitel wider-
rufen werden (§ 52 Absatz 1 Nummer 1).
2.7.4 Der Besitz der Rechtsstellung ist regelmäßig
durch einen Aufenthaltstitel nachzuweisen, der 3.0.2 Die Passpflicht besteht unabhängig von der
in einer der Amtssprachen der Europäischen Pflicht zur Mitführung des Passes oder Pas-
Union den Vermerk „Daueraufenthalt-EG“ sersatzes beim Grenzübertritt (§ 13 Absatz 1
trägt (siehe hierzu im Einzelnen Num- Satz 2) und von den ausweisrechtlichen
mer 38.a.1.1.1). Anderslautende nationale Dau- Pflichten gemäß § 48 und nach §§ 56 und 57
eraufenthalts- oder langfristige Aufenthaltstitel AufenthV (z. B. Passvorlagepflicht).
verleihen grundsätzlich keine Rechtsstellung
i. S. d. Daueraufenthalt-Richtlinie. Beim Besitz 3.0.2.1 Ausländer, die nach § 1 Absatz 2 Nummer 1
eines entsprechenden Aufenthaltstitels kann von der Anwendung des Aufenthaltsgesetzes
vermutet werden, dass die Rechtsstellung nicht ausgenommen sind, unterliegen gemäß § 8
entzogen wurde; der Umstand einer Entzie- FreizügG/EU nur einer dort geregelten Aus-
hung würde sich aber im Verfahren nach dem weispflicht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht
neuen § 91 c erweisen. Da die Richtlinie in Ar- (Ordnungswidrigkeit nach § 10 FreizügG/EU)
tikel 15 Absatz 4 aber hinsichtlich der Gel- führt für sich allein nicht zu einer die Freizü-
tendmachung der Rechtsstellung nicht zwin- gigkeit beschränkenden Maßnahme (Artikel 15
gend an die Vorlage eines solchen Aufenthalts- Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Euro-
titels anknüpft, kann der Nachweis der päischen Parlaments und des Rates vom
Rechtsstellung als langfristig Aufenthalts- 29. April 2004 über das Recht der Unions-
berechtigter daneben auch durch eine schrift- bürger und ihrer Familienangehörigen, sich im
liche Bestätigung der Behörden des Mitglied- Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Euro-
staates, ggf. auch dessen Auslandsvertretung in päischen Union frei zu bewegen und auf-
Deutschland geführt werden. In diesem Fall zuhalten, zur Änderung der Verordnung
bedarf es einer sorgfältigen Vergewisserung (EWG) Nummer 1612/68 und zur Aufhebung
durch die Ausländerbehörden, dass die Rechts- der Richtlinien 64/221/EWG, 68/380/EWG,
stellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG,
auch tatsächlich verliehen worden ist. 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365 EWG und
93/96/EWG (ABl. EU Nummer L 229 S. 35, so
2.7.5 Die Darlegungs- und Beweislast für den Besitz genannte Freizügigkeitsrichtlinie) und führt
der Rechtsstellung trifft nach § 82 Absatz 1 den nicht dazu, dass der Aufenthalt unerlaubt ist.
Ausländer, der sich auf die Rechtsstellung be-
ruft. Langfristig Aufenthaltsberechtigte, die in 3.0.2.2 Die Passpflicht erstreckt sich nicht auf die
Deutschland diese Rechtsstellung besitzen, er- Ausländer, die nach § 1 Absatz 2 von der An-
halten zum Nachweis dieser Rechtsstellung den wendung des Aufenthaltsgesetzes ausgenom-
Aufenthaltstitel „Erlaubnis zum Daueraufent- men sind. Hinsichtlich der Ausstellung von
halt-EG“ nach § 9a. Ausländer, die in einem Ausweisen für Mitglieder ausländischer Ver-
anderen Anwenderstaat der Richtlinie die tretungen und internationaler Organisationen
Rechtsstellung eines langfristig Aufenthalts- wird auf Abschnitt VIII des Rundschreibens
berechtigten innehaben und gemäß der Mobili- des Auswärtigen Amtes über Diplomaten und
tätsregelungen des dritten Kapitels der Richt- andere bevorrechtigte Personen in der jeweils
linie zu einem langfristigen Aufenthalt nach gültigen Fassung verwiesen. Staatsoberhäupter
Deutschland weiterwandern, haben einen An- benötigen nach allgemeinen völkerrechtlichen
spruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach Grundsätzen auch bei Privatreisen keinen Pass.
§ 38a.
3.0.3 Ein Verstoß gegen die Passpflicht ist gemäß § 95
Absatz 1 Nummer 1 und 3 strafbewehrt. Ein
Verstoß gegen die Passpflicht und Visumpflicht
3 Zu § 3 – Passpflicht
liegt nicht vor, wenn der Ausländer, der einen
3.0 Allgemeines gültigen Aufenthaltstitel besitzt, aus einem sei-
ner Natur nach lediglich vorübergehenden
3.0.1 Die Passpflicht, also die Pflicht zum Besitz Grund mit einem gültigen und anerkannten
eines gültigen und anerkannten Passes oder Pass das Bundesgebiet verlässt, diesen im Aus-
Passersatzes, erstreckt sich zum einen auf die land verliert und innerhalb der Geltungsdauer
Einreise, zum anderen auf den Aufenthalt des des Aufenthaltstitels mit einem neuen Pass in
Ausländers im Bundesgebiet. Die Erfüllung der das Bundesgebiet einreist.
Seite 896 GMBl 2009 Nr. 42– 61

3.0.4 Ein Pass ist ein Dokument, das von einem Staat Nummer L 81 S. 1) im Rahmen ihres Anwen-
an seine eigenen Staatsangehörigen ausgestellt dungsbereichs festgelegte Visumpflicht oder
wird. Er bedarf der Unterschrift durch den Visumbefreiung von der Staatsangehörigkeit
Passinhaber. Der Pass hat nach überkommenem des einreisenden Ausländers und nicht von dem
Verständnis verschiedene Funktionen. Er be- Papier ab, das zur Erfüllung der Passpflicht
scheinigt, dass die Personendaten (Name, Vor- verwendet wird (eine systematische Ausnahme
name, Geburtsdatum) den Personalien des bilden die Inhaber der in der Verordnung ge-
durch Lichtbild und – außer bei Analphabeten – nannten Dokumente der Sonderverwaltungs-
Unterschrift ausgewiesenen Inhabers des Pa- zonen Hongkong und Macao).
piers entsprechen. Durch den Pass wird die In-
anspruchnahme des Inhabers als eigener Staats- 3.0.8 Durch den Besitz eines gültigen Passes wird
angehöriger im völkerrechtlichen Verkehr er- den Behörden die Feststellung der Identität
klärt. Durch den Pass wird dem Inhaber von und Staatsangehörigkeit sowie der Rückkehr-
seinem Staat grundsätzlich erlaubt, die eigene berechtigung seines Inhabers ohne weiteres
Staatsgrenze in auswärtige Richtung zu über- ermöglicht. Ein gültiger Pass, den ein Staat an
schreiten, und erklärt, dass gegen die Einreise in seine eigenen Angehörigen ausstellt, beinhaltet
die Staaten, für die der Pass gültig ist, keine Be- die völkerrechtlich verbindliche Erklärung des
denken bestehen. Mit dem Pass wird eine Er- ausstellenden Staates, dass der Inhaber ein
laubnis ausgesprochen, die eigene Staatsgrenze eigener Staatsangehöriger ist. Da ausschließlich
zur Einreise in – grundsätzlich – das gesamte der Staat, dessen Staatsangehörigkeit ein Aus-
eigene Hoheitsgebiet zu überschreiten. Ferner länder besitzt, rechtlich zur Feststellung der
wird gegenüber auswärtigen Staaten nach über- Namensführung berechtigt ist, gilt der in
wiegender Auffassung versichert, dass der einem solchen Pass eingetragene Name des
Ausstellerstaat den Inhaber im Rahmen der Inhabers als rechtlich verbindlich festgestellt
Passgültigkeit zurücknimmt. Der Aussteller- (zu Ausnahmen vgl. Nummer 3.0.9). Wird
staat übernimmt den konsularischen Schutz des diese der Rechtssicherheit im internationalen
Passinhabers. Reiseverkehr dienende Funktion des Passes
erfüllt, erübrigt sich somit eine Identitätsfest-
3.0.5 Passersatzpapier – oder kürzer Passersatz – stellung gemäß § 49. Hiervon unberührt blei-
i. S. d. allgemeinen ausländerrechtlichen Sprach- ben die ebenfalls in § 49 geregelten Befugnisse
gebrauchs ist ein Papier, das nach der Bestim- zur Identitätssicherung oder eine Prüfung der
mung der ausstellenden Stelle zumindest auch Echtheit des Passes.
zum Grenzübertritt geeignet und bestimmt ist,
ohne dass es sämtliche Funktionen eines Passes 3.0.9 Artikel 10 Absatz 1 EGBGB sieht vor, dass der
aufweist. Ist ein Passersatz in Deutschland an- Name einer Person dem Recht des Staates un-
erkannt, zugelassen oder eingeführt, so genügt terliegt, dem die Person angehört. Als Durch-
ein Ausländer auch mit dem Passersatz der brechung dieses Prinzips sieht Artikel 10 Ab-
Passpflicht. Ein Papier, das nach dem Willen der satz 2 und 3 EGBGB in bestimmten Fällen die
ausstellenden Behörde nicht zum grenzüber- Möglichkeit vor, das deutsche Namensrecht für
schreitenden Reisen bestimmt ist, sondern aus- den Ehenamen (Absatz 2) oder den Namen des
schließlich andere Funktionen erfüllt, ist nie- Kindes (Absatz 3) zu wählen. Sofern infolge
mals Passersatz. dieser Rechtswahl und etwaigen weiteren Er-
3.0.6 Der anerkannte und gültige Pass oder Passer- klärungen im deutschen Rechtskreis ein Name
satz berechtigt zum ordnungsgemäßen Grenz- geführt wird, der von dem Namen abweicht,
übertritt nach Maßgabe des § 13 sowie nach den der Ausländer nach Heimatrecht hat, ist in
Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a) Schengener Deutschland der nach deutschem Recht be-
Grenzkodex. Einen erforderlichen Aufent- stimmte Name maßgeblich. Der Umstand, dass
haltstitel ersetzt er nicht. der betreffende Ausländer in Deutschland einen
abweichenden Namen führt, hat aber nicht zur
3.0.7 Die Passpflicht und die Pflicht zum Besitz eines Folge, dass der Ausländer nicht mehr einen ab-
Aufenthaltstitels (Visum, Aufenthaltserlaubnis, weichenden Namen nach ausländischem Recht
Niederlassungserlaubnis, Daueraufenthalt-EG) innehat. Insofern wird der Pass oder Passersatz,
bestehen unabhängig voneinander und werden der denjenigen Namen enthält, der nach wie
auch unabhängig voneinander erfüllt oder nicht vor dem Heimatrecht entspricht, nicht inhalt-
erfüllt. Ob für die Einreise und den Aufenthalt lich unrichtig. Die in § 56 Absatz 1 Nummer 3
ein Visum bzw. Aufenthaltstitel erforderlich ist, AufenthV vorgesehene Verpflichtung zur Kor-
hängt, sofern nicht Sonderregeln greifen, nicht rektur besteht also nicht, solange der Name
davon ab, mit welchem Dokument die Pass- nach Heimatrecht im Pass richtig eingetragen
pflicht erfüllt wird. Insbesondere hängt die ist. Es besteht auch keine Verpflichtung zur
durch die Verordnung (EG) Nummer 539/2001 Abgabe von Erklärungen, um im Heimatstaat
des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung den Namen dem Namen anzugleichen, der nach
der Liste der Drittländer, deren Staatsange- deutschem Recht geführt wird.
hörige beim Überschreiten der Außengrenzen
im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der In diesen Fällen der nach deutschem Recht ab-
Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige weichenden Namensführung ist wie folgt zu
von der Visumpflicht befreit sind (ABl. EG verfahren:
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 897

3.0.9.1 In Etiketten für den Aufenthaltstitel und das sen für Flüchtlinge und Staatenlose) ist von der
Visum, in denen der Name wiedergegeben wird Richtigkeit der Eintragungen im Regelfall aus-
und die in den Pass eingeklebt werden, sowie in zugehen. Bei Passersatzpapieren, die mit einem
der Fiktionsbescheinigung ist der Name ein- Visum oder anderen Aufenthaltstitel eines
zutragen, der im Pass verzeichnet ist. Damit Schengen-Staates versehen sind, wird vermutet,
wird verdeutlicht, dass das Etikett zum Pass dass die Identität schon im Erteilungsverfahren
gehört; andernfalls bestünde, etwa auf Reisen, sicher festgestellt wurde. Die zur Verwendung
die Gefahr, dass vermutet wird, der Aufent- im internationalen Reiseverkehr bestimmten
haltstitel gehöre nicht zum Pass, sei also ge- Grenzübertrittsdokumente müssen generell
fälscht. Auf dem Etikett ist im Feld für An- zumindest das Geburtsdatum des Passinhabers
merkungen oder auf einem Zusatzblatt (im sowie Ausstellungs- und Ablaufdatum gemäß
Beispielsfalle einer Wahl des Namens „Mus- dem Gregorianischen Kalender unter Verwen-
termann“) folgender Vermerk anzubringen: dung der international gebräuchlichen arabi-
schen Ziffern enthalten. Datumseintragungen
– bei einer Wahl des Ehenamens:
ausschließlich nach sonstigen Zeitrechnungen
„Der Inhaber führt in Deutschland den sind mit den langjährigen völkerrechtlichen
Ehenamen MUSTERMANN.“ Gepflogenheiten und den ICAO-Standards
– bei einer Wahl des Kindesnamens: (hier: maschinenlesbare Dokumente, Num-
mer 10.1 von Teil 1 des Doc. 9303) unvereinbar.
„Die Inhaberin führt in Deutschland den Insofern handelt es sich hierbei um eine ele-
Namen Erika MUSTERMANN.“ mentare ungeschriebene Voraussetzung zur Er-
3.0.9.2 Werden deutsche Passersatzpapiere ausgestellt, füllung der gesetzlichen Passpflicht i. S. d. § 3
wird dadurch nicht völkerrechtlich verbindlich Absatz 1.
der Name festgestellt. Deutsche Behörden sind 3.0.11 Beabsichtigt der Passbewerber in Kürze zu
daher nicht gezwungen, das Namensrecht des heiraten, so kann, wenn sofort eine Auslands-
Heimatstaates anzuwenden, sondern nur das reise angetreten werden soll und sich der Fami-
deutsche Namensrecht. Umgekehrt sollte we- lienname ändert, der Pass schon vor der Ehe-
gen des Gebrauchs des Dokuments in aus- schließung mit dem neuen Namen hergestellt
wärtigen Staaten, wo das deutsche Namens- werden. Als Beginn der Gültigkeitsdauer ist der
recht keine Rolle spielt, ein nach ausländischem Tag der Eheschließung einzutragen. Die Aus-
Recht weiter geführter Name aufgeführt wer- händigung des Passes darf jedoch erst nach der
den. Als Namen sind die nach deutschem Recht Eheschließung erfolgen. Vor der Aushändigung
geführten Namen anzugeben, allerdings der des Passes ist die Namensführung anhand der
nach ausländischem Recht geführte Namen in Heiratsurkunde oder des Familienbuches zu
Klammern zuzusetzen, und zwar (beispiels- überprüfen.
weise, wenn der Inhaber nach deutschem Recht
Stefan Mustermann und nach ausländischem
Recht Ploni Almoni heißt) in der Form: 3.1 Erfüllung der Passpflicht

Name: MUSTERMANN (ALMONI) 3.1.1 Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 kann ein Ausländer,
Vornamen: Stefan (Ploni) der in das Bundesgebiet einreist oder sich darin
aufhält, die Passpflicht durch Besitz eines aner-
und als amtlicher Eintrag erläuternd auf einer kannten und gültigen Passes oder Passersatzes
leeren Dokumentenseite aufzunehmen: erfüllen, sofern nicht durch Rechtsverordnung
„Der Name des Inhabers lautet nach deut- eine Befreiung geregelt oder im Einzelfall nach
schem Recht Stefan MUSTERMANN und § 3 Absatz 2 eine Ausnahme zugelassen wurde.
nach dem Recht des Staates, dem er ange-
3.1.2 Kann ein Ausländer einen anerkannten und
hört, Ploni ALMONI.“
gültigen Pass oder Passersatz nicht in zumut-
3.0.9.3 Die Ausstellungsvoraussetzungen für einen barer Weise erlangen, genügt der Ausländer ge-
Reiseausweis für Ausländer liegen in den ge- mäß § 48 Absatz 2 – im Inland, aber nicht beim
nannten Fällen nicht allein wegen der unter- Grenzübertritt – seiner Passpflicht durch Besitz
schiedlichen Namensführung vor, wenn der eines Ausweisersatzes (§ 3 Absatz 1 Satz 2
betroffene Ausländer einen gültigen und aner- i. V. m. § 48 Absatz 2). § 3 Absatz 1 Satz 2 hat
kannten ausländischen Pass oder Passersatz be- klarstellenden Charakter. Die Erfüllung der
sitzt. Passpflicht durch den Besitz eines Ausweis-
ersatzes lässt die Verpflichtung zur Passbe-
3.0.10 Stellt hingegen ein auswärtiger Staat einen schaffung nach § 48 Absatz 3 und die Pflichten
Passersatz an eine Person aus, die dieser Staat nach § 56 AufenthV unberührt.
nicht als eigenen Staatsangehörigen in An-
spruch nimmt, wird die in Nummer 3.0.8 er- 3.1.3 Ausländer, die das 16. Lebensjahr noch nicht
wähnte Feststellungsbefugnis nicht ausgeübt, vollendet haben, können die Passpflicht auch
sondern nur der Inhaber bezeichnet. Wie weit durch Eintragung in den Pass eines gesetzlichen
die Indizwirkung der Eintragungen im Passer- Vertreters erfüllen (§ 2 Satz 1 AufenthV); ab
satz reicht, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. dem zehnten Lebensjahr muss ein Lichtbild des
Zu den in § 3 Absatz 1 und 3 AufenthV ge- Kindes in einen solchen Pass eingebracht wor-
nannten Papieren (insbesondere Reiseauswei- den sein (§ 12 Satz 2 AufenthV). Die Eltern sind
Seite 898 GMBl 2009 Nr. 42– 61

verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder ländischen Staat übermittelt wird. Sie wirkt
der Passpflicht genügen (§ 80 Absatz 4). Die konstitutiv, weil § 3 Absatz 1 zur Erfüllung der
Ausländerbehörde soll die Eltern auf diese Passpflicht die Anerkennung voraussetzt.
Verpflichtung hinweisen.
3.1.7 Bei den Anerkennungsentscheidungen des
3.1.4 Das Merkmal „Besitz“ eines Passes oder Pass- Bundesministeriums des Innern handelt es sich
ersatzes ist auch dann erfüllt, wenn der Aus- um Allgemeinverfügungen i. S. d. § 35 Satz 2
länder den Pass oder Passersatz zwar nicht VwVfG. Sie werden im Bundesanzeiger be-
mitführt, jedoch der Ausländerbehörde oder kannt gegeben. Zu beachten sind neben den
den mit der Durchführung dieses Gesetzes be- später erlassenen weiteren Allgemeinverfügun-
auftragten Behörden binnen angemessener Frist gen die Regelungen in der Allgemeinverfügung
nachweist, dass er über einen gültigen und an- vom 3. Januar 2005 (BAnz. S. 745) zu neuen
erkannten Pass oder Passersatz verfügt (§ 82 Mustern: Folgemuster gelten als vorläufig an-
Absatz 1). Ein Verstoß gegen die Passpflicht erkannt, bis über die Folgeanerkennung ent-
liegt nicht vor, wenn der Pass in Verwahrung schieden ist. Gleiches gilt nach den in der All-
genommen wurde (§ 50 Absatz 6, § 21 Absatz 1 gemeinverfügung enthaltenen Maßgaben für
AsylVfG). Asylantragsteller sind verpflichtet, neue Muster, über die noch keine Entscheidung
den Pass oder Passersatz den mit der Aus- getroffen worden ist. Bestehen Zweifel, ob das
führung des AsylVfG betrauten Behörden Muster eines von dem Ausländer vorgelegten
zu überlassen (§ 15 Absatz 2 Nummer 4 Dokuments einem für Deutschland gültigen
AsylVfG). Für die Dauer der Überlassung des Nationalpass oder einem zugelassenen Passer-
Passes oder Passersatzes wird dem Ausländer satz entspricht, hat die Ausländerbehörde über
auf Antrag ein Ausweisersatz (Anlage D1 zur die oberste Landesbehörde beim Bundes-
AufenthV) ausgestellt, wenn er einen Aufent- ministerium des Innern anzufragen. Dies gilt
haltstitel besitzt oder die Abschiebung aus- – unbeschadet einer strafrechtlichen Verfolgung
gesetzt ist (§ 55 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 (z. B. wegen Urkundenfälschung) – nicht, wenn
AufenthV). § 50 Absatz 6 bleibt unberührt. es sich um einen gefälschten oder verfälschten
Asylantragsteller erhalten für die Dauer des ausländischen Pass oder Passersatz handelt. Die
Asylverfahrens eine Bescheinigung über die Grenzbehörden wenden sich in Zweifelsfällen
Aufenthaltsgestattung, wenn sie nicht im Besitz an das Bundespolizeipräsidium, das seinerseits
eines Aufenthaltstitels sind (§ 63 AsylVfG). Für das Bundesministerium des Innern befassen
die Dauer des Asylverfahrens genügen sie ihrer kann. Allein die im Bundesanzeiger jeweils
Ausweispflicht mit der Bescheinigung über veröffentlichte Entscheidung ist rechtlich maß-
die Aufenthaltsgestattung (§ 64 AsylVfG). Die gebend (§ 43 Absatz 1 Satz 2 VwVfG).
Herausgabe des Passes an Asylantragsteller
richtet sich nach § 21 Absatz 5, § 65 AsylVfG. 3.1.8 Während sich die Anerkennung eines Passes
Eine Ablichtung des Passes oder Passersatzes ist oder Passersatzes auf ein bestimmtes Muster
zu den Akten zu nehmen. bezieht, das der Entscheidung zugrunde liegt,
handelt es sich im Gegensatz dazu bei der Zu-
3.1.5 Die Passpflicht ist in erster Linie auf den Besitz lassung eines Passersatzes um die abstrakte Be-
eines gültigen und anerkannten Passes oder stimmung, dass ein amtlicher Ausweis für die
Passersatzes gerichtet. Die Ausstellung eines Erfüllung der Passpflicht ausreichend ist. Eine
deutschen Passersatzes richtet sich in den Fällen solche Zulassung sieht § 3 Absatz 1 und 3 Auf-
des § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 enthV vor. Dokumente, die unter diese Vor-
AufenthV nach den Vorschriften der §§ 5 ff. schrift fallen, bedürfen keiner Anerkennung.
AufenthV, in den Fällen des § 4 Absatz 1 Satz 1 Mitteilungen des Bundesministeriums des In-
Nummer 5 bis 7 AufenthV nach den maßgeb- nern zur Anerkennung solcher Dokumente ha-
lichen gemeinschaftsrechtlichen und völker- ben rein nachrichtliche Funktion. Hingegen
rechtlichen Vorschriften bzw. innerstaatlichen handelt es sich bei Entscheidungen nach § 3
Transformationsvorschriften. Die Ausländer- Absatz 2 AufenthV um Allgemeinverfügungen,
behörde hat die Erfüllung der Passpflicht im die im Bundesanzeiger bekannt gemacht wer-
Zusammenwirken mit dem Bundesamt für den.
Migration und Flüchtlinge – Ausländerzentral-
register – zu überwachen. 3.1.9.1 Bei Proxy-Pässen handelt es sich um authenti-
sche Passformulare, die von einem autorisierten
3.1.6 Ein ausländischer Pass oder Passersatz ist nur Amtsträger ausgestellt wurden, wobei sich der
dann für die Erfüllung der Passpflicht geeignet, Antragsteller bei Ausstellung von einem Mit-
wenn er anerkannt oder allgemein zugelassen telsmann vertreten lässt, der zur Ausfertigung
ist. Ein Pass oder Passersatz wird auf Grund ein Lichtbild und eine Unterschriftsprobe zum
§ 71 Absatz 6 vom Bundesministerium des In- Einscannen an den Passbeamten überbringt und
nern oder von der von ihm bestimmten Stelle anschließend den Pass an den eigentlichen In-
im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt aner- haber übergibt bzw. diesem zukommen lässt.
kannt. Die Anerkennung ist jeweils auf ein be-
stimmtes Muster bezogen (beispielsweise: 3.1.9.2 Proxy-Pässe sind u. a. aufgrund ihrer fehlenden
„Dienstpass der Republik X“), das dem Bun- Visa sowie Ein- und Ausreisevermerke bei
desministerium des Innern entsprechend der Vorlage im Bundesgebiet erkennbar. Anstatt
gängigen internationalen Praxis vom aus- einer Originalunterschrift ist regelmäßig eine
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 899

eingescannte Unterschrift mit erkennbaren Angabe des Ortes und des Datums, Unter-
Rändern vorhanden. Darüber hinaus ist häufig schrift und einem Abdruck des Dienstsiegels zu
feststellbar, dass sich der Passinhaber zum versehen.
Ausstellungszeitpunkt nachweislich im Bun-
desgebiet aufgehalten hat, obwohl der Pass 3.1.12 Wird einem Ausländer ein neuer Pass aus-
außerhalb Deutschlands ausgestellt wurde. gestellt, wird ein in dem alten Pass einge-
tragener und noch gültiger Aufenthaltstitel un-
3.1.9.3 Für die Beurteilung, ob ein grundsätzlich aner- ter Verwendung des entsprechenden amtlichen
kannter ausländischer Pass oder Passersatz un- Vordrucks in den neuen Pass übertragen. Der
gültig ist, gelten unbeschadet völkerrechtlicher Vordruck ist mit dem Vermerk: „Übertrag des
Regelungen die Regelungen, die der Aussteller- Aufenthaltstitels“ samt Ort, Datum, Dienst-
staat hierzu trifft. So bestimmt sich nach dem siegel und Unterschrift zu versehen. Hat die
Recht des Ausstellerstaates, ob Pässe, die durch übertragende Behörde den Aufenthaltstitel
einen Vertreter des Antragstellers durch diesen nicht selbst erteilt, so ist auch zu vermerken,
beantragt und in einem postalischen Verfahren welche Behörde (§ 71 Absatz 1 und 2) den
erteilt worden sind (so genannte „Proxy-Päs- Aufenthaltstitel erteilt hat. Die Amtshandlung
se“), gültig sind oder nicht. Einige Staaten er- ist gebührenpflichtig (§ 47 Absatz 1 Num-
klären Proxy-Pässe für ungültig, während an- mer 11 AufenthV).
dere Staaten, auch westliche Industriestaaten,
postalische Verfahren für die Ausstellung von 3.1.13 Durch Rechtsverordnung von der Passpflicht
Folgepässen vorsehen. Das Bundesministerium befreit sind Ausländer nur in den Fällen des
des Innern entscheidet im Einzelfall über die § 14 AufenthV (Rettungsfälle). Diese Befreiung
Anerkennungsfähigkeit von „by-Proxy“-Päs- endet, wenn dem Ausländer situationsbedingt
sen in Form einer Allgemeinverfügung nach die Beschaffung eines Passes oder Passersatzes
§ 71 Absatz 6, die im Bundesanzeiger bekannt (ggf. eines deutschen Dokuments) zumutbar ist.
gemacht wird. Im Zweifel ist hier ein großzügiger Maßstab
anzusetzen und flexibel zu verfahren. Den be-
3.1.10 Nach § 56 Absatz 1 Nummer 8 AufenthV muss
fassten Behörden wurde, um Rettungsmaß-
der Ausländer die Anbringung von Vermerken
nahmen nicht durch aufenthaltsrechtliche For-
über die Ein- und Ausreise, über das Antreffen
merfordernisse zu behindern, durch eine offene
im Bundesgebiet sowie über Maßnahmen und
Formulierung in § 14 Satz 2 AufenthV bewusst
Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz
ein großer Spielraum eingeräumt. In Rettungs-
dulden. Die Anbringung anderer Eintragungen
fällen ist aber im Ausgleich hierzu dafür zu
oder Vermerke im Pass oder Passersatz ist
sorgen, dass die Behörden den Vorgang von sich
grundsätzlich unzulässig, sofern nicht euro-
aus verfolgen und die wesentlichen Sachver-
päisches Recht weiter gehende Vorschriften
halte aktenkundig machen.
enthält. Im Pass oder Passersatz eines Aus-
länders dürfen somit keine Eintragungen vor-
genommen werden, die erkennen lassen, dass er 3.2 Befreiung von der Passpflicht
seine Anerkennung als Asylberechtigter oder
die Feststellung nach § 60 Absatz 1 begehrt. Nach § 3 Absatz 2 kann das Bundesministe-
Des Weiteren darf die Beantragung eines Auf- rium des Innern oder die von ihm bestimmte
enthaltstitels nicht im Pass oder Passersatz ver- Stelle in begründeten Einzelfällen vor der Ein-
merkt werden, da damit nicht eine behördliche reise eine Ausnahme von der Passpflicht zulas-
Maßnahme oder Entscheidung dokumentiert sen. Das Bundesministerium des Innern oder
wird. Fiktionsbescheinigungen werden daher die von ihm bestimmte Stelle entscheidet bei der
nicht in den Pass oder Passersatz eingeklebt, Erteilung der Ausnahme von der Passpflicht
sondern müssen i. V. m. einem separaten Trä- nach einheitlichen Ermessensgrundsätzen.
gervordruck (Anlage D3 zur AufenthV) ver-
wendet werden (vgl. Nummer 81.5). Eine Im Rahmen des regulären Visumverfahrens
Ausnahme bildet der Vermerk über einen Vi- kann die Ausnahme nur von der für die Aus-
sumantrag, der in Nummer VIII 2 der Gemein- stellung des Visums zuständigen Behörde
samen Konsularischen Instruktion geregelt ist. (Auslandsvertretung) über das Auswärtige Amt
Weiterhin ist es nach Maßgabe des § 4 Absatz 6 beim Bundesministerium des Innern beantragt
AufenthV zulässig, in deutschen Passersatz- werden (vgl. Nummer 5.1.4). In begründeten
papieren einen Hinweis anzubringen, dass „die Einzelfällen (z. B. im Flugzeug verlorener Rei-
Personalangaben auf den eigenen Angaben des sepass) kann jedoch auch bei einer Bundes-
Ausländers beruhen“. polizeibehörde der Antrag auf Zulassung einer
Ausnahme von der Passpflicht vor Einreise be-
3.1.11 Zu der Anbringung von Vermerken, die im Pass antragt werden. Die Behörde, die um die Aus-
oder Passersatz eines Ausländers eingetragen nahme ersucht hat (Auslandsvertretung oder
werden, bestehen überwiegend konkrete Vor- Bundespolizeibehörde), händigt dem Auslän-
gaben oder Ausfüllhinweise. Dies gilt insbe- der den ergangenen Bescheid des Bundesminis-
sondere für die in den Anlagen D2a, D11, D13a, teriums des Innern oder das von der zustän-
D13b und D14 zur AufenthV vorgesehenen digen Bundespolizeibehörde auf einem beson-
Aufkleber und zu Ein- und Ausreisekontroll- deren Blatt angebrachte Visum (Blattvisum)
stempeln. Andere zulässige Vermerke sind mit über die auf maximal sechs Monate befristete
Seite 900 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht – bei Ausländern, die mit ihrem minder-
aus. jährigen deutschen Kind zusammenleben
und zur Ausübung der Personensorge be-
Die Befreiung von der Passpflicht stellt einen
rechtigt sind.
von der Entscheidung über den Visumantrag
unabhängigen Verwaltungsakt dar. Die Befrei- 3.3.1.3 Die Erlangung eines Passes oder Passersatzes ist
ung von der Passpflicht samt Bescheinigung ist grundsätzlich auch nicht zumutbar bei Forde-
gebührenpflichtig (§ 48 Absatz 1 Satz 1 Num- rungen des Heimatstaates nach vorüber-
mer 9 AufenthV). gehender Rückkehr, wenn ein Abschiebungs-
hindernis nach § 60 vorliegt.
3.3 Deutsche Passersatzpapiere für Ausländer
3.3.1.4 Wenn ein Ausländer sich darauf beruft, dass
3.3.0 § 4 Absatz 1 AufenthV enthält eine ab- ihm kein Pass ausgestellt wird, hat er Nach-
schließende Aufzählung der von deutschen Be- weise beizubringen (z. B. Vorlage des Schrift-
hörden auszustellenden Passersatzpapiere. So- verkehrs mit der Auslandsvertretung), dass die
weit nach § 81 AufenthV keine Übergangsre- Ausstellung des Passes aus von ihm nicht zu
gelung besteht, sind deutsche Dokumente, die vertretenden Gründen verweigert wird (§ 82
nicht in der AufenthV aufgeführt sind oder den Absatz 1). Dem steht der Nachweis gleich, dass
in der AufenthV bestimmten Mustern entspre- aus von dem Ausländer nicht zu vertretenden
chen, nicht für den Grenzübertritt und die Er- Gründen der Pass entzogen wurde. Die Aus-
füllung der Passpflicht geeignet. Etwaige son- länderbehörde soll sich ihrerseits bei der zu-
stige oder weitere Berechtigungen, die diese ständigen Auslandsvertretung des fremden
Papiere vermitteln, bleiben unberührt. Insbe- Staates um die Ausstellung eines Passes für
sondere handelt es sich bei Grenzübertrittsbe- Ausreisepflichtige bemühen.
scheinigungen nicht um Passersatzpapiere.
3.3.1.5 Soweit ein Anspruch auf Ausstellung eines
3.3.1 Reiseausweis für Ausländer (§ 4 Absatz 1 Reiseausweises für Flüchtlinge oder eines Rei-
Nummer 1, §§ 5 bis 11 AufenthV) seausweises für Staatenlose besteht, wird kein
3.3.1.1 Die Ausstellung von Reiseausweisen für Aus- Reiseausweis für Ausländer ausgestellt, es sei
länder ist in den §§ 5 bis 11 AufenthV im Ein- denn, der Ausländer möchte in einen Staat rei-
zelnen geregelt. Die Erteilung erfolgt im Er- sen, der den Reiseausweis für Flüchtlinge bzw.
messen der zuständigen Behörde. Neben der den Reiseausweis für Staatenlose nicht aner-
Berücksichtigung der in der Verordnung ge- kennt, jedoch den Reiseausweis für Ausländer.
nannten Kriterien kann die Behörde weitere 3.3.1.6 Der Reiseausweis für Ausländer darf mit Aus-
Erwägungen anstellen. Allgemein soll, vor al- nahme des in § 6 Satz 1 Nummer 3 AufenthV
lem im Hinblick auf die Passhoheit des Her- genannten Falles nur auf Antrag ausgestellt
kunftsstaates, die erhebliche abstrakte Miss- werden. Die Ausstellung darf zudem nur er-
brauchsgefahr und die Interessen der Bundes- folgen, wenn die Voraussetzungen des § 5 Auf-
republik Deutschland, die Ausstellung des enthV erfüllt sind, sofern nicht in § 6 Satz 2
Reiseausweises für Ausländer zurückhaltend AufenthV für einzelne Ausstellungsfälle Ab-
gehandhabt werden. Die Ausstellung setzt in weichendes geregelt ist. Die Ausstellung liegt
jedem Fall voraus, dass der Ausländer einen im Ermessen der Behörde. Grundsätzlich haben
Pass oder Passersatz auf zumutbare Weise nicht die Ausstellungsbehörden bei der Ermessens-
erlangen kann, § 5 Absatz 1 AufenthV. Hierfür entscheidung auch die Dauer der Bindung des
hat der Ausländer entsprechende Nachweise Antragstellers an das Bundesgebiet zu beachten,
beizubringen (vgl. Nummer 3.3.1.4). vgl. § 6 Satz 1 Nummer 1 AufenthV. Ist der
3.3.1.2 Eine Unzumutbarkeit der Erfüllung der Wehr- Aufenthalt nur kurzfristig, bedarf die Aus-
pflicht im Heimatstaat aus zwingenden Grün- stellung einer besonderen Rechtfertigung. Der
den (§ 5 Absatz 2 Nummer 3 AufenthV) liegt Reiseausweis kann zeitgleich mit der Erteilung
regelmäßig vor: des erforderlichen Aufenthaltstitels ausgestellt
werden; vgl. auch § 6 Satz 1 Nummer 2 Auf-
– bei Ausländern der zweiten Generation, die enthV.
vor Abschluss eines Einbürgerungsverfah-
rens stehen, 3.3.1.7 Die Ausstellung eines deutschen Reiseaus-
– bei Ausländern, die mit Deutschen ver- weises für Ausländer berührt die Passhoheit des
heiratet sind, wenn aus der Ehe ein Kind Heimatstaates. Bei nur vorübergehender Pass-
hervorgegangen ist oder wenn ein Kind losigkeit kommt daher die Ausstellung eines
eines Ehegatten im gemeinsamen Haushalt Reiseausweises für Ausländer nur in Betracht,
lebt und in diesen Fällen die eheliche Le- wenn der Ausländer aus zwingenden Gründen
bensgemeinschaft fortbesteht, darauf angewiesen ist (z. B. dringende familiäre
Hilfeleistung im Ausland) und die Ausstellung
– bei Ausländern, die mit Deutschen in ehe- eines Notreiseausweises nicht ausreicht.
licher Lebensgemeinschaft leben, wenn sie
über 35 Jahre alt sind und sich mindestens 3.3.1.8 Auf die Ausstellung eines Reiseausweises für
fünf Jahre rechtmäßig in der Bundes- Ausländer besteht kein Rechtsanspruch. Über
republik Deutschland aufgehalten haben, die Ausstellung ist nach pflichtgemäßem Er-
sowie messen zu entscheiden. Die Ausstellung soll im
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 901

Allgemeinen nur versagt werden, wenn die und Verarbeitungsmedium auf dem Muster der
Ausstellungsvoraussetzungen des § 5 AufenthV Anlage D4c zur AufenthV auszustellen. Auf
nicht erfüllt werden, wenn kein Ausstellungs- Wunsch der gesetzlichen Vertreter können Rei-
grund nach den §§ 6 und 7 gegeben ist, oder seausweise mit Speicher- und Verarbeitungs-
wenn öffentliche Interessen der Bundes- medium bereits vor dem zwölften Lebensjahr
republik Deutschland der Ausstellung ent- ausgestellt werden. Die Eintragung in den Rei-
gegenstehen. Für die Entziehung gelten § 4 seausweis der Eltern ist in keinem Fall mehr
Absatz 7 und 8 AufenthV. zulässig. Ab dem 1. September 2009 sind die
nach dem in Anlage D4d abgedruckten amtli-
Für das Ausfüllen, die Änderung, Umschrei- chen Muster für vorläufige Reiseausweise und
bung und Einziehung von Reiseausweisen, die für Reiseausweise für Kinder zu verwenden
Aufbewahrungsdauer für Passanträge sowie die (§ 80 AufenthV). Auf die Ausfüllhinweise des
Behandlung abgelaufener, ungültig gewordener, Bundesministeriums des Innern sowie den
eingezogener oder in Verlust geratener Reise- Handlungsleitfaden für Ausländerbehörden in
ausweise finden die Bestimmungen für deutsche der jeweils gültigen Fassung wird verwiesen.
Reisepässe entsprechende Anwendung, soweit
hier oder in gesonderten Ausfüllhinweisen 3.3.1.11 Die Gebühren für die Ausstellung von Passer-
nichts anderes bestimmt ist. Entsprechendes gilt satzpapieren richten sich nach den §§ 48 ff.
für die Feststellung, ob ein Reiseausweis gültig AufenthV. Da die Rechtsgrundlage zur Er-
oder ungültig ist. hebung von Gebühren für Amtshandlungen
nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 69) nicht für
3.3.1.9 In Umsetzung der Verordnung (EG) Num-
abweichungsfest bestimmt worden ist (vgl.
mer 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember
§ 105a), steht es den Ländern frei, unter Wah-
2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale
rung der völkerrechtlichen Verpflichtungen
und biometrische Daten in den von den Mit-
und gebührenrechtlichen Grundsätze für Rei-
gliedstaaten ausgestellten Pässen und Reise-
seausweise für Ausländer abweichende Rege-
dokumenten (ABl. EU Nummer L 385 S. 1)
lungen zu treffen.
wird der Reiseausweis für Ausländer nach dem
in Anlage D4c zur AufenthV abgedruckten 3.3.1.12 Nach Maßgabe des § 6 Satz 1 Nummer 3 und
amtlichen Muster seit dem 1. November 2007 Satz 2 AufenthV darf ein Reiseausweis für
von der Bundesdruckerei auf Antrag der Aus- Ausländer abweichend von § 5 Absatz 2 bis 4
länderbehörden zentral hergestellt und perso- AufenthV ausgestellt werden, um dem Aus-
nalisiert. Der bisherige Vordruck in Anlage D4a länder die endgültige Ausreise aus dem Bun-
zur AufenthV ist seit dem 1. Januar 2007 nur desgebiet zu ermöglichen. Die Gültigkeitsdauer
noch zur Ausstellung vorläufiger Reiseausweise ist auf den für diesen Zweck erforderlichen
für Ausländer ohne Speicher- und Verarbei- Zeitraum zu beschränken. In diesen Fällen ist
tungsmedium und befristet bis zum 31. August der Heimatstaat nicht aus dem Geltungsbereich
2009 weiter zu verwenden. Der vorläufige auszuschließen.
Reiseausweis für Ausländer ist – auch nach
Verlängerung – mit einer maximalen Gültigkeit 3.3.1.13 Gültigkeitsdauer und Geltungsbereich des Rei-
von insgesamt nicht mehr als einem Jahr in den seausweises für Ausländer sind in §§ 8 und 9
Ausländerbehörden auszustellen (§ 4 Absatz 1 AufenthV geregelt. Reiseausweise mit Speicher-
Satz 3 AufenthV). Reiseausweise mit bis zu und Verarbeitungsmedium sind nicht verlän-
einjähriger Gültigkeit gelten als „vorläufige gerbar. Bei Reiseausweisen ohne Speicher- und
Passersatzpapiere“, ohne dass es eines ent- Verarbeitungsmedium ist auch bei der Ver-
sprechenden Eintrags („vorläufig“) in den Pass längerung nach § 5 Absatz 5 AufenthV zu prü-
bedarf. fen, ob die Ausstellungsvoraussetzungen noch
erfüllt sind. Entfallen die Ausstellungsvoraus-
3.3.1.10 Die Verlängerung von alten, bereits ausge- setzungen vor Ablauf der Gültigkeit, ist der
stellten Reiseausweisen ist nicht möglich. Der Reiseausweis i. d. R. zu entziehen (§ 4 Absatz 7
vorläufige Reiseausweis ist nur in Eilfällen, das Satz 1 AufenthV).
heißt dann, wenn die Produktionsdauer eines
Reiseausweises mit Speicher- und Verarbei- 3.3.2 Die nach § 12 Absatz 1 AufenthV ausgestellten
tungsmedium die Reise des Ausländers ver- Grenzgängerkarten sind keine Passersatz-
eiteln würde, auszustellen. Der Eilfall ist be- papiere mehr (§ 4 Absatz 1 AufenthV). Die in
sonders darzulegen. Grundsätzlich sind alle Anlage D5 zur AufenthV abgedruckten Muster
Passersatzpapiere mit Speicher- und Verar- wurden ab dem 1. Januar 2008 von den dann zu
beitungsmedium auszustellen. Eine Wahlfrei- verwendenden Mustern der Anlage D5a Auf-
heit zwischen Reiseausweisen mit und ohne enthV abgelöst (§ 80 Satz 3 AufenthV). Grenz-
Speicher- und Verarbeitungsmedium (vorläu- gängerkarten fördern die Freizügigkeit von
fige Reiseausweise) besteht nicht. Seit dem Unionsbürgern, die ansonsten beim Umzug in
1. November 2007 erhalten Kinder einen eige- einen anderen angrenzenden Mitgliedstaat be-
nen Reiseausweis. Bis zum zwölften Lebensjahr fürchten müssten, dass ihre Ehegatten oder Le-
ist dafür das Muster der Anlage D4a zur Auf- benspartner, die während des Aufenthalts der
enthV zu verwenden und in den Ausländer- Ehegatten oder Lebenspartner in Deutschland
behörden zu personalisieren. Ab dem zwölften erwerbstätig sein durften, nur wegen des Um-
Lebensjahr ist ein Reiseausweis mit Speicher- zugs nicht mehr ihrer bisherigen Beschäftigung
Seite 902 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nachgehen können. § 12 Absatz 2 AufenthV 3.3.4.0 Die Ausstellung des Reiseausweises für Flücht-
dient der Umsetzung des Freizügigkeits- linge (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AufenthV)
abkommens EU – Schweiz. Die Ausstellungs- richtet sich nach Artikel 28 Genfer Flücht-
dauer und Verlängerung richtet sich nach dem lingskonvention.
Freizügigkeitsabkommen EU – Schweiz, wor-
3.3.4.1 Folgende Ausländer haben im Rahmen eines
auf in der Regelung durch die Verweisung auf
rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet
die „Bedingungen“ des Abkommens ausdrück-
Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises
lich hingewiesen wird.
für Flüchtlinge:
3.3.3 Notreiseausweise (Anlage D6 zur AufenthV) 3.3.4.1.1 – Personen, die vom Bundesamt für Migration
nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AufenthV und Flüchtlinge als Asylberechtigte aner-
werden nach den Vorschriften des § 13 AufenthV kannt worden sind und gleichgestellte Per-
ausgestellt. Ausstellungsberechtigt sind die mit sonen wie:
der Kontrolle des grenzüberschreitenden Ver-
kehrs beauftragten Behörden (§ 13 Absatz 2 – Ausländer, denen bis zum Wirksamwer-
AufenthV) und die Ausländerbehörden (§ 13 den des Beitritts in dem in Artikel 3 des
Absatz 3 AufenthV). Die Grenzbehörden sol- Einigungsvertrages genannten Gebiet
len die Ausstellung von Notreiseausweisen re- Asyl gewährt worden ist (§ 2 Absatz 3
striktiv handhaben. Die Ausländerbehörden AsylVfG),
können wegen seiner Nachrangigkeit gegen- – Familienangehörige eines Asylberech-
über anderen Passersatzpapieren einen Not- tigten, die nach § 26 AsylVfG als Asyl-
reiseausweis nur ausstellen, wenn die Beschaf- berechtigte anerkannt worden sind,
fung eines anderen – deutschen oder nicht-
deutschen – Passes oder Passersatzpapiers etwa – Familienangehörige eines Asylberech-
wegen der gebotenen Eile oder aus sonstigen tigten, denen nach § 7a Absatz 3
Gründen nicht in Betracht kommt. Die Aus- AsylVfG 1982 die Rechtsstellung eines
stellung eines Notreiseausweises als Passersatz Asylberechtigten gewährt wurde,
ist zudem nur zulässig, wenn der Ausländer – Personen, die als ausländische Flücht-
sich in anderer Weise als durch einen Pass oder linge nach der Asylverordnung vom
Passersatz über seine Identität ausweisen kann, 6. Januar 1953 anerkannt worden sind
etwa durch Vorlage eines Personalausweises,
und wenn zudem die Staatsangehörigkeit fest- mit dem Eintrag:
steht. Die Bescheinigung der bereits bestehen- „Der Inhaber dieses Reiseausweises ist als
den Rückkehrberechtigung ist nur durch oder Asylberechtigter anerkannt.“
mit Zustimmung der Ausländerbehörde zuläs-
3.3.4.1.2 – Ausländer, denen das Bundesamt für Mi-
sig. Notreiseausweise können auch ohne diese
gration und Flüchtlinge die Flüchtlings-
Bestätigung ausgestellt werden. Bei Staatsan-
eigenschaft nach § 3 Absatz 4 AsylVfG
gehörigen, die nicht der Visumpflicht unter-
zuerkannt hat oder ihnen gleichgestellte
liegen, ist eine solche Bestätigung i. d. R. ent-
Personen wie Familienangehörige eines
behrlich. Die Bestätigung erfolgt zwar auf dem
Flüchtlings, denen nach § 26 Absatz 4
Vordruck des Notreiseausweises, dennoch
AsylVfG die Flüchtlingseigenschaft zuer-
handelt es sich um eine gesonderte Be-
kannt wurde (Familienflüchtlingsschutz)
scheinigung. Sie ist daher auf Seite 6 des Vor-
drucks gesondert mit Unterschrift und Dienst- mit dem Eintrag:
siegel zu bestätigen; Unterschrift und Dienst-
„Der Inhaber dieses Reiseausweises ist
siegel auf Seite 3 des Vordrucks genügen nicht.
Flüchtling i. S. d. Abkommens über die
Wird die Bescheinigung nicht erteilt, ist Seite 6
Rechtsstellung der Flüchtlinge.“
des Vordrucks durch Durchstreichen oder in
anderer auffälliger und dauerhafter Weise zu 3.3.4.1.3 – Heimatlose Ausländer mit dem Eintrag:
entwerten; Dienstsiegel und Unterschrift dür- „Der Inhaber dieses Reiseausweises ist hei-
fen dann auf Seite 6 nicht angebracht werden. matloser Ausländer nach dem Gesetz über
Mit der Unterschrift auf dem bei der Behörde die Rechtsstellung heimatloser Ausländer
verbleibenden Ausstellungsbeleg bestätigt der im Bundesgebiet vom 25. April 1951 und
Ausländer, dass er darauf hingewiesen wurde, zum Aufenthalt im Gebiet der Bundes-
dass der Notreiseausweis nicht von allen Staa- republik Deutschland berechtigt.“
ten anerkannt wird. Von der Anbringung eines
Lichtbildes kann abgesehen werden, wenn der 3.3.4.1.4 – Kontingentflüchtlinge, die vor dem 1. Ja-
Notreiseausweis lediglich zur Einreise zum nuar 2005 nach dem bis dahin geltenden § 1
Zweck des Landgangs während der Liegezeit Absatz 1 des Gesetzes über Maßnahmen für
ausgestellt wird und ein anderes amtliches Do- im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen auf-
kument mit Lichtbild vorhanden ist. Auf dieses genommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980
Dokument ist im Notreiseausweis zu ver- (BGBl I 1980 S. 1057) die Rechtsstellung
weisen. von Flüchtlingen nach der Genfer Flücht-
lingskonvention genossen haben (vgl.
3.3.4 Reiseausweis für Flüchtlinge (§ 4 Absatz 1 Satz 1 § 103); dies gilt nicht für Personen, die nur
Nummer 3 bzw. Anlage D7 zur AufenthV) in analoger Anwendung des Gesetzes auf-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 903

genommen wurden. Hierzu erfolgt der Ein- Möglichkeit hat Deutschland jedoch einen
trag: Vorbehalt erklärt, der für und gegen
„Der Ausweisinhaber ist als ausländischer Deutschland gilt).
Flüchtling nach § 1 Absatz 1 des Gesetzes Es ist zu beachten, dass das Übereinkommen
über Maßnahmen im Rahmen humanitä- über den Übergang der Verantwortung für
rer Hilfsaktionen, das am 1. Januar 2005 Flüchtlinge nur zwischen europäischen Staaten
außer Kraft trat, aufgenommen worden. Die anwendbar ist und auch insoweit nur eine ein-
Rechtsstellung gilt nach § 103 AufenthG geschränkte Bindungswirkung besteht, da eine
fort.“ Reihe von Staaten das Abkommen nicht oder
3.3.4.1.5 – Ausländer, denen von einem anderen Ver- nur mit Vorbehalten unterzeichnet haben.
tragsstaat des Abkommens über die Rechts- § 51 Absatz 7 greift die o. g. Regelung auf und
stellung der Flüchtlinge die Flüchtlings- verneint den Anspruch eines vom Bundesamt
eigenschaft zuerkannt worden ist, wenn die für Migration und Flüchtlinge anerkannten
Verantwortung für die Ausstellung des Rei- Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem
seausweises auf Deutschland übergegangen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden
ist (Artikel 28 Genfer Flüchtlingskonven- ist, auf erneute Erteilung eines Aufenthalts-
tion i. V. m. § 11 des Anhangs zu diesem titels, wenn dieser das Bundesgebiet verlassen
Abkommen) mit dem Eintrag: hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung
„Der Inhaber dieses Reiseausweises hat des genannten Dokuments auf einen anderen
außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Staat übergegangen ist. Ein Reiseausweis für
Deutschland Anerkennung als Flüchtling Flüchtlinge wird dann nicht mehr ausgestellt.
nach dem Abkommen über die Rechtsstel- Würden Reiseausweise für Flüchtlinge mit
lung der Flüchtlinge gefunden.“ Speicher- und Verarbeitungsmedium an Perso-
3.3.4.2 Reiseausweise für Flüchtlinge mit Speicher- nen nach Vollendung des zwölften Lebens-
und Verarbeitungsmedium werden mit einer jahres mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu
Gültigkeitsdauer von grundsätzlich drei Jahren zehn Jahren ausgestellt, könnte sich der Reise-
ausgestellt. Eine Ausnahme besteht nur für ausweisinhaber für mehrere Jahre im Ausland
Ausländer nach dem HAuslG. Für diese wird aufhalten, ohne dass die Genfer Flüchtlings-
ein Reiseausweis für Flüchtlinge mit einer Gül- konvention in der beschriebenen Form An-
tigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt. Die wendung findet. Zudem könnte sich der Be-
auf drei Jahre beschränkte Gültigkeitsdauer gilt troffene zumindest vorübergehend der Kon-
auch für Inhaber eines längerfristigen Aufent- trolle durch die zuständigen Behörden sowohl
haltstitels. Diese beschränkte Gültigkeitsdauer im Bundesgebiet als auch dem Staat des tat-
für Reiseausweise für Flüchtlinge mit Speicher- sächlichen Aufenthaltes entziehen; unabhängig
und Verarbeitungsmedium, die an Personen davon, ob dieser Staat die Konvention unter-
nach Vollendung des zwölften Lebensjahres zeichnet hat. Negative Beeinträchtigungen der
ausgestellt werden, ist u. a. eine Konsequenz aus deutschen Sicherheitsinteressen können dabei
§ 11 des Anhangs zur Genfer Flüchtlings- nicht ausgeschlossen werden.
konvention. Danach geht gemäß Artikel 28 3.3.4.3 In den ab dem 1. November 2007 bis zum
dieser Konvention die Verantwortung für die 31. August 2009 zu verwendenden Vordrucken
Ausstellung eines neuen Ausweises auf den an- (Anlage D7 zur AufenthV für vorläufige Reise-
deren Staat über, wenn sich ein Flüchtling ausweise und Reiseausweise für Kinder und
rechtmäßig im Gebiet eines anderen ver- Anlage D7a zur AufenthV für Reiseausweise
tragschließenden Staates niederlässt. Konkre- mit Speicher- und Verarbeitungsmedium) ist ein
tisiert wird diese Regelung in Artikel 2 und 3 Vermerk vorgedruckt, wonach sich die Rück-
des Übereinkommens über den Übergang der kehrberechtigung nach der Gültigkeitsdauer
Verantwortung für Flüchtlinge vom 30. Sep- des Reiseausweises richtet. Gleiches gilt für den
tember 1994 (BGBl. 1994 II S. 2645). Demnach ab dem 1. September 2009 zu verwendenden
geht die Zuständigkeit für die Erneuerung des Vordruck Anlage D7b zur AufenthV. Auf die
Reiseausweises unter den nachstehenden Vor- Ausfüllhinweise des Bundesministeriums des
aussetzungen auf einen anderen Staat über: Innern sowie den Handlungsleitfaden für Aus-
– zwei Jahre tatsächlicher und dauernder länderbehörden in der jeweils gültigen Fassung
Aufenthalt mit Zustimmung der Behörden sowie auf Nummer 3.3.1.9 wird verwiesen.
des anderen Staates,
3.3.4.4 Sofern der Geltungsbereich des Reiseausweises
– Gestattung des dauernden Aufenthalts nicht nach § 4 des Anhangs zur Genfer Flücht-
durch den anderen Staat, lingskonvention auf bestimmte Länder zu be-
schränken ist, gilt er für alle Staaten mit Aus-
– Gestattung des Aufenthalts über die Gel-
nahme des Herkunftsstaats; als Geltungsbe-
tungsdauer des Reiseausweises hinaus,
reich ist in diesem Fall in den Vordrucken für
– sofern die Verantwortung entsprechend den den Reiseausweis, die ab dem 1. November
o. g. Voraussetzungen noch nicht über- 2007 bzw. ab dem 1. September 2009 zu ver-
gegangen ist, sechs Monate nach Gel- wenden sind (Anlagen D7, D7a, D 7b zur Auf-
tungsdauer des Reiseausweises (zu dieser enthV) der Text
Seite 904 GMBl 2009 Nr. 42– 61

„Dieser Reiseausweis ist gültig für alle Falls der Ausländer dieser gesetzlichen Pflicht
Staaten mit Ausnahme von: . . .“ nicht nachkommt, wird der Reiseausweis ent-
zogen (§ 4 Absatz 2 Satz 2 AufenthV). Auf
dreisprachig vorgedruckt einzutragen; es ist Nummer 3.3.1.8 und Nummer 48.1.6.1 wird
also nur noch die Bezeichnung des Her- verwiesen.
kunftsstaates vorzunehmen.
3.3.4.9 Lässt sich die Staatsangehörigkeit oder Staaten-
3.3.4.5 Für Kinder sind ab dem 1. November 2007 losigkeit nicht feststellen, so ist „ungeklärt“
eigene Reiseausweise auszustellen. Bei Vorlage einzutragen. Vermag der Ausländer seine
eines durch eine deutsche Behörde ausgestellten Staatsangehörigkeit oder seine Staatenlosigkeit
Reiseausweises für Flüchtlinge ist eine Ein- nicht durch Urkunden zu belegen, genügt es,
tragung über Kinder, die das 16. Lebensjahr wenn er sie glaubhaft macht, es sei denn, dass
vollendet haben, von Amts wegen zu löschen. auf den urkundlichen Nachweis aus besonderen
Dies gilt nicht für die in dem Reiseausweis ein- Gründen nicht verzichtet werden kann. Eides-
getragenen minderjährigen Kinder eines Aus- stattliche Versicherungen dürfen hierbei von
länders, der seine dauernde Niederlassung in den Ausländerbehörden nicht entgegengenom-
einem anderen Staat anstrebt. men werden. Auf die Anmerkung zu Num-
3.3.4.6 Für die zu erhebenden Gebühren sieht die mer 3.3.5.0 wird hingewiesen.
Genfer Flüchtlingskonvention in § 3 des An-
3.3.4.10 Stehen zwingende Gründe der öffentlichen Si-
hangs vor: „Die für die Ausstellung des Aus-
cherheit oder Ordnung der Ausstellung eines
weises erhobenen Gebühren dürfen den nied-
Reiseausweises entgegen (Artikel 28 Genfer
rigsten Ansatz, der für heimatliche Pässe gilt,
Flüchtlingskonvention), kann einem Asylbe-
nicht übersteigen“. Die Gebühren von 59 Euro
rechtigten oder einem Ausländer, dem die
entsprechen den Gebühren für deutsche Natio-
Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, ein
nalpässe. Für Befreiungen von den Passgebüh-
Ausweisersatz ausgestellt werden.
ren bei Flüchtlingen im Sozialleistungsbezug
sind § 52 Absatz 7 und § 53 AufenthV grund- 3.3.4.11 Für Reisen in Staaten, die den Reiseausweis für
sätzlich anwendbar. Flüchtlinge nicht als Grenzübertrittspapier an-
erkennen, kann ein Reiseausweis für Ausländer
3.3.4.7 Wird dem Inhaber eines Nationalpasses ein
ausgestellt werden, sofern die allgemeinen Vor-
Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt, ist ihm
aussetzungen der §§ 5 ff. AufenthV erfüllt sind.
der Nationalpass gleichwohl zu belassen. Han-
delt es sich um einen anerkannten Asylbe- 3.3.4.12 Hält sich der Inhaber eines von einer deutschen
rechtigten oder um einen Ausländer, dem die Behörde ausgestellten Reiseausweises rechtmä-
Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, ist ßig in einem Staat auf, für den die Genfer
eine Kontrollmitteilung an das Bundesamt für Flüchtlingskonvention oder das Protokoll vom
Migration und Flüchtlinge unter Beifügung von 31. Januar 1967 oder das Londoner Abkommen
Kopien des Nationalpasses zu übermitteln. So- betreffend Reiseausweise an Flüchtlinge vom
wohl der Reiseausweis als auch der National- 15. Oktober 1946 gilt, sind für die Ausstellung
pass sind mit einem Vermerk zu versehen, der eines neuen Reiseausweises die Behörden des-
auf das Vorhandensein des anderen Ausweises jenigen Staates zuständig, bei denen der
hinweist und der lautet: Flüchtling seinen Antrag zu stellen berechtigt
ist (§ 11 des Anhangs zur Genfer Flücht-
– Im Nationalpass nur auf Deutsch:
lingskonvention, Artikel 13 des Londoner Ab-
„Dem Inhaber wurde ein deutsches Pass- kommens). Eine Verlängerung der Gültigkeits-
ersatzpapier ausgestellt.“ dauer des Reiseausweises durch die deutsche
Auslandsvertretung scheidet daher in diesen
– Im Reiseausweis für Flüchtlinge:
Fällen regelmäßig aus. Der Reiseausweis ohne
„Der Inhaber ist auch Inhaber eines Na- Speicher- und Verarbeitungsmedium kann je-
tionalpasses. The bearer also holds a natio- doch von der deutschen Auslandsvertretung
nal passport.“ dann verlängert werden, wenn der Inhaber des
Reiseausweises von den Behörden des Staates,
3.3.4.8 Der Ausländer hat den Reiseausweis für in dem er sich aufhält, keinen Reiseausweis oder
Flüchtlinge unverzüglich bei der Ausländer- sonstigen Ausweis erhält, und die Behörden
behörde abzugeben (vgl. § 72 Absatz 2, § 73 dieses Staates den weiteren Aufenthalt nur un-
Absatz 6 AsylVfG) wenn: ter der Voraussetzung gestatten, dass der Reise-
– die Anerkennung als Asylberechtigter oder ausweis verlängert wird. Dabei ist zu beachten,
die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dass ein Reiseausweis nur ausgestellt werden
erlischt (§ 72 AsylVfG) oder unanfechtbar kann, solange ein Aufenthaltsrecht für das
widerrufen oder zurückgenommen (§ 73 Bundesgebiet besteht. Für eine Verlängerung
AsylVfG) worden ist oder der Gültigkeitsdauer des Reiseausweises um
mehr als sechs Monate und für eine erneute
– in den Fällen des § 75 Satz 2 AsylVfG die Verlängerung bedarf es daher im Hinblick auf
aufschiebende Wirkung der Klage nicht an- § 51 Absatz 1 Nummer 6 und 7 (vgl. aber auch
geordnet bzw. in den Fällen des § 75 Satz 3 § 51 Absatz 7) der Zustimmung der Ausländer-
AsylVfG nicht wieder hergestellt wird. behörde, die den Reiseausweis ausgestellt oder
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 905

seine Gültigkeitsdauer zuletzt verlängert hat. weises richtet sich nach § 12 des Anhangs zur
Die Zustimmung ist unmittelbar bei der Aus- Genfer Flüchtlingskonvention.
länderbehörde einzuholen.
3.3.5 Reiseausweis für Staatenlose (§ 4 Absatz 1
3.3.4.13 Hält sich der Ausländer mit einem von einer Satz 1 Nummer 4 bzw. Anlagen D8 bis D8b zur
deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweis AufenthV)
rechtmäßig in einem Staat auf, für den die 3.3.5.0 Die Ausstellung des Reiseausweises für Staa-
Genfer Flüchtlingskonvention oder das Pro- tenlose (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Auf-
tokoll vom 31. Januar 1967 oder das Londoner enthV) richtet sich nach dem Übereinkommen
Abkommen betreffend Reiseausweise an über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom
Flüchtlinge vom 15. Oktober 1946 nicht gelten, 28. September 1954 (BGBl. 1976 II S. 473), das
kann die deutsche Auslandsvertretung die Gül- am 24. Januar 1977 für die Bundesrepublik
tigkeitsdauer des Reiseausweises ohne Speicher- Deutschland in Kraft getreten ist (BGBl.
und Verarbeitungsmedium verlängern, wenn 1977 II S. 235). Staatenlos i. S. d. Überein-
der Inhaber von den Behörden dieses Staates kommens sind nur Ausländer, die nachweislich
keinen Ausweis erhalten kann und die Be- keine Staatsangehörigkeit eines in Betracht
hörden den weiteren Aufenthalt nur unter der kommenden Staates besitzen (de-jure-Staa-
Voraussetzung gestatten, dass der Reiseausweis tenlose), nicht aber Personen, deren Staatsan-
verlängert wird. Auch dabei ist zu beachten, gehörigkeit ungeklärt ist, oder deren rechtlich
dass ein Reiseausweis nur ausgestellt werden vorhandene Staatsangehörigkeit von ihrem
kann, solange ein Aufenthaltsrecht für das Herkunftsstaat rechtswidrig, etwa durch Ver-
Bundesgebiet besteht. Für eine Verlängerung weigerung der Ausstellung eines Passes, nicht
der Gültigkeitsdauer des Reiseausweises um berücksichtigt wird (de-facto-Staatenlose, vgl.
mehr als sechs Monate und für eine erneute Nummer 3.3.1.8 und Nummer 48.1.6.1 f.).
Verlängerung bedarf es daher im Hinblick auf
§ 51 Absatz 1 Nummer 6 und 7 (vgl. aber auch 3.3.5.1 Die Reiseausweise für Staatenlose mit Speicher-
§ 51 Absatz 7) der Zustimmung der Ausländer- und Verarbeitungsmedium, die an Personen
behörde, die den Reiseausweis ausgestellt oder nach Vollendung des zwölften Lebensjahres
seine Gültigkeitsdauer zuletzt verlängert hat. ausgestellt werden, werden mit einer Gültig-
Die Zustimmung ist unmittelbar bei der Aus- keitsdauer von bis zu drei Jahren ausgestellt.
länderbehörde einzuholen. Die Vorschriften zur Gültigkeitsdauer der
Reiseausweise für Flüchtlinge unter Num-
3.3.4.14 Hat der Ausländer das Bundesgebiet verlassen mer 3.3.4.2 finden entsprechende Anwendung.
und ist die Zuständigkeit für die Ausstellung In Bezug auf die seit dem 1. November 2007 zu
eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen verwendenden Muster für vorläufige Reisepässe
anderen Staat übergegangen (§ 11 des Anhangs und Reisepässe für Kinder bzw. solche mit
der Genfer Flüchtlingskonvention; Artikel 2 Speicher- und Verarbeitungsmedium wird auf
des Europäischen Übereinkommens über den die Ausführungen zu Nummer 3.3.1.9, die
Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge Ausfüllhinweise des Bundesministeriums des
vom 16. Oktober 1980, BGBl. 1994 II S. 2645), Innern sowie den Handlungsleitfaden für Aus-
hat der Ausländer trotz seiner Anerkennung als länderbehörden in der jeweils gültigen Fassung
Asylberechtigter keinen Anspruch auf erneute hingewiesen.
Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 51 Ab-
satz 7). Solange der Asylberechtigte im Besitz 3.3.5.2 Für die zu erhebenden Gebühren sieht das
eines gültigen von einer deutschen Behörde Staatenlosenabkommen in § 3 des Anhangs vor:
ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist, „Die für die Ausstellung des Ausweises er-
erlischt der Aufenthaltstitel im Fall der Aus- hobenen Gebühren dürfen den niedrigsten
reise nicht (§ 51 Absatz 7). Dies gilt auch für Ansatz, der für heimatliche Pässe gilt, nicht
Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft übersteigen“. Die Gebühren von 59 Euro ent-
zuerkannt wurde (§ 3 Absatz 4 AsylVfG). sprechen den Gebühren für deutsche National-
pässe.
3.3.4.15 Ausländer, die außerhalb des Bundesgebiets als Für Befreiungen von den Passgebühren bei
ausländische Flüchtlinge i. S. d. Genfer Flücht- Staatenlosen im Sozialleistungsbezug sind § 52
lingskonvention anerkannt worden sind, kön- Absatz 7 und § 53 AufenthV grundsätzlich an-
nen nach § 22 in das Bundesgebiet über- wendbar.
nommen werden. Soll ihnen aufgrund einer
entsprechenden Entscheidung der Aufenthalt 3.3.5.3 Ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Rei-
im Bundesgebiet über die Gültigkeitsdauer seausweises für Staatenlose besteht nur dann,
eines Reiseausweises für Flüchtlinge, der von wenn der Staatenlose sich rechtmäßig im Bun-
einer Behörde eines anderen Staates ausgestellt desgebiet aufhält und zwingende Gründe aus
wurde, hinaus gestattet werden, hat die Aus- sicherheitspolitischem Interesse oder der öf-
länderbehörde einen neuen Reiseausweis nach fentlichen Ordnung nicht entgegenstehen (Ar-
der Genfer Flüchtlingskonvention auszustellen. tikel 28 Satz 1 Staatenlosenübereinkommen).
Entsprechendes gilt in den Fällen des § 11 des Grundsätzlich wird ein Daueraufenthaltsrecht
Anhangs zur Genfer Flüchtlingskonvention. vorausgesetzt. Verweigert ein Staat, in dem sich
Die Behandlung des ausländischen Reiseaus- der Staatenlose zuvor aufgehalten hatte, diesem
Seite 906 GMBl 2009 Nr. 42– 61

die Rückkehr auf Dauer, ist für den Ausländer bestätigen. Vor der Bestätigung ist sicherzu-
dieser Staat nicht mehr das Land seines ge- stellen, dass der Schüler im Bundesgebiet wohn-
wöhnlichen bzw. rechtmäßigen Aufenthalts haft ist, sich erlaubt oder befugt im Bundesgebiet
i. S. v. Artikel 28 des Staatenlosenübereinkom- aufhält und, sofern nicht die Regelung zu ge-
mens. Die Aufenthaltserlaubnis, die für eine duldeten Schülern greift (siehe sogleich), zur
Gültigkeitsdauer von mindestens einem Jahr Wiedereinreise berechtigt ist. Bestätigungen der
und nicht nur für einen seiner Natur nach vor- Ausländerbehörde sind nur auf Listen anzu-
übergehenden Zweck (z. B. Studium) erteilt bringen, die von der Schulleiterin oder dem
wurde, verleiht ein entsprechendes Aufent- Schulleiter – persönlich oder durch die allgemein
haltsrecht i. S. d. Artikels 28 Satz 1 des Staa- bestellte Vertreterin oder den allgemein be-
tenlosenübereinkommens. Diese Anforderung stellten Vertreter – bereits gegengezeichnet sind.
wird jedoch durch die Wirkung des § 81 Ab-
Nach § 22 Absatz 2 AufenthV kann die Aus-
satz 2 oder 3 ebenso wenig erfüllt wie durch
länderbehörde für geduldete Schüler, die in
eine Duldung nach § 60a.
einer Schülergruppe in Begleitung einer Lehr-
3.3.5.4 Nach Artikel 28 Satz 2 des Staatenlosenüber- kraft einer allgemeinbildenden oder berufs-
einkommens können die Vertragsstaaten auch bildenden inländischen Schule in das Ausland
jedem anderen in ihrem Hoheitsgebiet befind- zu reisen beabsichtigen, anordnen, dass die
lichen Staatenlosen einen Reiseausweis (§ 4 Abschiebung nach der Wiedereinreise ausge-
Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 AufenthV) im setzt wird. Diese Anordnung der aufschiebend
Ermessenswege ausstellen. Sie werden insbe- bedingten Duldung ist erforderlich, weil mit
sondere wohlwollend die Möglichkeit prüfen, einer Ausreise eine Duldung erlischt. Die Dul-
solche Reiseausweise denjenigen in ihrem Ho- dung, deren Wirkung aufschiebend bedingt mit
heitsgebiet befindlichen Staatenlosen auszu- der Wiedereinreise eintritt, ist auf der Schüler-
stellen, die von dem Land, in dem sie ihren sammelliste zu vermerken. Der Vermerk hat
rechtmäßigen Aufenthalt haben, keinen Reise- den Wortlaut:
ausweis erhalten können (so genannte Wohl- „Die Abschiebung von [Bezeichnung des
wollensklausel). Die Ausstellung eines Reise- Schülers/der Schülerin/der Schüler] ist
ausweises für Staatenlose im Ermessenswege nach der Wiedereinreise und bis zum . . .
kommt insbesondere dann nicht in Betracht, ausgesetzt (§ 22 Absatz 2 AufenthV).“
wenn dem Ausländer die Stellung eines (Wie- Ob die Voraussetzungen für die Anbringung
der-)Einbürgerungsantrags zugemutet werden des Vermerks gegeben sind, hat die Ausländer-
kann und der Ausländer nicht nachweist, dass behörde von Amts wegen zu prüfen. Die von
dieser Antrag keinen Erfolg hat. der Duldung erfassten Schüler sind für die
Wiedereinreise in das Bundesgebiet vom Er-
3.3.6 Die Schülersammelliste (§ 4 Absatz 1 Satz 1
fordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Im eu-
Nummer 5 AufenthV) erfüllt zugleich zwei
ropäischen Recht ist die Befreiung von der Vi-
Funktionen: Zum einen ersetzt sie einen Aufent-
sumpflicht für die Wiedereinreise der be-
haltstitel, zum anderen stellt sie einen Passersatz
treffenden Schüler in den Schengen-Raum in
dar. Zu den genauen Ausstellungsmodalitäten
Artikel 1 Absatz 2 Satz 2, 2. Spiegelstrich der
wird auf Nummer 4.1.3.6 hingewiesen. Damit
Verordnung (EG) Nummer 539/2001 des Rates
eine deutsche Schülersammelliste die Funktion
zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren
eines Passersatzpapiers erfüllt, ist es erforderlich,
Staatsangehörige beim Überschreiten der Au-
dass die Liste nach Aufbau und Text der Vor-
ßengrenzen im Besitz eines Visums sein müsse,
gabe der EU-Schülersammellistenregelung ent-
sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsan-
spricht, vollständig und gut lesbar ausgefüllt ist
gehörige von dieser Visumpflicht befreit sind,
und die gesamte Reisendengruppe (einschließlich
vom 15. März 2001 (ABl. EG Nummer L 81
der deutschen Schüler und der nicht deutschen
S. 1) geregelt, so dass auch eine Wiedereinreise
Schüler mit einem geeigneten Pass oder Pass-
möglich ist, wenn die Reiseroute über einen
ersatz) sowie Zweck und Umstände der Reise
anderen Schengen-Staat in das Bundesgebiet
aufführt, ggf. in einem Anhang, der der Liste bei-
führt und somit die Außengrenzkontrolle von
gefügt wird und mit ihr (etwa durch gefächertes
einem anderen Staat als Deutschland durch-
Zusammenheften und Anbringen eines Dienst-
geführt wird.
siegels, das alle beigefügten Blätter erfasst) ver-
bunden wird. Einziger zulässiger Zweck ist ein 3.3.7 Die Bescheinigung über die Wohnsitzverlegung
bestimmter Schulausflug einer Schülergruppe an (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bzw. Anlage D9
einer allgemein- oder berufsbildenden Schule. zur AufenthV) ist näher in § 43 Absatz 2 Auf-
Die Bestätigung der Ausländerbehörde, die dazu enthV geregelt. Diese Regelung entspricht Ar-
führt, dass die Liste die Funktion eines Pass- tikel 26 Absatz 5 der Richtlinie 2001/55/EG des
ersatzpapiers erfüllen kann, wird nur mit Bezug Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen
zu denjenigen Schülern erteilt, die nicht Unions- für die Gewährung vorübergehenden Schutzes
bürger sind und die keinen eigenen geeigneten, im Falle eines Massenzustroms von Vertrie-
also im Ziel- oder Transitstaat anerkannten Pass benen und Maßnahmen zur Förderung einer
oder Passersatz mit Lichtbild besitzen. Die ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die
Identität – nur – dieser Schüler ist durch ein an mit der Aufnahme dieser Personen und den
der Liste angebrachtes aktuelles Lichtbild zu Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 907

die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nummer L 212 gung auf Grund des Ausweises weiterhin,
S. 12, so genannte Richtlinie zum vorüber- jedoch ist beim Grenzübertritt stets ein an-
gehenden Schutz). erkannter und gültiger Pass oder Passersatz
mitzuführen.
3.3.8 Das Standardreisedokument für die Rück-
führung (§ 4 Absatz 1 Nummer 7 bzw. Anlage
D10 zur AufenthV) dient, wenn es von einer 4 Zu § 4 – Erfordernis eines Aufenthaltstitels
deutschen Behörde ausgestellt wurde, als Pass-
ersatz- und damit Grenzübertrittspapier nur für 4.1 Aufenthaltstitelpflicht
die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutsch-
land. Seine Ausstellung erfolgt unter Berück- 4.1.0.1 Aus § 4 Absatz 1 Satz 1 ergibt sich, dass nach
sichtigung der in § 1 Absatz 8 AufenthV ge- Maßgabe des Aufenthaltsgesetzes der Aufent-
nannten Empfehlung des Rates. halt von Ausländern im Bundesgebiet grund-
sätzlich unter Erlaubnisvorbehalt steht. Aus
3.3.9.0 Für andere als die in § 4 Absatz 1 AufenthV dem Aufenthaltstitel ergibt sich – konstitutiv –
genannten deutsche Passersatzpapiere gilt die das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Es en-
Übergangsregelung des § 81 AufenthV. Dort det, wenn der Aufenthaltstitel wegfällt.
geregelt ist die Weitergeltung von
4.1.0.2 Das Aufenthaltsgesetz kennt vier Aufenthalts-
3.3.9.1 – Reiseausweisen für Flüchtlinge und für titel: Das Visum (Schengen-Visum und natio-
Staatenlose, Grenzgängerkarten und Ein- nales Visum) ist ein eigenständiger Aufent-
tragungen in Schülersammellisten, die bis haltstitel. Die Aufenthaltserlaubnis ist ein
zum 31. Dezember 2004 ausgestellt worden befristeter, die Niederlassungserlaubnis ein un-
sind, für die Dauer des jeweiligen Gültig- befristeter Aufenthaltstitel. Mit dem Gesetz zur
keitszeitraums, Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher
Richtlinien der Europäischen Union wurde die
3.3.9.2 – Reisedokumenten (§ 14 Absatz 1 Num- Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG als eigen-
mer 1 DVAuslG), Reiseausweisen als Pass- ständiger Aufenthaltstitel neben der Nieder-
ersatz, die an Ausländer ausgestellt worden lassungserlaubnis aufgenommen. Der Ertei-
sind, Befreiungen von der Passpflicht lungsgrund wird in dem Klebeetikett vermerkt.
i. V. m. Rückkehrberechtigungsvermerken
auf einem Ausweisersatz, Passierscheinen 4.1.0.3 Allein zum Zwecke der Straf- oder Untersu-
für Flugpersonal und Landgangsausweisen chungshaft ist ein Aufenthaltstitel nicht zu er-
für Seeleute und Grenzkarten nach dem teilen oder zu verlängern.
Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz, die 4.1.1.1 Aus dem Recht der Europäischen Union kann
entsprechend der näheren Regelung in der sich eine unmittelbare Befreiung von der Auf-
Übergangsvorschrift des § 81 Absatz 2 Auf- enthaltstitelpflicht ergeben. Soweit das Aufent-
enthV als Dokumente nach der AufenthV haltsgesetz insoweit Anwendung findet (vgl.
weiter gelten (vgl. auch § 81 Absatz 3 Auf- den Ausschlusstatbestand des § 1 Absatz 2
enthV). In § 81 Absatz 5 AufenthV ist die Nummer 1), hat ein vorhandener Aufenthalts-
Möglichkeit eines Umtausches in neue Pas- titel dann nur deklaratorische Wirkung. Eine
sersatzpapiere näher beschrieben. Von der sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht er-
Möglichkeit eines solchen Umtauschs kön- gebende Befreiung von der Aufenthaltstitel-
nen die Behörden, welche die neuen Papiere pflicht zur Einreise und zum Aufenthalt in das
ausstellen dürfen, insbesondere dann Ge- Bundesgebiet besteht vor allem folgenden in
brauch machen, wenn hierdurch im Hin- Fällen:
blick auf die erhöhte Fälschungssicherheit
neuer Vordrucke ein Sicherheitsgewinn zu – für Staatsangehörige der Schweiz und deren
erwarten ist, oder wenn ältere Dokumente Familienangehörige, soweit sie nach dem
abgenutzt oder wegen eines veralteten Abkommen zwischen der Europäischen
Lichtbildes in ihrer Verwendbarkeit einge- Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
schränkt sind. Passersatzpapiere, die nicht in einerseits und der Schweizerischen Eid-
§ 81 Absatz 1 oder 2 AufenthV genannt genossenschaft andererseits über die Frei-
sind, wurden am 1. Februar 2005 ungültig. zügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) ein Auf-
Hiervon betroffen sind insbesondere die enthaltsrecht haben,
diversen Sonderbescheinigungen, die auf – für Staatsangehörige eines Staates, der in
Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen Anhang II der Verordnung (EG) Num-
mit Nachbarstaaten ausgestellt wurden. mer 539/2001 des Rates vom 15. März 2001
Solche Bescheinigungen werden zum Stich- zur Aufstellung der Liste der Drittländer,
tag zwar nicht insgesamt ungültig, sind aber deren Staatsangehörige beim Überschreiten
seit dem 1. Februar 2005 nicht mehr ge- der Außengrenzen im Besitz eines Visums
eignet, einen anerkannten und gültigen Pass sein müssen, sowie der Liste der Drittländer,
oder Passersatz zu ersetzen. Wenn bei- deren Staatsangehörige von der Visum-
spielsweise ein Ausweis dazu berechtigt, den pflicht befreit sind (ABl. EG Nummer L 81
Bodensee auch außerhalb der Grenzkon- S. 1) in der jeweils geltenden Fassung aufge-
trollstellen von der Schweiz nach Deutsch- führt ist, für einen Kurzaufenthalt für bis zu
land zu überqueren, besteht diese Berechti- drei Monate innerhalb einer Frist von sechs
Seite 908 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Monaten vom Tag der ersten Einreise an; – bei Begünstigten nach den Assoziierungs-
vgl. auch § 17 Absatz 1 AufenthV zu einer abkommen mit mittel- und osteuropäischen
Ausnahme hierzu und § 17 Absatz 2 Auf- Staaten (in erster Linie Dienstleister und
enthV zu Gegenausnahmen; Rechtsgrund- Selbständige), soweit diese Staaten nicht be-
lage der Befreiung ist Artikel 20 Absatz 1 reits der Europäischen Union beigetreten
SDÜ, sind,

– nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a) – bei drittstaatsangehörigen ausländischen


Schengener Grenzkodex (Durchreiserecht Arbeitnehmern, die bei einem Unternehmen
für Inhaber eines von einer Vertragspartei mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Euro-
ausgestellten Aufenthaltstitels, auch ohne päischen Union ordnungsgemäß beschäftigt
Pass), sind, und die zur Erbringung einer Dienst-
leistung gemäß Artikel 49 und 50 des Ver-
– nach Artikel 18 Satz 3 SDÜ (Durchreise für trages zur Gründung der Europäischen Ge-
Inhaber von Visa anderer Schengenstaaten meinschaft vorübergehend in das Bundes-
für einen längerfristigen Aufenthalt, um sich gebiet entsandt werden (so genannte
in den Schengenstaat zu begeben, der das „Vander-Elst-Fälle“; vgl. auch § 15 BeschV).
Visum ausgestellt hat, nicht aber Durchreise
zur Rückkehr oder mehrfache Durchreise), 4.1.2 Personen, auf die gemäß § 1 Absatz 2 Num-
mer 3 das Aufenthaltsgesetz keine Anwendung
– für die nach Artikel 21 SDÜ begünstigten findet (vgl. Nummer 1.2.2) kann auf Antrag
Ausländer (Inhaber eines Aufenthaltstitels eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis er-
der Schengenstaaten) für einen Kurzaufent- teilt werden, wenn sie aufgrund des NATO-
halt bis zu drei Monaten. Truppenstatuts zum Aufenthalt in Deutschland
berechtigt sind. Dieser soll mit der Neben-
4.1.1.2 Hängt die Befreiung vom Erfordernis eines bestimmung „Deklaratorisch; Inhaber unter-
Aufenthaltstitels davon ab, ob der Aufenthalt liegen dem NATO-Truppenstatut“ versehen
des Ausländers einen bestimmten Zeitraum werden.
nicht überschreitet, und ist das Reisedokument
eines Drittstaatsangehörigen nicht mit einem 4.1.3 Ausnahmen und Befreiungstatbestände zur
Einreisestempel versehen, so können die zu- Pflicht des Besitzes eines Aufenthaltstitels bei
ständigen nationalen Behörden gemäß Arti- kurzfristigen Aufenthalten sind in den §§ 15 bis
kel 11 Absatz 1 Schengener Grenzkodex an- 30 AufenthV geregelt. Artikel 20 Absatz 2 SDÜ
nehmen, dass der Inhaber des Reisedokuments und die Artikel 4 und 5 der Verordnung (EG)
die geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Nummer 539/2001 enthalten einen Spielraum
Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt. für nationale Sonderregelungen. Dieser Ge-
Nach Artikel 11 Absatz 2 Schengener Grenz- staltungsspielraum wurde durch die AufenthV
kodex kann diese Annahme von einem Dritt- genutzt, indem ausdrücklich geregelt wurde,
staatsangehörigen durch jedweden glaubhaften dass in bestimmten Fällen für die Einreise und
Nachweis widerlegt werden, insbesondere den Aufenthalt abweichend von den allgemei-
durch Belege wie Beförderungsnachweise oder nen Vorschriften des europäischen Rechts ein
Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb Aufenthaltstitel benötigt oder nicht benötigt
des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus de- wird. Ohne eine solche ausdrückliche Ausnah-
nen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen meregelung auf nationaler Ebene würde allein
hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Auf- die Verordnung (EG) Nummer 539/2001 gel-
enthalts eingehalten hat. Hierbei können Aus- ten.
länderbehörden die Möglichkeit des § 82 Ab- 4.1.3.1 § 16 AufenthV berücksichtigt völkerrechtliche
satz 1 Satz 2 nutzen, dem Drittstaatsangehöri- Verpflichtungen, insbesondere aus Sichtver-
gen zur Beibringung von Nachweisen eine merksabkommen, die Deutschland vor dem In-
angemessene Frist zu setzen. Gemäß § 82 Ab- krafttreten des SDÜ gegenüber Drittstaaten
satz 1 Satz 4 können nach Ablauf der Frist gel- eingegangen ist und wonach die Beschränkung
tend gemachte Umstände und beigebrachte des Artikels 20 Absatz 1 SDÜ (visumfreier
Nachweise unberücksichtigt bleiben. Aufenthalt von drei Monaten innerhalb eines
Zeitraums von sechs Monaten vom Datum der
4.1.1.3 In den folgenden Fällen ist zwar durch das ersten Einreise an, bezogen auf den Schengen-
Recht der Europäischen Union unter be- Raum) nicht Anwendung finden kann. Diese
stimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Abkommen sind, soweit sie nicht EU-, EWR-
einen Aufenthaltstitel vorgesehen, wobei aller- oder Schweizer Bürger betreffen, in Anlage A
dings allein die Erfüllung der Anspruchs- zur AufenthV aufgeführt. Es handelt sich um
voraussetzungen nicht unmittelbar zur Einreise die folgenden Abkommen:
oder zur Erteilung eines Ausnahmevisums be-
rechtigt, so dass nach allgemeinen Vorschriften 4.1.3.1.1 – Australien (GMBl 1953 S. 575). Bei der Be-
ein Durchlaufen des Visumverfahrens vor der stimmung der Dauer von Aufenthalten von
Einreise gefordert werden kann und im Inland bis zu drei Monaten werden Aufenthalte in
für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach all- anderen Schengen-Staaten nicht ange-
gemeinen Vorschriften ein Aufenthaltstitel er- rechnet, auch wenn kein Aufenthaltstitel
forderlich ist: nach der Einreise beantragt wird. Die Be-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 909

freiung geht ansonsten nicht über die Re- 4.1.3.1.9 – Korea (Republik Korea) (BGBl. 1974 II
gelung in § 41 Absatz 1 AufenthV hinaus. S. 682 sowie BGBl. 1998 II S. 1390). Bei der
Bestimmung der Dauer von Aufenthalten
4.1.3.1.2 – Brasilien (BGBl. 2008 II S. 1179).
von bis zu drei Monaten werden Auf-
4.1.3.1.3 – Chile (GMBl 1955 S. 22). Bei der Bestim- enthalte in anderen Schengen-Staaten nicht
mung der Dauer von Aufenthalten von bis angerechnet, auch wenn kein Aufenthalts-
zu 90 Tagen ohne Ausübung einer Erwerbs- titel nach der Einreise beantragt wird. Die
tätigkeit werden Aufenthalte in anderen Befreiung geht ansonsten nicht über die Re-
Schengen-Staaten nicht angerechnet. gelung in § 41 Absatz 1 AufenthV hinaus.
4.1.3.1.4 – El Salvador (BAnz. 1998 S. 12778). Salvado- 4.1.3.1.10 – Kroatien (BGBl. 1998 II S. 1388). Bei der
rianische Staatsangehörige sind ohne zeit- Bestimmung der Dauer von Aufenthalten
liche Beschränkung von der Visumpflicht von bis zu drei Monaten ohne Ausübung
befreit, sofern sie nicht einer Erwerbstätig- einer Erwerbstätigkeit werden Aufenthalte
keit nachgehen wollen. Bei Aufenthalten in anderen Schengen-Staaten nicht ange-
von mehr als drei Monaten benötigen sie ei- rechnet.
nen Aufenthaltstitel, den sie im Inland be-
antragen können. Zur Visum- und Er- 4.1.3.1.11 – Monaco (GMBl 1959 S. 287). Zur Einreise
laubnispflicht bei einer Ausübung einer Er- ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit ge-
werbstätigkeit gelten die allgemeinen nügen ein gültiger oder seit höchstens fünf
Regelungen. Jahren abgelaufener Nationalpass, eine gül-
tige amtliche Identitätskarte, wenn diese den
4.1.3.1.5 – Ghana (BGBl. 1998 II S. 2909). Die Verein- Inhaber als monegassischen Staatsangehöri-
barung gilt nur für Inhaber von Diplo- gen ausweist oder eine von französischen
maten- und Dienstpässen der Republik Behörden ausgestellte Identitätskarte (carte
Ghana. Wenn die Dauer des Aufenthaltes de séjour), die den Inhaber als monegassi-
drei Monate nicht überschreitet und die be- schen Staatsangehörigen ausweist. Die Be-
treffenden Personen keine Erwerbstätigkeit freiung geht ansonsten nicht über die Re-
ausüben wollen, ist für die Einreise und den gelung in § 41 Absatz 2 AufenthV hinaus.
Aufenthalt kein Aufenthaltstitel, auch kein
Visum, erforderlich. Aufenthalte in anderen 4.1.3.1.12 – Neuseeland (BGBl. 1972 II S. 1550). Bei der
Schengen-Staaten werden auf den genannten Bestimmung der Dauer von Aufenthalten
Zeitraum nicht angerechnet. von bis zu drei Monaten werden Auf-
enthalte in anderen Schengen-Staaten nicht
4.1.3.1.6 – Honduras (GMBl 1963 S. 363). Hondura- angerechnet, auch wenn kein Aufenthalts-
nische Staatsangehörige sind ohne zeitliche titel nach der Einreise beantragt wird. Die
Beschränkung von der Visumpflicht befreit, Befreiung geht ansonsten nicht über die Re-
sofern sie nicht einer Erwerbstätigkeit gelung in § 41 Absatz 1 AufenthV hinaus.
nachgehen wollen. Bei Aufenthalten von
mehr als drei Monaten – ohne Berück- 4.1.3.1.13 – Panama (BAnz. 1967 Nummer 171, S. 1).
sichtigung von Voraufenthalten in anderen Bei der Bestimmung der Dauer von Auf-
Schengen-Staaten – benötigen sie jedoch enthalten von bis zu drei Monaten ohne
einen Aufenthaltstitel, den sie im Inland be- Ausübung einer Erwerbstätigkeit werden
antragen können. Zur Visum- und Er- bei Touristen Aufenthalte in anderen
laubnispflicht bei Ausübung einer Erwerbs- Schengen-Staaten nicht angerechnet.
tätigkeit gelten die allgemeinen Regelungen.
4.1.3.1.14 – Philippinen (BAnz. 1968 Nummer 135,
Auf § 41 Absatz 2 AufenthV wird hinge-
S. 2). Die Vereinbarung findet nur noch auf
wiesen.
Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen
4.1.3.1.7 – Japan (BAnz. 1998 S. 12778). Bei der Be- der Republik der Philippinen Anwendung.
stimmung der Dauer von Aufenthalten von Wenn die Dauer des Aufenthaltes drei
bis zu drei Monaten werden Aufenthalte Monate nicht überschreitet und die be-
von Inhabern japanischer Nationalpässe in treffenden Personen keine Erwerbstätigkeit
anderen Schengen-Staaten nicht ange- ausüben wollen, ist für die Einreise und den
rechnet, auch wenn kein Aufenthaltstitel Aufenthalt kein Aufenthaltstitel, auch kein
nach der Einreise beantragt wird. Die Be- Visum, erforderlich. Aufenthalte in anderen
freiung geht ansonsten nicht über die Re- Schengen-Staaten werden auf den genannten
gelung in § 41 Absatz 1 AufenthV hinaus. Zeitraum nicht angerechnet.
4.1.3.1.8 – Kanada (GMBl 1953 S. 575). Bei der Be- 4.1.3.1.15 – San Marino (BGBl. 1969 II S. 203). Zur
stimmung der Dauer von Aufenthalten von Einreise ohne Ausübung einer Erwerbstä-
bis zu drei Monaten werden Aufenthalte tigkeit genügen ein gültiger Nationalpass,
von Inhabern kanadischer Nationalpässe in eine gültige Identitätskarte der Republik San
anderen Schengen-Staaten nicht angerech- Marino oder ein gültiger Kinderausweis. Bei
net, auch wenn kein Aufenthaltstitel nach der Bestimmung der Dauer von Aufent-
der Einreise beantragt wird. Die Befreiung halten von bis zu drei Monaten ohne Aus-
geht ansonsten nicht über die Regelung in übung einer Erwerbstätigkeit werden Auf-
§ 41 Absatz 1 AufenthV hinaus. enthalte in anderen Schengen-Staaten nicht
Seite 910 GMBl 2009 Nr. 42– 61

angerechnet. Die Befreiung geht ansonsten det in diesem Falle also keine Anwendung. Der
nicht über die Regelung in § 41 Absatz 2 betreffende Ausländer ist in jeder Hinsicht so
AufenthV hinaus. zu behandeln, als wäre er nicht erwerbstätig,
insbesondere hinsichtlich der Frage des Er-
4.1.3.1.16 – Vereinigte Staaten von Amerika (GMBl fordernisses eines Aufenthaltstitels. Für Selb-
1953 S. 575). Die Befreiung geht nicht über ständige wird in § 17 Absatz 2 AufenthV im
die Regelung in § 41 Absatz 1 AufenthV Hinblick auf die Aufenthaltstitelpflicht eine
hinaus. entsprechende Anwendung des § 16 BeschV
i. V. m. §§ 2 sowie 4 bis 13 BeschV angeordnet.
4.1.3.1.17 Berücksichtigung finden in Anlage A Num-
Enthält ein Aufenthaltstitel den Vermerk, wo-
mer 3 AufenthV auch das Europäische Über-
nach eine (selbständige) Erwerbstätigkeit nicht
einkommen über die Aufhebung des Sicht-
gestattet ist, ist die Ausübung selbständiger Er-
vermerkszwangs für Flüchtlinge vom 20. April
werbstätigkeiten, die inhaltlich und hinsichtlich
1959 (BGBl. 1961 II S. 1097, 1098) und das
des Zeitrahmens ihrer Ausübung im Bundesge-
Abkommen zwischen der Regierung der Bun-
biet den Beschäftigungen nach § 16 BeschV
desrepublik Deutschland und dem Schweizeri-
entsprechen, daher dennoch gestattet.
schen Bundesrat über die Abschaffung des
Sichtvermerkszwangs für Flüchtlinge vom 4.1.3.2.2 Von der Dreimonatsfrist ausgenommen ist nach
4. Mai 1962 (BGBl. 1962 II S. 2331, 2332). In- § 17 Absatz 2 Satz 2 AufenthV das Personal,
haber von Reiseausweisen für Flüchtlinge (§ 1 das Deutschland nur im Rahmen von Transit-
Absatz 3 AufenthV) der Staaten, die diese fahrten durchfährt, also im grenzüberschrei-
Übereinkommen ratifiziert haben, und die ih- tenden Verkehr, sofern lediglich Güter durch
ren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausstellungs- das Bundesgebiet hindurchbefördert werden,
staat haben, können für einen Aufenthalt von ohne sie im Bundesgebiet zu laden oder zu ent-
bis zu drei Monaten visumfrei nach Deutsch- laden, oder Personen durch das Bundesgebiet
land einreisen, sofern sie keine Erwerbstätigkeit reisen, ohne dass sie – außer für kurze Pausen
ausüben. Dies gilt unter dem Gesichtspunkt der oder Übernachtungen – ein- und aussteigen.
Gegenseitigkeit nicht für Inhaber von Reise- Eine „Durchbeförderung“ lässt sich am sinn-
ausweisen für Flüchtlinge derjenigen Staaten, vollsten dadurch beschreiben, dass das Trans-
die einen Nichtanwendungsvorbehalt erklärt portfahrzeug nicht wechselt. Nicht erfasst sind
haben, solange dieser Vorbehalt nicht zurück- somit etwa Fälle, in denen ein Container im
genommen wird. Dies ist insbesondere im Ver- Bundesgebiet umgeladen wird oder Busse im
hältnis zu Frankreich und dem Vereinigten Kö- Linienverkehr im Bundesgebiet eine Station
nigreich der Fall. Treten weitere Staaten dem anfahren, um die Fahrgäste auf andere Fahr-
Übereinkommen bei, wird die Geltung der zeuge oder auf andere Verkehrsmittel um-
entsprechenden Bestimmungen des § 16 Auf- steigen zu lassen.
enthV auch vor einer Anpassung der Anlage A
Nummer 3 AufenthV auf diese Staaten er- 4.1.3.3 § 18 AufenthV sieht unter bestimmten Be-
streckt. dingungen eine Visumbefreiung für Inhaber
ausländischer Ausweise für Flüchtlinge und für
4.1.3.2 § 17 Absatz 1 AufenthV erfasst die in Anhang II Staatenlose vor. Die Vorschrift geht weiter als
der Verordnung (EG) Nummer 539/2001 er- § 16 AufenthV, da die Genfer Flüchtlings-
fassten Ausländer, die – ohne die damit ge- konvention durch weitaus mehr Aussteller-
schaffene nationale Regelung – auch bei Aus- staaten, und zwar auch solche, die in Anhang II
übung von Erwerbstätigkeiten für Kurzaufent- zur Verordnung (EG) Nummer 539/2001 auf-
halte visumfrei einreisen könnten. Insofern geführt sind, ratifiziert wurde als das Euro-
wird hier auf der Ebene des nationalen Rechts päische Abkommen über die Aufhebung des
zur Steuerung der Erwerbstätigkeit von Aus- Sichtvermerkszwangs für Flüchtlinge, auf das
ländern eine Beschränkung vorgesehen. § 18 Satz 2 AufenthV und § 16 AufenthV Bezug
nehmen. Der von § 16 AufenthV i. V. m. Anlage
4.1.3.2.1 Da der Erwerbstätigkeitsbegriff des § 2 Ab- A Nummer 3 zur AufenthV erfasste Personen-
satz 2 sehr weit geht und etwa auch typische kreis ist mit demjenigen, der durch § 18 Auf-
Geschäftsreisen erfassen würde, musste eine enthV erfasst ist, also nur teilidentisch, weshalb
Gegenausnahme geschaffen werden. Daher die besondere Regelung des § 18 AufenthV er-
verweist § 17 Absatz 2 AufenthV durch Er- forderlich ist. Das Verhältnis zwischen § 16
wähnung der entsprechenden Ermächtigungs- AufenthV und § 18 AufenthV wird durch § 18
grundlage auf § 16 BeschV. In § 16 BeschV wird Satz 2 AufenthV klargestellt. Die Befreiung
bestimmt, dass die in den §§ 2 sowie 4 bis 13 vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit
BeschV genannten Tätigkeiten nicht als Be- nicht von den übrigen Einreisevoraussetzun-
schäftigung gelten, wenn sie bis zu drei Monate gen, so dass eine Ausschreibung zur Einreise-
innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten verweigerung zur Zurückweisung berechtigen
im Inland ausgeübt werden. Da es sich bei die- würde. In geeigneten Fällen ist also durch eine
sen Tätigkeiten, wenn sie innerhalb dieses Zeit- solche Ausschreibung eine Steuerung möglich.
rahmens ausgeübt werden, nicht um Be-
schäftigungen handelt, handelt es sich auch 4.1.3.4 Durch § 19 AufenthV wird die Visumfreiheit
nicht um aufenthaltsrechtlich relevante Er- entsprechend der in Artikel 4 Absatz 1 Buch-
werbstätigkeiten. § 17 Absatz 1 AufenthV fin- stabe a) der Verordnung (EG) Nummer 539/
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 911

2001 geschaffenen Möglichkeit auf Inhaber der Deutschland einreisen können. Diese Aus-
in Anlage B zur AufenthV aufgeführten dienst- dehnung gilt aber nicht für die mögliche pas-
lichen Pässe ausgedehnt. Die Befreiung vom sersetzende Funktion. Andere Befreiungstatbe-
Erfordernis des Aufenthaltstitels führt unbe- stände, die zugunsten von Schülern anwendbar
schadet völkerrechtlicher Verpflichtungen nicht sind, die in Schülergruppen reisen, werden
zu einer Befreiung von den übrigen Einreise- durch § 22 Absatz 1 AufenthV nicht verdrängt,
voraussetzungen, so dass eine Ausschreibung bleiben also in vollem Umfang anwendbar. So-
zur Einreiseverweigerung zur Zurückweisung mit können etwa Schülergruppen, deren Schü-
führen würde. Auch durch § 20 AufenthV wer- ler ausschließlich aus visumfreien Staaten stam-
den bestimmte dienstlich Reisende vom Er- men, nicht zurückgewiesen werden, nur weil sie
fordernis eines Aufenthaltstitels befreit; Vati- nicht auf einer Sammelliste eingetragen sind. In
kanpässe kommen ihrer Funktion nach amtli- § 22 Absatz 2 AufenthV wird – i. V. m. Artikel 1
chen Pässen gleich. Der jeweilige konkrete Absatz 2 Satz 2, 2. Gedankenstrich der Verord-
Reisezweck ist bei Inhabern dieser Ausweise nung (EG) Nummer 539/2001 – die Wieder-
für die Befreiung unerheblich. einreise von in Deutschland geduldeten Schü-
lern in das Bundesgebiet geregelt. Voraus-
4.1.3.5 In § 21 AufenthV sind die Fälle der Grenzgän- setzung ist der Vermerk der Aussetzung der
gerkarten geregelt. Die räumliche Gültigkeit Abschiebung im Falle der Wiedereinreise; näher
von Grenzgängerkarten erstreckt sich auf das dazu Nummer 3.3.6.
gesamte Bundesgebiet.
4.1.3.7 In den §§ 23 bis 25 AufenthV sind für Personen,
4.1.3.6 Durch § 22 Absatz 1 AufenthV wird die Be- die im Bereich des grenzüberschreitenden, nicht
freiung von Schülern von der Aufenthaltstitel- straßengebundenen Transportwesens reisen,
pflicht geregelt, die auf ordnungsgemäß aus- bestimmte Befreiungen vorgesehen. Die dort
gestellten Schülersammellisten aufgeführt sind. erwähnten Passierscheine unterscheiden sich in
Hierzu wird im Einzelnen auf die EU-Schüler- der Form danach, ob sie im Luft- oder See-
sammellistenregelung vom 30. November 1994 verkehr ausgestellt werden. Im Luftverkehr
(ABl. EG Nummer L 327 S. 1) sowie auf werden sie mit Computerdruckern ausgestellt.
Nummer 3.3.6 verwiesen. Die EU-Schüler- Missbrauch wird dadurch ausgeschlossen, dass
sammellistenregelung betrifft Schüler, die auf den Passierscheinen die Dienststelle ange-
Drittausländer sind und in einem anderen EU- geben wird, an die Rückfragen zur Echtheit ge-
Mitgliedstaat ihren Wohnsitz haben. Nach Ar- richtet werden können. Die Dienststellen, die
tikel 1 Absatz 1 der nicht unmittelbar gel- zur Ausstellung von Passierscheinen berechtigt
tenden, sondern durch die AufenthV umge- sind, führen ein entsprechendes Register und
setzten EU-Schülersammellistenregelung ver- sind rund um die Uhr und sieben Tage in der
langt ein Mitgliedstaat von Schülern, die auf Woche besetzt, so dass dort Rückfragen stets
eine Sammelliste eingetragen sind, nach Maß- möglich sind. Die Passierscheine sind keine
gabe der in der Sammellistenregelung wieder- Passersatzpapiere.
gegebenen Voraussetzungen kein Visum. Die
4.1.3.8.1 In § 26 Absatz 1 AufenthV wird allgemein
Schülergruppe muss von einem Lehrer begleitet
festgelegt, dass sich Ausländer, die sich im
sein. Die Schülersammelliste muss die Schule
Bundesgebiet befinden, ohne i. S. d. § 13 einzu-
mit Name und Anschrift, den begleitenden
reisen, keinen Aufenthaltstitel benötigen. Die
Lehrer, Reiseziel und -zeitraum und sämtliche
Regelung gibt damit ein allgemeines Grund-
mitreisenden Schüler (unabhängig von ihrer
prinzip wieder. Nicht eingereist sind Personen,
Staatsangehörigkeit) bezeichnen und von der
die noch nicht die Grenzübergangsstelle pas-
Schulleitung unterzeichnet sein. Der Aufbau
siert haben (§ 13 Absatz 2 Satz 1) oder deren
und der textliche Inhalt sind in der Sammel-
Passage vor einer voraussichtlichen Zurück-
listenregelung vorgeschrieben. Listen, die dieser
weisung zu einem bestimmten vorübergehen-
Form nicht zumindest im Wesentlichen ent-
den Zweck gestattet wird, solange eine Kon-
sprechen, sind unwirksam. Die Schüler auf der
trolle des Aufenthalts möglich bleibt (§ 13 Ab-
Liste müssen sich grundsätzlich durch einen ei-
satz 2 Satz 2). Eingereist ist jedoch etwa ein
genen Lichtbildausweis ausweisen können. Soll
Ausländer, der die Grenzkontrollen umgangen
die Schülersammelliste hiervon abweichend
hat oder innerhalb des Schengen-Raums oder
nicht nur vom Erfordernis des Aufenthaltstitels
ausnahmsweise sonst die Bundesgrenze über-
befreien, sondern auch als Passersatzpapier gel-
schreiten darf, ohne hierfür Grenzübergangs-
ten, ist eine amtliche Bestätigung durch die zu-
stellen zu benutzen (§ 13 Absatz 2 Satz 3).
ständigen Behörde des Wohnsitzlandes (nicht
nur der Schule) und eine Integration der Licht- Insbesondere bedürfen danach keines Aufent-
bilder sämtlicher Schüler erforderlich, die kei- haltstitels
nen eigenen Lichtbildausweis besitzen und auf
– Personen, die den Transitbereich eines
die sich die Passersatzfunktion daher beziehen
Flughafens nicht verlassen, sofern nicht eine
soll. Die Sammellistenregelung wird durch § 22
besondere Flughafentransitvisumpflicht be-
Absatz 1 AufenthV von Deutschland einseitig
steht,
auf Schüler mit Wohnsitz in den Staaten aus-
gedehnt, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind, – Fahrgäste oder Besatzungsmitglieder von
deren Staatsangehörige aber visumfrei nach Schiffen, solange sie nur auf dem Schiff ver-
Seite 912 GMBl 2009 Nr. 42– 61

bleiben oder sonst keine im Hafengebiet 4.1.3.8.3 § 26 Absatz 3 AufenthV ergänzt als nationale
befindliche Grenzübergangsstelle (z. B. Pas- Regelung die europäische Regelung zum Flug-
sagierschiffs-/Fährterminal) passieren und hafentransit. Als Voraussetzung für die Befrei-
nicht § 4 Absatz 4 eingreift, ung nach § 26 Absatz 1 AufenthV wird daher
ein nach nationalem Recht bestehendes Er-
– Personen, die sich an Bord von Flugzeugen
fordernis eines Flughafentransitvisums bei-
befinden, solange sie das Bundesgebiet
behalten. Die Staatenliste in Anlage C zur Auf-
überfliegen,
enthV ist maßgeblich. Für jordanische, indische
– Personen, die deutsche Küstengewässer nur und türkische Staatsangehörige wurden in An-
durchfahren und lage C Nummer 3 und 4 zur AufenthV Sonder-
regelungen vorgesehen, mit der Besonderheiten
– Personen, denen von den Grenzbehörden in
des Transitflugreiseverkehrs in die und aus den
den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 das Pas-
in Nummer 3 und 4 der Anlage C zur Auf-
sieren gestattet wird.
enthV genannten Zielstaaten berücksichtigt
Eine Befreiung von der Passpflicht ist in den wurden; auch auf diese Fälle ist zudem § 26
Transitfällen nicht vorgesehen. Flughafentran- Absatz 3 Nummer 2 AufenthV anwendbar.
sitvisa sind selbst keine Aufenthaltstitel, be-
freien aber – soweit Flughafentransitpflicht be- 4.1.3.9 § 27 AufenthV sieht Befreiungen für Personen
steht – von der Pflicht zum Besitz eines Auf- vor, die sich im Zusammenhang mit der Tätig-
enthaltstitels. keit der Vertretungen auswärtiger Staaten im
Bundesgebiet aufhalten, und die nicht bereits
4.1.3.8.2 § 26 Absatz 2 AufenthV weist auf eine weitere völkerrechtlich und wegen § 1 Absatz 2 Num-
Voraussetzung der Befreiung zu Absatz 1 hin, mer 2 oder 3 aus dem Anwendungsbereich des
die auf der als unmittelbares Recht im Range gesamten Aufenthaltsrechts ausgenommen
einer europäischen Verordnung anwendbaren sind. § 27 Absatz 1 Nummer 3 und Nummer 5,
Regelungen der Gemeinsamen Konsularischen Absatz 2 und Absatz 3 AufenthV gilt entspre-
Instruktion beruht, die eine besondere Ge- chend für das private Hauspersonal und andere
nehmigung (Flughafentransitvisum) für das zum Haushalt gehörende Personen von Be-
Betreten des Transitbereichs durch Staatsange- diensteten der Internationalen Organisationen
hörige bestimmter Staaten verlangen. Die in mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland,
Teil I der Anlage 3 der Gemeinsamen Konsula- sofern ein entsprechendes Sitzstaatsabkommen
rischen Instruktion aufgeführten Staatsange- besteht. § 27 AufenthV sieht keine Freistellung
hörigen sind grundsätzlich verpflichtet, auch von sämtlichen aufenthaltsrechtlichen Rege-
beim Flughafentransit eine Genehmigung zu lungen vor, sondern nur eine Befreiung vom
besitzen; dasselbe gilt für Personen, die – nur – Erfordernis des Aufenthaltstitels. Das Vor-
im Besitz der von diesen Staaten ausgestellten liegen des Befreiungstatbestandes stellt das
Reisedokumente sind. Diese Personen unter- Auswärtige Amt fest, das einen entsprechenden
liegen jedoch nicht der Flughafentransitvisum- Protokollausweis ausstellt. Die Erlaubnis zur
pflicht, wenn sie im Besitz eines in Teil III der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 27
Anlage 3 der Gemeinsamen Konsularischen In- Absatz 2 AufenthV erteilt das Auswärtige Amt
struktion aufgeführten Aufenthaltstitels eines unter Beteiligung der Bundesagentur für Ar-
EWR-Staates oder eines dort genannten Auf- beit; hierzu beurteilt das Auswärtige Amt auch
enthaltstitels Andorras, Japans, Kanadas, Mo- die Erfüllung des Merkmals der Gegenseitig-
nacos, San Marinos, der Schweiz oder der Ver- keit. Die Berechtigung zur Ausübung der Er-
einigten Staaten sind, der ein uneingeschränktes werbstätigkeit ist im Fall von Familienange-
Rückkehrrecht garantiert. Die Pflicht zum hörigen im Protokollausweis vermerkt (Aus-
Besitz eines Flughafentransitvisums gilt mit weise „D-A“ und „VB-A“).
Rücksicht auf Nummer 3.24 und 3.25 des An-
hangs 9 des Abkommens über die internationale Die Ersterteilung einer Aufenthaltserlaubnis
Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 (BGBl. oder einer Niederlassungserlaubnis ist nicht
1956 II S. 411) zudem nicht für Flugbesat- zulässig, solange ein Befreiungstatbestand nach
zungsmitglieder, die einen Flugbesatzungsaus- § 27 AufenthV besteht. Dies gilt auch für Per-
weis besitzen. Ein Aufenthalt im Transitbereich sonen, die zunächst als Entsandte einer aus-
ohne Flughafentransitvisum ist ein unerlaubter ländischen Vertretung in die Bundesrepublik
Aufenthalt. Das Flughafentransitvisum stellt eingereist sind, während ihres Aufenthalts in
keinen Aufenthaltstitel dar. Die Tatsache, dass den Status einer Ortskraft der Vertretung
dem Ausländer mit einem Flughafentrans- wechseln und als solche nach § 27 AufenthV
itvisum der Aufenthalt im Transitbereich ge- vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit
stattet ist, bedeutet damit keine Zulassung zur sind. § 27 Absatz 3 AufenthV bestimmt, dass
Einreise in diesen Staat („legally admitted for Ausländer, die bereits eine Aufenthalts- oder
entry“) i. S. d. Anhangs 9 Kapitel 3 I B Num- Niederlassungserlaubnis besitzen und erst da-
mer 3.51 zum Abkommen über die inter- nach einem Befreiungstatbestand des § 27 Auf-
nationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944, enthV unterfallen, weiterhin die Verlängerung
so dass eine Zurückweisung möglich ist, wenn der Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung der
der Ausländer seine Reise nicht von sich aus Niederlassungserlaubnis beantragen können;
fortsetzt. hierfür gelten die allgemeinen rechtlichen Vo-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 913

raussetzungen. Die Ausländer können damit von vornherein zeitlich befristet ist (§ 39 Num-
ihren aufenthaltsrechtlichen Status beibehalten mer 2 AufenthV).
oder verbessern. Den Betroffenen soll es durch
4.1.3.12 § 30 AufenthV enthält einen Befreiungstatbe-
diese Regelung ermöglicht werden, ihren vor
stand für bestimmte Durchbeförderungen. Da
Aufnahme der Ortskrafttätigkeit erworbenen
das Gemeinschaftsrecht für die Fälle der
ausländerrechtlichen Status beizubehalten und
Durchreise und Durchbeförderung keine Ab-
weiter zu verfestigen. Ansonsten würde – we-
weichung von der Verordnung (EG) Num-
gen des Verlustes des bereits gesicherten aus-
mer 539/2001 zulässt, können die Befreiungen
länderrechtlichen Status – die Bereitschaft von
für die danach visumpflichtigen Staatsange-
sich bereits im Bundesgebiet befindenden aus-
hörigen nur gewährt werden, wenn keine
ländischen Arbeitsuchenden, als Ortskraft zu
Schengen-Außengrenze überschritten wird.
arbeiten, erheblich geschmälert, da sie nach
§ 30 Nummer 1 AufenthV ist praktisch relevant
einer etwaigen Beendigung der Tätigkeit keinen
insbesondere bei der Durchführung der Ab-
Aufenthaltstitel mehr besäßen. In der Folge
kommen, die die Rückkehr der Bürgerkriegs-
würden zur Besetzung der offenen Stellen
flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aus
Ortskräfte und ihre Angehörigen aus dem
verschiedenen europäischen Staaten auf dem
Ausland angeworben werden, obwohl bereits
Landweg betreffen. § 30 Nummer 2 AufenthV
auf dem deutschen Arbeitsmarkt geeignete Ar-
sieht für die dort genannten Fälle eine Zustim-
beitsuchende zur Verfügung stehen.
mung des Bundesministeriums des Innern oder
4.1.3.10 § 28 AufenthV enthält eine allgemeine Verwei- der von ihm beauftragten Stelle vor. Bei der
sung auf das Freizügigkeitsabkommen EU – vom Bundesministerium des Innern beauf-
Schweiz und setzt die darin vorgesehenen Be- tragten Stelle handelt es sich um das Bundes-
freiungen auf nationaler Ebene um. Die Aus- polizeipräsidium. In Bezug auf die Anwendung
stellung der im Abkommen oder in dieser Ver- der Verordnung (EG) Nummer 539/2001 ist
ordnung vorgesehenen Aufenthaltserlaubnisse beim Überschreiten einer Schengen-Außen-
und Grenzgängerkarten richtet sich nach den grenze die Genehmigung der Durchbeför-
hierfür jeweils geltenden Vorschriften, die derung durch Deutschland i. S. d. Artikels 2 der
durch § 28 AufenthV nicht berührt werden. Verordnung (EG) Nummer 539/2001 als Visum
Sofern ein Schweizer Bürger also nicht bereits zu werten.
nach dem Freizügigkeitsabkommen vom Er- 4.1.4 Ausländer, die nach dem Assoziierungsab-
fordernis des Aufenthaltstitels befreit ist, son- kommen EWG/Türkei und den dazu ergange-
dern einen Aufenthaltstitel benötigt, besteht nen Assoziationsratsbeschlüssen ein Aufent-
auch keine Befreiung nach § 28 AufenthV. haltsrecht besitzen, sind vom Erfordernis eines
konstituierenden Aufenthaltstitels befreit.
Nach Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 Dazu korrespondierend besteht die Pflicht des
i. V. m. Artikel 6, 12, 20, 23, 24 und 31 des An- begünstigten Personenkreises, sich das be-
hangs I zum Abkommen mit der Schweiz vom stehende Aufenthaltsrecht durch die Ausstel-
21. Juni 1999 haben Staatsangehörige der lung einer Aufenthaltserlaubnis bestätigen zu
Schweiz unter den dort genannten Voraus- lassen (§ 4 Absatz 5). Bei Erfüllung der ent-
setzungen einen Rechtsanspruch auf Aus- sprechenden Voraussetzungen kann dem be-
stellung einer (deklaratorischen) Aufenthaltser- günstigten Personenkreis eine Niederlassungs-
laubnis. In § 28 Satz 2 AufenthV ist daher be- erlaubnis erteilt werden; die Verpflichtung nach
stimmt, dass die Aufenthaltserlaubnis von Amts § 4 Absatz 5, die sich nicht auf Inhaber einer
wegen auszustellen ist. Die Ausstellung einer Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum
Grenzgängerkarte erfolgt nur in den in § 12 Daueraufenthalt-EG bezieht, entfällt dann.
Absatz 2 AufenthV genannten Fällen.
4.2 Erwerbstätigkeit
Für die (deklaratorische) Aufenthaltserlaubnis
ist das gemeinsame Vordruckmuster „Aufent- 4.2.1.1 Die Berechtigung eines Ausländers zur Er-
haltskarte für Familienangehörige eines Uni- werbstätigkeit wird in den Aufenthaltstitel ein-
onsbürgers oder eines Staatsangehörigen eines getragen. Eine Arbeitsgenehmigung in Form
EWR-Staates bzw. Aufenthaltserlaubnis für eines separaten Verwaltungsaktes gibt es außer
Staatsangehörige der Schweizerischen Eidge- in den Fällen der Staatsangehörigen der Bei-
nossenschaft und ihre Familienangehörigen, die trittsstaaten, die den Übergangsregelungen un-
nicht Staatsangehörige der Schweizerischen terliegen (§ 13 FreizügG/EU i. V. m. §§ 284 bis
Eidgenossenschaft sind“ zu verwenden. 288 SGB III und der ArGV sowie ASAV) nicht
mehr. Die Entscheidung über den Aufenthalt
4.1.3.11 § 29 AufenthV enthält im Hinblick auf das Er- und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit er-
fordernis des Aufenthaltstitels eine Parallelre- geht gegenüber dem Ausländer nunmehr ein-
gelung zu § 14 AufenthV. Insofern wird auf heitlich durch die Ausländerbehörde („one-
Nummer 3. 1. 13 verwiesen. Aufenthaltstitel, stop-government“). Die Werkvertragsarbeit-
die nach der Beendigung der Befreiung er- nehmerkarten, die von der Bundesagentur für
forderlich werden, können ohne Visumver- Arbeit an Werkvertragsarbeitnehmer ausgestellt
fahren im Bundesgebiet erteilt werden, weil die werden, konkretisieren den Aufenthaltstitel le-
Befreiung weder räumlich beschränkt war noch diglich hinsichtlich des Beschäftigungsrechts,
Seite 914 GMBl 2009 Nr. 42– 61

gelten damit aber auch als dessen Bestandteil ruht direkt auf dem Aufenthaltsgesetz. Unbe-
und stellen rechtlich keine separate Erlaubnis rührt bleiben spezifische Zulassungs- und
dar. Ist eine Erwerbstätigkeit nicht zugelassen, Ausübungsvorschriften bei geregelten Berufen
ist auch dies im Aufenthaltstitel zu vermerken (Medizinberufe, Rechtsanwälte, Steuerberater,
mit der Formulierung: Handwerk etc.). Der Aufenthaltstitel ersetzt
„Beschäftigung nur mit Genehmigung der nicht entsprechende Zulassungsentscheidungen
Ausländerbehörde gestattet.“ der zuständigen Behörden. Nach § 16 Absatz 3
sind Studenten während des Studiums und Per-
Sind einige, jedoch nicht sämtliche Erwerbs- sonen in studienvorbereitenden Maßnahmen
tätigkeiten zugelassen, ist durch entsprechende zur Ausübung einer Beschäftigung und zur
Formulierungen die Ausübung anderer Er- Ausübung studentischer Nebentätigkeiten
werbstätigkeiten auszuschließen. Auch die (siehe im Einzelnen Nummer 16.3 bis 16. 3. 11)
Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die – insbe- berechtigt. § 29 Absatz 5 eröffnet dem Aus-
sondere nach der BeschV – keiner Zustimmung länder, der im Rahmen des Familiennachzuges
der Bundesagentur für Arbeit bedarf, muss von eine Aufenthaltserlaubnis erhält, ein abgeleite-
der Ausländerbehörde zugelassen werden. tes Arbeitsmarktzugangsrecht (Nummer 29.5).
Tätigkeiten, die in § 16 BeschV genannt sind, In den übrigen Fällen muss die Erlaubnis zur
gelten im dort genannten zeitlichen Rahmen Ausübung einer Erwerbstätigkeit einzelfall-
nicht als Beschäftigung i. S. d. Aufenthalts- bezogen entschieden werden.
gesetzes; zur Ausübung entsprechender selb- 4.2.2.1 Nach § 4 Absatz 2 Satz 2 muss jeder Aufent-
ständiger Tätigkeiten ist § 17 Absatz 2 Auf- haltstitel erkennen lassen, ob und ggf. unter
enthV zu beachten (vgl. näher Nummer 4.3.4). welchen Bedingungen die Ausübung einer Er-
Selbst wenn die Nebenbestimmung die Aus- werbstätigkeit erlaubt ist. Dies geschieht durch
übung einer Erwerbstätigkeit ausschließt, kön- einen entsprechenden Eintrag in den Aufent-
nen also die entsprechenden Tätigkeiten inner- haltstitel. Gleiches gilt für die Duldung und die
halb des zeitlichen Rahmens, der in § 16 BeschV Aufenthaltsgestattung, in der eine Neben-
genannt ist, ausgeübt werden, weil es sich dabei bestimmung zur Erwerbstätigkeit zu verfügen
nicht um eine Erwerbstätigkeit handelt. Eine ist.
entsprechende, in ihrer Formulierung vom Fall
abhängige Klarstellung im Visum oder ggf. im 4.2.2.2 Bei der Niederlassungserlaubnis ist die Be-
Aufenthaltstitel (etwa: „Erwerbstätigkeit nicht rechtigung zur Erwerbstätigkeit bereits in das
gestattet. Durchführung geschäftlicher Be- Klebeetikett eingedruckt. Einschränkungen der
sprechungen für bis zu drei Monate im Jahr ge- Erwerbstätigkeit sind nicht zulässig. Ab-
stattet.“ oder „Erwerbstätigkeit nicht gestattet. weichendes kann gelten, wenn eine unbefristete
Messepräsentation auf der Messe ist gestattet.“) Aufenthaltserlaubnis, die bis zum 31. De-
ist unschädlich. Ein entsprechender Hinweis zember 2004 erteilt wurde, mit einschränken-
soll klarstellend aufgenommen werden, wenn den Bedingungen oder Auflagen zur Ausübung
die Behörde besonders geprüft hat, ob die be- einer Erwerbstätigkeit nach § 101 Absatz 1 als
absichtigte Tätigkeit dem § 16 BeschV unterfällt Niederlassungserlaubnis fortgilt. In derartigen
und dies dann bejaht hat. Fällen ist, sofern nicht ausnahmsweise ein
Grund für die Beibehaltung der Bedingung
Ist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne
oder Auflage besteht, dem betroffenen Aus-
Einschränkungen gestattet, lautet der Vermerk:
länder nahe zu legen, die Streichung der be-
„Erwerbstätigkeit gestattet.“ (vgl. den treffenden Bedingung oder Auflage zu bean-
Vordruck zur Niederlassungserlaubnis in tragen. Entsprechend dem Gesetzeszweck des
Anlage D14 zur AufenthV) Aufenthaltsgesetzes ist diesem Antrag regel-
oder mäßig stattzugeben.
„Jede Erwerbstätigkeit gestattet.“ 4.2.2.3 In der Aufenthaltserlaubnis ist stets eine Aus-
Jede Niederlassungserlaubnis berechtigt zur sage über die Berechtigung zur Erwerbstätig-
Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Dieser keit zu treffen. Diese ist in den im Gesetz ge-
Grundsatz ist zwar nur in § 9 Absatz 1 fest- regelten Fällen (vgl. Nummer 4.2.1.2) lediglich
gelegt, gilt jedoch ebenso für die auf der deklaratorisch, in den übrigen Fällen kons-
Grundlage des § 26 Absatz 3 und 4 erteilten titutiv.
Niederlassungserlaubnisse sowie in den Fällen
4.2.3.1 Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der be-
der § 19 Absatz 1, § 21 Absatz 4, § 23 Absatz 2,
trieblichen Aus- oder Weiterbildung sowie zur
§ 28 Absatz 2, § 31 Absatz 3, § 35 Absatz 1 und
Ausübung einer Beschäftigung (§§ 17, 18) kann
§ 38 Absatz 1 Nummer 1.
nur nach Zustimmung der Bundesagentur für
4.2.1.2 Die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit ergibt Arbeit erteilt werden, es sei denn, dass es sich
sich in den Fällen des § 9 Absatz 1, § 22 Satz 3, um eine zustimmungsfreie Beschäftigung nach
§ 25 Absatz 1 und 2, § 28 Absatz 5, § 31 Ab- §§ 2 bis 15 BeschV handelt (vgl. Durchfüh-
satz 1, § 37 Absatz 1, § 38 Absatz 4 und § 104a rungsanweisungen der Bundesagentur für Ar-
Absatz 1 und 2 ohne Einschränkungen. Sie be- beit). Über die Zulassung einer zustimmungs-
zieht sich nicht nur auf Beschäftigungen, son- freien Beschäftigung entscheidet die Behörde,
dern auch auf selbständige Tätigkeiten und be- die den Aufenthaltstitel erteilt. Beantragt der
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 915

Ausländer ein Visum zum Zweck der Auf- Besteht eine Wartezeit oder wird bei Dul-
nahme einer Beschäftigung oder zur betrieb- dungsinhabern die Erlaubnis nach § 11 Be-
lichen Aus- oder Weiterbildung, wird die Zu- schVerfV versagt, soll der Hinweis lauten:
stimmung der Bundesagentur für Arbeit im Vi- „Erwerbstätigkeit nicht gestattet.“
sumverfahren von der Auslandsvertretung über
die Ausländerbehörde eingeholt. Die Aus- 4.3.1.2 Wer einen Aufenthaltstitel nicht oder nicht
länderbehörde übernimmt die entsprechende mehr besitzt, darf keine Erwerbstätigkeit aus-
Nebenbestimmung aus dem Visum in die Auf- üben. Dies betrifft auch Ausländer, die erst nach
enthaltserlaubnis, ohne hierfür eine erneute Ablauf ihres Aufenthaltstitels dessen Verlänge-
Zustimmung zu benötigen, soweit die Zustim- rung beantragen; in diesem Fall greift die Fik-
mung einen längeren Zeitraum als die Gültig- tionswirkung des § 81 Absatz 3 nicht ein (siehe
keit des Visums umfasst. aber Nummer 81.4.2.3). Ebenso liegt kein An-
wendungsfall des § 84 Absatz 2 Satz 2 vor, da
4.2.3.2 Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis kein Verwaltungsakt vorliegt, der die Recht-
zu einem anderen Zweck (humanitäre Gründe, mäßigkeit des Aufenthalts beendet (vgl. § 84
Familiennachzug), bei dem die Erwerbstätig- Absatz 2 Satz 1, auf den sich der folgende Satz 2
keit nicht von Gesetzes wegen zugelassen ist, bezieht). Ausländer, denen gegenüber eine
kann die Ausländerbehörde die Aufnahme Ausweisungsverfügung ergangen ist oder deren
einer Beschäftigung erlauben, wenn die Bun- Aufenthaltserlaubnis nachträglich befristet
desagentur für Arbeit zugestimmt hat oder es wurde, können eine Erwerbstätigkeit weiter
sich um eine zustimmungsfreie Beschäftigung ausüben, soweit vor Erlass der Entscheidung
nach §§ 2 bis 15 BeschV handelt. ein Aufenthaltstitel bestand, wonach die Aus-
übung der Erwerbstätigkeit zulässig war, und
4.2.3.3 Die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer solange einer der in § 84 Absatz 2 Satz 2 ge-
selbständigen Erwerbstätigkeit kann unter den nannten Sachverhalte vorliegt. Diese Wirkun-
Voraussetzungen des § 21 erteilt werden. Hin- gen bescheinigt die Ausländerbehörde auf An-
sichtlich kurzfristiger Aufenthalte ist § 17 Ab- trag dem Ausländer; der Vordruck „Fiktions-
satz 2 AufenthV zu beachten. Für Ausländer, bescheinigung“ (Anlage D3 zur AufenthV) ist
die bereits eine Aufenthaltserlaubnis zu einem zur Vermeidung von Missverständnissen nicht
anderen Zweck (humanitäre Gründe, Fami- zu verwenden. Beantragt ein Ausländer vor
liennachzug) besitzen, bei dem die Erwerbstä- Ablauf der Geltungsdauer die Verlängerung
tigkeit nicht von Gesetzes wegen zugelassen ist, oder Neuerteilung eines Aufenthaltstitels, gilt
kann die selbständige Erwerbstätigkeit nach der alte Aufenthaltstitel nach § 81 Absatz 4 als
§ 21 Absatz 6 erlaubt werden. fortbestehend. Diese Fortgeltung erstreckt sich
auch auf eine in diesem Titel enthaltene Be-
4.2.4 Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit rechtigung zur Erwerbstätigkeit.
kann Beschränkungen hinsichtlich der berufli-
chen Tätigkeit, des Arbeitgebers, des Bezirks 4.3.2 Für Asylbewerber, denen nach § 61 Absatz 2
der Agentur für Arbeit und der Lage und Ver- AsylVfG die Ausübung einer Beschäftigung
teilung der Arbeitszeit sowie eine Gültigkeits- erlaubt werden kann, gelten nach der Prüfung,
dauer enthalten. Solche Beschränkungen sind in ob ein mindestens einjähriger gestatteter Auf-
die Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaub- enthalt im Bundesgebiet vorliegt, Num-
nis aufzunehmen. Falls aus Platzgründen er- mer 4.2.3.2 und 4.2.4 entsprechend. An die
forderlich, ist hierfür das Zusatzblatt zur Auf- Stelle der Aufenthaltserlaubnis tritt die Be-
enthaltserlaubnis gemäß amtlichem Muster zu scheinigung über die Aufenthaltsgestattung
verwenden. nach § 63 AsylVfG.
4.3.3 Ausländern, deren Aufenthalt nach § 60a ge-
4.3 Die Erwerbstätigkeit erlaubende Aufent- duldet wird, kann die Beschäftigung nach Zu-
haltstitel stimmung der Bundesagentur für Arbeit erlaubt
werden. § 10 BeschVerfV schreibt für Ge-
4.3.1.0 § 4 Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass ein Aus- duldete eine Wartezeit von einem Jahr vor. An-
länder im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit zurechnen auf die Wartezeit sind erlaubte und
nur nachgehen darf, wenn ihm dies durch den geduldete sowie Aufenthaltszeiten mit Aufent-
Aufenthaltstitel erlaubt wurde. Die Vorschrift haltsgestattung vor Erteilung der Duldung
übernimmt damit inhaltlich das Verbot mit nur, wenn ein durchgängiger Aufenthalt in
Erlaubnisvorbehalt für selbständige und un- Deutschland besteht (vgl. Nummer 42.2.1.1.1).
selbständige Erwerbstätigkeit im früheren
Recht. 4.3.4 Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des
Satzes 1 enthält § 16 BeschV (Fiktion der
4.3.1.1 Die Aufenthaltsgestattung, die Aufenthaltser- Nichterwerbstätigkeit). Damit können dieje-
laubnis und die Duldung sollen, wenn noch eine nigen Ausländer, die nach § 17 Absatz 2, §§ 23
Prüfung nach § 39 Absatz 2 durchzuführen ist, bis 30 AufenthV vom Erfordernis eines Auf-
mit folgendem Hinweis versehen werden: enthaltstitels befreit sind, auch ohne Aufent-
haltstitel die in der Aufenthaltsverordnung ge-
„Beschäftigung nur mit Genehmigung der nannten Beschäftigungen ausüben. Daher wird
Ausländerbehörde gestattet.“ in den zeitlichen und sachlichen Grenzen der
Seite 916 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Fiktion der Nichterwerbstätigkeit durch eine Schengen-Recht vorgegebenen Dreimonatsfrist


beabsichtigte berufliche Tätigkeit im Bundes- ein Seefahrtsbuch ausstellen lassen. Danach gilt
gebiet nicht die Visumpflicht ausgelöst, die im für sie die Befreiung nach § 24 Absatz 1 Num-
übrigen nach § 17 Absatz 1 AufenthV bestehen mer 2 AufenthV. Für die Ausstellung des See-
würde, wenn ein ansonsten für Kurzaufenthalte fahrtsbuches, die sich nicht nach dem Aufent-
visumfreier Drittausländer im Bundesgebiet er- haltsgesetz richtet, muss die Voraussetzung des
werbstätig werden möchte. Dies betrifft – z. B – § 5 Absatz 2 Nummer 1 nicht erfüllt sein.
Geschäftsreisende, die für Besprechungen oder
Verhandlungen in das Bundesgebiet reisen. 4.4.3 Den nicht von der Aufenthaltstitelpflicht be-
Entsprechendes gilt auch für Drittausländer mit freiten Seeleuten kann eine Aufenthaltserlaub-
einem Aufenthaltstitel eines anderen Schengen- nis bzw. ein nationales Visum nach § 18 für die
Staates, die aus beruflichen Gründen vorüber- Dauer der Beschäftigung, längstens jedoch für
gehend im Bundesgebiet tätig werden und we- drei Jahre bzw. für ein Jahr erteilt werden. Die
gen Artikel 21 Absatz 1 SDÜ mit ihrem Auf- Aufenthaltserlaubnis kann entsprechend ver-
enthaltstitel des anderen Schengen-Staates für längert werden. Die Aufenthaltserlaubnis wird
bis zu drei Monate nach Deutschland reisen mit der Nebenbestimmung
dürfen, ohne hierfür ein Visum zu benötigen. „Beschäftigung nur als Seemann gemäß
§ 14 Nummer 1 BeschV gestattet“
4.3.5 Im Gegensatz zu Absatz 3 Satz 1 ist in Absatz 3
Satz 2 nicht der Ausländer der Normadressat. versehen.
Adressat dieser Regelung ist derjenige, der
Ausländer beschäftigt oder der Ausländer mit 4.5 Deklaratorischer Aufenthaltstitel
der Erbringung von Dienst- oder Werk-
leistungen beauftragt. Der mit Satz 2 in Ver- 4.5.1 § 4 Absatz 5 trägt der Rechtsprechung des Eu-
bindung stehende Satz 4 spricht die Verpflich- ropäischen Gerichtshofs zum Assoziierungsab-
tung aus, sich vor einer Beschäftigung oder Be- kommen EWG/Türkei Rechnung. Da das Auf-
auftragung mit nachhaltigen entgeltlichen enthaltsgesetz im Übrigen nur konstituierende
Dienst- oder Werksleistungen einer Person da- Aufenthaltstitel regelt, gäbe es ohne diesen Ab-
von zu überzeugen, dass diese Person entweder satz keine Verpflichtung zur Beantragung de-
nicht Ausländer oder zur Ausübung der Er- klaratorischer Aufenthaltstitel zum Nachweis
werbstätigkeit berechtigt ist. Hierdurch wird eines bestehenden Aufenthaltsrechts nach As-
der Maßstab der Fahrlässigkeit i. S. d. § 404 soziationsrecht. Die deklaratorische Aufent-
SGB III konkretisiert. Die Prüfungspflicht be- haltserlaubnis ist auf Antrag auszustellen, so-
steht bei der Beauftragung mit Dienst- und fern das Aufenthaltsrecht nach dem Assozia-
Werkleistungen nur im Falle der Nachhaltig- tionsrecht EWG/Türkei, insbesondere aus dem
keit, also etwa nicht bei gelegentlichen Hilfe- ARB 1/80, tatsächlich besteht. Die Möglichkeit,
leistungen, Beauftragungen im Rahmen von trotz des bestehenden Aufenthaltsrechts bei
Kontakten in Ladengeschäften oder in ähnlich Vorliegen der Voraussetzungen eine Nieder-
flüchtigen Situationen, bei Gefälligkeiten gegen lassungserlaubnis mit entsprechend konstitu-
kein oder geringes Entgelt oder im Rahmen der tiver Wirkung zu erhalten, bleibt unberührt.
Nachbarschaftshilfe. Die leichtfertige Beauftra-
gung zu Werk- oder Dienstleistungen entgegen 4.5.2 Die Ersteinreise türkischer Staatsangehöriger
dem Beauftragungsverbot des Satzes 2 wird einschließlich des damit verbundenen Visum-
nach § 98 Absatz 2a sanktioniert. verfahrens sowie deren erstmalige Erwerbs-
tätigkeitsaufnahme sind nach den allgemeinen
Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes zu
4.4 Aufenthaltstitelpflicht von Seeleuten
steuern. Hierzu bestehen zumeist keine be-
4.4.1 Ausländische Seeleute auf deutschen See- sonderen assoziationsrechtlichen Regelungen
schiffen benötigen auch dann einen Aufent- oder Verpflichtungen. Die Allgemeinen An-
haltstitel, wenn das Schiff sich außerhalb des wendungshinweise des Bundesministerium des
Bundesgebietes befindet. Wenn sie im Ausland Innern zum ARB 1/80 (AAH-ARB 1/80) in der
anheuern, müssen sie den Aufenthaltstitel vor jeweils gültigen Fassung sind anzuwenden; die
Ausstellung des Seefahrtbuches als Visum ein- nach Erlass der jeweils letzten Fassung er-
holen. Das Visum bedarf gemäß § 35 Num- gangene Rechtsprechung, insbesondere des
mer 3 AufenthV nicht der Zustimmung der Europäischen Gerichtshofs, ist zu beachten.
Ausländerbehörde, wenn der Ausländer auf
4.5.3 Sofern nicht die Erteilung einer Nieder-
einem deutschen Seeschiff beschäftigt werden
lassungserlaubnis in Betracht kommt, ist ent-
soll, das berechtigt ist, die Bundesflagge zu
sprechend der eigentlichen Zwecksetzung des
führen, und in das internationale Seeschiff-
ARB 1/80, nämlich eine Bewerbung um und die
fahrtsregister eingetragen ist (§ 12 FlaggRG),
Ausübung einer Beschäftigung zu ermöglichen,
sofern nicht zugleich ein gewöhnlicher Aufent-
die deklaratorische Aufenthaltserlaubnis für
halt im Bundesgebiet begründet wird.
denjenigen Gültigkeitszeitraum auszustellen,
4.4.2 Seeleute, die Staatsangehörige eines in Anhang für den sie erteilt würde, wenn die Voraus-
II der Verordnung (EG) Nummer 539/2001 ge- setzungen der Erteilung einer Aufenthaltser-
nannten Staates sind, benötigen keinen Aufent- laubnis für eine Beschäftigung nach § 18 vor-
haltstitel, wenn sie sich innerhalb der durch liegen würden. Ergibt sich daraus kein hin-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 917

reichender Maßstab für die Bemessung des oder grob unverhältnismäßig oder untunlich
Gültigkeitszeitraums, ist die Aufenthaltser- erscheinen lässt. Die Beurteilung, ob ein Regel-
laubnis jeweils für drei Jahre auszustellen. Lie- erteilungsgrund eingreift, erfordert eine recht-
gen die Voraussetzungen für die Erteilung einer lich gebundene Entscheidung, die einer unein-
Niederlassungserlaubnis vor, soll der Antrag- geschränkten gerichtlichen Überprüfung un-
steller auf die Möglichkeit der Beantragung terliegt.
hingewiesen werden. Inhaber einer Nieder-
lassungserlaubnis unterliegen nicht der Ver- 5.0.3 Das Europäische Fürsorgeabkommen vom
pflichtung nach § 4 Absatz 5, da sie einen Auf- 11. Dezember 1953 (BGBl. 1956 II S. 563/1958
enthaltstitel besitzen, der eine grundsätzlich II S. 18) und das Europäische Niederlassungs-
weitergehende Berechtigung vermittelt als das abkommen vom 13. Dezember 1959 (BGBl.
Assoziationsrecht EWG/Türkei. 1959 II S. 998) schränken zwar die Ausweisung
eines Ausländers ein, die sich daraus ergebende
4.5.4 Zur Sanktionierung von Verletzungen der Schutzwirkung schließt jedoch nicht die Versa-
Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen gung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels
vgl. Nummer 44a.3.3. aus. Die Schutzwirkung dieser Verträge er-
streckt sich nur auf bestehende Aufenthalts-
rechte. Siehe hierzu auch Nummer 5.1.2.1.
5 Zu § 5 – Allgemeine Erteilungsvoraus-
setzungen 5.1 Die Regelerteilungsvoraussetzungen nach
Absatz 1
5.0 Allgemeines
5.1.1.1 Die Regelerteilungsvoraussetzung der Lebens-
5.0.1 § 5 regelt die grundlegenden Voraussetzungen unterhaltssicherung dient dazu, die Inan-
für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Diese spruchnahme öffentlicher Mittel zu vermeiden.
Erteilungsgründe gelten mit Ausnahme von Die Definition der Lebensunterhaltssicherung
Absatz 1 Nummer 3 unabhängig davon, ob ein findet sich in § 2 Absatz 3 (vgl. Nummer 2.3).
Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufent- Allerdings soll dadurch auch verhindert wer-
haltstitels besteht oder nach Ermessen ent- den, dass die Bundesrepublik Deutschland auf
schieden werden kann. Die Voraussetzungen sonstige Weise einen finanziellen Nachteil er-
des § 5 Absatz 1 gelten für alle Aufenthaltstitel, leidet. Dies ist beispielsweise dann der Fall,
d. h. auch für das Visum und die Erlaubnis zum wenn der Ausländer seinen Unterhalt dadurch
Daueraufenthalt-EG. Die Voraussetzungen des bestreitet, dass er einer illegalen Beschäftigung
§ 5 Absatz 2 müssen bei der Erteilung einer nachgeht. Der Regelerteilungsgrund ist immer
Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis dann gegeben, wenn feststeht, dass der Aus-
oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zu- länder seinen vollen, allgemeinen Lebensunter-
sätzlich zu denjenigen erfüllt werden, die in halt abdecken kann. Hierzu kann die Ver-
§ 5 Absatz 1 genannt sind. Der Umstand, dass pflichtungserklärung eines Dritten nach § 68
es sich in den Fällen des Absatzes 1 um Regel- als Nachweis verwendet werden (siehe auch
erteilungsgründe handelt, hat zur Folge, dass Nummer 68 und Nummer 2.3.4.2).
ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden kann,
wenn nicht feststellbar ist, ob der Erteilungs- 5.1.1.2 Von der Regelerteilungsvoraussetzung der Le-
grund vorliegt (objektive Beweislast). Bei der bensunterhaltssicherung kann nur bei Vorliegen
Darlegung der Voraussetzungen hat der Aus- besonderer, atypischer Umstände abgesehen
länder eine Mitwirkungspflicht gemäß § 82 werden, die so bedeutsam sind, dass sie das
Absatz 1, auf die ihn die Ausländerbehörde sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetz-
hinweisen soll (§ 82 Absatz 3). lichen Regelung beseitigen, aber auch dann,
wenn entweder aus Gründen höherrangigen
5.0.2 Ausnahmen von diesen Erteilungsvoraus- Rechts wie etwa Artikel 6 GG oder im Hin-
setzungen finden sich in § 5 Absatz 2 Satz 2, § 5 blick auf Artikel 8 EMRK (Schutz des Fami-
Absatz 3 sowie in speziellen Erteilungsvor- lienlebens) die Erteilung eines Visums zum Fa-
schriften für bestimmte Aufenthaltszwecke. miliennachzug zwingend geboten ist. Solche
Darüber hinaus kann von einem Regelertei- Umstände können vorliegen, wenn die Her-
lungsgrund nur abgewichen werden, wenn ein stellung der Lebensgemeinschaft im Her-
Sachverhalt vorliegt, der sich so sehr vom ge- kunftsland im Einzelfall nicht möglich ist. Sie
setzlichen Regeltatbestand unterscheidet, dass kommen auch dann in Betracht, wenn das
er das ausschlaggebende Gewicht des gesetz- nachzugsvermittelnde Familienmitglied Kinder
lichen Regelerteilungsgrundes beseitigt. Dies ist deutscher Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet
anhand des Zwecks des Regeltatbestands zu er- hat. Denn in solchen Fällen ist auch das Recht
mitteln. Ein Fall unterscheidet sich demnach der in Deutschland lebenden Familienange-
nicht bereits deshalb vom Regelfall, weil be- hörigen auf Umgang mit der Referenzperson zu
sondere, außergewöhnliche Umstände und berücksichtigen.
Merkmale zu einer Abweichung von der Viel-
zahl gleich liegender Fälle führen. Vielmehr ist 5.1.1a Identität und Staatsangehörigkeit sind im Re-
zusätzlich erforderlich, dass eine solche Ab- gelfall durch die Vorlage eines gültigen Passes
weichung die Anwendung des Regeltatbestan- oder Passersatzes nachgewiesen. Sofern ein sol-
des nach seinem Sinn und Zweck unpassend ches Dokument nicht vorliegt, sind die Identität
Seite 918 GMBl 2009 Nr. 42– 61

und Staatsangehörigkeit durch andere geeignete kunft mit hoher Wahrscheinlichkeit ausge-
Mittel nachzuweisen (z. B. Geburtsurkunde, schlossen werden kann.
andere amtliche Dokumente). Als Drittaus-
länder sind auch Personen zu behandeln, bei 5.1.2.3.1 Da die Ausländerbehörden nach § 41 Absatz 1
denen noch nicht geklärt ist, ob sie Deutsche Nummer 7 BZRG eine unbeschränkte Aus-
(vgl. § 2 Absatz 1) bzw. Unionsbürger sind. Die kunft aus dem Bundeszentralregister verlangen
zur Feststellung der Identität oder Staatsange- können, sind Einträge im Bundeszentralregister
hörigkeit erforderlichen Maßnahmen nach § 49 und die ihnen zu Grunde liegenden Sach-
Absatz 1 und 2 veranlasst grundsätzlich die verhalte – insbesondere zu strafrechtlichen
Ausländerbehörde (vgl. § 71 Absatz 4). Deut- Verurteilungen, aber auch zu Suchvermerken
sche Volkszugehörige, die einen Aufnah- im Zusammenhang mit noch nicht abge-
mebescheid und einen Registrierschein be- schlossenen Strafverfahren – mit Ausnahme der
sitzen, sind insoweit nicht als Drittausländer zu in § 17 BZRG genannten Eintragungen und mit
behandeln. Ausnahme der Verurteilungen zu Jugendstrafe,
bei denen der Strafmakel als beseitigt erklärt ist
5.1.2 Ausweisungsgrund (vgl. § 41 Absatz 3 BZRG) – grundsätzlich bis
zur Tilgung im Bundeszentralregister (Zweiter
5.1.2.1 Es kommt darauf an, ob im Einzelfall die Vor- Teil, Vierter Abschnitt BZRG) verwertbar. Ist
aussetzungen eines Ausweisungstatbestandes die Eintragung über eine Verurteilung im
nach den §§ 53, 54 oder 55 (Ausweisungsgrund) Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so
objektiv vorliegen. Es wird nicht gefordert, dass dürfen die Tat und die Verurteilung dem Be-
der Ausländer auch ermessensfehlerfrei aus- troffenen hingegen nach § 51 Absatz 1 BZRG
gewiesen werden könnte. Daher ist keine hy- nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem
pothetische Prüfung durchzuführen, ob der Nachteil verwertet werden. Entscheidungen
Ausländer wegen des Ausweisungsgrundes von Gerichten oder Ausländerbehörden, die im
ausgewiesen werden könnte oder würde, und Zusammenhang mit der Tat oder der Verur-
ob der Ausweisung Schutzvorschriften ent- teilung vor der Tilgung bereits ergangen sind,
gegenstehen. Bei der Feststellung, ob ein Aus- bleiben hingegen nach § 51 Absatz 2 BZRG
weisungsgrund vorliegt, ist daher unbeachtlich, unberührt. Nach § 52 Absatz 1 Nummer 1
ob die Ausweisungsbeschränkungen des § 56 BZRG darf die frühere Tat zudem auch nach
gegeben sind, oder ob das im Europäischen der Tilgung berücksichtigt werden, wenn die
Fürsorgeabkommen für den dort begünstigten Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
Personenkreis geregelte Verbot der Ausweisung oder eines ihrer Länder dies zwingend gebietet.
wegen Sozialhilfebedürftigkeit eingreift. Diese Hiervon ist im Zusammenhang mit § 5 Absatz 4
Regelung verbietet nämlich lediglich, dass an sowie § 54 Nummer 5 oder 5a regelmäßig aus-
das Vorliegen des Ausweisungsgrundes nach zugehen.
§ 55 Absatz 2 Nummer 6 die Rechtsfolge der
5.1.2.3.2 Zu beachten ist, dass ein Antragsteller im Vi-
Ausweisung geknüpft wird. Sie verpflichtet je-
sumverfahren und im Verfahren zur Beantra-
doch nicht, einem Ausländer, der Sozialhilfe in
gung eines Aufenthaltstitels sich nach § 53 Ab-
Anspruch nimmt, den Aufenthaltstitel zu er-
satz 1 BZRG als unbestraft bezeichnen darf und
teilen oder zu verlängern.
den der Verurteilung zugrunde liegenden Sach-
verhalt nicht zu offenbaren braucht, wenn die
5.1.2.2 Der Ausweisungsgrund ist nur beachtlich,
Verurteilung entweder nicht in ein Führungs-
wenn dadurch aktuell eine Beeinträchtigung der
zeugnis oder nur in ein Führungszeugnis für
öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder son-
Behörden aufzunehmen ist oder aus dem Bun-
stiger erheblicher Interessen der Bundes-
deszentralregister zu tilgen ist. Von der Pflicht
republik Deutschland i. S. v. §§ 53, 54 und 55 zu
zur Offenbarung von Verurteilungen, die zwar
befürchten ist. Je gewichtiger der Aus-
nicht zu tilgen sind, aber nicht in ein Füh-
weisungsgrund ist, umso weniger strenge Vor-
rungszeugnis aufgenommen werden, ist der
aussetzungen sind an die Prüfung des weiteren
Betroffene nach § 53 Absatz 2 BZRG gegen-
Vorliegens einer Gefährdung zu stellen. Aus-
über Behörden, die zu einer unbeschränkten
weisungsgründe nach §§ 53, 54 und § 55 Ab-
Auskunft aus dem Bundeszentralregister befugt
satz 2 Nummer 1 bis 3 liegen solange vor, wie
sind, nur dann nicht befreit, wenn eine ent-
eine Gefährdung fortbesteht. Längerfristige
sprechende Belehrung erfolgt ist. Eine ent-
Obdachlosigkeit, Sozialhilfebezug und Inan-
sprechende Bestätigung der Belehrung – auch
spruchnahme von Erziehungshilfe (§ 55 Ab-
im Hinblick auf § 55 Absatz 2 Nummer 1 – ist
satz 2 Nummer 5, 2. Alternative Nummer 6
stets zu erteilen. Sie kann wie folgt lauten:
und 7) können keine Grundlage für die Versa-
gung bieten, wenn diese Umstände zwischen- „In § 55 Absatz 2 Nummer 1 AufenthG ist
zeitlich weggefallen sind. Ein Ausweisungs- bestimmt, dass ein Ausländer/eine Aus-
grund ist auch dann unbeachtlich, wenn er auf länderin aus Deutschland ausgewiesen
Grund einer Zusicherung der Ausländer- werden kann, wenn er/sie im Verfahren zur
behörde verbraucht ist (Gesichtspunkt des Erteilung eines Aufenthaltstitels falsche
Vertrauensschutzes). Hingegen dürfen solche Angaben zum Zwecke der Erteilung eines
Zusagen nur gegeben werden, wenn eine Ge- Aufenthaltstitels gemacht hat. Der An-
fährdung der geschützten Rechtsgüter in Zu- tragsteller/die Antragstellerin ist ver-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 919

pflichtet, alle Angaben nach bestem Wissen haltes nach lang währendem Aufenthalt im
und Gewissen zu machen. Bewusste Bundesgebiet ist auch darauf abzustellen, ob
Falschangaben können zur Folge haben, diese Leistungen nur in geringer Höhe oder
dass der Antrag abgelehnt wird bzw. die für eine Übergangszeit in Anspruch ge-
Antragstellerin/der Antragsteller aus nommen werden. Dies kann insbesondere
Deutschland ausgewiesen wird, sofern ein bei Alleinerziehenden der Fall sein.
Aufenthaltstitel bereits erteilt wurde.
5.1.3 Beeinträchtigung oder Gefährdung der Inte-
Die Behörde darf nach den Vorschriften des ressen der Bundesrepublik Deutschland
BZRG eine unbeschränkte Auskunft über die
im Bundeszentralregistergesetz eingetragenen 5.1.3.1 Der Begriff der Interessen der Bundesrepublik
und nicht zu tilgenden strafrechtlichen Verur- Deutschland umfasst in einem weiten Sinne
teilungen einholen, auch wenn diese nicht mehr sämtliche öffentlichen Interessen. Der Regel-
in Führungszeugnisse aufgenommen werden. versagungsgrund fordert nicht die Beeinträch-
Daher ist ein Antragsteller verpflichtet, auch tigung oder Gefährdung eines „erheblichen“
strafrechtliche Verurteilungen, die zwar nicht öffentlichen Interesses (vgl. im Gegensatz hier-
zu tilgen sind, aber nicht in ein Führungs- zu § 55 Absatz 1). Eine Gefährdung öffent-
zeugnis aufgenommen werden, anzugeben. licher Interessen ist anzunehmen, wenn An-
haltspunkte dafür vorliegen, dass der Aufent-
Durch die Unterschrift bestätigt die An- halt des betreffenden Ausländers im
tragstellerin/der Antragsteller, dass er/sie über Bundesgebiet öffentliche Interessen mit hin-
die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger reichender Wahrscheinlichkeit beeinträchtigen
Angaben im Verfahren belehrt worden ist.“ wird. Allgemeine entwicklungspolitische Inter-
essen erfüllen an sich allein diese Anforde-
5.1.2.4 Für ein Absehen von der Regelerteilungsvor-
rungen nicht. Die Ausländerbehörde hat unter
aussetzung des Fehlens eines Ausweisungs-
Berücksichtigung des bisherigen Werdegangs
grundes können im Hinblick auf verfassungs-
des Ausländers eine Prognoseentscheidung zu
rechtliche Vorgaben die nachfolgenden, nicht
treffen.
abschließenden Gesichtspunkte maßgebend
sein. Sie kommen insbesondere bei der Ermes- 5.1.3.2.1 Zu den in § 5 Absatz 1 Nummer 3 genannten
sensausübung über ein Absehen beim Fami- Interessen gehört auch das öffentliche Interesse
liennachzug nach § 27 Absatz 3 Satz 2 in Be- an der Einhaltung des Aufenthaltsrechts ein-
tracht: schließlich der Einreisevorschriften, um insbe-
sondere dem Hineinwachsen in einen vom Ge-
5.1.2.4.1 – Die Dauer der Aufenthaltszeit, in der keine
setz verwehrten Daueraufenthalt in Deutsch-
Straftaten begangen wurden, im Verhältnis
land vorzubeugen. Die die Einreise und den
zur Gesamtaufenthaltsdauer. Ein lang-
Aufenthalt regelnden Vorschriften konkreti-
währender rechtmäßiger Aufenthalt im
sieren die allgemeine Zweckbestimmung des
Bundesgebiet und die damit regelmäßig ein-
Aufenthaltsgesetzes, den Zuzug von Auslän-
hergehende Integration kann unter Berück-
dern in die Bundesrepublik Deutschland zu
sichtigung des Grundsatzes der Verhält-
steuern und zu begrenzen (§ 1 Absatz 1 Satz 1).
nismäßigkeit eine atypische Fallgestaltung
Das vorgenannte Interesse ist grundsätzlich
in der Weise ergeben, dass schutzwürdige
verletzt, wenn der Ausländer in das Bundesge-
Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet
biet einreist und sich die Art des von ihm bean-
zu berücksichtigen sind und ein Aufent-
tragten und danach erteilten Aufenthaltstitels
haltstitel je nach dem Grad der Entfrem-
mit dem tatsächlichen Aufenthaltsgrund oder
dung vom Heimatland grundsätzlich nur
-zweck nicht deckt. Erhärtet sich der Verdacht
noch zur Gefahrenabwehr aus gewichtigen
der Begehung einer Straftat gemäß § 95 Ab-
Gründen versagt werden darf.
satz 2 Nummer 2 (unrichtige Angaben) mit der
5.1.2.4.2 – Hat der Ausländer die Inanspruchnahme Folge, dass in der Person des Ausländers ein
von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten Ausweisungsgrund vorliegt, liegt auch die Re-
(z. B. unverschuldete Arbeitslosigkeit, un- gelerteilungsvoraussetzung des § 5 Absatz 1
verschuldeter Unfall) und hält er sich seit Nummer 2 nicht vor. Eine Gefährdung der In-
vielen Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet teressen der Bundesrepublik Deutschland kann
auf, ist dieser Umstand insbesondere dann insbesondere angenommen werden, wenn das
zugunsten des Ausländers zu gewichten, Ausländerrecht für den beabsichtigten Aufent-
wenn er aufgrund seiner Sondersituation haltszweck des Ausländers im Regelfall keine
dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Ver- legale Verwirklichungsmöglichkeit vorsieht
fügung steht oder die Minderung der Er- und somit zu befürchten ist, dass der Ausländer
werbsfähigkeit einen ergänzenden Bezug den Aufenthaltszweck illegal erreichen will.
von Leistungen nach SGB XII erforderlich
macht. Dies gilt auch bei der Verlängerung 5.1.3.2.2.1 Einem Ausländer, dem nur vorübergehender
einer nach § 31 erteilten Aufenthaltserlaub- Aufenthalt gewährt werden soll, darf kein Auf-
nis. enthaltstitel erteilt werden, wenn begründete
Zweifel an der Möglichkeit oder der Bereit-
5.1.2.4.3 – Bei Inanspruchnahme von Leistungen nach schaft zur Rückkehr in seinen Herkunftsstaat
SGB XII zur Bestreitung des Lebensunter- bestehen (zur Ablehnung eines Schengen-Vi-
Seite 920 GMBl 2009 Nr. 42– 61

sums wegen fehlender Rückkehrbereitschaft 229 S. 35, so genannte Freizügigkeitsrichtlinie)


vgl. auch Nummer 6.1.3.1). Kann im Einzelfall genannten Krankheiten (siehe dazu Num-
die Rückkehrbereitschaft nicht festgestellt wer- mer 6.1.1.3 VwV-FreizügigG/EU) und Krank-
den, ist die Erteilung eines Visums bereits tat- heiten mit klinisch schweren Verlaufsformen,
bestandlich wegen des Fehlens der Regel- die sich im Inland epidemisch verbreiten
erteilungsvoraussetzung ausgeschlossen (vgl. können, in Betracht. Erfasst sind Kranke,
Nummer 6.1.3). Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächti-
ge, Ausscheider (§ 2 IfSG) sowie sonstige Per-
5.1.3.2.2.2 Diese Voraussetzung ist auch in Fällen der Be-
sonen, die Krankheitserreger so in oder an sich
antragung eines Schengen- oder eines nationa-
tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Wei-
len Visums zum Zweck eines Sprachkurs-
terverbreitung besteht. Eine Gefahr für die öf-
besuchs des Ehegatten eines Ausländers oder
fentliche Gesundheit besteht im Einzelfall
eines Deutschen von besonderer Bedeutung,
nicht, wenn die Krankheit nachweislich nicht
mit dem der Ehegatte eines Ausländers oder
auf andere Menschen übertragen werden kann.
Deutschen den Erwerb von Deutschkenntnis-
Auch eine ordnungsgemäße Heilbehandlung
sen zur Erfüllung der Voraussetzung des § 30
einschließlich der Befolgung der erforderlichen
Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 im Inland beab-
Präventionsmaßnahmen schließt die Gefahr
sichtigt.
einer Weiterverbreitung der Krankheit weit-
5.1.3.2.3 Die Auslandsvertretungen prüfen im Wege der gehend aus. Ein Regelversagungsgrund wegen
gebotenen Einzelfallbetrachtung die Rück- Beeinträchtigung oder Gefährdung der öffent-
kehrbereitschaft und -möglichkeit des Antrag- lichen Gesundheit ist daher nicht gegeben,
stellers unter Einbeziehung ihrer Erkenntnisse wenn nachgewiesen wird, dass die Krankheit
zum Herkunftsland. In die Prognoseent- auch im Inland ordnungsgemäß unter Beach-
scheidung über die Rückkehrbereitschaft fließt tung des Arztprivilegs nach § 24 IfSG behandelt
das Bestehen eventueller individueller Abschie- werden wird und erforderliche Präven-
bungshindernisse im Herkunftsstaat mit ein. tionsmaßnahmen befolgt werden. Ist eine Stö-
rung oder Gefährdung der öffentlichen Ge-
5.1.3.3 Zu den öffentlichen Interessen i. S. v. § 5 Ab- sundheit auf das persönliche Verhalten des
satz 1 Nummer 3 gehört auch, die Verpflich- Ausländers zurückzuführen, liegt der Aus-
tungen einzuhalten, die sich aus völker- weisungsgrund des § 55 Absatz 2 Nummer 2
rechtlichen Verträgen für die Vertragsstaaten vor, so dass die Regelversagung auch auf § 5
ergeben. Für die Erteilung eines Schengen-Vi- Absatz 1 Nummer 2 gestützt werden kann.
sums sind die Voraussetzungen des Artikels 5
Absatz 1 Schengener Grenzkodex maßgebend. 5.1.3.5.2 Nicht übertragbare Krankheiten berühren zwar
nicht die Gesundheit der Bevölkerung und
5.1.3.4 Zu den öffentlichen Interessen gehört auch die stellen keinen Regelversagungsgrund dar; sie
Vermeidung einer Belastung der öffentlichen können jedoch öffentliche Belange anderer Art,
Haushalte. Der Aufenthaltstitel ist daher regel- insbesondere wegen der Notwendigkeit fi-
mäßig zu versagen, wenn der Ausländer, insbe- nanzieller Aufwendungen der Sozialversiche-
sondere als ältere Person, keinen Krankenver- rung oder öffentlicher Haushalte beein-
sicherungsschutz nachweist oder Rückkehrhil- trächtigen (siehe Nummer 5.1.1 f.). Insoweit
fen in Anspruch genommen hat. Bei älteren kann die Regelerteilungsvoraussetzung des
Ausländern muss das Risiko der Krankheit ausreichenden Krankenversicherungsschutzes
durch eine Versicherung oder im Einzelfall nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 i. V. m. § 2 Ab-
durch eine gleichwertige Absicherung, z. B. satz 3 Satz 1 fehlen.
durch Abgabe einer Erklärung gemäß § 68 oder
einer Bürgschaft, gedeckt sein (vgl. Num- 5.1.3.5.3 Bei Vorliegen von Anhaltspunkten für die Ge-
mer 68.1.2.2). fährdung der öffentlichen Gesundheit kann die
Ausländerbehörde die Vorlage eines Gesund-
5.1.3.5.1 Zu den öffentlichen Interessen i. S. v. § 5 Ab- heitszeugnisses verlangen, im Visumverfahren
satz 1 Nummer 3 gehört die öffentliche Ge- die Auslandsvertretung die Beibringung einer
sundheit. Der Schutz der öffentlichen Gesund- geeigneten und zuverlässigen ärztlichen Be-
heit umfasst die Verhinderung der Weiter- scheinigung. Die Vorlage von Gesundheits-
verbreitung von übertragbaren Krankheiten zeugnissen für Angehörige bestimmter Aus-
beim Menschen. Als übertragbare Krankheiten ländergruppen kann nur die oberste Landes-
kommen hier vor allem die in Artikel 29 der behörde anordnen.
Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 29. April 2004 über 5.1.3.6 Eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen
das Recht der Unionsbürger und ihrer Fami- liegt vor, wenn der Ausländer seinen Lebens-
lienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der unterhalt aus einer sittenwidrigen oder sozial
Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei zu unwerten Erwerbstätigkeit bestreitet. In diesen
bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Fällen greift der Versagungsgrund jedoch nicht
Verordnung (EWG) Nummer 1612/68 und zur ein, wenn der Ausländer einen gesetzlichen
Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/ Aufenthaltsanspruch hat oder das Diskrimi-
380/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/ nierungsverbot nach Europäischem Gemein-
EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365 schaftsrecht eine Inländergleichbehandlung ge-
EWG und 93/96/EWG (ABl. EU Nummer L bietet. Die Ausübung der Prostitution beein-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 921

trächtigt öffentliche Interessen insbesondere Aufenthalt gegeben ist als bei Vorhandensein
dann stets, wenn sie in tatsächlicher wirtschaft- eines Passes.
licher Abhängigkeit ausgeübt wird, selbst wenn
5.1.4.3.2 Ausnahmen von der Passpflicht vor der Ein-
diese Abhängigkeit nicht eine strafrechtliche
reise des Ausländers richten sich nach § 3 Ab-
Erheblichkeit aufweist. Soweit Ermessen eröff-
satz 2. Das Bundesministerium des Innern ent-
net ist, ist zudem zu beachten, dass die Zulas-
scheidet über die Ausnahme von der Passpflicht
sung des Aufenthalts zum Zwecke der Aus-
in einem selbständigen Verwaltungsverfahren
übung der Prostitution, auch wenn sie legal er-
und ist dabei nicht an Entscheidungen oder
folgt, nicht im migrationspolitischen Interesse
Zusagen anderer Behörden gebunden. Die
liegt.
Ausnahme vom Regelerteilungsgrund der
5.1.4 Erfüllung der Passpflicht Passpflicht hat lediglich zur Folge, dass trotz
der Nichterfüllung der Passpflicht ein Aufent-
5.1.4.1 Der Regelerteilungsgrund der Erfüllung der haltstitel erteilt wird. Sie befreit den Ausländer
Passpflicht dient neben der Feststellung der jedoch nicht davon, sich um die Erfüllung der
Identität und Staatsangehörigkeit des Aus- nach § 3 Absatz 1 weiterhin bestehenden Pass-
länders auch dazu, die Rückkehrmöglichkeit pflicht zu bemühen. Die Pflichten nach § 48
des Ausländers in den Staat, der den Pass oder Absatz 3 gelten weiterhin. Ihre schuldhafte
Passersatz ausgestellt hat, sicherzustellen (vgl. Nichterfüllung ist gemäß § 98 Absatz 2 Num-
Nummer 3.0.8). mer 3 bußgeldbewehrt. Sofern der Ausländer
keinen Pass oder Passersatz besitzt (insbe-
5.1.4.2 Gründe, die ausnahmsweise eine Abweichung sondere keinen Reiseausweis für Flüchtlinge)
von der Passpflicht rechtfertigen, sind außer und ein Pass oder Passersatz trotz entsprechend
den in § 5 Absatz 3 genannten Fällen etwa das nachgewiesener erfolgloser Bemühungen nicht
Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung des innerhalb von zwei Monaten erlangt werden
Aufenthaltstitels, wenn der Ausländer sich kann, ist mit dem Aufenthaltstitel ein Ausweis-
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und aus ersatz auszustellen.
von ihm nicht zu vertretenden Gründen keinen
Pass erlangen kann, oder sonstige begründete
5.2 Erteilungsvoraussetzungen der Aufenthalts-
Einzelfälle.
erlaubnis und der Niederlassungserlaubnis
5.1.4.3.1 Eine Erteilung von Aufenthaltstiteln ohne 5.2.1 § 5 Absatz 2 bestimmt als weitere Voraus-
Vorliegen eines anerkannten Passes oder Pas- setzung für die Erteilung der längerfristigen
sersatzpapiers soll erst nach einer umfassenden oder dauerhaften Aufenthaltstitel, dass das Vi-
Überprüfung der zu befreienden Person, bei sumverfahren nicht nur ordnungsgemäß, son-
einem Voraufenthalt in Deutschland auch an- dern auch unter vollständiger Angabe insbe-
hand des Bundeszentralregisters, erfolgen. Dies sondere des Aufenthaltszwecks durchgeführt
entspricht dem Charakter der Entscheidung als worden sein muss. Auf diese Weise soll die
Ausnahmeentscheidung, die einen durch den Einhaltung des Visumverfahrens als wichtiges
Gesetzgeber als grundsätzlich zwingend aus- Steuerungsinstrument der Zuwanderung ge-
gestalteten Grund für eine Versagung des Auf- währleistet werden.
enthaltstitels – sogar in Fällen, in denen sonst
ein Anspruch bestehen würde – durchbricht. 5.2.1.1 Die Voraussetzung kommt nur zum Tragen,
Auch bei Bestehen eines Anspruchs kann auf wenn ein Visum erforderlich ist. Dies ist nicht
das Vorhandensein eines ausreichenden Passes der Fall, soweit der Ausländer gemäß §§ 39 bis
oder Passersatzes ausnahmsweise nur verzichtet 41 AufenthV den Aufenthaltstitel nach der
werden, wenn an der Rückkehrwilligkeit, -be- Einreise einholen darf (siehe hierzu im Falle der
reitschaft und -berechtigung ausnahmsweise Eheschließung auch Nummer 30.0.1 f.).
keine vernünftigen Zweifel bestehen, oder
5.2.1.2 Einem Ausländer, der bereits eine Aufenthalts-
wenn ein Anspruch oder ein sehr gewichtiger
erlaubnis besitzt und deren Verlängerung oder
Grund für die Begründung eines Dauerauf-
die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels
enthalts besteht und keine Gründe ersichtlich
begehrt, kann bei dieser Gelegenheit ein frü-
sind, wonach in naher oder mittlerer Zukunft
herer Visumverstoß nicht mehr vorgehalten
mit einer Aufenthaltsbeendigung oder der Ver-
werden.
wirklichung von Ausweisungstatbeständen zu
rechnen ist. In aller Regel kann demnach beim 5.2.2.1 Von der Einhaltung des Visumverfahrens kann
Vorliegen von Vorstrafen in derartigen Fällen im Einzelfall abgesehen werden, wenn die Vor-
kein Aufenthaltstitel erteilt werden, insbe- aussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der
sondere wenn es sich um erheblichere oder Aufenthaltserlaubnis, einer Niederlassungser-
Rohheitsdelikte handelt. Bei der Entscheidung laubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufent-
sind wegen der im Ergebnis entfallenden halt-EG erfüllt sind. Damit soll in Fällen, in
Rückführungsmöglichkeit bei Passlosigkeit denen die materielle Prüfung der Ausländer-
auch allgemeine migrationspolitische Er- behörde bereits zu Gunsten des Ausländers ab-
wägungen verstärkt zu berücksichtigen. Im Er- geschlossen ist, vermieden werden, dass das Vi-
gebnis muss verhindert werden, dass in gleicher sumverfahren lediglich als leere Förmlichkeit
Lebenslage bei Passlosigkeit ein wegen der durchgeführt werden muss. Dies ist jedoch ins-
fehlenden Rückführungsmöglichkeit sichererer besondere dann nicht der Fall, wenn es Gründe
Seite 922 GMBl 2009 Nr. 42– 61

dafür gibt, das Vorliegen der Voraussetzungen – dem Ausländer wegen Krankheit, Schwan-
eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufent- gerschaft, Behinderung oder hohen Alters
haltstitels, z. B. das Bestehen einer wirksamen die Reise nicht zumutbar ist,
Ehe, in Zweifel zu ziehen. Es ist auch mit dem – wenn reguläre Reiseverbindungen in das
verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Fa- Herkunftsland des Ausländers nicht be-
milie nach Artikel 6 GG grundsätzlich verein- stehen,
bar, den Ausländer auf die Einholung eines er-
forderlichen Visums zu verweisen (siehe aber – eine legale oder angesichts der Rahmen-
Nummer 5.2.3). Einem mit einem Visum zu bedingung der Reise zumutbare Durchreise
einem anderen Aufenthaltszweck eingereisten durch Drittstaaten nicht gewährt wird,
Ehegatten kann ein Aufenthaltszweckwechsel – im Herkunftsland keine deutsche Auslands-
zum Ehegattennachzug nicht gestattet werden, vertretung existiert oder
wenn der Ehegattennachzug auch bei Vorliegen – ein Aufenthaltstitel auf Grund einer Er-
aller übrigen Voraussetzungen vom Nachweis messensreduzierung auf Null erteilt werden
der einfachen Deutschkenntnisse nach § 30 muss, ohne dass ein Anspruch entstanden
Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 28 Absatz 1 ist.
Satz 5 abhängig ist, da der Ehegatte nach Sinn
und Zweck des § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Die Kosten der Reise für die Nachholung des
die einfachen Deutschkenntnisse bereits vor Visumverfahrens im Herkunftsland sind für
dem Zuzug nach Deutschland bei der Erteilung sich allein keine solchen besonderen Umstände.
des nationalen Visums zum Ehegattennachzug
Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor,
nachweisen soll.
so soll die Ausländerbehörde von ihrem Er-
5.2.2.2 Im Rahmen der nach § 5 Absatz 2 Satz 2 zu messen insbesondere Gebrauch machen, wenn
treffenden Ermessensentscheidung ist ein er- sie im Einzelfall über den Antrag zum Aufent-
heblicher öffentlicher Belang, dass aus general- haltszweckwechsel sachlich ohne eine Beteili-
präventiven Gründen im Falle des gezielten gung der Auslandsvertretung entscheiden kann
Versuchs einer Umgehung der Erteilungs- und der Antrag nicht offensichtlich unbe-
voraussetzungen für ein nationales Visum die gründet ist. Dies dient auch dazu, eine Nach-
Nachholung des Visumverfahrens als Steue- holung des Visumverfahrens durch Ermäch-
rungsinstrument vor der Einreise gefordert tigung der grenznahen Auslandsvertretungen
wird. Häufig sind allein die Auslandsvertre- zu vermeiden.
tungen im Visumverfahren in der Lage, anhand
der Gegebenheiten im jeweiligen Herkunfts- 5.3 Ausnahmeregelungen
land das Vorliegen bestimmter Erteilungs-
voraussetzungen (z. B. sozial-familiäre Ver- 5.3.0.1 In vielen Fällen der Aufenthaltsgewährung aus
wurzelung hinsichtlich der Rückkehrbereit- völkerrechtlichen, humanitären und politischen
schaft, Mittel zur Lebensunterhaltssicherung, Gründen kann die Erteilung eines Aufenthalts-
persönliche Voraussetzungen bei Anträgen zu titels typischerweise nicht von der Einhaltung
Erwerbs- oder Studienaufenthalten) zu beur- aller Voraussetzungen des § 5 abhängig gemacht
teilen. Es widerspräche darüber hinaus dem ge- werden. Absatz 3 trifft daher für diese Fälle eine
setzlichen Ziel der Steuerung der Zuwanderung zusammenfassende Sonderregelung. Bei Aus-
nach § 1, einen weiteren Aufenthalt im Inland ländern, die die Voraussetzungen eines huma-
während der notwendigen Bearbeitung des nitären Aufenthaltstitels erfüllen, besteht i. d. R.
Antrags zum Aufenthaltszweckwechsel zu ge- nicht die Möglichkeit, den Aufenthalt zu be-
statten, wenn der Antrag auf weiteren Aufent- enden. Sie sollen nach dem Aufenthaltsgesetz
halt im Einzelfall letztlich versagt werden muss. für die Dauer der humanitären Notlage die
Möglichkeit eines legalen Aufenthaltsstatus er-
5.2.2.3 Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthalts- halten.
titels i. S. d. Aufenthaltsgesetzes ist nicht anzu-
nehmen, wenn ein Aufenthaltstitel auf Grund 5.3.0.2 § 5 Absatz 3 gilt nicht für den Fall der Fami-
einer Ermessensreduzierung auf Null erteilt lienzusammenführung zu diesem Personen-
werden muss, ohne dass ein Anspruch ent- kreis. Ein nachziehendes Familienmitglied
standen ist. Dies ist vielmehr im Rahmen der muss die Voraussetzungen des § 5 erfüllen, so-
Regelung besonderer Gründe des Einzelfalls weit in den Vorschriften zum Familiennachzug
nach § 5 Absatz 2 Satz 2, 2. Alternative zu be- keine Ausnahmen vorgesehen sind.
rücksichtigen. 5.3.1.1 In den Fällen des § 5 Absatz 3, 1. Halbsatz ist
5.2.3 In Ermessensfällen kann von der Nachholung der Aufenthaltstitel ungeachtet der allgemeinen
des Visumverfahrens abgesehen werden, wenn Erteilungsvoraussetzungen der Absätze 1 und 2
sie auf Grund besonderer Umstände des Ein- zu erteilen. Hinsichtlich der Ausweisungs-
zelfalles nicht zumutbar ist. Dies kann z. B. der gründe regelt § 25 Absatz 1 Satz 2 einen spe-
Fall sein, wenn ziellen Versagungsgrund, der auch im Fall des
§ 25 Absatz 2 anwendbar ist.
– im Haushalt des Ausländers betreuungs-
bedürftige Kinder oder pflegebedürftige 5.3.1.2 Nach § 5 Absatz 3 Satz 1 ist im Rahmen der
Personen leben, deren Betreuung im Fall der Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen einer
Reise nicht gesichert wäre, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a von
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 923

den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen regelten Aufnahmeverfahrens besteht und der


nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, Nummer 1a und Ausländer sich nicht in einer Fluchtsituation
Nummer 2 und Absatz 2 abzusehen. Zu prüfen befindet. Bei Bürgerkriegsflüchtlingen oder
bleiben daher die sonstige Gefährdung der Personen, bei denen rechtliche Abschiebungs-
öffentlichen Interessen der Bundesrepublik verbote vorliegen, soll von der Einhaltung des
Deutschland nach § 5 Absatz 1 Nummer 3 und Visumverfahrens abgesehen werden, im Übri-
das Vorliegen der Ausweisungsgründe des § 54 gen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu
Absatz 5 sowie Absatz 5a nach § 5 Absatz 4 entscheiden.
Satz 1 (vgl. Nummer 25.4a.3).
5.3.2.4 Sofern von dem Erfordernis der Erfüllung der
Die Einschränkung des § 5 Absatz 3 Satz 1 be- Passpflicht im Rahmen der Erteilung des Auf-
inhaltet jedoch keine Einschränkung der Mög- enthaltstitels abgesehen werden kann, befreit
lichkeit, den Ausländer bei Vorliegen der Vor- dies den Ausländer nicht zugleich von der all-
aussetzungen auszuweisen. gemeinen Obliegenheit, die Passpflicht nach § 3
Absatz 1 sowie die Pflichten nach § 48 Absatz 3
5.3.2 In den übrigen Fällen des Kapitels 2 Abschnitt 5
und nach § 56 AufenthV zu erfüllen. Sofern das
des Aufenthaltsgesetzes kann nach § 5 Absatz 3
Vorliegen der Voraussetzungen für die Aus-
Satz 2 von der Anwendung der Absätze 1 und 2
stellung eines Ausweisersatzes oder deutschen
abgesehen werden.
Passersatzes nicht festgestellt werden kann (die
5.3.2.1 Ein Absehen vom Erfordernis des gesicherten Darlegungslast trifft hierzu grundsätzlich den
Lebensunterhalts kommt bei erstmaliger Er- Ausländer), zugleich aber dennoch ausnahms-
teilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 weise ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann,
Abschnitt 5 grundsätzlich in Betracht, da ohne weil die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen,
den Besitz eines Aufenthaltstitels die Aufnahme ist das Klebeetikett für den Aufenthaltstitel auf
einer Beschäftigung erschwert ist. Dies gilt den Vordruck „Ausweisersatz“ nach Anlage D1
nicht, wenn der Betroffene sich bereits seit zur AufenthV aufzukleben; die Wörter „Aus-
einem Jahr in Deutschland aufgehalten hat und weisersatz“ auf Seite 1 und „als Ausweisersatz“
geduldet war, weil dann die Möglichkeit nach auf Seite 4 sind zu streichen und der Vermerk
§ 10 BeschVerfV besteht, auch Geduldeten die
„Die Inhaberin/der Inhaber genügt mit
Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu erlauben.
dieser Bescheinigung nicht der Pass- und
Bei der Ermessensentscheidung ist in diesen
Ausweispflicht.“
Fällen daher zu prüfen, ob Tatsachen die An-
nahme rechtfertigen, dass der Ausländer in ab- auf Seite 1 anzubringen.
sehbarer Zeit in der Lage sein wird, seinen Le-
bensunterhalt eigenständig zu sichern. Bei der 5.3.3 In Satz 3 wird den Ausländerbehörden in An-
anzustellenden Prognose ist die Qualifikation lehnung an die verwaltungsgerichtliche Recht-
des Ausländers, insbesondere seine Ausbildung sprechung ausdrücklich die Möglichkeit eröff-
und Sprachkenntnisse, ebenso zu berücksich- net, einem Ausländer einen Aufenthaltstitel zu
tigen wie die Frage, ob der Ausländer sich in der erteilen, ohne dass Ausweisungsgründe „ver-
Vergangenheit aktiv um eine Beschäftigung be- braucht“ werden. Auf Nummer 79.2.3.5 wird
müht hat. Ist absehbar, dass der Ausländer auf verwiesen.
unabsehbare Zeit von Sozialleistungen ab-
5.3.3.1 Eine solche Handhabe ist insbesondere dann
hängig sein wird, sprechen gute Gründe dafür,
sinnvoll, wenn es die Behörde als wahrschein-
von der Voraussetzung der Lebensunterhalts-
lich erachtet, dass es letztendlich nicht zu einer
sicherung nicht abzusehen. Diese Grundsätze
Ausweisung kommt, allerdings eine nähere
gelten auch für den Ausweisungsgrund des § 55
Prüfung noch vorbehalten bleiben soll (z. B.
Absatz 2 Nummer 6. Dient der Aufenthalt nach
Abwarten des Ausgangs eines gegen den Aus-
§ 25 Absatz 4 Satz 1 vorrangig den persönlichen
länder anhängigen strafrechtlichen Ermitt-
Interessen des Ausländers, wie etwa im Falle
lungsverfahrens), oder wenn ein lang andau-
der Regelung wichtiger persönlicher An-
erndes Ausweisungsverfahren durchgeführt
gelegenheiten oder des Abschlusses einer Aus-
wird. In solchen Fällen müsste die Ausländer-
bildung, wird man von der Voraussetzung der
behörde, wenn die Möglichkeit der Erteilung
Lebensunterhaltssicherung regelmäßig nicht
des Aufenthaltstitels unter Vorbehalt nicht
absehen können. Die Erteilung der Aufent-
möglich wäre, den Ausländer auf die Titelfik-
haltserlaubnis kann auch von der Abgabe einer
tion (§ 81) verweisen oder den „Verbrauch“
Verpflichtungserklärung abhängig gemacht
eines Ausweisungsgrundes akzeptieren.
werden.
5.3.3.2 Durch das Erfordernis der Benennung der
5.3.2.2 Ausweisungstatbestände können bis zu der
vorbehaltenen Ausweisungsgründe besteht
Grenze außer Betracht bleiben, die auch eine
Rechtssicherheit hinsichtlich des Umfanges des
Aufenthaltsverfestigung nicht verhindert (§ 9
Vorbehalts. Der Vorbehalt muss nicht in den
Absatz 2 Satz 1 Nummer 4).
Aufenthaltstitel aufgenommen werden. Es ge-
5.3.2.3 Im Fall des § 23 Absatz 2 soll von der Ein- nügt, wenn er dem Ausländer in anderer Weise,
haltung des Visumverfahrens im Regelfall nicht etwa durch ein Begleitschreiben, mitgeteilt
abgesehen werden, da hier ein überwiegendes wird. Er steht der Eignung des Aufenthaltstitels
öffentliches Interesse an der Einhaltung des ge- für Reisen nach Artikel 21 SDÜ nicht entgegen.
Seite 924 GMBl 2009 Nr. 42– 61

5.4 Versagungsgründe 5.4.4.1 Die Regelung des § 5 Absatz 4 Satz 2 kommt


– ebenso wie § 54 Nummer 5, 2. Halbsatz – zur
5.4.1 Der Versagungsgrund nach § 5 Absatz 4 greift Anwendung, wenn die fragliche Handlung, die
ein, wenn ein Ausweisungsgrund nach § 54 einen Versagungsgrund rechtfertigt, in der Ver-
Nummer 5 oder 5a objektiv vorliegt. § 5 Ab- gangenheit liegt. An das glaubhafte Abstand-
satz 4 ist gegenüber § 5 Absatz 1 Nummer 2 nehmen sind ausgesprochen hohe Maßstäbe zu
insoweit die speziellere Vorschrift. Ebenso wie setzen, da nur aufgrund eindeutigen aktiven
im Rahmen von § 5 Absatz 1 Nummer 2 ist es Tuns des Betroffenen davon ausgegangen wer-
nicht erforderlich, dass der Ausländer auch er- den kann, dass dieser von seiner früheren, den
messensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte. Terrorismus unterstützenden Einstellung end-
Die Ausführungen zu Nummer 5.1.2.1 gelten gültig Abstand genommen hat.
entsprechend.
5.4.4.2 Satz 2 ermöglicht im Einzelfall Ausnahmen bei
5.4.2 Der Versagungsgrund gilt uneingeschränkt so- tätiger Reue. Durch diese Regelung soll die
wohl für Aufenthaltstitel, die im Ermessens- Möglichkeit geschaffen werden, Ausländern,
wege erteilt werden können, als auch für solche, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten und
auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht. Bei sich von ihren bisherigen terroristischen Be-
Vorliegen von Tatsachen, die die Schluss- strebungen vollständig und dauerhaft distan-
folgerung rechtfertigen, dass ein Terrorismus- zieren, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren. Die
bezug i. S. d. § 54 Nummer 5 besteht, sowie in Feststellung, ob vom Terrorismus Abstand ge-
Fällen des § 54 Nummer 5a, überwiegt nach der nommen wurde und entsprechende Behaup-
Wertung des Gesetzgebers – wie die Aus- tungen glaubhaft sind, ist in erster Linie von
gestaltung des § 5 Absatz 4 Satz 1 als zwin- den Sicherheitsbehörden aufgrund der kon-
gender Versagungsgrund zeigt – stets das Inte- kreten Erfahrungen in Bezug auf bestimmte
resse der Bundesrepublik Deutschland an der Vereinigungen zu treffen. Um glaubhaft von
Fernhaltung des Betroffenen vom Bundesgebiet einem sicherheitsgefährdenden Handeln Ab-
gegenüber der dem Anspruch zugrunde liegen- stand zu nehmen, muss der Ausländer eine in-
den Grundrechtsposition (z. B. aus Artikel 6 nere und äußere völlige Abkehr von den si-
GG). Artikel 6 GG verleiht keinen unmittel- cherheitsgefährdenden Zielen überzeugend
baren Rechtsanspruch auf Aufenthaltsgewäh- deutlich machen. Insbesondere muss sich die
rung im Bundesgebiet, sondern verpflichtet Abkehr nach außen durch entsprechende
lediglich den Staat, familiäre Bindungen in er- Handlungen manifestieren, und es muss deut-
forderlicher und angemessener Weise zu be- lich werden, dass die Abkehr auf Dauer und
rücksichtigen. Für die hinter § 5 Absatz 4 ste- zudem nicht aus äußeren Zwängen oder auf
hende gesetzgeberische Wertung ist insbe- Grund rechtlicher Konsequenzen (beispiels-
sondere entscheidend, dass sich der Terrorismus weise infolge eines Vereinsverbotes) erfolgt.
zielgerichtet gegen die Sicherheit der gesamten
Gesellschaft und dabei auch gegen zentrale, 5.4.5 Für Ausnahmen vor der Einreise nach Satz 3 ist
verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsgüter, das Bundesministerium des Innern oder die von
unter anderem gegen die Grundrechte auf Le- ihm bestimmte Stelle zuständig. Die Entschei-
ben (Artikel 2 Absatz 2 GG) und Eigentum dung des Bundesministeriums des Innern er-
(Artikel 14 GG) richtet. Die objektive staat- geht gegenüber der Behörde, die den Aufent-
liche Pflicht zur Achtung und Wahrung der haltstitel erteilt oder versagt und ist somit ein
Würde aller Menschen und der betroffenen Mitwirkungsakt innerhalb des Visumverfah-
Rechtsgüter ist Gegenstand der im Grund- rens, der als solcher nicht durch Rechtsmittel
gesetz verankerten objektiven Werteordnung selbständig angegriffen werden kann. Die Aus-
und richtet sich daher nicht nur auf den Schutz nahmeregelung ist nur besonders gelagerten
der entsprechenden Rechtsgüter im In-, son- und konkreten Einzelfällen vorbehalten und
dern auch im Ausland. Es besteht zudem welt- muss vor der Einreise ausgesprochen werden.
weiter Konsens, dass für Terroristen kein si-
cheres Refugium geschaffen werden darf. Auch 5.5 Zusätzlich zu beachtende Einreisevoraus-
terroristische Aktivitäten mit Auslandsbezug setzungen nach dem Schengener Grenzkodex
führen daher zu einem überwiegenden Interesse
an der Fernhaltung des Betroffenen aus dem Neben den allgemeinen Erteilungsvoraus-
Bundesgebiet. setzungen nach § 5 sind bei der Erteilung von
Schengen-Visa und bei der Einreise in das
5.4.3 In den Fällen, in denen § 54 Nummer 5 über die Schengen-Gebiet die Einreisevoraussetzungen
Verweisung des § 5 Absatz 4 zur Anwendung nach dem Schengener Grenzkodex zu beachten.
kommt, muss die Frage der Gegenwärtigkeit Neben Artikel 1 des Schengener Grenzkodex,
auch im Zusammenhang mit der Regelung des wonach keine Grenzkontrollen in Bezug auf
§ 5 Absatz 4 Satz 2 beurteilt werden. Danach ist Personen stattfinden, die die Binnengrenzen
bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen, zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
ob sich der Betroffene gegenüber den zu- Union überschreiten, ist Artikel 5 Absatz 1
ständigen Behörden offenbart und glaubhaft Buchstabe a) bis e) Schengener Grenzkodex für
von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln die Einreise und den Aufenthalt von Dritt-
Abstand nimmt. staatsangehörigen im Schengen-Gebiet maß-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 925

geblich. Für einen Aufenthalt von bis zu drei zwar kein anerkanntes gültiges Grenzüber-
Monaten je Sechsmonatszeitraum trittspapier besitzt, ihm jedoch ein Ausnah-
mevisum erteilt wird. Vielmehr kann die Erfül-
5.5.1 muss ein Drittstaatsangehöriger bei der Einreise
lung der Passpflicht nur durch die Ausstellung
– im Besitz eines oder mehrerer gültiger Rei- eines Passersatzpapiers bewirkt werden.
sedokumente sein, wobei es sich im Fall der
Bundesrepublik Deutschland – sofern keine 5.5.3 Für die Einreise und den Aufenthalt im Schen-
Ausnahme von der Passpflicht zugelassen gen-Gebiet müssen Drittstaatsangehörige im
wurde – um anerkannte und gültige Pässe Besitz eines oder mehrerer gültiger Reise-
oder Passersatzpapiere i. S. d. § 3 Absatz 1 dokumente sein, die sie zum Überschreiten der
handeln muss. Die Befugnis zur Anerken- Grenze berechtigen (Artikel 5 Absatz 1 Buch-
nung von Reisedokumenten liegt nach wie stabe a) Schengener Grenzkodex; siehe jedoch
vor ausschließlich bei den Mitgliedstaaten. Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a) Schengener
Bei einer Einreise in das Bundesgebiet ist es Grenzkodex).
nicht erheblich, ob alle anderen Schengen- 5.5.3.1 Die auf EU-Ebene als gültig anerkannten Rei-
Staaten das Reisedokument anerkennen. sedokumente sind in der jährlich von den Rats-
Werden Schengen-Visa in Reisedokumenten gremien aktualisierten Liste der zum Grenz-
erteilt, die nicht von allen Schengen-Staaten übertritt berechtigenden Dokumente aufge-
anerkannt werden, sind die nicht aner- führt.
kennenden Staaten aus dem Geltungsbe-
reich auszunehmen, Die Schengener Vertragsparteien hatten ur-
sprünglich vorgesehen, auch die Anerkennung
– soweit erforderlich über ein gültiges Visum
von Reisedokumenten auf Schengener Ebene
verfügen, außer wenn er Inhaber eines
zu regeln. Später hatten sie sich zwar auf eine
sonstigen gültigen Aufenthaltstitels ist
gemeinsame Visa-Politik, nicht jedoch auf eine
(siehe § 6),
gemeinsame Politik der Anerkennung von Päs-
– den Zweck und die Umstände seines beab- sen oder Reisedokumenten verständigt. Diese
sichtigten Aufenthalts belegen und aus- unterliegt nach wie vor den einzelnen Schen-
reichende Mittel zur Bestreitung seines Le- gen-Staaten, was inzwischen in mehreren Ver-
bensunterhalts sowohl für die Dauer des ordnungen auch dauerhaft festgeschrieben ist;
beabsichtigten Aufenthalts als auch für die vgl. nur Artikel 6 der Verordnung (EG) Num-
Rückreise in den Herkunftsstaat nachweisen mer 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur
und Aufstellung der Liste der Drittländer, deren
Staatsangehörige beim Überschreiten der Au-
5.5.2.1 darf ein Drittstaatsangehöriger ßengrenzen im Besitz eines Visums sein müs-
– nicht gemäß Artikel 96 SDÜ im SIS zur sen, sowie der Liste der Drittländer, deren
Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit
sowie sind (ABl. EG Nummer L 81 S. 1). Insoweit
bestehen unterschiedliche Gegebenheiten hin-
– keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, sichtlich der Anerkennung von Reisedoku-
die innere Sicherheit, die öffentliche Ge- menten.
sundheit oder die internationalen Bezie-
hungen eines Mitgliedstaats darstellen und 5.5.3.2 Vermerke, die in dem Pass oder Passersatz eines
insbesondere nicht in den nationalen Da- Ausländers eingetragen werden, sind mit An-
tenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreise- gabe des Ortes und des Datums, der Unter-
verweigerung aus diesen Gründen aus- schrift und einem Abdruck des Dienstsiegels
geschrieben sein. -stempels zu versehen. Im automatisierten Vi-
sumverfahren sowie bei der Eintragung von
5.5.2.2 Abweichungen hiervon sind in Artikel 5
Kontrollstempeln werden Ausnahmen zuge-
Absatz 4 Schengener Grenzkodex und den
lassen. Das Abstempeln der Reisedokumente ist
„Sonderbestimmungen für bestimmte Perso-
in Artikel 10 Schengener Grenzkodex geregelt.
nengruppen“ im Anhang VII Schengener
Die Abstempelungsmodalitäten sind dem An-
Grenzkodex geregelt. Die genannten Einreise-
hang IV Schengener Grenzkodex zu entneh-
voraussetzungen sind zwar im Wesentlichen
men. Vermerke dürfen nur eingetragen werden,
deckungsgleich mit den Voraussetzungen des
wenn dies nach europäischem oder deutschem
§ 5; nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe e)
Recht ausdrücklich zugelassen ist.
Schengener Grenzkodex werden aber insbe-
sondere auch die Sicherheitsinteressen anderer 5.5.4 Allgemeine Hinweise zum SDÜ: Ausschrei-
Schengen-Staaten berücksichtigt. bung zur Einreiseverweigerung nach Artikel 96
5.5.2.3 Die genannten Einreisevoraussetzungen müs- SDÜ/Abfrage des SIS
sen jeweils einzeln erfüllt sein. Die Nicht- 5.5.4.0 Allgemeines
erfüllung einer Einreisevoraussetzung kann
nicht durch die Erfüllung einer anderen Ein- 5.5.4.0.1.1 Vor jeder ausländerrechtlichen Entscheidung ist
reisevoraussetzung ersetzt werden. Ein grund- durch Abfrage des SIS zu prüfen, ob der Aus-
sätzlich visumfreier Drittausländer kann etwa länder von deutschen Behörden und Gerichten
nicht die Passpflicht dadurch erfüllen, dass er oder von Behörden und Gerichten anderer
Seite 926 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Schengen-Staaten zur Einreiseverweigerung kel 96 Absatz 3 SDÜ die Ausschreibung zur


ausgeschrieben ist. Einreiseverweigerung im SIS unverzüglich zu
veranlassen.
5.5.4.0.1.2 Beim SIS handelt es sich um ein EDV-gestütztes
Erfassungs- und Abfragesystem zur Personen- Ist die Ausweisung beabsichtigt gewesen, aber
und Sachfahndung, das sich in das jeweilige na- mangels Bekanntgabe unterblieben, weil der
tionale Informationssystem N.SIS und die zen- Ausländer ausgereist oder untergetaucht ist,
trale technische Unterstützungseinheit C.SIS in sollte im Interesse der Rechtsklarheit und zur
Straßburg gliedert. Die Zentralstelle für das Verfahrensvereinfachung gleichwohl die beab-
deutsche N.SIS ist die SIRENE Deutschland, sichtigte Ausweisung verfügt und die Aus-
eingerichtet beim Bundeskriminalamt in Wies- weisungsverfügung öffentlich zugestellt wer-
baden. Die SIRENE ist die nationale Stelle, die den. Ausschreibungsgrundlage ist dann weiter-
die im SDÜ vorgesehenen Informationsüber- hin Artikel 96 Absatz 3 SDÜ.
mittlungs- und Koordinationsaufgaben im Zu-
5.5.4.1.2 Artikel 96 SDÜ, der Ausschreibungen zum
sammenhang mit einer Ausschreibung im SIS
Zweck der Einreiseverweigerung regelt, bietet
wahrzunehmen hat.
keine Rechtsgrundlage für Ausschreibungen,
5.5.4.0.1.3 Diese Abfrage ist für die Prüfung, ob ein die lediglich den Zweck der Aufenthalts-
Konsultationsverfahren nach Artikel 25 SDÜ ermittlung verfolgen. Danach darf z. B. ein ab-
einzuleiten ist, ebenso erforderlich wie für auf- gelehnter Asylbewerber, der untergetaucht ist,
enthaltsbeendende Maßnahmen. Die Aus- nur zur Aufenthaltsermittlung im INPOL oder
schreibung von Ausländern zur Einreise- im Ausländerzentralregister, nicht jedoch im
verweigerung im SIS ist durch Artikel 96 SDÜ SIS ausgeschrieben werden.
geregelt. Diese Ausschreibung bewirkt eine
5.5.4.1.3 Eine Ausschreibung im SIS nach Artikel 96
Einreisesperre für das gesamte Schengen-Ge-
Absatz 3 SDÜ kann nicht im Fall einer Zu-
biet und ist von allen Schengen-Staaten bei der
rückweisung nach § 15 erfolgen, da diese nicht
Visumerteilung, der Grenzkontrolle, der Kon-
die ausländerrechtlichen Folgen des § 11 Ab-
trolle des Binnen-Reiseverkehrs sowie der Er-
satz 1 Satz 1 auslöst und somit die Voraus-
teilung und Verlängerung von Aufenthaltstiteln
setzungen nach Artikel 96 Absatz 3 SDÜ nicht
zu beachten. Personen, die das Gemeinschafts-
gegeben sind.
recht auf freien Personenverkehr genießen,
dürfen zur Einreiseverweigerung nicht im SIS 5.5.4.2 Ausschreibungsfristen für das SIS
ausgeschrieben werden.
5.5.4.2.1 Die für Deutschland zutreffenden Ausschrei-
5.5.4.0.2 Die Ausweisung, Zurückschiebung oder die bungsfristen betragen – unbeschadet einer Ver-
vollzogene Abschiebung haben nach § 11 Ab- längerung – bei einer
satz 1 Satz 1 zur Folge, dass der Ausländer nicht
erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich – Ausweisung nach §§ 53, 54 sechs Jahre,
darin aufhalten darf (gesetzliche Sperrwirkung). – Ausweisung nach § 55 drei Jahre,
Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung
nach Artikel 96 SDÜ von anderen Schengen- – Zurückschiebung nach § 57 drei Jahre und
Staaten und solche nach Artikel 96 Absatz 2
– Abschiebung nach §§ 58 ff. drei Jahre.
SDÜ von deutschen Behörden bewirken kein
Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot In den Fällen einer Ausweisung nach §§ 53, 54
i. S. v. § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2. Die Voraus- mit späterer Abschiebung gilt die längere Aus-
setzungen für eine unerlaubte Einreise nach schreibungsfrist. Die Ausschreibungsfrist be-
§ 14 Absatz 1 Nummer 3 liegen in diesen Fällen ginnt mit der Ausreise. Im Fall einer erneuten
nicht vor. Die Ausschreibungen sind jedoch bei Abschiebung oder Zurückschiebung nach un-
der Visumerteilung, der Grenzkontrolle, der erlaubter Einreise während der Sperrwirkung
Kontrolle des Binnen-Reiseverkehrs sowie der nach § 11 Absatz 1 Satz 1 ist die Ausschrei-
Erteilung und Verlängerung von Aufenthalts- bungsfrist um weitere drei Jahre zu verlängern.
titeln zu beachten. Sie rechtfertigen unter an-
5.5.4.2.2 Wird die Sperrwirkung von Ausweisung, Zu-
derem eine Zurückweisung nach § 15 Absatz 2
rückschiebung und Abschiebung nach § 11
Nummer 3 und führen im Falle eines kurz-
Absatz 1 Satz 3 auf Antrag des Ausländers auf-
fristigen Aufenthaltes dazu, dass der Ausländer
gehoben bzw. befristet, ist die Löschung der
die Aufenthaltsvoraussetzungen nach Arti-
Ausschreibung im SIS mit der Aufhebung der
kel 19, 20 oder 21 SDÜ nicht erfüllt, somit kein
Sperrwirkung bzw. mit Ablauf der Befristung
Aufenthaltsrecht besitzt und nach Artikel 23
unverzüglich zu veranlassen (vgl. Artikel 112
SDÜ verpflichtet ist, den Schengen-Raum zu
Absatz 1 Satz 1 SDÜ).
verlassen.
5.5.4.2.3 Die Datenerfassung von Ausschreibungen nach
5.5.4.1 Ausschreibungstatbestände
Artikel 96 Absatz 2 und 3 SDÜ im SIS ist zu-
5.5.4.1.1 Ist ein Ausländer i. S. v. § 11 Absatz 1 Satz 1 nächst auf drei Jahre befristet, kann jedoch ver-
ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgescho- längert werden (Artikel 112 Absatz 1 und 2
ben worden, hat die zuständige Behörde, unbe- SDÜ). Die Überwachung der Prüffristen er-
schadet sonstiger nationaler Ausschreibungen folgt – unbeschadet von Wiedervorlagesyste-
(INPOL, Ausländerzentralregister) nach Arti- men der zuständigen Behörden – in jedem Ein-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 927

zelfall über die SIRENE Deutschland. Dabei weil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an-
wird sichergestellt, dass Löschungen von Aus- gestrebt wird.
schreibungen nicht ohne die Möglichkeit einer
vorherigen Prüfung durch die Ausländer- 5.5.4.4.1.3 Die im Konsultationsverfahren von der Be-
behörden erfolgen. hörde des ausschreibenden Schengen-Staates
übermittelten Ausschreibungsgründe sind bei
5.5.4.3 Verfahrensweise der Entscheidung über den Aufenthaltstitel
maßgeblich zu berücksichtigen. Die Regelung
Ausschreibungen im SIS nach Artikel 96 SDÜ
im SDÜ, nach der Aufenthaltstitel in Aus-
sowie die Löschung von Ausschreibungen sind
schreibungsfällen nur bei Vorliegen von ge-
von der zuständigen Ausländerbehörde über
wichtigen Gründen, insbesondere wegen hu-
die örtlich zuständigen Polizeidienststellen un-
manitärer Erwägungen oder infolge interna-
ter Verwendung des amtlichen Vordrucks KP
tionaler Verpflichtungen erteilt werden dürfen,
21/24 bzw. entsprechender Ländervordrucke
sind zu beachten. Danach kann auch bei Er-
unverzüglich zu veranlassen. Meldungen an das
füllung tatbestandlicher Voraussetzungen eines
Ausländerzentralregister haben möglichst zeit-
Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels
gleich zu erfolgen. Der Informationsaustausch
die Nichterfüllung einer Erteilungsvoraus-
in Trefferfällen aufgrund von Ausschreibungen
setzung bzw. Regelerteilungsvoraussetzung zur
nach Artikel 96 SDÜ wird von der SIRENE
Versagung des Aufenthaltstitels führen.
Deutschland gesteuert. Beim Verkehr mit der
SIRENE Deutschland sind die amtlich vorge- 5.5.4.4.1.4 Erteilt die Ausländerbehörde den Aufenthalts-
schriebenen Formulare zu verwenden. titel, muss der ausschreibende Schengen-Staat
5.5.4.4 Konsultationsverfahren nach Artikel 25 SDÜ nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 SDÜ die Aus-
schreibung zur Einreiseverweigerung zurück-
5.5.4.4.0 Nach Artikel 25 SDÜ ist ein so genanntes ziehen. Es bleibt ihm unbenommen, den Aus-
Konsultationsverfahren zwischen den zu- länder weiterhin national mit entsprechender
ständigen Behörden der Schengen-Staaten zur Wirkung auszuschreiben. In Deutschland blei-
Wahrung ihrer Interessen durchzuführen, wenn ben solche Ausländer weiterhin im INPOL und
festgestellt wird, dass ein Ausländer, dem ein im Ausländerzentralregister ausgeschrieben.
Aufenthaltstitel erteilt werden soll, im SIS zur
Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist, oder 5.5.4.4.2 Ersuchen nach Artikel 25 Absatz 2 SDÜ
wenn eine solche Ausschreibung nach Erteilung 5.5.4.4.2.1 Stellt sich erst im Nachhinein, z. B. im Rahmen
eines Aufenthaltstitels festgestellt wird. einer Personenkontrolle, heraus, dass ein Aus-
5.5.4.4.1 Ersuchen nach Artikel 25 Absatz 1 SDÜ länder, der über einen von einem Schengen-
Staat erteilten gültigen Aufenthaltstitel verfügt,
5.5.4.4.1.1 Vor der Erteilung bzw. Verlängerung eines im SIS zur Einreiseverweigerung nach Arti-
Aufenthaltstitels haben die zuständigen Be- kel 96 SDÜ ausgeschrieben ist, muss ein Kon-
hörden (§ 71) zu prüfen, ob der Ausländer im sultationsverfahren nach Artikel 25 Absatz 2
SIS von einem anderen Schengen-Staat zur Satz 1 SDÜ eingeleitet werden. Das Konsulta-
Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist (Ar- tionsverfahren soll dem Schengen-Staat, der den
tikel 96 SDÜ). Dies gilt auch für den Fall, dass Aufenthaltstitel erteilt hat, die Prüfung er-
die Visumerteilung der vorherigen Zustimmung möglichen, ob ausreichende Gründe für die
der Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Absatz 1 Einziehung des Aufenthaltstitels vorliegen.
AufenthV). Liegt eine Ausschreibung vor, hat
die Ausländerbehörde über die SIRENE 5.5.4.4.2.2 Stellt eine der in § 71 genannten Behörden fest,
Deutschland ein Konsultationsverfahren nach dass ein Ausländer, der über einen gültigen
Artikel 25 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz SDÜ Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates
einzuleiten, um die Interessen des ausschrei- verfügt, von Deutschland nach Artikel 96 SDÜ
benden Schengen-Staates bei ihrer Entschei- im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrie-
dung berücksichtigen zu können. Aufenthalts- ben ist, hat sie unverzüglich über die SIRENE
titel dürfen in diesem Fall nur bei Vorliegen ge- Deutschland ein Konsultationsverfahren nach
wichtiger Gründe erteilt oder verlängert Artikel 25 Absatz 2 Satz 1 SDÜ einzuleiten.
werden. Zieht der Schengen-Staat den erteilten Aufent-
haltstitel nach der Konsultation nicht ein, ist die
5.5.4.4.1.2 Gewichtige Gründe liegen neben humanitären Löschung der Ausschreibung im SIS zu veran-
Erwägungen und infolge internationaler Ver- lassen (vgl. Artikel 25 Absatz 2 Satz 2 SDÜ).
pflichtungen (vgl. § 22) grundsätzlich dann vor, Der Ausländer bleibt weiterhin im INPOL und
wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf im Ausländerzentralregister ausgeschrieben
Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufent- (nationale Ausschreibungsliste). Im Übrigen
haltstitels i. S. v. § 5 vorliegen (z. B. Recht auf hat die örtlich zuständige Ausländerbehörde
Wiederkehr, Ehegatten- und Kindernachzug, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu prüfen.
ausländischer Ehegatte eines Deutschen) und
keine Tatbestände erfüllt sind, die den An- 5.5.4.4.2.3 Stellt eine der in § 71 genannten Behörden fest,
spruch derart einschränken, dass über die Er- dass ein Ausländer, der über eine gültigen deut-
teilung des Aufenthaltstitels nur nach Ermessen schen Aufenthaltstitel verfügt, von einem an-
entschieden wird (z. B. § 27 Absatz 3). Ge- deren Schengen-Staat im SIS zur Einreisever-
wichtige Gründe liegen nicht allein deshalb vor, weigerung ausgeschrieben ist, hat sie unver-
Seite 928 GMBl 2009 Nr. 42– 61

züglich die für die Erteilung des Aufenthalts- datenerfassenden Polizeidienststellen der Län-
titels zuständige Ausländerbehörde zu unter- der mittels des Vordrucks KP 21/24 bzw. ent-
richten. Diese hat über die SIRENE Deutsch- sprechender Ländervordrucke („Löschung im
land ein Konsultationsverfahren nach Arti- SIS“) zu erfolgen. Der betreffende Ausländer
kel 25 Absatz 2 Satz 1 SDÜ gegenüber dem bleibt weiterhin im INPOL sowie im Aus-
ausschreibenden Schengen-Staat einzuleiten länderzentralregister ausgeschrieben.
und zu prüfen, ob aufgrund der übermittelten
Ausschreibungsgründe Anlass besteht, den
Aufenthaltstitel einzuziehen und aufenthalts- 6 Zu § 6 – Visum
beendende Maßnahmen einzuleiten (z. B. Aus-
weisung). 6.0 Allgemeines

5.5.4.4.2.4 Stellt eine der in § 71 genannten Behörden fest, Die Vorschrift regelt die Erteilung von Visa. Sie
dass ein Ausländer, der über einen gültigen Auf- resultiert aus der Einordnung des Visums als
enthaltstitel eines Schengen-Staates verfügt, von selbständiger Aufenthaltstitel (§ 4 Absatz 1
einem anderen Schengen-Staat nach Artikel 96 Satz 2 Nummer 1). Es wird zwischen Schen-
SDÜ im SIS zur Einreiseverweigerung aus- gen-Visa für kurzfristige Aufenthalte bis zu drei
geschrieben ist, hat sie unverzüglich die SIRENE Monaten (§ 6 Absatz 1 Nummer 2) und einem
Deutschland zu unterrichten, die ihrerseits die nationalen Visum für längerfristige Aufenthalte
SIRENE des ausschreibenden Schengen-Staates unterschieden (§ 6 Absatz 4). Die Einordnung
über den Konsultationsfall unterrichtet. Soweit entspricht Gemeinschaftsrecht, das gleichzei-
sich der Ausländer nicht zum Zweck der tig Regelungen über die Ausgestaltung und
Durchreise nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a) Rechtsfolgen eines Visums vorsieht (Artikel
Schengener Grenzkodex im Bundesgebiet auf- 10 f. SDÜ).
hält, ist er kraft Gesetzes ausreisepflichtig, da die
Voraussetzungen für die Einreise, Durchreise 6.1 Erteilung von Schengen-Visa
und den Kurzaufenthalt nach Artikel 21 Ab- 6.1.1 Durch das SDÜ ist zur Vereinheitlichung des
satz 1 i. V. m. Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe e) Personenverkehrs im Bereich der Visumrege-
Schengener Grenzkodex schon vor der Einreise lungen für den kurzfristigen Aufenthalt ein
nicht vorgelegen haben oder nach der Einreise einheitliches Visum eingeführt worden
weggefallen sind. Die zuständigen Behörden (Schengen-Visum, Artikel 10 bis 17 SDÜ, § 6
haben zu prüfen, ob die Ausreisepflicht mittels Absatz 1 bis 3). Das SDÜ sowie andere Vor-
Zurückschiebung oder Abschiebung durch- schriften des Gemeinschaftsrechts (u. a. Ge-
zusetzen ist (Artikel 23 Absatz 1 bis 3 SDÜ meinsame Konsularische Instruktion, Verord-
i. V. m. §§ 57, 58); Vorrang hat die freiwillige nung (EG) Nummer 1683/95 des Rates vom
Ausreise im Rahmen der Ausreisefrist. 29. Mai 1995 über eine einheitliche Visa-
5.5.4.4.3 Verfahrensweise gestaltung (ABl. EG Nummer L 164 S. 1) in der
jeweils geltenden Fassung) enthalten hinsicht-
5.5.4.4.3.1 Beim Konsultationsverfahren nach Artikel 25 lich der Ausgestaltung, des Berechtigungs-
Absatz 1 und 2 SDÜ sind die amtlich vorge- inhalts sowie des Erteilungsverfahrens von
schriebenen Formulare zu verwenden. Beim Schengen-Visa unmittelbar geltende Rege-
Ausfüllen der Formulare ist zu beachten, dass lungen, auf die das nationale Recht (etwa in § 6
der betreffende Schengen-Staat möglichst um- Absatz 1 und § 59 AufenthV) verweist.
fangreich und genau über den bisherigen wie
den beabsichtigten Aufenthalt bzw. den Auf- 6.1.2 Das Schengen-Visum wird in folgenden Kate-
enthaltstitel und die Gründe für die Aus- gorien erteilt (siehe Nummer I.2. i. V. m. Num-
schreibung zur Einreiseverweigerung unter- mer V.2.1. und Nummer VI 1.7. Gemeinsame
richtet wird. Wird das Konsultationsverfahren Konsularische Instruktion):
durch eine deutsche Behörde in Gang gesetzt, 6.1.2.1 Visum für den Flughafentransit (Kategorie
ist bei der Angabe von „Deutschland“ als „A“): Dieses Transitvisum berechtigt einen der
Schengen-Staat in Klammern die zuständige Transitvisumpflicht unterliegenden Drittaus-
Behörde sowie das entsprechende Akten- länder (vgl. Nummer I.2.1.1. i. V. m. Anlage 3
zeichen hinzuzufügen. der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion),
sich im Rahmen der Gültigkeitsdauer während
5.5.4.4.3.2 Die mit einem Anschreiben zu versehenden
einer Zwischenlandung, eines Flugabschnitts
Formulare sind im Behördenverkehr unmittel-
oder internationalen Flügen in der inter-
bar der SIRENE Deutschland beim Bundes-
nationalen Transitzone eines Flughafens auf-
kriminalamt in Wiesbaden als der Behörde zu-
zuhalten. Es kann für ein-, zwei- oder mehr-
zuleiten, die bis auf Weiteres für die Steuerung
malige Transitaufenthalte erteilt werden, be-
der Konsultationen gegenüber den anderen
rechtigt nicht zur Einreise in das Hoheitsgebiet
Schengen-Staaten zuständig ist.
der Bundesrepublik Deutschland oder eines
5.5.4.4.3.3 Muss nach Abschluss des Konsultationsverfah- anderen Schengen-Staates und ist kein Aufent-
rens die Ausschreibung zur Einreiseverwei- haltstitel (§ 26 Absatz 2 Satz 3 AufenthV). In
gerung durch die Ausländerbehörde zurück- Fällen der Durchbeförderung ersetzt die Ge-
gezogen werden, hat die zu veranlassende nehmigung der Durchbeförderung ein ggf. er-
Löschung weiterhin über den Meldeweg der forderliches Visum für den Flughafentransit.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 929

6.1.2.2 Visum für die Durchreise (Kategorie „B“): resses oder aufgrund internationaler Verpflich-
Dieses Transitvisum (§ 6 Absatz 1 Nummer 1) tungen (Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c) Schen-
berechtigt einen Drittausländer, im Rahmen der gener Grenzkodex) einem Drittausländer, der
Gültigkeitsdauer durch das Schengen-Gebiet nicht sämtliche Einreisevoraussetzungen gemäß
zu reisen, um von dem Hoheitsgebiet eines Artikel 5 Absatz 1 Schengener Grenzkodex er-
Drittstaats in einen anderen Drittstaat zu ge- füllt, die Einreise in sein Hoheitsgebiet zu
langen. Es kann für ein-, zwei- oder in Aus- gestatten, wird das einheitliche Visum gemäß
nahmefällen auch mehrmalige Durchreisen er- Artikel 16 SDÜ auf das Hoheitsgebiet dieser
teilt werden. Die Dauer jeder Durchreise darf Vertragspartei beschränkt. Eine räumliche Be-
fünf Tage nicht überschreiten. schränkung eines Schengen-Visums erfolgt
auch in den Fällen der Artikel 11 Absatz 2 und
6.1.2.3 Visum für den kurzfristigen Aufenthalt (Kate- 14 Absatz 1 Satz 2 SDÜ. Aufgrund der Aufhe-
gorie „C“): Dieses Visum (§ 6 Absatz 1 Num- bung der Kontrollen an den Binnengrenzen
mer 2) berechtigt einen Drittausländer zur Ein- soll jedoch die Erteilung von räumlich be-
reise in das Schengen-Gebiet für einen un- schränkten Visa aus Gründen der inneren Si-
unterbrochenen Aufenthalt oder verschiedene cherheit aller Schengen-Staaten auf Ausnah-
aufeinander folgende Aufenthalte mit einer mefälle beschränkt bleiben.
Gesamtdauer von nicht mehr als drei Monaten
je Sechsmonatszeitraum ab dem Datum der er- 6.1.3 § 6 Absatz 1 verweist für die Erteilung des
sten Einreise. Der Begriff der „ersten Einreise“ Schengen-Visums auf die Voraussetzungen des
i. S. v. Artikel 20 Absatz 1 SDÜ umfasst außer SDÜ, des Schengener Grenzkodex und der da-
der zeitlich ersten Einreise in den Schengen- nach ergangenen Ausführungsvorschriften. Die
Raum auch die erste Einreise dorthin nach Ab- Grundlagen für die Prüfung eines Visumantrags
lauf einer Frist von sechs Monaten ab dieser ergeben sich demnach aus dem SDÜ (Arti-
zeitlich ersten Einreise sowie jede weitere erste kel 10, 15 SDÜ i. V. m. Artikel 5, 39 Absatz 3
Einreise, die nach Ablauf jeder neuen Frist von Schengener Grenzkodex). Sie werden durch die
sechs Monaten ab einem vorangegangenen Da- Gemeinsame Konsularische Instruktion sowohl
tum der ersten Einreise erfolgt (vgl. EuGH, inhaltlich als auch verfahrenstechnisch ergänzt
Urteil vom 3. Oktober 2006, Rs. C – 241/05 – und erläutert. Dies entspricht weitgehend den
Bot) – vgl. Nummer 6.1.8.1.1 ff. Das Visum in § 5 dargelegten allgemeinen Regelerteilungs-
kann unter bestimmten Voraussetzungen für voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel.
mehrere Aufenthalte ausgestellt werden (vgl.
Nummer 6.2), wobei die Gesamtdauer dieser 6.1.3.1 Die Feststellung der Rückkehrabsicht ist nach
Aufenthalte drei Monate je Sechsmonatszeit- Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe e) Schengener
raum nicht überschreiten darf. Die Gültigkeits- Grenzkodex zentrale Erteilungsvoraussetzung.
dauer dieses Visums für die mehrfache Einreise Kapitel V der Gemeinsamen Konsularischen
kann ein Jahr, in Ausnahmefällen über ein Jahr Instruktion bekräftigt, dass bei der Bearbeitung
bis zu fünf Jahren betragen (vgl. Nummer von Visumanträgen auch das Ziel der Bekämp-
I.2.1.3. i. V. m. Nummer V.2.1. und VI.1.7. Ge- fung der illegalen Einreise als ein wesentlicher
meinsame Konsularische Instruktion). Punkt zu berücksichtigen ist. Das Vorliegen der
Rückkehrabsicht des Antragstellers nach Be-
6.1.2.4 Nationales Visum für den längerfristigen Auf- endigung des Aufenthaltszwecks ist als tat-
enthalt mit gleichzeitiger Gültigkeit als Visum bestandliche Einreisevoraussetzung in jedem
für einen kurzfristigen Aufenthalt (Kategorie Einzelfall festzustellen. Hinweise auf die fehl-
„D+C“): Bei diesem Visum handelt es sich um ende Rückkehrabsicht ergeben sich aus tat-
ein nationales Visum, welches ab dem ersten sächlichen Indizien in der Person des An-
Tag seiner Gültigkeit für höchstens drei Monate tragstellers, aufgrund derer auf eine mangelnde
gleichzeitig als einheitliches Visum für einen „Verwurzelung“ des Ausländers im Herkunfts-
kurzfristigen Aufenthalt (Kategorie „C“) gilt, staat geschlossen werden kann. Kann die
da es unter Einhaltung der gemeinsamen Vor- Rückkehrbereitschaft nicht festgestellt werden
aussetzungen und Kriterien erteilt wurde und (vgl. Kapitel V Ziff. 3 Gemeinsame Konsulari-
der Inhaber die in Artikel 5 Absatz 1 Buch- sche Instruktion), so ist das Visum mangels Er-
staben a), c), d) und e) Schengener Grenzkodex füllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß
aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllt Artikel 15 SDÜ i. V. m. Artikel 5 Absatz 1
(vgl. Nummer I.2.2. i. V. m. Nummer VI.1.7. Buchstabe e) Schengener Grenzkodex zu ver-
Gemeinsame Konsularische Instruktion). Zum sagen.
Inhalt der Berechtigung siehe Nummer 6.4.
6.1.3.2.1 Hinsichtlich der Prüfung der Mittel zur Be-
6.1.2.5 Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit: streitung des Lebensunterhalts nach Artikel 5
Nach Artikel 15 SDÜ dürfen einheitliche Absatz 1 Buchstabe c) Schengener Grenzkodex
Sichtvermerke einem Drittausländer grund- führt Artikel 5 Absatz 3 Schengener Grenz-
sätzlich nur erteilt werden, wenn er die in Arti- kodex entsprechende Belege auf. Artikel 5 Ab-
kel 5 Absatz 1 Buchstaben a), c), d) und e) satz 2 Schengener Grenzkodex verweist insbe-
Schengener Grenzkodex aufgeführten Einrei- sondere im Hinblick auf die Prüfung des tat-
sevoraussetzungen erfüllt. Hält eine Vertrags- sächlichen Reisezwecks auf eine in Anhang I
partei es für notwendig, aus humanitären Schengener Grenzkodex enthaltene, nicht ab-
Gründen oder Gründen des nationalen Inte- schließende Liste von Belegen, die sich der
Seite 930 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Grenzschutzbeamte von dem Drittstaatsange- 6.1.5 Die Erteilung des in Absatz 1 Nummer 2 be-
hörigen vorlegen lassen kann. zeichneten Schengen-Visums ist anders als bei
einem nationalen Visum nicht von einem ge-
6.1.3.2.2 Die Mittel zur Bestreitung des Lebensunter- setzlich vorgesehenen oder konkret benannten
halts werden nach Artikel 5 Absatz 3 Schen- Aufenthaltszweck abhängig. Maßgeblich ist die
gener Grenzkodex nach der Dauer und dem Beantragung für einen kurzfristigen Aufenthalt
Zweck des Aufenthalts und unter Zugrunde- (Gültigkeit bis zu drei Monaten innerhalb einer
legung der Ausgaben für Unterkunft und Sechsmonatsfrist). Unberührt hiervon bleibt die
Verpflegung in dem/den betreffenden Mit- Obliegenheit des Antragstellers, im Regelfall
gliedstaat(en) nach Maßgabe eines mittleren den tatsächlich beabsichtigten Aufenthalts-
Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte be- zweck (z. B. Besuchsaufenthalt, Geschäftsreise
wertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage etc.) und die Rückkehrbereitschaft nachzu-
multipliziert werden. weisen.

6.1.3.2.3 Die Feststellung ausreichender Mittel zur Be- 6.1.6 Im Visum soll der Aufenthaltszweck so konkret
streitung des Lebensunterhalts kann anhand wie möglich angegeben werden. Das Schengen-
von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten Visum kann bei der Erteilung und Verlängerung
erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsan- mit einer Bedingung oder Auflage verbunden
gehörigen befinden. Sofern dies in den nationa- werden (§ 12 Absatz 2). Bei den im Schengen-
len Rechtsvorschriften vorgesehen ist, können Visum enthaltenen und nach der Gemeinsamen
auch Verpflichtungserklärungen und Bürg- Konsularischen Instruktion zulässigen Ein-
schaften von Gastgebern i. S. d. nationalen tragungen (Feld „Anmerkungen“) handelt es
Rechts Nachweise für das Vorhandensein aus- sich nur dann um Nebenbestimmungen i. S. v.
reichender Mittel darstellen (zur Sicherung des § 12, wenn das Schengen-Visum von einer
Lebensunterhalts vgl. § 2 Absatz 3 sowie deutschen Behörde erteilt oder verlängert und
Nummer V.1.4. Gemeinsame Konsularische die Nebenbestimmung von einer deutschen
Instruktion), wobei allerdings zu berücksichti- Behörde verfügt worden ist. Vor der Erteilung
gen ist, dass es sich hierbei nur um Rückgriffs- oder Verlängerung eines Schengen-Visums
instrumente handelt. Das Aufenthaltsgesetz kann eine Sicherheitsleistung für entstehende
sieht eine Sicherungsmöglichkeit im Rahmen Ausreisekosten gefordert werden (§ 66 Ab-
einer Verpflichtungserklärung nach § 68 vor, die satz 2 und 5, § 67).
bei der Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen 6.1.7 Für deutsche Schengen-Visa gilt § 4 Absatz 2
des Schengen-Visums ggf. zu berücksichtigen Satz 2, wonach jeder Aufenthaltstitel erkennen
ist. lassen muss, ob die Ausübung einer Erwerbstä-
tigkeit erlaubt ist. Die Erlaubnis gilt nur für
6.1.4.1 Eine Abweichung von den Erteilungsvoraus- Deutschland, nicht für andere Schengen-Staa-
setzungen des SDÜ kommt nach den Artikeln 5 ten. Umgekehrt gilt ein entsprechender Eintrag
Absatz 4 Buchstabe c) Schengener Grenzkodex, anderer Schengen-Staaten nicht für Deutsch-
16 SDÜ nur aus humanitären Gründen, aus land. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit
Gründen des nationalen Interesses oder auf i. S. d. § 2 Absatz 2 ist im Bundesgebiet aller-
Grund internationaler Verpflichtungen in Be- dings auch ohne besondere Erlaubnis einer
tracht. § 6 Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass von deutschen Behörde mit einem von einem an-
der Ausnahmemöglichkeit u. a. zur Wahrung deren Schengen-Staat ausgestellten Schengen-
politischer Interessen oder aus völkerrecht- Visum zulässig, wenn die Tätigkeit nach § 16
lichen Gründen Gebrauch gemacht werden BeschV nicht als Beschäftigung gilt oder eine
kann. entsprechende Erwerbstätigkeit selbständig
ausgeübt wird (vgl. § 17 Absatz 2 AufenthV).
6.1.4.2 Die Abweichung nach den Artikeln 5 Absatz 4
Buchstabe c) Schengener Grenzkodex, 16 SDÜ 6.1.8.1.1 Nach Artikel 11 Absatz 1, 19 Absatz 2 und 20
hat allerdings zwingend zur Folge, dass die Absatz 1 SDÜ wird der kurzfristige Aufenthalt
räumliche Geltung des Visums auf das Ho- von bis zu drei Monaten je Sechsmonatszeit-
heitsgebiet der betroffenen Vertragspartei be- raum vom Datum der ersten Einreise an be-
schränkt werden muss (Artikel 16 SDÜ). Dem rechnet. Der Europäische Gerichtshof hat mit
trägt § 6 Absatz 1 Satz 3 Rechnung. Liegt zu Urteil vom 3. Oktober 2006 über die Auslegung
dem betreffenden Drittstaatsangehörigen eine des Artikels 20 Absatz 1 SDÜ und den darin
Ausschreibung gemäß Artikel 5 Absatz 1 enthaltenen Begriff „erste Einreise“ entschie-
Buchstabe d) Schengener Grenzkodex vor, so den (Rs. Bot – C-241/05). Der Begriff der
unterrichtet der Mitgliedstaat, der die Einreise „ersten Einreise“ i. S. d. Artikel bezeichnet
in sein Hoheitsgebiet gestattet, die anderen demnach
Mitgliedstaaten darüber (vgl. Artikel 5 Absatz 4
– die zeitlich erste Einreise in den Schengen-
Buchstabe c) Satz 2 Schengener Grenzkodex,
raum überhaupt,
Artikel 16 SDÜ). Eine Ausnahme nach Arti-
kel 5 Absatz 4 Buchstabe c) Schengener Grenz- – die weitere Einreise in den Schengenraum
kodex kommt nicht in Betracht, wenn natio- nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten
nales Recht sie ausschließt (z. B. § 5 Absatz 4, ab der zeitlich ersten Einreise oder jede
§ 11 Absatz 1). weitere Einreise, die nach Ablauf jeder
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 931

neuen Frist von sechs Monaten ab einem enthaltsrecht nach Artikel 20 SDÜ zu erlangen
Datum der ersten Einreise erfolgt. und auch sonst gegen den weiteren Aufenthalt
keine Bedenken bestehen.
6.1.8.1.2 Im Ergebnis ist es zulässig, wenn ein Dritt-
staatsangehöriger zwei unmittelbar aufeinander 6.1.8.3 Für einen Aufenthalt im Schengenraum vor
folgende Aufenthalte kumuliert und sich da- Beginn der Gültigkeit eines bereits erteilten na-
durch nahezu sechs Monate im Schengenraum tionalen Visums gilt Folgendes: So genannte
aufhält. Allerdings muss zwischen den Sechs- „Positivstaater“ (d. h. nach der EG-Visa-Ver-
monatszeiträumen in jedem Fall zwingend eine ordnung visumfreie Drittstaatsangehörige), de-
Aus- und Wiedereinreise in den Schengenraum nen bereits ein Visum für einen längerfristigen
erfolgen. Aufenthalt (z. B. Au-pair-Beschäftigung) erteilt
wurde, können auch für einen Aufenthalt von
6.1.8.1.3 Die in Artikel 11 Absatz 1, 19 Absatz 2 bzw. 20 bis zu drei Monaten vor Gültigkeit des natio-
Absatz 1 SDÜ genannte Dreimonatsfrist wird nalen Visums visumsfrei einreisen.
in Kapitel VI Ziff. 1.4. Gemeinsame Konsulari-
sche Instruktion konkretisiert. Danach beträgt Da auch „Positivstaater“ grundsätzlich nicht
die Höchstaufenthaltsdauer 90 Tage pro Halb- das Recht haben, die Aufenthaltserlaubnis nach
jahr. Der Begriff „Halbjahr“ wird nach Arti- der Einreise im Inland einzuholen (vgl. §§ 17,
kel 5 Absatz 1 Schengener Grenzkodex für 41 AufenthV), muss der „Positivstaater“ bereits
Zwecke der Berechnung der Aufenthaltsdauer mit dem (erst später wirksamen) nationalen Vi-
durch den Begriff „Sechsmonatszeitraum“ sum in die Bundesrepublik einreisen.
konkretisiert.
6.2 Erteilung von Visa mit mehrjähriger Gültig-
6.1.8.2 Bei Staatsangehörigen der Drittländer, die in keit
der Liste in Anhang I der Verordnung (EG)
Nummer 539/2001 des Rates zur Aufstellung Ein Schengen-Visum nach § 6 Absatz 1 kann
der Liste der Drittländer, deren Staatsange- unter den schengenrechtlichen Voraussetzun-
hörige beim Überschreiten der Außengrenzen gen auch als einheitliches Visum mit ein- oder
im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der mehrjähriger Gültigkeit erteilt werden (so ge-
Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige nanntes unechtes Einjahres- oder Mehrjahres-
von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81 visum) (vgl. auch Nummer 6.1.2.3). Das Visum
S. 1) aufgeführt sind („Negativstaater“), ist ein mit einer Gültigkeitsdauer von einem bis zu
vorangegangener nationaler Aufenthalt (länger fünf Jahren berechtigt zu einem dreimonatigem
als drei Monate) nicht auf die Zeiten des Auf- Aufenthalt innerhalb eines Sechsmonatszeit-
enthalts nach dem SDÜ anzurechnen, sofern raums und zur mehrmaligen Einreise. Nach
kurz nach dem Ende des Aufenthalts nach na- Kapitel I Nummer 2.1.3 Gemeinsame Konsu-
tionalem Recht ein Kurzaufenthalt nach dem larische Instruktion kann das Visum an zuver-
SDÜ begehrt wird. Bei Staatsangehörigen der lässige Personen ausgestellt werden, die die er-
Drittländer, die in der Liste in Anhang II der forderlichen Garantien bieten und für eine
o. a. Verordnung aufgeführt sind („Positiv- Vertragspartei von besonderem Interesse sind
staater“) ist nach Beendigung eines Aufenthalts oder die aus nachvollziehbaren Gründen regel-
nach nationalem Recht die unmittelbare Wie- mäßig reisen werden. Die Feststellung der er-
dereinreise als sichtsvermerksfreier Drittaus- forderlichen Garantien verlangt eine hin-
länder i. S. v. Artikel 20 Absatz 1 SDÜ möglich. reichende Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche
In beiden Fällen ist bei einem kurzfristigen Erteilungsvoraussetzungen während der ge-
Aufenthalt, der an einen Aufenthalt nach na- samten Geltungsdauer des Visums vorliegen
tionalem Recht anschließt erforderlich, dass erst werden, so dass eine erneute Einzelfallprüfung
eine Ausreise aus dem Schengengebiet und eine vor jeder Einreise entbehrlich ist. Der Nach-
anschließende Wiedereinreise erfolgt, damit die weis eines Reisekrankenversicherungsschutzes
erforderlichen Einreisevoraussetzungen nach für den ersten Aufenthaltszeitraum ist aus-
Artikel 5 Absatz 1 Schengener Grenzkodex reichend. Nach den Vorschriften der Gemein-
überprüft werden können. samen Konsularischen Instruktion darf von der
Möglichkeit der Ausstellung von Mehrjahres-
In derartigen Fällen ist – um dem Ausländer visa nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht
den Aufwand einer aus rein formalen Gründen werden. Regelungen über Mehrjahresvisa in
vorzunehmenden Aus- und Wiedereinreise zu zwischen der Europäischen Union und Dritt-
ersparen – die Erteilung einer anschließend an staaten geschlossenen so genannten Visumer-
den ursprünglichen Aufenthalt nach nationalem leichterungsabkommen lassen die o. g. Re-
Recht für drei Monate gültigen Aufenthaltser- gelungen der Gemeinsamen Konsularischen
laubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 i. d. R. auf An- Instruktion unberührt.
trag vorzunehmen, sofern die Einreisevoraus-
setzungen nach Artikel 5 Schengener Grenz- 6.3 Verlängerung von Schengen-Visa
kodex und die Erteilungsvoraussetzungen des
§ 5 erfüllt sind, keine Anhaltspunkte dafür be- 6.3.1 Die Verlängerung eines Schengen-Visums rich-
stehen, dass unmittelbar nach Ablauf der so er- tet sich nach § 6 Absatz 3. Danach kann ein
teilten Aufenthaltserlaubnis eine Aus- und Schengen-Visum, das bei der Erteilung durch
Wiedereinreise erfolgt, um zusätzlich ein Auf- die Auslandsvertretung nicht für drei Monate
Seite 932 GMBl 2009 Nr. 42– 61

ausgestellt wurde, im Inland entsprechend ge- der zuständigen Verwaltungsbehörde von


meinschaftsrechtlicher Vorgaben bis zu einer dieser Regelung abgewichen werden.
Gesamtaufenthaltsdauer von drei Monaten in-
6.3.1.2 Die Verlängerung eines Schengen-Visums
nerhalb einer Frist von sechs Monaten ver-
kommt nur unter den Voraussetzungen für die
längert werden (Satz 1), sofern die Erteilungs-
Erteilung eines Schengen-Visums in Betracht
voraussetzungen noch vorliegen. Eine Ände-
(Artikel 15 SDÜ i. V. m. Artikel 5 Absatz 1
rung des Visumzwecks ist nicht gestattet. Der
Buchstaben a), c), d) und e) Schengener Grenz-
Antrag ist ordnungsgemäß zu begründen; ins-
kodex). Bei der Verlängerung ist insbesondere
besondere können höhere Gewalt, humanitäre,
zu prüfen,
berufliche oder schwerwiegende persönliche
Gründe berücksichtigt werden. Die Sechs- 6.3.1.2.1 – ob der Lebensunterhalt des Ausländers ge-
monatsfrist beginnt mit dem Tag der ersten sichert ist (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c)
Einreise. Wenn die Dauer des Aufenthaltes mit Schengener Grenzkodex) und der Ausländer
einem Schengen-Visum durch die Ausländer- nicht zur Einreiseverweigerung aus-
behörde in diesem Sinne verändert wird, han- geschrieben ist (Artikel 96 SDÜ) sowie
delt es sich also um die Verlängerung eines Vi-
sums, nicht um die Erteilung eines anderen 6.3.1.2.2 – ob Tatsachen geltend gemacht werden, die
Aufenthaltstitels. eine Verlängerung des Visums wegen wich-
tiger persönlicher Belange (z. B. Kranken-
6.3.1.1 Nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe e) SDÜ hausbehandlung, familiäre Hilfeleistung,
trifft der Exekutivausschuss (nunmehr der Rat) Todesfall eines nahen Verwandten, Termine
die erforderlichen Entscheidungen in Bezug auf bei Gerichten und Behörden), aus humani-
die Voraussetzungen für die Verlängerung von tären Gründen oder wegen höherer Gewalt
Schengen-Visa unter Berücksichtigung der In- rechtfertigen. Bei Besuchsreisen zu Ver-
teressen aller Vertragsparteien. Die gemein- wandten ist ein den Belangen des Einzelfalls
samen Grundsätze für die Verlängerung des angemessener Maßstab anzulegen (z. B.
einheitlichen Visums sind in der Anlage des Grad der Verwandtschaft, Verfestigung des
Beschlusses des Exekutivausschusses SCH/ Aufenthalts des im Bundesgebiet lebenden
Com-ex (93) 21 vom 14. Dezember 1993 auf- Ausländers).
geführt. Danach ist u. a. Folgendes festgelegt:
6.3.1.3 Bestehen begründete Zweifel, ob der Ausländer
– Die Verlängerung der durch das Visum ge- über ausreichende Mittel zur Sicherung des Le-
währten Aufenthaltsdauer ist auf Antrag bis bensunterhalts für den weiteren Aufenthalt im
zu einer Aufenthaltsdauer von 90 Tagen (je Bundesgebiet verfügt, kann die Verlängerung
Sechsmonatszeitraum) möglich, wenn sich von einem geeigneten Nachweis und in ge-
nach der Ausstellung des Visums neue Tat- eigneten Fällen der ergänzenden Vorlage einer
sachen ergeben. Erklärung nach § 68 Absatz 1 Satz 1 abhängig
– Der Antrag ist ordnungsgemäß zu be- gemacht werden.
gründen, wobei insbesondere höhere Ge- 6.3.1.4 Die Erteilung oder Verlängerung eines Schen-
walt, humanitäre, berufliche oder schwer- gen-Visums in einem ungültig gewordenen
wiegende persönliche Gründe angeführt Reisedokument ist grundsätzlich ausgeschlos-
werden können. sen (Artikel 13 Absatz 1 SDÜ; siehe jedoch
– Eine Änderung des Zwecks des Visums ist in Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c) Schengener
keinem Fall gestattet. Grenzkodex). Bei der Erteilung bzw. Verlänge-
rung des Schengen-Visums ist sicherzustellen,
– Die Verlängerung des Visums erfolgt im dass die Rückreise des Ausländers in seinen
Rahmen der nationalen Verfahren. Herkunftsstaat oder eine Reise in einen Dritt-
– Für die Verlängerung ist die Behörde des staat auch in Anbetracht der Gültigkeitsdauer
Staates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet des Reisedokuments möglich ist (Artikel 13
sich der Antragsteller befindet. Absatz 2 SDÜ) und ggf. durchgesetzt werden
kann.
– Bei Angehörigen von Staaten oder bei Per-
sonengruppen, bei denen in einer oder 6.3.1.5 Bei der Bemessung der Verlängerungsfrist ist
mehreren Vertragspartei(en) das Verfahren auf das Datum der ersten Einreise bzw. die
der Konsultation der zentralen Behörden Gültigkeit des Visums abzustellen. Im Fall der
erforderlich ist, darf die Verlängerung des Verlängerung darf der räumliche Geltungsbe-
Visums nur in Ausnahmefällen erfolgen. reich des Visums nicht erweitert werden. Bei
Wird das Visum verlängert, so ist die zen- der Verlängerung können die Ausländerbehör-
trale Behörde des Staates in Kenntnis zu den in Ausnahmefällen (z. B. ärztliche Be-
setzen, dessen Auslandsvertretung das Vi- handlung, besorgniserregende Ereignisse bei
sum ausgestellt hat. nächsten Familienangehörigen, wichtige per-
sönliche Gründe) jeweils eine zusätzliche
– Das verlängerte Visum bleibt ein einheit-
(Wieder-) Einreise in das Schengen-Gebiet ge-
liches Visum, das zur Einreise in das Ho-
statten (siehe Nummer 2.5).
heitsgebiet aller Vertragsparteien berechtigt,
für das es bei seiner Erteilung gültig war; in 6.3.1.6 Bei Angehörigen von Staaten oder bei Perso-
Ausnahmefällen kann durch Entscheidung nengruppen, bei denen vor der Visumerteilung
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 933

durch die Auslandsvertretungen der Schengen- zeitraum ab dem Datum der ersten Einreise
Staaten ein Konsultationsverfahren erforderlich (soweit angegeben) bzw. der Gültigkeit des
ist (Artikel 17 Absatz 2 SDÜ; siehe auch Anlage Schengen-Visums nicht überschreiten.
5 zur Gemeinsamen Konsularischen Instruk-
6.3.1.8.4 Unter Berücksichtigung der Nutzungs- und
tion), darf die Verlängerung nur in dringenden
Gültigkeitsdauer des ursprünglichen Schengen-
Ausnahmefällen erfolgen. Die Verlängerung des
Visums ist im Feld der Gültigkeitsdauer nach
Visums ist dem Auswärtigen Amt bzw. dem
dem Wort „vom“ der erste Tag anzugeben, an
Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Ta-
dem das verlängerte Schengen-Visum gültig ist
gen mitzuteilen, wenn das Schengen-Visum von
(= Tag nach Ablauf der Nutzungsdauer, wenn
der Auslandsvertretung eines anderen Schen-
die Gültigkeit noch länger andauert, oder Tag
gen-Staates erteilt worden ist. Das Auswärtige
nach Ablauf der Gültigkeitsdauer, wenn die
Amt bzw. das Bundesverwaltungsamt setzt die
Nutzungsdauer von 90 Tagen pro Halbjahr
zentrale Behörde des Staates in Kenntnis, des-
noch nicht erschöpft ist). Nach dem Wort „bis“
sen Auslandsvertretung das Visum ausgestellt
ist unter Berücksichtigung der verlängerten
hat. In die Mitteilung sind Name, Vorname,
Nutzungsdauer der letzte Tag der Gültigkeit
Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit des Visum-
anzugeben. Die Tage der Gültigkeitsdauer dür-
inhabers, Art und Nummer des Reisedoku-
fen die Tage der Nutzungsdauer nicht über-
ments, Nummer der Visummarke, Visumkate-
schreiten.
gorie, Datum und Ort der Visumausstellung,
verlängerte Gültigkeits- bzw. Aufenthaltsdauer 6.3.1.8.5 Die Felder hinsichtlich des räumlichen Gültig-
aufzunehmen. keitsbereichs und der Art des Visums sind
grundsätzlich dem ursprünglichen Schengen-
6.3.1.7 Bei der Verlängerung des Visums ist durch
Visum entsprechend auszufüllen. Wird eine zu-
einen Vermerk nach § 4 Absatz 2 Satz 2 die
sätzliche Einreise gewährt, ist im Feld „Anzahl
Ausübung einer Erwerbstätigkeit auszuschlie-
der Einreisen“ die zusätzliche Einreise mit „01“
ßen, sofern die Auslandsvertretung dies im ur-
anzugeben; ansonsten ist das Feld durchzu-
sprünglichen Visum ebenfalls vermerkt hatte
streichen.
oder der Grund des weiteren Aufenthaltes nicht
in der Ausübung einer Erwerbstätigkeit be- 6.3.1.8.6 Bei der Verlängerung des Schengen-Visums ist
steht. Ist hingegen der Zweck des ursprüng- das Verlängerungsetikett im Anschluss an das
lichen Visums zum kurzfristigen Aufenthalt auf Schengen-Visumetikett bzw. andere Klebeeti-
die Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbs- ketten, an Stempel oder sonstige Eintragungen
tätigkeit gerichtet und besteht der Verlänge- anzubringen.
rungsgrund gerade darin, dass die Möglichkeit
6.3.1.8.7 Bei der Verlängerung eines Schengen-Visums
der Ausübung dieser Tätigkeit verlängert wer-
von Staatsangehörigen der Staaten, bei denen
den soll, so ist auch in das Verlängerungsvisum
bei der Visumerteilung in einem oder mehreren
die Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit auf-
Schengen-Staaten das Verfahren der Konsulta-
zunehmen. Handelt es sich dabei um eine Tä-
tion der zentralen Behörden erforderlich ge-
tigkeit, deren Erlaubnis nur mit Zustimmung
wesen ist (Artikel 17 Absatz 2 SDÜ; Anlage 5B
der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden
zur Gemeinsamen Konsularischen Instruk-
darf, ist diese Zustimmung vor der Verlänge-
tion), ist im Bundesgebiet kein Konsultations-
rung einzuholen.
verfahren durchzuführen.
6.3.1.8.1 Nach § 59 Absatz 1 Satz 3 AufenthV ist für die
6.3.2 Eine weitere Verlängerung für weitere drei
Verlängerung des Schengen-Visums das in An-
Monate innerhalb der betreffenden Sechs-
lage D13b AufenthV abgedruckte Muster zu
monatsfrist kommt nach Absatz 3 Satz 3 ent-
verwenden. Bei den Verlängerungsetiketten
sprechend dem Verweis auf Absatz 1 Satz 2 nur
handelt es sich um sicherungsbedürftige Ge- aus völkerrechtlichen oder humanitären Grün-
genstände, die nach den einschlägigen Siche- den oder zur Wahrung politischer Interessen
rungsvorschriften für Bundes- und Landes- der Bundesrepublik Deutschland in Betracht.
behörden aufzubewahren und zu registrieren Durch die Verlängerung über drei Monate hin-
sind. aus darf das Schengen-Visum nach den Rege-
6.3.1.8.2 Für das Ausfüllen des Visumetiketts wird auf lungen des SDÜ nicht mehr als Schengen-Vi-
Abschnitt VI sowie auf die Anlagen 9 und 13 sum bezeichnet werden. Es wird als nationales
zur Gemeinsamen Konsularischen Instruktion Visum („D“-Visum) auf dem einheitlichen
verwiesen. Die Eintragungen sind mit doku- Sichtvermerk verlängert. Als nationales Visum
mentenechter Tinte bzw. Dokumentenstiften berechtigt es nach Artikel 18 Satz 3 SDÜ den
vorzunehmen. Inhaber nur noch dazu, durch andere Schengen-
Staaten zu reisen, um sich nach Deutschland zu
6.3.1.8.3 Auf dem Klebeetikett ist im Feld „Dauer des begeben, solange kein dort aufgeführter Versa-
Aufenthalts ... Tage“ (Nutzungsdauer) die An- gungsgrund vorliegt; diese Durchreisefunktion
zahl der für den verlängerten Aufenthalt ge- ist allerdings bereits bei der Erteilung erschöpft,
statteten Tage mit zwei Ziffern einzutragen, weil sich der Ausländer schon im Bundesgebiet
wobei die erste Ziffer eine 0 ist, wenn die An- befindet. Zur Durchreise durch andere Schen-
zahl der Tage weniger als 10 beträgt. Die Auf- gen-Staaten zum Zweck der Rückreise, insbe-
enthaltstage dürfen 90 Tage pro Sechsmonats- sondere nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c)
Seite 934 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Schengener Grenzkodex, berechtigt das Visum tungsdauer des Visums ist entsprechend dem
dann nicht. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, bei der Visumerteilung angegebenen Aufent-
dass bei einer Verlängerung als nationales Vi- haltszweck eine Aufenthaltserlaubnis, Nieder-
sum, womit zwar nur ein Aufenthalt in lassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Dauer-
Deutschland möglich ist, gleichwohl eine oder aufenthalt-EG im Inland zu beantragen. Ver-
mehrere Wiedereinreisen nach Deutschland in- änderungen während der Geltungsdauer des
nerhalb des Gültigkeitszeitraums ausnahms- Visums können zur Anwendbarkeit einer an-
weise erlaubt werden können (z. B. zur Aus- deren Rechtsgrundlage führen; nach § 39
reise aus dem Schengenraum). In diesem Fall Nummer 1 AufenthV kann einem Inhaber eines
stellt die Ausländerbehörde die Verlängerung nationalen Visums ein Aufenthaltstitel zu jedem
des Visums aus und sieht die Möglichkeit einer gesetzlich vorgesehenen Aufenthaltszweck
mehrfachen Einreise in dem Klebeetikett vor. ohne erneutes Visumverfahren erteilt werden.
Um spätere Unklarheiten bei der Berechnung
In besonders gelagerten Ausnahmefällen, in
von Fristen zu vermeiden, enthält § 6 Absatz 4
denen der Ausländer im Schengen-Raum reisen
Satz 3 eine Anrechnungsbestimmung.
muss und Sicherheits- oder andere Interessen
anderer Schengen-Staaten nicht gefährdet sind, 6.4.2.1 Nationale Visa werden, sofern nicht besondere
kann – obwohl nicht das erforderliche Visum Umstände eine Abweichung rechtfertigen, etwa
nach § 5 Absatz 2 Satz 1 vorliegt – auf Grund um eine frühzeitige Vorsprache bei der Aus-
der Ausnahmeregelung des § 5 Absatz 2 Satz 2 länderbehörde zu bewirken, für drei Monate
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 ausgestellt. Da das „D“-Visum nur zur Durch-
Satz 3 erteilt werden, die dann nach Artikel 21 reise durch das Hoheitsgebiet der anderen Mit-
SDÜ zum Reisen innerhalb des Schengen- gliedstaaten und nicht zum Aufenthalt im
Raums berechtigt. Von dieser Möglichkeit ist Schengenraum berechtigt, sollten nationale Visa
restriktiv Gebrauch zu machen. grundsätzlich als „D+C“ mit mehrfacher Ein-
6.3.3 Die Fiktionsbescheinigung berechtigt, sofern reise und grundsätzlich nur für drei Monate er-
sie nach § 81 Absatz 4 erteilt wurde (drittes teilt werden. Für Folgeaufenthalte ist bei Er-
Feld auf Seite 3 des Trägervordrucks ange- füllung der Voraussetzungen eine Aufenthalts-
kreuzt) im Zusammenhang mit dem bisherigen erlaubnis zu erteilen.
Aufenthaltstitel (einschließlich des bisherigen 6.4.2.2 In Absprache mit der zuständigen Ausländer-
Visums), dessen Gültigkeitszeitraum endete, behörde können im Einzelfall zur Wahrung von
und einem anerkannten und noch gültigen Pass Sicherheitsbelangen eine kürzere Geltungs-
oder Passersatz zum Reisen innerhalb des dauer vorgesehen und Nebenbestimmungen
Schengen-Raums; sie ist entsprechend für die verfügt werden (z. B. Verpflichtung zur sofor-
Aufnahme in die Gemeinsame Konsularische tigen Vorsprache bei der Ausländerbehörde
Instruktion notifiziert worden. Sofern die Fik- nach der Einreise, Beschränkung auf einen be-
tionsbescheinigung nach § 81 Absatz 3 erteilt stimmten Studienort und Studiengang), wobei
wurde (erstes oder zweites Feld auf Seite 3 des entsprechende Anregungen bereits bei Über-
Trägervordrucks angekreuzt), berechtigt sie sendung des Visumantrags in das Votum an die
nicht zum Reisen im Schengen-Raum (vgl. nä- Ausländerbehörde aufgenommen werden kön-
her Nummer 81.3.6 und 81.5.3). nen.

6.4 Nationales Visum 6.4.2.3 Das nationale Visum kann in Einzelfällen in


Abstimmung mit der zuständigen Ausländer-
6.4.1 § 6 Absatz 4 legt in Anlehnung an Artikel 18 behörde für einen längeren Zeitraum als drei
SDÜ fest, dass für längerfristige Aufenthalte ein Monate ausgestellt werden, wenn – etwa in
nationales Visum erforderlich ist. Nach § 4 Ab- Fällen des § 7 Absatz 1 Satz 3 – der Aufenthalt
satz 1 Satz 2 Nummer 1 ist das nationale Visum für einen vorübergehenden sonstigen Zweck für
ein eigenständiger Aufenthaltstitel. Seine Er- höchstens ein Jahr ermöglicht werden soll, die
teilung richtet sich gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 Ausländerbehörde keinen Bedarf für eine Vor-
nach den für die Aufenthalts- und Nieder- sprache des Antragstellers und zur Durch-
lassungserlaubnis sowie die Erlaubnis zum führung weiterer Überprüfungen sieht, und er-
Daueraufenthalt-EG je nach Aufenthaltszweck sichtlich kein Bedürfnis für die Erteilung eines
geltenden Vorschriften. Bereits für die Er- Aufenthaltstitels besteht, der gemäß Anlage 4
teilung des Visums müssen daher neben den der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion
allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen zu Reisen in andere Schengen-Staaten be-
gemäß § 5 – z. B. Sicherung des Lebensunter- rechtigen würde.
halts (§ 5 Absatz 1 Nummer 1), Ausschluss
einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (§ 5 6.4.2.4 Jüdischen Zuwanderern und ihren gemeinsam
Absatz 1 Nummer 2 i. V. m. § 55 Absatz 1), Er- mit ihnen aufzunehmenden Familienange-
füllung der Passpflicht (§ 5 Absatz 1 Num- hörigen ist ein auf 90 Tage befristetes nationales
mer 4) – auch die für die Erteilung einer Auf- Visum zu erteilen, wenn eine bestandskräftige
enthalts- oder Niederlassungserlaubnis oder gültige Aufnahmezusage i. S. d. § 23 Absatz 2
einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG er- vorliegt (vgl. Nummer 23.2). In das Visum sind
forderlichen besonderen tatbestandlichen Er- Auflagen aus der Aufnahmezusage zu über-
fordernisse erfüllt sein. Vor Ablauf der Gel- nehmen. Die Zustimmung nach § 32 AufenthV
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 935

gilt als erteilt. Bei der Erteilung dieses Visums Ausländerbehörde im Inland entbehrlich er-
prüfen die Auslandsvertretungen neben der scheint.
Gültigkeitsdauer und Erlöschenstatbeständen
nur, ob der zugrunde liegende Aufnahme- 6.4.3.3 Im Zustimmungsverfahren nach § 31 AufenthV
bescheid nicht offensichtlich rechtswidrig ist. übermittelt die Auslandsvertretung der Aus-
Im Übrigen besteht keine Prüfungskompetenz länderbehörde am beabsichtigten Aufenthalts-
oder weiteres Ermessen der Auslandsvertre- ort den Antrag auf das nationale Visum mit den
tungen. antragsbegründenden und ggf. weiteren Unter-
lagen (z. B. Befragungsniederschriften) zur
6.4.3 Grundsätzlich bedarf ein nationales Visum der eigenständigen Prüfung. Sie fügt ein Votum
Zustimmung der zuständigen Ausländerbe- zum Visumantrag bei. Die Zustimmungserklä-
hörde am beabsichtigten Aufenthaltsort (§ 99 rung der Ausländerbehörde muss ausdrücklich
Absatz 1 Nummer 3; § 31 AufenthV). Nach erfolgen. Sie muss eine Würdigung des ent-
§ 31 AufenthV bedarf ein Visum der Zustim- scheidungserheblichen Sachverhalts und die
mung, wenn Auseinandersetzung mit den einschlägigen Er-
teilungsvoraussetzungen erkennen lassen, um
– der Ausländer sich länger als drei Monate im Grundlage für die Erteilung eines Visums der
Bundesgebiet aufhalten will, Auslandsvertretung sein zu können.
– der Ausländer im Bundesgebiet eine Er-
6.4.3.4 Nach § 31 Absatz 1 Satz 2 und 3 AufenthV gilt
werbstätigkeit ausüben will, die nicht § 16
die Zustimmung der Ausländerbehörde als
BeschV unterfällt oder
erteilt, wenn sie nicht innerhalb der dort
– die Daten des Ausländers nach § 73 Ab- bestimmten Fristen der Visumerteilung aus-
satz 1 Satz 1 an die Sicherheitsbehörden drücklich widerspricht oder eine längere Bear-
übermittelt werden. beitungsdauer mitteilt (so genanntes Schweige-
fristverfahren). Die Aufzählung der Fallgrup-
In den beiden letzten Fallgruppen gilt das Zu- pen in § 31 Absatz 1 Satz 2 und 3 AufenthV ist
stimmungserfordernis auch bei der Erteilung abschließend. Die Anwendung des Schweige-
von Schengen-Visa. fristverfahrens schließt eine ausdrückliche Zu-
stimmung der Ausländerbehörde gegenüber der
6.4.3.1 Mit dem Zustimmungsverfahren bei der Er- Auslandsvertretung während der Frist nicht
teilung nationaler Visa sollen eine umfassende aus. Hierdurch kann im Einzelfall eine be-
Feststellung des entscheidungserheblichen schleunigte Visumerteilung ermöglicht werden.
Sachverhalts auch im Inland (Einkommens-
verhältnisse und Wohnraum des zusammen- 6.4.4 Das als „D“-Visum ausgestellte nationale Vi-
führenden Ehegatten in Deutschland zur Si- sum ist grundsätzlich nur für das Hoheitsgebiet
cherung des Lebensunterhalts) und im Hinblick des jeweils ausstellenden Schengen-Staates gül-
auf die regelmäßig nach der Einreise bei der tig. Es berechtigt den Ausländer jedoch zur
zuständigen Ausländerbehörde beantragte län- einmaligen Einreise in das Schengen-Gebiet
gerfristige Aufenthalts- und Niederlassungser- und zur Durchreise durch andere Schengen-
laubnis eine einvernehmliche Würdigung des Staaten, um in das Hoheitsgebiet des aus-
Antrags ermöglicht werden. Ausnahmen vom stellenden Staates zu gelangen, sofern der Aus-
Zustimmungserfordernis sehen §§ 32 bis 37 länder die Einreisevoraussetzungen gemäß Ar-
AufenthV vor. tikel 5 Absatz 1 Buchstaben a), d) und e)
Schengener Grenzkodex erfüllt oder er nicht
6.4.3.2 Die Zustimmung zur Visumerteilung ist eine auf der nationalen Ausschreibungsliste des
verwaltungsinterne, selbständig nicht ein- Mitgliedstaats steht, durch dessen Hoheitsge-
klagbare oder anfechtbare Handlung. Eine Vi- biet die Durchreise begehrt wird (Artikel 18
sumerteilung ohne erforderliche Zustimmung Satz 3 SDÜ).
ist nicht zulässig. Eine abschließende Entschei-
dung über die Erteilung nationaler Visa, bei der Nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a) Schen-
die Ausländerbehörde nach § 31 Absatz 1 gener Grenzkodex wird Ausländern, die über
Satz 1 Nummer 1 AufenthV beteiligt worden einen von einem Schengen-Staat ausgestellten
ist, soll grundsätzlich im Einvernehmen ge- Aufenthaltstitel, ein Rückreisevisum oder er-
troffen werden. Soweit das Einvernehmen im forderlichenfalls über beide Dokumente ver-
Ausnahmefall nicht hergestellt werden kann, fügen und die nicht auf der nationalen Aus-
kann die Auslandsvertretung den Visumantrag schreibungsliste des Mitgliedstaats, an dessen
trotz Zustimmung der Ausländerbehörde in ei- Außengrenzen sie einreisen wollen, mit einer
gener Zuständigkeit nach § 71 Absatz 2 ab- Anweisung ausgeschrieben sind, sie zurückzu-
lehnen. Bei anderen langfristigen Aufenthalts- weisen oder ihnen die Durchreise zu verwei-
zwecken (z. B. Studien- oder Au-pair-Auf- gern, die Einreise in das Hoheitsgebiet der an-
enthalte) kann die Auslandsvertretung das deren Mitgliedstaaten zum Zwecke der Durch-
nationale Visum im Einzelfall ohne eine Be- reise zur Erreichung des Hoheitsgebiets des
teiligung der Ausländerbehörde ablehnen, Mitgliedstaats gestattet, der den Aufenthalts-
wenn sie den entscheidungserheblichen Sach- titel oder das Rückreisevisum ausgestellt hat.
verhalt eigenständig feststellen kann und eine Die jeweils geltenden Aufenthaltstitel und
darüber hinausgehende Würdigung durch die Rückreisesichtvermerke ergeben sich aus An-
Seite 936 GMBl 2009 Nr. 42– 61

lage 4 zur Gemeinsamen Konsularischen In- stehen, befinden sich diese i. d. R. in dem Ab-
struktion. Die Dauer der Durchreise ist auf fünf schnitt für den jeweiligen Aufenthaltszweck.
Tage beschränkt. Nach dem in §§ 7 und 8 verankerten Tren-
nungsprinzip zwischen den in Kapitel 2 Ab-
6.4.5 Wird ein nationales Visum nach § 6 Absatz 4 schnitte 3 bis 7 näher beschriebenen Aufent-
Satz 2 für einen Aufenthaltszweck ausgestellt, haltszwecken ist ein Ausländer regelmäßig dar-
bei dem eine Erwerbstätigkeit ganz oder mit auf verwiesen, seine aufenthaltsrechtlichen
Beschränkungen zu gestatten ist, oder liegt eine Ansprüche aus den Rechtsgrundlagen ab-
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur zuleiten, die der Gesetzgeber für die spezifi-
Erlaubnis zur Beschäftigung vor, ist die Er- schen vom Ausländer verfolgten Aufenthalts-
laubnis zur Ausübung der Erwerbstätigkeit im zwecke geschaffen hat.
entsprechenden Umfang bereits im nationalen
Visum anzugeben. Ist dies in fehlerhafter Weise 7.1.1.0 Der Aufenthaltszweck ist aus dem Aufent-
unterblieben, besteht in Fällen, in denen die haltstitel ersichtlich. Bei der Erteilung der Auf-
Ausübung einer Erwerbstätigkeit kraft Ge- enthaltserlaubnis trägt die Ausländerbehörde
setzes auf Grund der Rechtsgrundlage des er- den Erteilungsgrund in derselben Weise in das
teilten nationalen Visums erlaubt ist, diese Er- Klebeetikett ein, in der der Aufenthaltszweck
laubnis auch entgegen der fehlerhaften Angabe im Ausländerzentralregister gespeichert wird.
im Visum. Die fehlerhafte Angabe im Visum ist Die Eintragung ist im Feld für Anmerkungen
dann auf Antrag oder von Amts wegen von der vorzunehmen (§ 59 Absatz 3 AufenthV). Die
zuständigen Auslandsvertretung oder Aus- abschließende Liste der möglichen Aufent-
länderbehörde gebührenfrei zu berichtigen. haltszwecke ergibt sich aus den Tabellenteilen
Wird in diesen Fällen nach der Einreise mit dem 10 und 11 der Anlage zur DV-AZRG, die in
Visum eine Aufenthaltserlaubnis, Nieder- ihrem wesentlichen Inhalt nachstehend abge-
lassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Dauer- druckt ist:
aufenthalt-EG bei der Ausländerbehörde bean-
7.1.1.1 Aufenthaltserlaubnis
tragt, ist in eine ggf. ausgestellte Fiktionsbe-
scheinigung die Erlaubnis zur Ausübung einer 7.1.1.1.1 A. Aufenthalte zum Zweck der Ausbildung
Erwerbstätigkeit trotz des fehlerhaften Ver- nach
merks im Visum im rechtlich zutreffenden
1. § 16 Absatz 1 (Studium)
Umfang zu vermerken.
2. § 16 Absatz 1a (Studienbewerbung)
6.4.6 Bei der Visumerteilung mit Zustimmung der
Ausländerbehörde nach § 31 Absatz 1 Auf- 3. § 16 Absatz 4 (Arbeitsplatzsuche nach
enthV besteht im Rahmen des allgemeinem Studium)
Verwaltungsverfahrensrechts und des jeweils
4. § 16 Absatz 5 (Sprachkurse, Schulbesuch)
anwendbaren Datenschutzrechts ein Aktenein-
sichtsrecht auch gegenüber der zuständigen 5. § 16 Absatz 6 (innergemeinschaftlich
Ausländerbehörde. Das Akteneinsichtsrecht mobiler Student)
bezieht sich in diesem Fall auch auf die von der
Auslandsvertretung im Zustimmungsverfahren 6. § 17 (sonstige Ausbildungszwecke)
an die Ausländerbehörde übermittelten Akten- 7.1.1.1.2 B. Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit
bestandteile; ausgenommen hiervon ist bei Ak- nach
teneinsicht vor Abschluss des Verfahrens je-
doch der interne Entscheidungsvorschlag (Vo- 1. § 18 (Beschäftigung)
tum) der Auslandsvertretung (vgl. § 29 2. § 18a (Aufenthaltserlaubnis für qualifi-
Absatz 1 Satz 2 VwVfG). Die Ausländer- zierte Geduldete zum Zweck der
behörde unterrichtet die Auslandsvertretung Beschäftigung)
unverzüglich von der Gewährung der Akte-
neinsicht. 3. § 20 Absatz 1 (Forscher)
4. § 20 Absatz 5 (in einem anderen Mitglied-
staat zugelassener Forscher)
7 Zu § 7 – Aufenthaltserlaubnis
5. § 21 (selbständige Tätigkeit)
7.1 Aufenthaltszwecke 7.1.1.1.3 C. Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humani-
7.1.1 Die Aufenthaltserlaubnis ist der befristete Auf- tären oder politischen Gründen nach
enthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz. Sie 1. § 22 Satz 1 (Aufnahme aus dem Ausland)
wird zu den in Kapitel 2 Abschnitte 3 bis 7 ge-
nannten Aufenthaltszwecken erteilt. Je nach 2. § 22 Satz 2 (Aufnahme durch Bundes-
dem verfolgten Aufenthaltszweck ergeben sich inisterium des Innern)
aus der Aufenthaltserlaubnis unterschiedliche 3. § 23 Absatz 1 (Aufnahme durch Land)
Rechtsfolgen, etwa hinsichtlich der Möglich-
keiten der Verfestigung, des Familiennachzu- 4. § 23 Absatz 2 (besondere Fälle)
ges, der Erwerbstätigkeit oder dem Zugang zu
5. § 23a (Härtefallaufnahme durch Länder)
sozialen Leistungen. Sofern für bestimmte
Aufenthaltszwecke Sonderregelungen be- 6. § 24 (vorübergehender Schutz)
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 937

7. § 25 Absatz 1 (Asyl) 8. § 38a (langfristig Aufenthaltsberechtigte


anderer Mitgliedstaaten)
8. § 25 Absatz 2 (Genfer Flüchtlingskonven-
tion) 9. § 104a Absatz 1 Satz 1 (Aufenthaltser-
laubnis auf Probe)
9. § 25 Absatz 3 (Abschiebungsverbot)
10. § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a Ab-
10. § 25 Absatz 4 Satz 1 (dringende persön-
satz 1 Satz 2 (gesetzliche Altfallregelung)
liche oder humanitäre Gründe)
11. § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a
11. § 25 Absatz 4 Satz 2 (Verlängerung wegen Absatz 2 Satz 1 (Altfallregelung für
außergewöhnlicher Härte) volljährige Kinder von Geduldeten)
12. § 25 Absatz 5 (rechtliche oder tatsächliche 12. § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a
Gründe) Absatz 2 Satz 2 (Altfallregelung für
7.1.1.1.4 D. Aufenthalt aus familiären Gründen nach unbegleitete Flüchtlinge)
1. § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 13. § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104b
(Familiennachzug zu Deutschen: Ehegatte) (integrierte Kinder von Geduldeten)
2. § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 14. § 4 Absatz 5 (Assoziationsrecht EWG/
(Familiennachzug zu Deutschen: Kinder) Türkei)

3. § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 2 15. Aufenthaltserlaubnis nach dem Freizügig-


(Familiennachzug zu Deutschen: keitsabkommen EG/Schweiz für freizü-
Elternteil) gigkeitsberechtigte Schweizerische Bürger

4. § 28 Absatz 4 (Familiennachzug zu 16. Aufenthaltserlaubnis nach dem Freizügig-


Deutschen: Sonstige) keitsabkommen EG/Schweiz für Angehö-
rige von freizügigkeitsberechtigten Schwei-
5. § 30 (Ehegattennachzug) zerischen Bürgern
6. § 32 Absatz 1 Nummer 1 (Kindernachzug 7.1.1.2 Niederlassungserlaubnis/unbefristeter Aufent-
zu Asylberechtigten) haltstitel nach
7. § 32 Absatz 1 Nummer 2 (Kindernachzug 1. § 9 (allgemein)
im Familienverband)
2. § 9a (Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG)
8. § 32 Absatz 2 (Kindernachzug über 16
Jahren) 3. § 19 (Hochqualifizierte)

9. § 32 Absatz 2a (Kind eines langfristig 4. § 21 Absatz 4 (drei Jahre selbständige


Aufenthaltsberechtigten im Mitgliedstaat) Tätigkeit)

10. § 32 Absatz 3 (Kindernachzug unter 5. § 23 Absatz 2 (besondere Fälle)


16 Jahren) 6. § 26 Absatz 3 (Asyl/Genfer Flüchtlings-
11. § 32 Absatz 4 (Kindernachzug im Härte- konvention nach drei Jahren)
fall) 7. § 26 Absatz 4 (aus humanitären Gründen
12. § 33 (Geburt im Bundesgebiet) nach sieben Jahren)

13. § 36 Absatz 1 (Nachzug von Eltern) 8. § 28 Absatz 2 (Familienangehörige von


Deutschen)
14. § 36 Absatz 2 (Nachzug sonstiger Fami-
lienangehöriger) 9. § 31 Absatz 3 (eigenständiges Aufenthalts-
recht der ausländischen Ehegatten)
7.1.1.1.5 E. Besondere Aufenthaltserlaubnisse nach
10. § 35 (Kinder)
1. § 7 Absatz 1 Satz 3 (sonstige begründete
Fälle) 11. § 38 Absatz 1 Nummer 1 (ehemalige
Deutsche)
2. § 25 Absatz 4a (Opfer von Menschen-
handel) 12. dem Freizügigkeitsabkommen EG/
Schweiz für freizügigkeitsberechtigte
3. § 31 Absatz 1, 2, 4 (eigenständiges Schweizerische Bürger
Ehegattenaufenthaltsrecht)
13. dem Freizügigkeitsabkommen EG/
4. § 34 Absatz 2 (eigenständiges Aufenthalts- Schweiz für Angehörige von
recht von Kindern) freizügigkeitsberechtigten Schweizeri-
schen Bürgern
5. § 37 Absatz 1 (Wiederkehr Jugendlicher
und Heranwachsender) 7.1.2 Der Wechsel des Aufenthaltszwecks ist mög-
lich, wenn im Aufenthaltsgesetz keine spe-
6. § 37 Absatz 5 (Wiederkehr Rentner)
ziellen Ausschlussgründe genannt sind. Kom-
7. § 38 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 und 5 men mehrere Aufenthaltszwecke in Betracht,
(ehemalige Deutsche) ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Aus-
Seite 938 GMBl 2009 Nr. 42– 61

länder denjenigen Aufenthaltstitel beantragt gegen den Aufenthalt des Ausländers im Bun-
hat, der den weitest gehenden Berechtigungs- desgebiet sprechenden schutzwürdigen Indivi-
gehalt – etwa mit Bezug auf die Ausübung einer dualinteressen des Ausländers und öffentlichen
Erwerbstätigkeit und die Aufenthaltsverfesti- Interessen zu entscheiden. Sind spezielle Vor-
gung – vermittelt, sofern der entsprechende Er- aussetzungen, die für den angestrebten Aufent-
teilungstatbestand erfüllt ist, und hilfsweise ein haltszweck in gesetzlichen Sondertatbeständen
Aufenthaltstitel für andere in Betracht kom- festgelegt sind, nicht erfüllt, ist die zuständige
mende Zwecke beantragt wurde. Nach § 14 Ausländerbehörde nicht berechtigt, weitere auf
Absatz 2 Satz 1 BeschVerfV gilt die Zustim- § 7 Absatz 1 Satz 3 gestützte Ermessenserwä-
mung der Bundesagentur für Arbeit zur Aus- gungen anzustellen. So kann § 7 Absatz 1 Satz 3
übung einer Beschäftigung im Rahmen ihrer nicht herangezogen werden, wenn dem Aus-
zeitlichen Begrenzung auch für jeden weiteren länder unter Anwendung von § 27 eine Auf-
Titel fort. Die Zustimmung gilt allerdings dann enthaltserlaubnis erteilt oder verlängert werden
nicht fort, wenn ein Aufenthaltszweckwechsel soll. Dies bedeutet aber nicht, dass § 7 Absatz 1
vom völkerrechtlichen, humanitären oder poli- Satz 3 allein deshalb nicht angewendet werden
tischen Aufenthaltszweck zum Zwecke der Be- kann, nur weil der Ausländer zu einem speziell
schäftigung nach § 18 erfolgen soll. geregelten Zweck einen Aufenthalt im Bundes-
gebiet anstreben könnte, es aber gar nicht will.
7.1.2.1 Einschränkungen für einen Zweckwechsel be- So kann etwa § 7 Absatz 1 Satz 3 auf vermö-
stehen während des Studiums (§ 16 Absatz 2) gende Pensionäre angewendet werden, deren
und während einer beruflichen Aus- oder Wei- erwachsene Kinder im Bundesgebiet leben, so-
terbildung (§ 17 Satz 3). Inhaber eines Schen- fern keine familiäre Lebensgemeinschaft ange-
genvisums können ohne vorherige Ausreise nur strebt wird, sondern nur reine Besuchsbe-
dann in einen langfristigen Aufenthaltszweck gegnungen stattfinden sollen. Denn dann han-
überwechseln, wenn nach der Einreise ein An- delt es sich von vornherein nicht um einen
spruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beabsichtigten Aufenthalt aus familiären Grün-
entstanden ist (§ 39 Nummer 3 AufenthV). Für den i. S. d. Kapitels 2 Abschnitt 6, so dass auch
Asylbewerber gilt § 10. keine außergewöhnliche Härte i. S. d. § 36 vor-
7.1.2.2 Beantragt ein Ausländer einen Aufenthaltstitel liegen muss. In Betracht kommen etwa auch
zu einem anderen Zweck, prüft die Ausländer- Fälle, in denen ein Drittausländer mit Wohnsitz
behörde, ob die gesetzlichen Voraussetzungen in einem anderen Staat – auch ggf. einem
für den neuen Aufenthaltszweck vorliegen, ob Schengen-Staat – eine Ferienwohnung in
keine Ausschlussgründe eingreifen und übt, so- Deutschland unterhält, in der er sich häufiger
weit erforderlich, Ermessen aus. Gibt sie dem aufhält. Hinsichtlich der hierfür erforderlichen
Antrag statt, wird eine neue Aufenthaltserlaub- Erteilung eines Visums wird auf Num-
nis ausgestellt. Im Fall der Ablehnung des An- mer 6.4.2.3 hingewiesen. Eine Aufenthaltser-
trages gilt die alte Aufenthaltserlaubnis bis zum laubnis kann auch nach § 7 Absatz 1 Satz 3 er-
Ablauf ihrer Geltungsdauer weiter und kann teilt werden, wenn ein Ausländer im Schengen-
auch bei Vorliegen der entsprechenden Voraus- Raum reisen möchte, sein Antrag auf einen
setzungen verlängert werden. Im Zweifel gilt Aufenthaltstitel aber noch bearbeitet wird. Die
die Verlängerung als mit beantragt, wenn die entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81
bisherige Aufenthaltserlaubnis zeitnah ausläuft. Absatz 3 Satz 1 würde zum Reisen im Schen-
Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu genraum nicht berechtigen (vgl. näher Num-
einem anderen Aufenthaltszweck als demje- mer 6.3.3) Die Aufenthaltserlaubnis ist dann
nigen, zu dem eine bestehende Aufenthaltser- mit dem Vermerk zu versehen:
laubnis bisher galt, findet die besondere Ge- „Vorläufige Aufenthaltserlaubnis unter
bührenregelung des § 45 Nummer 3 AufenthV dem Vorbehalt des Widerrufs.“
Anwendung, deren Formulierung allein zur
Klarstellung des Unterschiedes zwischen einer Dem Ausländer ist aktenkundig mitzuteilen,
völligen Neuerteilung einer Aufenthaltserlaub- dass die endgültige Entscheidung über die Er-
nis einerseits und der Änderung des Aufent- teilung einer Aufenthaltserlaubnis vorbehalten
haltszwecks andererseits gewählt wurde. bleibt. Mit diesem Vermerk versehen, be-
gründet die Aufenthaltserlaubnis keinen Ver-
7.1.3 Ein Aufenthaltstitel nach § 7 Absatz 1 Satz 3 trauensschutz (vgl. auch Nummer 8.1.2). Der
kann nur zu einem Zweck erteilt werden, der in vorläufig erteilte Aufenthaltstitel ist auf den
Kapitel 2 Abschnitte 3 bis 7 nicht geregelt ist. voraussichtlichen Bearbeitungszeitraum zu be-
Diese Zwecke lassen sich nicht abschließend fristen.
aufzählen. Denkbar ist z. B., dass ein ver-
mögender Ausländer sich in Deutschland nie- 7.2 Befristung bzw. nachträgliche Verkürzung
derlassen möchte, um hier von seinem Ver- der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis
mögen zu leben. Darüber hinaus handelt es sich
um eine Auffangregelung für unvorhergesehene 7.2.1 Mit der Maßgabe, die Geltungsdauer der Auf-
Fälle. Es gelten die allgemeinen Erteilungs- enthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des
voraussetzungen des § 5. In allen Fällen, in de- beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen,
nen auf § 7 Absatz 1 Satz 3 zurückgegriffen hat die zuständige Behörde ausreichenden
wird, ist unter Berücksichtigung der für und Spielraum, eine dem Einzelfall angemessene
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 939

Befristung festzulegen. Die Befristung muss 7.2.2.1.3 Bei der Ermessensausübung können etwa die in
sich nicht auf die gesamte Dauer des beab- § 55 Absatz 3 genannten Gesichtspunkte Ge-
sichtigten Aufenthalts erstrecken. Sie kann un- wicht haben. Liegen Ausweisungsgründe vor,
ter dem Gesichtspunkt der Überprüfung der sind diese in die Ermessenserwägungen auch
Voraussetzungen auch vorzeitig enden. unter dem Gesichtspunkt einzubeziehen, ob
anstelle der Ausweisung die nachträgliche Ver-
7.2.2 Nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer kürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltser-
laubnis als mildere Maßnahme in Betracht
7.2.2.1 Eine für die Erteilung, die Verlängerung oder kommt.
die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche
Voraussetzung ist dann entfallen, wenn eine 7.2.2.2 Sind wesentliche Voraussetzungen für die Er-
Erteilungsvoraussetzung des § 5 entfällt oder teilung der Aufenthaltserlaubnis entfallen, darf
der Aufenthaltszweck, zu dem der Aufenthalt dies in die Ermessenserwägungen mit ein-
im Bundesgebiet erlaubt wurde, nicht durch- bezogen werden, es sei denn, dass die Aufent-
geführt wird, vorzeitig erfüllt oder sonst vor- haltserlaubnis auf einem gesetzlichen Anspruch
zeitig entfallen ist, ohne dass damit zugleich ein beruht. Sofern kein gültiger Pass oder Passer-
Ausweisungsgrund verwirklicht sein müsste. satz vorliegt (§ 5 Absatz 1, § 3 Absatz 1), ist
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Aus- § 52 Absatz 1 Nummer 1 anzuwenden.
länderbehörde ein weiter Ermessensbereich 7.2.2.3 Wurde der Aufenthaltstitel durch unzutreffen-
eröffnet, in dem sie eine sachgerechte Interes- de Angaben erschlichen (z. B. Vortäuschen
senabwägung vorzunehmen hat. Zu berück- einer ehelichen Lebensgemeinschaft) und wur-
sichtigen ist jedoch, ob der nachträglichen Ver- den diese Angaben der Erteilung eines Aufent-
kürzung der Geltungsdauer des Aufenthalts- haltstitels maßgeblich zugrunde gelegt, kommt
titels spezielle Vorschriften entgegenstehen, die neben strafrechtlichen Sanktionen die Rück-
den Anwendungsbereich des § 7 Absatz 2 nahme des Aufenthaltstitels nach Verwaltungs-
Satz 2 einschränken. verfahrensrecht in Betracht. § 7 Absatz 2 Satz 2
ist nicht anwendbar, da die Erteilungsvoraus-
7.2.2.1.1 Der Wegfall einer Erteilungs- bzw. Verlänge- setzungen nicht nachträglich entfallen sind,
rungsvoraussetzung i. S. d. Vorschrift kann etwa sondern nie vorgelegen haben. Die Möglichkeit
in der Beendigung der Lebensgemeinschaft der Rücknahme hängt nicht davon ab, ob wegen
eines Ausländers mit seinem im Bundesgebiet einer nachweislichen Täuschungshandlung eine
lebenden Ehegatten oder in der dauernden strafrechtliche Verurteilung bereits erfolgt ist.
Aufhebung einer sonstigen für den Fortbestand Bei Rücknahme einer erschlichenen Einbürge-
des Aufenthaltszwecks erheblichen familiären rung lebt der ehemalige Aufenthaltstitel nicht
Lebensgemeinschaft liegen. Diese Umstände wieder auf. In diesen Fällen ist nicht über die
sind insoweit wesentlich, als die Vorausset- Rücknahme eines Aufenthaltstitels, sondern
zungen für einen Familiennachzug nun nicht über die Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw.
mehr vorliegen. Wesentlich im gesetzlichen über die Beendigung des Aufenthalts zu ent-
Sinne ist diese Voraussetzung allerdings nur scheiden.
dann, wenn sich nicht aus anderen Gründen
eine gesetzliche Möglichkeit ergibt, den Auf- 7.2.2.4 Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der
enthaltstitel zu verlängern. Dies ist etwa dann Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis darf
zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für ein nicht rückwirkend verfügt werden. Sie darf
eigenständiges Aufenthaltsrecht bereits vor- frühestens auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe
liegen oder die Voraussetzungen für die Er- festgelegt werden. Da erst nach diesem Zeit-
teilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Aus- punkt die Ausreisepflicht beginnt, darf die in
übung einer Erwerbstätigkeit vorliegen und die der Abschiebungsandrohung zu bestimmende
Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat, so- Ausreisefrist erst nach der zeitlichen Verkür-
weit dies nach den allgemeinen Regeln er- zung des Aufenthalts beginnen.
forderlich ist. 7.2.2.5 Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der
Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bedarf
7.2.2.1.2 Auch Aufenthaltsrechte, die auf Europäischem
der Schriftform (§ 77 Absatz 1 Satz 1).
Gemeinschaftsrecht beruhen (z. B. Aufent-
haltsrechte nach Artikel 6 Absatz 1, Artikel 7 7.2.2.6 Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die
ARB 1/80) können einer nachträglichen Ver- nachträgliche zeitliche Verkürzung der Gel-
kürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltser- tungsdauer der Aufenthaltserlaubnis haben
laubnis entgegenstehen. Dies ist nicht der Fall aufschiebende Wirkung (§ 80 Absatz 1
bei § 38a, da Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe b) VwGO). Die aufschiebende Wirkung dieser
der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom Rechtsbehelfe bewirkt zwar nicht, dass die
25. November 2003 betreffend die Rechtsstel- Ausreisepflicht entfällt (vgl. § 84 Absatz 2
lung der langfristig aufenthaltsberechtigten Satz 1), sie ist jedoch nicht vollziehbar (vgl. § 58
Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Num- Absatz 2 Satz 2). Die Ausreisepflicht ist jedoch
mer L 16 S. 44, so genannte Daueraufenthalt- vollziehbar, wenn gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1
Richtlinie) den Mitgliedstaaten die Möglichkeit Nummer 4 VwGO die sofortige Vollziehung
einräumt, den Aufenthaltstitel bei Wegfall der einer Verfügung nach § 7 Absatz 2 Satz 2 an-
Voraussetzungen nachträglich zu beenden. geordnet wird oder in den Fällen des § 80b Ab-
Seite 940 GMBl 2009 Nr. 42– 61

satz 1 VwGO. Mit Rücksicht auf den Grund- füllt sein müssen. Zum Fachrichtungswechsel
satz der Verhältnismäßigkeit muss ein be- bei Studienaufenthalten ist Nummer 16.2 zu
sonderes, über die Voraussetzung für die Be- beachten.
schränkung der Aufenthaltserlaubnis hinaus-
gehendes öffentliches Interesse vorliegen (z. B. 8.1.3 Erfüllt ein Ausländer die zeitlichen Voraus-
Wiederholungsgefahr, Ausschreibung zur Ein- setzungen für die Erteilung der Niederlas-
reiseverweigerung im SIS). Es ist bei Täu- sungserlaubnis oder der Erlaubnis zum Dauer-
schungshandlungen zu berücksichtigen, dass aufenthalt-EG, soll die Ausländerbehörde ihn
nicht der Eindruck erweckt werden darf, dass auf die Möglichkeit der Antragstellung hin-
Ausländer trotz einer nachweisbaren Täu- weisen (§ 82 Absatz 3). Weist der Ausländer die
schung ein – wenn auch unsicheres – Aufent- Voraussetzungen für die Niederlassungserlaub-
haltsrecht erwirken können und somit im Er- nis bzw. die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-
gebnis gegenüber Ausländern, die richtige An- EG nicht nach, obwohl er auf den Rechtsan-
gaben machen, einen Vorteil haben. spruch hingewiesen wurde, darf die Aufent-
haltserlaubnis antragsgemäß befristet verlängert
7.2.2.7 Grundsätzlich kann von einer nachträglichen werden.
zeitlichen Verkürzung der Geltungsdauer der
Aufenthaltserlaubnis abgesehen werden, wenn 8.1.4 Im Falle der Verlängerung der Aufenthaltser-
deren Geltungsdauer nur noch sechs Monate laubnis ist die Geltungsdauer grundsätzlich so
beträgt und keine gewichtigen Gründe für eine zu bestimmen, dass sie am Tage nach dem Ab-
(umgehende) Entfernung des Ausländers aus lauf der bisherigen Geltungsdauer beginnt. Dies
dem Bundesgebiet vorliegen (z. B. Wiederho- gilt auch dann, wenn die Ausländerbehörde erst
lungsgefahr, Ausschreibung zur Einreise- zu einem späteren Zeitpunkt über die Ver-
verweigerung im SIS). Im Hinblick auf eine so- längerung der Aufenthaltserlaubnis entscheidet.
fortige Durchsetzung der Ausreisepflicht kann Bei rechtzeitiger Antragstellung gilt der bishe-
mit der nachträglichen Verkürzung der Gel- rige Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der
tungsdauer der Aufenthaltserlaubnis und durch Ausländerbehörde als fortbestehend (§ 81 Ab-
die Ausgestaltung der Nebenbestimmung mit satz 4). Zur verspäteten Antragstellung vgl.
einer Frist zur Ausreise, die mindestens 14 Tage ausführlich Nummer 81.4.2.1 ff..
betragen soll, die Abschiebung ohne Andro-
hung und Fristsetzung in Betracht kommen. 8.1.5 Eine zu einem früheren Aufenthaltstitel erteilte
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu
7.2.2.8 Die Ausreisefrist darf erst zu einem Zeitpunkt
einer Beschäftigung gilt im Rahmen ihrer zeit-
beginnen, in dem der Ausländer den Aufent-
lichen Begrenzung fort, sofern das Beschäf-
haltstitel gemäß § 84 Absatz 2 nicht mehr be-
tigungsverhältnis fortgesetzt wird (§ 14 Ab-
sitzt.
satz 2 BeschVerfV). Eine vor Inkrafttreten des
Aufenthaltsgesetzes erteilte Arbeitsgenehmi-
gung gilt bei Verlängerung der Aufenthaltser-
8 Zu § 8 – Verlängerung der Aufenthaltser-
laubnis im Rahmen ihrer Geltungsdauer als
laubnis
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit fort
8.1 Verlängerungsvoraussetzungen (§ 105 Absatz 1 Satz 2). Die einer IT-Fachkraft
nach § 6 Absatz 2 der Verordnung über die Ar-
8.1.1 Nach § 8 Absatz 1 gelten für die Verlängerung beitsgenehmigung für hochqualifizierte Fach-
der Aufenthaltserlaubnis im Anspruchs- oder kräfte der Informations- und Kommunika-
Ermessensbereich dieselben Vorschriften wie tionstechnologie erteilte befristete Arbeitser-
für ihre Erteilung. Besondere gesetzliche Ver- laubnis gilt als unbefristete Zustimmung zum
längerungsregelungen sind vorrangig (z. B. § 16 Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäf-
Absatz 4, § 30 Absatz 3, § 31 Absatz 4 Satz 1, tigung fort (§ 46 Absatz 2 BeschV).
§ 34 Absatz 1).
8.1.2 Die Gewährung eines befristeten Aufenthalts- 8.2 Ausschluss der Verlängerung
rechts gibt dem Ausländer keinen Anspruch auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Soweit 8.2.1.1 § 8 Absatz 2 eröffnet der zuständigen Behörde
ein Ermessenstatbestand vorliegt, ist unter Be- die Möglichkeit, die Verlängerung der Aufent-
rücksichtigung des Grundsatzes der Verhält- haltserlaubnis durch eine Nebenbestimmung
nismäßigkeit, der Gleichbehandlung und des auszuschließen. Dies betrifft beispielsweise
Vertrauensschutzes bei der Entscheidung über kurzfristige Arbeitsaufenthalte, bei denen eine
die Verlängerung zugunsten des Ausländers Aufenthaltsverfestigung nicht zulässig ist
auch zu berücksichtigen, dass während eines (Saisonarbeitnehmer, Werkvertragsarbeitneh-
vorangegangenen rechtmäßigen Aufenthalts mer) oder Aufenthalte auf Grund spezifischer
schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche Postgraduiertenprogramme der Entwicklungs-
oder sonstige Bindungen zum Bundesgebiet zusammenarbeit, bei denen sich die Geförder-
entstanden sein können. Bei einem Wechsel des ten von vornherein verpflichtet haben, nach
Aufenthaltszwecks handelt es sich i. d. R. um Abschluss der Hochschulfortbildung zurück-
die Erteilung eines neuen Aufenthaltstitels, so zukehren. Auf diese Weise soll die Ausländer-
dass die entsprechenden Erteilungsvorausset- behörde von Anfang an Klarheit über die Per-
zungen für den anderen Aufenthaltszweck er- spektive der Aufenthaltsdauer im Bundesge-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 941

biet schaffen. Siehe hierzu auch Nummer 8.3.0.2 Der Kursträger hat die Ausländerbehörde oder
9a.3.4.1. den zuständigen Träger der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach § 8 Absatz 3 Satz 1 IntV
8.2.1.2 Absatz 2 ist nicht anzuwenden, wenn der Auf- zu informieren, wenn er feststellt, dass ein zur
enthaltszweck zwar einem zeitlichen Rahmen Teilnahme verpflichteter Ausländer nicht ord-
unterliegen mag, aber nach der gesetzlichen nungsgemäß i. S. v. § 14 Absatz 5 Satz 2 IntV
Wertung des Aufenthaltsgesetzes keine Be- teilnimmt. Das Bundesamt für Migration und
denken gegen einen längeren Aufenthalt be- Flüchtlinge übermittelt der Ausländerbehörde
stehen. Informationen über die Teilnahmeverpflich-
– Dies ist z. B. der Fall bei Studenten (vgl. § 16 tung nach § 5 Absatz 2 und § 6 Absatz 1 IntV
Absatz 4). Etwas anderes gilt, wenn sie be- auf Ersuchen. Die Verpflichtung zur Teilnahme
reits derart lange ein Studium betreiben, am Integrationskurs ist in dem bundesein-
dass ein Hineinwachsen in ein verfestigtes heitlichen Vordruck gemäß § 6 Absatz 3 IntV
Aufenthaltsrecht ohne Studienabschluss zu zu vermerken.
erwarten ist. Ist bei Studenten etwa damit zu
8.3.1 Nach § 8 Absatz 3 hat die Ausländerbehörde
rechnen, dass sie auf Grund der Vorgaben
die Verletzung der nach § 44a Absatz 1 Satz 1
von Richtlinien der Europäischen Union ein
bestehenden Pflicht zur ordnungsgemäßen
dauerhaftes Aufenthaltsrecht erlangen kön-
Teilnahme an einem Integrationskurs bei der
nen, obwohl sie zuvor ihr Studium nicht
Entscheidung über die Verlängerung des Auf-
abgeschlossen haben werden, kommt eine
enthaltstitels zu berücksichtigen.
Anwendung des § 8 Absatz 2 in Betracht.
8.3.1.1 Die Teilnahmepflicht richtet sich nach § 44a
– Dies ist auch der Fall bei hoch qualifiziertem
und der IntV (vgl. Nummer 44a).
Personal, das sich zwar zur Durchführung
eines bestimmten Vorhabens in Deutschland 8.3.1.2 Die Teilnahme am Integrationskurs ist nach
aufhält, dessen längerer Aufenthalt aber § 14 Absatz 5 Satz 2 IntV ordnungsgemäß,
wegen der Qualifikation migrationspolitisch wenn der Ausländer so regelmäßig am Kurs
erwünscht wäre. teilnimmt, dass ein Kurserfolg möglich ist und
der Lernerfolg insbesondere nicht durch Kurs-
8.2.2 Die Rechtsfolge der Nichtverlängerbarkeit tritt
abbruch oder häufige Nichtteilnahme gefährdet
kraft Gesetzes ein. Widerspruch und Klage ge-
ist und er am Abschlusstest nach § 17 Absatz 1
gen die Nebenbestimmung haben aufschieben-
IntV teilnimmt. Die Teilnahme ist daher insbe-
de Wirkung.
sondere dann nicht ordnungsgemäß, wenn der
8.2.3 Eine Ausnahme von der als Regel angeordneten Integrationskurs gar nicht oder nur so unregel-
Nichtverlängerbarkeit kann dann in Betracht mäßig besucht wird, dass das Kursziel gefährdet
kommen, wenn sich die dem Erlass der Neben- wird. Die Ausländerbehörde kann vom Aus-
bestimmung zu Grunde gelegten Umstände so länder die Vorlage der Bescheinigung über die
wesentlich verändert haben, dass bei deren ordnungsgemäße Teilnahme nach § 14 Absatz 5
Kenntnis die Nebenbestimmung nach § 8 Ab- Satz 1 IntV verlangen.
satz 2 nicht hätte erlassen werden dürfen. Im Die ordnungsgemäße Teilnahme ist auf Errei-
Falle einer solchen Ausnahme behält der Aus- chung des Kursziels gerichtet, die Abschluss-
länder die Aufenthaltserlaubnis zum bisherigen prüfung mit dem Ziel ausreichender Deutsch-
Aufenthaltszweck. Kommt eine solche Aus- kenntnisse. Zur ordnungsgemäßen Teilnahme
nahme nicht in Betracht, ist zu prüfen, ob ihm gehört daher auch die Teilnahme am Ab-
aus humanitären Gründen eine Aufenthaltser- schlusstest; auf eine erfolgreiche Teilnahme am
laubnis auf der Grundlage des § 25 Absatz 4 Abschlusstest kommt es aber nicht an. Ziel ist
Satz 2 verlängert werden kann. es, dass der Teilnehmer durch die Teilnahme
dokumentiert, dass er sich bemüht, aus-
8.3 Berücksichtigung der Verpflichtung zum In- reichende Sprachkenntnisse i. S. v. § 43 Absatz 3
tegrationskurs i. V. m. § 3 Absatz 2 IntV zu erlangen.
8.3.0.1 Absatz 3 enthält drei Regelungen. Nach Satz 1 8.3.1.3 Die Berücksichtigung der nicht ordnungsge-
ist jede Verletzung der Pflicht zur ordnungsge- mäßen Teilnahme am Integrationskurs kann
mäßen Teilnahme an einem Integrationskurs bei z. B. durch die Festlegung einer kürzeren Ver-
der Verlängerung zu berücksichtigen. Die längerungsfrist, um alsbald eine erneute Gele-
Sätze 2 und 3 differenzieren dies für An- genheit zur Überprüfung zu erhalten oder
spruchs- und Ermessenskonstellationen. Nach durch die Ablehnung der Verlängerung ge-
Satz 2 soll eine Verlängerung bei wiederholter schehen. Soweit die Verlängerung im Ermessen
und gröblicher Verletzung der Teilnahmepflicht der Behörde steht, soll bei wiederholter und
versagt werden, sofern kein Anspruch auf Ver- gröblicher Verletzung der Pflichten nach Satz 1
längerung besteht. Nach Satz 3 kann eine Ver- die Verlängerung abgelehnt werden. Besteht ein
längerung auch in Anspruchsfällen versagt Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltser-
werden. Damit erfolgt eine rechtsfolgenbezo- laubnis nur nach dem Aufenthaltsgesetz, kann
gene Abstufung: Aus einer Kann-Verlängerung die Verlängerung abgelehnt werden. Im Rah-
wird eine Soll-Versagung. Aus einem Anspruch men der Ermessensentscheidung ist zu berück-
wird eine Kann-Versagung. sichtigen, ob der Ausländer den Nachweis er-
Seite 942 GMBl 2009 Nr. 42– 61

bringt, dass seine Integration in das gesell- rücksichtigen. Es wird auf Nummer 8.3.2.1 f.
schaftliche Leben anderweitig erfolgt oder mit verwiesen.
hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, und
die Versagung der Verlängerung nicht insbe- 8.3.3.2 Als Rechtsfolge sieht § 8 Absatz 3 Satz 3 ein
sondere aus den in Satz 4 genannten Gesichts- pflichtgemäßes Ermessen vor. Die Ausländer-
punkten als unbillige Härte anzusehen ist. behörde kann unter den Voraussetzungen des
Satzes 3 den Anspruch auf die Verlängerung auf
8.3.2 Die Regelung des § 8 Absatz 3 Satz 2 betrifft eine Ermessensentscheidung herabstufen. Im
die Fälle, in denen der Ausländer keinen An- Rahmen dieser Ermessensentscheidung muss
spruch auf die Erteilung einer Verlängerung hat. insbesondere der Verstoß gegen die Teilnahme-
Hiernach soll die Verlängerung der Aufent- pflicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus
haltserlaubnis versagt werden, sofern der Aus- sind jedoch auch weitere für die Verlängerung
länder wiederholt und gröblich gegen die Teil- der Aufenthaltserlaubnis relevante Aspekte zu
nahmepflicht verstoßen hat. berücksichtigen, vgl. insbesondere § 8 Absatz 3
Satz 4.
8.3.2.1 Wiederholt ist ein Verstoß gegen die Teilnah-
mepflicht dann, wenn der Ausländer – trotz der 8.3.4 Zur Vermeidung unbilliger Härten sind bei den
erstmaligen Meldung des Kursträgers an die Entscheidungen nach Absatz 3 Satz 1 bis 3 die
Ausländerbehörde oder den Träger der Grund- Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutz-
sicherung für Arbeitsuchende nach § 8 Absatz 3 würdige Bindungen des Ausländers an das
Satz 1 IntV – weiterhin dem Integrationskurs Bundesgebiet und die Folgen für die rechtmäßig
fernbleibt. im Bundesgebiet lebenden Familienangehöri-
gen des Ausländers als maßgebliche Kriterien
8.3.2.2 Das Tatbestandsmerkmal „gröblich“ setzt vor- zu berücksichtigen.
aus, dass der Ausländer – über das wiederholte
Fernbleiben vom Integrationskurs hinaus – in
8.4 Ausnahmen von Absatz 3
besonders offenkundiger und damit schwer-
wiegender Weise gegen die Teilnahmever- § 8 Absatz 4 regelt die Ausnahmen von der
pflichtung verstoßen hat. Der Ausländer wird Sanktionsregelung nach Absatz 3. Die Rege-
auf die Teilnahmeverpflichtung und die rechtli- lung ist teilweise europarechtlich geboten, teil-
chen Konsequenzen der Verletzung der Teil- weise hat sie klarstellenden Charakter.
nahmepflicht im Rahmen der Titelerteilung
bzw. bei Unterzeichnung der Eingliederungs- 8.4.1 Die in § 8 Absatz 4 enthaltene Ausnahmere-
vereinbarung hingewiesen, so dass eine spätere gelung ist europarechtlich geboten, da nach der
erneute Aufklärung grundsätzlich entbehrlich Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April
ist. Verstößt der Ausländer trotz dieses ersten 2004 über Mindestnormen für die Anerken-
Hinweises wiederholt gegen die Teilnah- nung und den Status von Drittstaatsange-
meverpflichtung und erhält er deshalb einen hörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder
weiteren Hinweis auf die ihm obliegende als Personen, die anderweitig internationalen
Pflicht sowie die rechtlichen Konsequenzen der Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu
Verletzung dieser Pflicht, so ist insbesondere im gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 S. 12, so
Fall des erneuten Fernbleibens eine gröbliche genannte Qualifikationsrichtlinie) Asylbe-
Verletzung der Teilnahmeverpflichtung anzu- rechtigten und Flüchtlingen ein Aufenthaltstitel
nehmen. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen (siehe § 25 Absatz 1 und 2) nur aus zwingenden
Teilnahme ist insbesondere dann nicht gröblich Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ord-
verletzt, wenn der Teilnehmer krankheits- nung oder im Falle von subsidiär Schutz-
bedingt nicht an dem Kurs teilnehmen konnte berechtigten nur bei Vorliegen von Ausschluss-
und hierfür ein ärztliches Attest vorlegt. klauseln (siehe § 25 Absatz 3 Satz 2) versagt
werden kann. Der Verstoß gegen die Pflicht zur
8.3.3 § 8 Absatz 3 Satz 3 betrifft die Fälle, in denen Teilnahme am Integrationskurs erfüllt diese
der Ausländer grundsätzlich einen Anspruch Voraussetzungen nicht.
auf die Erteilung einer Verlängerung hat. Hier-
nach kann die Verlängerung der Aufenthaltser- 8.4.2 Zwar ist § 8 Absatz 3 bereits durch § 26 Ab-
laubnis versagt werden, sofern der Ausländer satz 3 grundsätzlich ausgeschlossen, da der
wiederholt und gröblich gegen die Teilnahme- Ausländer eine Niederlassungserlaubnis erhält.
pflicht verstoßen hat. Jedoch kann auch bei einer nach § 25 Absatz 1
oder 2 erteilten Aufenthaltserlaubnis im Ein-
8.3.3.0 Im Umkehrschluss zu § 8 Absatz 3 Satz 2 a. F. zelfall eine bloße Verlängerung in Betracht
war eine Versagung der Verlängerung in An- kommen, wenn das Bundesamt für Migration
spruchsfällen vor In-Kraft-Treten des Richt- und Flüchtlinge die in § 26 Absatz 3 erwähnte
linienumsetzungsgesetzes nicht möglich, da die Mitteilung (noch) nicht getätigt hat.
Ablehnung der Verlängerung ausschließlich in
der Variante des Nichtvorliegens eines An- 8.4.3 Die Aufnahme von § 25 Absatz 4a hat klarstel-
spruchs geregelt war. lenden Charakter, da diese Personengruppe auf
Grund ihres nur vorübergehenden Aufenthalts
8.3.3.1 Die Merkmale „wiederholt und gröblich“ in nicht integrationsbedürftig ist und somit auch
Satz 2 sind ergänzend auch in Satz 3 zu be- nicht unter die Regelung der §§ 44 und 44a fällt.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 943

8.4.4 Ebenfalls von den Sanktionen des § 8 Absatz 3 genannten Voraussetzungen vorliegen; im Fall
ausgenommen sind türkische Arbeitnehmer des § 26 Absatz 4 muss aber zudem die ver-
und deren Familienangehörige, sofern sie auf längerte Mindestfrist von sieben Jahren gegeben
der Grundlage des Assoziationsrechts mit der sein (zur Möglichkeit der Erteilung einer Er-
Europäischen Union, insbesondere nach ARB laubnis zum Daueraufenthalt-EG in den Fällen
1/80 begünstigt sind (vgl. Artikel 6 oder 7 des § 26 Absatz 3 und 4 vgl. Nummer 9a.3.1.1).
ARB 1/80). Die nicht ordnungsgemäße bzw.
Nichtteilnahme an einem Integrationskurs darf 9.2.1.1 Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren
nicht bei der Entscheidung über die Beendigung Der Ausländer muss nach § 9 Absatz 2 Satz 1
des Aufenthaltes eines nach Assoziationsrecht Nummer 1 seit fünf Jahren eine Aufenthaltser-
begünstigten türkischen Staatsangehörigen be- laubnis besitzen. Zeiten im Besitz eines natio-
rücksichtigt werden. Mangelnde Integration nalen Visums zählen mit (§ 6 Absatz 4 Satz 3).
stellt für sich genommen keinen Grund zur Hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Aus-
Aufenthaltsbeendigung dar, die i. S. d. Arti- landsaufenthalten und Aufenthalten zum
kels 14 Absatz 1 ARB 1/80 aus Gründen der Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung
öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Ge- ist § 9 Absatz 4 zu beachten. Aufenthaltsrechte,
sundheit erfolgen kann. Zur Auslegung der die bestanden haben, ohne dass der Ausländer
Merkmale der öffentlichen Sicherheit und eine Aufenthaltserlaubnis besaß, oder indem er
Ordnung ist zu beachten, dass der Europäische von der Aufenthaltstitelpflicht befreit war –
Gerichtshof diese entsprechend der Recht- etwa indem er, ohne eine Aufenthaltserlaubnis
sprechung zur Beendigung des Aufenthalts zu besitzen, unter entsprechende Tatbestände
freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger und des ARB 1/80 oder nach § 27 AufenthV fiel –
deren Familienangehöriger auslegt, wobei al- werden nicht angerechnet. Angerechnet werden
lerdings die mit der Unionsbürgerrichtlinie aber Aufenthaltszeiten, während derer er eine
eingeführten weitergehenden Ausweisungstat- Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Absatz 5 oder in
bestände auf türkische Staatsangehörige nicht Anwendung des § 27 Absatz 3 AufenthV besaß.
anwendbar sind. Zur Möglichkeit der Sanktio- Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Auf-
nierung bei nach Assoziationsrecht be- enthalts (z. B. infolge verspäteter Anträge auf
günstigten türkischen Arbeitnehmern und de- Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis) können
ren Familienangehörigen vgl. Nummer 44a.3.3. gemäß § 85 bis zu einem Jahr außer Betracht
bleiben.
9 Zu § 9 – Niederlassungserlaubnis 9.2.1.1.1 Eine Anrechnung von Zeiten des Besitzes einer
Aufenthaltsgenehmigung vor dem 1. Januar
9.1 Unbeschränktes Aufenthaltsrecht 2005 ist ausdrücklich nur im Fall des Besitzes
Die Niederlassungserlaubnis gilt unbefristet, einer Aufenthaltsbefugnis für den Anwen-
berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätig- dungsbereich des § 26 Absatz 4 vorgesehen.
keit und darf nur in den durch das Aufenthalts- Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbewilli-
gesetz geregelten Fällen mit einer Neben- gung, die einer Verfestigung nicht zugänglich
bestimmung versehen werden (Verbot bzw. war, vor Inkrafttreten des Zuwanderungsge-
Beschränkung der politischen Betätigung nach setzes zählen daher grundsätzlich nicht als Zei-
§ 47; wohnsitzbeschränkende Auflage in den ten im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach
Fällen des § 23 Absatz 2). Die Niederlassungs- § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 (vgl. aber Num-
erlaubnis verleiht immer ein vollumfängliches mer 9.2.1.1.2, 9.4.3 zur Ausnahme bei Auf-
Aufenthaltsrecht, losgelöst von einer ur- enthalten zum Zwecke des Studiums oder der
sprünglichen Zweckbindung. Berufsausbildung). Aufenthaltsbewilligungen
und -befugnisse gelten zwar nach § 101 Ab-
satz 2 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 als
9.2 Erteilungsvoraussetzungen
Aufenthaltserlaubnis neuen Rechts fort. Diese
9.2.0 Die Niederlassungserlaubnis wird, wenn im Vorschrift stellt jedoch lediglich eine Überlei-
Aufenthaltsgesetz nichts anderes bestimmt ist, tungsregelung dar und bezweckt ausschließlich,
unter den in § 9 Absatz 2 festgelegten Voraus- dass eine bestehende Aufenthaltsgenehmigung
setzungen erteilt. Dies gilt mit Ausnahme der nicht förmlich umgeschrieben werden muss,
verlängerten Mindestfrist von sieben Jahren sondern kraft Gesetzes mit Wirkung vom
auch im Fall des § 26 Absatz 4. Darüber hinaus 1. Januar 2005 die Rechtswirkungen neuen
gibt es bei einigen Aufenthaltszwecken Son- Rechts entfaltet (vgl. Nummer 101.2). Rück-
derregelungen für die Erlangung der Nieder- wirkende Folgen wurden vom Gesetzgeber
lassungserlaubnis (§§ 19, 21 Absatz 4, § 23 Ab- hingegen nicht angeordnet. Dies ergibt sich
satz 2, § 26 Absatz 3 und 4, § 28 Absatz 2, § 31 auch aus dem Umkehrschluss zu der Vorschrift
Absatz 3, §§ 35, 38 Absatz 1 Nummer 1). Die in § 102 Absatz 2, die u. a. die Anrechnung von
Erteilung der Niederlassungserlaubnis richtet Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis
sich in diesen Fällen nach den dort genannten nach dem Ausländergesetz für die Erteilung
Voraussetzungen und den allgemeinen Er- einer Niederlassungserlaubnis ausdrücklich an-
teilungsvoraussetzungen des § 5. Statt dessen ist ordnet. Einer solchen Regelung hätte es nicht
auch die Erteilung einer Niederlassungserlaub- bedurft, wenn diese Zeiten ohnehin rück-
nis nach § 9 Absatz 2 möglich, wenn die dort wirkend als Zeiten einer Aufenthaltserlaubnis
Seite 944 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nach neuem Recht gelten würden. Die Zeiten kommen, mit dem der Lebensunterhalt des
des Besitzes einer nach dem Ausländergesetz Ausländers gesichert ist (siehe Nummer 5.1.1.1
erteilten Aufenthaltserlaubnis werden hingegen und 2.3). Bei Ausländern, die vor dem 1. Januar
angerechnet, da die Aufenthaltserlaubnis im 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder
Gegensatz zur Aufenthaltsbewilligung einer Aufenthaltsbefugnis waren, findet § 9 Absatz 2
Verfestigung zugänglich war. Satz 1 Nummer 3 keine Anwendung (§ 104
Absatz 2).
9.2.1.1.2 Zur Anrechnung von Zeiten des rechtmäßigen
Aufenthalts zum Zweck des Studiums siehe 9.2.1.4 Keine entgegenstehenden Gründe der öffent-
Nummer 9.4.3. liche Sicherheit und Ordnung

9.2.1.1.3 Besitzt der Ausländer zum Zeitpunkt der An- Das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Si-
tragstellung einen Aufenthaltstitel nach Kapitel cherheit und Ordnung in § 9 Absatz 2 Satz 1
2 Abschnitt 5, gelten die abweichenden Er- Nummer 4 wurde im Rahmen des Richt-
teilungsfristen des § 26. linienumsetzungsgesetzes an das Tatbestands-
merkmal des § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 5
9.2.1.2 Lebensunterhaltssicherung angepasst. Insoweit wird auf Nummer 9a.2.1.5
verwiesen.
Hinsichtlich der Sicherung des Lebensunter-
halts nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt 9.2.1.5 Beschäftigungserlaubnis
grundsätzlich § 2 Absatz 3. Die Voraussetzung
ist nicht erfüllt, wenn der Antragsteller den Le- Arbeitnehmer müssen über einen Aufenthalts-
bensunterhalt nur für sich, nicht aber für seine titel verfügen, der ihnen die Beschäftigung er-
Familienangehörigen in Deutschland, denen er laubt (§ 4 Absatz 3 Satz 1). Diese Erlaubnis
zum Unterhalt verpflichtet ist, sicherstellen muss unbefristet (z. B. auf Grund einer Re-
kann (siehe hierzu Nummer 2.3.2). Handelt es gelung des Aufenthaltsgesetzes oder auf Grund
sich bei dem Antragsteller um einen ehemaligen § 46 Absatz 2 BeschV oder § 9 BeschVerfV)
Deutschen, der seinen gewöhnlichen Aufent- vorliegen. Arbeitnehmer in diesem Sinne ist je-
halt als Deutscher noch nicht fünf Jahre im der, der eine Beschäftigung i. S. d. § 2 Absatz 2
Bundesgebiet hatte, aber über mindestens die- ausübt.
sen Zeitraum über einen gesicherten Aufent- 9.2.1.6 Berufsausübungserlaubnis
haltsstatus (ggf. als Deutscher und Ausländer)
verfügt hat, so sollte der Rechtsgedanke von 9.2.1.6.1 Sofern für die Ausübung bestimmter Berufe
§ 38 Absatz 3 herangezogen werden und in be- besondere Erlaubnisse vorgeschrieben sind
sonderen Fällen von der Anforderung der Le- (z. B. Rechtsanwälte, Heilberufe, im Gewerbe-
bensunterhaltssicherung abgesehen werden recht vorgesehene Erlaubnisse) muss ein Aus-
(vgl. hierzu Nummer 38.3.3). länder, der diesen Beruf als Selbständiger oder
Beschäftigter ausüben will, im Besitz der er-
9.2.1.3 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung forderlichen Erlaubnis sein, die ihm die dauer-
hafte Ausübung eines solchen Berufes erlaubt.
9.2.1.3.1 Der Nachweis von Aufwendungen für einen Eine auf eine befristete berufliche Tätigkeit be-
Anspruch auf Versicherungsleistungen, die de- schränkte Erlaubnis reicht nicht aus. Vor allem
nen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei den Heilberufen besteht nicht für alle Aus-
vergleichbar sind, setzt nicht voraus, dass der länder die rechtliche Möglichkeit einer dau-
Ausländer im Zeitpunkt der Erteilung der Nie- ernden Berufsausübung. Es besteht hier aber die
derlassungserlaubnis einen Versorgungsan- Möglichkeit, eine Erlaubnis zum Daueraufent-
spruch erworben hat, der den Lebensunterhalt halt-EG zu beantragen. In § 9a Absatz 2 ist eine
ausreichend sichert. Entscheidend ist, ob unter dauerhafte Berufsausübungserlaubnis als Er-
der Voraussetzung, dass die private Altersvor- teilungsvoraussetzung nicht aufgeführt.
sorge weitergeführt wird, Ansprüche in gleicher
Höhe erworben werden, wie sie entstehen 9.2.1.6.2 Trotz einer etwaigen Befristung liegt eine Er-
würden, wenn der Ausländer 60 Monats- laubnis zur dauernden Berufsausübung vor,
beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wenn die Befristung nur bezweckt, die Berufs-
geleistet hätte und künftig weitere Beiträge zur tauglichkeit erneut zu prüfen. Dies ist in allen
gesetzlichen Rentenversicherung entrichten Fällen anzunehmen, in denen für Deutsche die-
würde. Die Beiträge zur gesetzlichen Renten- selben Regelungen gelten. Einer Dauer-
versicherung führen zum Erwerb eines An- erlaubnis zur selbständigen Erwerbstätigkeit
spruchs auf Rente, zum einen für den Zeitpunkt steht es gleich, wenn die Berufsausübung wie
des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mit etwa im Einzelhandel ohne Genehmigung er-
Erreichen der entsprechenden Altersgrenze und laubt ist.
zum anderen im Falle eines vorzeitigen Aus-
9.2.1.7 Ausreichende Kenntnisse der deutschen Spra-
scheidens aus dem Erwerbsleben infolge Er-
che
werbs- oder Berufsunfähigkeit. Diese beiden
Ansprüche bilden den Maßstab für die Ver- Ausreichende Kenntnisse der deutschen Spra-
gleichbarkeit. Vorausgesetzt ist dabei, dass die che entsprechen der Definition des Sprach-
Beiträge wie bisher bis zum Eintritt des Ver- niveaus B1 des Gemeinsamen Europäischen
sicherungsfalles weiter entrichtet werden. Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen
Grundlage für die Ermittlung ist ein Ein- des Ministerkomitees des Europarates an die
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 945

Mitgliedstaaten Nummer R (98) 6 vom Orientierungskurses, der Bestandteil des In-


17. März 1998 zum Gemeinsamen Euro- tegrationskurses ist. Das Vorliegen der Grund-
päischen Referenzrahmen für Sprachen – kenntnisse der Rechts- und Gesellschafts-
GER). Das Niveau B1 GER setzt folgende ordnung ist von der Ausländerbehörde festzu-
sprachliche Fähigkeiten bei allen Sprachkom- stellen. I. d. R. werden diese Kenntnisse durch
petenzen (Hören, Sprechen, Lesen und Schrei- den bundeseinheitlichen Test zum Orientie-
ben) voraus: Kann die Hauptpunkte verstehen, rungskurs nach § 17 Absatz 1 Nummer 2 IntV
wenn klare Standardsprache verwendet wird nachgewiesen. Der Nachweis der Kenntnisse ist
und es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, auch erbracht, wenn der Ausländer einen Ab-
Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situa- schluss einer deutschen Hauptschule oder einen
tionen bewältigen, denen man auf Reisen im vergleichbaren oder höheren Schulabschluss
Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und einer deutschen allgemein bildenden Schule
zusammenhängend über vertraute Themen und nachweisen kann. Bei Ausländern, die vor dem
persönliche Interessensgebiete äußern. Kann 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltser-
über Erfahrungen und Ereignisse berichten, laubnis oder Aufenthaltsbefugnis waren, findet
Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben § 9 Absatz 2 Nummer 8 keine Anwendung
und zu Plänen und Ansichten kurze Be- (§ 104 Absatz 2).
gründungen oder Erklärungen geben (vgl.
Nummer 44a.1.2.2). Bei Ausländern, die vor 9.2.1.9 Ausreichender Wohnraum
dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufent- Auf die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 4
haltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis waren, wird Bezug genommen (vgl. Nummer 2.4).
wird nur verlangt, dass sie sich auf einfache Art
in deutscher Sprache mündlich verständigen 9.2.2 Nachweis der bzw. Ausnahmen von den Vo-
können (§ 104 Absatz 2). Die Voraussetzung raussetzungen nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Num-
ausreichender Kenntnisse der deutschen Spra- mer 7 und 8
che ist von der Ausländerbehörde festzustellen.
9.2.2.1 Über die erfolgreiche Teilnahme am Integra-
Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind
tionskurs erhält der Ausländer eine Beschei-
i. d. R. nachgewiesen, wenn der Ausländer
nigung (§ 17 Absatz 4 IntV). Nach § 9 Absatz 2
– das „Zertifikat Deutsch“ oder den Satz 2 genügt diese Bescheinigung in jedem Fall
„Deutsch-Test für Zuwanderer“ (Kompe- als Nachweis der Voraussetzungen des § 9 Ab-
tenzstufe B1) nach § 17 Absatz 1 Nummer 1 satz 2 Satz 1 Nummer 7 und 8. Ausländer, die
IntV erworben hat, am Integrationskurs nicht oder nicht erfolg-
– vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit reich teilgenommen haben, können die Vo-
Erfolg (Versetzung in die nächst höhere raussetzungen auf andere Weise nachweisen. Sie
Klasse) besucht hat, können die Abschlusstests des Integrationskur-
ses auf freiwilliger Basis ablegen.
– einen Hauptschulabschluss oder wenigstens
gleichwertigen deutschen Schulabschluss 9.2.2.2.1 Von den Voraussetzungen der ausreichenden
erworben hat, Kenntnisse der deutschen Sprache nach § 9
– in die zehnte Klasse einer weiterführenden Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 und der Grund-
deutschsprachigen Schule (Realschule, kenntnisse der Rechts- und Gesellschafts-
Gymnasium oder Gesamtschule) versetzt ordnung und der Lebensverhältnisse in
worden ist oder Deutschland nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Num-
mer 8 wird zwingend abgesehen, wenn der
– ein Studium an einer deutschsprachigen Ausländer wegen einer körperlichen, geistigen
Hochschule oder Fachhochschule oder eine oder seelischen Krankheit oder Behinderung
deutsche Berufsausbildung erfolgreich ab- oder aufgrund seines Alters nicht in der Lage
geschlossen hat. ist, diese Voraussetzungen zu erfüllen. In diesen
Fällen ist auch kein Nachweis geringerer
Sind die erforderlichen Kenntnisse der deut-
Kenntnisse zu verlangen. Nicht jede Krankheit
schen Sprache nicht oder nicht hinreichend an-
oder Behinderung führt zum Ausschluss der
hand von Zeugnissen oder Zertifikaten nachge-
genannten Voraussetzungen, sondern nur die-
wiesen, ist dem Ausländer ein Sprachtest, ggf.
jenigen, die den Ausländer an der Erlangung der
auch ein Sprachkurs zu empfehlen, es sei denn,
Kenntnisse hindern, insbesondere die Unfähig-
der Ausländer verfügt nach der in einem per-
keit, sich mündlich oder schriftlich zu ar-
sönlichen Gespräch gewonnenen Überzeugung
tikulieren sowie angeborene oder erworbene
der Ausländerbehörde offensichtlich über die
Formen geistiger Behinderung oder alters-
geforderten Sprachkenntnisse. In diesen Fällen
bedingte Beeinträchtigungen. Die Ausschluss-
kann auf einen Sprachtest verzichtet werden.
gründe sind vom Ausländer durch ein ärztliches
9.2.1.8 Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell- Attest nachzuweisen, wenn sie nicht offen-
schaftsordnung und der Lebensverhältnisse kundig sind.
Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell- 9.2.2.2.2 Eine Härte, bei der nach Absatz 2 Satz 4 von
schaftsordnung umfassen die grundlegenden den Voraussetzungen der Nummer 7 und 8 ab-
Prinzipien des Rechtsstaats. Eine Orientierung gesehen werden kann, kann z. B. vorliegen,
über die Inhalte geben die Lehrpläne des wenn eine körperliche, geistige oder seelische
Seite 946 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Erkrankung oder Behinderung die Erfüllung der Ausländer nach einem Auslandsaufenthalt,
der Voraussetzungen zwar nicht unmöglich der zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis
macht, aber dauerhaft wesentlich erschwert, führte, erneut eine Niederlassungserlaubnis be-
wenn der Ausländer bei der Einreise bereits antragt. Die Regelung gilt für alle Fälle der Er-
über 50 Jahre alt war, oder wenn wegen der teilung einer Niederlassungserlaubnis, unab-
Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen der Be- hängig davon, ob sie nach § 9 oder einer an-
such eines Integrationskurses auf Dauer un- deren Vorschrift erteilt wird.
möglich oder unzumutbar war. Aus den geltend
gemachten, nachzuweisenden Gründen muss 9.4.1.1 Der Ausländer muss bei seiner Ausreise im Be-
sich unmittelbar nachvollziehen lassen, dass im sitz der Niederlassungserlaubnis gewesen sein.
Einzelfall eine Erschwernis vorliegt. Dies ist nicht der Fall, wenn diese bereits vorher
(z. B. durch Ausweisung, Rücknahme oder Wi-
9.2.2.3.1 Darüber hinaus wird nach Absatz 2 Satz 5 von derruf) erloschen ist. Einem ehemaligen Deut-
den Voraussetzungen der Nummer 7 und 8 schen, der bei seiner Einbürgerung im Besitz
auch dann abgesehen, wenn der Ausländer sich einer Niederlassungserlaubnis war und nach
auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich der Spezialregelung des § 38 lediglich eine Auf-
verständigen kann und zugleich entweder nur enthaltserlaubnis erhalten konnte, können die
einen geringen Integrationsbedarf hat (§ 44 Zeiten des Besitzes einer Niederlassungser-
Absatz 3 Nummer 2) oder dessen Teilnahme laubnis sowie die Zeiten mit deutscher Staats-
am Integrationskurs auf Dauer unmöglich oder angehörigkeit ebenfalls bis zu vier Jahren ange-
unzumutbar ist (§ 44a Absatz 2 Nummer 3). rechnet werden.
9.2.2.3.2 Zur Feststellung, ob sich der Ausländer auf 9.4.1.2 Alle Voraussetzungen für die Erteilung der
einfache Art in deutscher Sprache mündlich Niederlassungserlaubnis müssen erfüllt wer-
verständigen kann wird auf Nummer 28.2.4 den. § 9 Absatz 4 bewirkt lediglich, dass auf
und 30.1.2.1 verwiesen. Grund der Anrechnung alter Aufenthaltszeiten
9.2.3 Nach § 9 Absatz 2 Satz 6 ist von den Voraus- nicht die gesamte erforderliche Frist zurück-
setzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gelegt werden muss.
und 3 (Lebensunterhaltssicherung/Rentenver- 9.4.1.3 Von den vor der Ausreise liegenden Zeiten im
sicherungspflichtbeiträge) abzusehen, wenn der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und Nieder-
Ausländer diese aus den in § 9 Absatz 2 Satz 3 lassungserlaubnis (z. B. zehn Jahre) wird die
genannten Gründen nicht erfüllen kann. Zeit des Auslandsaufenthalts abgezogen, sofern
sie zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis
9.3 Ehegatten- und Auszubildendenprivileg führte (z. B. drei Jahre). Von der übrig bleiben-
9.3.1 § 9 Absatz 3 Satz 1 gilt für verheiratete Aus- den Zeit (im Beispiel: sieben Jahre) werden
länder unabhängig davon, ob sie im Wege des höchstens vier Jahre angerechnet (im Beispiel
Familiennachzuges eingereist sind. Die Vor- hat der Ausländer daher bereits nach einem Jahr
schrift gilt nicht für Ehegatten von Deutschen, im Besitz der Aufenthaltserlaubnis die Frist ge-
für diese enthält § 28 Absatz 2 eine privilegie- mäß § 9 Absatz 2 Nummer 1 erfüllt). Ist die
rende Sonderregelung. Das Erfordernis des ge- Zeit des Auslandsaufenthaltes länger als die
sicherten Lebensunterhalts gilt auch für den Voraufenthaltszeit, führt die Regelung dazu,
verheirateten Antragsteller. Hierfür genügt die dass keine Voraufenthaltszeiten angerechnet
Gewährung des Lebensunterhalts durch den werden. Ist für die Erlangung der Nieder-
anderen Ehegatten (siehe Nummer 2.3.2.3). lassungserlaubnis eine kürzere Zeit als vier Jah-
re erforderlich (z. B. nach § 28 Absatz 2), kann
9.3.2 Zu einem anerkannten schulischen oder beruf- bei entsprechend langem Voraufenthalt bei Er-
lichen Bildungsabschluss führt nicht nur der füllung aller übrigen Voraussetzungen bereits
Besuch einer allgemeinbildenden Schule, son- unmittelbar nach der Einreise ein Anspruch auf
dern auch der Besuch von Berufsfachschulen Erteilung der Niederlassungserlaubnis ent-
(z. B. Handelsschule) oder sonstigen öffentli- stehen. Dies bedeutet, dass ein Visum, das für
chen oder staatlich anerkannten berufsbil- die Einreise beantragt wird, auch sogleich nach
denden Schulen. Berufsvorbereitende Maßnah- § 6 Absatz 4 nach den für die Niederlassungs-
men wie ein berufliches Vollzeitschuljahr oder erlaubnis geltenden Vorschriften erteilt werden
eine außerschulische berufsvorbereitende Voll- kann und darin die entsprechende Rechts-
zeitmaßnahme sowie die Tätigkeit als Prakti- grundlage angegeben und der Vermerk „Er-
kant führen nicht zu einem anerkannten beruf- werbstätigkeit gestattet“ eingetragen wird;
lichen Bildungsabschluss. dennoch ist das Visum zu befristen; der Aus-
länder hat nach der Einreise einen Anspruch auf
9.4 Anrechnung von Auslandsaufenthalten und Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auf
Aufenthalten zum Zweck des Studiums oder dem Vordruck „Aufenthaltstitel“ anstelle des
der Berufsausbildung Visums.

9.4.1 § 9 Absatz 4 Nummer 1 bezweckt, dass die 9.4.2 Die Anrechnung nach § 9 Absatz 4 Nummer 2
einmal erreichte Integration in die deutschen ist nur möglich, soweit der Ausländer während
Lebensverhältnisse unter bestimmten Voraus- seines Auslandsaufenthalts im Besitz der Auf-
setzungen auch dann berücksichtigt wird, wenn enthaltserlaubnis war. War die Aufenthaltser-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 947

laubnis wegen Ablaufs der Geltungsdauer er- und 9c enthalten Spezifizierungen hinsichtlich
loschen, kann die Zeit danach nicht angerechnet einzelner Tatbestandsmerkmale des § 9a: der
werden. Anrechenbar sind maximal sechs Mo- Bestimmung der Dauer des Voraufenthalts (§ 9a
nate. Absatz 2 Satz 1 Nummer 1) sowie hinsichtlich
fester und regelmäßiger Einkünfte im Rahmen
9.4.2.1 War der Ausländer vom Erfordernis eines Auf-
der Lebensunterhaltssicherung (§ 9a Absatz 2
enthaltstitels befreit, kommt es für die Anrech-
Satz 1 Nummer 2).
nung von Zeiten eines Auslandsaufenthalts
darauf an, ob durch diesen Aufenthalt der ge- 9a.0.3 Nach § 11 Absatz 1 Satz 5 des FreizügG/EU
wöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet weg- sind freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger
gefallen bzw. unterbrochen worden ist. Im und ihre Familienangehörigen bei Vorliegen der
Hinblick auf § 51 Absatz 1 Nummer 7 ist an- Voraussetzungen nach §§ 9a bis 9c vom An-
zunehmen, dass durch einen Auslandsaufent- wendungsbereich der Erlaubnis zum Dauer-
halt bis zu sechs Monaten der gewöhnliche aufenthalt-EG umfasst, da diese eine günstigere
Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich Regelung hinsichtlich der Erlöschensfristen bei
nicht wegfällt. Es müssen jedoch entsprechende Auslandsaufenthalten nach Maßgabe von § 51
Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet be- Absatz 9 Nummer 4, § 4a Absatz 7 FreizügG/
standen haben, die auf den Mittelpunkt der Le- EU vermittelt. Zur Anrechnung von Zeiten, in
bensbeziehungen des Ausländers im Bundesge- denen der Ausländer freizügigkeitsberechtigt
biet hindeuten (z. B. Fortbestehen des Arbeits- war, siehe Nummer 9b.1.3.
verhältnisses, familiäre Anknüpfungspunkte).
9a.0.4 Bei der Umsetzung der Daueraufenthalt-
9.4.3 Mit § 9 Absatz 4 Nummer 3 wird die für die
Richtlinie war es möglich, die Erlaubnis zum
Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG geltende
Daueraufenthalt-EG nach Tatbestand und
Regelung des § 9b Satz 1 Nummer 4 zur An-
Rechtsfolge stark an der Niederlassungserlaub-
rechnung von Studienzeiten und Zeiten der
nis zu orientieren; dies wird hinsichtlich der
Berufsausbildung nach Artikel 4 Absatz 2, Un-
Rechtsfolge insbesondere an § 9a Absatz 1
terabsatz 2 der Richtlinie 2003/109/EG des Ra-
Satz 2 und 3 deutlich.
tes vom 25. November 2003 betreffend die
Rechtsstellung der langfristig aufenthalts- 9a.0.5 Da der aufenthaltsrechtliche Status eines Aus-
berechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU länders eindeutig definiert sein muss, ist eine
2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte Dauer- parallele Erteilung einer Niederlassungserlaub-
aufenthalt-Richtlinie) gleichermaßen auf die nis und einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-
Niederlassungserlaubnis angewandt (siehe EG selbst dann ausgeschlossen, wenn der Aus-
Nummer 9b.1.4). länder die Voraussetzungen beider Aufent-
haltstitel erfüllt. Da die Erlaubnis zum Dauer-
aufenthalt-EG eine weitergehende Rechtsposi-
9a Zu § 9a – Erlaubnis zum Daueraufenthalt-
tion einräumt als die Niederlassungserlaubnis,
EG
ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der
9a.0 Allgemeines Ausländer in diesem Fall eine Erlaubnis zum
Daueraufenthalt-EG beantragt. Inhaber einer
9a.0.1 Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ist ein Niederlassungserlaubnis können beantragen,
eigenständiger unbefristeter Aufenthaltstitel dass ihnen anstelle der Niederlassungserlaubnis
neben der Niederlassungserlaubnis (siehe § 4 die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erteilt
Absatz 1 Nummer 4). Sie beruht auf der Richt- wird. Die Voraussetzungen für die Erteilung
linie 2003/109/EG des Rates vom 25. No- der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG sind
vember 2003 betreffend die Rechtsstellung der dann vollständig zu prüfen. Werden sie nicht
langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaats- erfüllt, bleibt die Niederlassungserlaubnis
angehörigen (ABl. EU 2004 Nummer L 16 wirksam; werden sie hingegen erfüllt, ist die
S. 44, so genannte Daueraufenthalt-Richtlinie), Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zu erteilen
in deren Umsetzung folgende Regelungen des und die Niederlassungserlaubnis als ungültig zu
Aufenthaltsgesetzes aufgenommen wurden: § 2 kennzeichnen.
Absatz 7, § 4 Absatz 1 Nummer 4, § 5 Ab-
satz 2, § 6 Absatz 4, §§ 9a bis 9c, 29 Absatz 1 9a.0.6 Im Gegensatz zur Erlaubnis zum Daueraufent-
Nummer 1, § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 halt-EG berechtigt eine Niederlassungserlaub-
Buchstaben b) und f), § 30 Absatz 1 Satz 2 nis nach nationalem Recht, die nach §§ 9, 19, 21
Nummer 2, § 31 Absatz 1 Satz 1 und 2, Ab- Absatz 4, § 23 Absatz 2, § 26 Absatz 3 und 4,
satz 3 und 4, § 32 Absatz 2 bis 3, §§ 33, 34, 38a, § 28 Absatz 2, § 31 Absatz 3, §§ 35 und 38 Ab-
44a Absatz 2a, § 51 Absatz 8 und 9, § 52 Ab- satz 1 Nummer 1 erteilt wird, nicht zur Mobi-
satz 6, § 56 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a, § 69 lität nach Artikel 13 Satz 2 Daueraufenthalt-
Absatz 3 Nummer 2a, § 75 Nummer 5, § 77 Richtlinie.
Absatz 1 Satz 3, § 91c, § 101 Absatz 3 und
§ 105a. 9a.0.7 In formeller Hinsicht gelten die nachfolgend
dargestellten Besonderheiten:
9a.0.2 § 9a regelt den persönlichen Anwendungsbe-
reich sowie die Erteilungsvoraussetzungen der 9a.0.7.1 Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens sind
Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG. Die §§ 9b folgende Mitteilungspflichten zu beachten:
Seite 948 GMBl 2009 Nr. 42– 61

9a.0.7.1.1 – bei Erteilung einer Erlaubnis zum Dauer- ren ununterbrochen mit Aufenthaltstitel in
aufenthalt-EG, § 91c Absatz 1, Deutschland aufhält. Diese Voraussetzungen
müssen im Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt
9a.0.7.1.2 – bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen
sein, insbesondere muss der Aufenthaltstitel im
einer deutschen Ausländerbehörde gegen
Zeitpunkt der Antragstellung Gültigkeit be-
einen in einem anderen Mitgliedstaat leben-
sitzen. Zur Bestimmung der erforderlichen
den Ausländer, der die Erlaubnis zum Dau-
Aufenthaltsdauer muss auch die Regelung zur
eraufenthalt-EG besitzt, § 91c Absatz 3 und
Anrechnung von Aufenthaltszeiten nach § 9b
9a.0.7.1.3 – bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beachtet werden (vgl. Nummer 9b).
eines anderen Mitgliedstaats gegen einen in
9a.2.1.1.2 Mangels einschränkender Regelungen müssen
diesem Mitgliedstaat lebenden Ausländer,
dabei auch titulierte Aufenthaltszeiten vor In-
der die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG
krafttreten dieser Regelung am 28. August 2007
besitzt, auf Nachfrage, § 91c Absatz 5.
einbezogen werden. Gleiches gilt für Aufent-
9a.0.7.2 Im Rahmen der innergemeinschaftlichen haltszeiten, die vor dem In-Kraft-Treten der
grenzüberschreitenden Kooperation ist die Daueraufenthalt-Richtlinie am 23. Januar 2006
Zentralstellenfunktion des Bundesamts für Mi- liegen, da sich auch aus der Daueraufenthalt-
gration und Flüchtlinge als nationale Kontakt- Richtlinie insoweit keine Einschränkungen er-
stelle zu beachten. geben.
9a.0.7.3 Nach § 77 Absatz 1 Satz 3 ist einem Verwal- 9a.2.1.1.3 Zeiten des Besitzes eines nationalen Visums
tungsakt, mit dem eine Aufenthaltserlaubnis, werden nach § 6 Absatz 4 Satz 3 angerechnet.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Er-
laubnis zum Daueraufenthalt-EG versagt wird, 9a.2.1.1.4 Die Aufenthaltszeiten mit einem deklaratori-
eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen (siehe schen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 5 auf-
Nummer 77.1.4.2). grund des Assoziationsabkommens EWG/
Türkei werden einbezogen.
9a.0.8 Für das Erlöschen gilt § 51 Absatz 9 als ab-
schließende Sonderregelung, daher ist der Wi- 9a.2.1.2 Lebensunterhaltssicherung
derruf nach § 52 ausgeschlossen.
9a.2.1.2.0 § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 setzt Artikel 5
Absatz 1 Buchstabe a) Daueraufenthalt-Richt-
9a.1 Rechtsfolgen linie um. Nummer 2 sieht vor, dass der Lebens-
9a.1.1 Nach § 9a Absatz 1 Satz 1 wird die Erlaubnis unterhalt des Ausländers und derjenige seiner
zum Daueraufenthalt-EG als ein eigenständiger Angehörigen, denen er Unterhalt zu leisten hat,
unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt (siehe § 4 durch feste und regelmäßige Einkünfte ge-
Absatz 1 Nummer 4). sichert ist.

9a.1.2 Durch die Regelung des § 9a Absatz 1 Satz 2, 9a.2.1.2.1 Zur Bestimmung der Lebensunterhalts-
die § 9 Absatz 1 Satz 2 und 3 für entsprechend sicherungspflicht sind neben dem Ausländer
anwendbar erklärt, wird die Erlaubnis zum alle unterhaltsberechtigten Familienangehöri-
Daueraufenthalt-EG hinsichtlich ihrer Rechts- gen im Bundesgebiet einzubeziehen. Dabei
folgen weitgehend an die Niederlassungser- wird die Familie als durch Unterhaltspflichten
laubnis angelehnt. Diese rechtsfolgenorientierte miteinander verbundene Wirtschaftsgemein-
Gleichbehandlung wird noch durch § 9 Ab- schaft verstanden.
satz 1 Satz 3 verstärkt, indem die an die Nie-
9a.2.1.2.2 Die Sicherung des Lebensunterhalts muss durch
derlassungserlaubnis geknüpften Rechtsfolgen,
feste und regelmäßige Einkünfte erfolgen. Nach
mit Ausnahme abweichender Regelungen im
§ 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 ist daher auf die
Aufenthaltsgesetz, auch für die Erlaubnis zum
Dauerhaftigkeit und Regelmäßigkeit der Erzie-
Daueraufenthalt-EG gelten sollen.
lung von Einkünften abzustellen. Dabei ist ne-
ben der Legaldefinition des Begriffs der Le-
9a.2 Erteilungsvoraussetzungen bensunterhaltssicherung in § 2 Absatz 3 insbe-
9a.2.0 In § 9a Absatz 2 werden die Erteilungsvoraus- sondere auch § 9c hinsichtlich seiner Regel-
setzungen der Erlaubnis zum Daueraufenthalt- Inhaltsbestimmung von festen und regel-
EG geregelt. Wie bei den Erteilungsvoraus- mäßigen Einkünften zu beachten (vgl. Num-
setzungen der Niederlassungserlaubnis nach § 9 mer 9c).
Absatz 2 handelt es sich nicht um eine ab-
9a.2.1.3 Ausreichende Kenntnisse der deutschen Spra-
schließende Aufzählung. Vielmehr ist § 5 zu-
che
sätzlich zu beachten. Der in § 9a Absatz 2
Satz 1 enthaltene Katalog von Tatbestands- § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 entspricht hin-
merkmalen ist zu einem weiten Teil identisch sichtlich seines Wortlautes und seiner inhaltli-
mit demjenigen in § 9 Absatz 2 Satz 1. chen Anforderung § 9 Absatz 2 Satz 1 Num-
mer 7 (vgl. Nummer 9.2.1.7). Bei dem Erfor-
9a.2.1.1 Fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt
dernis des Vorhandenseins ausreichender
9a.2.1.1.1 § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 sieht in Um- Kenntnisse der deutschen Sprache handelt es
setzung von Artikel 4 Daueraufenthalt-Richt- sich um Integrationsanforderungen nach Arti-
linie vor, dass sich ein Ausländer seit fünf Jah- kel 5 Absatz 2 Daueraufenthalt-Richtlinie.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 949

9a.2.1.4 Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell- werden. Es ist daher eine Abwägung zwischen
schaftsordnung und der Lebensverhältnisse den für einen Daueraufenthalt sprechenden
privaten Interessen eines Ausländers und den
§ 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 entspricht hin- hiergegen sprechenden öffentlichen Interessen
sichtlich seines Wortlautes und seiner inhaltli- vorzunehmen.
chen Anforderung § 9 Absatz 2 Satz 1 Num-
mer 8 (vgl. Nummer 9.2.1.8). Auch bei dem 9a.2.1.5.2.1 Dabei können die folgenden Erwägungen für
Erfordernis des Vorhandenseins von Grund- die Ermessensentscheidung herangezogen wer-
kenntnissen der Rechts- und Gesellschafts- den: Die Regelung des § 9 Absatz 2 Satz 1
ordnung und der Lebensverhältnisse im Bun- Nummer 4a. F., die bis zum 27. August 2007
desgebiet handelt es sich um Integrations- galt, konnte aufgrund der nach Artikel 6 Ab-
anforderungen nach Artikel 5 Absatz 2 satz 1 Daueraufenthalt-Richtlinie notwendigen
Daueraufenthalt-Richtlinie. Ermessensentscheidung nicht auf die ent-
sprechende Regelung des § 9a Absatz 2 Satz 1
9a.2.1.5 Keine entgegenstehenden Gründe der öffentli- Nummer 5 übertragen werden. Daher kann auf
chen Sicherheit und Ordnung die inhaltliche Wertung dieser Regelung in ihrer
9a.2.1.5.0 Mit § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 wird Arti- durch das Richtlinienumsetzungsgesetz modi-
kel 6 Absatz 1 Daueraufenthalt-Richtlinie um- fizierten Form (vgl. z. B. § 35 Absatz 3 Num-
gesetzt. Um eine Parallelität zwischen der Nie- mer 2; § 12a Absatz 1 Nummer 2 und 3 StAG)
derlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum als ein Gesichtspunkt im Rahmen der Er-
Daueraufenthalt-EG zu erreichen, wurde auch messensentscheidung – nicht als Regelannahme
§ 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 an die Neure- – zurückgegriffen werden.
gelung des § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 an- Wenn der Ausländer in den letzten drei Jahren
gepasst. Wie bei § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Ju-
wird durch die Neuregelung klargestellt, dass gendstrafe von mindestens sechs oder einer
§ 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 keine aus- Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten
schließende Wirkung gegenüber den allgemei- oder einer Geldstrafe von mindestens 90 Ta-
nen Erteilungsvoraussetzungen in § 5 hat. Dies gessätzen verurteilt worden oder wenn die
gilt insbesondere für § 5 Absatz 4 Satz 1 sowie Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist,
§ 5 Absatz 1 Nummer 2 i. V. m. § 54 Nummer 5 sind bei diesem in die Ermessensentscheidung
und 5a. einzubeziehenden Gesichtspunkt insbesondere
9a.2.1.5.1.1 Der Vorbehalt der Gründe der öffentlichen Si- die Schwere und Art der Straftat sowie die vom
cherheit und Ordnung ist i. S. d. Daueraufent- Ausländer ausgehende Gefahr zu bewerten.
halt-Richtlinie und des weiteren EU-Rechts Hiervon unberührt bleibt die mögliche Recht-
(Artikel 27 der Richtlinie 2004/38/EG des Eu- fertigung eines Versagungsgrundes aufgrund
ropäischen Parlaments und des Rates vom anderer Rechtsverstöße unterhalb dieser
29. April 2004 über das Recht der Unions- Schwelle einschließlich einer Gefährdung der
bürger und ihrer Familienangehörigen, sich im staatlichen Sicherheit unter Einbeziehung von
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Euro- extremistischen und terroristischen Aktivitäten
päischen Union frei zu bewegen und auf- (siehe Nummer 9a.2.1.5.1.2).
zuhalten, zur Änderung der Verordnung 9a.2.1.5.2.2 Darüber hinaus müssen die persönlichen Inter-
(EWG) Nummer 1612/68 und zur Aufhebung essen des Ausländers an der Erteilung der Er-
der Richtlinien 64/221/EWG, 68/380/EWG, laubnis zum Daueraufenthalt-EG, die Dauer
72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/ seines Aufenthalts sowie seine Bindung im
35/EWG, 90/364/EWG, 90/365 EWG und 93/ Bundesgebiet im Rahmen der Ermessensent-
96/EWG (ABl. EU Nummer L 229 S. 35, so scheidung berücksichtigt werden.
genannte Freizügigkeitsrichtlinie, Artikel 39
Absatz 3, Artikel 46 Absatz 1 und Artikel 55 9a.2.1.6 Ausreichender Wohnraum
i. V. m. Artikel 46 Absatz 1 EGV) auszulegen.
§ 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 setzt Artikel 7
9a.2.1.5.1.2 Vom Schutzbereich der öffentlichen Sicherheit Absatz 1 Unterabsatz 2 der Daueraufenthalt-
und Ordnung mit umfasst sind Verstöße gegen Richtlinie um (vgl. Nummer 9.2.1.9).
die Rechtsordnung, insbesondere Strafgesetze.
Gleichwohl sind auch Gefährdungen der staat- 9a.2.2 Nach § 9a Absatz 2 Satz 2 gelten § 9 Absatz 2
lichen Sicherheit unter Einbeziehung von ex- Satz 2 bis 5 für die Tatbestandsmerkmale nach
tremistischen und terroristischen Aktivitäten § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und 4 entspre-
einbezogen. chend.

9a.2.1.5.2 Der Vorbehalt der Gründe der öffentlichen Si- 9a.3 Ausschlussgründe
cherheit und Ordnung steht unter dem Gebot,
die Schwere oder die Art des Verstoßes gegen 9a.3.0.1 § 9a Absatz 3 bestimmt den personellen An-
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder wendungsbereich der Erlaubnis zum Dauer-
die vom Ausländer ausgehenden Gefahr zu be- aufenthalt-EG, indem – in Umsetzung von Ar-
rücksichtigen. Dabei müssen ferner die Dauer tikel 3 Absatz 2 Daueraufenthalt-Richtlinie –
des bisherigen Aufenthalts und das Bestehen bestimmte Ausländergruppen ausgeschlossen
von Bindungen im Bundesgebiet berücksichtigt werden.
Seite 950 GMBl 2009 Nr. 42– 61

9a.3.0.2 Die Ausschlussgründe nach § 9a Absatz 3 Drittstaatsangehörigen, die auf der Grundlage
Nummer 1 und 2 gelten auch für Inhaber ent- eines in einem anderen Mitgliedstaat erteilten
sprechender Rechtsstellungen in anderen Mit- nationalen humanitären Aufenthaltstitels einen
gliedstaaten. Der Ausschlussgrund des § 9a Daueraufenthalt-EG des anderen Mitglied-
Absatz 3 Nummer 3 gilt nur für Ausländer, die staats erhalten haben, keinen Aufenthaltstitel
eine Rechtsstellung in anderen Mitgliedstaaten nach § 38a erhalten dürften und somit von der
besitzen, die der in § 1 Absatz 2 Nummer 2 Mobilität ausgeschlossen wären. Denn als
entspricht. Zweitstaat i. S. d. Daueraufenthalt-Richtlinie ist
Deutschland an die Entscheidung des Erststaats
9a.3.1.1 Nach § 9a Absatz 3 Nummer 1 findet die Er- gebunden.
laubnis zum Daueraufenthalt-EG keine An-
wendung auf Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 9a.3.2 Ausländern, die lediglich einen Antrag auf
Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes, dem Flüchtlingsanerkennung oder Gewährung sub-
„Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humani- sidiären Schutzes gestellt haben, kann nach § 9a
tären oder politischen Gründen“. Hiermit wird Absatz 3 Nummer 2 die Erlaubnis zum Dauer-
Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c) und d) der aufenthalt-EG nicht erteilt werden (vgl. Arti-
Daueraufenthalt-Richtlinie umgesetzt, der eine kel 3 Absatz 2 Buchstabe b) bis d) Dauerauf-
Anwendung auf Flüchtlinge, subsidiär Ge- enthalt-Richtlinie).
schützte i. S. d. Richtlinie 2004/83/EG des Rates
9a.3.3 Diplomaten und andere Personen, die insbe-
über Mindestnormen für die Anerkennung und
sondere nach den Wiener Übereinkommen
den Status von Drittstaatsangehörigen oder
über diplomatische und konsularische Bezie-
Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen,
hungen (WÜK) eine besondere Rechtsstellung
die anderweitig internationalen Schutz be-
genießen, werden in Umsetzung von Artikel 3
nötigen, und über den Inhalt des zu ge-
Absatz 2 Buchstabe f) Daueraufenthalt-Richt-
währenden Schutzes (ABl. EG L 304 S. 12, ber.
linie vom Erwerb der Rechtsstellung eines
ABl. EG L 204 S. 24, so genannte Qualifika-
langfristig Aufenthaltsberechtigten ausge-
tionsrichtlinie) oder humanitäre Aufenthalte
schlossen. Der in § 1 Absatz 2 Nummer 2 ge-
nach nationalem Recht in den Mitgliedstaaten
regelte Grundsatz, wonach das Aufenthalts-
ausschließt. Der Begriff der subsidiären
gesetz auf diesen Personenkreis grundsätzlich
Schutzform in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c)
keine Anwendung findet, wird durch diese Re-
ist weitergehender als der in der Qualifika-
gelung hinsichtlich der Erlaubnis zum Dauer-
tionsrichtlinie verwandte Begriff, da er auch
aufenthalt-EG auf den Geltungsbereich der
nach nationalem Recht vorgegebene Schutz-
Richtlinie erweitert.
formen umfasst. Da die Qualifikationsrichtlinie
zeitlich nach der Daueraufenthalt-Richtlinie 9a.3.4.0 Mit Nummern 4 und 5 wird die Erteilung der
erlassen wurde und lediglich Mindestkriterien Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG an Perso-
für den subsidiären Schutz vorsieht, kann sie nen ausgeschlossen, die sich zum Studium, zur
nicht zu einer gegenteiligen Auslegung führen. Berufsausbildung oder zu einem anderen seiner
Da die Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Ab- Natur nach vorübergehenden Zweck im Bun-
schnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes mit Aus- desgebiet aufhalten. Die entsprechenden Grün-
nahme des Aufenthaltstitels nach § 23 Absatz 2 de werden beispielhaft aufgezählt.
an Flüchtlinge oder subsidiär Geschützte erteilt
werden, ist dieser Personenkreis vom Anwen- 9a.3.4.1 Buchstabe a) ist neben § 9a Absatz 3 Nummer 5
dungsbereich des § 9a Absatz 2 ausgenommen. Buchstabe b) erforderlich, weil nicht jeder
Die Erteilung einer Erlaubnis zum Dauerauf- Aufenthalt nach § 9a Absatz 3 Nummer 5
enthalt-EG ist (anstelle der Erteilung einer Buchstabe a) mit einer Befristung nach § 8 Ab-
Niederlassungserlaubnis nach § 9) wegen Weg- satz 2 einhergeht. Die Befristung nach § 8 Ab-
falls dieser ursprünglichen Zweckrichtung aber satz 2 wird in der Praxis nur auf den jeweils
möglich, wenn eine Niederlassungserlaubnis letzten Aufenthaltstitel angewendet, der zur
nach § 26 Absatz 3 bzw. Absatz 4 erteilt werden Ausübung einer von vornherein zeitlich be-
könnte und im Fall des § 26 Absatz 3 zudem die schränkten Beschäftigung ausgestellt wird. Be-
Voraussetzungen für die Erteilung einer Nie- trägt die Höchstbeschäftigungsdauer nach der
derlassungserlaubnis nach § 9 Absatz 2 vor- BeschV beispielsweise vier Jahre, ist es dennoch
liegen (vgl. Nummer 9.2.0). nicht unüblich, dass zunächst eine Aufenthalts-
erlaubnis für zwei Jahre ausgestellt wird, die
9a.3.1.2 Damit sind auch Ausländer mit einem Aufent- dann für weitere zwei Jahre verlängert werden
haltstitel nach der gesetzlichen Altfallregelung kann. Nur die letzte dieser Aufenthaltserlaub-
bzw. nach einer IMK-Bleiberechtsregelung nisse wird mit einer Einschränkung nach § 8
vom Anwendungsbereich der Erlaubnis zum Absatz 2 versehen, weil ansonsten bereits die
Daueraufenthalt-EG ausgeschlossen (vgl. erste Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert
§ 104a Absatz 1 Satz 2 und 3). werden könnte.
9a.3.1.3 Die Beschränkung gilt auch für nationale hu- 9a.3.4.2 Von besonderer Bedeutung ist die Regelung in
manitäre Aufenthaltstitel der anderen Mit- § 9a Absatz 3 Nummer 5 Buchstabe c). Hier-
gliedstaaten. Diese berechtigen nicht zum Er- nach kommt für den nachgezogenen Familien-
werb einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt- angehörigen die Erteilung der Rechtsstellung
EG. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diejenigen eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 951

in Betracht, wenn auch der Stammberechtigte 9b.1.1.2 § 9b Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b) regelt die
wegen der vorübergehenden Natur des Auf- Anrechnung für Auslandsaufenthalte aufgrund
enthaltsrechts hierzu nicht berechtigt wäre. nicht beruflicher Zwecke (vgl. Artikel 4 Ab-
Eine Ausnahme gilt, wenn bei einer Aufhebung satz 3, Unterabsatz 1 Daueraufenthalt-Richt-
der Lebensgemeinschaft ein eigenständiges linie). Jeder einzelne Auslandsaufenthalt darf
Aufenthaltsrecht entstehen würde. In diesem nicht länger als sechs Monate dauern. Zudem
Fall darf das Zusammenleben des Familienan- darf – anders als bei Auslandsaufenthalten aus
gehörigen mit dem Stammberechtigten – auch beruflichen Zwecken – die Gesamtdauer der
im Hinblick auf Artikel 6 GG – im Vergleich zu Auslandsaufenthalte für übrige Zwecke zehn
einer Trennung nicht zu Nachteilen führen. Monate nicht überschreiten.
9b.1.2.1 Durch § 9b Satz 1 Nummer 2 wird die für die
Niederlassungserlaubnis geltende Regelung in
9b Zu § 9b – Anrechnung von Aufenthaltszeiten § 9 Absatz 4 Nummer 1 sinngemäß auf die Er-
laubnis zum Daueraufenthalt-EG angewandt.
9b.0.1 § 9b ist eine Spezifizierung der in § 9a Absatz 2 Ehemaligen Inhabern einer Niederlassungser-
Satz 1 Nummer 1 enthaltenen Tatbestandsvor- laubnis, deren Aufenthaltstitel durch einen
aussetzung der notwendigen Voraufenthaltszeit Auslandsaufenthalt erloschen ist, wird mit der
von fünf Jahren mit Aufenthaltstitel. Hiermit Anrechnungsvorschrift der Wiedererwerb der
wird Artikel 4 Absatz 2 und 3 der Richtlinie Rechtsstellung unter erleichterten Voraus-
2003/109/EG des Rates vom 25. November setzungen ermöglicht. Dasselbe gilt für Aus-
2003 betreffend die Rechtsstellung der lang- länder, die zwar keine Niederlassungserlaubnis,
fristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsange- aber eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG
hörigen (ABl. EU 2004 Nummer L 16 S. 44, so besaßen.
genannte Daueraufenthalt-Richtlinie) umge-
setzt. § 85 ist wegen dieser Sonderregelung 9b.1.2.2 Die Anrechnung ist nach Artikel 4 Absatz 3,
nicht anwendbar. Unterabsatz 2 i. V. m. Absatz 1 Daueraufent-
halt-Richtlinie zulässig. Denn die Privilegie-
rung von ehemals niedergelassenen Ausländern
9b.0.2 Die Regelaussage wird in § 9b Satz 4 getroffen:
nach § 9 Absatz 4 stellt einen „spezifischen
Grundsätzlich unterbrechen Auslandsaufent-
Grund“ i. S. d. Artikels 4 Absatz 3, Unterab-
halte die Aufenthaltszeit, es sei denn, in § 9b
satz 2 der Richtlinie dar, da sie über eine enge
wird etwas anderes geregelt.
Beziehung zu Deutschland verfügen. Zudem
werden nur Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet
9b.1.1.1 Nach § 9b Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) wird bis zu maximal vier Jahren angerechnet. Zu-
der Auslandsaufenthalt von Ausländern, die gleich wird damit die zwingend ausgestaltete
sich im Rahmen einer vorübergehenden Ent- Vorgabe des Artikels 9 Absatz 5 Daueraufent-
sendung aus beruflichen Gründen im Ausland halt-Richtlinie umgesetzt, wonach nach einem
aufgehalten haben, als Zeit eines Inlandsauf- Verlust der Rechtsstellung eines dauerhaft Auf-
enthalts angerechnet (Artikel 4 Absatz 3, Un- enthaltsberechtigten, der nicht auf schuldhaftes
terabsatz 3 Daueraufenthalt-Richtlinie). Solche Verhalten zurückzuführen ist, ein vereinfachtes
beruflich bedingten Auslandsaufenthalte füh- Verfahren für die Wiedererlangung der Rechts-
ren vor allem höher qualifizierte Ausländer, wie stellung vorzusehen ist. Die Regelung ist derart
etwa Wissenschaftler, qualifizierte Dienstleister formuliert, dass Inhaber einer Niederlassungs-
oder Führungskräfte der Wirtschaft durch. erlaubnis, die vor der Umsetzung der Richtlinie
Voraussetzung für die Anrechnung nach dieser erloschen ist, mit erfasst werden, weil sie bereits
Vorschrift ist zum einen, dass berufliche und nach der Regelung des bisherigen § 9 Absatz 4
nicht private Gründe den Hauptanlass für den Nummer 1 eine vergleichbare Vergünstigung
Auslandsaufenthalt bildeten. Grundsätzlich im Hinblick auf die Niederlassungserlaubnis
darf die Dauer jedes Auslandsaufenthalts sechs beanspruchen konnten.
Monate nicht überschreiten, es sei denn, die
Ausländerbehörde hat eine verlängerte Wie- 9b.1.3 Nach § 9b Satz 1 Nummer 3 werden auch Zei-
dereinreisefrist nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 ten, in denen der Ausländer freizügigkeits-
bestimmt. Der Wortlaut macht deutlich, dass berechtigt war, angerechnet. Dies ist einerseits
auch mehrmalige, die vorgegebenen Fristen notwendig, da Artikel 4 Absatz 1 Daueraufent-
nicht überschreitende Auslandsaufenthalte aus halt-Richtlinie als Anspruchsgrundlage u. a. auf
beruflichen Gründen als Zeiten eines Inlands- den rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet
aufenthalts angerechnet werden können. Mit eines Mitgliedstaates abstellt. Dies ist aufgrund
der Bezugnahme auf die Entscheidung der des Zwecks der Daueraufenthalt-Richtlinie an-
Ausländerbehörde nach § 51 Absatz 1 Num- dererseits auch geboten, da diese die Rechts-
mer 7 wird klargestellt, dass Auslandsaufent- stellung der Daueraufenthaltsberechtigten an
halte, die nach dieser Vorschrift zum Erlöschen die der Freizügigkeitsberechtigten angleicht.
des Aufenthaltstitels führen würden, zumindest Eine Schlechterstellung der Freizügigkeits-
nach § 9b Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) nicht berechtigten ist nicht beabsichtigt. Daher er-
(auch nicht bis zu sechs Monaten) anrech- füllen nicht nur Inhaber eines Aufenthaltstitels,
nungsfähig sind. § 9b Satz 1 Nummer 2 bleibt sondern auch Drittstaatsangehörige, die sich
hiervon unberührt. vor Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem
Seite 952 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Aufenthaltsgesetz als Freizügigkeitsberechtigte dienstes im Heimatstaat (§ 51 Absatz 3) nicht


im Bundesgebiet aufgehalten haben, diese Vor- zu einem neuen Lauf der Frist nach § 9a Ab-
aussetzung. satz 2 Satz 1 Nummer 1 (vgl. Nummer 51.3).

9b.1.4 Mit § 9b Satz 1 Nummer 4 wird die Anrech- 9b.4 In § 9b Satz 4 wird in Übereinstimmung mit
nung von Studienzeiten und Zeiten der Berufs- den zwingenden Vorgaben der Daueraufent-
ausbildung nach Artikel 4 Absatz 2, Unterab- halt-Richtlinie klargestellt, dass in allen ver-
satz 2 Daueraufenthalt-Richtlinie umgesetzt. Es bleibenden – also den nicht in den in § 9b Satz 1
wird dabei lediglich festgelegt, in welchem bis 3 geregelten – Fällen eine Ausreise dazu
Umfang die Dauer des Studiums und der Be- führt, dass der Aufenthalt unterbrochen ist. Die
rufsausbildung auf die erforderlichen Zeiten Zeiten vorheriger Aufenthalte können daher
nach § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ange- nicht mehr angerechnet werden.
rechnet werden können. Nicht geregelt ist
hingegen die Frage, ob Zeiten vor einem Aus-
landsaufenthalt, der zum Erlöschen der Auf- 9c Zu § 9c – Lebensunterhalt
enthaltserlaubnis geführt hat, nach Wiederein-
reise zur Berechnung der erforderlichen Zeiten 9c.0.1 § 9c enthält Spezifizierungen zu dem in § 9a
angerechnet werden können. Grundsätzlich Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 enthaltenen Tat-
sind diese vollständig neu zu erbringen, wenn bestandsmerkmal „feste und regelmäßige Ein-
eine Aufenthaltserlaubnis einmal erloschen ist. künfte“ im Rahmen der Lebensunterhalts-
Die einzige Regelung, die dazu führt, dass frü- sicherung. § 2 Absatz 3 findet daher auch in
her erbrachte Zeiten angerechnet werden, ist in Bezug auf § 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2
Nummer 2 enthalten. § 9b Satz 1 Nummer 4 i. V. m. § 9c Anwendung.
gilt auch für Zeiten, die vor dem 1. Januar 2005 9c.0.2 Die in § 9c Satz 1 enthaltenen Voraussetzungen
liegen (z. B. Aufenthaltsbewilligung zum sind als Regeltatbestände ausgestaltet. Sind die-
Zweck des Studiums nach § 28 AuslG). se Regeltatbestände nicht erfüllt, ist grundsätz-
lich davon auszugehen, dass der Lebensunter-
9b.1.4.1 Zu Aufenthalten zum Zweck des Studiums ge-
halt nicht hinreichend gesichert ist.
hören neben den Aufenthalten nach § 16 Ab-
satz 1 sowohl Aufenthalte zum Zweck der Stu- 9c.1.1 Nach § 9c Satz 1 Nummer 1 soll auch die Er-
dienbewerbung nach § 16 Absatz 1a als auch füllung der steuerlichen Verpflichtungen über-
Aufenthalte zur Suche eines angemessenen Ar- prüft werden, was regelmäßig anhand einer Be-
beitsplatzes nach erfolgreichem Abschluss des scheinigung des zuständigen Wohnsitzfinanz-
Studiums nach § 16 Absatz 4. Auf den er- amtes nachzuweisen ist (so genannte „Auskunft
folgreichen Abschluss des Studiums kommt es in Steuersachen“). Steuerliche Unregelmäßig-
dabei nicht an. keiten stellen erfahrungsgemäß ein frühes Indiz
für eine mangelnde finanzielle Leistungsfähig-
9b.2 Durch § 9b Satz 2 wird das Anrechnungsverbot
keit dar, so dass das Merkmal der Erfüllung der
des Artikels 4 Absatz 2, Unterabsatz 1 Dauer-
steuerrechtlichen Verpflichtungen für die Prü-
aufenthalt-Richtlinie umgesetzt, wonach Di-
fung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit des
plomaten und andere Personen, die insbe-
Ausländers besonders geeignet ist.
sondere nach den Wiener Übereinkommen
über diplomatische und konsularische Bezie- 9c.1.2 Der Ausländer muss eine angemessene Alters-
hungen (WÜK) eine besondere Rechtsstellung versorgung nach § 9c Satz 1 Nummer 2 nach-
genießen, nicht in den Anwendungsbereich der weisen. Die Prüfung der angemessenen Alters-
Daueraufenthalt-Richtlinie fallen. versorgung ist prognostischer Natur; nicht not-
wendig ist, dass der Ausländer zum Zeitpunkt
9b.3 Mit § 9b Satz 3 wird von der Möglichkeit nach der Antragstellung, sondern im Zeitpunkt des
Artikel 4 Absatz 3, Unterabsatz 2 der Richt- Ausscheidens aus dem Erwerbsleben über eine
linie Gebrauch gemacht, Unterbrechungen aus angemessene Altersversorgung verfügt. Insoweit
„spezifischen Gründen“ oder aufgrund „zeit- sind auch in der Vergangenheit wegen einer kör-
lich begrenzter Ausnahmesituationen“ für un- perlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung
schädlich für den Erwerb der Rechtsstellung oder Behinderung nicht geleistete Beiträge oder
eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu er- Aufwendungen für eine angemessene Altersver-
klären. Die spezifischen Gründe liegen bei Er- sorgung nach dem letzten Halbsatz unschädlich.
füllung der Tatbestandsmerkmale des § 51 Ab- Bei der Prüfung der angemessenen Altersver-
satz 2 bis 4 vor. Unterbrechungen des Auf- sorgung können neben erworbenen Anwart-
enthaltes, die nach diesen Vorschriften im schaften inländischer Träger auch Anwart-
jeweiligen Einzelfall nicht zum Erlöschen eines schaften ausländischer Träger berücksichtigt
Aufenthaltstitels geführt haben, aber auch nicht werden, sofern nur so eine angemessene Alters-
nach § 9b Satz 1 anrechenbar sind, unter- vorsorge sichergestellt werden kann. Der in § 9c
brechen den Zeitraum nach § 9a Absatz 2 Satz 1 Satz 3 enthaltene Verweis auf § 9 Absatz 2 Satz 1
Nummer 1 nicht. Die davor liegenden Zeit- Nummer 3 beinhaltet keine Regelanforderung,
räume eines Aufenthalts mit einem Aufent- sondern ist als Obergrenze zu verstehen.
haltstitel werden zur Anspruchsentstehung be-
rücksichtigt. Beispielsweise führt damit eine 9c.1.3 In § 9c Satz 1 Nummer 3 werden im Hinblick
Ausreise zur Ableistung des Pflichtwehr- auf das unbefristete Aufenthaltsrecht die An-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 953

forderungen an eine ausreichende Kranken- das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
und auch Pflegeversicherung konkretisiert (vgl. in der Sache über das Asylbegehren entscheidet
Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b) der Dauerauf- (Asylverfahren im engeren Sinne), handelt es
enthalt-Richtlinie) (vgl. zu den allgemeinen sich bei dem hierdurch ausgelösten Verfahren
Anforderungen an einen ausreichenden Kran- um ein Asylverfahren im weiteren Sinne, auf
kenversicherungsschutz Nummer 2.3.5). Qua- das § 10 Absatz 1 nach Sinn und Zweck An-
litativ muss der Krankenversicherungsschutz wendung findet. Gleiches gilt für einen Zweit-
im Wesentlichen der deutschen gesetzlichen antrag nach § 71a AsylVfG.
Krankenversicherung (bzw. Pflegeversiche-
10.1.3 Ein Aufenthaltstitel, auf den ein gesetzlicher
rung) entsprechen, wobei Abweichungen hin-
Anspruch besteht, ist zu erteilen, auch wenn das
sichtlich einzelner Leistungsdetails unschädlich
Asylverfahren noch nicht bestandskräftig ab-
sind. Der Versicherungsschutz muss unbefristet
geschlossen ist.
sein oder sich automatisch verlängern. Dies
dient dem Ausschluss der missbräuchlichen 10.1.4 Die Voraussetzung, dass wichtige Interessen der
Nutzung neuerer Versicherungsprodukte, die Bundesrepublik Deutschland den Aufenthalt
gezielt an jüngere Zuwanderer mit der Erwar- des Ausländers erfordern, wird nur in seltenen
tung eines Daueraufenthaltsrechts zu niedrigen Ausnahmefällen zu bejahen sein. Der maß-
Preisen veräußert werden und eine Kranken- gebliche Grund muss regelmäßig in der Person
versicherung vorsehen, deren Schutz nach zehn des Ausländers liegen. Ein solcher Ausnahme-
oder fünfzehn Jahren automatisch endet, so fall kommt etwa in Betracht, wenn es sich um
dass die Versicherten zu einer Zeit, in der das einen Wissenschaftler von internationalem
Risiko ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit Rang oder eine international geachtete Persön-
größer wird, keinen Versicherungsschutz mehr lichkeit handelt. Auch erhebliche außenpoliti-
genießen. sche Interessen können im Einzelfall eine Auf-
enthaltsgewährung erfordern. Der Umstand,
9c.1.4 Das in § 9c Satz 1 Nummer 4 genannte Merk-
dass Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
mal stellt die Voraussetzung für feste und re-
land lediglich weder beeinträchtigt noch ge-
gelmäßige Einkünfte aus einer erlaubten Er-
fährdet sind (vgl. § 5 Absatz 1 Nummer 3), ge-
werbstätigkeit dar und konkretisiert damit die
nügt den Anforderungen nicht.
zwingende Voraussetzung des Artikels 5 Ab-
satz 1 Buchstabe a) der Daueraufenthalt-Richt- 10.1.5 Die Ausländerbehörde entscheidet in eigener
linie. Zuständigkeit, ob ein Ausnahmefall vorliegt.
Die Einholung einer Weisung der obersten
9c.2 § 9c Satz 2 entspricht dem Inhalt des § 9 Ab-
Landesbehörde auf dem Dienstweg ist nur er-
satz 3 Satz 1. Beiträge zur Altersversorgung
forderlich, sofern sie das Vorliegen eines Aus-
betreffend ist der Inhalt des § 9 Absatz 3 Satz 1
nahmefalls bejaht und dies begründet wird. § 10
in der Formulierung des neuen § 9c Satz 1
Absatz 1 findet auch Anwendung bei der Ver-
Nummer 2 entsprechend berücksichtigt.
längerung eines unter Beachtung dieser Vor-
9c.3 In § 9c Satz 3 wird festgelegt, dass die An- schrift erteilten Aufenthaltstitels. Soweit die
forderungen, die nach Satz 1 Nummer 2 an die Gründe weiterhin fortbestehen, auf denen
Altersversorgung gestellt werden, i. S. d. Fest- das wichtige Interesse der Bundesrepublik
legung einer absoluten Obergrenze nicht höher Deutschland für eine Aufenthaltsgewährung
sein dürfen als diejenigen nach § 9 Absatz 2 beruht, bedarf es keines erläuternden Berichts
Satz 1 Nummer 3 für die Niederlassungser- an die oberste Landesbehörde. Eine Berichts-
laubnis. pflicht besteht, wenn der Aufenthalt des Aus-
länders nach erteiltem Aufenthaltstitel beendet
werden soll.
10 Zu § 10 – Aufenthaltstitel bei Asylantrag
10.2 Verlängerung eines Aufenthaltstitels
10.1 Erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels
10.2.1 § 10 Absatz 2 ist auch anzuwenden, wenn der
10.1.1 § 10 Absatz 1 findet nur Anwendung, solange Ausländer im Anschluss an die Aufenthaltser-
das Asylverfahren noch nicht bestandskräftig laubnis eine Niederlassungserlaubnis oder Er-
abgeschlossen ist. Die asylrechtliche Entschei- laubnis zum Daueraufenthalt-EG beantragt.
dung darf daher nicht bestandskräftig oder
rechtskräftig geworden sein. Im Falle der 10.2.2 In allen anderen Fällen, in denen der Ausländer
Rücknahme des Asylantrags oder des Verzichts nicht die Verlängerung des vor dem Asylantrag
gemäß § 14a Absatz 3 AsylVfG, ohne dass eine erteilten Aufenthaltstitels, sondern die Ertei-
Entscheidung in der Sache über das Asylbe- lung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen
gehren erging, muss die Feststellung des Bun- Aufenthaltszweck beantragt, findet nicht § 10
desamts für Migration und Flüchtlinge gemäß Absatz 2, sondern § 10 Absatz 1 Anwendung.
§ 32 AsylVfG bestandskräftig geworden sein. Dies gilt auch in den Fällen des § 8 Absatz 2. Da
§ 10 Absatz 2 zudem nur auf nach der Einreise
10.1.2 Auch ein Folgeantrag stellt einen Asylantrag von der Ausländerbehörde erteilte Aufent-
i. S. d. § 10 Absatz 1 dar (vgl. § 13 Absatz 1 und haltstitel Anwendung findet, werden von der
§ 71 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG). Auch wenn ein Vorschrift Fälle nicht erfasst, in denen der Aus-
Folgeantrag nicht zwingend dazu führt, dass länder mit einem nationalen oder einem Schen-
Seite 954 GMBl 2009 Nr. 42– 61

gen-Visum eingereist ist und noch kein Auf- fensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Die
enthaltstitel im Inland erteilt wurde. Auch in letztgenannten Fälle sind von § 10 Absatz 3
diesen Fällen findet allein § 10 Absatz 1 An- Satz 1 erfasst.
wendung.
10.3.3.1 Die vorgenannten Einschränkungen der Sätze 1
10.2.3 Beantragt ein Ausländer nach der Stellung eines und 2 gelten nicht, wenn der Ausländer aus an-
Asylantrags einen Aufenthaltstitel, ist § 55 Ab- deren Gründen einen Anspruch auf die Er-
satz 2 AsylVfG zu beachten. Wird der Antrag teilung eines Aufenthaltstitels hat (z. B. bei
auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt einem deutschverheirateten Ausländer nach
und liegt bereits eine nach den Vorschriften des § 28 Absatz 1). Im Falle einer Ermessens-
AsylVfG vollziehbare Abschiebungsandro- reduzierung auf Null besteht kein Anspruch
hung vor, richtet sich das weitere Verfahren i. S. d. Vorschrift.
nach § 43 AsylVfG.
10.3.3.2 § 10 Absatz 3 Satz 2 findet keine Anwendung
auf den Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 3
10.3 Aufenthaltstitel bei Ablehnung oder Rück- Satz 1. Auch wenn der Asylantrag nach § 30
nahme des Asylantrages Absatz 3 AsylVfG durch das Bundesamt für
10.3.0 § 10 Absatz 3 bezweckt, dass erfolglose Asyl- Migration und Flüchtlinge abgelehnt worden
bewerber nur eingeschränkt die Möglichkeit ist, findet § 25 Absatz 3 Satz 1 Anwendung,
haben, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. § 10 wenn das Bundesamt für Migration und
Absatz 3 findet erst Anwendung, wenn das Flüchtlinge Abschiebungsverbote nach § 60
Asylverfahren unanfechtbar abgeschlossen ist. Absatz 2, 3, 5 oder 7 festgestellt hat. Damit wird
Im Falle der Rücknahme des Asylantrags, ohne die uneingeschränkte Geltung des subsidiären
dass eine Entscheidung in der Sache über das Schutzes klargestellt.
Asylbegehren erging, muss die Feststellung des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
gemäß § 32, § 32a Absatz 2 oder § 33 Absatz 1 11 Zu § 11 – Einreise- und Aufenthaltsverbot
und 2 AsylVfG unanfechtbar geworden sein.
11.1 Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Aus-
Dies gilt nicht für den Fall des Verzichts gemäß
weisung, Zurückschiebung oder Abschie-
§ 14a Absatz 3 AsylVfG.
bung
10.3.1 Die Möglichkeit einer Erteilung beschränkt
11.1.0 Die Ausweisung, Zurückschiebung oder Ab-
sich nach § 10 Absatz 3 Satz 1 auf Aufenthalts-
schiebung haben zur Folge, dass der Ausländer
titel aus völkerrechtlichen, humanitären oder
nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und
politischen Gründen, beispielsweise im Rah-
sich darin aufhalten darf (gesetzliche Sperr-
men einer Bleiberechtsregelung nach § 23 Ab-
wirkung). Sie führen i. d. R. zu einer Aus-
satz 1 oder bei positiver Entscheidung der
schreibung zur Einreiseverweigerung im SIS
Härtefallkommission der Landesregierung
(Artikel 96 Absatz 3 SDÜ) und bewirken damit
bzw. des Senats (vgl. Hinweise zu §§ 22, 23, 23a,
auch eine Einreisesperre für das gesamte Gebiet
24, 25). Von der Sperrwirkung des § 10 Absatz 3
der Schengen-Staaten.
Satz 1 ebenfalls ausgenommen sind die Aufent-
haltserlaubnisse nach § 104a Absatz 1 Satz 1 Für gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitbe-
i. V. m. Satz 3 und § 104a Absatz 1 Satz 2 i. V. m. rechigte Unionsbürger und EWR-Bürger sowie
§ 23 Absatz 1 Satz 1. deren Familienangehörige i. S. d. §§ 2, 3, 4, 4a
und 12 FreizügG/EU gilt § 11 Absatz 1 auch
10.3.2 Dem Ausländer darf vor der Ausreise kein nach Verlust des Freizügigkeitsrechts nicht. In-
Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn das Bun- soweit geht die spezielle Regelung in § 7 Ab-
desamt für Migration und Flüchtlinge den satz 2 FreizügG/EU vor (vgl. § 11 Absatz 1
Asylantrag zuvor gemäß § 30 Absatz 3 Satz 1 FreizügG/EU). Daher ist für Unions-
AsylVfG als offensichtlich unbegründet abge- bürger, die vor dem Inkrafttreten des FreizügG/
lehnt hat. Das Bundesamt für Migration und EU abgeschoben worden sind, die Wirkung der
Flüchtlinge muss die offensichtliche Unbe- Abschiebung mit Inkrafttreten des FreizügG/
gründetheit des Asylantrages hierbei auf die in EU entfallen. Eine vor dem 1. Januar 2005 er-
§ 30 Absatz 3 AsylVfG genannten qualifi- lassene Ausweisung entfaltet aber so lange
zierten Gründe gestützt haben (z. B. Täuschung Sperrwirkung, bis über den Antrag auf Befris-
über verfahrensrelevante Tatsachen, Verletzung tung positiv entschieden wurde. Zur Aus-
von Mitwirkungspflichten, vollziehbare Aus- schreibung zur Einreiseverweigerung vgl.
weisung nach §§ 53, 54, Asylantrag nach § 14a Nummer 7.2.1 FreizügG/EU-VwV.
AsylVfG, wenn zuvor Eltern unanfechtbar ab-
gelehnt worden sind). Die Vorschrift findet Auf Staatsangehörige der Schweiz ist § 7 Ab-
keine Anwendung, wenn das Bundesamt für satz 2 FreizügG/EU entsprechend anzu-
Migration und Flüchtlinge den Asylantrag we- wenden. Das Europäische Niederlassungsab-
gen fehlender Flüchtlingseigenschaft (§ 30 Ab- kommen (hier nur im Verhältnis zur Türkei
satz 1 AsylVfG), bei Flucht aus wirtschaft- bedeutsam, die übrigen Vertragsstaaten sind
lichen Gründen (§ 30 Absatz 2 AsylVfG) oder EU- oder EWR-Staaten) regelt zwar in Arti-
bei Vorliegen der Ausschlussgründe nach § 3 kel 3 die Voraussetzungen für die Ausweisung,
Absatz 2 AsylVfG oder § 60 Absatz 8 als of- nicht jedoch die Wirkung der Ausweisung und
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 955

die Möglichkeit ihrer nachträglichen Befristung Betracht kommenden Umstände offensichtlich


und hat daher keinen Einfluss auf die Anwend- ist – oder wenn durch die Anordnung gegen das
barkeit von § 11 Absatz 1. sich aus Artikel 3 Absatz 1 GG ergebende
Willkürverbot verstoßen wurde. Ein derartiger
11.1.1 Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschie-
Verstoß ist nur in den Fällen anzunehmen, in
bung haben zur Folge, dass die Einreise ver-
denen die Anordnung unter Berücksichtigung
boten ist (§ 14 Absatz 1 Nummer 3), dem Aus-
der das Grundgesetz beherrschenden Ge-
länder auch bei Vorliegen der Voraussetzungen
danken unter keinem denkbaren Aspekt recht-
eines Anspruchs kein Aufenthaltstitel erteilt
lich vertretbar ist und sich daher der Schluss
werden darf und etwaige Befreiungen vom Er-
aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwä-
fordernis des Aufenthaltstitels bei der Einreise
gungen beruht.
entfallen. Dieser absolute Versagungsgrund ist
jedoch im Anwendungsbereich von § 25 Ab- 11.1.2.3 Im Falle der Ausweisung nach erteiltem Auf-
satz 4a, 5 sowie § 25 Absatz 1 und 2 durch- enthaltstitel findet § 51 Absatz 1 Nummer 5
brochen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Anwendung. Da mit der Ausweisung der Auf-
die Anwendung von § 25 Absatz 1 Satz 1 und enthalt unrechtmäßig wird, kann eine Er-
Absatz 2 Satz 1 wiederum durch § 25 Absatz 1 laubnisfiktion nach § 81 nicht eintreten.
Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 in den Fällen einer
11.1.2.4 Ist im Falle einer Ausweisung die Sperrwirkung
Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen
bereits im Rahmen der Verfügung der Aus-
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus-
weisung befristet worden und wird der Aus-
geschlossen wird. Durch die Erteilung einer
länder anschließend zurückgeschoben oder ab-
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 wird
geschoben, entsteht eine neue unbefristete
jedenfalls die Sperrwirkung für Aufenthaltstitel
Sperrwirkung. Ebenso entsteht eine neue unbe-
nach Kapitel 2 Abschnitt 5 aufgehoben. Zur
fristete Sperrwirkung, wenn der Ausländer un-
Frage der Anwendbarkeit von § 11 Absatz 1
erlaubt wieder eingereist und daraufhin erneut
Satz 2 in Bezug auf die Erteilung einer Aufent-
ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgescho-
haltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 siehe Num-
ben worden ist.
mer 25.3.2. Auf Nummer 23a.1.1.3 wird hinge-
wiesen. 11.1.3 Die von der Ausweisung, Zurückschiebung
oder Abschiebung ausgehenden Wirkungen
11.1.2 Hinsichtlich des Entstehens der Sperrwirkung
werden auf Antrag i. d. R. befristet. Eine Not-
ist zu differenzieren:
wendigkeit, bereits mit Erlass einer Aus-
11.1.2.1 Die Sperrwirkung des § 11 Absatz 1 tritt bei weisung deren Wirkungen zu befristen, ergibt
einer Zurückschiebung oder Abschiebung nur sich weder aus Gemeinschafts- noch aus Kon-
nach deren tatsächlichem Vollzug ein. ventionsrecht.
11.1.2.2 Bei der Ausweisung tritt die Sperrwirkung un- 11.1.3.1 Grundsätzlich ausgeschlossen ist die Befris-
abhängig davon ein, ob diese sofort vollziehbar tung, wenn ein Ausländer aus den in Satz 5 ge-
oder bestandskräftig ist. Das folgt aus der Re- nannten schwerwiegenden Gründen oder auf-
gelung des § 84 Absatz 2, aufgrund derer nur grund einer Abschiebungsanordnung nach
die Vollziehbarkeit der Ausweisung gehemmt § 58a abgeschoben wurde. Nur wenn wichtige,
ist, nicht aber die sonstigen Wirkungen der insbesondere politische Gründe vorliegen, kann
Ausweisung, zu denen auch die Sperrwirkung nach Satz 6 die oberste Landesbehörde in die-
nach § 11 Absatz 1 gehört. Danach hat die Be- sen Fällen die Befristung ausnahmsweise zulas-
hörde selbst dann die Erteilung eines Aufent- sen.
haltstitels zu versagen, wenn das Verwaltungs-
11.1.3.2 Die Zuständigkeit für die Befristungsent-
gericht nur die Vollziehbarkeit einer Auswei-
scheidung ergibt sich grundsätzlich aus § 71,
sung im Verfahren auf Gewährung vorläufigen
ggf. i. V. m. Landesrecht.
Rechtsschutzes gemäß § 80 Absatz 5 VwGO
ausgesetzt hat. Das hat im Fall einer Aus- 11.1.3.2.1 Für die Entscheidung über die Befristung ist
weisungsverfügung, mit der zugleich ein Antrag grundsätzlich diejenige Behörde zuständig, die
auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt die Maßnahme getroffen hat, die zur Wieder-
wurde, zur Folge, dass die durch die Versagung einreisesperre führte. Soweit ein Ausländer sei-
des Aufenthaltstitels begründete vollziehbare nen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen
Ausreisepflicht (vgl. § 84 Absatz 1, § 58 Ab- Ort genommen hat, dort das Befristungsver-
satz 2 Satz 2) unabhängig davon eintritt, ob der fahren betreibt und sich nach Landesrecht
gegen die Ausweisungsverfügung gerichtete hieraus die örtliche Zuständigkeit der Aus-
Rechtsbehelf (Widerspruch/Klage) aufschie- länderbehörde am Zuzugsort ergibt, ist – in
bende Wirkung hat. sinngemäßer Anwendung von § 72 Absatz 3 –
Einvernehmen mit der Ursprungsbehörde her-
Die bestandskräftige Ausweisung begründet
zustellen.
das Einreise- und Aufenthaltsverbot selbst
dann, wenn sie rechtswidrig ist. Etwas anderes 11.1.3.2.2 Haben Maßnahmen der Bundespolizei die
gilt nur dann, wenn die Ausweisung etwa ge- Sperrwirkung ausgelöst, erfolgt die Entschei-
mäß § 44 VwVfG nichtig ist – also wenn sie an dung über die Befristung ebenfalls durch die
einem besonders schwerwiegenden Fehler lei- Bundespolizei (vgl. Nummer 71.3.1.2.3). Über
det und dies bei verständiger Würdigung aller in die Befristungen wird im Bereich der Bundes-
Seite 956 GMBl 2009 Nr. 42– 61

polizei – vorbehaltlich der Möglichkeit vorge- fall besondere Umstände vorliegen, die es
setzter Behörden, Entscheidungen an sich zu rechtfertigen, die Sperrwirkung unbefristet be-
ziehen – auf der Ebene der Bundespolizei- stehen zu lassen. Die zuständige Behörde hat
direktionen entschieden. Vor der Entscheidung bei der Prüfung der Frage, ob ein Regelfall
werden die Bundespolizeidirektionen über- i. S. d. § 11 Absatz 1 vorliegt, keinen Er-
prüfen, ob für den betroffenen Ausländer eine messensspielraum. Vielmehr unterliegt die Be-
Ausländerbehörde zuständig war oder ist. Soll- fristungsentscheidung der vollen gerichtlichen
te dies der Fall sein, wird die Entscheidung über Nachprüfung.
die Befristung nur nach Einsichtnahme in die
Ausländerakte getroffen. Der aktenführenden 11.1.4.1 Entscheidend ist, ob der mit der Ausweisung,
Ausländerbehörde ist dabei die Möglichkeit Zurückschiebung oder Abschiebung verfolgte
einer Stellungnahme einzuräumen. Im Zweifel Zweck aufgrund besonderer Umstände nicht
muss die Bundespolizeidirektion mit der Aus- durch die zeitlich befristete Fernhaltung des
länderbehörde eine einvernehmliche Entschei- Ausländers vom Bundesgebiet bzw. vom
dung treffen. Umgekehrt übermitteln die Bun- Schengen-Gebiet erreicht werden kann. Dies
despolizeidirektionen den Ausländerbehörden bestimmt sich wesentlich nach dem Gewicht
auf Anforderung Informationen über Zurück- des Ausweisungsgrundes und den mit der Aus-
schiebungen und deren Gründe. weisung verfolgten spezial- und/oder general-
präventiven Zwecken. Von einem Regelfall
11.1.3.3 Der Ausländer soll auf die Möglichkeit der kann dann nicht ausgegangen werden, wenn der
Antragstellung hingewiesen werden (§ 82 Ab- Ausländer in so hohem Maß eine Gefährdung
satz 3 Satz 1). Nach dem Rechtsgedanken des der öffentlichen Interessen darstellt (Wieder-
§ 25 VwVfG soll dies vor allem dann erfolgen, holungsgefahr), dass eine fortdauernde Fern-
wenn der Antrag offensichtlich nur verse- haltung geboten ist. Bei einer generalpräventiv
hentlich oder in Unkenntnis unterblieben ist. motivierten Ausweisung ist insbesondere dar-
Der Ausländer kann den Antrag bereits bei sei- auf abzustellen, ob die Abschreckungswirkung
ner Anhörung über die Ausweisung stellen. Im noch nicht verbraucht ist. Bei Betäubungs-
Falle der Befristung soll der Ausländer darauf mitteldelikten und Bezügen zum Terrorismus
hingewiesen werden, dass die von der Aus- und Extremismus ist beispielsweise ein be-
weisung, Zurückschiebung oder Abschiebung sonders strenger Maßstab anzulegen.
ausgehenden Sperrwirkungen erneut unbe-
11.1.4.2 Die Befristungsmöglichkeit ist ein geeignetes
fristet entstehen, wenn er nach der Ausweisung
Mittel, die einschneidenden Folgen einer Aus-
zurück- oder abgeschoben oder erneut aus-
weisung, Zurück- oder Abschiebung für die
gewiesen, zurück- oder abgeschoben wird und
persönliche Lebensführung des Ausländers
dass die Frist für den Wegfall der Sperrwirkung
einzuschränken und bei generalpräventiven
erst mit der Ausreise beginnt (§ 11 Absatz 1
Überlegungen zu verhindern, dass sich die aus-
Satz 4). Der Ausländer soll spätestens bei der
länderrechtlichen Maßnahmen im Verhältnis
Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschie-
zur beabsichtigten Abschreckung anderer Aus-
bung von der Ausländerbehörde über die Fol-
länder als unverhältnismäßig erweisen. Dabei
gen eines Verstoßes auch im Hinblick auf das
sind nach der Ausweisung eintretende Um-
Schengen-Gebiet aktenkundig belehrt werden.
stände, die für oder gegen das Fortbestehen der
11.1.3.4 Vor oder nach der Ausreise kann der Befri- Sperrwirkung sprechen, insbesondere die Fort-
stungsantrag gestellt und darüber entschieden geltung der Beweggründe der Maßnahme und
werden. Die Entscheidung über die Befristung die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse
kann zurückgestellt werden, bis die Ausreise- des Ausländers (vgl. § 55 Absatz 3), abzuwägen
frist abgelaufen ist oder ein Nachweis über die und zu berücksichtigen. Nach der Recht-
freiwillige Ausreise vorliegt. Der Ausländer ist sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur
in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass bei der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im
Entscheidung über die Befristung auch berück- Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
sichtigt wird, ob er der Ausreisepflicht zur oder Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl.
Vermeidung der von der Abschiebung aus- Nummer Vor 53.3.1.2) werden bei nachträgli-
gehenden Sperrwirkung freiwillig nachgekom- chen Befristungen vor allem Veränderungen
men ist. eine Rolle spielen, die nach Unanfechtbarkeit
der Ausweisung eintreten. Insbesondere ist die
11.1.3.5 Bei einem Antrag auf Erteilung eines Aufent- aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung von Arti-
haltstitels nach einer Ausweisung, Zurück- kel 6 Absatz 1 und 2 GG und Artikel 8 EMRK
schiebung oder Abschiebung ist zu prüfen, ob in die Abwägungsentscheidung einzustellen.
dieser Antrag als Antrag auf Befristung der in Artikel 6 GG gebietet jedoch auch bei Aus-
§ 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Wirkun- ländern mit deutschem Ehegatten nicht generell
gen ausgelegt werden kann. Im Zweifelsfall ist eine Befristung der Maßnahme, sondern ledig-
der Ausländer auf die Rechtslage hinzuweisen. lich eine Abwägung nach Maßgabe des Grund-
satzes der Verhältnismäßigkeit.
11.1.4. Die Wirkung der Ausweisung, Zurückschie-
bung oder Abschiebung wird auf Antrag i. d. R. 11.1.4.3 Eine Ausweisung nach § 53 oder § 54 ist Indiz
befristet, d. h. von der Regelbefristung darf nur für das Vorliegen eines Ausnahmefalls; es ist je-
abgesehen werden, wenn im konkreten Einzel- doch dessen ungeachtet eine Beurteilung nach
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 957

den in Nummer 11.1.4.1 f. genannten Um- gebiet erreicht ist. Die Behörde hat dazu auch
ständen des Einzelfalls vorzunehmen. Im Falle das Verhalten des Betroffenen nach der Aus-
einer Ausweisung nach § 54 Nummer 5 und 5a weisung zu würdigen und im Wege einer Pro-
ist der im Einzelfall vom Ausländer aus- gnose auf der Grundlage einer aktualisierten
gehenden Gefahr für die innere Sicherheit Tatsachenbasis die (Höchst-)Frist nach dem
maßgeblich Rechnung zu tragen. Bei einer Er- mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu
messensausweisung nach § 55 werden nur eine bemessen. Dabei ist grundsätzlich auf den der
Vielzahl und mit besonderer Hartnäckigkeit Ausweisung zugrunde liegenden Tatbestand
begangene Verstöße für eine Ausnahme von abzustellen, dessen Gewicht der Gesetzgeber
§ 11 Absatz 1 Satz 3 sprechen. Der Annahme bereits durch die Abstufung in Ermessens-,
eines Regelfalls steht grundsätzlich nicht ent- Regel- und Ist-Ausweisung berücksichtigt hat.
gegen, dass der Ausländer unerlaubt eingereist Im Interesse einer einheitlichen Ermessensaus-
ist oder gegenüber der deutschen Auslands- übung soll die Frist im Regelfall – vorbehaltlich
vertretung im Visumverfahren oder gegenüber einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls –
der Ausländerbehörde zum Zwecke der Täu- wie folgt festgesetzt werden:
schung unrichtige oder unvollständige Angaben
– drei Jahre bei Ausweisungen nach § 55,
gemacht oder diese verweigert hat, wenn er
diese Angaben zu einem späteren Zeitpunkt – sieben Jahre bei Ausweisungen nach § 54
macht oder korrigiert. Der Umstand muss je- und
doch durch eine längere Fristbemessung be- – zehn Jahre bei Ausweisungen nach § 53.
rücksichtigt werden.
Die einmal gesetzte Frist kann nachträglich
11.1.4.4 Die Befristung soll davon abhängig gemacht aufgrund Änderung der für die ursprüngliche
werden, dass die Zurückschiebungs- oder Ab- Bemessung erheblichen Umstände verlängert
schiebungskosten und sonstige während seines oder verkürzt werden.
Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutsch-
land für den Ausländer aufgewandten öffentli- 11.1.4.6.2 Ist aufgrund besonderen Ausweisungsschutzes
chen Mittel erstattet werden, zu deren Erstat- nach § 56 eine Ausweisung gemäß § 56 Ab-
tung der Ausländer verpflichtet ist (vgl. §§ 66 satz 1 Satz 4 und 5 oder § 56 Absatz 2 zu einer
bis 68). Die Bearbeitung des Antrags auf Be- Regel- oder Ermessensausweisung herabgestuft
fristung kann von der vorherigen Zahlung der worden, bleibt dies bei der Bemessung der Frist
Bearbeitungsgebühr abhängig gemacht werden unberücksichtigt. Den besonderen Umständen
(Sicherheitsleistung; vgl. § 16 VwKostG). Bei des Einzelfalles ist vielmehr durch Verkürzung
Beantragung eines neuen Aufenthaltstitels ist oder Verlängerung der regelmäßigen Frist um
dieser Aspekt auch bei Prüfung der Regel- bis zu drei Jahre Rechnung zu tragen. Hierbei
erteilungsvoraussetzung des § 5 Absatz 1 sind auch besondere Sicherheitsinteressen, z. B.
Nummer 3 zu berücksichtigen. Bei deutschver- bei Ausweisungen mit Bezug zu Terrorismus
heirateten Ausländern tragen jedoch finanzielle bzw. Extremismus, zu berücksichtigen. Eine
Erwägungen die Ablehnung eines Regel- weitergehende Verkürzung der Frist kann
befristungsantrags für sich allein nicht. grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn
ohne Ausweisung ein gesetzlicher Anspruch
11.1.4.5 Hinsichtlich der Frage, ob die von der Ab- auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestünde
schiebung ausgehende Wirkung befristet wer- oder schutzwürdige Belange des Ausländers
den soll, ist auf das Verhalten des Ausländers (z. B. die Wiederherstellung der familiären Le-
vor und – in Fällen der nachträglichen Befri- bensgemeinschaft zur Personensorge für ein
stung – nach der Ausreise abzustellen. I.d.R. Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit) eine
sind Führungszeugnisse oder ähnliche Doku- frühere Wiedereinreisemöglichkeit zwingend
mente des Aufenthaltsstaates anzufordern; eine gebieten. Diese Prüfung kann frühestens drei
Stellungnahme der konsularisch zuständigen Jahre vor Ablauf der Regelfrist bzw. der im
deutschen Auslandsvertretung über die in- Einzelfall bereits um bis zu drei Jahre verkürz-
haltliche Richtigkeit des Dokuments ist ggf. ten Frist erfolgen, da ihr die dann aktuellen
über das Auswärtige Amt anzufordern. Umstände zugrunde gelegt werden müssen.
11.1.4.6 Ungeachtet einer vom Ausländer ausgehenden 11.1.4.6.3 Bei Abschiebungen ohne vorausgegangene
und fortbestehenden speziellen oder generellen Ausweisung und bei Zurückschiebungen be-
Gefahr sind im Übrigen bei der Entscheidung trägt die Frist im Regelfall zwei Jahre und kann
über die Befristung strafgerichtliche Verur- nach den Umständen des Einzelfalles halbiert
teilungen unerheblich, die nach den Vor- oder verdoppelt werden. Eine weitergehende
schriften des BZRG nicht mehr gegen den Verkürzung der Frist sollte nur im Fall eines
Ausländer verwendet werden dürfen; vgl. hier- gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der Auf-
zu näher Nummer 5.1.2.3.1 f. enthaltserlaubnis oder bei Ausländern erwogen
werden, die zum Zeitpunkt der Abschiebung
11.1.4.6.1 Für die Bestimmung der Dauer der Frist ist oder Zurückschiebung minderjährig waren.
maßgebend, ob und ggf. wann der mit der Aus-
weisung, Zurückschiebung oder Abschiebung 11.1.4.6.4 Der für die Fristberechnung maßgebliche Zeit-
verfolgte Zweck durch die vorübergehende punkt der Ausreise ist ein für den Ausländer
Fernhaltung des Ausländers aus dem Bundes- günstiger Umstand i. S. d. § 82 Absatz 1. Der
Seite 958 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Ausländer ist regelmäßig darauf hinzuweisen, Absatz 1. Ausländer, die visumpflichtig sind,
dass ihm eine entsprechende Nachweispflicht benötigen neben der Betretenserlaubnis ein Vi-
obliegt. sum für die Einreise in das Bundesgebiet. Die
Auslandsvertretungen berücksichtigen bei ihrer
11.1.4.7 Fällt die Sperrwirkung mit Ablauf der Befri- Entscheidung über den Visumantrag die Be-
stung weg, hat die Behörde, die die Befristung tretenserlaubnis im Rahmen der Ermessens-
verfügt hat, die Löschung der Ausschreibung abwägung. Aus der Betretenserlaubnis an sich
zur Einreiseverweigerung im SIS und in IN- folgt weder ein Anspruch auf Visumerteilung
POL zu veranlassen. In diesen Fällen sind auch noch eine Ermessensbindung. Während der
die Meldepflichten nach dem AZRG und den Geltungsdauer der Betretenserlaubnis lebt eine
hierzu ergangenen Bestimmungen zu beachten. nach den Vorschriften der AufenthV bestehen-
11.1.4.8 § 11 Absatz 1 ist hinsichtlich der Sperrwirkung de Befreiung vom Erfordernis des Aufenthalts-
bei jeder Entscheidung über einen Antrag auf titels wieder auf. Angehörige eines Staates, der
Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthalts- in Anhang II der Verordnung (EG) Num-
titels zu prüfen. Ein dieser Vorschrift zuwider mer 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur
erteilter Aufenthaltstitel ist grundsätzlich unter Aufstellung der Liste der Drittländer, deren
Berücksichtigung des Grundsatzes des Ver- Staatsangehörige beim Überschreiten der
trauensschutzes zurückzunehmen, solange die Außengrenzen im Besitz eines Visums sein
Sperrwirkung andauert. Bei einer Ausschrei- müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren
bung zur Einreiseverweigerung im SIS ist Arti- Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit
kel 25 Absatz 1 und 2 SDÜ zu beachten (vgl. sind (ABl. EG Nummer L 81 S. 1) aufgeführt
Nummer 5.5.4.4). ist, können daher mit einer Betretenserlaubnis
für einen Kurzaufenthalt in das Bundesgebiet
11.1.4.9 Die Befristung darf nur im Einvernehmen mit ohne Visum einreisen. Soweit es sich um andere
der Behörde geändert oder aufgehoben werden, Staatsangehörige handelt, darf für die Gel-
die die Befristung erlassen hat (§ 72 Absatz 3). tungsdauer der Betretenserlaubnis ein (Schen-
gen-)Visum mit räumlich beschränkter Gültig-
11.1. 4. 10 Nach Ablauf der Frist der Sperrwirkung finden
keit (VRG) erteilt werden.
die Vorschriften über die Befreiung vom Er-
fordernis des Aufenthaltstitels wieder Anwen-
11.2.3 Die Betretenserlaubnis muss befristet werden.
dung (§ 51 Absatz 5). Die Erteilung eines Auf-
Sie darf nicht für eine längere Zeit erteilt wer-
enthaltstitels richtet sich dann nach den allge-
den, als zur Erreichung des Reisezwecks unbe-
meinen Vorschriften. Bei erneuter Beantragung
dingt erforderlich ist. In den in Absatz 1 Satz 5
eines Aufenthaltstitels sind sämtliche Er-
genannten Fällen darf eine Betretenserlaubnis
teilungsvoraussetzungen, vor allem auch das
nur erteilt werden, wenn dies von der obersten
Nichtvorliegen von Ausweisungsgründen (§ 5
Landesbehörde im Einzelfall als Ausnahme zu-
Absatz 1 Nummer 2) zu prüfen. Ausweisungs-
gelassen wird. In den Fällen des § 58a Absatz 2
gründe, die der abgelaufenen Befristung zu-
bedarf die Erteilung einer Betretenserlaubnis
grunde gelegen haben, können insoweit Be-
der Zustimmung des Bundesministeriums des
rücksichtigung finden, als sie in Gesamtschau
Innern.
mit weiteren Anhaltspunkten Anlass zu der
Prognose geben, dass die von dem Ausländer
11.2.4 Reiseweg und Aufenthaltsort können vorge-
ausgehende Gefährdung über das Fristende
schrieben werden. Entsprechende Neben-
hinaus fortbesteht. Dies gilt nur dann, wenn die
bestimmungen sind ggf. in das Visum aufzu-
der Ausweisung zugrunde liegenden Verur-
nehmen. Der Reiseweg ist unter Umständen zu
teilungen noch nicht getilgt sind.
überwachen. Die Bestimmung der Frist, des
Reiseweges oder Aufenthaltsortes kann nach-
11.2 Betretenserlaubnis träglich geändert werden, wenn es aus zwin-
11.2.1 Für die Erteilung einer Betretenserlaubnis ist genden Gründen oder zur Vermeidung un-
die Ausländerbehörde zuständig, in deren Be- billiger Härten erforderlich ist. In die Er-
zirk sich der Ausländer aufhalten will. Dies gilt wägungen sind Gründe der öffentlichen
auch nach einer Zurückschiebung durch die Sicherheit und Ordnung einzubeziehen.
Grenzbehörden oder die Polizeien der Länder.
Die Beteiligungsvorschrift des § 72 Absatz 1 ist 11.2.5 Zwingende Gründe, die eine Betretenserlaubnis
zu beachten. Die Vorschrift ist auch auf Aus- rechtfertigen, können sich auch unabhängig von
länder anwendbar, die unter das FreizügG/EU den persönlichen Belangen des Ausländers aus
fallen (§ 11 Absatz 1 FreizügG/EU). Eine Gründen des öffentlichen Interesses, z. B. bei
Durchschrift der Betretenserlaubnis ist dem je- Wahrnehmung von Terminen bei Gerichten
weiligen Landeskriminalamt zuzuleiten, das die und Behörden (Zeugenvernehmung, Vorladung
Aussetzung der Festnahme für die Dauer der bei Behörden, Erbschaftsangelegenheiten) oder
Betretenserlaubnis in INPOL und SIS veran- mit Rücksicht auf Dritte ergeben (Regelung von
lasst. Geschäften im Inland, die die persönliche An-
wesenheit unbedingt erfordern). Bei der Beur-
11.2.2 Die Betretenserlaubnis ist kein Aufenthaltstitel. teilung, ob eine unbillige Härte vorliegt, kom-
Sie bewirkt lediglich die zeitweilige Aussetzung men insbesondere humanitäre Gründe oder
des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 zwingende persönliche Gründe in Betracht
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 959

(z. B. schwere Erkrankung von Angehörigen, den obersten Landesbehörden der betreffenden
Todesfall). Ausländerbehörden herzustellen.

11.2.6 Die Betretenserlaubnis darf nicht erteilt wer- 12.1.1.3 Eine von einer Ausländerbehörde eines anderen
den, wenn der Aufenthalt des Ausländers mit Landes erteilte oder verlängerte Aufenthaltser-
einiger Wahrscheinlichkeit zu einer erneuten laubnis darf auch nachträglich auf das Gebiet
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des anderen Landes beschränkt werden. Dies
Ordnung oder der öffentlichen Gesundheit gilt nicht, wenn dadurch dem Ausländer die
führt. So sollte eine Betretenserlaubnis in den Ausübung einer erlaubten unselbständigen Er-
Fällen einer Ausweisung nach § 54 Nummer 5 werbstätigkeit unmöglich wird.
und 5a jedenfalls in den ersten Jahren nach der 12.1.2 Das Schengen-Visum kann unter den Voraus-
Ausreise grundsätzlich nicht erteilt werden. setzungen der Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c)
Besteht eine Wiederholungsgefahr, die sich bis Schengener Grenzkodex, Artikel 10 Absatz 3,
zur Ausreise verwirklichen kann, wird eine Be- Artikel 11 Absatz 2, Artikel 14 Absatz 1 Satz 2
tretenserlaubnis nicht erteilt. Auch wenn die und Artikel 16 SDÜ räumlich beschränkt erteilt
Erteilung der Betretenserlaubnis im öffentli- oder verlängert werden (siehe auch Artikel 19
chen Interesse liegt, darf sie grundsätzlich nicht Absatz 3 SDÜ). Dabei ist der Grundsatz zu
gewährt werden, wenn Zweifel bestehen, ob der beachten, dass der Schengen-Raum grundsätz-
Ausländer freiwillig wieder ausreisen wird oder lich ein einheitlicher Reiseraum ist, weshalb die
wenn nicht gewährleistet ist, dass der Ausländer Beschränkung eines Schengen-Visums auf
im Falle seiner nicht freiwilligen Ausreise ab- Deutschland nur in Übereinstimmung mit den
geschoben werden kann. Die Erteilung einer genannten Vorschriften des SDÜ erfolgen darf
Betretenserlaubnis kann grundsätzlich auch und sonst zu unterbleiben hat.
davon abhängig gemacht werden, ob der Aus-
länder die Abschiebungskosten oder die Kosten
12.2 Nebenbestimmungen
der Zurückschiebung beglichen hat oder ob er
hierzu bereit ist. Es kann auch eine Sicherheits- 12.2.0 Gemäß Absatz 2 Satz 1 und 2 können das Vi-
leistung (vgl. Nummer 66.5) verlangt werden. sum und die Aufenthaltserlaubnis mit Neben-
bestimmungen erteilt und verlängert werden.
Nebenbestimmungen können u. a. als Auflagen
12 Zu § 12 – Geltungsbereich, Nebenbestim- oder Bedingungen verfügt werden. Sie müssen
mungen hinreichend bestimmt sein und dürfen keine
Unklarheiten darüber lassen, unter welchen
12.1 Geltungsbereich Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht entsteht,
fortbesteht oder entfällt. Die Auflage verlangt
12.1.1 Der Aufenthaltstitel gilt für das gesamte Bun- ein Tun, Dulden oder Unterlassen und kann
desgebiet. Räumliche Beschränkungen können auch nachträglich verfügt werden. Bedingungen
für Inhaber eines Aufenthaltstitels nur in Form machen den Eintritt oder Wegfall einer Ver-
einer entsprechenden Auflage verfügt werden günstigung oder Belastung von dem ungewissen
(§ 12 Absatz 2 Satz 2). Eintritt eines mit der Bedingung bezeichneten
12.1.1.1 Von dem Grundsatz, dass der Aufenthaltstitel Ereignisses abhängig. Unterschieden wird zwi-
für das Bundesgebiet erteilt wird, darf nur in schen aufschiebender und auflösender Bedin-
Ausnahmefällen abgewichen werden. Der Auf- gung. Insbesondere die auflösende Bedingung
enthaltstitel kann zur Wahrung öffentlicher In- hat im Falle ihres Eintritts ganz erhebliche
teressen, die insbesondere aufenthaltsrecht- Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aus-
lichen Zwecken dienen (vgl. § 5 Absatz 1 länders (vgl. Nummer 12.2.3).
Nummer 3) auch nachträglich räumlich be- 12.2.1 Nebenbestimmungen und Hinweise sind im
schränkt werden (Grundsatz der Verhältnis- Visumetikett aufzunehmen. In Anlage 9 der
mäßigkeit, Willkürverbot). Er kann auf be- Gemeinsamen Konsularischen Instruktion
stimmte Teile des Bundesgebiets beschränkt werden die üblichen Nebenbestimmungen und
werden, wenn besondere Gründe es erfordern, Hinweise eines Mitgliedstaates notifiziert.
die in der Person oder im Verhalten des Aus- Deutschland hat sich die Möglichkeit weiterer
länders oder in besonderen örtlichen Ver- Nebenbestimmungen bei nationalen Visa vor-
hältnissen liegen können (z. B. Grenz- oder behalten. Nur bei nationalen Visa (Visa der Ka-
Notstandsgebiete, Verhinderung von Straf- tegorie „D“) darf auch von anderen als den in
taten). Die räumliche Beschränkung bleibt auch Anlage 9 zur Gemeinsamen Konsularischen
nach Wegfall des Aufenthaltstitels in Kraft (§ 51 Instruktion aufgeführten Nebenbestimmungen
Absatz 6). und Hinweisen Gebrauch gemacht werden.
12.1.1.2 Die Ausländerbehörde darf einen Aufenthalts- 12.2.2 Die Niederlassungserlaubnis ist mit Ausnahme
titel nicht unter Ausschluss ihres eigenen örtli- des in § 23 Absatz 2 speziell geregelten Falles
chen Zuständigkeitsbereichs nur für andere stets nebenbestimmungsfrei. Sofern vor dem
Teile des Bundesgebietes erteilen oder verlän- 1. Januar 2005 erteilte unbefristete Aufent-
gern. Soll ausnahmsweise ein Aufenthaltstitel haltserlaubnisse, die nach § 101 Absatz 1 als
unter Ausschluss des eigenen Zuständigkeits- Niederlassungserlaubnisse weiter gelten, Ne-
bereiches erteilt werden, ist das Benehmen mit benbestimmungen enthalten, bleiben diese Ne-
Seite 960 GMBl 2009 Nr. 42– 61

benbestimmungen nach § 102 Absatz 1 zu- 12.2.5.2.1 Die wohnsitzbeschränkende Auflage stellt ins-
nächst wirksam. Sie sind auf Antrag aufzu- besondere ein geeignetes Mittel dar, um mittels
heben, sofern nicht ein besonderer gewichtiger einer regionalen Bindung die überproportionale
Grund für die weitere Aufrechterhaltung be- fiskalische Belastung einzelner Länder und
steht. Kommunen durch ausländische Empfänger so-
zialer Leistungen zu verhindern. Entsprechen-
12.2.3 Das Verfügen einer auflösenden Bedingung de Auflagen können auch dazu beitragen, einer
muss wegen der schwerwiegenden Rechts- Konzentrierung sozialhilfeabhängiger Aus-
folgen bei deren Eintritt im Einzelfall gegen- länder in bestimmten Gebieten und der damit
über anderen milderen Regelungen, wie z. B. einhergehenden Entstehung von sozialen
dem Verfügen einer Auflage oder den Möglich- Brennpunkten mit ihren negativen Aus-
keiten der nachträglichen Befristung bzw. des wirkungen auf die Integration von Ausländern
Widerrufs einer Aufenthaltserlaubnis abge- vorzubeugen. Entsprechende Maßnahmen sind
wogen werden. Dies gilt insbesondere in Bezug auch gerechtfertigt, um Ausländer mit einem
auf auflösende Bedingungen, die einzelne Mo- besonderen Integrationsbedarf an einen be-
dalitäten des Aufenthaltszwecks oder die all- stimmten Wohnort zu binden, damit sie dort
gemeinen Erteilungsvoraussetzungen absichern von den Integrationsangeboten Gebrauch ma-
sollen. Im Rahmen der Abwägung ist insbe- chen können.
sondere zu berücksichtigen, ob ein konkreter
Missbrauchsverdacht vorliegt. Tritt eine auflö- 12.2.5.2.2 Vor diesem Hintergrund werden wohnsitz-
sende Bedingung ein, gelten die allgemeinen beschränkende Auflagen erteilt und aufrechter-
Regelungen: Der Ausländer ist mangels Auf- halten bei Inhabern von Aufenthaltserlaub-
enthaltstitel vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 nissen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufent-
Absatz 1). Hierbei ist dem Ausländer aber haltsgesetzes bzw. Niederlassungserlaubnissen
durch die Ausgestaltung der auflösenden Be- nach § 23 Absatz 2, soweit und solange sie
dingung zugleich eine hinreichende Frist zur Leistungen nach dem SGB II oder XII oder
Ausreise, die mindestens 14 Tage betragen soll, dem AsylbLG beziehen. Hierzu zählen auch
einzuräumen. Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 104a und 104b.
12.2.5.2.3 Für Asylberechtigte und Flüchtlinge, d. h. für
12.2.4 Auflösende Bedingungen und Auflagen dürfen Inhaber von Aufenthaltstiteln nach § 25 Ab-
nicht dazu führen, dass Handlungen, die durch satz 1 und 2 kommen wohnsitzbeschränkende
besondere Vorschriften mit Sanktionen belegt Auflagen nur in Betracht, soweit deren Ver-
sind, entgegen der Wertung des Gesetzgebers hängung auch aus migrations- und integra-
zugleich unter § 95 Absatz 1 Nummer 2 oder tionspolitischen Interessen erforderlich ist, da
§ 98 Absatz 3 Nummer 2 fallen. Unter die be- sich aus dem Zusammenwirken der in Arti-
sonders sanktionierten Tatbestände, die somit kel 26 Genfer Flüchtlingskonvention gewähr-
nicht Gegenstand einer zusätzlichen Auflage ten Freizügigkeit mit dem Grundsatz fürsorge-
oder auflösenden Bedingung nach § 12 Ab- rechtlicher Gleichbehandlung (Artikel 24 Gen-
satz 2 werden können, fallen insbesondere die fer Flüchtlingskonvention) ergibt, dass
Begehung von Straftaten oder Ordnungs- freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen ge-
widrigkeiten im Allgemeinen, dabei insbe- genüber Flüchtlingen nicht allein zum Zweck
sondere die Ausübung einer unerlaubten Er- der angemessenen Verteilung öffentlicher So-
werbstätigkeit (vgl. § 404 Absatz 2 Nummer 4 ziallasten eingesetzt werden dürfen. Die zu-
SGB III). Auch die Erfüllung von Auswei- ständige Ausländerbehörde hat in diesem Fall
sungstatbeständen kann nicht zur auflösenden die migrations- bzw. integrationspolitischen
Bedingung erhoben werden, da hierdurch die Konflikte zu beschreiben, die im jeweiligen
Pflicht zur Ermessensausübung (§ 55 Absatz 1) Einzelfall bei einer – durch Verhängung wohn-
umgangen bzw. ein besonderer Ausweisungs- sitzbeschränkender Auflagen zu vermeidenden
schutz nicht berücksichtigt würde. – unkontrollierten Binnenwanderung ent-
stünden. Soweit die Maßnahme im konkreten
12.2.5.1.1 Der Aufenthaltstitel kann mit einer wohn- Fall der Verhinderung sozialer Brennpunkte
sitzbeschränkenden Auflage versehen werden. durch gehäufte Ansiedlung von Ausländern in
Hierbei wird, anders als bei der räumlichen Be- bestimmten Gebieten dient, sind diese (po-
schränkung, nur die Wohnortwahl, nicht aber tenziellen) Brennpunkte näher zu beschreiben.
die Reisefreiheit im Bundesgebiet einge- Gleiches gilt für die Eignung von ent-
schränkt. sprechenden Auflagen, zur Problemlösung bei-
zutragen. Ebenso sind konkrete und nachvoll-
12.2.5.1.2 Die der Ausländerbehörde bekannten oder er- ziehbare Ausführungen zu den örtlichen
kennbaren Belange des Ausländers, die einer Integrationsangeboten erforderlich, wenn Aus-
bestimmten Beschränkung der Wohnsitznahme länder durch die Wohnsitzauflage an einen be-
im Einzelfall entgegenstehen (z. B. Notwendig- stimmten Wohnort gebunden werden sollen,
keit des Umzugs zwecks Herstellung der fami- damit sie dort von bedarfsgerechten Integra-
liären Lebensgemeinschaft oder eine Behin- tionsangeboten profitieren können.
derung), sind von Amts wegen bereits bei der
Entscheidung über die Auflagenerteilung zu 12.2.5.2.4 Eine Streichung oder Änderung der wohn-
berücksichtigen. sitzbeschränkenden Auflage zur Ermöglichung
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 961

eines den Zuständigkeitsbereich der Auslän- lage, die von Familienangehörigen bzw. dem
derbehörde überschreitenden Wohnortwech- ehemaligen Partner ausgeht, zu begegnen.
sels bedarf der vorherigen Zustimmung durch
12.2.5.2.4.3 Die Ausländerbehörde des bisherigen Wohn-
die Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Bei
orts darf die wohnsitzbeschränkende Auflage
einer Verweigerung der Zustimmung hat die
erst dann streichen oder ändern, wenn die Zu-
Ausländerbehörde des Zuzugsortes im Hin-
stimmung der Ausländerbehörde des Zuzug-
blick auf das von der Ausländerbehörde des
sorts vorliegt.
bisherigen Wohnorts zu tragende Prozessrisiko
alle Gründe für ihre Entscheidung mitzuteilen. 12.2.5.2.5 Wurde eine aus den unter Nummer 12.2.5.2.2
Die Ausländerbehörde des Zuzugsortes darf die genannten Gründen verfügte Auflage ohne die
Zustimmung zur Streichung der Auflage nicht vorherige Zustimmung der Ausländerbehörde
allein unter Hinweis darauf, dass der Zweck des des Zuzugsorts gestrichen oder geändert und
Wohnsitzwechsels auch an einem anderen Ort tritt innerhalb von sechs Monaten am Zuzugs-
erreicht werden kann, verweigern. ort Bedürftigkeit nach Leistungen nach dem
SGB II oder XII oder dem AsylbLG ein, so ist
12.2.5.2.4.1 Die Zustimmung ist, soweit die Auflage aus den die Wohnsitznahme erneut durch Auflage auf
unter Nummer 12.2.5.2.2 genannten Gründen das Land des vorherigen Wohnorts zu be-
verfügt wurde, zu erteilen, wenn der Lebens- schränken, es sei denn, es liegen die in Num-
unterhalt am neuen Wohnort auch für alle Fa- mer 12.2.5.2.4.2 genannten Gründe vor.
milienangehörigen voraussichtlich dauerhaft
ohne die Inanspruchnahme von Leistungen 12.3 Verlassenspflicht
nach dem SGB II oder XII oder dem AsylbLG
gesichert ist (vgl. § 2 Absatz 3). Bei beab- 12.3.1 Die Regelung des § 12 Absatz 3 bezieht sich
sichtigter Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ge- nicht lediglich auf den von § 12 Absatz 2 und 4
nügt die Vorlage eines entsprechenden Arbeits- erfassten Personenkreis, sondern auch auf aus-
vertrages; zu befristeten Arbeitsverhältnissen reisepflichtige Ausländer (§ 51 Absatz 6) und
wird auf Nummer 2.3.3 Bezug genommen. Die Ausländer, deren Abschiebung ausgesetzt ist
Zustimmung ist auch zu erteilen, wenn das für (§ 61 Absatz 1), sowie auf Asylbewerber (§ 56
die Sicherung des Lebensunterhalts erforder- Absatz 1 und 3, § 59 Absatz 2 AsylVfG). Un-
liche Einkommen um bis zu zehn Prozent un- erheblich ist, ob die räumliche Beschränkung
terschritten wird. unmittelbar kraft Gesetzes besteht, durch Ver-
waltungsakt angeordnet ist oder fortgilt.
12.2.5.2.4.2 Darüber hinaus ist die Zustimmung – unab- 12.3.2 Die Verlassenspflicht ist unverzüglich, ggf. im
hängig von der Sicherung des Lebensunterhalts Wege des unmittelbaren Zwanges nach Maßga-
oder den genannten migrations- und integra- be des § 59 AsylVfG und der landesrechtlichen
tionspolitischen Interessen – zu erteilen, wenn Vorschriften durchzusetzen.
mindestens eine der folgenden Voraussetzungen
vorliegt: 12.3.3 Zuständig ist die Ausländerbehörde, in deren
Bezirk sich der Ausländer widerrechtlich auf-
– Der Umzug dient der Herstellung der fami- hält (§ 71 Absatz 1) und auch die Polizei des
liären Lebensgemeinschaft zwischen Ehe- betroffenen Landes (§ 71 Absatz 5).
bzw. Lebenspartnern sowie Eltern und ihren
minderjährigen Kindern, die über eine Auf- 12.3.4 Bei einem Verstoß gegen eine räumliche Be-
enthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 schränkung kann je nach Art, Schwere, Um-
des Aufenthaltsgesetzes verfügen. Die Zu- ständen und Dauer ein Ausweisungsgrund ge-
stimmung darf bei Verfügung der Auflage mäß § 55 Absatz 2 Nummer 2 gegeben sein.
aus den unter Nummer 12.2.5.2.2 genannten 12.3.5 Bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern,
Gründen nicht erteilt werden, wenn der zu- die nicht im Besitz einer Duldung sind, hat die
ziehende Ehe- bzw. Lebenspartner oder El- Aufenthaltsbeendigung im Wege der Abschie-
ternteil im Falle des Umzugs seine Er- bung oder Zurückschiebung Vorrang vor der
werbstätigkeit aufgeben müsste, es sei denn, Anwendung des § 12 Absatz 3.
der Lebensunterhalt wird auch für den zu-
ziehenden Ehe- bzw. Lebenspartner durch 12.3.6 Die Durchsetzung der Verlassenspflicht des
den Partner, zu dem zugezogen wird, ge- § 12 Absatz 3 ist kostenpflichtig (§ 66 Absatz 1)
sichert. für den Ausländer, den Verpflichteten aus einer
Verpflichtungserklärung sowie den kosten-
– Der Umzug der Verwandten dient der dau- pflichtigen Beförderungsunternehmer. Der ein-
erhaften und nachhaltigen Verbesserung der malige Verstoß gegen eine vollziehbare räum-
benötigten Pflege von Betroffenen, die we- liche Beschränkung stellt einen Bußgeldtatbe-
gen ihres Alters oder wegen ihrer Krankheit stand dar (§ 98 Absatz 3 Nummer 2, § 86
oder Behinderung pflegebedürftig sind. AsylVfG).
Entsprechendes gilt, wenn der Pflegebe-
dürftige zu den Verwandten zieht. 12.4 Beschränkungen des genehmigungsfreien
Aufenthalts
– Der Umzug ist erforderlich, um einer Ge-
fahrenlage im Gebiet des räumlichen Be- § 12 Absatz 4 findet auf sämtliche Ausländer
reichs einer wohnsitzbeschränkenden Auf- Anwendung, die insbesondere nach Bestim-
Seite 962 GMBl 2009 Nr. 42– 61

mungen der AufenthV keinen Aufenthaltstitel 13 Zu § 13 – Grenzübertritt


benötigen. Die Befreiung endet mit der Anord-
nung von Bedingungen und Auflagen nicht. Bei 13.1 Ein- und Ausreisekontrolle
Ausländern, die vom Erfordernis eines Aufent- 13.1.1 Der Begriff der Einreise ist im Sinne eines tat-
haltstitels befreit sind, ist von der Möglichkeit sächlichen Vorgangs (Grenzübertritt, Betreten
der Anordnung von Bedingungen und Auflagen des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik
nur Gebrauch zu machen, wenn die Wahrung Deutschland) zu verstehen; die Frage, ob die
öffentlicher Interessen dies im jeweiligen Ein- Einreise erlaubt ist, beurteilt sich nach § 14
zelfall gebietet. Insbesondere soll die Anord- Absatz 1.
nung von Rechtsfolgen unterbleiben, die sich
ohnehin aus dem Gesetz ergeben (z. B. Be- An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist
schränkungen bei der Aufnahme einer Be- ein Ausländer erst ausgereist, wenn er die
schäftigung). Grenze überschritten und die Grenzüber-
gangsstelle passiert hat. Im Übrigen ist eine
Person ausgereist, sobald sie die Grenzlinie
12.5 Verlassen des beschränkten Aufenthalts-
überschritten hat.
bereichs
13.1.2 Über die Zulassung und Schließung von
12.5.0 § 12 Absatz 5 entspricht weitgehend § 58 Ab- Grenzübergangsstellen entscheidet gemäß § 61
satz 1 und 3 AsylVfG. Absatz 1 BPolG das Bundesministerium des
12.5.1 Satz 1 gibt der Ausländerbehörde – auch für Innern im Benehmen mit dem Bundesminis-
räumliche Beschränkungen aufgrund anderer terium der Finanzen. Das Bundesministerium
Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes (z. B. des Innern gibt die entsprechende Entscheidung
§ 61) – eine flexible Möglichkeit, Ausnahmen im Bundesanzeiger bekannt. Die Verkehrs-
zuzulassen. stunden werden von der zuständigen Bundes-
polizeidirektion festgelegt und durch Aushang
12.5.2 Satz 2 regelt Fallgruppen, in denen entspre- an der Grenzübergangsstelle bekannt gegeben.
chenden Anträgen stattzugeben ist. An den EU-Außengrenzen erfolgt die Fest-
legung im Benehmen mit dem zuständigen
12.5.2.1 Ein dringendes öffentliches Interesse kann z. B.
Hauptzollamt.
bestehen, wenn der Ausländer unter Zeugen-
schutz steht, oder wenn das Verlassen des Gel- 13.1.3 Der Grenzübertritt kann ausnahmsweise au-
tungsbereichs der räumlichen Beschränkung ßerhalb einer zugelassenen Grenzübergangs-
der Beschaffung von Heimreisedokumenten stelle erfolgen, wenn dies durch andere Rechts-
oder Identitätsnachweisen dient (Termine bei vorschriften oder zwischenstaatliche Vereinba-
Botschaften oder Konsulaten sind jedoch ge- rungen zugelassen ist.
mäß Satz 3 erlaubnisfrei).
13.1.3.1 Nach Artikel 20 Schengener Grenzkodex dür-
12.5.2.2 Zwingend sind nur Gründe von erheblichem fen die Binnengrenzen unabhängig von der
Gewicht. Sie können familiärer, religiöser, ge- Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an
sundheitlicher oder politischer Natur sein. In jeder Stelle ohne Personenkontrollen über-
Betracht kommen etwa der Besuch eines Fach- schritten werden. Artikel 2 Nr. 1 Schengener
arztes, dringende familiäre Angelegenheiten, Grenzkodex legt fest, was unter Binnengrenze
z. B. Besuch schwer kranker Familienmitglieder i. S. d. Schengener Grenzkodex zu verstehen ist.
sowie eine Teilnahme an bedeutenden religiö- Das Recht, die Binnengrenzen an jeder Stelle
sen Riten und Festen. überschreiten zu dürfen, entfällt bei Wieder-
einführung der Binnengrenzkontrollen (Arti-
12.5.2.3 Unbillige Härten sind Beeinträchtigungen per- kel 28 Schengener Grenzkodex). In diesen
sönlicher Belange, die im Vergleich zu den be- Fällen ist die Benutzung von Grenzübergangs-
troffenen öffentlichen Interessen und im Hin- stellen wieder vorgeschrieben.
blick auf den vom Gesetz vorausgesetzten
Zweck der Aufenthaltsbeschränkung als unan- 13.1.3.2 Nach § 61 Absatz 3 und 4 BPolG können die
gemessen schwer anzusehen sind. Es handelt Bundespolizeidirektionen einzelnen Personen
sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren oder Personengruppen die Erlaubnis erteilen,
unbestimmten Rechtsbegriff. Persönliche In- die Grenze außerhalb einer zugelassenen
teressen des Ausländers können stärker be- Grenzübergangsstelle, außerhalb der festge-
rücksichtigt werden als beim Begriff des zwin- setzten Verkehrsstunden oder mit anderen als
genden Grundes. den zugelassenen Verkehrsarten zu über-
schreiten, wenn ein besonderes Bedürfnis dafür
12.5.3 Satz 3 stellt klar, dass in bestimmten Fällen eine besteht und öffentliche Belange nicht ent-
Erlaubnis nicht erforderlich ist. Erforderlich ist gegenstehen. Gemäß § 61 Absatz 4 BPolG
die persönliche Anwesenheit nicht nur bei aus- kann, soweit ein Land im Einvernehmen mit
drücklicher Anordnung des persönlichen Er- dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen
scheinens, sondern auch dann, wenn die An- Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt,
wesenheit bei objektiver Betrachtung geboten in der Vereinbarung gemäß § 2 Absatz 3 BPolG
erscheint. Behörden in diesem Sinne sind auch bestimmt werden, dass Behörden oder Dienst-
Botschaften und Konsulate ausländischer Staa- stellen der Polizei des Landes anstelle der Bun-
ten. despolizei tätig werden. Die Grenzerlaubnis
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 963

kann auch in Form einer Allgemeinverfügung Das gilt auch für Ausländer, die sich im asyl-
i. S. v. § 35 Absatz 1 Satz 2 VwVfG, mündlich rechtlichen Flughafenverfahren gemäß § 18a
oder mit Auflagen versehen, erteilt werden. Ein AsylVfG befinden.
Widerruf der Grenzerlaubnis ist jederzeit mög-
lich. 13.2.1.2 Dabei ist die Formulierung „solange ihnen eine
Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers
13.1.4 Der Ausländer ist gemäß § 13 Absatz 1 Satz 2 möglich bleibt“ so auszulegen, dass diese Mög-
verpflichtet, beim Grenzübertritt seinen gülti- lichkeit auch dann besteht, wenn die tatsäch-
gen und anerkannten Pass oder Passersatz mit- liche Kontrolle durch andere Behörden (z. B.
zuführen, sich damit über seine Person auszu- Jugendamt, geschlossene psychiatrische Ein-
weisen und sich der polizeilichen Kontrolle des richtung, Justizvollzugsanstalt, Militärbehör-
grenzüberschreitenden Verkehrs, deren Gegen- den der in Deutschland stationierten NATO-
stand in Artikel 7 Schengener Grenzkodex nä- Streitkräfte) im Auftrag der mit der polizei-
her beschrieben ist, zu unterziehen. Die Kon- lichen Kontrolle des grenzüberschreitenden
trolle des grenzüberschreitenden Verkehrs führt Verkehrs beauftragten Behörde wahrgenom-
die Grenzbehörde im Rahmen ihrer polizei- men wird (Amtshilfe). Wird der Aufenthalt
lichen Befugnisse durch. Ein Verstoß gegen die eines Ausländers demnach im Inland von einer
Passmitführungspflicht stellt eine Ordnungs- anderen Behörde derart gestaltet, dass der Aus-
widrigkeit nach § 98 Absatz 3 Nummer 3 oder länder sich faktisch nicht ohne besondere Ge-
im Falle der erfolgten Einreise bei Nichtbesitz stattung dieser Behörde frei im Inland bewegen
eines Passes oder Passersatzes (vgl. § 14) einen kann, bedarf es einer besonderen Bewachung
Straftatbestand nach § 95 Absatz 1 Nummer 3 des Ausländers durch die Grenzbehörden nicht.
dar. Der Versuch ist im letztgenannten Fall nach Entzieht sich der Ausländer unerlaubt der
§ 95 Absatz 3 strafbar. Schleuser haben ggf. Kontrolle des Aufenthaltes durch Grenz- oder
Straftaten gemäß §§ 96 und 97 begangen. andere Behörden, ist er unerlaubt eingereist
13.1.4.1 Diese Pflichten bestehen für das Überschreiten (siehe auch Nummer 13.2.5).
der Grenze sowohl an als auch außerhalb von
13.2.2 Überschreitet ein Ausländer die Grenze an
zugelassenen Grenzübergangsstellen. Außer-
einer Grenzübergangsstelle außerhalb der Öff-
halb einer zugelassenen Grenzübergangsstelle
nungszeiten oder an einer Stelle, an der sich
entzieht sich ein Ausländer in Fällen, in denen
keine Grenzübergangsstelle befindet, ist er ein-
eine Grenzübergangsstelle zu benutzen ist, der
gereist, wenn er die Grenzlinie überschritten
grenzpolizeilichen Kontrolle, wenn er die
hat.
Grenze zur Ausreise überschreiten will oder im
Fall der Einreise bereits überschritten hat und 13.2.3 Befindet sich die Einreisekontrollstelle auf
einer Kontrollaufforderung der Grenzbehörde fremdem Hoheitsgebiet (gemäß den mit den
nicht nachkommt und begeht damit eine Ord- Nachbarstaaten geschlossenen Vereinbarungen
nungswidrigkeit gemäß § 98 Absatz 2 Num- über die Gemeinschaftsabfertigung), ist die
mer 2. Einreise erst erfolgt, wenn die auf fremdem
13.1.4.2 Die Passmitführungspflicht besteht auch für Hoheitsgebiet liegende Grenzübergangsstelle
den Grenzübertritt an den Schengen-Binnen- passiert und anschließend die Grenzlinie über-
grenzen. schritten wurde.

13.1.4.3 Die Pflicht, sich auszuweisen und der Grenz- 13.2.4 Einreise ist auch die Grenzüberschreitung zum
kontrolle zu unterziehen, besteht nur im Rah- Zwecke der Durchreise.
men einer Grenzkontrolle. Sie umfasst die
Pflicht, die entsprechenden grenzpolizeilichen 13.2.5 Die Einreise an einer Flughafen-Grenzüber-
Anordnungen zu befolgen. gangsstelle ist erst erfolgt, wenn der Ausländer
die Kontrollstationen der Grenzbehörden
13.2 Beendigung der Einreise (Bundespolizei und Zoll) passiert hat (siehe
auch Nummer 13.2.1.1). Ein Ausländer ist nicht
13.2.1.1 Der Ausländer hat eine Grenzübergangsstelle eingereist, wenn er sich noch im Transitbereich
erst dann passiert, wenn er die Kontroll- eines Flughafens oder der Unterkunft nach § 65
stationen der Grenzpolizei und des Zolls, so- aufhält bzw. im Rahmen des asylrechtlichen
weit an den EU-Außengrenzen vorhanden, Flughafenverfahrens gemäß § 18a AsylVfG auf
hinter sich gelassen hat und sich frei in Rich- dem Flughafengelände untergebracht ist.
tung Inland bewegen kann. Eine Einreise im
ausländerrechtlichen Sinne liegt in den in § 13 13.2.6.1 Seereisende überschreiten die Grenze mit dem
Absatz 2 Satz 2 genannten Fällen nicht vor. So- Überfahren der seewärtigen Begrenzung des
lange der Ausländer sich danach im Falle einer deutschen Küstenmeeres (so genannte Zwölf-
näheren Überprüfung, im Falle der Festnahme, Seemeilen-Zone) oder dem Überfahren der
im Rahmen der Zurückweisung, aus Anlass der seitlichen Begrenzung des deutschen Küsten-
medizinischen Versorgung oder aus anderen meeres bzw. der deutschen Eigengewässer zu
Gründen noch in der Obhut der Grenz- dem jeweiligen Nachbarstaat. Die Ausländer an
behörden befindet, sich also nicht frei bewegen Bord eines Schiffes, das von der Hohen See
kann, ist er nicht eingereist, auch wenn er kör- kommend einen als Grenzübergang zuge-
perlich die Kontrollstationen überschritten hat. lassenen deutschen Hafen anläuft, sind erst ein-
Seite 964 GMBl 2009 Nr. 42– 61

gereist, wenn sie im Hafen kontrolliert worden gesetzten Verkehrsstunden überschritten wer-
sind und das Schiff verlassen haben. den. Die Verkehrsstunden sind an den Grenz-
übergangsstellen, die nicht rund um die Uhr
13.2.6.2 Ausländer an Bord eines Schiffes, die beabsich-
geöffnet sind, deutlich anzugeben. Ausnahmen
tigen, unter Umgehung der Grenzübergangs-
hierzu sind in Artikel 4 Absatz 2 Schengener
stellen an Land zu gehen, haben die Einreise
Grenzkodex geregelt. Nach Artikel 4 Absatz 3
bereits mit der Einfahrt in das Küstenmeer
Schengener Grenzkodex sehen die Mitglied-
vollendet. Das ist z. B. der Fall, wenn Schleuser
staaten nach nationalem Recht wirksame, ver-
Ausländer mit dem Schiff in Küstennähe brin-
hältnismäßige und abschreckende Sanktionen
gen, um sie am Strand anzulanden. Sie können
für das unbefugte Überschreiten der Außen-
sich nicht auf das Recht der friedlichen Durch-
grenzen außerhalb der Grenzübergangsstellen
fahrt berufen.
oder der festgesetzten Verkehrsstunden vor.
13.2.6.3 Ausländer an Bord eines Schiffes, das aus einem Nach § 98 Absatz 3 Nummer 3 handelt ord-
anderen Staat oder über die Hohe See kommt nungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig
und den Nord-Ostsee-Kanal passiert, reisen außerhalb einer zugelassenen Grenzübergangs-
nach Deutschland ein. § 26 AufenthV findet stelle oder außerhalb der festgesetzten Ver-
keine Anwendung. kehrsstunden einreist. Nach § 98 Absatz 4 kann
der Versuch der Ordnungswidrigkeit geahndet
13.2.6.4 Bei der Einfahrt nach Deutschland über die werden. Die Ordnungswidrigkeit kann nach
Flussmündungen und Kanäle aus Richtung § 98 Absatz 5 mit einer Geldbuße bis zu 3 000
Hoher See oder über eine andere Außengrenze Euro geahndet werden.
der Schengen-Staaten muss grundsätzlich ein
als Grenzübergangsstelle zugelassener Hafen Die Binnengrenzen der Schengen-Staaten dür-
angelaufen werden, um eine Einreisekontrolle fen nach Artikel 20 Schengener Grenzkodex
zu ermöglichen. Es ist nicht zulässig, Deutsch- unabhängig von der Staatsangehörigkeit der
land bzw. die Schengen-Staaten auf Flüssen betreffenden Personen an jeder Stelle ohne
oder Kanälen zu durchqueren, ohne einen Ha- Personenkontrollen überschritten werden.
fen zur Einreisekontrolle anzulaufen. Aus-
13.3.2 Einreiseverweigerung nach Artikel 13 Schen-
nahmen können sich aufgrund zwischenstaat-
gener Grenzkodex
licher Vereinbarungen oder durch Grenz-
erlaubnisse ergeben (siehe Nummer 13.1.3, z. B. 13.3.2.1 Nach Artikel 13 Absatz 1 Schengener Grenz-
für den Grenzübertritt auf dem Bodensee). kodex wird einem Drittstaatsangehörigen, der
13.2.7 Bei Kontrollen im fahrenden Zug ist eine Ein- nicht alle Einreisevoraussetzungen des Arti-
reise erst dann erfolgt, wenn sich der Zug auf kels 5 Absatz 1 Schengener Grenzkodex erfüllt
deutschem Hoheitsgebiet befindet, die grenz- und der nicht zu dem in Artikel 5 Absatz 4
polizeiliche Kontrolle im Zug beendet wurde Schengener Grenzkodex genannten Personen-
und die Kontrollbeamten den Zug verlassen kreis gehört, die Einreise in das Hoheitsgebiet
haben. Findet im Zug keine Grenzkontrolle der Mitgliedstaaten verweigert. Das SDÜ und
statt, ist die Einreise mit dem Überfahren der die zu seiner Ausführung und Fortschreibung
Grenzlinie erfolgt. erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschrif-
ten erfassen den Begriff der unerlaubten Ein-
13.2.8 Die Bestimmung des Einreisebegriffs in § 13 reise nicht. Erfasst ist hier lediglich die Ein-
Absatz 2 lässt Rechtsvorschriften über die Ein- reiseverweigerung im Falle der Nichterfüllung
reise außerhalb des Ausländerrechts unberührt. der Voraussetzungen des Artikels 5 Absatz 1
Strafbare Handlungen eines Ausländers auf Schengener Grenzkodex sowie die Pflicht, das
deutschem Staatsgebiet unterfallen gemäß § 3 Hoheitsgebiet der Vertragsparteien unverzüg-
StGB i. V. m. den jeweiligen bilateralen Ab- lich zu verlassen, wenn die Voraussetzungen für
kommen über die Gemeinschaftsabfertigung einen kurzen Aufenthalt nicht oder nicht mehr
dem deutschen Strafrecht, auch wenn er aus- erfüllt sind (vgl. Artikel 23 Absatz 1 SDÜ).
länderrechtlich als noch nicht eingereist gilt.
Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der 13.3.2.2 Verfahren
Ausländer an einer so genannten „Vorgescho- 13.3.2.2.1 Die Einreiseverweigerung erfolgt mittels einer
benen Grenzkontrollstelle“ (deutsche Grenz- begründeten Entscheidung unter Angabe der
kontrollstelle auf dem Hoheitsgebiet eines Gründe für die Einreiseverweigerung. Die Ent-
fremden Staates) Delikte begeht, insbesondere scheidung wird von einer nach nationalem
gemäß § 95 Absatz 3 i. V. m. § 95 Absatz 1 Recht zuständigen Behörde erlassen und tritt
Nummer 3. unmittelbar in Kraft. Die begründete Entschei-
dung mit genauer Angabe der Gründe für die
13.3 Allgemeine Hinweise zum Grenzübertritt Einreiseverweigerung wird mit dem Stan-
und zur Einreiseverweigerung nach dem dardformular nach Anhang V Teil B Schen-
Schengener Grenzkodex gener Grenzkodex erteilt, das von der nach
nationalem Recht zur Einreiseverweigerung
13.3.1 Grenzübertritt
berechtigten Behörde ausgefüllt wird. Das aus-
Nach Artikel 4 Absatz 1 Schengener Grenz- gefüllte Standardformular wird dem betref-
kodex dürfen die Außengrenzen nur an den fenden Drittstaatsangehörigen ausgehändigt,
Grenzübergangsstellen und während der fest- der den Empfang der Entscheidung auf dem
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 965

Standardformular bestätigt (vgl. Artikel 13 Ab- eingetragen ist. Die Passpflicht wird auch
satz 2 Schengener Grenzkodex). durch Eintragung im gültigen Pass oder
Passersatz des gesetzlichen Vertreters dann
13.3.2.2.2 Nach Artikel 13 Absatz 2 Schengener Grenz-
erfüllt, wenn dieser nicht bei ihm ist,
kodex steht Personen, denen die Einreise ver-
weigert wird, ein Rechtsmittel zu. Das Ver- – er gemäß § 3 AufenthV über einen zuge-
fahren für die Einlegung des Rechtsmittels be- lassenen nichtdeutschen amtlichen Ausweis
stimmt sich nach nationalem Recht. Dem als Passersatz verfügt oder
Drittstaatsangehörigen werden auch schrift- – er über eines der in § 4 AufenthV aufge-
liche Angaben zu Kontaktstellen gemacht, die zählten Passersatzpapiere verfügt.
ihn über eine rechtliche Vertretung unterrichten
können, die entsprechend dem nationalen 14.1.1.3 Die Einreise ist i. S. d. § 14 Absatz 1 Nummer 1
Recht in seinem Namen vorgehen kann. Die unerlaubt, wenn der Ausländer einen Pass oder
Einlegung eines solchen Rechtsmittels hat keine Passersatz nicht mit sich führt und kein Fall des
aufschiebende Wirkung und ist als Rechtsbe- § 14 AufenthV vorliegt. Etwas anderes kann im
helfsbelehrung in dem auszuhändigenden Stan- Einzelfall gelten, wenn der Ausländer bis zur
dardformular angegeben. Beendigung der Einreisekontrolle den Nach-
weis erbringen kann, dass er im Besitz eines
13.3.2.2.3 Die Modalitäten der Einreiseverweigerung an gültigen Passes oder Passersatzes bzw. von der
der Grenze wie Streichungen, Stempelungen Passpflicht befreit ist.
usw. sind in Anhang V Teil A Schengener
Grenzkodex aufgeführt. 14.1.1.3.1 Ein Ausländer besitzt auch einen Pass bzw.
Passersatz, wenn er ihn einer inländischen Be-
13.3.2.2.4 Wird im Rechtsmittelverfahren festgestellt, dass
hörde oder Behörde eines anderen Schengen-
die Entscheidung über die Einreiseverwei-
Staates überlassen hat, um Eintragungen vor-
gerung unbegründet war, so hat der betreffende
nehmen zu lassen oder ein Visum zu bean-
Drittstaatsangehörige unbeschadet einer nach
tragen, und dies nachweisen kann.
nationalem Recht gewährten Entschädigung
einen Anspruch auf Berichtigung des ungültig 14.1.1.3.2 Ein Ausländer besitzt auch einen Pass bzw.
gemachten Einreisestempels und anderer Strei- Passersatz, wenn er ihn einer im Inland oder in
chungen und Vermerke durch den Mitglied- einem anderen Schengen-Staat gelegenen Ver-
staat, der ihm die Einreise verweigert hat. tretung eines auswärtigen Staates zur Durch-
führung eines Visumverfahrens vorübergehend
überlassen hat. In diesem Fall hat der Ausländer
14 Zu § 14 – Unerlaubte Einreise; Ausnah- gemäß § 55 Absatz 2, § 56 Absatz 1 Nummer 4
mevisum AufenthV einen Ausweisersatz zu beantragen,
um damit gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 die Pass-
14.1 Kriterien der unerlaubten Einreise pflicht zu erfüllen. Daher hat der Ausländer, der
14.1.0 Einreise sich auf diesen Sachverhalt beruft, darzulegen,
dass er seiner Verpflichtung nachgekommen ist
14.1.0.1 Eine Einreise liegt erst vor, wenn der Ausländer oder ihr ohne sein Verschulden nicht nach-
gemäß § 13 Absatz 2 tatsächlich die Außen- kommen konnte. Hat er die Beantragung eines
grenze der Bundesrepublik Deutschland von Ausweisersatzes schuldhaft unterlassen, ist der
einem Drittstaat oder von einem anderen Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß
Schengenstaat aus überschritten hat (siehe § 77 Nummer 2 AufenthV erfüllt.
Nummer 13.2). Eine bereits erfolgte Einreise in
einen anderen Schengenstaat lässt die Anwend- 14.1.1.3.3 Ein Ausländer besitzt den Pass nicht mehr,
barkeit des § 14 unberührt. wenn er ihn verloren oder unauffindbar verlegt
hat, wenn das Dokument entwendet oder in
14.1.0.2 § 14 Absatz 1 findet gemäß § 1 Absatz 2 Num-
wesentlichen Teilen vernichtet wurde oder un-
mer 1 auf Ausländer, deren Rechtsstellung von
leserlich ist. Zur Vermeidung einer Straftat (§ 95
dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit
Absatz 1 Nummer 1 bzw. Nummer 3) und zur
von Unionsbürgern geregelt ist (vgl. § 1 Frei-
Gewährleistung der Passvorlagepflicht (§ 48
zügG/EU) keine Anwendung (zur Ausweis-
Absatz 1) sind Einreise und Aufenthalt des
pflicht vgl. § 8 FreizügG/EU, zum Erfordernis
Ausländers in das Bundesgebiet ohne Pass,
des Aufenthaltstitels vgl. Nummer 14.1.2.1.1.6).
Passersatz oder entsprechender Befreiung zu
14.1.1 Einreise ohne erforderlichen Pass verhindern.
14.1.1.1 Die Einreise eines Ausländers ist unerlaubt, 14.1.1.4 Ein Ausländer, der zu einem Aufenthalt bis zu
wenn er einen erforderlichen Pass oder Passer- drei Monaten in das Schengen-Gebiet einreisen
satz gemäß § 3 Absatz 1 nicht besitzt. will und lediglich über einen Pass oder Passer-
14.1.1.2 Ein Ausländer erfüllt die Passpflicht, wenn satz verfügt, der zwar in Deutschland, nicht
aber in allen Schengen-Staaten anerkannt ist,
– er einen gemäß § 71 Absatz 6 anerkannten, erfüllt die Einreisevoraussetzung gemäß Arti-
gültigen Pass oder Passersatz besitzt, kel 5 Absatz 1 Buchstabe a) Schengener Grenz-
– er gemäß § 2 AufenthV minderjährig ist und kodex nur mit Bezug auf Deutschland und die-
in den anerkannten und gültigen Pass oder jenigen Schengen-Staaten, die das Dokument
Passersatz seines gesetzlichen Vertreters anerkennen. Eine unerlaubte Einreise gemäß
Seite 966 GMBl 2009 Nr. 42– 61

§ 14 Absatz 1 Nummer 1 liegt schon deshalb 14.1.2.1.1.7 – Ausländer, die durch die Verordnung (EG)
nicht vor, da die Vorschrift lediglich auf die Er- Nummer 539/2001 des Rates vom 15. März
füllung der Passpflicht für Deutschland abstellt. 2001 zur Aufstellung der Liste der Dritt-
Findet die Einreise in den Schengen-Raum über länder, deren Staatsangehörige beim Über-
eine deutsche Grenzübergangsstelle statt und schreiten der Außengrenzen im Besitz eines
ist der Kontrollperson bekannt, dass der Pass Visums sein müssen, sowie der Liste der
oder Passersatz nicht in allen Schengen-Staaten Drittländer, deren Staatsangehörige von
anerkannt ist, soll sie den Ausländer mündlich dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81
darauf hinweisen. Hierzu besteht aber keine S. 1) in der jeweils geltenden Fassung von
rechtliche Verpflichtung. der Visumpflicht für einen Kurzaufenthalt
befreit sind (so genannte „Positivstaater“).
14.1.2 Einreise ohne erforderlichen Aufenthaltstitel Soweit es dabei um die Frage geht, ob wegen
eines entsprechenden Vorbehalts aufgrund
14.1.2.1 Die Einreise eines Ausländers nach Deutsch-
von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung oder
land ist unerlaubt, wenn er den erforderlichen
der zeitlichen Beschränkung auf Kurz-
Aufenthaltstitel nicht besitzt. Ein Aufenthalts-
aufenthalte der Befreiungstatbestand erfüllt
titel ist nach § 4 Absatz 1 erforderlich, wenn der
ist, ist folgendes zu beachten:
Ausländer nicht vom Anwendungsbereich des
Aufenthaltsgesetzes ausgenommen ist (§ 1 Ab- 14.1.2.1.1.7.1 – Für die Anwendbarkeit der Befreiung
satz 2) und nicht durch europäische Rechtsvor- kommt es darauf an, ob der Ausländer
schriften, nationales Gesetz oder Rechtsver- einen Aufenthalt beabsichtigt, der wegen
ordnung vom Erfordernis des Besitzes eines Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder
Aufenthaltstitels befreit ist. Kann der Aus- der Absicht, den zeitlichen Rahmen zu
länder den Aufenthaltstitel nach der Einreise überschreiten, eines Visums (mit Zu-
einholen (41 AufenthV), ist seine Einreise ohne stimmung der Ausländerbehörde) be-
den Besitz eines Aufenthaltstitels erlaubt. §§ 39 dürfte. Die Befreiung nach Artikel 1
und 40 AufenthV setzen jedoch für den Zeit- Absatz 2 der Verordnung ist in diesen
punkt der Einreise einen Aufenthaltstitel oder Fällen nicht anwendbar, vgl. die zeitliche
die Befreiung voraus. Beschränkung in Artikel 1 Absatz 2 bzw.
14.1.2.1.1 Der Besitz eines Aufenthaltstitels ist nicht er- Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung
forderlich für i. V. m. § 17 Absatz 1 AufenthV. Daher
reist z. B. ein Staatsangehöriger einer der
14.1.2.1.1.1 – bevorrechtigte Personen, soweit gemäß § 1 in Anhang II der Verordnung genannten
Absatz 2 Nummer 2 bzw. Nummer 3 das Staaten (so genannter „Positivstaater“)
Aufenthaltsgesetz auf sie nicht anzuwenden unerlaubt ein, wenn er bereits bei der
ist (u. a. in Deutschland akkreditierte Di- Einreise die Absicht hat, sich länger als
plomaten, NATO-Truppenangehörige im drei Monate im Bundesgebiet oder im
Rahmen des NATO-Truppenstatuts und des Gebiet der Anwenderstaaten aufzu-
Zusatzabkommens zum NATO-Truppen- halten oder eine Erwerbstätigkeit aufzu-
statut), nehmen. Der Nachweis dieser Absicht
beim Grenzübertritt ist anhand ob-
14.1.2.1.1.2 – Ausländer, die dem HAuslG unterfallen, jektiver Kriterien zu führen (z. B. Mit-
führen von Werkzeugen oder der Adres-
14.1.2.1.1.3 – Personen, die Deutsche sind und zugleich se eines Arbeitgebers). Auf § 17 Absatz 2
eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen, AufenthV i. V. m. § 16 BeschV wird hin-
14.1.2.1.1.4 – Ausländer, die nach den Regelungen des gewiesen. Die Einreise eines so genann-
SDÜ/Schengener Grenzkodex zur Durch- ten „Positivstaaters“ ist jedoch dann
reise oder zum Kurzaufenthalt ohne deut- nicht unerlaubt, wenn er für einen län-
sches Visum berechtigt sind (z. B. Artikel 5 geren visumpflichtigen Aufenthalt oder
Absatz 4 Buchstabe a) Schengener Grenz- einen Aufenthalt zur Erwerbstätigkeit
kodex, Artikel 18 Satz 2 SDÜ, Artikel 21 ein entsprechendes nationales Visum be-
SDÜ), sitzt, dessen Gültigkeitszeitraum inner-
halb der auf die Einreise folgenden
14.1.2.1.1.5 – Ausländer, die zur Geltendmachung eines nächsten drei Monate beginnt (vgl.
Anspruchs auf Asylberechtigung oder auf Nummer 6.1.8.3). Aufenthalte bis zu
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in drei Monaten, die an sich visumfrei wä-
das Bundesgebiet einreisen dürfen (vgl. § 18 ren, bleiben visumfrei, auch wenn sich an
Absatz 2, § 18a AsylVfG), sie ein visumpflichtiger Aufenthalt an-
schließt, für den bereits bei Einreise ein
14.1.2.1.1.6 – die in § 2 FreizügG/EU genannten Aus- nationales Visum besteht.
länder, soweit nach § 2 Absatz 4 FreizügG/
EU keine Visumpflicht besteht. Auch soweit 14.1.2.1.1.7.2 – Wird die Absicht eines Staatsange-
danach die Visumpflicht besteht, kann eine hörigen der in Anhang II der Verord-
visumfreie Einreise nach anderen Rechts- nung genannten Staaten, eine Erwerbs-
vorschriften (z. B. Artikel 21 SDÜ) in Be- tätigkeit aufzunehmen, beim Grenz-
tracht kommen, übertritt nicht erkannt, kann deren
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 967

Vorliegen schon zum Zeitpunkt des einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder eines
Grenzübertritts aber später anhand ob- Arbeitsverhältnisses nicht aus den Grenzüber-
jektiver Kriterien nachgewiesen werden, trittspapieren hervor. Entsprechende Nach-
liegt eine unerlaubte Einreise (sowie ein forschungen sollen unterbleiben. Ist allerdings
unerlaubter Aufenthalt) vor. ausdrücklich vermerkt, dass der Aufenthalts-
titel nur in Verbindung mit bestimmten Doku-
14.1.2.1.1.7.3 – Lag die entsprechende Absicht nicht menten (wie etwa einer Verpflichtungserklä-
schon bei der Einreise vor (der zum rung) gilt, müssen diese bei der Grenzkontrolle
Zeitpunkt der Einreise nach der Verord- auch vorgewiesen werden können.
nung befreite Ausländer hat sich erst im
Inland entschlossen, eine Erwerbstätig- 14.1.2.2 Eine unerlaubte Einreise liegt nicht vor, wenn
keit aufzunehmen) oder kann das Vor- der Ausländer mit einem Visum einreist, das
liegen der Absicht schon zum Zeitpunkt aufgrund seiner Angaben ohne erforderliche
der Einreise später nicht nachgewiesen Zustimmung der Ausländerbehörde (§ 31 Auf-
werden, führt dies allerdings nicht zu enthV) erteilt wurde, obwohl er bereits bei der
einer gleichsam rückwirkend uner- Einreise einen Aufenthaltszweck beabsichtigt,
laubten Einreise, weil eine rückwirkende für den er ein Visum benötigt, das nur mit Zu-
Erfüllung von Straftatbeständen nicht stimmung der Ausländerbehörde erteilt werden
möglich ist. darf. So liegt keine unerlaubte Einreise vor,
wenn ein Ausländer mit einem kurzfristig gel-
14.1.2.1.1.7.4 – Die in Nummer 14.1.2.1.1.7 bis tenden Visum einreist, obwohl er einen Dauer-
14.1.2.1.1.7.3 dargelegten Grundsätze aufenthalt beabsichtigt. Sofern die Grenz-
gelten nicht, wenn der Staatsangehörige behörde den begründeten Verdacht hat, dass der
der in Anhang II der Verordnung ge- Aufenthalt nicht dem Zweck dienen soll, für
nannten Staaten aufgrund anderer Vor- den das Visum erteilt wurde, kann sie den Aus-
schriften vom Erfordernis des Besitzes länder gemäß § 15 Absatz 2 Nummer 2 zu-
eines Aufenthaltstitels befreit ist, z. B. rückweisen. In den Fällen der §§ 39 bis 41 Auf-
wegen der Anwendbarkeit älterer Sicht- enthV hat eine Einreise ohne Aufenthaltstitel
vermerksabkommen gemäß § 16 Auf- keine aufenthaltsrechtlichen Folgen (z. B. Zu-
enthV, oder wenn ihm die nachträgliche rückschiebung), weil der Aufenthaltstitel nach
Einholung eines erforderlichen Aufent- diesen Vorschriften bei der Einreise noch nicht
haltstitels im Bundesgebiet gemäß § 41 „erforderlich“ ist.
AufenthV gestattet ist.
14.1.3 Einreise entgegen einer Wiedereinreisesperre
14.1.2.1.1.8 – Ausländer, die nach den §§ 15 bis 30 der
AufenthV vom Erfordernis eines Aufent- 14.1.3.1 Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 tritt die Wiederein-
haltstitels befreit sind. Für die Anknüpfung reisesperre außer in den Fällen der Ausweisung
an objektive Kriterien sind die Num- und Abschiebung auch dann ein, wenn der
mer 14.1.2.1.1.7.1 ff. entsprechend anwend- Ausländer gemäß § 57 zurückgeschoben wurde.
bar.
14.1.3.2 Die Einreise entgegen der gesetzlichen Wieder-
14.1.2.1.1.9 – Nach Deutschland zurückreisende, in einreisesperre nach § 11 Absatz 1 ist unerlaubt.
Deutschland geduldete Schüler auf Schüler- Nach der Einreise besteht die vollziehbare
sammellisten (§ 22 AufenthV), sofern die Ausreisepflicht (§ 58 Absatz 2 Nummer 1), die
Ausländerbehörde in der Schülersammel- regelmäßig eine Zurückschiebung zur Folge hat
liste vermerkt hat, dass nach der Wiederein- (§ 57 Absatz 1). Ein nach unerlaubter Einreise
reise die Abschiebung ausgesetzt sein wird. gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufent-
haltstitels bewirkt nicht die Erlaubnisfiktion
14.1.2.1.2 Der Begriff „erforderlich“ i. S. d. § 14 Absatz 1 des § 81 Absatz 3. Nicht unerlaubt gemäß § 14
Nummer 2 ist so zu verstehen, dass der Aus- Absatz 1 Nummer 3 ist die Einreise, wenn der
länder irgendeinen Aufenthaltstitel besitzen Ausländer eine Betretenserlaubnis sowie das
muss, sofern er nicht Regelungen unterliegt, die erforderliche Visum besitzt.
dem Aufenthaltsgesetz vorgehen, oder von dem
Erfordernis des Besitzes eines Aufenthaltstitels 14.1.3.3 Die Einreise eines zur Einreiseverweigerung
befreit ist. Die Grenzbehörden sollen daher bei im SIS (Artikel 96 Absatz 3 SDÜ) ausgeschrie-
der Einreisekontrolle in der Kürze der Zeit an- benen Ausländers nach Deutschland ist dann
hand möglichst objektiver Merkmale feststellen unerlaubt, wenn der Ausschreibung eine Aus-
können, ob der Ausländer die formellen Ein- weisung oder Abschiebung oder Zurück-
reisevoraussetzungen nach §§ 3 und 4 erfüllt. schiebung einer deutschen Ausländerbehörde
oder einer sonstigen mit der Maßnahme der
14.1.2.1.3 Enthält der Aufenthaltstitel aufschiebende oder Zurückschiebung betrauten Behörde zu Grun-
auflösende Bedingungen, die auf Umstände de liegt (siehe Nummer 58. 0. 13.1.1 und Vor
verweisen, die nicht aus den mitgeführten 53.10) und somit zugleich eine Wiedereinreise-
Grenzübertrittspapieren hervorgehen, ist bei sperre gemäß § 11 Absatz 1 besteht (siehe auch
der Grenzkontrolle nicht von der Ungültigkeit Nummer 14.1.5).
des Aufenthaltstitels wegen der Bedingung
auszugehen, sofern diese Ungültigkeit nicht of- 14.1.3.4 Wird dem Ausländer durch eine deutsche Aus-
fensichtlich ist. So gehen etwa das Fortbestehen landsvertretung entgegen § 11 Absatz 1 vor der
Seite 968 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Einreise aufgrund unrichtiger oder unvoll- 14.2 Erteilung von Ausnahmevisa an der Grenze
ständiger Angaben ein Visum erteilt, kann die
Grenzbehörde den Ausländer gemäß § 15 Ab- 14.2.0 Allgemeines
satz 2 Nummer 1 zurückweisen und das Visum 14.2.0.1 In Ausnahmefällen kann nach § 14 Absatz 2 ein
gemäß § 52 Absatz 1 Nummer 3 widerrufen. Visum an der Grenze erteilt werden. Ein Aus-
Reist der Ausländer mit diesem Visum unkon- nahmevisum kann grundsätzlich als nationales
trolliert ein oder hat die Grenzbehörde bei der Visum oder als so genanntes einheitliches Vi-
Einreisekontrolle nicht erkannt, dass das Visum sum nach Artikel 10 SDÜ erteilt werden. Letz-
entgegen § 11 Absatz 1 erteilt wurde, ist zwar teres kann auch räumlich beschränkt erteilt
die Voraussetzung für eine unerlaubte Einreise werden.
i. S. v. § 14 Absatz 1 Nummer 3 erfüllt. Der
Umstand des wirksam erteilten Visums gebietet 14.2.0.2 Wird ein Ausnahmevisum für einen Aufenthalt
es jedoch, so lange vom Bestand der durch das erteilt, dessen Dauer insgesamt drei Monate
Visum verliehenen Rechtsposition auszugehen, überschreitet, handelt es sich nicht um ein ein-
bis die vollziehbare Ausreisepflicht durch Er- heitliches, sondern gemäß Artikel 18 SDÜ um
lass eines entsprechenden Verwaltungsaktes be- ein nationales Ausnahmevisum. Das nationale
wirkt worden ist (vgl. § 48 VwVfG). Visum wird grundsätzlich von den diplomati-
schen und konsularischen Vertretungen nach
14.1.3.5 Die für die Befristung der Sperrwirkung nach Maßgabe des nationalen Rechts erteilt. Die
§ 11 Absatz 1 zuständige Ausländerbehörde ausnahmsweise Erteilung eines solchen Visums
oder im Falle einer zuvor erfolgten Zurück- an der Grenze ist möglich.
schiebung (§ 57) die für die polizeiliche Kon-
14.2.0.3 Nach Artikel 12 Absatz 1 SDÜ wird das ein-
trolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu-
heitliche Visum grundsätzlich von den di-
ständige Behörde (§ 71 Absatz 3 Nummer 1) ist
plomatischen und konsularischen Vertretungen
gemäß § 87 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 über
erteilt. Die ausnahmsweise Erteilung eines ein-
eine unerlaubte Einreise oder einen ent-
heitlichen Visums an der Grenze ist nur nach
sprechenden Versuch zu unterrichten.
Maßgabe der Verordnung (EG) Nummer 415/
2003 des Rates vom 27. Februar 2003 über die
14.1.4 Ein Ausländer reist unter den Voraussetzungen
Erteilung von Visa an der Grenze, ein-
des § 14 Absatz 1 auch dann unerlaubt ein,
schließlich der Erteilung derartiger Visa an See-
wenn er bei der Einreise kontrolliert worden ist
leute auf der Durchreise (ABl. EG Nummer
(z. B. nur Sichtkontakt), aber die Grenzbehörde
L 64 S. 1) unter den dort genannten Voraus-
nicht bemerkt hat, dass er die Einreisevoraus-
setzungen möglich.
setzungen des Besitzes von Pass und Aufent-
haltstitel nicht erfüllt und ihm die Einreise frei- 14.2.0.4 Im Rahmen des Artikels 10 SDÜ (einheitliches
gegeben oder sie nicht aktiv verhindert hat. Visum, Ausnahmevisum) ist zwischen einem
Eine grenzpolizeiliche Kontrolle und auch die unbeschränkten und einem räumlich be-
Anbringung eines Einreisekontrollstempels in schränkten Ausnahmevisum zu unterscheiden.
einem Dokument rechtfertigt für sich allein Ein unbeschränktes Ausnahmevisum gilt für
nicht die Annahme, der Ausländer habe die die Bundesrepublik Deutschland und alle an-
formellen Einreisevoraussetzungen erfüllt. deren Schengen-Staaten, während das räumlich
beschränkte Ausnahmevisum nur für einen
14.1.5 Die Einreise bei Vorliegen der Voraussetzungen oder mehrere Schengen-Staaten erteilt wird.
des § 5 Absatz 4 (insbesondere Terrorismus-
verdacht) ist nicht ohne weiteres unerlaubt. 14.2.0.5 Die Befugnis zur Erteilung eines einheitlichen
Anders als § 11 normiert § 5 Absatz 4 kein ge- Visums an der Grenze (Ausnahmevisum) ergibt
nerelles Einreise- und Betretensverbot, sondern sich aus § 14 Absatz 2 i. V. m. der Verordnung
nur einen zwingenden Versagungsgrund für die (EG) Nummer 415/2003.
Erteilung eines Aufenthaltstitels. Sinn dieser 14.2.0.6 Die Zuständigkeit der Grenzbehörden für die
Regelung ist, dass das Vorliegen einer Terro- Erteilung von Ausnahmevisa ergibt sich aus
rismusgefahr – anders als eine erfolgte Aus- § 71 Absatz 3 Nummer 2. Die Grenzbehörden
weisung, Abschiebung oder Zurückschiebung – sind dementsprechend grundsätzlich unzustän-
nicht zeitnah bei Grenzübertritt beurteilt wer- dig zur Ausstellung von Ausnahmevisa an Per-
den kann. Allerdings ist Artikel 5 Absatz 1 sonen, die bereits eingereist sind; dasselbe gilt
Buchstabe e) Schengener Grenzkodex zu be- für die Verlängerung von Visa. Antragsteller
achten, die Tatbestandsvoraussetzungen sind sind an die jeweils örtlich zuständige Aus-
bei entsprechender Ausschreibung im SIS als länderbehörde zu verweisen. Das Bundesmi-
vorliegend zu betrachten. Eine Einreise- nisterium des Innern kann jedoch Ausnahmen
verweigerung ist – ggf. nach Widerruf des Vi- hiervon zulassen. Örtlich zuständig ist die
sums, § 71 Absatz 3 Nummer 3 – auf § 15 Ab- Ausländerbehörde, in deren Bezirk der be-
satz 2 Nummer 1 und 3 zu stützen, auch wenn treffende Ausländer wohnt oder sich ständig
eine entsprechende Ausschreibung nicht vor- aufhält, hilfsweise die Ausländerbehörde, in der
liegt, sondern sich die Gefährlichkeit aus an- sich der Ausländer gegenwärtig aufhält.
deren Tatsachen ergibt. Die Unterrichtung von
Strafverfolgungsbehörden bzw. anderen Stellen 14.2.0.7 Grundsätzlich sind Drittausländer, die die Ein-
ist stets zu veranlassen. reisevoraussetzungen nicht erfüllen, zurückzu-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 969

weisen. Die Darlegungslast, dass Gründe für die notwendigen Mittel zum Kraftstoffer-
Erteilung eines Ausnahmevisums gegeben sein werb zu erbringen ist,
könnten, trifft ausnahmslos den Ausländer (vgl. – nicht im SIS oder im Geschützten Grenz-
§ 82 Absatz 1). Bestehen, insbesondere im fahndungsbestand zur Einreiseverweige-
Hinblick auf Sicherheitsbelange, Zweifel, ob ein rung ausgeschrieben ist oder sonst eine
Ausnahmevisum erteilt werden kann, ist von Wiedereinreisesperre besteht, und
einer Erteilung abzusehen. Bei der Überprü-
fung der Voraussetzungen gilt der Grundsatz: – keine Gefahr für die öffentliche Ordnung,
„Im Zweifel für die Sicherheit“. die nationale Sicherheit oder die internatio-
nalen Beziehungen eines Schengen-Staates
14.2.1 Voraussetzungen für die Erteilung von ein- einschließlich Deutschlands darstellt und
heitlichen Visa an der Grenze hierfür auch keine Anhaltspunkte vorliegen.
14.2.1.1 Vor der Erteilung eines einheitlichen Ausnah- 14.2.1.3 Das unter den Voraussetzungen nach Num-
mevisums ist die Erfüllung auch der allgemei- mer 14.2.1.2 erteilte Ausnahmevisum ist
nen Einreisevoraussetzungen (Artikel 5 Ab- grundsätzlich in seinem räumlichen Geltungs-
satz 1 Buchstabe a), c), d) und e) Schengener bereich nicht zu beschränken. Im Ausnahmefall
Grenzkodex) zu überprüfen. Vorhandene Kon- kann eine räumliche Beschränkung gemäß Ar-
sultationsvorbehalte (Artikel 17 Absatz 2 SDÜ) tikel 10 Absatz 3 SDÜ in Frage kommen. Das
sind zu berücksichtigen (vgl. Nummer 14.2.4). Ausnahmevisum ist hingegen entsprechend
14.2.1.2 Ein einheitliches Ausnahmevisum darf grund- räumlich zu beschränken, wenn das Reisedo-
sätzlich nur erteilt werden, sofern der Aus- kument lediglich für eine oder mehrere Ver-
länder tragsparteien gültig ist (Artikel 14 Absatz 1
Satz 2 SDÜ).
– im Besitz eines oder ggf. mehrerer gültiger
und anerkannter Grenzübertrittspapiere ist, 14.2.1.4 Einem Drittausländer, der nicht alle in Num-
mer 14.2.1.3 genannten Voraussetzungen er-
– in geeigneter Weise, ggf. unter Vorlage von
füllt, darf grundsätzlich kein einheitliches Vi-
Dokumenten folgende Aspekte belegen
sum erteilt werden. Von diesem Grundsatz darf
kann:
abgewichen werden, wenn die Erteilung eines
– dass die Dauer des Aufenthaltes ins- einheitlichen Ausnahmevisums aus humani-
gesamt drei Monate nicht überschreitet, tären Gründen, Gründen des nationalen Inter-
– den Zweck des Aufenthaltes, esses oder auf Grund internationaler Verpflich-
tungen erforderlich ist.
– das Vorliegen eines unvorhersehbaren
zwingenden Einreisegrundes, der es ihm 14.2.1.5 Ein nach Nummer 14.2.1.4 erteiltes Ausnah-
unmöglich gemacht hat, ein Visum im mevisum ist gemäß Artikel 16 SDÜ i. V. m. Ar-
Voraus bei einer diplomatischen oder tikel 5 Absatz 4 Buchstabe c) Schengener
konsularischen Vertretung zu beantra- Grenzkodex räumlich auf Deutschland zu be-
gen, schränken.
– das Vorhandensein ausreichender Mittel 14.2.1.6 Ein Visum, das bei Vorliegen der in Num-
zur Bestreitung des Lebensunterhaltes mer 14.2.1.2 oder 14.2.1.4 genannten Bedin-
sowohl für die Dauer des Aufenthaltes gungen an der Grenze erteilt wird, kann je nach
als auch für die Rückreise in den Her- Fall und Zweck entweder ein Durchreisevisum
kunftsstaat oder die Durchreise in einen (Typ „B“) oder ein Einreisevisum (Typ „C“)
Drittstaat, in dem seine Einreise ge- sein. Die Gültigkeitsdauer eines Einreisevisums
währleistet ist, bzw. die Möglichkeit, (Typ „C“) beträgt höchstens 15 Tage, die eines
solche Mittel in erlaubter Weise zu er- Durchreisevisums (Typ „B“) höchstens fünf
werben, und Tage. Es ist jeweils nur für eine Einreise gültig.
– dass seine Rückreise in seinen Her-
14.2.1.7 Ein Drittstaatsangehöriger, der an der Grenze
kunftsstaat oder die Durchreise in einen
ein Durchreisevisum beantragt, muss im Besitz
Drittstaat gewährleistet ist, und zwar
der Visa sein, die für seine Weiterreise in andere
durch Vorlage eines oder ggf. mehrerer
Transitstaaten als Mitgliedstaaten, die Titel II
gültiger und anerkannter Grenzüber-
Kapitel 3 des SDÜ anwenden, und für den Be-
trittspapiere einschließlich ggf. erforder-
stimmungsstaat erforderlich sind.
licher Visa, die hinreichend gültig sind,
sowie eines Nachweises einer hin- 14.2.2 Besondere Voraussetzungen für die Erteilung
reichenden Rückreisemöglichkeit, wobei eines einheitlichen Ausnahmevisums zur Auf-
dieser Nachweis im Luftverkehr grund- nahme einer Erwerbstätigkeit
sätzlich durch einen bestätigten und be-
Zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kann ein
zahlten Rückflugschein, im See-, Bahn-
einheitliches Ausnahmevisum (Typ „C“) nur
und Busverkehr durch bezahlte Be-
erteilt werden, wenn der beabsichtigte Aufent-
förderungsausweise oder hinreichende
halt die Dauer von drei Monaten nicht über-
Mittel zur Bezahlung solcher Ausweise
steigt
sowie im individuellen Straßenverkehr
durch Vorhandensein eines hinreichend 14.2.2.1 – auf ausdrückliches Ersuchen einer Aus-
verkehrstauglichen Fahrzeuges und die länderbehörde, die schriftlich bestätigt, dass
Seite 970 GMBl 2009 Nr. 42– 61

sie der Erteilung eines Visums für den vor- Einreise der zuständigen Grenzbehörde vor-
gesehenen Aufenthaltszweck zustimmt, liegen. Das Visum ist räumlich nicht zu be-
schränken.
14.2.2.2 – auf Anordnung des Bundesministeriums des
Innern, 14.2.4.2 Personen, die zu einer Kategorie von Auslän-
dern gehören, für die zwingend vorgeschrieben
14.2.2.3 – auf Ersuchen und in Amtshilfe für das Aus-
ist, die eigene Zentralbehörde Deutschlands
wärtige Amt oder
(Auswärtiges Amt) zu konsultieren (siehe An-
14.2.2.4 – auf Bitten einer obersten Landesbehörde. lage 5 der Gemeinsamen Konsularischen In-
struktion in der jeweils gültigen Fassung) kann
14.2.3 Besondere Voraussetzungen für die Erteilung nach Konsultation des Bundesnachrichten-
eines nationalen Ausnahmevisums dienstes, des Bundesamtes für Verfassungs-
Die Erteilung eines nationalen Ausnahme- schutz, des Militärischen Abschirmdienstes, des
visums (Typ „D“) an der Grenze für Auf- Bundeskriminalamtes und des Zollkriminal-
enthalte von insgesamt mehr als drei Monaten amtes ein einheitliches Ausnahmevisum erteilt
richtet sich ausschließlich nach dem Aufent- werden
haltsgesetz. Voraussetzung für die Erteilung
Ausgenommen von der Konsultationspflicht
eines nationalen Ausnahmevisums (Typ „D“)
sind Seeleute in Ausübung ihrer Berufstätigkeit
ist, dass es dem Ausländer aus zwingenden
oder bei in unmittelbarem Zusammenhang mit
Gründen verwehrt war, bei der zuständigen
der Seemannseigenschaft stehenden Einreisen
deutschen Auslandsvertretung ein Visum ein-
und Aufenthalten zur An-, Ab- oder Um-
zuholen, und er unter Vorlage entsprechender
musterung und andere Personen oder Perso-
Nachweise einen unvorhersehbaren zwingen-
nengruppen, bei denen eine Ausnahme aus hu-
den Einreisegrund geltend machen kann. Die
manitären Gründen, Gründen des nationalen
nach § 31 Absatz 1 Nummer 1 AufenthV er-
Interesses oder auf Grund internationaler Ver-
forderliche Zustimmung der Ausländerbehörde
pflichtungen erforderlich ist.
muss eingeholt werden.
In den Fällen des § 14 Absatz 2 kann die jewei-
Wird ein nationales Ausnahmevisum an der
lige mit der polizeilichen Kontrolle des grenz-
Grenze erteilt, beträgt die maximale Gültig-
überschreitenden Verkehrs beauftragte Behörde
keitsdauer 15 Tage. Damit wird sichergestellt,
die im Visumverfahren erhobenen Daten an die
dass Personen, die einen längerfristigen Auf-
in Satz 1 genannten Behörden übermitteln (§ 73
enthaltstitel anstreben, unmittelbar nach der
Absatz 1 Satz 4).
Einreise bei der zuständigen Ausländerbehörde
vorstellig werden. 14.2.5 Fallgruppen
14.2.4 Konsultationsvorbehalte Die nachstehend genannten Fallgruppen sind
nicht abschließend, sondern als Richtschnur zu
14.2.4.1 Personen, die zu einer Kategorie von Aus-
betrachten. Sie sind daher keinesfalls schema-
ländern gehören, für die zwingend vorge-
tisch anzuwenden.
schrieben ist, eine oder mehrere Zentralbe-
hörden anderer Schengen-Staaten zu konsultie- 14.2.5.1 In den folgenden Fällen liegt i. d. R. ein unvor-
ren (siehe Anlage 5 der Gemeinsamen hersehbarer zwingender Einreise- oder Durch-
Konsularischen Instruktion in der jeweils gül- reisegrund vor, sofern dieser erst zu einem
tigen Fassung), darf grundsätzlich kein ein- Zeitpunkt bekannt wurde, zu dem ein reguläres
heitliches Ausnahmevisum erteilt werden. In Visumverfahren nicht mehr durchgeführt wer-
Ausnahmefällen kann diesen Personen jedoch den konnte:
gemäß Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c) Schen-
– plötzliche schwere Erkrankung eines nahen
gener Grenzkodex ein auf Deutschland räum-
Angehörigen oder einer gleichartig nahe
lich beschränktes einheitliches Ausnahmevisum
stehenden Person,
erteilt werden, soweit es aus humanitären
Gründen, aus Gründen des nationalen Inter- – Tod eines nahen Angehörigen oder einer
esses oder auf Grund internationaler Verpflich- gleichartig nahe stehenden Person. Es wird
tungen erforderlich ist und die Reise nur nach darauf hingewiesen, dass in einigen Kultu-
Deutschland führt. ren und Religionen eine Beerdigung am To-
destag oder an dem auf den Tod folgenden
Seeleuten in Ausübung ihrer Berufstätigkeit Tag üblich oder sogar religiös geboten ist,
oder bei in unmittelbarem Zusammenhang mit
der Seemannseigenschaft stehenden Einreisen – durch Unfälle, insbesondere Schiffbruch in
und Aufenthalten, sofern diese zur An-, Ab- Gewässern nahe des Bundesgebietes, son-
oder Ummusterung rechtzeitig bei der zu- stige Rettungs- und Katastrophenfälle oder
ständigen Grenzbehörde angekündigt wurden, aus sonstigen Gründen erforderlich gewor-
kann nur nach Einholung der Zustimmung des dene Einreise zur medizinischen und/oder
Auswärtigen Amtes ein Ausnahmevisum in psychologischen Erstversorgung und aus-
Amtshilfe erteilt werden. I.d.R. ist es für die nahmsweise Folgeversorgung in Deutsch-
Durchführung des Konsultationsverfahrens er- land,
forderlich, dass die Personendaten der Seeleute – unverschuldetes Versäumen oder Ausfall
mindestens zehn Tage vor der beabsichtigten von Anschlussverbindungen, sofern sich
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 971

hieraus auf Grund des Einzelfalles die Not- 14.2.5.3 Die folgenden Umstände rechtfertigen bei-
wendigkeit einer Einreise ergibt, sowie, bei spielhaft, jeweils für sich allein betrachtet, keine
sonstigen Reisen, von den ursprünglichen Ausnahmeentscheidung:
Reiseplänen ohne erkennbares Verschulden – Bezeichnung des mitgeführten Passes oder
des Reisenden um bis zu einen Tag ab- sonstiger Ausweise, sofern hiervon nicht
weichende Gültigkeitsdauer des Visums (die nach europäischem oder deutschem Recht
Gesamtaufenthaltdauer von 90 Tagen pro unmittelbar und ausdrücklich eine recht-
Halbjahr darf nicht überschritten werden), liche Folge abhängt,
– Notwendigkeit der kurzfristigen Reparatur – Ehren- oder akademische Titel, Ehren-
eines Luftfahrzeuges durch Personal, das prädikate, Adelstitel, Verwandtschaft,
durch den Inhaber des Fluggerätes beauf- – ökonomische Interessen, es sei denn, es
tragt wurde. Es ist wegen der erhöhten Si- handelt sich um Interessen, die im Einzelfall
cherheitsbedürfnisse im Luftverkehr das erkennbar von nationaler Bedeutung für die
schriftlich erklärte Einvernehmen der Be- Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland
hörden, die für die Gewährleistung der Si- sind,
cherheit des Luftverkehrs und des Flug-
hafengebäudes zuständig sind, und des In- – kurzfristige Änderungen von Reiseplänen,
habers des Luftfahrzeuges sicherzustellen. – Falschinformation durch ein Reisebüro über
Visumerfordernisse,
14.2.5.2 In den folgenden Fällen liegen Sachverhalte vor,
– Einreise von Passagieren im Rahmen einer
in denen aus Gründen des nationalen Interesses
Kreuzfahrt,
ein einheitliches Ausnahmevisum erteilt wer-
den kann: – Wunsch mehrfacher Einreise trotz Aus-
stellung des Visums nur zur einfachen Ein-
– Einreise von Mitgliedern der Regierung reise,
(Regierungschef; Minister, bei Bundesstaa-
– Abweichungen des Regelungsgegenstandes
ten nur auf Bundesebene) eines Staates, zu
der jeweiligen Visa bei mehreren Personen,
dem die Bundesrepublik Deutschland di-
die zusammen reisen, sofern kein offen-
plomatische Beziehungen unterhält, aus
kundiger Ausstellungsfehler nahe liegt,
dargelegten dienstlichen Gründen, sofern
die behauptete Dienststellung nachgewiesen – Beschränkung der Visumgültigkeit nur auf
ist (ggf. beim Auswärtigen Amt anzufra- andere Schengen-Staaten trotz erkennbaren
gen), Einreisewunsches nach Deutschland,
– angebliche Fehler bei der Visumerteilung
– Einreise zu Gesprächsterminen mit Ver-
durch andere Schengen-Staaten; der Inhalt
tretern deutscher oberster oder oberer Bun-
der entsprechenden Visa liegt allein im Ver-
des- oder Landesbehörden, sofern ein Ein-
antwortungsbereich des Ausstellerstaates,
ladungsschreiben vorgelegt werden kann;
sofern möglich, ist der Termin durch einen – Eintreffen zur Nachtzeit und Wunsch nach
Rückruf bei der einladenden Stelle zu veri- rascher Schaffung einer Übernachtungs-
fizieren, möglichkeit, solange kein medizinisch-pa-
thologischer Zustand festzustellen ist,
– Einreise zu Veranstaltungen der Bundesre-
gierung oder einer Landesregierung bei – Schwangerschaft, solange kein medizinisch-
Vorlage einer persönlichen, namentlichen pathologischer Zustand festzustellen ist.
Einladung, 14.2.6 Verfahren
– Einreise prominenter Personen des inter- 14.2.6.0 Sämtliche pass- und ausländerrechtlichen Ver-
nationalen öffentlichen Lebens (nach inter- waltungsakte, soweit sich die Notwendigkeit an
nationalem Maßstab bedeutende Persön- der Grenze ergibt, sind durch die jeweils
lichkeiten des politischen, wirtschaftlichen örtliche Dienststelle der Grenzbehörde zu
oder kulturellen Lebens), erlassen. Die Grenzbehörde gilt i. S. d. Verwal-
tungsverfahrensrechts als diejenige Verwal-
– vorhandenes erhebliches außenpolitisches tungsbehörde, die den entsprechenden Verwal-
Interesse nach Einschätzung des Auswär- tungsakt erlässt. Dies gilt auch in den Berei-
tigen Amtes (stets auf Grund eines in Text- chen, in denen nach den nachstehend genannten
form, etwa per Telefax oder E-Mail, ein- Vorbehalten vor dem Erlass des betreffenden
zuholenden Votums des Auswärtigen Am- Verwaltungsaktes die Entscheidung einer an-
tes, das ggf. über das Bundesministerium des deren Stelle einzuholen ist. Die Befugnis über-
Innern anzufordern ist). geordneter Behörden und Dienststellen, sich
bestimmte Entscheidungen auf Grund ihrer
Die vorstehenden Ausnahmegründe erstrecken
Bedeutung bzw. ihrer möglichen Auswirkun-
sich auch auf mitreisende Begleiter. Sofern es
gen selbst vorzubehalten, bleibt unberührt.
sich eher um eine Delegationsgruppe handelt,
ist im Zweifel, sofern das Auswärtige Amt nicht 14.2.6.1 Wurde die Entscheidung einer übergeordneten
selbst votiert, beim Bundesministerium des In- Behörde oder anderen Dienststelle eingeholt,
nern eine Entscheidung einzuholen. hat die örtliche Dienststelle dieser auf dem
Seite 972 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Dienstweg unverzüglich auf elektronischem 14.2.7 Korrektur oder Ergänzung vorhandener Visa
Weg einen grenzpolizeilichen Bericht über den
Sachverhalt und den Vollzug der getroffenen 14.2.7.1 Ergeben sich besondere Anhaltspunkte, wo-
Entscheidung vorzulegen. Sofern ein Ausnah- nach versehentlich von einer deutschen Aus-
mevisum erteilt wurde, ist dem Bericht eine landsvertretung ein Visum in korrekturbe-
Kopie davon beizufügen. dürftiger Weise erteilt wurde oder nach dem
Sinn der Entscheidung, mit der das Visum er-
14.2.6.2 Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenz- teilt wurde, eine Ergänzung erforderlich wird,
überschreitenden Verkehrs beauftragten Be- kann die zuständige Grenzbehörde das Visum
hörden treffen nach § 14 Absatz 2, § 71 Ab- korrigieren bzw. ergänzen. Korrektur- oder
satz 3 Nummer 2 die Entscheidungen über Ergänzungsbedarf kann in den folgenden Fall-
Ausnahmevisa selbst, sofern nicht nach dem konstellationen bestehen:
Aufenthaltsgesetz oder auf Grund eines Er-
14.2.7.1.1 – Korrekturbedarf besteht bei offensicht-
lasses vorgesetzter Behörden Entscheidungs-
lichen Schreibfehlern bei Namens- und Da-
vorbehalte bestehen.
tumsangaben, wobei die Möglichkeit einer
– Nach § 31 Absatz 1 AufenthV besteht das Fälschung oder Verfälschung des Visumeti-
Erfordernis der Zustimmung der Aus- ketts ausgeschlossen sein muss.
länderbehörde in bestimmten Fallgruppen.
14.2.7.1.2 – Ergänzungsbedarf kann aus reisetechni-
– Sofern eine nicht nach der BeschV zustim- schen Gründen entstehen, wenn ein für eine
mungsfreie Erwerbstätigkeit, die nicht nach oder zwei Einreisen ausgestelltes Visum le-
der Fiktion des § 17 Absatz 2 AufenthV diglich für kurze „Aus- und Wiederein-
i. V. m. § 16 BeschV als Nichterwerbstätig- reisen“ genutzt werden soll, also bei ver-
keit gilt, ausgeübt werden soll und nicht ständiger Würdigung des Einzelfalles bei
nach dem Aufenthaltsgesetz ein Recht zur der „Ausreise“ aus dem Schengen-Gebiet
Ausübung einer Erwerbstätigkeit besteht, nicht von einem endgültigen Verlassen und
bedarf die Erteilung eines Ausnahmevisums, somit nicht von einer erneuten Einreise aus-
das zur Erwerbstätigkeit berechtigen soll, gegangen werden kann. Ein Beispiel ist die
neben der nach § 31 Absatz 1 Nummer 2 Inanspruchnahme eines Fluges von einem
AufenthV erforderlichen Zustimmung der Schengen-Staat im unmittelbaren Transit
Ausländerbehörde auch der Zustimmung über einen Drittstaat in einen anderen
der Bundesagentur für Arbeit. Es wird dar- Schengen-Staat. Ein weiteres Beispiel ist die
auf hingewiesen, dass eine bestehende Zu- Ausreise im Rahmen eines Tagesausfluges in
stimmung im Rahmen ihrer zeitlichen Be- einen Nicht-Schengen-Staat von einem
grenzung nach § 14 Absatz 2 Satz 1 Be- Schengen-Staat aus, insbesondere, wenn sich
schVerfV auch für weitere Aufenthaltstitel das Reisegepäck während des Tagesaus-
gilt. Ob eine Zustimmung erteilt wurde, fluges noch im Schengen-Gebiet befindet.
kann dem Ausländerzentralregister ent- Der bereits in Anspruch genommene und
nommen werden. der sich daran anschließende Aufenthalt im
14.2.6.3 Die Durchführung einer erforderlichen Kon- Schengen-Gebiet darf die zulässige Höchst-
dauer (90 Tage pro Halbjahr) nicht über-
sultation eigener Zentralbehörden oder der
schreiten.
Zentralbehörden anderer Schengen-Staaten
veranlasst die Grenzbehörde in eigener Zustän- 14.2.7.2 Im Falle der Korrektur bzw. Ergänzung ist das
digkeit; Rechtsgrundlage ist § 73 Absatz 1 zu korrigierende oder zu ergänzende Visum
Satz 3. ungültig zu stempeln. Da die Annullierung des
von der Auslandsvertretung ausgestellten Vi-
14.2.6.4 In allen Fällen und bei allen Visumkategorien
sums in der AZR-Visadatei nur von der Regis-
ist – unabhängig von der Staatsangehörigkeit
terbehörde selbst vorgenommen werden kann,
oder von einem möglichen Rechtsanspruch auf
ist der Sachverhalt unter Angabe der Perso-
Erteilung eines Visums – zu prüfen, ob eine
nalien und der Visumsdaten auf elektronischem
Einreiseverweigerung (Artikel 5 Absatz 1
Wege an das Bundesverwaltungsamt zu melden.
Buchstabe d) Schengener Grenzkodex, 96
Es ist ein neuer Visumaufkleber anzubringen,
SDÜ) oder sonstige nationale Speichersach-
der den gesamten Inhalt des Visums unter Be-
verhalte bestehen. Dies erfolgt durch die Ab-
rücksichtigung der Korrektur bzw. Ergänzung
frage im INPOL/SIS und im Ausländer-
enthält. Dabei wird als erster Tag der Gültigkeit
zentralregister. Sofern aus dem Ausländer-
der Tag der Entscheidung eingetragen und die
zentralregister ersichtlich ist, dass bereits ein
handelnde Dienststelle als Ausstellungsbehörde
Visum im zeitlichen Zusammenhang beantragt
angegeben.
wurde, die Entscheidung aber noch aussteht, ist
Kontakt mit der zuständigen Auslandsvertre-
tung aufzunehmen und der Grund für die aus-
15 Zu § 15 – Zurückweisung
stehende Entscheidung abzuklären. Im Falle
einer bereits erteilten Ablehnung des Antrages 15.0 Allgemeines
von der Auslandsvertretung ist dem Antrag-
steller an der Grenze die Erteilung eines Aus- 15.0.1 Ausländer, die nach Deutschland einreisen
nahmevisums ebenfalls zu versagen. wollen, können unter den Voraussetzungen des
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 973

§ 15 an der Grenze zurückgewiesen werden. ist jeder Staat zur Rückübernahme eigener
Für die Zurückweisung sind die mit der poli- Staatsangehöriger verpflichtet. Von einer Auf-
zeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden nahmebereitschaft durch einen anderen als den
Verkehrs beauftragten Behörden zuständig Herkunftsstaat kann ausgegangen werden,
(§ 71 Absatz 3 Nummer 1). wenn der Staat dem Ausländer einen Aufent-
haltstitel oder eine Rückkehrberechtigung aus-
15.0.2 Auf Ausländer, die unter den Anwendungsbe- gestellt hat und diese noch gültig sind.
reich des § 1 FreizügG/EU fallen, ist § 15 nicht
anwendbar, solange die Ausländerbehörde das 15.0.5.3 Bei der Ermessensentscheidung, in welches
Nichtbestehen oder den Verlust des Rechts Land der Ausländer zurückgewiesen werden
nach § 2 Absatz 1 FreizügG/EU nicht fest- soll, sind in erster Linie die Interessen der Bun-
gestellt hat, vgl. § 11 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 desrepublik Deutschland und der Schengen-
FreizügG/EU. Zur Frage der Zurückweisung Staaten zu berücksichtigen. Die Auswahl er-
siehe § 6 Absatz 1 Satz 2 FreizügG/EU (vgl. folgt unter dem Gesichtspunkt einer effektiven
Nummer 6.1.2 FreizügG/EU-VwV). Zurückweisung. Es sind aber auch die Belange
des Ausländers (z. B. Hauptreiseziel) und eines
15.0.3 Soweit einem Ausländer aufgrund der §§ 18, ggf. kostenpflichtigen Beförderungsunterneh-
18a bzw. 33 AsylVfG die Einreise verweigert mers (§ 64) zu berücksichtigen.
wird, richtet sich die Zurückweisung nach § 15.
15.0.5.4 Das Ziel der Zurückweisung ist dem Ausländer
15.0.4 Kann über die Zurückweisung trotz der ge- zusammen mit der Eröffnung der Zurück-
botenen zügigen Bearbeitung nicht zeitnah weisung bekannt zu geben. Grundsätzlich soll
entschieden werden (z. B. weil Behörden für in Fällen, in denen der Zielstaat nicht bereits
zwingend notwendige Auskünfte vorüber- eindeutig feststeht, Folgendes eröffnet werden:
gehend nicht erreichbar sind) und ist dem Aus-
„Die Zurückweisung erfolgt in den Staat,
länder aus besonderen Gründen ganz aus-
aus dem Sie einzureisen versuchten. Sie
nahmsweise nicht zuzumuten, die Entschei-
kann auch in den Staat erfolgen, in dem Sie
dung vor Ort abzuwarten (z. B. wegen einer
die Reise angetreten haben, in dem Sie Ih-
dringend gebotenen medizinischen Behand-
ren gewöhnlichen Aufenthalt haben, des-
lung), ist stets zu prüfen, inwieweit von der
sen Staatsangehörigkeit Sie besitzen oder
Vorschrift des § 13 Absatz 2 Satz 2 Gebrauch
der Ihren Pass oder Passersatz ausgestellt
gemacht werden kann. Die Anwendung dieser
hat, oder in einen sonstigen Staat, in den Sie
Vorschrift setzt in aller Regel jedoch voraus,
einreisen dürfen.“
dass der Ausländer bei negativer Einreiseent-
scheidung unverzüglich noch zurückgewiesen Im Hinblick auf § 15 Absatz 4 Satz 1 kann der
werden kann. Insbesondere bei möglicher An- Ausländer somit unmittelbar zielstaats-
wendung des ICAO-Übereinkommens ist bezogene Zurückweisungshindernisse geltend
grundsätzlich eine Zurückweisung zu verfügen machen, ohne dass es wegen der späteren Er-
oder § 13 Absatz 2 Satz 2 anzuwenden. öffnung des Zielstaates zu vermeidbaren Ver-
zögerungen kommt. Insbesondere bei Zurück-
15.0.5 Gesetzliche Bestimmungen über das Ziel der
weisungen auf dem Luftwege ist dies zu be-
Zurückweisung sind in § 15 nicht enthalten. Es
achten.
gilt Folgendes:
15.0.6 Im Falle der Einreiseverweigerung bringt der
15.0.5.1 Die Zurückweisung erfolgt grundsätzlich in Kontrollbeamte in dem Pass einen Einreise-
den Staat, aus dem der Ausländer einzureisen stempel an, den er in Form eines Kreuzes (ver-
versucht. Ein Ausländer kommt in diesem Sin- tikale und horizontale Linie) mit schwarzer,
ne nicht aus einem Staat, in dem er sich lediglich dokumentenechter Tinte durchstreicht; zudem
im Flughafentransit oder im Schiffstransit auf- trägt er rechts neben diesem Stempel ebenfalls
gehalten hat und nicht grenzpolizeilich kon- mit dokumentenechter Tinte den jeweiligen
trolliert wurde. Die Zurückweisung in einen Kennbuchstaben ein, der entsprechend dem in
Transitstaat ist aber zulässig, wenn dieser auf Anhang V, Teil B zum Schengener Grenzkodex
vorherige Nachfrage der Grenzbehörde der enthaltenen Standardformular für die Einreise-
Rückübernahme zustimmt. verweigerung einen oder mehrere Gründe für
15.0.5.2 Die Grenzbehörde kann nach pflichtgemäßem die Einreiseverweigerung wiedergibt. Mehr-
Ermessen auch einen anderen Staat als denje- fachnennungen sind hierbei möglich.
nigen Staat, aus dem die Einreise versucht wur- 15.0.7 Die Zurückweisung ist dem Ausländer auf dem
de, als Zielstaat bestimmen. Als Zielstaat in Anhang V, Teil B zum Schengener Grenz-
kommt nur ein Staat in Betracht, der völker- kodex vorgesehenen Vordruck zu bescheinigen.
rechtlich zur Aufnahme des Ausländers ver-
pflichtet oder zur Aufnahme bereit ist. Eine
15.1 Zwingende Zurückweisung
völkerrechtliche Verpflichtung ergibt sich aus
völkerrechtlichen Verträgen, insbesondere aus 15.1.1 Ausländer, die i. S. v. § 14 Absatz 1 unerlaubt
den Rückübernahmeabkommen, oder gewohn- einreisen wollen, sind zurückzuweisen. Verfügt
heitsrechtlich für den Fall einer unverzüglichen ein Ausländer nicht über einen erforderlichen
Zurückweisung in den Staat, aus dem der Aus- Aufenthaltstitel (§ 14 Absatz 1 Nummer 2)
länder auszureisen versucht. Abgesehen davon oder über einen erforderlichen Pass oder Pass-
Seite 974 GMBl 2009 Nr. 42– 61

ersatz (§ 14 Absatz 1 Nummer 1), prüft die der Ausweisung, Abschiebung oder Zurück-
Grenzbehörde grundsätzlich auf Antrag, ob weisung nicht bekannt waren oder wenn sie in
dem Ausländer nach Maßgabe des § 14 Ab- der Gesamtschau mit weiteren Anhaltspunkten
satz 2 ein Ausnahmevisum (siehe Num- Anlass zu der Prognose geben, dass die von dem
mer 14.2) bzw. nach Maßgabe des § 14 Absatz 2 Ausländer ausgehende Gefährdung fortbesteht.
i. V. m. § 13 AufenthV ein Notreiseausweis er- Bei Ausländern, die mit einem Visum einreisen
teilt werden kann. Darf ein Notreiseausweis wollen, ist die Entscheidung der Auslands-
nicht erteilt werden, kann in begründeten Ein- vertretung zu beachten. Hat die Auslands-
zelfällen das Bundesministerium des Innern vertretung das Visum in Kenntnis des Fehlens
oder die von ihm bestimmte Stelle auf Ersuchen einer Regelerteilungsvoraussetzung erteilt, ist
der Grenzbehörde eine Ausnahme von der die Grenzbehörde grundsätzlich an diese Ent-
Passpflicht zulassen (§ 3 Absatz 2). Ein solcher scheidung gebunden, sofern ihr dies bekannt ist;
Ausnahmefall kann insbesondere dann vor- im Zweifel soll sich die Grenzbehörde mit der
liegen, wenn der Ausländer über Dokumente zuständigen Auslandsvertretung in Verbindung
verfügt, die von einem anderen Schengen-Staat setzen.
als für den Grenzübertritt genügend angesehen
werden. 15.2.1.2 Zur Zurückweisung von Unionsbürgern siehe
Nummer 15.0.2 sowie Nummer 6.0.5 und 6.1.2
15.1.2 Eine unerlaubte Einreise liegt nicht bereits dann FreizügG/EU-VwV. Eine Zurückweisung nach
vor, wenn ein Ausländer mit einem Visum ein- § 15 kommt in Betracht, wenn der Verlust des
reist, das nicht den wahren Aufenthaltszweck Rechts nach § 2 Absatz 1 FreizügG/EU fest-
abdeckt (z. B. Einreise mit einem Touri- gestellt wurde. Für die zugrunde liegenden
stenvisum, obwohl ein Erwerbsaufenthalt be- Feststellungen sind die Grenzbehörden nicht
absichtigt ist). In diesem Fall richtet sich die zuständig, in Eilfällen – insbesondere in Fällen,
Zurückweisung nach § 15 Absatz 2 Nummer 2. in denen Anhaltspunkte für das Vorliegen der
Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich ein Tatbestandsmerkmale nach § 5 Absatz 4 vor-
Ausländer auf eine Befreiung (nur) nach der liegen – ist die Ausländerbehörde zu beteiligen.
Verordnung (EG) Nummer 539/2001 des Rates
vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste 15.2.1.3 Sieht die Grenzbehörde bei einem Ausländer,
der Drittländer, deren Staatsangehörige beim gegen den ein Ausweisungsgrund besteht, im
Überschreiten der Außengrenzen in Besitz Rahmen der Ermessensentscheidung von einer
eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Zurückweisung ab, unterrichtet sie die für den
Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde
Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81 S. 1) be- von ihrer Entscheidung unter Hinweis auf den
rufen will, aber erkennbar beabsichtigt, eine Ausweisungsgrund (§ 87 Absatz 2 Nummer 3).
nicht durch § 17 Absatz 2 AufenthV freige- In nicht eiligen Fällen ist der zuständigen Aus-
stellte Erwerbstätigkeit aufzunehmen, so dass länderbehörde eine Kontrollmitteilung zu
§ 17 Absatz 1 AufenthV eingreift, siehe Num- übermitteln.
mer 14.1.2.1.1.7 ff. In diesem Fall ist die Zu-
15.2.2.0 Gemäß § 15 Absatz 2 Nummer 2 können Aus-
rückweisung auf § 15 Absatz 1 zu stützen. Zu-
länder, die ein Visum besitzen, zurückgewiesen
sätzlich kann die Zurückweisung auf § 15 Ab-
werden, wenn der begründete Verdacht besteht,
satz 2 Nummer 3 und der Widerruf des Visums
dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen
auf § 52 Absatz 1 Nummer 3 gestützt werden.
Zweck dient. Der Aufenthaltszweck ist aus der
15.1.3 Nach § 15 Absatz 1 ist ein Ausländer zurück- Art des Visums und aus den Eintragungen er-
zuweisen, wenn gegen ihn eine gesetzliche sichtlich. Der Verdacht muss durch konkrete
Wiedereinreisesperre gemäß § 11 Absatz 1 be- Anhaltspunkte begründet sein. Die Zurück-
steht und er keine Betretenserlaubnis nebst dem weisung ist auch in den Fällen zulässig, in denen
erforderlichen Visum besitzt. der Ausländer den abweichenden Zweck in
einem anderen Schengen-Staat verwirklichen
15.2 Zurückweisung im Ermessenswege will. Dem Auswärtigen Amt ist auf dem
Dienstweg eine Kontrollmitteilung zu machen;
15.2.1.0 Für die Zurückweisung im Ermessenswege ge- dies gilt auch, wenn das Visum nicht von einer
mäß § 15 Absatz 2 Nummer 1 genügt es, dass deutschen Auslandsvertretung erteilt wurde.
ein Ausweisungsgrund vorliegt. Es kommt
nicht darauf an, ob die Ausländerbehörde im 15.2.2.1 Die Zurückweisung ist nur geboten, wenn es
Einzelfall eine Ausweisung verfügen könnte. sich um einen ausländerrechtlich erheblichen
Zweckwechsel handelt. Das ist z. B. der Fall,
15.2.1.1 Ist ein Ausländer ausgewiesen, zurückge- wenn das Visum wegen des beabsichtigten
schoben oder abgeschoben worden und die Aufenthaltszwecks der Zustimmung der Aus-
Wiedereinreisesperre des 11 Absatz 1 Satz 1 länderbehörde bedurft hätte, das Visum aber
entfallen, sind die dafür maßgebenden Gründe ohne deren Zustimmung erteilt worden ist. Der
nicht mehr erheblich. Auf Gründe, die vor der Tatbestand ist erfüllt, wenn bei einem Aus-
Ausweisung, Abschiebung oder Zurück- länder, der mit einem Besuchervisum einreist,
schiebung entstanden sind, kann die Zurück- der begründete Verdacht besteht, dass der Auf-
weisung nur dann gestützt werden, wenn sie der enthalt von Dauer sein oder Erwerbszwecken
Ausländerbehörde bzw. der Grenzbehörde bei dienen soll (vgl. § 31 Absatz 1 AufenthV). Der
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 975

Umstand, dass ein Kurzaufenthalt nur der dauernden Aufenthalt in Deutschland an-
Vorbereitung eines längeren oder zustim- streben oder eine Beschäftigung ausüben wol-
mungspflichtigen Aufenthalts dienen soll, der len), so dass die Befreiung aus materiellen
dann selbst erst nach einer Wiederaus- und Gründen nicht eingreift.
-einreise mit dem erforderlichen Visum er-
folgen würde – z. B. eine bis zu dreimonatige 15.3.3 Die Vorschrift stellt klar, dass der Ausländer
Einreise lediglich zur Führung von Bewer- alle Erteilungsvoraussetzungen nach § 3 Ab-
bungsgesprächen ohne Arbeitsaufnahme wäh- satz 1 und § 5 Absatz 1 erfüllen muss. Das
rend dieses Kurzaufenthalts –, rechtfertigt keine Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung für einen
Zurückweisung. Aufenthaltstitel im Falle einer Befreiung kann
zu einer Zurückweisung führen. Davon unbe-
15.2.2.2 Der Tatbestand des § 15 Absatz 2 Nummer 2 ist rührt bleibt die Verpflichtung nach Absatz 1
auch erfüllt, wenn konkrete Anhaltspunkte i. V. m. § 14 Absatz 1 Nummer 1, den Aus-
darauf hindeuten, dass der Aufenthalt länger länder bei Nichterfüllung der Passpflicht zu-
dauern soll als im Visum vorgesehen, oder wenn rückzuweisen. Durch § 15 Absatz 3 wird die
ein Verstoß gegen Auflagen, Bedingungen oder Anwendung des § 15 Absatz 2 nicht aus-
eine räumliche Beschränkung des Visums zu geschlossen.
befürchten ist. Regelmäßig sollen Auflagen,
Bedingungen oder räumliche Beschränkungen 15.3.4 Für die grenzpolizeiliche Praxis sind in diesem
den angegebenen Aufenthaltszweck sichern. Zusammenhang die Mittellosigkeit gemäß § 5
Auch der Missbrauch eines Transitvisums für Absatz 1 Nummer 1 und die Beeinträchtigung
einen Inlandsaufenthalt erfüllt den Tatbestand oder Gefährdung der Interessen der Bundes-
des § 15 Absatz 2 Nummer 2. republik Deutschland gemäß § 5 Absatz 1
Nummer 3 von besonderer Bedeutung. Hin-
15.2.2.2a Nach § 15 Absatz 2 Nummer 2a können Aus- sichtlich des Begriffs der Gefährdung der In-
länder an der Grenze zurückgewiesen werden, teressen der Bundesrepublik Deutschland wird
die über ein Schengen-Visum verfügen oder für auf Nummer 5.1.3 verwiesen.
einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visum-
pflicht befreit sind und mit der objektiv fest- 15.3.5 Ausländer, die zwar für einen vorübergehenden
stellbaren Absicht der Aufnahme einer uner- Aufenthalt von der Visumpflicht befreit, aber
laubten Erwerbstätigkeit einzureisen beabsich- im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrie-
tigen. Die Regelung in Nummer 2 deckt diesen ben sind, sind gemäß § 15 Absatz 3 i. V. m. § 5
Sachverhalt nicht hinreichend ab, weil die un- Absatz 1 Nummer 3 (Beeinträchtigung der In-
erlaubte Erwerbstätigkeit auch „Nebenzweck“ teressen der Bundesrepublik Deutschland ) zu-
des Aufenthalts sein kann. Bei visumfreien rückzuweisen (Artikel 13 Absatz 1 Schengener
Einreisen ist zudem der Aufenthaltszweck oft- Grenzkodex); zugleich ist der Tatbestand des
mals nicht erkennbar bzw. wird nicht angege- § 15 Absatz 2 Nummer 3 i. V. m. Artikel 5 Ab-
ben. Auf Nummer 52.7.1.1.2 bis 52.7.1.3 wird satz 1 Buchstabe d) Schengener Grenzkodex
Bezug genommen. Die Regelung in § 17 Ab- erfüllt. Liegt der Ausschreibung eine Wieder-
satz 1 AufenthV bleibt unberührt. einreisesperre gemäß § 11 Absatz 1 zu Grunde,
ist der Ausländer gemäß § 15 Absatz 1 zurück-
15.2.2.3 Durch die Bestimmung des § 15 Absatz 2 zuweisen.
Nummer 3 ist nunmehr Artikel 5 Schengener
Grenzkodex ausdrücklich in Bezug genommen.
Die Einreiseverweigerung aufgrund der Ver- 15.4 Zurückweisungsverbote und -hindernisse
pflichtungen des Schengener Grenzkodex und 15.4.0 Der Ausländer darf nicht in einen Staat zu-
die anschließende Zurückweisung erfolgt an der rückgewiesen werden, in dem ihm die in § 60
Grenze somit auch nach Maßgabe des § 15. Absatz 1 bis 3, 5, 7 bis 9 genannten Gefahren
konkret-individuell drohen.
15.3 Zurückweisung von Ausländern, die vom
Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit 15.4.1 Kann ein Ausländer, dessen Einreise unerlaubt
sind wäre, aus den in § 60 Absatz 1 bis 3, 5, 7 bis 9
genannten Gründen oder weil tatsächliche Zu-
15.3.1 Von der Regelung erfasst sind Ausländer, die rückweisungshindernisse bestehen, nicht zu-
durch die Verordnung (EG) Nummer 539/2001 rückgewiesen werden, hat die Grenzbehörde zu
oder gemäß §§ 15 bis 31 AufenthV vom Er- prüfen,
fordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind.
15.4.1.1 – ob die Zurückweisungshindernisse in ab-
15.3.2 Ausländer, die nach den §§ 15 bis 31 AufenthV sehbarer Zeit entfallen oder beseitigt werden
vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit können, insbesondere, ob der Ausländer in
sind, können nach § 15 Absatz 3 zurück- absehbarer Zeit in einen Staat zurück-
gewiesen werden, wenn sie zwar nach der Do- geschoben werden kann, in dem ihm die in
kumentenlage die Kriterien der Befreiung beim § 60 Absatz 1 bis 3, 5 und 7 genannten Ge-
Grenzübertritt erfüllen, aber erkennbar die fahren nicht drohen, oder
Absicht haben, einen anderen als den in den
§§ 15 bis 31 AufenthV zur Befreiung führenden 15.4.1.2 – ob die tatsächlichen Hindernisse (z. B. Pass-
Aufenthaltszweck anzustreben (z. B. im Falle losigkeit, ungeklärte Identität) beseitigt
des § 18 AufenthV einen länger als drei Monate werden können.
Seite 976 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Ist das der Fall, so beantragt die Grenzbehörde 15.5 Zurückweisungshaft


Zurückweisungshaft gemäß § 15 Absatz 5,
wenn die weiteren Voraussetzungen für die 15.5.0 § 15 Absatz 5 und 6 und § 18a Absatz 6
Haft gegeben sind (z. B. Entziehungsabsicht) AsylVfG dienen dazu, die Folgen einer Zu-
und die Haft nach verständiger Würdigung der rückweisung rechtlich zu regeln. § 15 Absatz 5
Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig wäre. ist die allgemeine Regelung, während Absatz 6
eine ergänzende Regelung für Flughäfen mit
15.4.2.1 Ist eine Zurückweisung in absehbarer Zeit nicht
Transitbereich oder Unterkunft auf dem Flug-
möglich, setzt sich die Grenzbehörde frühzeitig
hafengelände (§ 65) enthält. Damit wird einer-
mit der für den Ort der Einreise zuständigen
seits dem Erfordernis nach Rechtsklarheit für
Ausländerbehörde ins Benehmen. Muss die
die handelnden Grenzbeamten, andererseits
Einreise des Ausländers zugelassen werden,
dem Spannungsverhältnis zwischen dem Recht
weil eine Zurückweisung nicht erfolgen darf
des Staates, die Einreise von Ausländern zu
oder kann, soll über den aufenthaltsrechtlichen
verweigern, und der daraus entstehenden fakti-
Status von der zuständigen Ausländerbehörde
schen Beschränkung der Bewegungsfreiheit des
bereits zu dem Zeitpunkt entschieden sein, in
zurückgewiesenen Ausländers auf den Transit-
dem der Ausländer aus der Obhut der Grenz-
bereich Rechnung getragen. Zurückweisungs-
behörde entlassen wird. Entsprechendes gilt in
haft soll nach § 15 Absatz 5 dann angeordnet
diesem Zusammenhang, wenn das Gericht
werden, wenn eine Zurückweisungsentschei-
einen Antrag auf Sicherungshaft in Form der
dung ergangen ist und eine Zurückweisung an
Zurückweisungshaft ablehnt. Ein Ausnahme-
der Grenze, etwa auf Grund fehlender Heim-
visum ist grundsätzlich nicht zu erteilen. Ist die
reisepapiere, nicht unmittelbar vollzogen wer-
Ausländerbehörde nicht erreichbar (z. B. an
den kann.
Wochenenden), ist dem Ausländer eine Be-
scheinigung über die Gestattung der Einreise
und ggf. über die Einbehaltung des Passes oder 15.5.1 Aus der in § 15 Absatz 5 Satz 2 erfolgten Ver-
Passersatzes zu erteilen und ihm aufzugeben, weisung auf § 62 Absatz 3 wird deutlich, dass es
sich unverzüglich bei der zuständigen Aus- keines Haftgrundes nach § 62 Absatz 2 neben
länderbehörde zu melden. Die Grenzbehörde den Voraussetzungen des § 15 Absatz 5 bedarf.
unterrichtet die Ausländerbehörde. Die Zurückweisungshaft ist ultima ratio; daher
muss eine konkrete Gefahr bestehen, dass der
15.4.2.2 Eine Einreise unter diesen Umständen bleibt Ausländer entgegen der Zurückweisung den
aufenthaltsrechtlich unerlaubt. Entfallen die Versuch unternehmen wird, (unerlaubt) einzu-
Hindernisse und ist die Frist für die Zurück- reisen. Insoweit ist der Rechtsgedanke des § 62
schiebung gemäß § 57 Absatz 1 noch nicht Absatz 2 Satz 3, wonach von der Anordnung
überschritten oder sonst noch möglich, soll der der Sicherungshaft ausnahmsweise abgesehen
Ausländer aufgrund der unerlaubten Einreise werden kann, wenn der Ausländer glaubhaft
zurückgeschoben werden. macht, dass er sich der Abschiebung nicht ent-
ziehen will, entsprechend anzuwenden. Bei tat-
15.4.3.1 Ein Ausländer, dem nach Maßgabe von § 55
sächlichen Hinderungsgründen (z. B. Pass-
Absatz 1 AsylVfG der Aufenthalt in Deutsch-
losigkeit, ungeklärte Identität) ist der Rechts-
land gestattet ist, darf, außer in den Fällen des
gedanke des § 62 Absatz 2 Satz 4 ebenso
§ 33 Absatz 2 und 3 AsylVfG (vgl. Num-
beachtlich, wonach die Sicherungshaft un-
mer 15.4.3.2) und des § 18 Absatz 2, 3 AsylVfG
zulässig wäre, wenn feststeht, dass aus Grün-
nicht zurückgewiesen werden. Das gilt auch für
den, die der Ausländer nicht zu vertreten hat,
den Fall, dass der Ausländer ohne Genehmi-
die Zurückweisung nicht innerhalb der näch-
gung der Ausländerbehörde ausgereist ist. Die
sten drei Monate durchgeführt werden kann.
Grenzbehörde hat zu prüfen, ob der Ausländer
Umfangreiche Passbeschaffungsmaßnahmen
einer räumlichen Aufenthaltsbeschränkung zu-
dürfen nicht in Ermangelung der Anwendung
widergehandelt hat (§§ 56, 71a Absatz 3
des § 62 Absatz 2 Satz 4 zu der Vorstellung
AsylVfG, § 85 Nummer 2 AsylVfG, § 86 Ab-
führen, die Sicherungshaft könne jederzeit be-
satz 1 AsylVfG). Ggf. sind die erforderlichen
antragt werden, auch wenn die Beschaffung von
Schritte zur Verfolgung der damit verbundenen
Heimreisedokumenten unübersehbar lange
Straftat oder Ordnungswidrigkeit einzuleiten.
dauern könnte. In diesen Fällen wäre auch be-
15.4.3.2 Ist die Aufenthaltsgestattung erloschen (§ 67 reits die Beantragung unzulässig.
AsylVfG), genießt der Ausländer nicht mehr
den Zurückweisungsschutz gemäß § 15 Ab- 15.5.2 Als Rechtsfolge sieht § 15 Absatz 5 Satz 1 eine
satz 4 Satz 2. Ist er in den Herkunftsstaat ge- Soll-Regelung vor. Bei Vorliegen der tatbe-
reist, gilt sein Asylantrag als zurückgenommen standlichen Voraussetzungen ist der Ausländer
(§ 33 Absatz 2 AsylVfG). Er wird an der Gren- daher i. d. R. in Haft zu nehmen. Nur in atypi-
ze zurückgewiesen, sofern kein Abschiebungs- schen Sonderfällen (vgl. dazu auch Num-
verbot nach § 60 Absatz 1 bis 3 oder Absatz 5 mer 15.5.1, 62.0.5) ist von der Zurückwei-
vorliegt (§ 33 Absatz 3 AsylVfG). Seine Auf- sungshaft abzusehen. Ein solcher Fall liegt auch
enthaltsgestattung erlischt dann mit der Zu- bei objektiver Unmöglichkeit der Zurück-
rückweisung (§ 67 Absatz 1 Nummer 1a weisung vor (z. B. grundsätzliche Rücküber-
AsylVfG). nahmeverweigerung eines Staates).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 977

15.5.3 Die Anordnung der Haft durch den zustän- derartige Unterkunft nicht besteht, kann die
digen Richter setzt einen entsprechenden An- zurückgewiesene Person auch unmittelbar im
trag voraus. In Eilfällen kann dieser gestützt auf Transitbereich eines Flughafens untergebracht
den Antrag in der Hauptsache (§ 15 Absatz 5) werden. Diese Regelung gilt unabhängig davon,
nach § 427 FamFG gestellt werden. Eine zwi- ob der zurückgewiesene Ausländer ein Asylge-
schenzeitlich kurzfristig notwendige Freiheits- such bei dem Einreiseversuch geäußert hatte
entziehung kann nur auf die Befugnis zur Inge- oder nicht. Tatbestandliche Voraussetzung für
wahrsamnahme nach ordnungsrechtlichen den Transitaufenthalt des Ausländers ist daher
Vorschriften gestützt werden (vgl. für die Bun- Zweierlei:
despolizei § 39 Absatz 1 Nummer 3 BPolG,
und für die Landespolizeien, falls diese auf 15.6.1.1 – Absatz 6 Satz 1 setzt voraus, dass die Ein-
Grundlage einer Vereinbarung nach § 2 Ab- reise nach § 15 verweigert wurde. Hierbei ist
satz 3 BPolG für die Wahrnehmung grenz- § 13 Absatz 2 Satz 1 zu beachten, wonach
polizeilichen Einzeldienstes zuständig sind, das der Ausländer als noch nicht eingereist gilt,
jeweilige Landesrecht, sofern dieses eine ent- sofern er sich im Transitbereich eines Flug-
sprechende Befugnis vorsieht); § 62 Absatz 4 ist hafens aufhält. Damit sind auch diejenigen
hier nicht einschlägig. Ausländer tatbestandlich ausgenommen, die
nicht nach Deutschland einreisen wollen.
15.5.4 Der Richter hat über die Anordnung der Haft
zu entscheiden, nicht über die Einreise ins 15.6.1.2 – Es darf keine Zurückweisungshaft nach
Bundesgebiet. Lehnt der Richter die Anord- Absatz 5 beantragt worden sein. Die Bean-
nung oder die Verlängerung der Haft ab, wird tragung der Zurückweisungshaft ist grund-
der Ausländer aus der Haft bzw. dem Gewahr- sätzlich erforderlich, wenn die Zurückwei-
sam entlassen. Die Einreise trotz fehlenden sung nicht unverzüglich, aber in absehbarer
Aufenthaltstitels folgt unmittelbar aus § 15 Zeit erfolgen kann. Im Fall der Zurück-
Absatz 5 Satz 3 (zur Einreise nach erfolglos ab- weisung gemäß § 15 Absatz 1 kann der
geschlossenen Flughafenasylverfahren vgl. Ausländer zur Verhinderung einer uner-
§ 18a Absatz 6 Nummer 4 AsylVfG). Zur Ver- laubten Einreise (Straftat) bis zur Entschei-
meidung unnötiger gerichtlicher Verfahren ist dung über die Haft nach ordnungsrecht-
die Einreise auch zu gestatten, wenn von der lichen Vorschriften in Gewahrsam genom-
Beantragung von Zurückweisungshaft abge- men werden (vgl. für die Bundespolizei § 39
sehen wird. Im Übrigen richtet sich das Ver- Absatz 1 Nummer 3 BPolG, und für die
fahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Landespolizeien, falls diese auf Grundlage
Familiensachen und in Angelegenheiten der einer Vereinbarung nach § 2 Absatz 3
freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 106 Absatz 2 BPolG für die Wahrnehmung grenzpoli-
Satz 1). Der Aufenthalt des Ausländers im zeilichen Einzeldienstes zuständig sind, das
Bundesgebiet ist mangels Vorliegens der er- jeweilige Landesrecht, sofern dieses eine
forderlichen ausländerrechtlichen Vorausset- entsprechende Befugnis vorsieht).
zungen unerlaubt. Sofern nach der Einreise die
Abschiebung ausgesetzt wird, ist eine Duldung 15.6.2 Nach § 15 Absatz 6 Satz 2 bedarf der Transit-
auszustellen (vgl. § 60a Absatz 4). aufenthalt i. S. d. Absatzes 6 Satz 1 spätestens
15.5.5 Nach der Einreise wird das von den Grenz- 30 Tage nach der Ankunft des Ausländers am
behörden eingeleitete Verfahren zur Passer- Flughafen bzw. – soweit das Datum der An-
satzbeschaffung an die zuständige Ausländer- kunft nicht feststeht – ab der Kenntnis der
behörde abgegeben. Grenzbehörden von der Ankunft einer richter-
lichen Anordnung. Bei Unmöglichkeit der Ab-
reise z. B. auf Grund fehlender Heimreise-
15.6 Flughafentransitaufenthalt papiere ist unverzüglich Zurückweisungshaft
15.6.0 § 15 Absatz 6 ist eine ergänzende Regelung für zu beantragen oder die Einreise entsprechend
die Zurückweisung bei der Einreise auf dem § 15 Absatz 5 Satz 3 zu gestatten.
Luftweg. Der Anwendungsbereich des Ab-
satzes 6 bezieht sich insbesondere auf die Fälle, 15.6.3 Jedenfalls spätestens zum Fristende ist die rich-
in denen einem Ausländer die Einreise gemäß terliche Anordnung für den Aufenthalt im
§ 18 Absatz 2 AsylVfG oder nach Durch- Transitbereich oder in einer Unterkunft nach
führung eines Flughafenasylverfahrens (§ 18a § 15 Absatz 6 Satz 1 zwingend durch die
AsylVfG), bei dem der Asylantrag als offen- Grenzbehörden bei Gericht einzuholen. Sobald
sichtlich unbegründet abgelehnt wurde, nach absehbar ist, dass die Zurückweisung nicht in-
§ 18a Absatz 3 Satz 1 AsylVfG verweigert wird. nerhalb von 30 Tagen vollzogen werden kann,
soll die richterliche Anordnung unverzüglich
15.6.1 Personen, die auf dem Luftweg nach Deutsch- herbeigeführt werden.
land gelangen und denen die deutschen Grenz-
behörden die Einreise verweigern, sind – sofern 15.6.4 Absatz 6 Satz 3 enthält die Aussage zum Rege-
die Zurückweisung nicht sofort vollzogen wer- lungszweck: Die Anordnung des Aufenthalts
den kann und Zurückweisungshaft nicht bean- im Transitbereich oder in einer Unterkunft
tragt wurde – in eine Unterkunft zu verbringen, nach § 15 Absatz 6 Satz 1 ergeht zur Sicherung
von wo aus die Abreise möglich ist. Sofern eine der Abreise.
Seite 978 GMBl 2009 Nr. 42– 61

15.6.5 Nach Absatz 6 Satz 4 ist die Anordnung daher 15a.0.3 Gegen die jeweils durch Verwaltungsakt ge-
nur zulässig, soweit die Abreise innerhalb der troffene Verteilungsentscheidung (vgl. Num-
Anordnungsdauer zu erwarten ist. mer 15a.0.2) findet kein Widerspruch statt,
Klagen haben keine aufschiebende Wirkung
15.6.6 Absatz 6 Satz 5 regelt die entsprechende An-
(Absatz 2 Satz 3 und 4).
wendbarkeit von § 15 Absatz 5 (zu den Einzel-
heiten vgl. Nummer 15.5). Soweit die Voraus-
setzungen vorliegen, kann der Aufenthalt zur 15a.1 Persönlicher Anwendungsbereich und Ver-
Sicherung der Abreise für bis zu sechs Monate fahren
angeordnet werden; in Fällen, in denen der 15a.1.1.1 In Absatz 1 Satz 1 wird der Personenkreis der
Ausländer seine Zurückweisung verhindert, zu verteilenden Ausländer festgelegt. Wann die
kann die Anordnung um bis zu 12 Monate ver- Einreise unerlaubt ist, ergibt sich aus § 14. Die
längert werden (§ 15 Absatz 5 und 6 i. V. m. § 62 Entscheidung über die Aussetzung der Ab-
Absatz 3). schiebung oder die Erteilung eines Aufent-
15.6.7 Wenn die Frist von 30 Tagen verstrichen und die haltstitels erfolgt nach der Verteilung durch die
richterliche Anordnung nicht ergangen ist, ist Behörde, bei der der Ausländer erstmals vor-
dem Ausländer die Einreise nach Deutschland spricht. Die unmittelbar mögliche Abschiebung
zu gestatten. Dies ergibt sich für die Fälle des oder Zurückschiebung geht der Verteilung nach
Flughafenasylverfahrens aus § 18a Absatz 6 Absatz 1 Satz 1 vor. Deshalb sind Personen, die
Nummer 4 AsylVfG und im Übrigen aus § 15 unmittelbar nach der Feststellung der uner-
Absatz 5 Satz 3. laubten Einreise in Abschiebungshaft genom-
men und unmittelbar aus der Haft abgeschoben
werden oder unmittelbar nach der Feststellung
15a Zu § 15a – Verteilung unerlaubt eingereister der unerlaubten Einreise zurückgeschoben
Ausländer werden können, von der Verteilung ausgenom-
men. Ebenfalls von der Verteilung ausgenom-
15a.0 Allgemeines men sind minderjährige Ausländer vor Voll-
Die Vorschrift soll eine gleichmäßige Verteilung endung des 16. Lebensjahres (vgl. Num-
unerlaubt eingereister Ausländer, die keinen mer 80.1 f.).
Asylantrag stellen, gewährleisten. Die Auf- 15a.1.1.2 Über die Verteilungsentscheidung nach § 15a
nahme unerlaubt eingereister Ausländer ist eine Absatz 1 Satz 1 erhält der Ausländer für die
gesamtstaatliche Aufgabe, bei deren Erfüllung Weiterreise an den Ort, dem er zugeteilt wor-
auf eine gleichmäßige Verteilung der durch sie den ist, eine Bescheinigung nach einem bun-
entstehenden finanziellen Lasten zu achten ist. deseinheitlichen Muster. Die Bescheinigung
Zwischen den Ländern ist diese Lastenvertei- lehnt sich an die im Asylverfahren ausgestellte
lung durch eine quotengerechte Verteilung die- Bescheinigung über die Meldung als Asylbe-
ser Personen herzustellen. gehrender an und wird vom Bundesamt für
15a.0.1 Die Vorschrift orientiert sich an den für die Migration und Flüchtlinge in Abstimmung mit
Verteilung von Asylbewerbern geltenden Re- dem Bundesministerium des Innern und den
gelungen. Hier kann auf ein funktionierendes Ländern erarbeitet. Neben dieser Bescheini-
System zurückgegriffen werden, das in weiten gung ist dem Ausländer ein schriftlicher Be-
Teilen auch bei der Verteilung unerlaubt einrei- scheid auszuhändigen. Nach geltender Rechts-
sender Ausländer nutzbar ist. lage ist für diesen Verteilungsbescheid sowohl
eine Begründung als auch eine Anhörung not-
15a.0.2 Die Verteilung nach § 15a verläuft in bis zu drei wendig.
Schritten:
15a.1.1.3 Ein Ausländer gilt als verteilt i. S. d. Absatzes 1
15a.0.2.1 – Nach Absatz 2 Satz 1 kann der Ausländer Satz 1, sobald ihm der Bescheid über die Ver-
von der Ausländerbehörde verpflichtet teilungsentscheidung ausgehändigt wurde.
werden, sich zu der Behörde zu begeben, die
die Verteilung bei der zentralen Vertei- 15a.1.1.4 Vor einer beabsichtigten Verteilung ist die
lungsstelle veranlasst. Identität des betreffenden Ausländers gemäß
§ 49 Absatz 4 durch erkennungsdienstliche
15a.0.2.2 – Nachdem das Bundesamt für Migration und
Maßnahmen zu sichern und eine Abfrage des
Flüchtlinge als zentrale Verteilungsstelle die
Ausländerzentralregisters durchzuführen. Da-
zur Aufnahme verpflichtete Aufnahmeein-
durch kann festgestellt werden, ob Gründe
richtung mitgeteilt hat, ordnet die die Ver-
vorliegen, die eine Verteilung ausschließen. Zu
teilung veranlassende Stelle an, dass sich der
diesen Gründen können z. B. zählen: Zustän-
Ausländer zu dieser Aufnahmeeinrichtung
digkeit einer anderen Ausländerbehörde, lau-
zu begeben hat.
fendes oder abgeschlossenes Asylverfahren,
15a.0.2.3 – Von der Aufnahmeeinrichtung kann der Fahndungstreffer. Die Zuständigkeit für die
Ausländer innerhalb des Landes weiterver- Durchführung der erkennungsdienstlichen
teilt werden. Das landesinterne Verteilungs- Maßnahmen richtet sich nach § 71 Absatz 4
verfahren können die Länder aufgrund von Satz 1 und 2. Vorrangig sollten die erkennungs-
Absatz 4 Satz 5 entweder durch Rechtver- dienstlichen Maßnahmen durch die Ausländer-
ordnung oder ein Landesgesetz regeln. behörden durchgeführt werden, da durch deren
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 979

flächendeckende Präsenz eine schnelle und ef- Verwandten in gerader Linie und von Ge-
fiziente Durchführung gewährleistet wird. So- schwistern, Sicherstellung von Behandlungs-
weit Ausländerbehörden nicht über die not- möglichkeiten für schwer erkrankte Personen
wendige technische Ausrüstung verfügen, soll- und Schutz von Personen, die als Zeugen in
ten Polizeibehörden um Amtshilfe ersucht einem Strafverfahren benötigt werden und zur
werden. Denkbar sind auch gemeinsame er- Aussage bereit sind.
kennungsdienstliche Maßnahmen von Aus-
15a.1.5.2 Sowohl ausländische Opfer von Menschen-
länder- und Polizeibehörden, da im Falle des
handel, insbesondere solche, die eine Aufent-
§ 15a regelmäßig auch die strafprozessualen
Voraussetzungen für eine erkennungsdienst- haltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a haben, als
liche Behandlung gegeben sein dürften. auch Personen, bei denen zumindest Anhalts-
punkte dafür vorliegen, dass sie Opfer von
15a.1.2 Unerlaubt einreisende Ausländer haben keinen Menschenhandel sind, die aber ihre Entschei-
Anspruch darauf, sich in einem bestimmten dung über ihre Aussagebereitschaft noch nicht
Land oder an einem bestimmten Ort auf- getroffen haben (vgl. § 50 Absatz 2a), sind
zuhalten. Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass kein nicht auf Sammelunterkünfte zu verteilen. Um
Anspruch auf Verteilung in ein bestimmtes Land dem Schutzbedürfnis dieser Personen aus-
oder an einen bestimmten Ort besteht. Dies ent- reichend Rechnung zu tragen und ihre Bereit-
spricht den für Asylbewerber (vgl. § 55 Absatz 1 schaft zur Kooperation mit den Behörden zu
Satz 2 AsylVfG) und Kriegs- und Bürgerkriegs- fördern, soll vielmehr die zuständige Leis-
flüchtlinge (vgl. § 24 Absatz 5 Satz 1) geltenden tungsbehörde in Abstimmung mit der Straf-
Bestimmungen. Ausländische Opfer von Men- verfolgungsbehörde und der betreuenden
schenhandel und Personen, bei denen zumindest Fachberatungsstelle für einen geeigneten und
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Opfer sicheren Unterbringungsort wie z. B. eine
von Menschenhandel sind, sollen jedoch grund- Schutzwohnung oder eine von einer Fach-
sätzlich nicht in Sammelunterkünften, sondern beratungsstelle betriebene oder betreute Un-
an sicheren und ihren Bedürfnissen ent- terbringungseinrichtung sorgen. Entgegen dem
sprechenden sonstigen Orten untergebracht Wortlaut des Absatzes 1 Satz 6 soll dies auch
werden (vgl. Nummer 15a.1.5.2). dann gelten, wenn diese Personen die Gründe,
die einer Unterbringung in einer Sammel-
15a.1.3 Nach Absatz 1 Satz 3 und 5 werden die auf
unterkunft entgegenstehen, nicht ausdrücklich
Bundes- und Landesseite bei der Verteilung tä-
geltend machen, die Behörden aber Kenntnis
tigen Behörden bestimmt, wobei jedes Land bis
von dem besonderen Status der Personen ha-
zu sieben Behörden bestimmen kann, die die
ben.
Verteilung durch die zuständige Stelle veran-
lassen und verteilte Ausländer aufnehmen. Die
Aufgabe der zentralen Verteilungsstelle über- 15a.2 Verpflichtung, sich zu der Verteilungsstelle
nimmt das Bundesamt für Migration und zu begeben
Flüchtlinge. Nach Absatz 2 können die Ausländerbehörden
15a.1.4 Absatz 1 Satz 4 regelt die Aufnahmequoten. den Ausländer verpflichten, sich zu der Be-
Diese entsprechen den Quoten nach § 45 hörde zu begeben, die die Verteilung veranlasst.
AsylVfG, wenn für die unerlaubt einreisenden
Ausländer kein abweichender Schlüssel fest- 15a.3 Aufnahmepflicht
gelegt wird. Die Bestimmung eines Landes oder eines be-
15a.1.5.1 Die gemeinsame Verteilung von Ehegatten und stimmten Ortes in dem Land, in dem der Aus-
von Eltern und ihren minderjährigen ledigen länder seinen Wohnsitz und seinen gewöhn-
Kindern wird durch die Regelung in Absatz 1 lichen Aufenthalt zu nehmen hat, folgt den Re-
Satz 6 gewährleistet. Darüber hinaus sieht Ab- geln des Absatzes 3 Satz 1 bis 4. Falls hiernach
satz 1 Satz 6 vor, dass sonstige zwingende eine länderübergreifende Verteilung stattfindet,
Gründe, die der Verteilung an einen be- sichern die Bestimmungen des Absatzes 4 die
stimmten Ort entgegenstehen, ebenfalls bei der zügige Umsetzung der getroffenen Vertei-
Verteilung zu berücksichtigen sind. Die ge- lungsentscheidung.
nannten Gründe führen nicht zu einer Aus-
setzung der Abschiebung, sondern ermöglichen 15a.4 Modalitäten der landesinternen Verteilung
lediglich einen Wohnsitzwechsel. Im Interesse
Die Modalitäten der landesinternen Verteilung
eines funktionierenden Verteilungsverfahrens
können die Länder gemäß Absatz 4 Satz 5
– entsprechend den für die Verteilung von
durch Rechtsverordnung oder Landesgesetz
Asylbewerbern geltenden Grundsätzen – ist
bestimmen. Um sicherzustellen, dass die Ver-
eine Berücksichtigung von Gründen, die einer
teilung schnellstmöglich durchgeführt wird,
Verteilung an einen bestimmten Ort entgegen-
bestimmen Satz 7 und 8, dass der Widerspruch
stehen, allerdings nur unter der Voraussetzung
gegen die Anordnung einer Verteilung nach
möglich, dass der Ausländer sie vor der Ent-
Satz 1 ausgeschlossen ist (§ 68 Absatz 1 Satz 2,
scheidung der Verteilung geltend macht.
1. Halbsatz VwGO) und der Klage keine auf-
Hierbei kommen z. B. in Betracht: Sicher- schiebende Wirkung zukommt (§ 80 Absatz 2
stellung der Betreuung von pflegebedürftigen Nummer 3 VwGO).
Seite 980 GMBl 2009 Nr. 42– 61

15a.5 Erlaubnis zum länderübergreifenden Wohn- 16.0.2 Bei der Entscheidung über Aufenthaltserlaub-
sitzwechsel nisse zum Zweck der Studienbewerbung und
des Studiums soll die Ausländerbehörde in
Absatz 5 trägt dem Umstand Rechnung, dass
Fragen der Studienvoraussetzungen, des Stu-
sich nach der Verteilung die Notwendigkeit
dienverlaufs, des Studienabschlusses und son-
einer „Umverteilung“ ergeben kann. Wenn der
stiger akademischer Belange Stellungnahmen
Wohnsitz danach in ein anderes Land verlegt
der Hochschule oder sonstiger zur Aus- oder
werden darf, wird der Ausländer von der Quote
Weiterbildung zugelassenen Einrichtungen ein-
des abgebenden Landes abgezogen und der des
holen und berücksichtigen. § 82 Absatz 1 bleibt
aufnehmenden Landes angerechnet.
unberührt. Die Geltungsdauer der Aufent-
haltserlaubnis ist nach Maßgabe des § 16
15a.6 Zeitlicher Anwendungsbereich Absatz 1 in der Weise zu befristen, dass eine
15a.6.1 Absatz 6 stellt klar, dass die Regelung keine ordnungsgemäße Durchführung des Ausbil-
Anwendung auf Personen findet, die sich vor dungsganges einschließlich der Ausbildungsab-
In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits in der schnitte gewährleistet ist (siehe Nummer
Bundesrepublik Deutschland aufgehalten ha- 16.1.1.5). Hierbei ist den besonderen Schwie-
ben und nicht nach dem 31. Dezember 2004 rigkeiten, die Ausländern bei der Aufnahme
wieder eingereist sind. Eine Verteilung findet und Durchführung eines Studiums entstehen
auch dann nicht statt, wenn ein abgelehnter können, angemessen Rechnung zu tragen.
Asylbewerber, der nach dem 31. Dezember
2004 wieder einreist, einen Asylfolgeantrag 16.0.3 Die Aus- oder Fortbildung kann an staatlichen
stellt. War der Aufenthalt während des Asyl- oder staatlich anerkannten Hochschulen
verfahrens räumlich beschränkt, gelten nach (Universitäten, pädagogischen Hochschulen,
§ 71 Absatz 7 AsylVfG die letzten räumlichen Kunsthochschulen und Fachhochschulen) oder
Beschränkungen fort. an vergleichbaren Ausbildungseinrichtungen,
an vergleichbaren Berufsakademien sowie an
15a.6.2 Eine Verteilung nach § 15a erfolgt hingegen in staatlichen oder staatlich anerkannten Studien-
den folgenden Fallkonstellationen: kollegs durchgeführt werden. Zu vergleich-
baren weiteren Ausbildungseinrichtungen sind
– Ein illegal eingereister Ausländer reist nach
Einrichtungen zu rechnen, die auf einen Ab-
dem 31. Dezember 2004 wieder ein. § 15a Ab-
schluss an einer staatlichen oder staatlich aner-
satz 6 unterscheidet nicht danach, ob der Aus-
kannten Hochschule oder auf die Verleihung
länder erstmalig oder wieder eingereist ist.
eines Grades durch eine staatliche oder staatlich
– Ein abgelehnter Asylbewerber reist nach dem anerkannte Hochschule vorbereiten. Zu ver-
31. Dezember 2004 wieder ein und stellt kei- gleichbaren weiteren Ausbildungseinrichtun-
nen Asylfolgeantrag. Mangels Asylfolgeantrag gen sind auch Einrichtungen zu rechnen, die
gelten etwaige räumliche Beschränkungen eine staatliche Anerkennung beantragt haben,
nicht gemäß § 71 Absatz 7 AsylVfG fort. und Einrichtungen, die einzelne akkreditierte
Auch eine Fortgeltung nach § 51 Absatz 6 Studiengänge anbieten. Vor Erteilung einer
kommt nicht in Betracht, da es sich bei et- Aufenthaltserlaubnis für ein Studium an den
waigen räumlichen Beschränkungen um Ent- vergleichbaren weiteren Ausbildungseinrich-
scheidungen vor Geltung des Aufenthalts- tungen soll eine Stellungnahme der für Hoch-
gesetzes gehandelt hat; § 102 Absatz 1 gilt je- schulfragen zuständigen obersten Landesbe-
doch nur für ausländerrechtliche Maßnahmen, hörde eingeholt werden. Im Fall der Beantra-
nicht für asylrechtliche. gung der staatlichen Anerkennung kommt die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur in Be-
– Ein Ausländer, der zuvor seiner Ausreisepflicht
tracht, wenn nach Auskunft der für die Aner-
nachgekommen ist, reist nach dem 31. De-
kennung zuständigen Behörde innerhalb eines
zember 2004 wieder ein. Etwaige räumliche
überschaubaren Zeitraums (höchstens ein Jahr)
Beschränkungen sind gemäß § 44 Absatz 6
mit der Anerkennung zu rechnen ist.
AuslG bzw. § 51 Absatz 6 erloschen.
16.0.4 Das Studium muss den Hauptzweck des Auf-
enthalts darstellen. Diesen Anforderungen ge-
16 Zu § 16 – Aufenthaltserlaubnis zum Zweck nügt beispielsweise ein Abend-, Wochenend-
der Studienbewerbung, des Studiums, für oder Fernstudium nicht. Für den kurzfristigen
Sprachschüler und für den Schulbesuch Aufenthalt zur Durchführung von Prüfungen
oder zur Wahrnehmung einer mehrwöchigen
16.0 Allgemeines
Anwesenheitspflicht im Rahmen so genannter
16.0.1 Auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Einsemesterstudien wird ein Schengen-Visum
zum Zweck des Studiums besteht kein Rechts- (§ 6 Absatz 1 Nummer 2) erteilt. In Ausnah-
anspruch. Über entsprechende Anträge wird mefällen (z. B. bei Schwangerschaft oder län-
nach § 16 Absatz 1, Absatz 1a oder Absatz 2 im gere Erkrankung) kann auch im Falle der Beur-
Wege des Ermessens entschieden. Die allge- laubung von der Hochschule eine vorüber-
meinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Ab- gehende Fortsetzung des Aufenthalts mit
satz 1 und 2 sowie die Versagungsgründe des § 5 Aufenthaltserlaubnis nach § 16 erlaubt werden.
Absatz 4, § 10 und § 11 sind zu beachten. Im Falle einer Beurlaubung für einen mehr als
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 981

sechsmonatigen Studien- oder Praktikumsauf- bildung können im Bundesgebiet nicht nachge-


enthalt im Ausland ist i. d. R. vor Abreise eine holt werden (siehe auch Nummer 16.5.2.1 ff.).
verlängerte Frist zur Wiedereinreise und Fort-
setzung des Studiums zu vereinbaren. 16.0.8 Erforderlich ist der Nachweis ausreichender
Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts ein-
16.0.5 Der Aufenthaltszweck Studium umfasst sämt- schließlich ausreichenden Krankenversiche-
liche mit dem Studium verbundenen Ausbil- rungsschutzes nach Maßgabe des § 2 Absatz 3
dungsphasen. Abhängig vom Einzelfall gehören Satz 5 (§ 82 Absatz 1), siehe auch Num-
dazu mer 2.3.6. Ausreichende Mittel stehen dann zur
– Sprachkurse, insbesondere zur Studienvor- Verfügung, wenn sie dem BAföG-Förderungs-
bereitung, höchstsatz (§§ 13 und 13a Absatz 1 BAföG)
entsprechen. Dieser wird jährlich zum Jahres-
– Studienkollegs oder andere Formen staatlich ende durch das Bundesministerium des Innern
geförderter studienvorbereitender Maßnah- im Bundeszeiger veröffentlicht; dieser Betrag
men, ist der für die Berechnung maßgebende. Bei
– für das Studium erforderliche oder von der Nachweis einer Unterkunft, deren Miet- und
Hochschule empfohlene vorbereitende Nebenkosten den in § 13 Absatz 2 Nummer 2
Praktika, BAföG genannten Betrag unterschreiten, ver-
mindert sich der zu fordernde Betrag entspre-
– ein Studium bis zu einem ersten berufs- chend, höchstens jedoch um den in § 13 Ab-
qualifizierenden Abschluss bzw. bei konse- satz 3 BAföG genannten Betrag.
kutiven und nicht konsekutiven Bachelor-/
Master-Studiengängen auch bis zu einem 16.0.8.1 Den Anforderungen genügt insbesondere
zweiten berufsqualifizierenden Abschluss
– die Darlegung der Einkommens- und Ver-
an einer deutschen Hochschule (Grund-
mögensverhältnisse der Eltern oder
und Hauptstudium einschließlich studien-
begleitender Praktika, Zwischen- und Ab- – eine Verpflichtung gemäß § 68 oder
schlussprüfungen), auch nach einem vor-
– die Einzahlung einer Sicherheitsleistung auf
herigen Studium im Ausland,
ein Sperrkonto bei einem Geldinstitut, dem
– nach einem Studium ein Aufbau-, Zusatz- die Vornahme von Bankgeschäften im Bun-
oder Ergänzungsstudium (Postgraduier- desgebiet gestattet ist, von dem monatlich
tenstudium) oder eine Promotion, nur 1/12 des eingezahlten Betrages aus-
– praktische Tätigkeiten, sofern sie zum vor- gezahlt werden darf; das Sperrkonto ist auf
geschriebenen Ausbildungsgang gehören den Namen des Studenten einzurichten und
oder zur umfassenden Erreichung des Aus- der Sperrvermerk ist zugunsten der öffent-
bildungszieles nachweislich erforderlich lich-rechtlichen Gebietskörperschaft, der
sind (§ 2 Absatz 2 Nummer 1 BeschV) und die zuständige Ausländerbehörde zuzu-
rechnen ist, einzutragen oder
– Studien, die ein im Ausland begonnenes
Studium ergänzen und Studien, die in – die Hinterlegung einer jährlich zu erneu-
Deutschland begonnen und im Ausland be- ernden Bankbürgschaft bei einem Geld-
endet werden. institut im Bundesgebiet oder einem Geld-
institut, dem die Vornahme von Bankge-
Der Zeitpunkt des erfolgreichen Abschlusses schäften im Bundesgebiet gestattet ist,
eines Studiums richtet sich nach der jeweiligen soweit die Bankbürgschaft nicht über eine
Studien- und Prüfungsordnung für das Stu- längere Laufzeit verfügt.
dium, für das die Aufenthaltserlaubnis erteilt
wurde. Dieser wird i. d. R. die schriftliche Be- 16.0.8.2 Der Umfang der einzuzahlenden Sicherheits-
kanntgabe des Bestehens der Prüfung und des leistung oder der Bankbürgschaft ist nach dem
Prüfungsergebnisses sein. Der Tag der Ex- durch das Bundesministerium des Innern im
matrikulation ist dabei unerheblich. Bundeszeiger veröffentlichten Monatsbetrag,
gerechnet auf ein Jahr, zu bestimmen. Service-
16.0.6 Die für die Zulassung zum Studium er- pakete der Studentenwerke mindern den ein-
forderliche Teilnahme an Deutschsprachkursen zuzahlenden Betrag um den Preis des Service-
(siehe Nummer 16.1.2), Studienkollegs und an- paketes, wenn dieses die Unterkunft umfasst.
deren Formen staatlich geförderter studienvor- Der Nachweis ausreichender Mittel gilt auch als
bereitender Maßnahmen und studienbezogenen geführt, wenn der Aufenthalt in Höhe des nach
vorbereitenden Praktika darf i. d. R. nicht län- Nummer 16.0.8 maßgeblichen Betrags finan-
ger als insgesamt zwei Jahre dauern. Die ge- ziert wird durch
setzlich zugelassene Ausübung einer Beschäf-
tigung während der studienvorbereitenden – Die Bewilligung von Leistungen nach dem
Maßnahmen (siehe Nummer 16. 3. 10) recht- BAföG (siehe Nummer 16. 0. 11).
fertigt kein Abweichen von diesem Regelzeit- – Stipendien aus deutschen öffentlichen Mit-
raum. teln,
16.0.7 Die allgemeinen schulischen Voraussetzungen – Stipendien einer in Deutschland anerkann-
für die Aufnahme der beabsichtigten Aus- ten Förderorganisation oder
Seite 982 GMBl 2009 Nr. 42– 61

– Stipendien aus öffentlichen Mitteln des Sprachkurse und Studienkollegs) in § 16 Ab-


Herkunftslandes, wenn das Auswärtige satz 1 Satz 2 ausdrücklich entsprechend Arti-
Amt, der Deutsche Akademische Aus- kel 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2004/114/EG
tauschdienst (DAAD) oder eine sonstige des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Be-
deutsche stipendiengebende Organisation dingungen für die Zulassung von Drittstaatsan-
die Vermittlung an die deutsche Hochschule gehörigen zur Absolvierung eines Studiums
übernommen hat. oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch,
einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder
16.0.8.3 Kann der Ausländer die Lebensunterhalts- einem Freiwilligendienst (ABl. EU Nummer L
sicherung nur für die Dauer von weniger als 375 S. 12, so genannte Studentenrichtlinie) dem
einem Jahr nachweisen, hat dies keine Aus- Aufenthaltszweck Studium zugerechnet. Die in
wirkung auf den Verlängerungszeitraum der § 16 Absatz 1 Satz 3 aufgestellte Voraussetzung
Aufenthaltserlaubnis. In diesen Fällen ist die der Zulassung zum Studium ist auch dann er-
Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage zu ver- füllt, wenn der Ausländer an studienvorberei-
sehen, vor Ablauf des Zeitraumes, für den die tenden Maßnahmen teilnimmt. Im Übrigen
Lebensunterhaltssicherung nachgewiesen wur- gelten Ausländer als Studierende, wenn sie für
de, die weitergehende Lebensunterhaltssiche- ein Studium an einer der in Nummer 16.0.3 ge-
rung nachzuweisen. nannten Einrichtungen zugelassen sind. Der
16.0.9 Darüber hinausgehende Sicherheitsleistungen Nachweis der Zulassung wird durch die Vor-
sind nicht zu erbringen. Ein Nachweis über das lage des Zulassungsbescheides (im Original) der
Vorhandensein ausreichenden Wohnraums am Bildungseinrichtung geführt. Er kann ersetzt
Studienort ist vor der Einreise nicht zu führen. werden durch
Der Ausländer hat die entsprechenden Nach- 16.1.1.1.1 – eine Studienplatzvormerkung einer Hoch-
weise im Falle der Verlängerung der Aufent- schule oder einer staatlichen, staatlich ge-
haltserlaubnis vorzulegen (vgl. § 82 Absatz 1). förderten oder staatlich anerkannten Ein-
Die Möglichkeit eines zustimmungsfreien Zu- richtung zum Erlernen der deutschen Spra-
verdienstes kann bei der Entscheidung über die che,
Verlängerung mit berücksichtigt werden. Ver-
traglich nachgewiesene zu erwartende Ein- 16.1.1.1.2 – eine Bescheinigung einer Hochschule oder
künfte aus einer erlaubten Tätigkeit (z. B. eines Studienkollegs, aus der sich ergibt,
Praktikumsvergütung, Einkünfte als Tutor) dass für die Entscheidung über den Zulas-
werden auf die nachzuweisende Finanzie- sungsantrag die persönliche Anwesenheit
rungshöhe angerechnet. des Ausländers am Hochschulort erfor-
derlich ist oder
16. 0. 10 Die Mittel zur Deckung der Studienkosten, die
nicht zum Lebensunterhalt zählen (etwa Stu- 16.1.1.1.3 – eine Bestätigung über das Vorliegen einer
diengebühren), sind nicht nachzuweisen, da die ordnungsgemäßen Bewerbung zur Zulas-
Bildungseinrichtung die Möglichkeit hat, die sung zum Studium (Bewerber-Bestätigung).
Zulassung zum Studium, die Voraussetzung für
die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist, von 16.1.1.2 Das nationale Visum wird erteilt
einer entsprechenden Deckung abhängig zu – mit einer Gültigkeitsdauer von regelmäßig
machen. drei Monaten, sofern im Einzelfall nach der
Einreise keine frühere Vorsprache bei der
16. 0. 11 Erhält der Ausländer Leistungen nach dem Ausländerbehörde erfolgen soll,
BAföG, ist der Lebensunterhalt gesichert, da
diese Leistungen der Ermöglichung des Auf- – mit einer Gültigkeit von sechs Monaten bei
enthalts zum Zwecke des Studiums in einem Studierendenaustausch für ein Seme-
Deutschland dienen und bedarfsdeckend ge- ster im Rahmen von Hochschulkoope-
währt werden (siehe Nummer 2.3.4). rationen,
– mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr,
16. 0. 12 Der Familiennachzug bestimmt sich nach Ka-
wenn die Ausländerbehörde ausdrücklich
pitel 2 Abschnitt 6 (siehe auch Num-
zustimmt oder
mer 30.1.4.2.3.2). Hinsichtlich des Arbeits-
marktzuganges von Familienangehörigen sind – gemäß abweichender Bestimmungen der
die Bestimmungen des § 29 Absatz 5 zu be- Ausländerbehörde, wenn der Ausländer den
achten (Nummer 29.5). Zulassungsbescheid vorlegt,
16. 0. 13 Bei türkischen Staatsangehörigen ist Num- – mit einer Gültigkeitsdauer bis zum Ablauf
mer 27.0.6.8 zu beachten. der Stipendienzusage, höchstens jedoch
von einem Jahr, auch wenn der Aufenthalt
16.1 Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Stu- zunächst der Studienvorbereitung (§ 16
diums sowie vorbereitender Sprachkurse Absatz 1 Satz 2) dient und über ein Sti-
pendium nach Nummer 16.0.8.2 finanziert
16.1.1 Studierende wird.
16.1.1.1 § 16 Absatz 1 regelt Aufenthalte zum Zweck 16.1.1.3 Das Visum kann auch erteilt werden, wenn der
des Studiums. Klarstellend werden studienvor- Zulassungsbescheid von einer anderen Bil-
bereitende Maßnahmen (studienvorbereitende dungseinrichtung als derjenigen vorgelegt wird,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 983

mit deren Bewerberbestätigung das Visumver- 16.1.1.5 Nach § 16 Absatz 1 Satz 5, 1. Halbsatz wird die
fahren in Gang gesetzt wurde (Mehrfachbe- Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums,
werbung). Die einmal erteilte Zustimmung der womit auch studienvorbereitende Maßnahmen
zuständigen Ausländerbehörde umfasst auch umfasst sind, für mindestens ein Jahr erteilt.
dieses Studium an einer entsprechenden Bil- Diese Regelung gilt jedoch nur, soweit eine stu-
dungseinrichtung. dienvorbereitende Maßnahme oder ein Studien-
programm eine Laufzeit von mindestens einem
16.1.1.4 Die zum Studium erforderlichen Sprach-
Jahr hat. Das hat zur Folge, dass die Aufent-
kenntnisse sind i. d. R. nicht durch die Aus-
haltserlaubnis nur in den Fällen für mindestens
länderbehörden zu prüfen, da diese regelmäßig
ein Jahr zu erteilen ist, in denen die Bildungs-
durch die Hochschulen bei der Zulassungsent-
maßnahme mindestens ein Jahr andauert. Die
scheidung berücksichtigt werden. Auch kann
Studentenrichtlinie sieht in Artikel 12 Absatz 1
die Aufenthaltserlaubnis ohne Prüfung der
Satz 2 ausdrücklich vor, in den Fällen, in denen
Sprachkenntnisse erteilt werden, wenn die er-
die Dauer des Studienprogramms weniger als ein
forderlichen Sprachkenntnisse in studienvor-
Jahr beträgt, die Aufenthaltserlaubnis auf die
bereitenden Maßnahmen erworben werden
Dauer des Programms zu befristen. Eine Befri-
sollen. Besteht nicht die Absicht, die für das
stung der Aufenthaltserlaubnis auf weniger als
Studium erforderlichen Sprachkenntnisse in
ein Jahr kommt damit insbesondere in der Phase
einer studienvorbereitenden Maßnahme zu er-
studienvorbereitender Maßnahmen – auch in
werben und liegt noch keine förmliche Zulas-
den Fällen, in denen die Studentenrichtlinie
sungsentscheidung einer deutschen Hochschule
nicht anwendbar ist – in Betracht. Dabei ist die
vor, so hat der Visumantragsteller den Nach-
Aufenthaltserlaubnis auf die Dauer der jewei-
weis zu erbringen, dass er über die er-
ligen Maßnahme zu beschränken, soweit die
forderlichen deutschen Sprachkenntnisse ver-
Zulassung für eine Anschlussmaßnahme oder
fügt.
die Aufnahme des Studiums noch nicht vorliegt;
16.1.1.4.1 Dabei können nur Nachweise eines nach dem soweit aus im Verantwortungsbereich der
Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Hochschule liegenden organisatorischen Grün-
des Europarats (GER) zertifizierten Sprach- den die Aufnahme des Studiums erst zu einem
kursveranstalters (zurzeit neben dem Goethe- späteren Zeitpunkt möglich ist, kann die Auf-
Institut lediglich „The European Language enthaltserlaubnis bis zu diesem Zeitpunkt ver-
Certificate“ – TELC) oder des Österrei- längert werden. Bei Aufnahme des Studiums
chischen Sprachdiploms (ÖSD) anerkannt wird die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaub-
werden. Für das Goethe-Institut sind dies das nis regelmäßig auf zwei Jahre befristet. Zur Be-
„Zertifikat Deutsch“ sowie das „Zertifikat gleitung des Aufenthalts durch die Ausländer-
Deutsch für Jugendliche“. Eine Liste der ak- behörden sollte aus sicherheitspolitischen
tuellen TELC-Anbieter im Ausland ist im In- Erwägungen die Geltungsdauer einer Aufent-
ternet über den Link http://telc.net/Ausland. haltserlaubnis zu Studienzwecken bei Erstertei-
208+M54a708de802.0.html abrufbar. lung an Antragsteller aus konsultations-
pflichtigen Staaten (Liste konsultationspflich-
16.1.1.4.2 Der Sprachnachweis gilt ferner als erbracht im
tiger Staaten gemäß § 73 Absatz 4) auf ein Jahr
Fall des Nachweises, dass eine der beiden
beschränkt werden. Auch bei der Verlängerung
hochschulspezifischen Zugangsprüfungen
der Aufenthaltserlaubnis kann die Verlängerung
– Deutsche Sprachprüfung für den Hoch- um jeweils nur ein Jahr geboten sein. Neben
schulzugang ausländischer Studienbewerber einer kürzeren Geltungsdauer der Aufenthalts-
(DSH) erlaubnis können im Einzelfall auch andere Ne-
– Test Deutsch als Fremdsprache (TestDaF) benbestimmungen zur Wahrung von Sicher-
heitsbelangen bei Studenten gerechtfertigt sein.
bereits erfolgreich abgelegt wurde oder der Be- Dazu kommt vor allem in Betracht, den Auf-
werber gemäß Beschlusslage der Ständigen enthalt (weiterhin) auf einen bestimmten Stu-
Konferenz der Kultusminister der Länder in dienort oder den Studienzweck auf einen be-
der Bundesrepublik Deutschland (KMK) auf- stimmten Studiengang zu beschränken. Es kann
grund seiner schulischen Vorbildung von diesen es darüber hinaus geboten sein, dem Ausländer
Zugangsprüfungen befreit ist. Letzteres ist der aufzugeben, dass die Inanspruchnahme von Ur-
Fall, wenn (Aufzählung abschließend!) laubssemestern der Zustimmung der Aus-
– das deutsche Abitur, länderbehörde bedarf. Bei der Bemessung des
– das Deutsche Sprachdiplom der Stufe II der zeitlichen Rahmens der Verlängerung sind
KMK (DSD-II), Nachweise über erbrachte Leistungen als An-
haltspunkte für einen ausreichenden Studien-
– die Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP) des fortschritt sowie Abwesenheitszeiten, insbe-
Goethe-Instituts, sondere Auslandsaufenthalte, zu berücksichti-
– das Kleine Deutsche Sprachdiplom (KDS) gen. Grundsätzlich soll die Geltungsdauer bei
des Goethe-Instituts oder Erteilung und Verlängerung zwei Jahre nicht
– das Große Deutsche Sprachdiplom (GDS) überschreiten.
des Goethe-Instituts
16.1.1.6 Die Aufenthaltserlaubnis ist grundsätzlich um
abgelegt wurde. jeweils zwei Jahre zu verlängern, soweit aus-
Seite 984 GMBl 2009 Nr. 42– 61

reichende Mittel zur Sicherung des Lebens- des Studiums und damit auch dessen Erfolg
unterhalts nachgewiesen werden und nach der nicht gefährden. Die kraft Gesetzes eröffneten
von der Ausländerbehörde zu treffenden Pro- Beschäftigungsmöglichkeiten während des Stu-
gnoseentscheidung der Abschluss des Studiums diums können nicht eingeschränkt werden.
in einem angemessenen Zeitraum erreicht wer- Wird die zulässige Studiendauer überschritten
den kann. (Nummer 16.1.1.6.2) und wird der Nachweis
der Sicherung des Lebensunterhalts im We-
16.1.1.6.1 Wird die Sicherung des Lebensunterhalts in sentlichen über Vergütungen aus Beschäfti-
Form einer Bankbürgschaft oder einer Sicher- gungen nach § 16 Absatz 3 geführt, ist der
heitsleistung nachgewiesen, ist die Aufenthalts- Ausländer von der Ausländerbehörde schrift-
erlaubnis für diese Dauer, jedoch höchstens um lich darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung
zwei Jahre zu verlängern. Nummer 16.1.1.2 der Aufenthaltserlaubnis nur unter der Maßga-
letzter Spiegelstrich gilt für die Verlängerung be erfolgt, dass das Studium innerhalb der in
der Aufenthaltserlaubnis entsprechend. Nummer 16.2.7 genannten Frist von zehn Jah-
16.1.1.6.2 Ein ordnungsgemäßes Studium liegt regelmäßig ren erfolgreich abgeschlossen wird und eine
vor, solange der Ausländer die durch- weitere Verlängerung über diesen Zeitraum
schnittliche Studiendauer an der betreffenden hinaus nicht erfolgen wird.
Hochschule in dem jeweiligen Studiengang 16.1.2 Studienvorbereitende Sprachkurse
nicht um mehr als drei Semester überschreitet
(siehe auch Nummer 16.1.1.7). Die Hochschule 16.1.2.1 Ausländern, die eine Ausbildung an einer deut-
teilt die durchschnittliche Fachstudiendauer in schen Hochschule anstreben (siehe Num-
den einzelnen Studiengängen der Ausländer- mer 16.0.3 und 16.0.4), soll eine Aufenthaltser-
behörde auf Anfrage mit. Bei der Berechnung laubnis erteilt werden, wenn die für die Er-
der Fachsemesterzahl bleiben Zeiten der Stu- teilung eines Aufenthaltstitels an ausländische
dienvorbereitung (z. B. Sprachkurse, Studien- Studienbewerber geltenden Voraussetzungen
kollegs, Praktika) außer Betracht. vorliegen (siehe Nummer 16.1a.1) und der In-
tensivsprachkurs zur Vorbereitung auf einen
16.1.1.7 Wird die zulässige Studiendauer (Num- der von der Kultusministerkonferenz aner-
mer 16.1.1.6.2) überschritten, ist der Ausländer kannten Nachweise ausreichender deutscher
von der Ausländerbehörde schriftlich darauf Sprachkenntnisse für den Hochschulbesuch
hinzuweisen, dass eine Verlängerung der Auf- (z. B. DSH, TestDaF, ZOP des Goethe-Ins-
enthaltserlaubnis nur erfolgt, wenn die Aus- tituts) ausgerichtet ist; nach erfolgreichem Ab-
bildungsstelle unter Berücksichtigung der in- schluss des Sprachkurses kann die Aufenthalts-
dividuellen Situation des ausländischen Studie- erlaubnis zum Zweck des Besuchs eines Stu-
renden einen ordnungsgemäßen Verlauf des dienkollegs bzw. eines Studiums verlängert
Studiums bescheinigt, die voraussichtliche wei- werden (siehe Nummer 16.0.6), wenn die wei-
tere Dauer des Studiums angibt und zu den Er- teren Voraussetzungen erfüllt sind. Das Visum
folgsaussichten Stellung nimmt. Ergibt sich aus bzw. die Aufenthaltserlaubnis sind mit folgen-
der Mitteilung der Ausbildungsstelle, dass das der Nebenbestimmung zu versehen:
Studium nicht innerhalb der in Nummer 16.2.7
genannten Frist von zehn Jahren erfolgreich „Aufenthalt für einen studienvorbereiten-
abgeschlossen werden kann, ist die beantragte den Sprachkurs in ... (Ort)“.
Verlängerung i. d. R. abzulehnen. Erhält die 16.1.2.2 Ist das Ausbildungsziel des Sprachkurses zum
Ausländerbehörde während der Laufzeit einer Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltser-
Aufenthaltserlaubnis Kenntnis davon, dass die laubnis noch nicht erreicht und besteht auf-
Studienfortschritte des Ausländers nicht im grund vorliegender Unterlagen der Bildungs-
vorgenannten Sinne ausreichend sind, besteht einrichtung die Aussicht, dass es noch erreicht
die Möglichkeit, die Aufenthaltserlaubnis zu werden kann, soll die Aufenthaltserlaubnis
widerrufen (vgl. Nummer 52.3.2). Zur Beendi- längstens bis zur Gesamtgeltungsdauer von 18
gung des Aufenthalts von Studierenden, die Monaten verlängert werden (siehe Num-
keine ausreichenden Studienfortschritte nach- mer 16.0.4 und 16.0.5).
weisen können, kommt der Möglichkeit des
Widerrufs der Aufenthaltserlaubnis bzw. deren
16.1a Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Stu-
Nichtverlängerung eine besonders zu be-
dienbewerbung
achtende Bedeutung zu, da für den Erhalt der
Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum 16.1a.1 Als Studienbewerber gelten Ausländer, die ein
Daueraufenthalt-EG die Studienzeiten auch Studium anstreben, aber noch nicht an einer der
dann zur Hälfte angerechnet werden, wenn das in Nummer 16.0.3 genannten Einrichtungen
Studium nicht erfolgreich abgeschlossen wurde zugelassen sind.
(vgl. Nummer 9b.1.4.1). Ein ordnungsgemäßes
Studium kann auch durch Vorlage einer Be- 16.1a.2 Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens zur
willigung von Leistungen nach dem BAföG Visumerteilung (§ 31 Absatz 1 AufenthV) be-
belegt werden. schränkt sich die Prüfung der Ausländer-
behörde i. d. R. auf die Abfrage beim Aus-
16.1.1.8 Die umfangreichen Beschäftigungsmöglich- länderzentralregister. Ob die Voraussetzungen
keiten nach § 16 Absatz 3 dürfen den Zweck für den Zugang zu einer bestimmten Bildungs-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 985

einrichtung und der Finanzierungsnachweis insbesondere die Versagung mit verfassungs-


bezüglich des Studienaufenthalts vorliegen, rechtlichen Wertentscheidungen nicht verein-
wird im Einzelfall nur dann geprüft, wenn auf- bar ist. Der Regelversagungsgrund greift ledig-
grund der Angaben der deutschen Auslands- lich vor der Ausreise des Ausländers ein.
vertretung eine entsprechende Prüfung im
Bundesgebiet für erforderlich gehalten wird. 16.2.2 Ein Zweckwechsel kommt beispielsweise nicht
in Betracht, wenn der Ausländer die fachlichen
16.1a.3 Nach § 31 Absatz 1 Satz 3 AufenthV gilt die Voraussetzungen für die Zulassung zu einer
Zustimmung der Ausländerbehörde als erteilt, bestimmten Ausbildung oder zu einem be-
wenn innerhalb der Verschweigensfrist von drei stimmten Studium noch nicht erfüllt (siehe auch
Wochen und zwei Arbeitstagen der deutschen Nummer 16.0.7). Eine Abweichung von § 16
Auslandsvertretung keine gegenteilige Mittei- Absatz 2 kommt in Betracht, wenn dies eine
lung vorliegt, und zwar stets mit der Bedin- völkerrechtliche Vereinbarung erfordert. In
gung, dass die Erfordernisse der Zugangsbe- diesem Falle kann die Aufenthaltserlaubnis
rechtigung, der gesicherten Finanzierung und ohne vorherige Ausreise bis zu der in der zwi-
des Passbesitzes erfüllt sind. Die Verschwei- schenstaatlichen Vereinbarung vorgesehenen
gensfrist gilt nicht, wenn von der Ausländer- Beschäftigungsdauer verlängert werden.
behörde ergänzende Nachprüfungen vorzu-
nehmen sind. Die Verschweigensfrist hindert 16.2.3 Ist der ursprüngliche Aufenthaltszweck erfüllt
die Ausländerbehörde nicht an einer ausdrück- oder weggefallen und begehrt der Ausländer die
lichen Zustimmung vor Fristende, um die Vi- Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen
sumerteilung im Einzelfall zu beschleunigen. anderen als nach § 16 Absatz 4 zugelassenen
Aufenthaltszweck, ist die Erteilung einer Auf-
16.1a.4 Das Visum wird als nationales Visum mit einer enthaltserlaubnis erst möglich, nachdem der
Gültigkeitsdauer von regelmäßig drei Monaten Ausländer ausgereist ist. Ohne vorherige Aus-
erteilt, sofern im Einzelfall nach der Einreise reise ist ein unmittelbarer Wechsel des Aufent-
keine frühere Vorsprache bei der Auslands- haltszwecks ohnehin nur möglich, wenn der
vertretung erfolgen soll. Es kann von der Aus- Ausländer (z. B. durch Eheschließung) einen
länderbehörde als Aufenthaltserlaubnis um gesetzlichen Anspruch auf Erteilung der Auf-
sechs Monate verlängert werden mit der Auf- enthaltserlaubnis erworben hat, ihm die Aus-
lage, dass der Studienbewerber innerhalb dieser reise unzumutbar ist (vgl. auch § 5 Absatz 2
Frist die Zulassung zum Studium oder die Satz 2) oder er im Rahmen von § 41 AufenthV
Aufnahme in einen studienvorbereitenden einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Bun-
Deutschkurs oder in ein Studienkolleg nachzu- desgebiet einholen kann.
weisen hat (vgl. § 82 Absatz 1). Die Gesamt-
aufenthaltszeit als Studienbewerber ist nach 16.2.4 Der Inhalt des Aufenthaltszwecks wird grund-
§ 16 Absatz 1a Satz 2 auf höchstens neun Mo- sätzlich durch die Fachrichtung bestimmt. Der
nate beschränkt. Diese Aufenthaltszeit als Stu- Zweck des Studiums ist in der Aufenthaltser-
dienbewerber vor Aufnahme einer studienvor- laubnis durch die Bezeichnung der Fach-
bereitenden Maßnahme wird nicht auf die richtung (Studiengang und ggf. Studienfächer)
Aufenthaltszeit der studienvorbereitenden anzugeben.
Maßnahmen wie Sprachkurse, Studienkollegs
16.2.5 Der Aufenthaltszweck wird bei einem Wechsel
oder vorbereitende Praktika (siehe Num-
des Studienganges (z. B. Germanistik statt Ro-
mer 16.0.5) angerechnet.
manistik) oder einem Wechsel des Studien-
16.1a.5 Die weitere Aufenthaltserlaubnis ist erst zu er- faches innerhalb desselben Studienganges (z. B.
teilen, wenn die Zulassung zur Ausbildungs- Haupt- oder Nebenfach Italienisch statt Fran-
stelle unter genauer Bezeichnung des beab- zösisch im Studiengang Romanistik) in den er-
sichtigten Studiums nachgewiesen ist. Hin- sten 18 Monaten nach Beginn des Studiums
sichtlich der Geltungsdauer siehe Nummer nicht berührt. Ein späterer Studiengang- oder
16.1.1.5. Studienfachwechsel kann im Rahmen der zu
treffenden Ermessensentscheidung zugelassen
16.2 Wechsel des Aufenthaltszweckes werden, wenn das Studium innerhalb einer an-
gemessenen Zeit abgeschlossen werden kann.
16.2.1 Die Beschränkung des § 16 Absatz 2 gilt nur in Ein angemessener Zeitraum ist i. d. R. dann
Fällen, in denen der Ausländer eine Aufent- nicht mehr gegeben, wenn das Studium unter
haltserlaubnis nach § 16 besitzt. Nach § 16 Ab- Berücksichtigung der bisherigen Studien-
satz 2 ist zu beurteilen, ob ein Regelfall oder ein leistungen und des dafür aufgewendeten Zeit-
Ausnahmefall vorliegt, der ein Abweichen von bedarfs innerhalb einer Gesamtaufenthalts-
dem Regelversagungsgrund rechtfertigt. Aus- dauer von zehn Jahren nicht abgeschlossen
nahmefälle sind durch einen außergewöhn- werden kann. Die vorstehenden Regelungen
lichen Geschehensablauf gekennzeichnet, der gelten für einen Wechsel zwischen ver-
so bedeutsam ist, dass er das ansonsten aus- schiedenen Hochschularten entsprechend (z. B.
schlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regel- Wechsel von einem Universitätsstudium zu
versagungsgrundes beseitigt. Entsprechendes einem Fachhochschulstudium in derselben
gilt, wenn der Versagung der Aufenthaltser- Fachrichtung). Der Ausländer ist auf die mit
laubnis höherrangiges Recht entgegensteht, dem Wechsel der Fachrichtung verbundenen
Seite 986 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Beschränkungen hinzuweisen. Wird ein Stu- 16.3.2 Die durch den Aufenthaltstitel kraft Gesetzes
dium innerhalb kurzer Frist erfolgreich abge- eröffnete Möglichkeit berechtigt zur Be-
schlossen, kann für ein weiteres Studium die schäftigung an bis zu 90 Arbeitstagen oder 180
Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn halben Arbeitstagen pro Jahr. Maßgeblich für
dadurch die Gesamtaufenthaltsdauer von zehn die Berechnung der Jahresfrist ist das Kalen-
Jahren nicht überschritten wird. derjahr. Es ist keine Anteilsberechnung er-
forderlich, sofern der Aufenthaltstitel nicht das
16.2.6 Kein Fachrichtungswechsel, sondern lediglich gesamte Kalenderjahr abdeckt. Als Beschäf-
eine Schwerpunktverlagerung im Rahmen des tigungszeiten werden auch im Fall, dass die Be-
Studiums liegt vor, wenn schäftigung nicht über einen längeren Zeitraum
16.2.6.1 – sich aus den entsprechenden Ausbildungs- verteilt erfolgt, sondern zusammenhängend
bestimmungen ergibt, dass die betroffenen z. B. in den Semesterferien ausgeübt wird, nur
Studiengänge bis zum Wechsel identisch die Arbeitstage oder halben Arbeitstage ange-
sind oder darin vorgeschrieben ist, dass die rechnet, an denen tatsächlich gearbeitet wurde.
im zunächst durchgeführten Studiengang Über die Zeiten der erfolgten Beschäftigung ist
erbrachten Semester auf den anderen Stu- in geeigneter Weise ein Nachweis zu führen.
diengang voll angerechnet werden, Berechnungsgrundlage für die Beschäftigung an
halben Arbeitstagen ist die regelmäßige Ar-
16.2.6.2 – der Ausländer eine Bescheinigung der zu- beitszeit der weiteren Beschäftigten des Be-
ständigen Stelle vorlegt, in der bestätigt triebes. Als halber Arbeitstag sind Be-
wird, dass die im zunächst durchgeführten schäftigungen bis zu einer Höchstdauer von
Studiengang verbrachten Semester auf den vier Stunden anzusehen, wenn die regelmäßige
anderen Studiengang überwiegend ange- Arbeitszeit der weiteren Beschäftigten acht
rechnet werden, oder Stunden beträgt. Die Höchstdauer ist fünf
Stunden, wenn die regelmäßige Arbeitszeit
16.2.6.3 – wenn aus organisatorischen, das Studium zehn Stunden beträgt.
betreffenden Gründen (z. B. Aufnahme nur
zum Wintersemester) nach Ablauf der Stu- 16.3.3 Daneben ist ausländischen Studierenden die
dienvorbereitungsphase die Aufnahme des Möglichkeit eröffnet, ohne zeitliche Beschrän-
angestrebten Studiums nicht sofort möglich kung studentische Nebentätigkeiten an der
ist und daher die Zeit durch ein Studium in Hochschule oder an einer anderen wissen-
einem anderen Studiengang im Umfang von schaftlichen Einrichtung auszuüben. Zu den
einem Semester überbrückt wird. studentischen Nebentätigkeiten sind auch sol-
che Beschäftigungen zu rechnen, die sich auf
16.2.7 Abgesehen von den in Nummer 16.0.5 genann- hochschulbezogene Tätigkeiten im fachlichen
ten Fällen stellt die sonstige Aufnahme einer Zusammenhang mit dem Studium in hoch-
zweiten Ausbildung oder die berufliche Wei- schulnahen Organisationen (wie z. B. Tutoren
terbildung nach Abschluss der ersten Aus- in Wohnheimen der Studentenwerke, Tätig-
bildung in Deutschland einen Wechsel des keiten in der Beratungsarbeit der Hochschul-
Aufenthaltszwecks dar. Soweit für diese zweite gemeinden, der Asten und des World Univer-
Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis nach sity Service) beschränken. Bei Abgrenzungs-
§ 16 Absatz 1 erteilt werden kann, kann die be- schwierigkeiten soll die Hochschule beteiligt
stehende Aufenthaltserlaubnis für die zweite werden.
Ausbildung verlängert werden, wenn das Aus-
16.3.4 Die zu verfügende Nebenbestimmung lautet:
bildungsziel innerhalb einer Gesamtaufent-
haltsdauer von zehn Jahren erreicht werden „Beschäftigung bis zu 90 Tage oder 180
kann. halbe Tage im Jahr

16.2.8 Hat sich der Ausländer bei Stipendienvergabe sowie Ausübung studentischer Nebentätigkeit
zur Rückkehr verpflichtet, ist die Aufnahme gestattet.“
einer dauerhaften Beschäftigung ausgeschlos- 16.3.5 Praktika, die vorgeschriebener Bestandteil des
sen, vgl. Nummer 16.4.5. Studiums oder zur Erreichung des Aus-
bildungszieles nachweislich erforderlich sind,
16.2.9 Während des Aufenthalts zum Zweck des Stu-
sind als zustimmungsfreie Beschäftigungen
diums (siehe Nummer 16.0.5) ist die Anwen-
nach § 2 Absatz 2 Nummer 1 BeschV keine
dung des § 9 ausgeschlossen.
Beschäftigung i. S. v. Nummer 16.3.1 und
16.3.2. Sie werden entsprechend nicht auf die
16.3 Erwerbstätigkeit neben dem Studium Beschäftigungszeit nach Nummer 16.3.2 ange-
rechnet.
16.3.1 § 16 Absatz 3 regelt den Arbeitsmarktzugang
ausländischer Studenten während des Studiums. 16.3.6 Sonstige empfohlene oder freiwillige Be-
Die Erlaubnis zu den in Absatz 3 genannten schäftigungen, die als Praktika bezeichnet wer-
Tätigkeiten ist kraft Gesetzes von der Aufent- den, kommen als zustimmungspflichtige Be-
haltserlaubnis mit erfasst. Eine separate Ge- schäftigungen im Rahmen von Nummer 16.3.7
nehmigung der Bundesagentur für Arbeit ist in Betracht. Hospitationen bedürfen nicht der
nicht erforderlich. Die Tätigkeiten dürfen je- Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Die
doch den Zweck „Studium“ nicht gefährden. Hospitation ist kein Beschäftigungsverhältnis
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 987

und ist gekennzeichnet durch die Sammlung ist durch Nebenbestimmung auszuschließen.
von Kenntnissen und Erfahrungen in einem Aufenthaltszeiten der Studienbewerbung wer-
Tätigkeitsbereich ohne zeitliche und inhaltliche den nicht auf die Jahresfrist angerechnet. Stu-
Festlegung und ohne rechtliche und tatsäch- denten, die ohne studienvorbereitende Maß-
liche Eingliederung in den Betrieb. Aufschluss nahmen unmittelbar nach der Einreise das
kann der Praktikums-/Hospitationsvertrag ge- Studium aufnehmen, unterliegen diesen Be-
ben. schränkungen nicht.

16.3.7 Eine über die gesetzlich bereits vorgesehenen 16.3.11 Im Hinblick auf das Urteil des Europäischen
Beschäftigungsmöglichkeiten hinausgehende Gerichtshofs vom 24. Januar 2008 (Rs. C-294/
längerfristige Erwerbstätigkeit (z. B. ganzjäh- 06 – Payir u. a.) ist bei türkischen Staatsange-
rig) kann als Teilzeit nur zugelassen werden, hörigen, die auf der Grundlage des § 16 Ab-
wenn dadurch der auf das Studium beschränkte satz 3 Satz 1 einer Beschäftigung nachgehen, zu
Aufenthaltszweck nicht verändert und die Er- prüfen, ob sie die Voraussetzungen des Arti-
reichung dieses Zwecks nicht erschwert oder kel 6 ARB 1/80 erfüllen und daher nur den be-
verzögert wird (vgl. § 16 Absatz 1 Satz 5 schäftigungsrechtlichen Beschränkungen des
2. Halbsatz). Dies ist anzunehmen, wenn die Artikels 6 ARB 1/80 – nicht aber denen des § 16
Erwerbseinkünfte nach Abzug der Werbungs- Absatz 3 – unterliegen. Diese Voraussetzungen
kosten die in § 23 Absatz 1 BAföG genannten können erfüllt sein, wenn
Beträge nicht übersteigen. Durch die Zulassung – der Zeitraum der Beschäftigung bei dem
einer Erwerbstätigkeit darf ein Wechsel des gleichen Arbeitgeber sich auf mindestens ein
Aufenthaltszwecks i. S. v. § 16 Absatz 2 nicht Jahr beläuft,
vor Abschluss des Studiums ermöglicht wer-
– das Arbeitsverhältnis nicht nur formal un-
den. Ansonsten handelt es sich um eine Unter-
unterbrochen für die Dauer von mindestens
brechung des Studiums. Die Zulassung dieser
einem Jahr bestand, sondern auch tatsäch-
Beschäftigung wird durch Nebenbestimmung
lich die Arbeitsleistung kontinuierlich er-
im Ermessenswege gesteuert und bedarf der
bracht wurde und nicht etwa für drei Mo-
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, so-
nate oder länger unterbrochen war,
weit sie nicht nach §§ 2 bis 15 BeschV zustim-
mungsfrei ist. – die durch den Ausländer ausgeübte Tätig-
keit einen zeitlichen und wirtschaftlichen
16.3.8 Die Zulassung einer über die gesetzlich bereits Umfang hatte, nach dem sie sich nicht als
vorgesehenen Beschäftigungsmöglichkeiten völlig untergeordnet und unwesentlich dar-
hinausgehenden Beschäftigung kommt auch stellt und
dann in Betracht, wenn die Sicherung des Le-
bensunterhalts des Ausländers durch Umstände – nicht bereits die Entscheidung, einen Antrag
gefährdet ist, die er und seine Unterhalt leis- auf Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung
tenden oder hierzu rechtlich verpflichteten An- zu stellen, von der Überlegung geprägt war,
gehörigen nicht zu vertreten haben und das die Rechtsvorschriften des Aufenthalts zum
Studium unter Berücksichtigung der be- Zweck der Erwerbstätigkeit zu umgehen
sonderen Schwierigkeiten, die Ausländern bei und schrittweise einen Anspruch auf unbe-
der Aufnahme und Durchführung eines Studi- schränkten Zugang zum deutschen Arbeits-
ums entstehen können, bisher zielstrebig markt zu erlangen.
durchgeführt worden ist und nach der Bestäti- 16.3.12 Die Regelungen zur gesetzlich erlaubten Be-
gung der Hochschule daher von einem er- schäftigung sowie die weiteren beschäftigungs-
folgreichen Abschluss ausgegangen werden rechtlichen Bestimmungen des Aufenthalts-
kann. Im Übrigen hat die Ausländerbehörde zu gesetzes und der BeschV sowie der BeschVerfV
prüfen, ob einer Verlängerung der Aufenthalts- werden mit § 52 Absatz 3 Nummer 1 ergänzt
erlaubnis das Fehlen der Regelerteilungsvor- durch die Möglichkeit, die Aufenthaltserlaub-
aussetzung des § 5 Absatz 1 Nummer 1 ent- nis bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne
gegensteht oder ob eine nachträgliche Befris- erforderliche Erlaubnis nach Ermessen zu wi-
tung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 derrufen (siehe Nummer 52.3.1).
Absatz 2 in Betracht kommt.

16.3.9 Im Hinblick auf die Zweckbindung des Auf- 16.4 Arbeitsplatzsuche und Aufnahme einer Er-
enthalts und zur Vermeidung eines Zweck- werbstätigkeit nach Abschluss des Studiums
wechsels nach § 16 Absatz 2 ist der Ausländer 16.4.1 Absatz 4 eröffnet neben den Möglichkeiten
mit der Änderung der Nebenbestimmung zur eines sich unmittelbar anschließenden Aufent-
Ausübung einer Beschäftigung aktenkundig halts zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach
darauf hinzuweisen, dass die Beschäftigung nur §§ 18 bis 21 die Option, dem Studien-
zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zur Be- absolventen durch Verlängerung der Aufent-
endigung des Studiums ermöglicht worden ist. haltserlaubnis ausreichend Zeit für die Suche
eines seiner Qualifikation angemessenen Ar-
16.3.10 Eine Beschäftigung während des Aufenthalts
beitsplatzes einzuräumen.
zur Studienbewerbung sowie im ersten Jahr des
Aufenthalts während vorbereitender Sprach- 16.4.2 Dazu kann nach Abschluss des Studiums die
kurse oder Studienkollegs außerhalb der Ferien Aufenthaltserlaubnis um bis zu ein Jahr ver-
Seite 988 GMBl 2009 Nr. 42– 61

längert werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt haltszweckwechsel verbunden. Der neue Auf-
für die Beendigung des Studiums siehe Num- enthaltszweck ist in dem erteilten Aufenthalts-
mer 16.0.5. Die allgemeinen Erteilungsvoraus- titel zu vermerken.
setzungen nach § 5, insbesondere die Siche-
rung des Lebensunterhalts, müssen vorliegen. 16.4.5 Wurde der Aufenthalt durch Stipendien fi-
Mit der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nanziert und hat sich der Geförderte ver-
tritt ein Aufenthaltszweckwechsel vom Auf- pflichtet, nach Abschluss der Ausbildung in
enthalt nach § 16 Absatz 1 zum Aufenthalt seinen Heimatstaat zurückzukehren, soll nach
nach § 16 Absatz 4 ein (siehe auch Num- erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung in
mer 7.1.1.1.1). Zustimmungsfreie Beschäfti- Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis nach
gungen sind im Jahr der Arbeitsuche im § 16 Absatz 4 erteilt werden. Eine befristete
Rahmen des § 16 Absatz 3 erlaubt. Soweit praktische berufliche Tätigkeit in der erwor-
hochschulrechtliche Bestimmungen nicht ent- benen Qualifikation von höchstens zwei Jahren
gegenstehen, ist die Möglichkeit eröffnet, stu- kann zugelassen werden, um die späteren Ein-
dentische Nebentätigkeiten an der Hochschule satzmöglichkeiten im jeweiligen Herkunftsland
oder einer anderen wissenschaftlichen Ein- zu verbessern. Die Verlängerbarkeit der Auf-
richtung ohne zeitliche Beschränkung aus- enthaltserlaubnis ist in diesen Fällen nach § 8
zuüben. Darüber hinausgehende Beschäfti- Absatz 2 auszuschließen.
gungen unterliegen der Zustimmungspflicht
durch die Bundesagentur für Arbeit. Eine 16.5 Aufenthaltserlaubnisse zur Teilnahme an
selbständige Tätigkeit kann im Rahmen von Sprachkursen und zum Schulbesuch
§ 21 Absatz 6 durch die Ausländerbehörde er- 16.5.1 Aufenthaltserlaubnisse zur Teilnahme an
laubt werden. Soweit kein zustimmungs- Sprachkursen
pflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht,
lautet die Nebenbestimmung: 16.5.1.1 Eine Aufenthaltserlaubnis zum Erlernen der
„Beschäftigung bis zu 90 Tage oder 180 deutschen Sprache wird nur für die Teilnahme
halbe Tage im Jahr an einem Intensivsprachkurs erteilt. Ein Inten-
sivsprachkurs setzt voraus, dass seine Dauer
sowie Ausübung studentischer Nebentätigkeit von vornherein zeitlich begrenzt ist (vgl. Num-
gestattet. Weitere mer 7.2.1), i. d. R. täglichen Unterricht (min-
Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der destens 18 Unterrichtsstunden pro Woche)
Ausländerbehörde.“ umfasst und auf den Erwerb umfassender deut-
scher Sprachkenntnisse gerichtet ist. Abend-
Bei türkischen Staatsangehörigen sind die Re- und Wochenendkurse erfüllen diese Voraus-
gelungen des Artikels 6 ARB 1/80 zu beachten setzungen nicht.
(vgl. Nummer 16. 3. 11).
16.5.1.2 Eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an
16.4.3 Soweit der Studienabsolvent in dieser Zeit die einem Intensivsprachkurs soll Ausländern er-
Aufnahme einer über den gesetzlichen Rahmen teilt werden, die lediglich den Erwerb von
von § 16 Absatz 3 hinausgehenden Be- deutschen Sprachkenntnissen anstreben, wenn
schäftigung beabsichtigt, ist dazu die Zustim- sie über ausreichende Mittel für ihren Lebens-
mung der Bundesagentur für Arbeit erfor- unterhalt während ihres voraussichtlichen Auf-
derlich. Mit der Aufnahme einer Beschäftigung, enthalts im Bundesgebiet verfügen (vgl. auch
die lediglich der Sicherung des Lebensunter- § 5 Absatz 1); eine Verpflichtung nach § 68
halts während des Zeitraumes zur Suche eines reicht aus.
der Qualifikation angemessenen Arbeitsplatzes
dient, erfolgt kein Aufenthaltszweckwechsel 16.5.1.3 Ist das Ausbildungsziel nach Ablauf der Gel-
von § 16 Absatz 4 nach § 18. Sie kann ggf. mit tungsdauer der Aufenthaltserlaubnis noch nicht
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit er- erreicht und besteht aufgrund vorliegender
laubt werden. Die mit der Zustimmung der Unterlagen der Bildungseinrichtung die Aus-
Bundesagentur für Arbeit verbundenen Vor- sicht, dass es noch erreicht werden kann, soll
gaben sind als Nebenbestimmung zu über- die Aufenthaltserlaubnis längstens bis zur Ge-
nehmen. samtgeltungsdauer von zwölf Monaten ver-
längert werden.
16.4.4 Für die Aufnahme einer selbstständigen Er-
werbstätigkeit kann bei Vorliegen der Voraus- 16.5.1.4 § 16 Absatz 3 und 4 finden keine Anwendung.
setzungen des § 21 eine Aufenthaltserlaubnis Eine Erwerbstätigkeit während eines Inten-
erteilt werden. Hat der Studienabsolvent einen sivsprachkurses kann während der Ferien nach
seiner Qualifikation angemessenen Arbeits- Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ge-
platz gefunden oder liegen die Voraussetzungen stattet werden.
zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstä-
tigkeit vor, so kann eine Aufenthaltserlaubnis 16.5.1.5 Das Visum bzw. die Aufenthaltserlaubnis ist
nach § 18 i. V. m. beispielsweise § 27 Satz 1 mit folgender Nebenbestimmung zu versehen:
Nummer 3 BeschV oder nach § 21 oder eine „Aufenthaltserlaubnis berechtigt nur zur
Niederlassungserlaubnis nach § 19 erteilt Teilnahme an einem Sprachkurs der
werden, wenn die dazu erforderlichen Voraus- ....schule. Erwerbstätigkeit nur mit Er-
setzungen vorliegen. Hiermit ist ein Aufent- laubnis der Ausländerbehörde.“
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 989

16.5.1.6 § 16 Absatz 2 gilt mit der Wirkung entspre- 9. Klassenstufe in Betracht. An Staatsange-
chend, dass nach Beendigung von Sprachkur- hörige von Staaten, bei denen die Rückführung
sen, die für die Aufnahme einer Beschäftigung eigener Staatsangehöriger auf Schwierigkeiten
oder anderen, nicht von § 16 Absatz 1 erfassten stößt, kann die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt
Aus- oder Weiterbildung erforderlich sind, werden, wenn darüber hinaus
die zweckentsprechende Aufenthaltserlaubnis
16.5.2.3.1 – die Schule die Schüler zur Hochschulreife
ohne vorherige Ausreise erteilt werden kann.
oder einem vergleichbaren Abschluss führt,
16.5.2 Aufenthaltserlaubnisse zum Schulbesuch
16.5.2.3.2 – die Schüler grundsätzlich in einem zur
16.5.2.1 Im Allgemeinen können Aufenthaltserlaub- Schule gehörenden Internat untergebracht
nisse zum Schulbesuch (z. B. allgemeinbildende werden,
Schulen) nicht erlaubt werden. Dies gilt insbe-
16.5.2.3.3 – der Anteil der ausländischen Schüler je
sondere, wenn die Einreise zum Zweck des
Staatsangehörigkeit der Staaten, mit denen
Schulbesuchs erfolgen soll oder wenn nicht die
Rückführungsschwierigkeiten bestehen,
Eltern des ausländischen Schülers, sondern nur
20 Prozent je Schulklasse nicht überschreitet
Verwandte im Bundesgebiet leben und sich ein
und
Aufenthaltsrecht auch nicht aus einem anderen
Rechtsgrund ergibt. Die Teilnahme am Schul- 16.5.2.3.4 – die Schule oder eine andere Person, die im
unterricht begründet kein Aufenthaltsrecht. Bundesgebiet lebt, i. d. R. für diese Schüler
eine Verpflichtungserklärung nach § 68 ab-
16.5.2.2 Nach Absatz 5 kann eine Aufenthaltserlaubnis gibt.
zur Teilnahme am Schulbesuch nur in Ausnah-
mefällen erteilt werden. Wenn der Lebens- 16.5.2.4 Schulen i. S. d. Nummer 16.5.2.2.3 sind insbe-
unterhalt und entstehende Ausbildungskosten sondere öffentliche Schulen oder staatlich aner-
des ausländischen Schülers z. B. durch Zah- kannte Ersatzschulen in privater Trägerschaft,
lungen der Eltern gesichert sind und die Rück- die bilinguale Bildungsgänge oder Bildungs-
kehrbereitschaft im Anschluss an die Schulaus- gänge mit einem deutschen und einem aus-
bildung sichergestellt ist, können Ausnahmen ländischen Abschluss anbieten.
nur in Betracht kommen, wenn
16.5.2.5 Zu den Schulen i. S. d. Nummer 16.5.2.2.4 zäh-
16.5.2.2.1 – es sich um Schüler handelt, die die Staatsan- len die in verschiedenen Formen ausgestalteten
gehörigkeit von Andorra, Australien, Israel, Ergänzungsschulen, die auf die staatliche
Japan, Kanada, der Republik Korea, von Nichtschülerprüfung vorbereiten oder z. B.
Monaco, Neuseeland, San Marino, der zum Erwerb des „International General Certi-
Schweiz oder der Vereinigten Staaten von ficate of Secondary Education“ (IGCSE), von
Amerika besitzen (vgl. § 41 AufenthV) oder High-School-Diplomen (AP-Prüfung) oder des
die als deutsche Volkszugehörige einen International Baccalaureat führen. Die Schulen
Aufnahmebescheid nach dem BVFG be- müssen grundsätzlich eine Zusammensetzung
sitzen und wenn eine Aufnahmezusage der aus Schülern verschiedener Staatsangehörig-
Schule vorliegt oder keiten gewährleisten. Ausnahmen kommen bei
den so genannten Botschaftsschulen in Be-
16.5.2.2.2 – im Rahmen eines zeitlich begrenzten Schü- tracht. Da die Ergänzungsschulen keiner staat-
leraustausches der Austausch mit einer lichen Schulaufsicht unterliegen, die zu einer
deutschen Schule oder einer sonstigen öf- internationalen Schülerschaft verpflichten
fentlichen Stelle in Zusammenarbeit mit könnte, kann eine Steuerung nur über die Er-
einer Schule oder öffentlichen Stelle in teilung von Aufenthaltserlaubnissen erfolgen.
einem anderen Staat oder einer Schüleraus-
tauschorganisation oder einem Träger der 16.5.2.6 Zu den Aufenthaltszwecken des § 16 Absatz 5
freien Jugendhilfe vereinbart worden ist zählen auch berufliche Bildungsmaßnahmen,
oder die nicht einem Studium nach § 16 Absatz 1
oder einer betrieblichen Ausbildung i. S. v. § 17
16.5.2.2.3 – es sich bei der Schule um eine öffentliche entsprechen. Zu diesen Maßnahmen sind Aus-
oder staatlich anerkannte Schule mit inter- bildungen in vorwiegend fachtheoretischer
nationaler Ausrichtung handelt oder Form zu zählen, die nach bundes- oder landes-
16.5.2.2.4 – es sich um eine Schule handelt, die nicht rechtlichen Regelungen zu einem staatlichen
oder nicht überwiegend aus öffentlichen Berufsabschluss führen. Die Erteilung der Auf-
Mitteln finanziert wird, die Schüler auf in- enthaltserlaubnis kommt grundsätzlich nur
ternationale Abschlüsse, Abschlüsse anderer dann in Betracht, wenn sich der Bildungsgang
Staaten oder staatlich anerkannte Ab- bei dem Bildungsträger nicht ausschließlich an
schlüsse vorbereitet und insbesondere bei Staatsangehörige eines Staates richtet. Die Län-
Internatsschulen eine Zusammensetzung der können bestimmen, dass Ausnahmen von
aus Schülern verschiedener Staatsange- Satz 2 und 3 der Billigung der obersten Lan-
hörigkeiten gewährleistet. desbehörde obliegen. Berufliche Praktika, die
vorgeschriebener Bestandteil der Ausbildung
16.5.2.3 Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum sind, bedürfen nach § 2 Absatz 2 Nummer 1
Besuch einer Schule nach Nummer 16.5.2.2.3 BeschV nicht der Zustimmung der Bundes-
und 16.5.2.2.4 kommt i. d. R. nur ab der agentur für Arbeit.
Seite 990 GMBl 2009 Nr. 42– 61

16.5.2.7 Von den Regelungen der Nummer 16.5.2.3 bis pflichtung. Nach Artikel 8 Absatz 2 der Stu-
16.5.2.6 ausgenommen sind bilaterale oder dentenrichtlinie sind weitere Erteilungsvoraus-
multilaterale Vereinbarungen der Bundesländer setzungen, insbesondere i. S. d. §§ 5, 16
mit einer öffentlichen Stelle in einem anderen Absatz 1, nicht zu erfüllen. Notwendige Infor-
Staat über den Besuch ausländischer Schüler an mationen zur Prüfung der Voraussetzungen zur
inländischen staatlich öffentlichen Schulen. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16
Aufenthaltserlaubnisse zur Teilnahme am Absatz 6 können die Ausländerbehörden und
Schulbesuch können aufgrund solcher Verein- Auslandsvertretungen nach § 91d Absatz 2
barungen nur erteilt werden, wenn die für das auch über die nationale Kontaktstelle im Bun-
Aufenthaltsrecht zuständige oberste Landes- desamt für Migration und Flüchtlinge einholen.
behörde der Vereinbarung zugestimmt hat. Die
16.6.2.2 Von § 16 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 werden die
Zustimmung der obersten Landesbehörde ist
Fälle nach Artikel 8 Absatz 1 Studentenricht-
auch erforderlich für außergewöhnliche Ein-
linie erfasst. Im Gegensatz zu den Fällen des
zelfälle, die in Nummer 16.5.2.2 bis 16.5.2.6
§ 16 Absatz 6 Nummer 1 handelt es sich hier
nicht erfasst sind.
nicht um eine Verpflichtung zur Mobilität, die
sich zwingend aus dem Studienprogramm er-
16.6 Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung eines gibt, sondern um eine freiwillige Mobilität. Zu
in einem anderen EU-Mitgliedstaat begonne- unterscheiden ist hierbei zwischen der Teil-
nen Studiums nahme an einem Austauschprogramm zwischen
Mitgliedstaaten der EU oder einem Aus-
16.6.1 Mit § 16 Absatz 6 werden die Mobilitätsvor-
tauschprogramm der EU (§ 16 Absatz 6 Satz 1
schriften des Artikels 8 Studentenrichtlinie
Nummer 2 Buchstabe a) und der Fortführung
umgesetzt. Studenten i. S. d. Richtlinie sind
oder Ergänzung des Studiums außerhalb dieser
Drittstaatsangehörige, die von einer höheren
Programme unter der Voraussetzung, dass der
Bildungseinrichtung angenommen und in das
Studierende in einem anderen Mitgliedstaat von
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zugelassen
einer Hochschule oder einer vergleichbaren
wurden, um als Haupttätigkeit ein Vollzeit-
Ausbildungseinrichtung für die Dauer von
studienprogramm zu absolvieren, das zu einem
mindestens zwei Jahren zum Studium zuge-
von dem Mitgliedstaat anerkannten höheren
lassen wurde (§ 16 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2
Abschluss wie einem Diplom, Zertifikat oder
Buchstabe b). Im Gegensatz zu § 16 Absatz 6
Doktorgrad von höheren Bildungsseinrichtun-
Satz 1 Nummer 1 gelten für den Studierenden
gen führt, einschließlich Vorbereitungskursen
auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzun-
für diese Studien gemäß dem einzelstaatlichen
gen nach § 5. Ergänzend können nach § 91d
Recht. Studenten mit einem Aufenthaltstitel für
Absatz 2 weitere Informationen über die natio-
einen anderen Zweck (z. B. Familiennachzug)
nale Kontaktstelle im Bundesamt für Migration
sind demnach ebenso wenig begünstigt wie
und Flüchtlinge eingeholt werden.
Ausländer mit einem Aufenthaltstitel zum
Zweck des Studiums, der anderweitig genutzt
wird. Die Anwendung dieser Mobilitätsrege- 16.7 Zustimmung der Personensorgeberechtigten
lungen setzt voraus, dass der Student bereits in § 16 Absatz 7 dient der Umsetzung des zwin-
einem Mitgliedstaat der EU einen Aufenthalts- genden Erfordernisses des Einverständnisses
titel als Student besitzt. Die Mobilitätsrege- der erziehungsberechtigten Personen mit dem
lungen zur Einreise nach Deutschland finden Aufenthalt Minderjähriger, das Artikel 6 Ab-
keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige, satz 1 Buchstabe b) der Studentenrichtlinie
die in Großbritannien, Irland oder Dänemark vorsieht. Eine Erlaubnis der zur Personensorge
studieren. Da § 16 Absatz 6 keine spezielle allein berechtigten Person kann auch durch eine
Vorschrift zur Befristung der Aufenthaltser- gerichtliche Entscheidung ersetzt werden.
laubnis und zur Beschäftigung enthält, finden
die allgemein diesbezüglichen Regelungen An-
wendung. Auf die Erteilung der erforderlichen 17 Zu § 17 – Sonstige Ausbildungszwecke
Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums
im Rahmen der Mobilitätsregelungen besteht 17.1 Die Vorschrift regelt die Erteilung einer Auf-
ein Anspruch. Zur Erfüllung des Er- enthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen
teilungsanspruchs sind zwei verschiedene Fall- Aus- und Weiterbildung. Die Erteilung ist von
gruppen zu unterscheiden, die in § 16 Absatz 6 der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit
Satz 1 Nummer 1 und 2 entsprechend Artikel 8 abhängig (siehe Nummer 39.3), soweit die
Studentenrichtlinie benannt sind. BeschV nicht die zustimmungsfreie Aufnahme
der Ausbildung oder Weiterbildung vorsieht.
16.6.2.1 § 16 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 erfasst die Fälle
17.1.1 Zustimmungspflichtige Ausbildungszwecke
nach Artikel 8 Absatz 2 Studentenrichtlinie. Ist
der Studierende verpflichtet, im Rahmen seines 17.1.1.1 Ausländern kann generell nach § 17 zu betrieb-
Studienprogramms einen Teil seiner Aus- lichen Erstausbildungen sowie zu Beschäfti-
bildung an einer Bildungseinrichtung eines an- gungen zur Weiterbildung (Praktika) eine Auf-
deren Mitgliedstaates der EU durchzuführen, enthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die
besteht der Anspruch auf Erteilung der Auf- Arbeitsverwaltung nach Prüfung der Aus-
enthaltserlaubnis bereits auf Grund dieser Ver- wirkungen auf die Ausbildungs- und Arbeits-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 991

marktsituation im Einzelfall gemäß § 39 zuge- gramms von Verbänden und öffentlich-


stimmt hat, soweit die Beschäftigung nicht nach rechtlichen Einrichtungen oder studenti-
der BeschV zustimmungsfrei ist. Beschrän- schen Organisationen im Einvernehmen mit
kungen der Zustimmung der Bundesagentur für der Bundesagentur für Arbeit. Innerhalb der
Arbeit sind in die Aufenthaltserlaubnis zu Bundesagentur für Arbeit wird das Ein-
übernehmen. Wird die Ausbildung im Rahmen vernehmen von der Zentralen Auslands-
eines entwicklungspolitischen Programms fi- und Fachvermittlung (ZAV) erteilt. Die
nanziell gefördert, ist die Aufenthaltserlaubnis Praktikumsdauer beträgt längstens ein Jahr;
mit einer Nebenbestimmung gemäß § 8 Ab- das Praktikum kann auch in mehreren Teilen
satz 2 zu versehen. durchgeführt werden, wenn dies von vorn-
herein zur Erreichung des Weiterbildungs-
17.1.1.2 Die Aufenthaltserlaubnis wird für zwei Jahre
zieles vorgesehen war und die Gesamtdauer
erteilt. Beträgt die Aus- oder Weiterbildung
von einem Jahr nicht überschritten wird.
weniger als zwei Jahre, wird die Aufenthaltser-
Die das Austauschprogramm durchfüh-
laubnis auf die Dauer der Aus- oder Weiter-
rende Einrichtung muss im Visumverfahren
bildung befristet. Die Aufenthaltserlaubnis
über Art und Umfang des Programms in-
kann bei Fortbestehen des Ausbildungsver-
formieren. Insbesondere muss aus dem Pro-
hältnisses bis zum voraussichtlichen Abschluss
gramm der Austauschcharakter hervor-
der Ausbildung verlängert werden.
gehen. Als Verbände, öffentliche Einrich-
17.1.1.3 Ein Wechsel des Aufenthaltszwecks ist wäh- tungen oder studentische Organisationen
rend der Zeit der Ausbildung außer in den Fäl- kommen z. B. in Betracht:
len, in denen ein Anspruch auf Erteilung einer – Deutscher Bauernverband,
Aufenthaltserlaubnis entstanden ist, nicht zu-
zulassen. Nach Abschluss der Ausbildung kann – Zentrale für Auslands- und Fachvermittlung
eine Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäfti- (ZAV),
gung nach § 18 mit Zustimmung der Bundes- – DAAD, AIESEC, COUNSIL,
agentur für Arbeit grundsätzlich nur erteilt
werden, soweit die Aufnahme der Beschäfti- – sonstige gemeinnützige Institutionen für in-
gung nach der BeschV zugelassen ist und die ternationale Bildungszusammenarbeit, z. B.
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht InWEnt;
nach § 8 Absatz 2 durch Nebenbestimmung 17.1.2.1.4 – an Fach- und Führungskräfte, die ein Sti-
ausgeschlossen wurde (Nummer 17.1.1.1 pendium aus öffentlichen deutschen Mit-
Satz 3). Eine Ausnahme bilden Absolventen teln, Mitteln der Europäischen Union oder
deutscher Auslandsschulen, die hier eine Be- Internationaler Organisationen (z. B.
rufsausbildung abgeschlossen haben. Ihnen WHO, Weltbank) erhalten (Regierungs-
kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 18 i. V. m. praktikanten) oder bei im Ausland be-
§ 27 Satz 1 Nummer 4 BeschV erteilt werden. schäftigten Fachkräften eines international
17.1.2 Zustimmungsfreie Ausbildungszwecke tätigen Konzern oder Unternehmens, die bis
zu drei Monate innerhalb eines Jahres im
17.1.2.1 Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum inländischen Konzern- oder Unterneh-
Zweck der Aus- und Weiterbildung ohne Zu- mensteil weitergebildet werden.
stimmung der Arbeitsverwaltung ist nach § 2
Absatz 1, Absatz 2 Nummer 2 bis 4 und Ab- 17.1.2.1.4.1 Eine Fachkraft ist ein ausländischer Arbeit-
satz 3 BeschV vorgesehen nehmer, der über eine abgeschlossene Berufs-
ausbildung oder über eine mindestens sechs-
17.1.2.1.1 – bei Absolventen deutscher Auslandsschulen jährige einschlägige Berufserfahrung verfügt.
zum Zweck einer qualifizierten betrieb-
lichen Ausbildung in einem staatlich aner- 17.1.2.1.4.2 Führungskräfte sind Personen, die über ein ab-
kannten oder vergleichbar geregelten Aus- geschlossenes Hochschulstudium (z. B. Ba-
bildungsberuf i. S. v. § 25 BeschV; chelor, Master) oder einen vergleichbaren Ab-
schluss verfügen.
17.1.2.1.2 – im Rahmen eines von der Europäischen
Union finanziell geförderten Programms. 17.1.2.1.4.3 Der Nachweis der öffentlichen Mittel wird
Dies sind z. B. die Programme im Rahmen über die Stipendienzusage des Geldgebers
des PROGRAMMS FÜR LEBENSLAN- (Programmträger können sein: Bund, Länder,
GES LERNEN wie z. B. ERASMUS Kommunen) geführt. Aus dem Bescheid muss
MUNDUS und LEONARDO DA VINCI erkennbar sein, dass die Zuwendungen zur be-
oder die Programme PHARE, TACIS oder ruflichen Aus- und Weiterbildung vorgesehen
MARIE CURIE. Der Ausländer hat durch sind. Von einem Stipendium aus öffentlichen
Unterlagen der für das Programm verant- Mitteln ist auszugehen, wenn mindestens
wortlichen Stellen nachzuweisen, dass die 25 Prozent der Gesamtförderung von öffent-
Beschäftigung auf der Grundlage eines von licher Hand getragen wird.
der Europäischen Union finanziell geför-
17.1.2.2 Bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist
derten Programms erfolgt;
als Nebenbestimmung der Befreiungstatbe-
17.1.2.1.3 – bis zu einem Jahr im Rahmen eines nachge- stand nach § 2 BeschV zu bezeichnen. Die Ne-
wiesenen internationalen Austauschpro- benbestimmung lautet:
Seite 992 GMBl 2009 Nr. 42– 61

„Beschäftigung nur gemäß § 2 Absatz ... forderliche Zustimmung der Bundesagentur für
BeschV gestattet. Arbeit einzuholen. Liegt die Zustimmung der
Arbeitsverwaltung vor, so sollte die Ausländer-
Selbständige Erwerbstätigkeit gestattet/nicht
behörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaub-
gestattet.“
nis nur dann versagen, wenn zwischenzeitlich
17.1.2.3 Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis ergibt eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach
sich aus dem zu Grunde liegenden Programm. § 5 entfallen ist oder sonst nachträglich Um-
Die Aufenthaltserlaubnis von Regierungs- stände bekannt geworden sind, bei deren frü-
praktikanten wird auf den Zeitraum des Sti- herer Kenntnis die Ausländerbehörde den An-
pendiums befristet. trag von vornherein abgelehnt hätte.
17.1.2.4 Die Ausübung einer weiteren zustimmungs- 18.2.2 § 18 ist nicht anwendbar auf Ausländer, deren
freien Beschäftigung ist ausgeschlossen. Aufenthaltstitel die Erwerbstätigkeit bereits
kraft Gesetzes ausdrücklich erlaubt, also in den
17.2 Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Fällen der
Rahmen des § 17 über den Zeitraum der Aus-
oder Weiterbildung hinaus ist bei der Erteilung 18.2.2.1 – Niederlassungserlaubnis,
bzw. letzten Verlängerung der Aufenthaltser- 18.2.2.2 – Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG gemäß
laubnis auszuschließen (§ 8 Absatz 2). § 9a,
18.2.2.3 – Aufenthaltserlaubnis nach Aufnahme aus
18 Zu § 18 – Beschäftigung dem Ausland gemäß § 22 Satz 3,

18.1 Grundsätze für die Zulassung ausländischer 18.2.2.4 – Aufenthaltserlaubnis nach Anordnung des
Beschäftigter Bundesministeriums des Innern nach § 23
Absatz 2,
§ 18 bildet die Rechtsgrundlage für die Er-
18.2.2.5 – Aufenthaltserlaubnis nach Anerkennung als
teilung der Aufenthaltserlaubnis an neu
politisch Verfolgter gemäß § 25 Absatz 1
einreisende ausländische Arbeitnehmer. Die
und Absatz 2,
Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Ar-
beitsmarkt und das Erfordernis, die Arbeits- 18.2.2.6 – Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Fa-
losigkeit wirksam zu bekämpfen, sowie das Er- miliennachzugs zu Deutschen nach § 28
fordernis, Mangelsituationen am Arbeitsmarkt Absatz 5,
hinreichend zu begegnen, sind ermessens-
lenkende Vorgaben für die Erteilung der Zu- 18.2.2.7 – Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Fa-
stimmung zur Beschäftigung durch die Bun- miliennachzugs zu Ausländern, soweit diese
desagentur für Arbeit und finden ihren Aus- selbst nach § 29 Absatz 5, 2. Alternative zur
druck in der Ausgestaltung der Bestimmungen Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt
der BeschV sowie der BeschVerfV. sind (siehe auch Nummer 29.5),
18.2.2.8 – Aufenthaltserlaubnis auf Grund eigen-
18.2 Erteilungsvoraussetzungen ständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 Ab-
satz 1,
18.2.0 § 18 Absatz 2 ist als Ermessensvorschrift aus-
gestaltet. Mit der Bezugnahme der Absätze 3 18.2.2.9 – Aufenthaltserlaubnis im Rahmen der Wie-
und 4 auf Absatz 2 wird verdeutlicht, dass auf derkehr nach § 37 Absatz 1,
die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 18
18.2.2.10 – Aufenthaltserlaubnis für ehemalige Deut-
kein Anspruch besteht. Dies gilt auch in den
sche nach § 38 Absatz 4,
Fällen, in denen die Zustimmung der Bundes-
agentur für Arbeit vorliegt. 18.2.2.11 – Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallre-
gelung nach § 104a Absatz 4.
18.2.1 Die Vorschrift gilt für jede Beschäftigung im
Bundesgebiet, auch für Aufenthalte unter drei 18.2.3 § 18 kann zu einem späteren Zeitpunkt nach der
Monaten. Sie schreibt im Grundsatz fest, dass Erteilung eines Visums oder einer anderen
für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Aufenthaltserlaubnis erstmals anwendbar sein.
Aufnahme einer Beschäftigung die Zustim- Das gilt z. B. für Ausländer,
mung der Bundesagentur für Arbeit erforder-
18.2.3.1 – denen nach den §§ 27 bis 30, 32 bis 34 und 36
lich ist. Die Beurteilung einer Beschäfti-
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist,
gungsmöglichkeit oder -notwendigkeit für
wenn die Verlängerung der Aufenthaltser-
einen Ausländer obliegt ausschließlich der Ar-
laubnis nach diesen Vorschriften nicht er-
beitsverwaltung. Dies wird durch das Erfor-
folgen kann, bevor die Voraussetzungen für
dernis der Zustimmung sichergestellt. Die
ein eigenständiges Aufenthaltsrecht vor-
Ausländerbehörde hat die allgemeinen aus-
liegen (vgl. § 28 Absatz 2, §§ 31, 34 Absatz 2
länderrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen
und 3, § 35),
und ggf. allgemeine Migrationsgesichtspunkte
im Rahmen ihres Ermessens zu bewerten. Ist 18.2.3.2 – denen eine Aufenthaltserlaubnis nach den
die Ausländerbehörde nach den allgemeinen §§ 16 oder 17 erteilt worden ist, wenn der
ausländerrechtlichen Erwägungen bereit, eine ursprüngliche Aufenthaltszweck durch Er-
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hat sie die er- reichen des Ausbildungszieles entfallen ist
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 993

oder eine Ausnahme von dem Regel- 18.2.9 Versagt die Bundesagentur für Arbeit im Rah-
versagungsgrund des § 16 Absatz 2 zuge- men der Beteiligung in einem Visumverfahren
lassen wird und sie nunmehr eine Be- zu einem Beschäftigungsaufenthalt die Zustim-
schäftigung im Bundesgebiet anstreben, mung, ist das Visum abzulehnen. Wird die Zu-
stimmung der Bundesagentur für Arbeit vor
18.2.3.3 – denen als Nichterwerbstätige eine Aufent-
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis widerrufen,
haltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 er-
ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch
teilt worden ist und die nach einem Wechsel
die Ausländerbehörde abzulehnen und das ggf.
des ursprünglichen Aufenthaltszwecks eine
bestehende Visum zum Beschäftigungsaufent-
Beschäftigung aufnehmen wollen.
halt zu widerrufen; erfolgt der Widerruf der
18.2.4 Wird eine Beschäftigung angestrebt, ist im Ein- Zustimmung nach Erteilung der Aufenthaltser-
zelfall zu prüfen, ob im Rahmen der Erteilung laubnis, ist die Aufenthaltserlaubnis zu wider-
der Aufenthaltserlaubnis die angestrebte Be- rufen (vgl. Nummer 52.2). Besitzt der Aus-
schäftigung erlaubt werden kann. Hierzu ist die länder eine Aufenthaltserlaubnis, die nicht zum
gemäß § 39 Absatz 1 erforderliche Zustimmung Zweck der Beschäftigung erteilt wurde, ist die
der Bundesagentur für Arbeit einzuholen, so- Versagung der Zustimmung durch die Bundes-
weit nicht nach §§ 2 bis 15 BeschV die Be- agentur für Arbeit dem Ausländer bekannt zu
schäftigung nicht der Zustimmung der Bundes- geben.
agentur für Arbeit bedarf. Zum Verfahren siehe
18.2.9.1 Wurde die Zustimmung zur Beschäftigung im
Nummer 39.1.1 ff.
Rahmen eines Visumverfahrens versagt oder
18.2.5 Durch das Zustimmungserfordernis wird das eine erteilte Zustimmung widerrufen, bevor das
Verfahren bei einer Behörde konzentriert. Die Visum erteilt wurde, ist die Zustimmung zur
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist Visumerteilung ebenfalls zu versagen. Die Be-
in einem verwaltungsinternen Verfahren ein- gründung der Versagung oder des Widerrufs der
zuholen – vergleichbar der ausländerbehörd- Zustimmung zur Beschäftigung ist der Aus-
lichen Zustimmung zur Visumerteilung nach landsvertretung mitzuteilen.
§ 31 AufenthV. Das Vorliegen der beschäfti-
18.2.9.2 Wurde die Zustimmung zur Beschäftigung für
gungsrechtlichen Voraussetzungen für die Aus-
einen Ausländer versagt, der sich bereits im
übung einer Beschäftigung sowie die Ein-
Bundesgebiet aufhält und der erstmals oder er-
haltung der beschäftigungsrechtlichen Be-
neut die Erlaubnis zur Beschäftigung beantragt
stimmungen (vgl. § 39 Absatz 2 bis 4, § 40) sind
hat, so ist dem Ausländer oder seinem gesetz-
im Rahmen dieses Zustimmungsverfahrens von
lichen Vertreter die Versagung unter Bezug-
der Arbeitsverwaltung zu prüfen.
nahme auf die Begründung der Bundesagentur
18.2.6 Nach Satz 2 ist die Ausländerbehörde bei der für Arbeit durch die Ausländerbehörde bekannt
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an die mit zu geben. In dem Aufenthaltstitel ist zu ver-
der Zustimmung verbundenen Vorgaben der merken:
Bundesagentur für Arbeit gebunden. Die Vor- „Erwerbstätigkeit nicht gestattet.“
gaben sind in den Aufenthaltstitel zu über-
nehmen. Gleiches gilt für die Erteilung eines oder:
Visums. Hinsichtlich der Besonderheiten des „Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der
Verfahrens bei Werkvertragsarbeitnehmern sie- Ausländerbehörde gestattet.“
he Nummer 39.1.1. Wird eine selbständige Erwerbstätigkeit ge-
18.2.7 In den Fällen des § 105 erfolgt keine Beteiligung stattet, lautet die Nebenbestimmung:
der Bundesagentur für Arbeit. „Beschäftigung nicht gestattet.“; es folgt
18.2.8 Die Erteilung eines Aufenthaltstitels kann ohne die entsprechende Bestimmung zur selb-
die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ständigen Erwerbstätigkeit.
erfolgen, sofern dies durch Rechtsverordnung 18.2.9.3 Die Zustimmung bzw. die Versagung und der
(Nummer 42.1) oder zwischenstaatliche Ver- Widerruf einer Zustimmung zur Beschäftigung
einbarung bestimmt ist. In diesen Fällen bedarf sind kein selbständiger Verwaltungsakt. Wider-
die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, die die spruch und Klage richten sich gegen die aus-
Ausübung einer entsprechenden Beschäftigung länderbehördliche Versagung der Erlaubnis zur
zulässt, keiner förmlichen Beteiligung der Ar- Beschäftigung. Damit ist nicht der Rechtsweg
beitsverwaltung. Bei Zweifeln an der Zustim- zu den Sozialgerichten, sondern zu den Ver-
mungsfreiheit der Beschäftigung kann die Bun- waltungsgerichten gegeben. Die Belange der
desagentur für Arbeit beteiligt werden. Die Arbeitsverwaltung sind durch die notwendige
Nebenbestimmung lautet: Beteiligung im Widerspruchsverfahren bzw.
„Beschäftigung nur gemäß § ... BeschV ge- Beiladung im Verfahren vor dem Verwaltungs-
stattet. Selbständige Erwerbstätigkeit ge- gericht gewahrt.
stattet/nicht gestattet.“
18.3 Aufenthaltserlaubnis für Beschäftigung ohne
Die Art der zustimmungsfreien Beschäftigung
qualifizierte Berufsausbildung
ist ggf. mit weiteren Beschränkungen in den
Nebenbestimmungen zur Aufenthaltserlaubnis Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur
(z. B. zum Arbeitgeber) aufzunehmen. Ausübung einer Beschäftigung, die keine quali-
Seite 994 GMBl 2009 Nr. 42– 61

fizierte Berufsausbildung voraussetzt, kann nur über den in der BeschV festgelegten Zeitraum
mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit hinaus kein öffentliches Interesse begründen,
für die Beschäftigungen erfolgen, die in der denn diese zeitlichen Beschränkungen basieren
BeschV vorgesehen sind, es sei denn, die Be- auf arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen
schäftigung basiert auf einer zwischenstaat- zur Beschäftigung von Ausländern.
lichen Vereinbarung, die die Beschäftigung
ohne Zustimmung der Bundesagentur für Ar- 18.4.3 Das geforderte öffentliche Interesse muss
beit (ohne Arbeitserlaubnis) vorsieht oder die zwingend über das privatwirtschaftliche, be-
Beschäftigung bedarf nicht der Zustimmung triebliche Interesse des Arbeitgebers hinaus-
der Bundesagentur für Arbeit. Bedarf eine Be- gehen. Die Tatsache, dass ein Vermittlungsauf-
schäftigung auf Grund einer Verordnung des trag über einen längeren Zeitraum nicht erledigt
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden konnte, reicht zur Begründung des öf-
nicht der Zustimmung der Bundesagentur für fentlichen Interesses nicht aus. Ein öffentliches
Arbeit, ist in dem Verzicht auf das Zustim- Interesse für die Zustimmung kann z. B. vor-
mungsverfahren die pauschale Zustimmung zur liegen, wenn durch die Beschäftigung eines
Beschäftigung zu sehen, da arbeitsmarktpoli- Ausländers Arbeitsplätze erhalten oder ge-
tische Gesichtspunkte einer solchen Beschäf- schaffen werden. Zuständig für die Beurteilung
tigung nicht entgegenstehen. In diesen Fällen des arbeitsmarktpolitischen Interesses ist die
ergeben sich wegen der Eigenart der Tätig- Bundesagentur für Arbeit.
keiten im Allgemeinen keine nachteiligen Aus-
wirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die 18.5 Erfordernis des Vorliegens eines konkreten
Beschäftigungsmöglichkeiten bevorrechtigter Arbeitsplatzangebots
Arbeitsuchender.
Absatz 5 ist für die Ausländerbehörden für sol-
18.4 Aufenthaltserlaubnis für Beschäftigung mit che Beschäftigungen von besonderer Bedeu-
qualifizierter Berufsausbildung tung, die ohne Zustimmung der Bundesagentur
für Arbeit ausgeübt werden können, da in die-
18.4.0 § 18 Absatz 4 regelt zwei unterschiedliche sen Fällen i. d. R. die Bundesagentur für Arbeit
Sachverhalte, wobei Satz 2 eine Ergänzung zu nicht beteiligt wird (siehe Nummer 18.2.8). Der
den in der Rechtsverordnung nach § 42 ge- Ausländer hat das Bestehen des Beschäfti-
regelten Sachverhalten, die eine qualifizierte gungsverhältnisses gegenüber der Ausländer-
Berufsausbildung voraussetzen, darstellt. behörde durch entsprechende Unterlagen (z. B.
18.4.1 Für Beschäftigungen, die eine qualifizierte Be- Arbeitsvertrag) nachzuweisen.
rufsausbildung voraussetzen, gilt ebenfalls das
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt durch Rechts-
verordnung. Für diese Beschäftigungen ist 18a Zu § 18a – Aufenthaltserlaubnis für qualifi-
ebenfalls die Zustimmung der Bundesagentur zierte Geduldete zum Zweck der Beschäfti-
für Arbeit erforderlich, soweit die Beschäfti- gung
gung nicht ohne Zustimmung zur Beschäfti-
gung ausgeübt werden darf. 18a.0 Allgemeines

18.4.2 Abweichend von den durch die BeschV vorge- Mit der Regelung von § 18a soll beruflich qua-
gebenen Berufsgruppen wird mit Satz 2 für be- lifizierten Geduldeten die Gelegenheit gegeben
gründete Einzelfälle die Möglichkeit der Er- werden, in einen rechtmäßigen Aufenthalt mit
teilung der Aufenthaltserlaubnis zur Beschäf- Aufenthaltserlaubnis zu wechseln. Es wird da-
tigung eröffnet. Voraussetzung ist, dass an der bei hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit nicht
Beschäftigung des Ausländers ein öffentliches, allein darauf abgestellt, dass der Ausländer dar-
insbesondere ein regionales, wirtschaftliches aus seinen Lebensunterhalt bestreiten kann,
oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. sondern auch auf ein Qualifikationsprofil des
Da Satz 2 als eine Ergänzung zu Satz 1 aus- Ausländers, mit dem das Ziel unterstützt wird,
gestaltet ist, beschränken sich die Beschäfti- den steigenden Bedarf an gut ausgebildeten
gungsmöglichkeiten jedoch auf solche, die eine Fachkräften, insbesondere durch Nutzung in-
qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen. ländischer Potenziale, zu befriedigen. Da die
Die Bestimmung ist als Ausnahmevorschrift berufliche Qualifikation und die in einem ge-
ausgestaltet. Damit gilt auch für die Erteilung wissen Umfang erfolgte Integration in den Ar-
der Aufenthaltserlaubnis nach Satz 2 das zwin- beitsmarkt somit die hauptsächliche Intention
gende Erfordernis der Zustimmung durch die zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist,
Bundesagentur für Arbeit. Die Regelung kann handelt es sich nicht um einen Aufenthaltstitel
darüber hinaus nur einzelfallbezogen auf die aus humanitären Gründen nach Abschnitt 5,
Person eines bestimmten Ausländers Anwen- sondern um einen Aufenthaltstitel zum Zweck
dung finden. Sie dient nicht dazu, die Ein- der Erwerbstätigkeit nach Abschnitt 4. Auf
schränkungen der BeschV auf bestimmte Berufe Grund dessen finden die Vorschriften des Ab-
beliebig zu erweitern. Soweit in der BeschV für schnitts 1 uneingeschränkt – soweit deren An-
einzelne Berufsgruppen zeitliche Beschrän- wendung nicht explizit ausgenommen wird –
kungen der Beschäftigung vorgesehen sind, bei der Erteilung und Verlängerung der Auf-
kann sich in der Fortsetzung der Beschäftigung enthaltserlaubnis nach § 18a Anwendung. Der
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 995

Familiennachzug richtet sich nach den all- ländisches Bildungswesens bei der Kultusmini-
gemeinen Vorschriften. sterkonferenz abzustellen, die im Internet unter
www.anabin.de öffentlich zugänglich sind. Als
18a.1 Erteilungsvoraussetzungen faktisch anerkannt gilt ein Studienabschluss,
wenn er dort als einem deutschen Hochschul-
18a.1.0 § 18a Absatz 1 sieht vor, dass die Erteilung der abschluss „gleichwertig“ oder entsprechend
Aufenthaltserlaubnis der Zustimmung durch („entspricht“) eingestuft ist. In den mithilfe von
die Bundesagentur für Arbeit bedarf. Im Ge- anabin nicht zu entscheidenden Fällen bildet
gensatz zu den Regelungen nach § 18 erfolgt die tatbestandlich erforderliche zweijährige an-
keine Beschränkung auf die Berufsgruppen der gemessene Beschäftigung ein im Regelfall ge-
BeschV. Darüber hinaus wird in den Einzel- wichtiges Indiz für die vom Gesetz geforderte
regelungen der Nummer 1 Buchstaben a) bis c) Vergleichbarkeit. Des Weiteren muss der Aus-
nicht auf eine bestimmte Aufenthaltszeit, son- länder bei Antragstellung bereits seit zwei Jah-
dern auf die durch Ausbildung erworbene be- ren ohne Unterbrechung eine dem Studienab-
rufliche Qualifikation oder die bisherige Be- schluss angemessene Beschäftigung ausgeübt
schäftigungszeit als Fachkraft abgestellt. Vor- haben. Angemessen ist die Beschäftigung, wenn
aussetzung ist weiterhin, dass der Geduldete sie üblicherweise einen akademischen Ab-
nicht nur über ein beliebiges Arbeitsplatz- schluss voraussetzt und die mit der Hochschul-
angebot verfügt oder eine beliebige Beschäf- ausbildung erworbenen Kenntnisse zumindest
tigung fortsetzt. Die vorgesehene Beschäfti- teilweise oder mittelbar benötigt werden. Kür-
gung muss der Qualifikation des Ausländers zere Unterbrechungen der Beschäftigung, die
entsprechen. Als der beruflichen Qualifikation im Regelfall eine Gesamtdauer von drei Mona-
entsprechende Beschäftigungen sind auch sol- ten nicht übersteigen sollten, sind unschädlich;
che Tätigkeiten zu verstehen, die üblicherweise sie werden aber nicht auf die erforderliche Be-
eine der jeweils in der Nummer 1 Buchstaben a) schäftigungsdauer von zwei Jahren angerech-
bis c) genannten Qualifikationen voraussetzen net.
und bei denen die mit der Ausbildung erwor-
benen Kenntnisse zumindest teilweise oder 18a.1.1.3 § 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c) erfasst
mittelbar benötigt werden. die geduldeten Fachkräfte, die ihre berufliche
Qualifikation vor der Einreise nach Deutsch-
18a.1.1.1 § 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a) ist die land im Herkunftsland erworben haben. Bei
Grundlage für die Erteilung der Aufenthaltser- diesen Fachkräften muss bei Antragstellung
laubnis an Geduldete, die im Bundesgebiet eine eine dreijährige Vorbeschäftigungszeit im Bun-
qualifizierte Berufsausbildung in einem staat- desgebiet vorliegen, in der eine Beschäftigung
lich anerkannten oder vergleichbar geregelten ausgeübt wurde, die eine qualifizierte Berufs-
Ausbildungsberuf oder ein Hochschulstudium ausbildung (vgl. 18a.1.1.1) voraussetzt. Wie in
abgeschlossen haben. Mit der Bezugnahme auf § 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b) ist es
eine „qualifizierte Berufsausbildung“ wird der nicht erforderlich, dass eine neue Beschäftigung
Terminologie des Aufenthaltsgesetzes gefolgt, aufgenommen wird; § 18a ist auch anzuwenden,
das auch in § 18 Absatz 4 und § 39 Absatz 6 wenn die Beschäftigung, die die Vorausset-
diese Begrifflichkeit verwendet. Konkretisiert zungen erfüllt, fortgesetzt wird. Die geforderte
wird der Begriff der „qualifizierten Berufsaus- Vorbeschäftigungszeit soll grundsätzlich un-
bildung“ durch § 25 BeschV. Die danach ge- unterbrochen vorliegen. Kürzere Unterbre-
forderte Dauer der Ausbildung bezieht sich auf chungen des Beschäftigungsverhältnisses, die
die generelle Dauer der Ausbildung und nicht im Regelfall eine Gesamtdauer von drei Mona-
auf die individuelle Ausbildungsdauer des be- ten nicht übersteigen sollten, sind unschädlich;
troffenen Ausländers. Die Voraussetzungen für sie werden aber nicht auf die erforderliche Be-
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind schäftigungsdauer von drei Jahren angerechnet.
daher auch in den Fällen erfüllt, in denen die Während der Vorbeschäftigungszeit darf der
Ausbildung durch vorzeitige Zulassung zur Ausländer und seine Familienangehörigen nicht
Abschlussprüfung im Einzelfall vor Ablauf der auf öffentliche Leistungen zur Deckung des
Regelausbildungsdauer erfolgreich abgeschlos- Lebensunterhalts angewiesen gewesen sein
sen worden ist. (siehe dazu Nummer 27.3.1 und Num-
18a.1.1.2 § 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b) gilt für mer 2.3.1). Der Bezug von Leistungen zur
Geduldete, die ihr Studium im Ausland abge- Deckung der notwendigen Kosten für Unter-
schlossen haben. Erforderlich ist, dass die Stu- kunft und Heizung in dem Bemessungszeit-
dienabschlüsse, die im Ausland erworben wur- raum ist bei dieser Fallgruppe unschädlich.
den, in Deutschland rechtlich anerkannt oder 18a.1.2 Die Kriterien der Nummern 2 bis 7 entsprechen
einem deutschen Hochschulabschluss ver- inhaltlich § 104a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
gleichbar sind. Soweit für einen im Ausland er- und 4 bis 6. Die Ausführungen zu § 104a Ab-
worbenen Studienabschluss eine formale Aner- satz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 bis 6 gelten ent-
kennung nicht vorgesehen oder nicht er- sprechend.
forderlich ist, ist für die Frage, ob es sich um
einen mit einem deutschen Studienabschluss 18a.1.3 Nach Nummer 3 werden von den Geduldeten
vergleichbaren Abschluss handelt, auf die Be- mit dem Qualifikationsprofil des § 18a aus-
wertungsvorschläge der Zentralstelle für aus- reichende Deutschkenntnisse erwartet. Dies
Seite 996 GMBl 2009 Nr. 42– 61

entspricht dem Niveau B 1 des Gemeinsamen nerhalb des Zweijahreszeitraumes, das jeweils
Europäischen Referenzrahmens für Sprachen die Anforderungen des Erteilungsgrundes nach
(GER; vgl. Nummer 44a.1.2.2). Absatz 1 Buchstabe a) bis c) erfüllen muss, ist
die Zustimmung nach Satz 1 erforderlich.
18a.2 Zustimmungserfordernis der Bundesagentur 18a.3 Von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzun-
für Arbeit gen werden nur die des § 5 Absatz 2 aus-
18a.2.1 Das Zustimmungserfordernis durch die Bun- genommen, da diese regelmäßig von Gedul-
desagentur für Arbeit begründet sich insbe- deten nicht erfüllt werden können. Hinsichtlich
sondere darin, dass die Ausländerbehörden der Sicherung des Lebensunterhalts ist Num-
nicht über die fachliche Kompetenz verfügen mer 18a.1.1.3 (letzter Satz) zu beachten. Die
zu beurteilen, ob die Ausbildung zu der ge- Sperrwirkung des § 10 Absatz 3 Satz 2 entfällt
forderten Qualifikation geführt hat oder ob die bei denjenigen Geduldeten, bei denen die Of-
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstaben b) und c) fensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamts
vorausgesetzten Vorbeschäftigungszeiten als für Migration und Flüchtlinge auf § 30 Absatz 3
Fachkräfte erfüllt sind und weiter eine entspre- Nummer 7 AsylVfG beruht, weil diese Gruppe
chend qualifizierte Tätigkeit ausgeübt werden die Ablehnung des Asylantrags als offensicht-
soll. Darüber hinaus ist durch die Bundes- lich unbegründet nicht persönlich zu vertreten
agentur für Arbeit zu prüfen, dass die Arbeits- hat.
bedingungen denen vergleichbarer deutscher
Fachkräfte entsprechen. Dagegen wird auf die
Vorrangprüfung nach § 39 Absatz 2 Satz 1 19 Zu § 19 – Niederlassungserlaubnis für Hoch-
Nummer 1 verzichtet, da sich insbesondere der qualifizierte
Personenkreis nach Satz 1 Nummer 1 Buch-
19.1 Voraussetzungen
staben a) und c) bereits über einen längeren
Zeitraum in Deutschland aufgehalten hat und 19.1.1 Nach Absatz 1 kann hoch qualifizierten Ar-
dadurch i. d. R über eine unbeschränkte Zu- beitskräften, an deren Aufenthalt im Bundes-
stimmung der Bundesagentur für Arbeit nach gebiet ein besonderes Interesse besteht, von
§ 10 Absatz 2 Nummer 2 BeschVerfV verfügen Anfang an ein Daueraufenthaltstitel in Form
dürfte. Durch dieses gesetzliche Erfordernis der der Niederlassungserlaubnis erteilt werden.
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit fin- Damit wird den hoch qualifizierten Fach-
den aber die §§ 9 und 10 BeschVerfV bei der kräften die für ihre Aufenthaltsentscheidung
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 18a notwendige Planungssicherheit geboten. Die
keine Anwendung. Das hat zur Folge, dass auch Vorschrift zielt auf Spitzenkräfte der Wirt-
eine bereits erteilte Zustimmung der Bundes- schaft, Wissenschaft und Forschung mit einer
agentur für Arbeit nach § 10 Absatz 2 Satz 1 herausragenden beruflichen Qualifikation. Die
BeschVerfV bei der Erteilung der Aufenthalts- Erteilung erfolgt nach Ermessen und ist damit
erlaubnis nach § 18a keine Beachtung findet. hinreichend flexibel. Die Erteilung der Nieder-
lassungserlaubnis bedarf der Zustimmung der
18a.2.2 Mit Satz 2 wird die entsprechende Anwendung
Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht nach § 3
von § 18 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 5 be-
BeschV die Erteilung der Niederlassungser-
stimmt. Da § 18a Absatz 2 Satz 1 ausdrücklich
laubnis keiner Zustimmung bedarf. Nach § 3
das Zustimmungserfordernis der Bundes-
BeschV bedarf die Erteilung der Nieder-
agentur für Arbeit vorsieht, ist eine zustim-
lassungserlaubnis dann nicht der Zustimmung
mungsfreie Beschäftigung nicht möglich. So-
der Bundesagentur für Arbeit, wenn eine Be-
weit die beabsichtigte oder bereits ausgeübte
schäftigung aufgenommen wird, die den Regel-
und fortgesetzte Beschäftigung einem Sachver-
beispielen des Absatzes 2 entspricht.
halt entspricht, der nach der BeschV oder Be-
schVerfV zustimmungsfrei ist, unterliegt wegen 19.1.2 Die Formulierung, einem hoch qualifizierten
der Nichtanwendbarkeit von § 18 Absatz 2 Ausländer könne in besonderen Fällen eine
Satz 1 auch diese Beschäftigung der Zustim- Niederlassungserlaubnis erteilt werden, kann
mungspflicht. nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mög-
18a.2.3 Nach Satz 3 berechtigt die Aufenthaltserlaubnis
lich ist. Der nach § 19 zu erteilende Aufent-
nach zweijähriger Beschäftigung als Fachkraft
haltstitel ist stets die Niederlassungserlaubnis.
entsprechend den beschäftigungsrechtlichen
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum
Erleichterungen nach § 9 BeschVerfV dazu,
Zweck der Beschäftigung bestimmt sich aus-
jede Beschäftigung auszuüben. Satz 3 macht
schließlich nach § 18, wenn der Tatbestand des
gleichzeitig deutlich, dass die Beschäftigung in
§ 19 nicht erfüllt ist.
den auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
folgenden zwei Jahren auf eine der beruflichen 19.1.3 Die Landesregierungen werden mit Satz 2 er-
Qualifikation entsprechende Beschäftigung mächtigt, zu bestimmen, dass die Erteilung der
(vgl. Nummer 18a.1.0) beschränkt ist. Damit ist Niederlassungserlaubnis der Zustimmung der
die Erteilung der unbeschränkten Zustimmung obersten Landesbehörde oder einer von ihr be-
durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 9 stimmten Stelle bedarf. Damit kann eine dieser
BeschVerfV in diesem Zeitraum ausgeschlossen. Regelung gerecht werdende und einheitliche
Für jedes weitere Beschäftigungsverhältnis in- Entscheidungspraxis herbeigeführt werden.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 997

19.2 Regelbeispiele für das Merkmal „hochquali- linie 2005/71/EG des Rates vom 12. Oktober
fiziert“ 2005 über ein besonderes Zulassungsverfahren
für Drittstaatsangehörige zum Zweck der wis-
19.2.0 Zur besseren Eingrenzung, welche Personen senschaftlichen Forschung (ABl. EU Nummer
insbesondere als hoch qualifizierte Arbeits- L 289 S. 15, so genannte Forscherrichtlinie).
kräfte einzuordnen sind, enthält Absatz 2 Re- Die Regelungen zur Erteilung der Aufenthalts-
gelbeispiele, in denen die Voraussetzungen zur erlaubnis werden durch besondere, nur für die-
Erteilung der Niederlassungserlaubnis vor- sen Aufenthaltstitel geltende Bestimmungen
liegen. Soweit die beabsichtigte Beschäftigung begleitet. Dies sind Regelungen zum Mindest-
einem dieser Regelbeispiele entspricht, bedarf betrag zum Lebensunterhalt (§ 2 Absatz 3
die Erteilung der Niederlassungserlaubnis ge- Satz 6) und zum Widerruf der Aufenthaltser-
mäß § 3 BeschV nicht der Zustimmung der laubnis (§ 52 Absatz 4). Die Regelungen der
Bundesagentur für Arbeit. Für die Beurteilung §§ 18 und 19 bleiben von § 20 unberührt.
der Frage, ob die beabsichtigte Beschäftigung
der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit
bedarf, ist der Katalog der Regelbeispiele als 20.1 Erteilungsvoraussetzungen
abschließend zu betrachten. Bei Abgren- 20.1.0 Drittstaatsangehörige Forscher haben einen
zungsschwierigkeiten in Einzelfällen kann die Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltser-
Bundesagentur für Arbeit beteiligt werden. laubnis, wenn sie eine wirksame Aufnahmever-
einbarung zur Durchführung eines bestimmten
19.2.1 Die besonderen fachlichen Kenntnisse von Wis-
wissenschaftlichen Forschungsvorhabens mit
senschaftlern nach Nummer 1 liegen vor, wenn
der Wissenschaftler über eine besondere Quali- einer nach § 20 Absatz 1 Nummer 1i. V. m.
fikation oder über Kenntnisse von überdurch- § 38a AufenthV anerkannten Forschungsein-
schnittlich hoher Bedeutung in einem speziellen richtung in Deutschland abgeschlossen haben
Fachgebiet verfügt. Dies ist regelmäßig der Fall, (§ 20 Absatz 1) und die Forschungseinrichtung
sich zur Übernahme der Kosten verpflichtet
wenn ein Forschungsgebiet identifiziert werden
hat, die öffentlichen Stellen bis zu sechs Mona-
kann, in dem der Wissenschaftler sich eine be-
ten nach der Beendigung der Aufnahmeverein-
sondere Expertise angeeignet hat. In Zweifels-
barung für Lebensunterhalt während eines un-
fällen soll eine Stellungnahme fachkundiger
erlaubten Aufenthalts und durch eine Abschie-
wissenschaftlicher Einrichtungen oder Organi-
bung des Ausländers entstehen, und die
sationen eingeholt werden.
allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach
19.2.2 Die herausragende Funktion bei Lehrpersonen § 5 vorliegen. Zur Sicherung des Lebensunter-
nach Nummer 2 ist bei Lehrstuhlinhabern und halts siehe Nummer 2.3.7.
Institutsdirektoren gegeben. Die herausgeho-
20.1.1 Ein einheitliches Formular für die Aufnah-
bene Funktion bei wissenschaftlichen Mit-
mevereinbarung zwischen Forscher und For-
arbeitern ist gegeben, wenn sie eigenständig und
schungseinrichtung ist nicht vorgesehen, sie
verantwortlich Abteilungen, wissenschaftliche
muss jedoch nach § 38f AufenthV über folgen-
Projekt- oder Arbeitsgruppen leiten oder leiten
de Mindestinhalte verfügen:
sollen.
20.1.1.1 – genaue Bezeichnung des Forschungsvor-
19.2.3 Bei dem Personenkreis nach Nummer 3 ist die
habens,
Annahme der „Hochqualifikation“ durch ihre
Berufserfahrung und berufliche Stellung ge- 20.1.1.2 – die Verpflichtung des drittstaatsangehörigen
rechtfertigt. Um eine missbräuchliche Anwen- Forschers, das Forschungsvorhaben durch-
dung und Auslegung zu verhindern, wird zu- zuführen,
sätzlich eine Mindestgehaltsgrenze in der Höhe
der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen 20.1.1.3 – die Verpflichtung der Forschungseinrich-
Rentenversicherung gefordert, die regelmäßig tung, den drittstaatsangehörigen Forscher
ein Indiz für die herausragende berufliche Stel- zur Durchführung des Forschungsvor-
lung und Fähigkeit darstellt. Diese bundesein- habens aufzunehmen,
heitliche Mindestgehaltsgrenze gilt ausschließ- 20.1.1.4 – Angaben zum wesentlichen Inhalt des
lich für den Personenkreis der Nummer 3. Die Rechtsverhältnisses zwischen der For-
Beitragsbemessungsgrenze wird jährlich zum schungseinrichtung und dem drittstaatsan-
Ende des Kalenderjahres an die allgemeine gehörigen Forscher und, insbesondere in
Entwicklung angepasst. Sie findet sich in der den Fällen, in denen der Forschungstätigkeit
Verordnung über maßgebende Rechengrößen ein Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegt,
der Sozialversicherung, die im BGBl. I ver- zum Umfang seiner Tätigkeit sowie zu Ge-
öffentlicht wird. halt, Urlaub, Arbeitszeit und Versicherung,
sowie
20 Zu § 20 – Forschung 20.1.1.5 – eine Unwirksamkeitsklausel für den Fall,
dass keine Aufenthaltserlaubnis nach § 20
20.0 Allgemeines erteilt wird.
§ 20 enthält Regelungen zur Erteilung der Auf- 20.1.1.6 – Unerheblich ist, ob die Aufnahmeverein-
enthaltserlaubnis für Forscher nach der Richt- barung in einem Dokument oder in Form
Seite 998 GMBl 2009 Nr. 42– 61

zweier getrennter, jedoch inhaltsgleicher wird, soll auf die Vorlage der Kostenübernah-
Willenserklärungen der Forschungsein- meerklärung verzichtet werden. Wenn die
richtung und des Forschers geschlossen wird. Durchführung eines bestimmten Forschungs-
projekts im öffentlichen Interesse liegt, kann
20.1.2 Die Ausländerbehörden und Auslandsvertre-
darauf verzichtet werden. Eine Liste der dies-
tungen haben zu prüfen, ob die Aufnahmever-
bezüglich wirksamen Feststellungen wird
einbarung die o. g. Voraussetzungen enthält, da
durch das Bundesamt für Migration und
diese Mindestangaben Voraussetzung für die
Flüchtlinge im Internet veröffentlicht.
Wirksamkeit der Aufnahmevereinbarung sind.
Sie haben die o. g. Angaben nicht auf ihre in-
haltliche Richtigkeit hin zu überprüfen. 20.3 Abgabe einer allgemeinen Übernahmeerklä-
rung
20.1.3 Im Visumverfahren ist bei der Erteilung der
Zustimmung zur Visumerteilung zu beachten, Anerkannte Forschungseinrichtungen können
dass nach § 31 Absatz 1 Satz 3 AufenthV das sich einzelfallbezogen (§ 20 Absatz 1 Num-
Schweigefristverfahren angewendet wird. Eine mer 2) oder allgemein (§ 20 Absatz 3) zur
Zustimmung ist ausnahmsweise nicht er- Übernahme der Kosten für den Lebensunter-
forderlich, soweit zugleich die Voraussetzungen halt für den Fall eines unerlaubten Aufenthalts
nach § 34 Nummer 1 oder Nummer 2 Auf- im Bundesgebiet und der Abschiebung ver-
enthV vorliegen. pflichten. Allgemeine Übernahmeerklärungen
werden tagesaktuell im Internet durch das
20.1.4 Das Anerkennungsverfahren für Forschungs- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ver-
einrichtungen wird vom Bundesamt für Migra- öffentlicht.
tion und Flüchtlinge durchgeführt. Dieses ver-
öffentlicht im Internet auf www.bamf.de eine 20.4 Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis
aktuelle Liste der Bezeichnungen und An-
schriften der anerkannten Forschungsein- Die Aufenthaltserlaubnis wird für mindestens
richtungen. Die Liste enthält auch die Dauer der ein Jahr erteilt. Ist das Forschungsvorhaben von
Gültigkeit der Anerkennung, die auf mindestens vornherein auf einen kürzeren Zeitraum be-
fünf Jahre befristet werden soll. Die Anerken- schränkt, so wird die Aufenthaltserlaubnis für
nung einer Forschungseinrichtung ist Grund- diesen Zeitraum erteilt. Die Aufenthaltserlaub-
voraussetzung für das erleichterte aufenthalts- nis kann während der Gültigkeitsdauer aus den
rechtliche Verfahren zur Erlangung einer Auf- in § 52 Absatz 4 Gründen widerrufen werden
enthaltserlaubnis zum Zweck der Forschung (siehe Nummer 52.4 ff.).
nach § 20. § 38b Absatz 1 AufenthV nennt
Gründe, bei denen die Anerkennung zu wider- 20.5 Inhaber eines Aufenthaltstitels eines anderen
rufen ist. Nach § 38b Absatz 4 AufenthV haben Mitgliedstaats
die Ausländerbehörden und die Auslands-
vertretungen dem Bundesamt für Migration und 20.5.0 Bei der Einreise eines Forschers ist zu unter-
Flüchtlinge alle ihnen bekannten Tatsachen scheiden zwischen der unmittelbaren Einreise
mitzuteilen, die Anlass für die Aufhebung der aus einem Drittstaat (§ 20 Absatz 1) und Ein-
Anerkennung einer Forschungseinrichtung ge- reisen von Forschern, die als solche mit einem
ben können. Darüber hinaus bestehen auch für auf der Forscherrichtlinie basierenden Aufent-
die Forschungseinrichtungen Mitteilungs- haltstitel bereits in einem anderen EU-Mit-
pflichten an die Ausländerbehörden. So haben gliedstaat tätig sind und die Forschungstätigkeit
diese nach § 38c AufenthV der zuständigen in Deutschland fortsetzen (§ 20 Absatz 5).
Ausländerbehörde schriftlich mitzuteilen, wenn 20.5.1 Mit § 20 Absatz 5 wird Artikel 13 der For-
die Aufnahmevereinbarung nicht erfüllt werden scherrichtlinie umgesetzt. Forscher, die in
kann oder die Voraussetzungen zur Wirksam- einem anderen EU-Mitgliedstaat einen Auf-
keit der Aufnahmevereinbarung (§ 38f Absatz 2 enthaltstitel in Anwendung der Forscherricht-
AufenthV), die bei Abschluss vorgelegen haben, linie erhalten haben, haben danach einen An-
entfallen sind. Die Forschungseinrichtung ist spruch auf Erteilung eines Visums bzw. einer
auch zur Mitteilung darüber verpflichtet, dass Aufenthaltserlaubnis, wenn ein Teil des For-
ein Ausländer die Tätigkeit nach der Aufnah- schungsvorhabens in Deutschland durch-
mevereinbarung beendet hat. geführt wird. Ist für die Ausländerbehörde
20.1.5 Eine Kostenübernahmeerklärung der For- nicht eindeutig feststellbar, ob es sich bei dem
schungseinrichtung bezieht sich nur auf die Zeit vorgelegten Aufenthaltstitel eines anderen
nach Beendigung der Forschertätigkeit nach EU-Mitgliedstaates um einen Titel in Anwen-
§ 20 Absatz 1 Nummer 2 im Rahmen der Auf- dung der Forscherrichtlinie handelt, können
nahmevereinbarung. Sie dient nicht zum Nach- diesbezügliche Fragen über das Bundesamt für
weis der Sicherung des Lebensunterhalts. Migration und Flüchtlinge abgeklärt werden.
Für Aufenthalte bis zu drei Monaten ist keine
Aufnahmevereinbarung mit der in Deutsch-
20.2 Verzicht auf die Vorlage der Kostenübernah-
land ansässigen Forschungseinrichtung er-
meerklärung
forderlich. Für Aufenthalte über drei Monaten
Wenn die Tätigkeit der Forschungseinrichtung müssen die Voraussetzungen von § 20 Ab-
überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert satz 1 erfüllt sein.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 999

20.5.2 Da das Vereinigte Königreich und Dänemark halb der letzten zwölf Monate in Anspruch ge-
die Forscherrichtlinie nicht anwenden, fallen in nommen worden ist. Soll die Tätigkeit als For-
diesen Staaten erteilte Aufenthaltstitel nicht in scher in diesen Fällen unmittelbar nach Einreise
die Anwendbarkeit von § 20 Absatz 5. aufgenommen werden, ist vor Einreise ein na-
tionales Visum zu beantragen, das die Tätigkeit
20.5.3 Beim grenzüberschreitenden Aufenthalt von
als Forscher ausdrücklich erlaubt (vgl. § 4 Ab-
Forschern im Bundesgebiet sind die folgenden
satz 2 Satz 1 und 2).
Konstellationen denkbar:
20.5.3.3 Der Forscher besitzt einen Aufenthaltstitel für
20.5.3.1 Der Forscher besitzt einen Aufenthaltstitel für Forscher in einem anderen Mitgliedstaat, der
Forscher in einem anderen Mitgliedstaat, der nicht Schengen-Staat ist:
Schengen-Staat ist, und möchte seine For-
schung im Bundesgebiet nur für höchstens drei Hier kann der Forscher nicht das Reiserecht aus
Monate betreiben: Artikel 21 SDÜ in Anspruch nehmen, er kann
allerdings in dem in § 20 Absatz 6 Satz 3 ge-
Nach Artikel 21 SDÜ ist der Forscher – bei nannten Zeitrahmen Tätigkeiten als Forscher
Erfüllung der in diesem Artikel genannten all- ausüben, ohne deswegen einen Aufenthaltstitel
gemeinen Voraussetzungen – berechtigt, mit zu benötigen, der ihm dies ausdrücklich ge-
diesem Aufenthaltstitel sich bis zu drei Monate stattet. Gehört er also einem Staat an, der in
im Bundesgebiet aufzuhalten. Er benötigt dann Anhang II der Verordnung (EG) Nummer 539/
einen deutschen Aufenthaltstitel auch nicht für 2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Auf-
die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit als For- stellung der Liste der Drittländer, deren Staats-
scher, weil diese Erwerbstätigkeit nach § 20 angehörige beim Überschreiten der Außen-
Absatz 6 Satz 3 ohne besondere Erlaubnis aus- grenzen im Besitz eines Visums sein müssen,
geübt werden darf. Dies gilt nicht, soweit das sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsan-
durch § 20 Absatz 6 Satz 3 eingeräumte Recht gehörige von der Visumpflicht befreit sind
zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ganz oder (ABl. EG Nummer L 81 S. 1) aufgeführt ist,
teilweise verbraucht ist, weil es bereits inner- kann er ohne Visum einreisen und bis zu drei
halb der letzten zwölf Monate in Anspruch ge- Monate in einem Zeitraum von zwölf Monaten
nommen worden ist. In diesem Fall ist für den einer Tätigkeit als Forscher nachgehen, ohne
beabsichtigten Kurzaufenthalt zu Forschungs- deshalb einen Aufenthaltstitel zu benötigen. Er
zwecken für die Einreise ein Visum zu erteilen, benötigt hingegen auch für Tätigkeiten von bis
das die Tätigkeit als Forscher ausdrücklich er- zu drei Monaten einen Aufenthaltstitel, ggf. in
laubt (vgl. § 4 Absatz 2 Satz 1 und 2). der Form eines Visums, wenn er einem Staat
20.5.3.2 Der Forscher besitzt einen Aufenthaltstitel für angehört, der der in Anhang I zur Verordnung
Forscher in einem anderen Mitgliedstaat, der (EG) Nummer 539/2001 aufgeführt ist und
Schengen-Staat ist, und möchte seine For- keine Ausnahme nach §§ 16 bis 21 AufenthV
schung im Bundesgebiet für mehr als drei Mo- vorliegt. Für Forschungsaufenthalte in
nate betreiben: Deutschland von über drei Monaten in einem
Zeitraum von zwölf Monaten benötigt er – un-
Der Forscher benötigt einen deutschen Auf- abhängig davon, ob er für Kurzaufenthalte vi-
enthaltstitel. Für die Erteilung wird durch § 20 sumfrei einreisen darf – stets einen Aufent-
Absatz 5 Satz 2 entsprechend Artikel 13 Ab- haltstitel. Das Erfordernis eines Visums kann
satz 3 der Forscherrichtlinie gefordert, dass die nach Artikel 13 Absatz 4 der Forscherrichtlinie
Zulassungsvoraussetzungen auch im Hinblick auch verlangt werden. Das Visum wird ab-
auf Deutschland erfüllt sind. Ein Visum wird hängig von der beabsichtigten Aufenthaltsdauer
nicht benötigt, weil § 39 Nummer 6 AufenthV als Schengen-Visum oder als nationales Visum
bestimmt, dass bei dem vorhandenen Anspruch erteilt und muss die Tätigkeit als Forscher aus-
auf den Aufenthaltstitel ein Ausländer, der ein drücklich erlauben (vgl. § 4 Absatz 2 Satz 1
Reiserecht nach Artikel 21 SDÜ in Anspruch und 2).
nehmen kann, der Aufenthaltstitel im Bundes-
gebiet eingeholt werden kann. Nach dem durch
20.6 Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbs-
§ 39 Nummer 6 AufenthV für anwendbar er-
tätigkeit
klärten § 41 Absatz 3 AufenthV ist die Aufent-
haltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach 20.6.1 Nach § 4 Absatz 2 Satz 2 muss jeder Aufent-
der Einreise einzuholen; § 81 Absatz 2 Satz 1 haltstitel erkennen lassen, ob die Ausübung
findet Anwendung. Bis zur Einholung des einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Wesentliche
Aufenthaltstitels ist der Aufenthalt erlaubt. Gründe dafür sind, dass potenzielle Arbeit-
Wegen § 20 Absatz 6 Satz 3 kann der Ausländer geber dem Aufenthaltstitel die Berechtigung
in diesen ersten drei Monaten seit der Einreise zur Erwerbstätigkeit entnehmen können und
auch ohne die später erforderliche Erlaubnis bei Kontrollen an Arbeitsplätzen bereits auf
seiner Erwerbstätigkeit als Forscher nachgehen Grund des Aufenthaltstitels die Erlaubnis zur
und somit nahtlos nach der Einreise die For- ausgeübten Tätigkeit zu erkennen ist. Da die
schung fortsetzen; dies gilt nicht, soweit das Tätigkeit des Forschers nach § 20 auf der Auf-
durch § 20 Absatz 6 Satz 3 eingeräumte Recht nahmevereinbarung beruht, damit nur bei
zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ganz oder einem konkreten Arbeitgeber erfolgen kann
teilweise verbraucht ist, weil es bereits inner- und die typischen Arbeitsstellen dieser For-
Seite 1000 GMBl 2009 Nr. 42– 61

scher nicht häufig von Kontrollbehörden ge- 21 Zu § 21 – Selbständige Erwerbstätigkeit


prüft werden, ist es nicht erforderlich, Einzel-
heiten zum Forschungsprojekt oder dem be- 21.0 Allgemeines
schäftigenden Arbeitgeber aufzunehmen. In 21.0.1 Mit § 21 wurde erstmals eine eigenständige
diesen Fällen ist ein Verweis auf die Rechts- Rechtsgrundlage geschaffen, die der Bedeutung
norm ausreichend. In der Aufenthaltserlaubnis des Zuwanderungstatbestandes der selbstän-
ist daher folgende Nebenbestimmung zu ver- digen Erwerbstätigkeit angemessen Rechnung
merken: trägt. Mit der Vorschrift soll insbesondere die
„Forscher, Beschäftigung nur gemäß § 20 dauerhafte Investition ausländischer Unter-
Absatz 6 gestattet.“ nehmer mit einer tragfähigen Geschäftsidee und
gesicherter Finanzierung im Bundesgebiet er-
Soll auch zusätzlich die selbständige Erwerbs- leichtert werden.
tätigkeit nach § 21 Absatz 6 erlaubt werden, ist
dies entsprechend in die Nebenbestimmungen 21.0.2 § 21 findet keine Anwendung auf die Fälle, in
aufzunehmen. denen bereits von Gesetzes wegen die Aus-
übung einer Erwerbstätigkeit und damit auch
20.6.2 Ein Aufenthaltstitel nach § 20 Absatz 1 und 5 eine selbständige Tätigkeit (Nummer 2.2) ge-
Satz 2 berechtigt zur Ausübung der Erwerbstä- stattet ist, also in den Fällen der Num-
tigkeit für das in der Aufnahmevereinbarung mer 18.2.2.1 bis 18.2. 2. 11 und des § 24 Ab-
bezeichnete Forschungsvorhaben und zur Aus- satz 6.
übung von – auch selbstständigen – Tätigkeiten
in der Lehre. Eine Zustimmung der Bundes- 21.0.3 Eine Beteiligung der Kammern und sonstigen
agentur für Arbeit ist damit für die Erteilung Stellen findet in diesen Fällen nicht statt.
der Aufenthaltserlaubnis nach § 20 nicht er-
21.0.4 § 21 findet mit Ausnahme der Regelung in Ab-
forderlich. Ein Wechsel des Forschungsvor-
satz 6 keine Anwendung in Fällen, in denen ein
habens führt nicht zum Wegfall des Beschäf-
anderer Aufenthaltszweck verfolgt und die
tigungsrechts. Eine Veränderung von Projekt-
Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Zweck
inhalten oder die Änderung der Zielrichtung
erteilt wird.
eines Forschungsprojektes soll nicht zum Ver-
lust der Aufenthaltserlaubnis nach § 20 oder 21.0.5 Zur Lösung von Abgrenzungsproblemen im
dazu führen, dass stets neue Aufnahmeverein- Einzelfall zwischen selbständiger Erwerbstä-
barungen mit demselben Forscher abgeschlos- tigkeit und Beschäftigung kann die Agentur für
sen werden müssen, sofern die dann zugrunde Arbeit beteiligt werden.
liegende Tätigkeit dem in der Forscherrichtlinie
und in der AufenthV definierten Begriff der 21.1 Erteilungsvoraussetzungen
Forschung entspricht. Die selbständige Er-
werbstätigkeit außerhalb der Lehre kann nach 21.1.0 § 21 Absatz 1 ist eine Ermessensnorm, die glei-
§ 21 Absatz 6 erlaubt werden. chermaßen für Ausländer, die im Ausland be-
reits ein Unternehmen betreiben und nach
20.6.3 Durch § 20 Absatz 6 Satz 3 wird das bereits im Deutschland übersiedeln wollen, wie auch für
Zusammenhang mit § 20 Absatz 5 dargestellte Existenzgründer gilt, die aus dem Ausland zu
Recht zur Ausübung der Erwerbstätigkeit für diesem Zweck einreisen wollen oder sich bereits
einen Zeitraum von drei Monaten innerhalb mit einem Aufenthaltstitel in Deutschland auf-
von zwölf Monaten eingeräumt. Die Frist und halten (Ausnahmen in Nummer 21.0.1 und bei
die Bezugsfrist folgen den Vorbildern in § 17 Ausschluss des Zweckwechsels). Begünstigt
Absatz 2 AufenthV sowie in der BeschV. Die sind nicht nur Unternehmensgründer oder Ein-
selbständige Erwerbstätigkeit auch außerhalb zelunternehmer, sondern auch Geschäftsführer
der Lehre kann nach § 21 Absatz 6 erlaubt und gesetzliche Vertreter von Personen- und
werden. Kapitalgesellschaften, soweit sie nicht als Be-
schäftigte nach § 18 i. V. m. § 4 BeschV gelten.
20.7 Ausschlussgründe
21.1.1 Die Erteilungsnorm des Satzes 1 ist als Er-
Keine Anwendung findet § 20 auf Ausländer messensnorm grundsätzlich flexibel ausgestal-
mit Asylbewerber-, Flüchtlings- bzw. Dul- tet. Eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung
dungsstatus, Ausländer, deren Forschungstätig- einer selbständigen Erwerbstätigkeit kann da-
keit Bestandteil eines Promotionsstudiums als nach erteilt werden, wenn
Vollzeitstudienprogramm ist, und Ausländer, 21.1.1.1 – ein übergeordnetes wirtschaftliches Inte-
die von einer Forschungseinrichtung in einem resse oder
anderen EU-Mitgliedstaat als Arbeitnehmer
entsandt werden. Personen, die ihre Promo- 21.1.1.2 – ein besonderes regionales Bedürfnis besteht
tions- oder Habilitationsleistung im Rahmen und
einer Forschungstätigkeit erbringen, für die mit
21.1.1.3 – die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die
einer Forschungseinrichtung eine Aufnah-
Wirtschaft erwarten lässt und
mevereinbarung abgeschlossen wurde, fallen
hingegen in den Anwendungsbereich der For- 21.1.1.4 – die Finanzierung der Umsetzung durch
scherrichtlinie und können eine Aufenthaltser- Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage
laubnis nach § 20 erhalten. gesichert ist.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1001

21.1.2 Ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse 21.1.5.2 – die unternehmerischen Erfahrungen des
kann insbesondere dann vorliegen, wenn er- Ausländers,
hebliche Investitionen und/oder eine nennens-
werte Zahl von Arbeitsplätzen geschaffen oder 21.1.5.3 – die Höhe des Kapitaleinsatzes,
gesichert werden, wenn mit der Unterneh- 21.1.5.4 – die Auswirkungen auf die Ausbildungs- und
mensgründung eine nachhaltige Verbesserung Beschäftigungssituation und
der Absatz- oder Marktchancen inländischer
Unternehmen verbunden ist oder es sich um die 21.1.5.5 – der Beitrag für Innovation und Forschung.
Errichtung eines Fertigungsbetriebes für tech-
21.1.6 Zur Beurteilung der Tatbestandvoraussetzun-
nisch hochwertige (zukunftssichere) und/oder
gen hat die Ausländerbehörde nach Satz 4 die
besonders umweltverträgliche Produkte han-
regionalen Gewerbebehörden, die öffentlich-
delt. Hingegen wird bei reinen, am privaten
rechtlichen Berufsvertretungen, die Industrie-
Verbrauch orientierten Einzelhandelsunter-
und Handelskammer oder Handwerkskammer
nehmen wegen deren insgesamt geringerer
sowie im Bedarfsfall auch die für die Berufs-
wirtschaftlicher Bedeutung überwiegend die
zulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.
Annahme eines übergeordneten wirtschaft-
Die Beteiligung der Gewerbebehörde ersetzt
lichen Interesses zu verneinen sein. Hier wird
dabei nicht die Anzeigepflicht nach § 14
alternativ geprüft werden müssen, ob ein be-
GewO.
sonderes örtliches Bedürfnis vorliegt.

21.1.3 Ein besonderes regionales Bedürfnis liegt z. B. 21.2 Erteilung aufgrund besonderer völker-
vor, wenn durch Analyse der Gewerbestruktur rechtlicher Vereinbarungen
in der unmittelbaren Umgebung des geplanten
Standortes eine Unterversorgung mit be- 21.2.0 Als Ausnahme von den Voraussetzungen des
stimmten Gütern oder Dienstleistungen fest- Absatzes 1 trägt Absatz 2 den besonderen völ-
gestellt wurde. Versorgungs- oder sonstige kerrechtlichen Vereinbarungen Rechnung.
kommunalpolitische Gründe können hierbei 21.2.1 Zu berücksichtigende völkerrechtliche Verein-
mit in die Entscheidung einfließen. Das private barungen sind insbesondere die bestehenden
Unternehmerinteresse an einer Geschäftstätig- Freundschafts-, Handels- und Niederlassungs-
keit im Bundesgebiet begründet für sich kein verträge mit Meistbegünstigungs- oder Wohl-
besonderes regionales Interesse. wollensklauseln mit folgenden Staaten:
21.1.4 Als Regelannahme für das Vorliegen eines Dominika- Freundschafts-, Handels- und
übergeordneten wirtschaftlichen Interesses nische Schifffahrtsvertrag vom 23. De-
oder eines besonderen regionalen Bedürfnisses Republik zember 1957 (BGBl. 1959 II
gilt die Investition von mindestens 250.000 S. 1468; Artikel 2 Absatz 1
Euro verbunden mit der Schaffung von minde- [Wohlwollensklausel]),
stens fünf Vollzeitarbeitsplätzen. Diese Regel-
annahme entbindet die Ausländerbehörde nicht Indonesien Handelsabkommen vom 22. April
von dem Beteiligungserfordernis nach Satz 4. 1953 nebst Briefwechsel (BAnz.
Nummer 163); Briefe Nummer 7
21.1.5 Mit Satz 3 wird die Möglichkeit eröffnet, auch und 8 (Meistbegünstigungsklau-
dann eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der sel); die Meistbegünstigung be-
selbständigen Erwerbstätigkeit zu erteilen, zieht sich nur auf Aktivitäten, de-
wenn die Voraussetzungen der Regelannahme ren Zweck die Förderung des
nicht erfüllt sind. Dies bedeutet jedoch nicht, Handels zwischen den Vertrags-
dass zu jeder selbständigen Erwerbstätigkeit staaten ist,
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann.
Vielmehr muss die Prüfung des Einzelfalls er- Iran Niederlassungsabkommen vom
geben, dass die in § 21 Absatz 1 Satz 1 Num- 17. Februar 1929 (RGBl. 1930 II
mer 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllt S. 1002); Artikel 1 (Meistbe-
sind. Die Beurteilung dieser Voraussetzungen günstigungsklausel),
richtet sich vor allem nach den in Satz 3 ge-
Japan Handels- und Schifffahrtsvertrag
nannten Kriterien. Das übergeordnete wirt-
vom 20. Juli 1927 (RGBl. II
schaftliche Interesse oder das besondere regio-
S. 1087), Artikel 1 Absatz 2
nale Bedürfnis an der selbständigen Erwerbstä-
Nummer 1 (Meistbegünstigungs-
tigkeit des Ausländers sollte umso klarer durch
klausel),
andere Faktoren begründet sein, je geringer die
Investitionssumme ist und je weniger Arbeits- Philippinen Übereinkunft über Einwande-
plätze geschaffen werden. Die unternehme- rungs- und Visafragen vom
rischen Interessen des Ausländers begründen 3. März 1964 (BAnz. Num-
für sich genommen noch kein übergeordnetes mer 89), Nummer 1, 2 und 4
wirtschaftliches Interesse. Vielmehr sind regel- (Wohlwollensklausel),
mäßig zu berücksichtigen.
Sri Lanka Protokoll über den Handel be-
21.1.5.1 – die Tragfähigkeit der zugrunde liegenden treffende allgemeine Fragen vom
Geschäftsidee, 22. November 1972 (BGBl. 1955
Seite 1002 GMBl 2009 Nr. 42– 61

II S. 189); Artikel 1 (Meistbe- liären Gemeinschaft und die Unterhaltspflicht


günstigungsklausel), definiert. Hiermit wird dem Umstand Rech-
nung getragen, dass bei der Lebensunterhalts-
Türkei Niederlassungsabkommen vom
sicherung im Hinblick auf einen dauerhaften
12. Januar 1927 (RGBl. II S. 76;
Aufenthalt gegenüber der Lebensunterhalts-
BGBl. 1952 S. 608), Artikel 2
sicherung für zeitlich beschränkte Aufenthalte
Sätze 3 und 4 (Meistbegünsti-
andere Erfordernisse aufzustellen sind. Es ist
gungsklausel),
vor allem auf die Nachhaltigkeit der finan-
Vereinigte Freundschafts-, Handels- und ziellen Absicherung abzustellen. Bei Prüfung
Staaten von Schifffahrtsvertrag vom 29. Ok- der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an
Amerika tober 1954 (BGBl. II S. 487), Arti- erfolgreiche Selbständige wird auf das Aus-
kel II Absatz 1 (Meistbegünsti- reichen der Einkünfte abgestellt. Hierbei ist zu
gungsklausel). berücksichtigen, dass bei Selbständigen auf
Grund der Besonderheiten unternehmerischen
21.2.2 Soweit Ausländern aus den in § 41 AufenthV Handelns größere Einkommensschwankungen
genannten Staaten nicht bereits auf Grund einer denkbar sind als bei Arbeitnehmern. Auf
völkerrechtlichen Vereinbarung nach Num- Grund der bisherigen durchschnittlichen Ein-
mer 21.2.1 unter erleichterten Bedingungen künfte ist bei Fortführung der bisherigen ge-
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, schäftlichen Tätigkeit eine Prognoseentschei-
kann auch ihnen für die Niederlassung von dung zu den zukünftigen Einkünften zu treffen.
Gesellschaften und Staatsangehörigen dieser Zur Beurteilung, ob der Ausländer die geplante
Staaten eine Behandlung gewährt werden, die Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat, können
nicht weniger günstig ist als die Behandlung die in Absatz 1 genannten Behörden erneut be-
deutscher Gesellschaften und Staatsangehöri- teiligt werden. Anstelle der erneuten Beteili-
ger. Sie unterliegen damit nur noch berufs- oder gung der in Absatz 1 genannten Behörden kann
gewerberechtlichen Beschränkungen. in Abhängigkeit vom Einzelfall der Selbstän-
dige aufgefordert werden, konkrete Unterlagen
21.3 Erfordernis angemessener Altersversorgung einzureichen, die eine nachvollziehbare Beur-
bei Personen über 45 Jahren teilung des bisherigen Geschäftsergebnisses er-
lauben. Von einer erfolgreichen Verwirklichung
Absatz 3 verlangt bei Personen über 45 Jahren
der unternehmerischen Tätigkeit kann danach
im öffentlichen Interesse grundsätzlich eine an-
auch ohne erneute Beteiligung der in § 21 Ab-
gemessene Alterssicherung. Dazu ist durch die
satz 1 Satz 4 genannten Behörden ausgegangen
Ausländerbehörde eine Prognoseentscheidung
werden, wenn das Unternehmen zusätzliche
zu treffen. Grundlagen für diese Prognoseent-
Arbeitsplätze geschaffen hat und Gewinne er-
scheidung können sein:
wirtschaftet.
– eigenes Vermögen in jeglicher Form,
– im Aus- und/oder Inland erworbene Ren- 21.5 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an
tenanwartschaften, Freiberufler
– Betriebsvermögen/Investitionssumme. Mit § 21 Absatz 5 wird die Erteilung einer
Absatz 3 findet keine Anwendung auf Personen Aufenthaltserlaubnis an Freiberufler ermög-
nach Nummer 21.2.1. licht. Für sie gelten die engen Voraussetzungen
des § 21 Absatz 1 nicht. Der Personenkreis der
Freiberufler orientiert sich an den Katalogbe-
21.4 Geltungsdauer
rufen von § 18 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2
Die Zuwanderung Selbständiger ist grundsätz- EStG, zu denen z. B. Künstler, Schriftsteller,
lich auf Dauer angelegt. Dennoch erhalten Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Dolmetscher
Selbständige die Niederlassungserlaubnis nicht oder Architekten zählen. Durch die ent-
sofort, sondern erst nach drei Jahren, da die sprechende Anwendbarkeit von § 21 Absatz 1
Niederlassungserlaubnis auch zur Aufnahme Satz 4 ist die Beteiligung fachkundiger Stellen
einer unselbständigen Tätigkeit berechtigen zwingend vorgeschrieben. Bei der Ermessens-
würde. Nach drei Jahren kann abweichend von ausübung kommt den Stellungnahmen der nach
§ 9 Absatz 2 die Niederlassungserlaubnis erteilt Absatz 5 Satz 3 i. V. m. Absatz 1 Satz 4 zu be-
werden, wenn der Ausländer seine Geschäfts- teiligenden Institutionen maßgebende Bedeu-
idee erfolgreich verwirklicht hat und der tung zu. Aufgrund der systematischen Stellung
Lebensunterhalt weiterhin gesichert ist. Die des Absatzes 5 in § 21 kann eine Aufenthaltser-
Sicherung des Lebensunterhalts ist auch für laubnis zur Ausübung einer freiberuflichen Tä-
Personen nach Nummer 21.2.1 Voraussetzung tigkeit nur erteilt werden, wenn die freibe-
für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis. rufliche Tätigkeit auch tatsächlich selbständig
Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur der ausgeübt wird. Auch darf die Regelung in Ab-
Lebensunterhalt des Selbständigen selbst ge- satz 5 nicht zu einer Umgehung der Regelungen
sichert ist, sondern dass dies auch für die Fami- über die Zulassung ausländischer Beschäftigter
lienangehörigen sichergestellt sein muss. Der in den §§ 18 f., 39 ff. i. V. m. der BeschV und der
Kreis der Familienangehörigen, auf die abzu- BeschVerfV führen. Zur Abgrenzung zwischen
stellen ist, wird durch das Merkmal der fami- einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1003

Beschäftigung als Arbeitnehmer wird auf – die fachkundigen Körperschaften (etwa


Nummer 2.2.3 hingewiesen. In Zweifelsfällen Handwerkskammer, Industrie- und Han-
ist die Bundesagentur für Arbeit zu beteiligen. delskammer) haben keine gravierenden Be-
Fachkundige Körperschaften können insofern denken geäußert,
neben den Industrie- und Handelskammern – durch die angestrebte selbständige Tätigkeit
auch die Agenturen für Arbeit sein, die beur- kann der Lebensunterhalt voraussichtlich
teilen können, ob der Freiberufler in einem Be- gesichert werden und
reich tätig wird, in dem vergleichbare Arbeit-
nehmer in größerem Umfang zur Vermittlung – eine Änderung der Wohnsitzauflage ist nicht
zur Verfügung stehen. Die selbständige Er- erforderlich.
werbstätigkeit in Form der Ausübung freibe- Entscheidend sind jedoch die Gesamtumstände
ruflicher Nebentätigkeiten (etwa nebenberuf- des jeweiligen Einzelfalles.
liche Dozenturen oder schriftstellerische oder
wissenschaftliche Tätigkeiten im Nebenerwerb) Die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom
ist i. d. R. zuzulassen. Die in Absatz 4 vorgese- 29. April 2004 über Mindestnormen für die
hene privilegierte Erteilung einer Nieder- Anerkennung und den Status von Drittstaats-
lassungserlaubnis ist für diesen Personenkreis angehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge
kraft Gesetzes ausgeschlossen. oder als Personen, die anderweitig inter-
nationalen Schutz benötigen, und über den In-
21.6 Erlaubnis der selbständigen Tätigkeit an In- halt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU
haber anderer Aufenthaltserlaubnisse Nummer L 304 S. 12, so genannte Qualifika-
tionsrichtlinie) sieht in Artikel 26 Absatz 3 für
Nach § 21 Absatz 6 kann Ausländern, denen ausländische Staatsangehörige nach der Zuer-
eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen kennung des subsidiären Schutzstatus (Ab-
Zweck als der selbständigen Tätigkeit erteilt schiebungsverbot nach § 60 Absatz 2, 3, 5
worden ist, die selbständige Tätigkeit erlaubt oder 7) vor, die Aufnahme einer unselb-
werden. Damit wird klargestellt, dass die Vor- ständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit
aussetzungen des § 21 Absatz 1 bis 3 und 5 als nach den Vorschriften, die für den betreffenden
solche nur dann Anwendung finden, wenn ein Beruf oder für die öffentliche Verwaltung all-
Ausländer gerade aus dem Grund einreist, um gemein gelten, zu gestatten. Das durch die
in Deutschland selbständig tätig zu werden. Die Ausländerbehörde zu prüfende Ermessen ist in
Erlaubniserteilung zur selbständigen Tätigkeit diesen Fällen auf die Prüfung reduziert, ob die
im Rahmen von Absatz 6 führt nicht zu einem ggf. erforderlichen Berufszugangsvorausset-
Wechsel des Aufenthaltszwecks, weshalb Ab- zungen (z. B. Approbation) vorliegen.
satz 4 mit der Möglichkeit der Erteilung der
Niederlassungserlaubnis bereits nach drei-
jährigem Aufenthalt keine Anwendung findet. 22 Zu § 22 – Aufnahme aus dem Ausland
§ 21 Absatz 6 findet aufgrund der ausdrück-
lichen Voraussetzung einer Aufenthaltserlaub- 22.0 Allgemeines
nis keine Anwendung auf Ausländer mit einer
22.0.1.1 Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
Duldung. Studierenden mit Aufenthaltserlaub-
nach § 22 Satz 1 sind folgende Gründe maßge-
nis nach § 16 Absatz 1 darf eine Erlaubnis zur
bend:
selbständigen Tätigkeit nur erteilt werden,
wenn dadurch der Abschluss des Studiums – völkerrechtliche Gründe, nicht jedoch ver-
nicht gefährdet wird. Da die gesetzlichen Be- tragliche Verpflichtungen aus einem zwi-
schäftigungsmöglichkeiten nach § 16 Absatz 3 schenstaatlichen Übernahmeabkommen,
nicht eingeschränkt werden können, kommt die – dringende humanitäre Gründe (z. B. huma-
Erlaubnis zu einer darüber hinausgehenden nitäre Hilfeleistungen in einer Notsitua-
selbständigen Tätigkeit i. d. R. nur dann in Be- tion).
tracht, wenn es sich um Tätigkeiten in geringem
zeitlichem Umfang handelt, wie z. B. bei Dol- 22.0.1.2 Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
metschertätigkeiten. Bei der Ermessensent- nach § 22 Satz 2 ist ausschließlich die Wahrung
scheidung, ob eine selbstständige Tätigkeit zu- politischer Interessen der Bundesrepublik
gelassen werden kann, sollten folgende Ge- Deutschland (innen- und außenpolitische In-
sichtspunkte berücksichtigt werden: teressen), über deren Vorliegen das Bundes-
ministerium des Innern oder die von ihm be-
– die Passpflicht wird erfüllt, stimmte Stelle entscheidet, maßgeblich. Die
– es liegt kein Ausweisungsgrund vor, Vorschrift gewährt Ausländern keinen Rechts-
– ausreichende Kenntnisse der deutschen anspruch auf Aufenthaltsgewährung oder auf
Sprache sowie Grundkenntnisse der Rechts- Entscheidung über die Aufnahme. Sie stellt
und Gesellschaftsordnung sowie der deut- hinsichtlich der übrigen gesetzlichen Aufent-
schen Lebensverhältnisse werden nachge- haltszwecke keine allgemeine Härtefallregelung
wiesen, dar.
– unternehmerische Fähigkeiten wurden 22.0.2 § 22 ist anwendbar, wenn der Ausländer sich im
durch eine frühere Beschäftigung in Zeitpunkt der ersten Entscheidung über die
Deutschland nachgewiesen, Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch nicht
Seite 1004 GMBl 2009 Nr. 42– 61

im Bundesgebiet aufhält und die Erteilung einer 22.0.6.1 Die Zweckbindung gemäß § 22 Satz 1 schließt
anderen Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen es aus, dass eine Aufenthaltserlaubnis zu Er-
ist. Die Übernahme von Ausländern findet werbszwecken erteilt wird.
grundsätzlich im Visumverfahren statt. § 22
findet auch auf Ausländer Anwendung, die von 22.0.6.2 Eine nach § 22 Satz 2 erteilte Aufenthaltser-
der allgemeinen Visumpflicht befreit sind; es ist laubnis berechtigt kraft Gesetzes zur Ausübung
dabei erforderlich, dass diese bei der deutschen einer Erwerbstätigkeit (§ 22 Satz 3).
Auslandsvertretung ein Visum beantragen.
22.1 Erteilung aus völkerrechtlichen oder drin-
22.0.2.1 Soweit das Auswärtige Amt zu dem Ergebnis
genden humanitären Gründen
kommt, dass im Einzelfall Gründe für eine
Aufnahme nach Satz 2 vorliegen könnten, wird 22.1.1 § 22 betrifft ausschließlich Ausländer, die sich
das Bundesministerium des Innern aufgrund im Zeitpunkt der ersten Entscheidung über die
der vom Auswärtigen Amt übermittelten In- Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch nicht
formationen den Fall prüfen. Gibt das Bundes- im Bundesgebiet aufhalten und denen ein an-
ministerium des Innern eine entsprechende derweitiges Einreiserecht nicht eingeräumt ist.
Übernahmeerklärung ab, wird das Auswärtige § 22 findet daher auf Ausländer, die von der
Amt im Hinblick auf das anstehende Visum- Visumpflicht allgemein befreit sind, nur dann
verfahren in Kenntnis gesetzt. Das Auswärtige Anwendung, wenn diese bei der deutschen
Amt ist an die Entscheidung des Bundes- Auslandsvertretung ein Visum beantragen. Die
ministeriums des Innern gebunden, die zu- Auslandsvertretungen entscheiden, ob im Ein-
ständige Auslandsvertretung erteilt dem Aus- zelfall völkerrechtliche oder dringende huma-
länder ein nationales Visum. Die Übernahme- nitäre Erteilungsgründe vorliegen könnten, die
entscheidung erfolgt ungeachtet dessen, ob in die Weiterleitung an die zuständigen Innen-
einem früheren Visumverfahren die Zustim- behörden der Länder und eine weitere Prüfung
mung der Ausländerbehörde verweigert wurde. rechtfertigen.
22.0.2.2 Das Auswärtige Amt bittet das Bundesminis- 22.1.1.1 Völkerrechtliche Gründe (§ 22 Satz 1, 1. Al-
terium des Innern insbesondere in folgenden ternative)
Fällen um Prüfung einer Übernahme:
Die Bundesrepublik Deutschland kann eine
22.0.2.2.1 – in Einzelfällen, in denen kein Anknüp-
völkerrechtliche Aufnahmeverpflichtung aus
fungspunkt zum Bundesgebiet besteht,
allgemeinem Völkerrecht oder aus Völkerver-
22.0.2.2.2 – in Einzelfällen, in denen ein bundespoliti- tragsrecht haben. Eine Aufnahme nach § 22
sches Interesse an der Übernahme vor- Satz 1 aus völkerrechtlichen Gründen kommt
handen ist, nur in Betracht, wenn nach dem Aufenthalts-
gesetz bzw. nach ausländerrechtlichen Spezial-
22.0.2.2.3 – bei der Aufnahme mehrerer Personen (z. B. gesetzen die Erteilung einer Aufenthaltserlaub-
Familien und nahe Verwandte), bei denen nis nicht möglich ist. Insofern ist diese Tatbe-
sich eine länderübergreifende Verteilungs- standsalternative ein Auffangtatbestand.
frage stellt. Das Bundesministerium des In-
nern konsultiert in diesen Fällen die be- 22.1.1.2 Dringende humanitäre Gründe (§ 22 Satz 1, 2.
treffenden obersten Landesbehörden. Alternative)
22.0.3 § 22 ist nur auf die Aufnahme einzelner Perso- Eine Aufnahme aus dringenden humanitären
nen anwendbar, wobei es sich nicht zwingend Gründen setzt voraus, dass sich der Ausländer
um Einzelreisende, sondern auch um Familien in einer besonders gelagerten Notsituation be-
handeln kann. Die Aufnahme von Ausländer- findet. Aufgrund des Ausnahmecharakters der
gruppen ist in erster Linie einer Anordnung der Vorschrift ist weiter Voraussetzung, dass sich
obersten Landesbehörde oder des Bundes- der Schutzsuchende in einer Sondersituation
ministerium des Innern nach § 23 unter den befindet, die ein Eingreifen zwingend erfordert
dort genannten Voraussetzungen vorbehalten. und es rechtfertigt, ihn – im Gegensatz zu an-
deren Ausländern in vergleichbarer Lage – auf-
22.0.4 Die allgemeinen Regelungen für Einreise und
zunehmen. Dabei muss die Aufnahme des
Aufenthalt sind zu beachten, d. h. insbesondere
Schutzsuchenden im konkreten Einzelfall ein
§§ 5 und 11. Nach § 5 Absatz 3 Satz 2 kann im
Gebot der Menschlichkeit sein. Zur Beurtei-
Ermessenswege von den Regelerteilungs-
lung, ob dem Schutzsuchenden die Aufnahme
voraussetzungen unter Berücksichtigung des im
gewährt werden soll, sind alle Gesichtspunkte,
Einzelfall gegebenen Aufnahmegrundes ins-
die für oder gegen eine Aufnahme sprechen, zu
gesamt oder im Einzelnen abgesehen werden.
berücksichtigen:
22.0.5 Die Dauer der Erteilung und die Verlängerung
– Bestehen einer erheblichen und unaus-
der Aufenthaltserlaubnis sowie die Erteilung
weichlichen Gefahr für Leib und Leben des
einer Niederlassungserlaubnis richten sich nach
Schutzsuchenden,
§ 26 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 und 4. Entfällt
der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis – enger Bezug zu Deutschland (frühere Auf-
maßgebliche Grund, darf sie nicht verlängert enthalte, Familienangehörige in Deutsch-
werden. land u. ä.),
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1005

– besondere Anknüpfungspunkte an ein be- als dringender humanitärer Grund eingestuft


stimmtes Bundesland in Deutschland, werden.
– Kontakte in Deutschland zu Personen/Or-
ganisationen, die ggf. bereit wären, Kosten 22.2 Erklärung der Aufnahme durch das Bundes-
für Aufenthalt/Transport zu übernehmen, ministerium des Innern zur Wahrung poli-
tischer Interessen der Bundesrepublik
– möglicherweise bereits bestehende Kon- Deutschland
takte zu anderen Staaten, für die eine Über-
nahme in Betracht kommen könnte. 22.2.0.1 Vom Bundesministerium des Innern in das
Bundesgebiet übernommene Ausländer haben
22.1.2 Vor der Entscheidung der deutschen Auslands- einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Auf-
vertretung über den Antrag auf Erteilung einer enthaltserlaubnis nach § 22 Satz 2, es besteht
Aufenthaltserlaubnis nach § 22 Satz 1 ist die jedoch kein Anspruch auf eine Übernahmeent-
Ausländerbehörde im Visumverfahren gemäß scheidung des Bundesministeriums des Innern.
§ 31 Absatz 1 AufenthV zu beteiligen. Die
Auslandsvertretung erteilt das nationale Visum, 22.2.0.2 Bei einer Aufnahme zur Wahrung der politi-
das im Inland in einen Aufenthaltstitel umge- schen Interessen des Bundes ersetzt eine Ent-
wandelt wird. Für die Erteilung und Verlänge- scheidung des Bundesministeriums des Innern
rung des Aufenthaltstitels ist die Ausländer- die Zustimmung der Ausländerbehörde im Vi-
behörde zuständig. Liegen konkrete Anhalts- sumverfahren nach § 31 Absatz 1 AufenthV.
punkte dafür vor, dass die für die Erteilung 22.2.1 Die Ausländerbehörde hat bei der Anwendung
eines Visums maßgebenden Gründe entfallen des § 22 Satz 2 nur zu prüfen,
sind, hat sie vor der Verlängerung der Aufent-
haltserlaubnis eine entsprechende Auskunft bei 22.2.1.1 – ob der Ausländer aufgrund einer Übernah-
der deutschen Auslandsvertretung einzuholen. meerklärung des Bundesministeriums des
Innern eingereist ist und
22.1.3 Die für eine entsprechende Entscheidung zu-
ständige deutsche Auslandsvertretung hat im 22.2.1.2 – ob die Passpflicht nach § 5 Absatz 1 Num-
Zustimmungsverfahren nach § 31 Absatz 1 mer 4 i. V. m. § 3 erfüllt ist, die Erteilungs-
AufenthV die völkerrechtlichen oder drin- voraussetzungen des § 5 Absatz 1 Num-
genden humanitären Gründe darzustellen, die mer 1a und Versagungsgründe nach § 5 Ab-
nach ihrer Auffassung für das Vorliegen der satz 4 vorliegen und ob ein Einreiseverbot
Erteilungsvoraussetzungen sprechen. Soweit gemäß § 11 Absatz 1 besteht.
die dringenden humanitären Gründe auf Um- 22.2.2 Hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedoku-
ständen im Bundesgebiet beruhen, obliegt de- ments vor der Einreise finden die §§ 5 und 7
ren Nachprüfung der Ausländerbehörde, die AufenthV Anwendung.
die für die Entscheidung erforderlichen Nach-
weise vom Ausländer verlangen kann. 22.2.3.1 Satz 2 verpflichtet die zuständige Ausländer-
behörde ohne die Möglichkeit einer eigenen
22.1.4 Aus § 22 Satz 1 lässt sich kein Rechtsanspruch Prüfung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaub-
auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis her- nis, wenn das Bundesministerium des Innern
leiten. Bei der Ermessenentscheidung über die oder die von ihm bestimmte Stelle die Auf-
Visumerteilung können auch nach den Regel- nahme zur Wahrung politischer Interessen der
erteilungsvoraussetzungen des § 5 Absatz 1 und Bundesrepublik Deutschland erklärt hat. Die
2 maßgebliche Gesichtspunkte berücksichtigt Entscheidung über das Vorliegen politischer
werden. Im Allgemeinen kommt den Ertei- Interessen dient vor allem der Wahrung des au-
lungsgründen ein besonderes Gewicht zu. Dies ßen- und innenpolitischen Handlungsspiel-
gilt insbesondere auch für eine wirtschaftliche raums und ist deshalb ausschließlich dem Bund
Unterstützungs-bedürftigkeit des Ausländers vorbehalten. Ungeachtet dessen wird das Bun-
als Versagungsgrund. In Fällen des § 5 Absatz 4 desministerium des Innern sich in bestimmten
ist keine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. So- Fällen, in denen Landesinteressen in besonderer
weit ein Fall des Familiennachzugs nach § 29 Weise berührt sind, vor einer Entscheidung mit
Absatz 3 vorliegt und aufgrund der fehlenden dem betroffenen Bundesland ins Benehmen
Lebensunterhaltssicherung nicht in Betracht setzen.
kommt, ist dies auch bei der Entscheidung über
eine eigenständige Aufnahme nach § 22 Satz 1 22.2.3.2 Das Bundesministerium des Innern teilt der
zu berücksichtigen. Ausländerbehörde den Übernahmegrund mit.
Sofern sich diese Mitteilung nicht in der Aus-
22.1.5 Der Umstand, dass der Ausländer im Bundes- länderakte befindet, fragt die Ausländer-
gebiet arbeiten will, und die Gründe, auf denen behörde über die oberste Landesbehörde beim
dieses Begehren beruht (z. B. die Unmöglich- Bundesministerium des Innern an. Sofern sich
keit, im Ausland eine zur Bestreitung des Le- aus der Übernahmeerklärung nicht ergibt, nach
bensunterhalts erforderliche Arbeit zu finden), welchen Voraussetzungen sich die Verlänge-
sind keine dringenden humanitären Gründe rung der Aufenthaltserlaubnis richtet, hat die
i. S. d. § 22 Satz 1. Im Anwendungsbereich die- Ausländerbehörde vor der Verlängerung der
ser Vorschrift kann auch der Hinweis auf die Aufenthaltserlaubnis eine entsprechende Aus-
allgemeinen Verhältnisse im Heimatstaat nicht kunft über die oberste Landesbehörde beim
Seite 1006 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Bundesministerium des Innern einzuholen, ob eines Reisedokuments vor der Einreise finden
der Übernahmegrund noch vorliegt. die §§ 5 und 7 AufenthV Anwendung.
22.2.4 Will die Ausländerbehörde gegen einen im 23.1.1.3 Eine gesonderte Regelung der Verlängerung ist
Einzelfall übernommenen Ausländer auslän- in § 23 Absatz 1 nicht vorgesehen; dem ent-
derrechtliche Maßnahmen ergreifen, so hat sie sprechend finden nach § 8 Absatz 1 auf die
der obersten Landesbehörde zu berichten. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis diesel-
ben Vorschriften Anwendung wie auf deren
Erteilung. Die Wahrung der Bundesinteressen
23 Zu § 23 – Aufenthaltsgewährung durch die erfolgt durch die Einholung des Einvernehmens
obersten Landesbehörden; Aufnahme bei des Bundesministeriums des Innern. Keines
besonders gelagerten politischen Interessen Einvernehmens des Bundesministeriums des
Innern bedarf dagegen die von der obersten
23.0 Allgemeines Landesbehörde verfügte Aussetzung der Ab-
§ 23 gibt den obersten Landesbehörden die schiebung von bestimmten Ausländergruppen
Möglichkeit, für bestimmte Ausländergruppen von bis zu sechs Monaten (§ 60a Absatz 1).
aus völkerrechtlichen oder humanitären Grün- 23.1.2 Durch die in Satz 2 aufgenommene Möglich-
den oder zur Wahrung politischer Interessen keit, die Anordnung von der Übernahme der
der Bundesrepublik Deutschland eine Aufent- mit der Aufnahme verbundenen Kosten nach
haltserlaubnis anzuordnen. Das Bundesminis- § 68 abhängig zu machen, kann besonders den
terium des Innern kann darüber hinaus zur humanitären Interessen international tätiger
Wahrung besonders gelagerter politischer In- Körperschaften, beispielsweise der Kirchen,
teressen der Bundesrepublik Deutschland im Rechnung getragen werden (so genanntes
Benehmen mit den Ländern anordnen, dass das „Kirchenkontingent“). Gleichwohl handelt es
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sich um eine staatliche Entscheidung über die
Ausländern eine Aufnahmezusage erteilt. Die Aufenthaltsgewährung. § 23 Absatz 1 Satz 2
jeweilige Maßnahme kann sich auf die Auf- weist nur auf die nach § 68 bestehende Mög-
nahme von Personen aus bestimmten Staaten lichkeit hin, dass Private wie auch Kirchen ge-
oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländer- rade in Fällen, in denen sie ausländerrechtliche
gruppen (z. B. Personen aus Kriegs- oder Bür- Maßnahmen des Staates im Einzelfall für feh-
gerkriegsgebieten) durch eine rein nationale lerhaft halten, durch Abgabe einer Verpflich-
Entscheidung beziehen. Im Falle des § 23 Ab- tungserklärung Verantwortung übernehmen
satz 1 ist sie unabhängig davon, ob sich die be- können für die von ihnen geforderte Aufnahme
troffenen Personen bereits im Bundesgebiet bestimmter Ausländer nach § 23 Absatz 1
aufhalten. Die Gewährung von vorübergehen- Satz 1.
dem Schutz durch eine vorhergehende Ent-
scheidung auf EU-Ebene richtet sich dagegen
23.2 Aufnahmezusage durch das Bundesamt für
nach § 24.
Migration und Flüchtlinge
23.1 Aufenthaltsgewährung durch die obersten 23.2.0.1 § 23 Absatz 2 ersetzt das HumHAG. Die Vor-
Landesbehörden schrift war bislang zum einen Rechtsgrundlage
für die Aufnahme jüdischer Zuwanderer, die
23.1.1.1 Bei Anordnungen nach § 23 Absatz 1 handelt es
bisher nur in dessen analoger Anwendung auf
sich um verbindliche Regelungen. Erfüllt der
der Basis einer Übereinkunft zwischen dem
Ausländer die Erteilungsvoraussetzungen der
Bundeskanzler und den Regierungschefs der
getroffenen Anordnung, ist ihm die Aufent- Länder vom 9. Januar 1991 vorgenommen
haltserlaubnis zu erteilen, soweit die Entschei-
wurde. Zum anderen kam § 23 Absatz 2 im
dung nicht aufgrund der Anordnung in das Er-
Falle der Aufnahme von 2.500 irakischen
messen der Behörden gestellt ist. Soweit die
Flüchtlingen aus Syrien und Jordanien zur An-
Anordnung vorliegt, prüft die Ausländer-
wendung.
behörde nicht mehr, ob die allgemeinen Tatbe-
standsvoraussetzungen für die Erteilung der 23.2.0.2 Die aufenthaltsgesetzliche Rechtsstellung und
Aufenthaltserlaubnis vorliegen. Die aufgrund daran anknüpfende Ansprüche werden für den
von § 23 Absatz 1 erlassenen Anordnungen der betroffenen Personenkreis u. a. durch § 44 Ab-
obersten Landesbehörden werden von der satz 1 Satz 1 Nummer 2, § 75 Nummer 8,
Ausländerbehörde durch Verwaltungsakt auf § 101 Absatz 1, § 104 Absatz 6 geregelt. An-
Antrag umgesetzt. sprüche dieses Personenkreises auf Leistungen
nach SGB II, III, XII, BAföG und ähnlichen
23.1.1.2 Der Vorrang der Anordnung nach § 23 Ab-
Leistungsgesetzen bestehen auch weiterhin.
satz 1 erstreckt sich auch auf die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis im Visumverfahren. Das 23.2.1 Mit der Neufassung des § 23 Absatz 2 durch
Auswärtige Amt ist an die Anordnung ge- das 7. Gesetz zur Änderung des Bun-
bunden. Soweit Ausländern aufgrund der An- desvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007
ordnung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (BGBl. I S. 748) wird für den Bund eine dem
ist, bleibt für eine von dieser Anordnung ab- § 23 Absatz 1 nachgebildete Rechtsgrundlage
weichende anderweitige Ermessensentschei- (Anordnungsbefugnis) zur Aufenthaltsgewäh-
dung kein Raum. Hinsichtlich der Ausstellung rung bei besonders gelagerten politischen In-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1007

teressen geschaffen (Bundesvollzug beim Bun- oder XII für die gerechte Lastenverteilung auf
desamt für Migration und Flüchtlinge). Die die Länder erforderlich. Zum Zweck der Auf-
Anordnung des Bundesministeriums des Innern nahme und Durchführung einer Ausbildung
gegenüber dem Bundesamt, Aufnahmezusagen oder eines Studiums wird die wohnsitzbe-
an Ausländer aus bestimmten Staaten zu er- schränkende Auflage aufgehoben, wenn am
teilen, erfolgt im Benehmen mit den Ländern. neuen Wohnort Ausbildungsförderung (Leis-
Die Länder vollziehen die Aufnahmeent- tungen nach dem BAföG oder SGB III) be-
scheidung des Bundesamtes durch Erteilung zogen wird und damit der Lebensunterhalt ge-
des Aufenthaltstitels (Niederlassungserlaubnis sichert ist (vgl. Nummer 2.3.1.4). Die wohn-
bzw. Aufenthaltserlaubnis) entsprechend der sitzbeschränkende Auflage wird mit der
Aufnahmezusage durch die zuständige Be- Maßgabe aufgehoben, dass der Wohnsitz wie-
hörde. Die Aufnahmeentscheidung des Bun- der im Aufnahmeland zu nehmen ist, wenn die
desamtes ist für die Erteilung des Aufenthalts- Ausbildung oder das Studium abgebrochen
titels durch die Ausländerbehörde und das wird oder nach erfolgreichem Abschluss der
Auswärtige Amt im Visumverfahren verbind- Ausbildung oder des Studiums mehr als drei
lich; Versagungsgründe nach § 5 Absatz 4 sind Monate Leistungen nach dem SGB II oder dem
zu beachten. SGB XII bezogen werden.
23.2.2.1.1 Im Hinblick auf die jüdische Zuwanderung aus
23.3 Entsprechende Anwendung von § 24
der ehemaligen Sowjetunion mit Ausnahme der
baltischen Staaten ist das Benehmen auf der Absatz 3 trägt Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie
Basis der Beschlusslage der Innenminister- 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über
konferenz vom Juni und November 2005 her- Mindestnormen für die Gewährung vorüber-
gestellt. gehenden Schutzes im Falle eines Massenzu-
stroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur
23.2.2.1.2 Die Anordnung des Bundesministeriums des
Förderung einer ausgewogenen Verteilung der
Innern gemäß § 23 Absatz 2 betreffend die
Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Per-
Neuregelung der jüdischen Zuwanderung ist
sonen und den Folgen dieser Aufnahme ver-
mit Schreiben vom 24. Mai 2007 – Az. M I 1–
bunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG
125225–3/6 zeitgleich mit Inkrafttreten des
Nummer L 212 S. 12, so genannte Richtlinie
7. Gesetzes zur Änderung des Bundesvertrie-
zum vorübergehenden Schutz) Rechnung, wo-
benengesetzes an das Bundesamt ergangen. Die
nach es den Mitgliedstaaten unbenommen
Anordnung regelt die Voraussetzungen für die
bleibt, vorübergehenden Schutz gemäß der
Erteilung von Aufnahmezusagen an jüdische
Richtlinie weiteren Gruppen von Vertriebenen
Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.
zu gewähren. Darüber hinaus enthält Absatz 3
Die Aufnahmezusage wird vom Bundesamt in
einen klarstellenden Hinweis, dass auf die Auf-
bundeseigener Verwaltung erteilt.
nahmebedingungen nach § 24 ganz oder teil-
23.2.2.2 Die Innenministerkonferenz hat sich am 20./ weise verwiesen werden kann, wenn auf natio-
21. November 2008 im Vorgriff auf die Sitzung naler Ebene ohne eine Aufnahmeaktion auf-
des Rats der Europäischen Union vom grund eines EU-Ratsbeschlusses Ausländer
27. November 2008 darauf verständigt, dass nach § 23 aufgenommen werden.
Deutschland sich an einer europäischen Auf-
nahmeaktion beteiligt und insgesamt 2.500 be-
sonders schutzbedürftige irakische Flüchtlinge 23a Zu § 23a – Aufenthaltsgewährung in Härte-
aus Syrien und Jordanien aufnimmt. Das Bun- fällen
desministerium des Innern hat daraufhin am
5. Dezember 2008 die Anordnung nach § 23 23a.0 Allgemeines
Absatz 2 zur Aufnahme bestimmter Flücht- 23a.0.1 Die Regelung bietet die Grundlage für die Er-
linge aus dem Irak an das Bundesamt erlassen. teilung einer Aufenthaltserlaubnis an voll-
In dieser sind die Eckdaten des nationalen Auf- ziehbar ausreisepflichtige Ausländer in be-
nahmeverfahrens, insbesondere die Voraus- sonders gelagerten Härtefällen, in denen nach
setzungen für das die Aufnahme rechtferti- den allgemeinen Erteilungs- und Verlänge-
gende besondere Schutzbedürfnis festgelegt. rungsvoraussetzungen für einen Aufenthalts-
titel keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden
23.2.3 § 75 Nummer 8 enthält die mit § 23 Absatz 2
kann. Begünstigt werden kann nur ein Aus-
korrespondierende Aufgabenzuweisungsnorm
länder, der sich bereits im Bundesgebiet aufhält.
an das Bundesamt für Migration und Flücht-
Seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet
linge. Er weist dem Bundesamt zugleich die
muss durch dringende humanitäre oder per-
Zuständigkeit für die Verteilung der nach § 23
sönliche Gründe gerechtfertigt sein. Ziel dieser
und der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Aus-
Regelung ist es, einen Einzelfall humanitär zu
länder auf die Länder zu.
lösen, der bei Anwendung der allgemeinen Be-
23.2.4 Die nach Satz 4 vorgesehene Möglichkeit der stimmungen des Aufenthaltsgesetzes nicht
Erteilung einer wohnsitzbeschränkenden Auf- sachgerecht hätte gelöst werden können. Die
lage entspricht der bisherigen Praxis (vgl. Tatsache, dass diese Vorschrift nur für voll-
Nummer 12.2.5.2.1 ff.) und ist auch weiterhin ziehbar ausreisepflichtige Ausländer und nur
bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei besonders gelagerten Härtefällen zur An-
Seite 1008 GMBl 2009 Nr. 42– 61

wendung kommt, unterstreicht den Ausnah- Deutschland rechtfertigen, kann sie ein Härte-
mecharakter der Vorschrift. Die Erteilung einer fallersuchen stellen.
Aufenthaltserlaubnis nach § 23a ist insbeson-
23a.1.1.3 Die oberste Landesbehörde oder die durch
dere nicht als Ersatz für eine Bleiberechtsre-
Rechtsverordnung bestimmte Stelle entscheidet
gelung zugunsten einer großen Anzahl von
nach Ermessen, ob auf Grund des Härte-
Ausländern vorgesehen, sondern als Abhilfe-
fallersuchens die Erteilung einer Aufenthaltser-
möglichkeit in besonders gelagerten, humani-
laubnis angeordnet wird. Sie wird insbesondere
tären Fallgestaltungen, beispielsweise – je nach
dann nicht dem Ersuchen folgen, wenn dieses
den Umständen des Einzelfalls – bei Aus-
auf eine fehlerhafte Tatsachengrundlage ge-
ländern oder Ausländerinnen, die in Fällen
stützt, der strenge Maßstab für ein Härte-
schwerer häuslicher Gewalt oder im Zusam-
fallersuchen nicht eingehalten wird, der Aus-
menhang mit einer drohenden bzw. durch-
länder Straftaten von erheblichem Gewicht be-
geführten Zwangsverheiratung suizidgefährdet
gangen hat oder ein in der Rechtsverordnung
oder traumatisiert sein können.
der Landesregierung vorgesehener Ausschluss-
Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt voraus, grund vorliegt. Ausschlussgründe können ins-
dass die jeweilige Landesregierung durch besondere vorliegen, wenn
Rechtsverordnung die in § 23a Absatz 1 ge- – der Ausländer zum Zweck der Aufenthalts-
nannte Stelle (Härtefallkommission) bestimmt beendigung, zur Aufenthaltsermittlung oder
hat. Hierzu sind die Landesregierungen nach Festnahme ausgeschrieben ist,
§ 23a Absatz 2 ermächtigt; eine Verpflichtung
– der Ausländer rechtskräftig wegen einer
zur Einrichtung einer Härtefallkommission be-
Straftat verurteilt worden ist, es sei denn, er
steht nicht.
darf sich als nicht vorbestraft bezeichnen,
23a.0.2 Ausländern, die nicht vollziehbar ausreise- – eine Ausweisungsverfügung nach § 53, § 54
pflichtig sind, kann bei Vorliegen der tat- Nummer 5, 5a, 7, § 55 Absatz 2 Nummer 8
bestandlichen Voraussetzungen nach § 25 Ab- oder eine Abschiebungsanordnung nach
satz 4 Satz 1 eine Aufenthaltserlaubnis für einen § 58a erlassen worden ist,
vorübergehenden Aufenthalt erteilt werden.
– nicht zu erwarten ist, dass der Ausländer
seinen Lebensunterhalt zukünftig ohne In-
23a.1 Voraussetzungen anspruchnahme öffentlicher Mittel bestrei-
23a.1.1.1 Die Härtefallregelung setzt vor die Erteilung ten kann,
einer Aufenthaltserlaubnis ein mehrstufiges – der Ausländer seinen Lebensunterhalt in der
Verfahren. Die von der Landesregierung einge- Vergangenheit überwiegend durch öffent-
richtete Härtefallkommission richtet zunächst liche Mittel bestritten hat, obwohl er zur
ein entsprechendes Ersuchen an die oberste Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt
Landesbehörde oder die durch Rechtsverord- und zumutbar in der Lage war.
nung bestimmte Stelle. Diese entscheidet auf
Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
der Grundlage des Härtefallersuchens, ob sie
kann von den im Aufenthaltsgesetz festgelegten
anordnet, dass einem Ausländer eine Aufent-
allgemeinen Erteilungs- und Verlängerungs-
haltserlaubnis erteilt wird. Wenn eine Anord-
voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel ab-
nung vorliegt, erteilt die Ausländerbehörde
gewichen werden. Ein Abweichen von den
dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach
Versagungsgründen des § 5 Absatz 4 ist hinge-
§ 23a Absatz 1. Die Vorschrift vermittelt dem
gen nicht zulässig.
Ausländer selbst keinen subjektiven Anspruch
auf das Stellen eines Ersuchens durch die Här- 23a.1.2 Sofern die oberste Landesbehörde oder die
tefallkommission, auf die Anordnung der ober- durch Rechtsverordnung bestimmte Stelle dem
sten Landesbehörde oder die durch Rechts- Härtefallersuchen entsprechen will, hat sie zu
verordnung bestimmte Stelle sowie auf die entscheiden, ob die Anordnung der Aufent-
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Das Härte- haltsgewährung von der Sicherung des Lebens-
fallverfahren steht ausschließlich im öffentli- unterhalts oder der Abgabe einer Verpflich-
chen Interesse und ist ein gerichtlich nicht tungserklärung abhängig gemacht wird oder ob
überprüfbares, rein humanitär ausgestaltetes die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel un-
Entscheidungsverfahren. schädlich sein soll. Dabei wird zu berück-
sichtigen sein, ob der Ausländer in der Vergan-
23a.1.1.2 Voraussetzung für ein Härtefallersuchen ist,
genheit auf zumutbare Weise zum eigenen Le-
dass der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig
bensunterhalt beigetragen hatte und ob zu
ist und ein Härtefall vorliegt. Bei dem Härte-
erwarten ist, dass er auch in Zukunft seinen
fallersuchen handelt es sich um eine Empfeh-
Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit
lung wertender Art durch ein weisungsfreies
sichern kann. Ordnet sie die Erteilung einer
Gremium. Die Härtefallkommission wird aus-
Aufenthaltserlaubnis an, ist diese von der zu-
schließlich im Wege der Selbstbefassung tätig.
ständigen Ausländerbehörde zu erteilen.
Ist die Härtefallkommission der Auffassung,
dass bei Anlegung eines strengen Maßstabes 23a.1.3 Die Durchführung des Verfahrens nach § 23a
dringende humanitäre oder persönliche Gründe soll – insbesondere bei offensichtlich unbe-
die weitere Anwesenheit eines Ausländers in gründeten Eingaben – nicht zu einer Verzöge-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1009

rung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Funktionsweise und ohne Nachteile für die be-
führen. Die Befassung der Härtefallkommis- troffenen Personen oder andere um Schutz
sion oder das Vorliegen eines Härtefallersu- nachsuchende Personen auffangen kann.
chens begründen kein Abschiebungshindernis
24.0.3 Vertriebene i. S. d. Richtlinie sind Drittstaats-
und auch keinen Anspruch auf Aussetzung der
angehörige oder Staatenlose, die ihr Her-
Abschiebung nach § 60a. Die Regelung des
kunftsland oder ihre Herkunftsregion haben
§ 60a Absatz 2 Satz 3 bleibt hiervon unberührt.
verlassen müssen oder evakuiert wurden (etwa
23a.1.4 Durch § 23a Absatz 1 Satz 4 wird klargestellt, nach einem Aufruf internationaler Organisa-
dass die Härtefallregelung keine subjektiven tionen) und wegen der in diesem Land herr-
Rechte des Ausländers begründet. Das Härte- schenden Lage nicht sicher und dauerhaft zu-
fallverfahren begründet lediglich eine faktische rückkehren können und die möglicherweise
Begünstigung, nicht aber eine rechtliche Be- Flüchtlinge i. S. d. Genfer Flüchtlingskonven-
günstigung für Personen, die alle in Betracht tion sind oder in den Anwendungsbereich von
kommenden Möglichkeiten, ein Aufenthalts- internationalen oder nationalen Schutzinstru-
recht für die Bundesrepublik Deutschland zu menten fallen. Erfasst sind insbesondere Perso-
erhalten, in der Vergangenheit bereits genutzt nen, die aus Gebieten geflohen sind, in denen
hatten. ein bewaffneter Konflikt oder dauernde Gewalt
herrscht oder die ernsthaft von systematischen
23a.2 Verfahren oder weit verbreiteten Menschenrechtsverlet-
zungen bedroht waren oder Opfer solcher
Die Landesregierungen können durch Rechts- Menschenrechtsverletzungen sind (vgl. Arti-
verordnung bestimmen, dass andere als oberste kel 2 Buchstabe c) der Richtlinie).
Landesbehörden die Anordnung über die Auf-
enthaltsgewährung in Härtefällen treffen. 24.0.4 Unter Massenzustrom ist ein Zustrom einer
Durch Rechtsverordnung wird auch die Zu- großen Zahl Vertriebener zu verstehen, der aus
sammensetzung der Härtefallkommission be- einem bestimmten Land oder einem be-
stimmt. Dabei kann die Aufgabe der Härtefall- stimmten Gebiet kommt, unabhängig davon,
kommission auch auf bestehende Einrichtun- ob der Zustrom in die Gemeinschaft spontan
gen übertragen werden. erfolgte oder beispielsweise durch ein Evakuie-
rungsprogramm unterstützt wurde (vgl. Arti-
23a.3 Kostenerstattung bei Umzug kel 2 Buchstabe d) der Richtlinie).

§ 23a Absatz 3 verbindet mit der Anordnung 24.0.5 Das Bestehen eines Massenzustroms von Ver-
der Aufenthaltsgewährung in Härtefällen eine triebenen wird auf Vorschlag der Kommission,
finanzielle Verantwortung für den Bereich der der auch von jedem Mitgliedstaat angeregt
Sozialhilfegewährung bzw. der Leistungen zur werden kann, vom Rat mit qualifizierter Mehr-
Sicherung des Lebensunterhalts nach § 6 Ab- heit per Beschluss festgelegt. Dabei prüft der
satz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB II. Rat die Lage und den Umfang der Wande-
rungsbewegungen von Vertriebenen und be-
wertet die Zweckmäßigkeit der Einleitung des
24 Zu § 24 – Aufenthaltsgewährung zum vo- vorübergehenden Schutzes. Der Ratsbeschluss
rübergehenden Schutz enthält mindestens (vgl. Artikel 5 Absatz 3 der
Richtlinie):
24.0 Allgemeines
24.0.5.1 – Eine Beschreibung der spezifischen Perso-
24.0.1 § 24 setzt die Richtlinie 2001/55/EG des Rates nengruppen, denen vorübergehender Schutz
vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die gewährt wird. Die Mitgliedstaaten können
Gewährung vorübergehenden Schutzes im Fal- den vorübergehenden Schutz weitergehen-
le eines Massenzustroms von Vertriebenen und den Gruppen von Personen gewähren, die
Maßnahmen zur Förderung einer ausgewo- aus den gleichen Gründen vertrieben wur-
genen Verteilung der Belastungen, die mit der den und aus demselben Herkunftsland oder
Aufnahme dieser Personen und den Folgen derselben Herkunftsregion stammen (vgl.
dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mit- Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie).
gliedstaaten (ABl. EG Nummer L 212 S. 12, so
24.0.5.2 – Den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des
genannte Richtlinie zum vorübergehenden
vorübergehenden Schutzes. Die Dauer des
Schutz) in nationales Recht um.
vorübergehenden Schutzes beträgt ein Jahr.
24.0.2 Artikel 2 Buchstabe a) der Richtlinie definiert Wird die Dauer nicht durch einen Beschluss
vorübergehenden Schutz als ein ausnahmsweise des Rates beendet, kann sie sich automatisch
durchzuführendes Verfahren, das im Falle eines um jeweils sechs Monate, höchstens jedoch
aktuellen oder bevorstehenden Massenzu- um ein Jahr verlängern. Weitere Verlänge-
stroms von Vertriebenen aus Drittländern, die rungen bis zu einem Jahr können bei Fort-
nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren kön- bestehen der Gründe für den vorüberge-
nen, diesen sofortigen, vorübergehenden henden Schutz vom Rat beschlossen werden
Schutz garantiert, insbesondere wenn auch die (vgl. Artikel 4 der Richtlinie). Die maximale
Gefahr besteht, dass das Asylsystem diesen Aufenthaltsdauer beträgt hiernach drei Jah-
Zustrom nicht ohne Beeinträchtigung seiner re. Ein längerer Aufenthalt ist nur auf einer
Seite 1010 GMBl 2009 Nr. 42– 61

anderen aufenthaltsrechtlichen Grundlage derbehörde ist das jeweilige Land zuständig


oder zur Durchführung eines Asylverfah- (§ 24 Absatz 4 Satz 1). Der Zuweisungsent-
rens möglich. scheidung der Länder kommt, im Gegensatz
zur Verteilung durch das Bundesamt, Verwal-
24.0.5.3 – Informationen der Mitgliedstaaten über ihre
tungsaktqualität zu. Die landesinterne Vertei-
Aufnahmekapazität; dem entsprechend er-
lung können die Länder durch Rechtsver-
folgt die Festlegung der Aufnahmequoten auf
ordnung regeln (§ 24 Absatz 4 Satz 2).
freiwilliger Basis durch die Mitgliedstaaten
(vgl. Artikel 25 Absatz 1 der Richtlinie).
24.5 Örtliche Aufenthaltsbeschränkung
24.0.5.4 – Informationen der Kommission, des
UNHCR und anderer einschlägiger Orga- Der Ausländer hat Wohnung und gewöhn-
nisationen. lichen Aufenthalt an dem Ort zu nehmen, dem
er nach Absatz 3 und Absatz 4 zugewiesen
24.0.6 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde. Durch diese kraft Gesetzes vorgesehene
führt nach §§ 91a und 91b ein Register zum vor- örtliche Aufenthaltsbeschränkung soll verzö-
übergehenden Schutz und darf diese Daten als gernden Rechtsstreitigkeiten mit aufschieben-
nationale Kontaktstelle nach Artikel 27 Absatz 1 der Wirkung von Widerspruch und Klage ge-
der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz an genüber einer isoliert anfechtbaren ausländer-
die in § 91b genannten Stellen übermitteln (nä- behördlichen Auflage entgegengewirkt werden.
heres hierzu siehe Nummer 91a und 91b). Weitergehende Modifizierungen der Aufent-
24.0.7 Erhält ein Asylbewerber vorübergehenden haltserlaubnis (z. B. durch Auflagen nach § 12
Schutz, ruht das Asylverfahren für die Dauer Absatz 2) sind möglich, soweit diese nicht mit
der vorübergehenden Schutzgewährung. Die Bestimmungen der Richtlinie kollidieren.
Rechtsstellung des Asylbewerbers richtet sich
nach § 24 (§ 32a Absatz 1 AsylVfG). 24.6 Ausübung einer Erwerbstätigkeit

24.0.8 Beantragt ein von Deutschland aufgenommener Die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 berechtigt
Ausländer die Verlegung seines Wohnsitzes in nicht bereits bei Erteilung zur Ausübung einer
einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Erwerbstätigkeit, wie dies z. B. in § 22 Satz 3
Union, richtet sich das Verfahren nach §§ 42 der Fall ist. Nach Artikel 12 der Richtlinie ge-
und 43 AufenthV. statten die Mitgliedstaaten Personen, die vor-
übergehenden Schutz genießen, die Ausübung
24.1 Erteilungsvoraussetzungen einer abhängigen oder selbständigen Erwerbs-
tätigkeit nach für den jeweiligen Berufsstand
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach geltenden Regeln und können aus Gründen der
§ 24 Absatz 1 setzt einen vorangehenden Be- Arbeitsmarktpolitik EU-/EWR-Bürgern und
schluss des Rates der Europäischen Union vo- anderen Bevorrechtigten Vorrang einräumen.
raus, mit dem das Bestehen eines Massenzu- Die selbständige Erwerbstätigkeit ist damit auf
stroms von Flüchtlingen festgestellt wird, fer- Antrag zu erlauben; ggf. erforderliche Berufs-
ner die Erklärung, dass einer Personengruppe zugangsvoraussetzungen (z. B. Approbation)
vorübergehender Schutz gewährt wird, der der müssen vorliegen. Hinsichtlich der Ausübung
Ausländer zugehört. Erforderlich ist darüber einer Beschäftigung verweist Absatz 6 Satz 2
hinaus eine Erklärung des Schutzsuchenden, auf § 4 Absatz 2, was zur Folge hat, dass § 39
mit der Aufnahme im Bundesgebiet einver- Anwendung findet. Soweit nicht die Aufnahme
standen zu sein. einer nach der BeschV oder BeschVerfV zu-
stimmungsfreien Beschäftigung beabsichtigt ist,
24.2 Ausschlussgründe ist die Zustimmung der Bundesagentur für Ar-
Von der Gewährung vorübergehenden Schutzes beit erforderlich.
werden Personen ausgeschlossen, die i. S. v. § 60
Absatz 8 Satz 1 oder des § 3 Absatz 2 AsylVfG
25 Zu § 25 – Aufenthalt aus humanitären
eine schwere Straftat verübt haben oder eine
Gründen
Gefahr für die Sicherheit darstellen.
25.1 Aufenthaltserlaubnis für Asylberechtigte
24.3 Verteilung auf die Länder
25.1.1 § 25 Absatz 1 regelt die Erteilung einer Auf-
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
enthaltserlaubnis für Asylberechtigte nach Ar-
verteilt die Flüchtlinge auf die Bundesländer
tikel 16a GG. Voraussetzung für die Erteilung
(§ 24 Absatz 3 Satz 3). Solange die Länder für
der Aufenthaltserlaubnis ist, dass der Ausländer
die Verteilung keinen abweichenden Schlüssel
vereinbart haben, gilt der für die Verteilung von – unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt
Asylbewerbern festgelegte Schlüssel (§ 24 Ab- worden ist (§ 25 Absatz 1 Satz 1) und
satz 3 Satz 4). – nicht aus schwerwiegenden Gründen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus-
24.4 Zuweisungsentscheidung gewiesen worden ist (§ 25 Absatz 1 Satz 2).
Für die Zuweisung des Flüchtlings in den Zu- 25.1.2 Die Ausländerbehörden sind an die Entschei-
ständigkeitsbereich einer bestimmten Auslän- dung des Bundesamtes für Migration und
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1011

Flüchtlinge gebunden (§ 4 AsylVfG) und nicht Asylberechtigten zuwiderlaufen. Zu Ein-


berechtigt, im Rahmen der Entscheidung über schränkungen bei der Verfügung wohn-
die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die An- sitzbeschränkender Auflagen an Inhaber von
erkennungsentscheidung des Bundesamtes auf Aufenthaltstiteln nach § 25 Absatz 1 vgl.
ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Nummer 12.2.5.2.3.
25.1.3 Vom Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen 25. 1. 11 Hinsichtlich des Widerrufs des Aufenthalts-
nach § 5 Absatz 1 und Absatz 2 ist abzusehen titels eines Asylberechtigten siehe Num-
(§ 5 Absatz 3 Satz 1); von § 5 Absatz 4 darf mer 52.1.4.
hingegen nicht abgewichen werden (siehe hier-
zu Nummer 5.4.2). Liegen die Voraussetzungen 25.2 Aufenthaltserlaubnis für Konven-
vor, hat der Ausländer einen Rechtsanspruch tionsflüchtlinge
auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis; es
verbleibt kein Entscheidungsermessen. 25.2.1 § 25 Absatz 2 regelt die Aufenthaltsgewährung
für Flüchtlinge nach der Genfer Flücht-
25.1.4 Nach Anerkennung als Asylberechtigter ist zu- lingskonvention. Voraussetzung für die Er-
nächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre teilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25
zu erteilen (§ 26 Absatz 1 Satz 2). Erst danach Absatz 2 Satz 1 ist, dass
kann, außer in den Fällen der Nummer 26.4.2,
– dem Ausländer nach § 3 Absatz 4 AsylVfG
der Asylberechtigte eine Niederlassungserlaub-
die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zu-
nis erhalten. Zu den Voraussetzungen der Nie-
erkannt wurde und
derlassungserlaubnis siehe Nummer 26.3. Es ist
hingegen gesetzlich ausgeschlossen, dem Asyl- – der Ausländer nicht aus schwerwiegenden
berechtigten eine Erlaubnis zum Daueraufent- Gründen der öffentlichen Sicherheit und
halt-EG zu erteilen (§ 9a Absatz 3 Nummer 1, Ordnung ausgewiesen worden ist (§ 25 Ab-
siehe Nummer 9a.3.1.1). satz 2 Satz 2 i. V. m. § 25 Absatz 1 Satz 2,
siehe Nummer 25.1.1).
25.1.5 Zur Verlängerung der nach § 25 Absatz 1 er-
teilten Aufenthaltserlaubnis siehe Num- 25.2.2 Die Ausländerbehörden sind an die Entschei-
mer 25.2.4. dung des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge gebunden (§ 4 AsylVfG) und nicht
25.1.6 Nach § 25 Absatz 1 Satz 2 darf eine Aufent- berechtigt, im Rahmen der Entscheidung über
haltserlaubnis im Falle einer Ausweisung aus die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die An-
schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Si- erkennungsentscheidung des Bundesamtes für
cherheit und Ordnung nicht erteilt werden. In Migration und Flüchtlinge auf ihre Richtigkeit
diesen Fällen ist über die Aussetzung der Ab- hin zu überprüfen. Von den Erteilungsvoraus-
schiebung eine Bescheinigung nach § 60a Ab- setzungen nach § 5 Absatz 1 und Absatz 2 ist
satz 4 auszustellen. Hinsichtlich der Aus- abzusehen (§ 5 Absatz 3 Satz 1); von § 5 Ab-
weisung aus schwerwiegenden Gründen der satz 4 darf hingegen nicht abgewichen werden.
öffentlichen Sicherheit und Ordnung siehe
Nummer 56.1.0.2 ff. 25.2.3 Die in § 25 Absatz 1 Satz 3 und 4 enthaltenen
Bestimmungen über die Erlaubnisfiktion und
25.1.7 Nach § 25 Absatz 1 Satz 3 tritt bis zur Ent- die Berechtigung zur Ausübung einer Er-
scheidung über die Aufenthaltserlaubnis die werbstätigkeit gelten auch bei Erteilung einer
Erlaubnisfiktion ein. Der Aufenthalt gilt da- Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 (siehe
nach abweichend von der allgemeinen Fik- Nummer 25.1.7 und 25.1.9). Ebenso wie bei
tionsregelung des § 81 Absatz 3 Satz 1 nicht ab anerkannten Asylberechtigten wird auch bei
der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, anerkannten Flüchtlingen die Aufenthaltser-
sondern bereits für die Zeit zwischen der unan- laubnis auf drei Jahre befristet erteilt (§ 26 Ab-
fechtbaren Anerkennung als Asylberechtigter satz 1 Satz 2). Erst danach – außer in den Fällen
nach Artikel 16a Absatz 1 GG und der Ent- der Nummer 26.4.2 – kann der Ausländer eine
scheidung über die Aufenthaltserlaubnis nach Niederlassungserlaubnis erhalten. Zu den Vo-
§ 25 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. raussetzungen siehe Nummer 26.3.
25.1.8 Asylberechtigte sind ebenfalls die Ausländer, 25.2.4 Nach Artikel 24 Absatz 1 der Richtlinie 2004/
denen Familienasyl nach § 26 Absatz 1 und 2 83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Min-
AsylVfG gewährt worden ist. destnormen für die Anerkennung und den Sta-
25.1.9 Nach Absatz 1 Satz 4 gestattet die erteilte Auf- tus von Drittstaatsangehörigen oder Staaten-
enthaltserlaubnis uneingeschränkte Erwerbstä- losen als Flüchtlinge oder als Personen, die an-
tigkeit. derweitig internationalen Schutz benötigen,
und über den Inhalt des zu gewährenden
25. 1. 10 Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 Schutzes (ABl. EU Nummer L 304 S. 12, so
kann grundsätzlich nach den allgemeinen Vor- genannte Qualifikationsrichtlinie) sind die
schriften (vgl. § 12) mit einer Nebenbestim- Mitgliedstaaten verpflichtet, Personen, denen
mung, insbesondere mit Bedingungen und die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden
Auflagen versehen werden, soweit sie mit der ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der
Rechtsstellung des Asylberechtigten vereinbar mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar
sind und nicht den garantierten Rechten des sein muss. Nach richtlinienkonformer Aus-
Seite 1012 GMBl 2009 Nr. 42– 61

legung des § 26 Absatz 1 Satz 1 und 2 muss da- teilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat
her ein nach § 25 Absatz 2 erteilter Aufent- möglich und zumutbar ist oder aber wiederholt
haltstitel verlängerbar sein. Dabei gilt die Gül- oder gröblich gegen Mitwirkungspflichten ver-
tigkeitsdauer von drei Jahren nach § 26 Ab- stoßen wurde. Mit § 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2
satz 1 Satz 2 jedoch entsprechend dem wird der subsidiäre Schutz nach Artikel 15 der
ausdrücklichen Wortlaut nur für die Erstertei- Qualifikationsrichtlinie in das deutsche Recht
lung. Die Verlängerung richtet sich nach § 26 übertragen. Da die Richtlinie nur die Aus-
Absatz 1 Satz 1 und kann für eine kürzere Gel- schlussklauseln nach § 25 Absatz 3 Satz 2
tungsdauer erfolgen. Eine Fiktionsbescheini- Buchstabe a) bis d) vorsieht, ist – bei richt-
gung nach § 81 Absatz 4 anstelle der Verlänge- linienkonformer Auslegung – eine Ausdehnung
rung der Aufenthaltserlaubnis kommt nur in auf die weiteren in § 25 Absatz 3 Satz 2 ge-
Betracht, wenn die Mitteilung des Bundesamts nannten Ausschlussgründe nicht möglich.
für Migration und Flüchtlinge nach § 73 Ab-
satz 2a AsylVfG unmittelbar bevorsteht. 25.3.2 Vom Vorliegen der allgemeinen Erteilungs-
voraussetzungen nach § 5 Absatz 1 und 2 ist
25.2.5 Es ist gesetzlich ausgeschlossen, anerkannten abzusehen (§ 5 Absatz 3 Satz 1); von § 5 Ab-
Flüchtlingen eine Erlaubnis zum Daueraufent- satz 4 darf hingegen nicht abgewichen werden
halt-EG zu erteilen (§ 9a Absatz 3 Nummer 1, (siehe hierzu Nummer 5.4.2). Zwar ist nach § 5
siehe Nummer 9a.3.1.1). Absatz 3 Satz 1 auch von der Erfüllung der
25.2.6 Anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt sind Passpflicht abzusehen; wirkt der Ausländer je-
Ausländer, denen Familienflüchtlingsschutz doch an der Passbeschaffung nicht mit oder
nach § 26 Absatz 4 AsylVfG gewährt worden verstößt er gegen seine Pflichten bei der Fest-
ist. Volljährige ledige Kinder eines Ausländers, stellung und Sicherung der Identität und der
der vor Inkrafttreten des Zuwanderungsge- Beschaffung gültiger Reisepapiere, kann dies
setzes als Flüchtling anerkannt wurde, und die einen gröblichen Verstoß gegen Mitwirkungs-
zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minder- pflichten i. S. d. § 25 Absatz 3 Satz 2 darstellen
jährig waren, können keinen Familienflücht- (zu den Folgen siehe unten Nummer
lingsschutz nach § 26 Absatz 4 AsylVfG er- 25.3.6.1 f.); in Bezug auf den Verfolgerstaat ist
halten. Für sie sieht die Übergangsregelung in der Ausländer nicht zu Mitwirkungshand-
§ 104 Absatz 4 eine entsprechende Anwendung lungen verpflichtet. Die Ablehnung des Asyl-
von § 25 Absatz 2 vor (siehe Nummer 104.4). antrags als offensichtlich unbegründet steht
nach § 10 Absatz 3 Satz 3, 2. Halbsatz (siehe
25.2.7 Hinsichtlich des Widerrufs des Aufenthalts- Nummer 10.3.3.2) der Erteilung einer Aufent-
titels eines anerkannten Flüchtlings siehe haltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 nicht entge-
Nummer 52.1.4. gen. Liegen die Voraussetzungen für die
Erteilung nach § 25 Absatz 3 vor, hat die Aus-
25.3 Aufenthaltserlaubnis bei Abschiebungsver- länderbehörde grundsätzlich keinen Er-
bot nach § 60 Absatz 2 bis 7 messensspielraum. In den Fällen des § 60 Ab-
satz 2, 3 und 7 Satz 2 gilt dieser Grundsatz – bei
25.3.1 Nach § 25 Absatz 3 soll einem Ausländer eine
richtlinienkonformer Auslegung des § 25 Ab-
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein
satz 3 im Hinblick auf Artikel 24 Absatz 2 der
Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 2, 3, 5
Qualifikationsrichtlinie – ausnahmslos (soweit
oder Absatz 7 vorliegt. Die Regelung dient
zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit
auch der Umsetzung der Qualifikationsricht-
und Ordnung i. S. v. Artikel 24 Absatz 2 der
linie. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
Qualifikationsrichtlinie vorliegen, steht aller-
nach § 25 Absatz 3 setzt voraus, dass
dings ein auf solchen Gründen fußendes Ein-
– ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 2, reise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Ab-
3, 5 oder Absatz 7 vorliegt und satz 1 der Titelerteilung entgegen, wobei in
– keine schwerwiegenden Gründe die An- diesen Fällen in aller Regel bereits der Tatbe-
nahme rechtfertigen, dass der Ausländer standsausschluss nach § 25 Absatz 3 Satz 2
eine der Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 Buchstaben a) bis d) greifen dürfte). In den
Satz 2 Buchstabe a) bis d) verwirklicht. Fällen des § 60 Absatz 5 und 7 Satz 1 steht in
atypischen Fallgestaltungen die Erteilung im
Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Ermessen (siehe Beispiele hierzu unter Num-
Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und mer 25.3.3.3). In allen Fällen des § 60 Absatz 5
7 Satz 1 ist ferner erforderlich, dass nach § 25 und Absatz 7 Satz 1 steht ein bestehendes Ein-
Absatz 3 Satz 2 reise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Ab-
– die Ausreise in einen anderen Staat nicht satz 1 der Erteilung eines Aufenthaltstitels ent-
möglich und nicht zumutbar ist (vgl. Num- gegen.
mer 25.3.5) und
25.3.3.1 Hat der Ausländer einen Asylantrag gestellt,
– kein wiederholter oder gröblicher Verstoß
entscheidet nach § 24 Absatz 2, § 31 Absatz 3
gegen entsprechende Mitwirkungspflichten
AsylVfG das Bundesamt für Migration und
vorliegt.
Flüchtlinge über das Vorliegen von Abschie-
In den Fällen des § 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2 bungsverboten. An die Entscheidung des Bun-
wird eine Aufenthaltserlaubnis auch dann er- desamtes für Migration und Flüchtlinge ist die
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1013

Ausländerbehörde gebunden (§ 42 AsylVfG). Dauer des Verfahrens kann das Bundesamt be-
Grundsätzlich setzt die Erteilung der Aufent- teiligt werden. Die Ausländerbehörden haben
haltserlaubnis die Unanfechtbarkeit der posi- bei der Prüfung von Sicherheitsbedenken die
tiven Entscheidung voraus. Diese Voraus- Möglichkeit, nach § 73 Absatz 2 die dort ge-
setzungen liegen für positive Entscheidungen nannten Sicherheitsbehörden zu beteiligen.
des Bundesamtes, die nach dem 1. Januar 2005
erlassen wurden, immer vor, da sie unmittelbar 25.3.4 Die Aufenthaltserlaubnis ist für mindestens ein
in Bestandskraft erwachsen. Die Voraus- Jahr zu erteilen (§ 26 Absatz 1 Satz 2). Sie kann
setzungen liegen nicht vor bei positiven Ent- mit Auflagen und Bedingungen verbunden
scheidungen, die vor dem 1. Januar 2005 er- (§ 12 Absatz 2) und ggf. nachträglich zeitlich
lassen wurden und noch rechtshängig sind. Hier verkürzt werden (§ 7 Absatz 2 Satz 2).
kann erst nach rechtskräftiger positiver Ent- 25.3.5.1 § 25 Absatz 3 Satz 2 stellt sicher, dass kein
scheidung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt Aufenthaltstitel erteilt wird, wenn die Ausreise
werden. Das Bundesamt unterrichtet die Aus- in einen anderen Staat möglich und zumutbar
länderbehörde unverzüglich über die getroffene ist. In diesen Fällen bleibt es bei der Duldung
Entscheidung sowie über Erkenntnisse, die der nach § 60a, es wird eine Bescheinigung über die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen- Aussetzung der Abschiebung (§ 60a Absatz 4)
stehen können (§ 24 Absatz 3 AsylVfG). erteilt. Der Ausschlussgrund ist jedoch nicht
anwendbar in den Fällen des § 60 Absatz 2, 3
25.3.3.2 Die Ausländerbehörde ist nur dann für die und 7 Satz 2. Die Bestimmungen beruhen auf
Feststellung von Abschiebungsverboten nach der Qualifikationsrichtlinie, nach der die Mög-
§ 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7 zuständig, lichkeit der Ausreise in einen Drittstaat keinen
wenn der Ausländer keinen Asylantrag gestellt Grund für die Versagung der Aufenthaltser-
hat. In diesem Fall darf die Ausländerbehörde laubnis darstellt.
gemäß § 72 Absatz 2 nur nach vorheriger Be-
teiligung des Bundesamtes eine Entscheidung 25.3.5.2 Der Begriff der Ausreise umfasst sowohl die
über das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes zwangsweise Rückführung als auch die frei-
treffen. willige Ausreise. Es ist daher unerheblich, ob
eine zwangsweise Rückführung unmöglich ist,
25.3.3.3 Für die Fälle des § 60 Absatz 5 und Absatz 7 z. B. weil eine Begleitung durch Sicherheits-
Satz 1, in denen – anders als in den Fällen des beamte nicht durchgeführt werden kann, wenn
§ 60 Absatz 2, 3 oder Absatz 7 Satz 2 – in aty- der Ausländer freiwillig in den Herkunftsstaat
pischen Fällen die Aufenthaltserlaubnis versagt oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat
werden kann, gilt Folgendes: Hat das Bundes- ausreisen könnte. Dabei ist nicht auf das bloße
amt für Migration und Flüchtlinge in den Fällen Verlassen des Bundesgebiets abzustellen, son-
des § 60 Absatz 5 oder Absatz 7 Satz 1 ein Wi- dern auch darauf, ob es dem Ausländer möglich
derrufsverfahren eingeleitet, ändert dies nichts ist, in einen anderen Staat einzureisen und sich
an der Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG. dort aufzuhalten.
Für einen Widerruf der Aufenthaltserlaubnis ist
notwendig, dass der Widerruf des Abschie- 25.3.5.3 Ein anderer Staat ist ein Drittstaat, in dem der
bungsverbots unanfechtbar oder sofort voll- betroffenen Person die in § 60 Absatz 5 oder
ziehbar ist (§ 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Absatz 7 Satz 1 genannten Gefahren nicht dro-
Buchstabe c); siehe Nummer 52.1.5.1.3). Die hen.
Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthalts- 25.3.5.4 Möglich ist die Ausreise, wenn die betroffene
erlaubnis steht dann jedoch im Ermessen der Person in den Drittstaat einreisen und sich dort
Ausländerbehörde, da die Einleitung eines Wi- zumindest für die Zeit ihrer Schutzbedürftig-
derrufsverfahrens durch das Bundesamt wegen keit aufhalten darf. Eine kurzfristige Möglich-
einer Änderung der Verhältnisse im Zielstaat keit zum Aufenthalt in einem anderen Staat ge-
der Abschiebung einen atypischen Ausnahme- nügt hierfür nicht. Die Ausreise ist zumutbar,
fall begründet. Das gleiche gilt, wenn offen- wenn die mit dem Aufenthalt im Drittstaat
kundig ist, dass die Gefährdungslage im Hei- verbundenen Folgen die betroffene Person
matstaat nicht mehr besteht oder aus anderen nicht stärker treffen als die Bevölkerung des
Gründen mit dem Widerruf der anerkennenden Drittstaates oder die Bevölkerungsgruppe, der
Entscheidung des Bundesamtes zu rechnen ist. der Betroffene angehört. Dies ist z. B. bei ge-
Die Ausländerbehörde hat in diesem Fall bei mischt nationalen Ehen der Fall, wenn dem
der Entscheidung über die Erteilung einer Auf- Ehepartner die Einreise und der Aufenthalt im
enthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 unter Be- Heimatstaat des anderen Ehepartners erlaubt
rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles wird oder wenn der betroffenen Person auf-
und nach Würdigung des in Frage stehenden grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit Einreise
Widerrufsgrundes eine Prognose darüber zu und Aufenthalt in einem Drittstaat gestattet
treffen, ob und wann ein Widerruf des Ab- wird.
schiebungsverbots zu erwarten ist. Je weniger
absehbar eine Beendigung des Aufenthalts er- 25.3.5.5 Die Darlegung, in welchen Staat eine Ausreise
scheint, desto näher liegt es, das Ermessen dahin möglich ist, obliegt der Ausländerbehörde. Sie
gehend auszuüben, eine Aufenthaltserlaubnis hat sich dabei an konkreten Anhaltspunkten zu
zu erteilen. Hinsichtlich der voraussichtlichen orientieren. Maßgeblich für die Auswahl ist die
Seite 1014 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Beziehung der betroffenen Person zum Dritt- Mitwirkungspflichten verstoßen hat, wobei der
staat (Beispiele: Ausländer hat einen Aufent- Verstoß gegen unterschiedliche Mitwirkungs-
haltstitel für einen Drittstaat oder hat lange dort pflichten genügt. Ein wiederholter Verstoß
gelebt; Ehepartner oder nahe Verwandte sind setzt allerdings voraus, dass der Ausländer in
Drittstaatsangehörige; Ausländer gehört einer unterschiedlichen Situationen und nicht im
Volksgruppe an, der im Drittstaat regelmäßig Rahmen eines einheitlichen Lebenssachverhalts
Einreise und Aufenthalt ermöglicht wird) und gegen die Mitwirkungspflichten verstößt. Eine
die Aufnahmebereitschaft des Drittstaates. Der einmalige Verletzung der Mitwirkungspflichten
Ausländer kann hiergegen Einwendungen gel- ist jedoch dann ausreichend, wenn es sich um
tend machen. einen gröblichen Verstoß handelt. Ein gröb-
licher Verstoß gegen eine Mitwirkungspflicht
25.3.5.6 Die Zumutbarkeit der Ausreise wird vermutet, liegt dann vor, wenn der Ausländer durch akti-
sofern der Ausländerbehörde keine gegen- ves Tun hiergegen verstößt. Die Begehung
teiligen Hinweise vorliegen. Unzumutbar ist strafbarer Handlungen, wie z. B. die Vorlage
die Ausreise in den Drittstaat insbesondere gefälschter Unterlagen, im Zusammenhang mit
dann, wenn dem Ausländer dort die „Ketten- der Erfüllung von Mitwirkungspflichten be-
abschiebung“ in den Verfolgerstaat droht oder gründet in jedem Fall einen gröblichen Verstoß.
ihn dort ähnlich unzumutbare Lebensbe-
dingungen erwarten. Demnach ist die Ausreise Die Formulierung „verstößt“ bedeutet nicht,
in einen Staat unzumutbar, wenn der Ausländer dass der Verstoß erst noch stattfinden muss
dort keine Lebensgrundlage nach Maßgabe der oder unmittelbar bevorsteht; es genügt, dass ein
dort bestehenden Verhältnisse finden kann. bereits eingetretener Verstoß Auswirkungen
auf die Gegenwart hat und nicht gänzlich ohne
25.3.6.1 Eine Aufenthaltserlaubnis darf auch nicht er- Wirkung geblieben ist.
teilt werden, wenn der Ausländer wiederholt
oder gröblich gegen „entsprechende Mit- 25.3.7 Versagung der Aufenthaltserlaubnis bei
wirkungspflichten“ (zu dem Begriff sogleich) Schutzunwürdigkeit und gegenüber Gefähr-
verstößt. Auch dieser Ausschlussgrund ist nicht dern
anwendbar bei Abschiebungsverboten nach
§ 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2, da es sich hierbei 25.3.7.1 Eine Aufenthaltserlaubnis darf nach § 25 Ab-
um subsidiäre Schutztatbestände nach der satz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis d) nicht erteilt
Qualifikationsrichtlinie handelt, die derartige werden, wenn schwerwiegende Gründe die
Ausschlussgründe nicht vorsieht. Stellt das Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein schwere Menschenrechtsverletzungen oder an-
Abschiebungsverbot in diesem Sinne fest, ent- dere Straftaten von erheblicher Bedeutung be-
hält der Bescheid einen entsprechenden Hin- gangen hat oder er eine Gefahr für die All-
weis. Die Vorschrift sanktioniert nicht die wie- gemeinheit oder die Sicherheit des Landes dar-
derholte oder gröbliche Verletzung aller, stellt. Die Vorschrift setzt Artikel 17 Absatz 1
sondern nur „entsprechender“ Mitwirkungs- der Qualifikationsrichtlinie in das deutsche
pflichten (vgl. Nummer 25.3.2). Der Ausländer Recht um. Die Ausschlusstatbestände kommen
muss hierzu eine gesetzliche Mitwirkungs- – bei Vorliegen der Voraussetzungen – in allen
pflicht nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Fällen der Aufenthaltserteilung aufgrund von
AsylVfG verletzt haben, wodurch die Ausreise Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 2, 3, 5
in einen anderen Staat gegenwärtig nicht mög- und 7 in Betracht. Die vorliegenden Aus-
lich oder zumutbar ist. Hierzu zählen insbe- schlussgründe sind den Ausschlussklauseln im
sondere die ausweisrechtlichen Mitwirkungs- Flüchtlingsrecht (vgl. § 3 Absatz 2 AsylVfG,
pflichten sowie die Pflichten bei der Fest- § 60 Absatz 8) ähnlich, aber weiter gefasst als
stellung und Sicherung der Identität und der diese. Mit der Vorschrift soll verhindert wer-
Beschaffung gültiger Reisepapiere (§§ 48, 49, 82 den, dass schwere Straftäter und Gefährder, de-
Absatz 4, §§ 15, 16 AsylVfG). Ein Bezug auf ren Aufenthalt nicht beendet werden kann,
einen konkreten Zielstaat muss nicht vorliegen. einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland
Auch wenn nach § 5 Absatz 3 Satz 1 bei Vor- erhalten.
liegen der besonderen Erteilungsvoraussetzun- 25.3.7.2 Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist der Aus-
gen auf das Vorliegen von § 5 Absatz 1 Num- schluss der Aufenthaltserlaubnis zwingend.
mer 1a und Nummer 4 verzichtet wird, be-
deutet dies nicht, dass den Ausländer keine 25.3.7.3 Es ist unerheblich, wo die Taten und Hand-
Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfest- lungen nach § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a)
stellung und der Beschaffung von Reisedoku- bis d) begangen wurden. Zum Ausschluss der
menten treffen. Ein Verstoß gegen andere ge- Aufenthaltserlaubnis führt eine Tatbegehung
setzliche Mitwirkungspflichten, die sich nicht im Herkunftsland, in einem Drittstaat oder in
auf das Ausländerrecht beziehen (z. B. Deutschland.
AsylbLG oder SGB II), genügt dagegen nicht.
25.3.7.4 Für die Anwendung der Ausschlussklauseln ist
25.3.6.2 Der einfache Verstoß gegen die unter Num- eine strafrechtliche Verurteilung des Ausländers
mer 25.3.6.1 genannten Mitwirkungspflichten nicht erforderlich. Umgekehrt schließt die Ver-
reicht nicht aus. Erforderlich ist, dass der Aus- büßung einer Strafe die Anwendung der Aus-
länder mehr als einmal gegen entsprechende schlussklauseln nicht aus.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1015

25.3.7.5 Die Ausschlusstatbestände nach § 25 Absatz 3 § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis c) bzw. d)
Satz 2 Buchstabe a) bis d) kommen nicht nur in von Relevanz sein. Das Bundesamt unterrichtet
Betracht, wenn die Tat eigenhändig begangen die Ausländerbehörde über die im Asylver-
wurde, sondern auch dann, wenn ein Ausländer fahren zu Tage getretenen Ausschlussgründe
einen anderen zu einer schweren Straftat an- (§ 24 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe b)
stiftet oder diesen dabei in irgendeiner Weise AsylVfG).
fördert oder unterstützt. Der Tatbeitrag kann
z. B. in Hilfeleistungen bei der Durchführung 25.3. 7. 10 Wird die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
der Tat, in verbaler Ermutigung oder öffent- nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, erhält
licher Befürwortung der Tat bestehen. Für die der Ausländer nach § 60a Absatz 2 und 4 eine
Beurteilung, ob ein Ausschlusstatbestand vor- Bescheinigung über die Aussetzung der Ab-
liegt, muss die konkrete Tat und der Tatbeitrag schiebung.
des Ausländers benannt werden können. Die 25.3. 7. 11 Der Ausschluss der Aufenthaltserlaubnis nach
bloße Mitgliedschaft in einer Organisation, die § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis d) schließt
für Straftaten verantwortlich ist, reicht i. d. R. die Erteilung oder Beibehaltung einer Aufent-
noch nicht für einen Ausschluss aus. Besteht haltserlaubnis aus anderen Gründen nicht aus
allerdings ein erheblicher Teil der Aktivitäten (z. B. wenn die Voraussetzungen für den Fami-
der Organisation in der Begehung von schwe- liennachzug vorliegen); allerdings dürften in
ren Straftaten, steht die Mitgliedschaft einer diesen Fällen regelmäßig die Erteilungsvoraus-
aktiven Beteiligung an den Taten i. d. R. gleich. setzung nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 oder 3
In diesen Fällen ist die Aufenthaltserlaubnis zu nicht erfüllt sein oder ein Versagungsgrund
versagen, sofern der Ausländer Kenntnis von nach § 5 Absatz 4 vorliegen. Bei abgelehnten
den Aktivitäten hat und der Organisation frei- Asylbewerbern ist allerdings zu beachten, dass
willig angehört. Ausländern, deren Asylantrag als offensichtlich
unbegründet abgelehnt worden ist, gemäß § 10
25.3.7.6 Für die Anwendung der Ausschlussklauseln ist
Absatz 3 vor ihrer Ausreise eine Aufenthaltser-
nur in den Fällen von § 25 Absatz 3 Satz 2
laubnis nur erteilt werden darf, wenn ein An-
Buchstabe d) erforderlich, dass der Ausländer
spruch besteht. Die Ausnahmeregelung in § 10
eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands
Absatz 3, 2. Halbsatz greift nicht, wenn ein
oder für die Allgemeinheit darstellt. In den an-
Ausschlussgrund nach § 25 Absatz 3 Satz 2
deren Tatbestandsvarianten (Buchstabe a) bis
Buchstabe a) bis d) vorliegt.
c)) kommt es hierauf nicht an. Hier ist die
Schutzunwürdigkeit des Betroffenen maßgeb- 25.3.8 Die einzelnen Ausschlussgründe
lich für die Versagung der Aufenthaltserlaubnis.
§ 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis d) über-
25.3.7.7 Es müssen schwerwiegende Gründe die An- trägt die Ausschlussklauseln nach Artikel 17
nahme rechtfertigen, dass Ausschlusstaten be- der Qualifikationsrichtlinie in das deutsche
gangen wurden. Dafür sind mehr als bloße Recht. Zwischen den einzelnen Tatbeständen
Verdachtsmomente erforderlich. Andererseits der Vorschrift sind Überschneidungen möglich,
sind die Beweisanforderungen geringer als die so dass mehr als nur eine Tatbestandsalternative
für eine strafrechtliche Verurteilung geltenden zur Anwendung kommen kann.
Maßstäbe. Zum Nachweis können u. a. Aus-
sagen des Antragstellers in seiner Anhörung vor 25.3.8.1 Ausschlussgründe in Anlehnung an das huma-
der Ausländerbehörde oder dem Bundesamt für nitäre Völkerrecht
Migration und Flüchtlinge, Zeugenaussagen,
25.3.8.1.0 Die Ausschlussgründe des § 25 Absatz 3 Satz 2
Urkunden, Auskünfte des Auswärtigen Amtes
Buchstabe a) sind dem humanitären Völker-
oder anderer Stellen, aber auch Zeitungsartikel,
recht entlehnt. Die Auslegung der Tatbestände
Urteile oder Anklageschriften herangezogen bestimmt sich daher vorrangig nach Maßgabe
werden. völkerrechtlicher Bestimmungen und nicht
25.3.7.8 Die Ausländerbehörde darf eine Entscheidung nach nationalen (strafrechtlichen) Vorschriften.
über das Vorliegen von Ausschlussgründen nur Bislang gibt es keine allgemein gültige Defini-
nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes tion der Begriffe „Verbrechen gegen den Frie-
für Migration und Flüchtlinge treffen (vgl. § 72 den“, „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen
Absatz 2). Damit wird das Einfließen der be- gegen die Menschlichkeit“. Wesentliche Orien-
sonderen Sach- und Rechtskunde des Bundes- tierungshilfe bei der Auslegung bietet aber das
amtes in diesen Bereichen sichergestellt. Es Römische Statut des Internationalen Strafge-
handelt sich jeweils um nicht selbständig an- richtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl. 2000 II
fechtbare verwaltungsinterne Stellungnahmen. S. 1393) sowie das VStGB, welches die Rege-
lungen des Römischen Statuts in das deutsche
25.3.7.9 Aufgrund der Wortgleichheit der Vorschriften Recht überträgt. Das Römische Statut enthält
können Sachverhalte, die Ausschlussgründe eine aktuelle und umfassende Kodifizierung
nach § 3 Absatz 2 AsylVfG begründen oder von Straftaten, die nach § 25 Absatz 3 Satz 2
nach § 60 Absatz 8 zur Versagung der Flücht- Buchstabe a) zur Versagung der Aufenthaltser-
lingsanerkennung oder der Asylberechtigung laubnis führen (vgl. §§ 7 ff. VStGB sowie Ar-
geführt haben (vgl. § 30 Absatz 4 AsylVfG), tikel 7 und 8 des Römischen Statuts). Auch
auch im Hinblick auf eine Versagung gemäß hinsichtlich der weiteren allgemeinen Tatbe-
Seite 1016 GMBl 2009 Nr. 42– 61

standselemente, wie etwa Tatbeteiligungsfra- darunter. Eine förmliche Kriegserklärung ist


gen, sind die beiden Regelungswerke heran- nicht erforderlich. Unter einem nicht-inter-
zuziehen (vgl. etwa §§ 3, 4 VStGB, Artikel 25, nationalen Konflikt ist eine bewaffnete Aus-
27, 28 des Römischen Statuts). Darüber hinaus einandersetzung zu verstehen, an der die Re-
sollten die weiteren geschriebenen wie unge- gierung und bewaffnete Gruppen beteiligt sind
schriebenen Regeln des humanitären Völker- oder bewaffnete Gruppen gegeneinander
rechts herangezogen werden. kämpfen. Im Falle nicht-internationaler be-
waffneter Konflikte müssen die Auseinander-
25.3.8.1.1 Verbrechen gegen den Frieden
setzungen eine gewisse Größenordnung er-
Die Tatbestandsalternative „Verbrechen gegen reicht haben. Bürgerkriege können darunter
den Frieden“ umfasst Angriffskriege (be- fallen, nicht jedoch gelegentliche bewaffnete
waffnete Angriffe) und vergleichbare Ag- Kämpfe, allgemeine Spannungen, kleinere
gressionen. Im Völkerrecht gibt es bisher keine Grenzverletzungen und Unruhen (vgl. Zusatz-
allgemein anerkannte Definition für den Begriff protokoll II vom 8. Juni 1977 zu den Genfer
Angriffskrieg. Der Begriff wird bislang weder Abkommen vom 12. August 1949 über den
im Römischen Statut noch im VStGB näher er- Schutz der Opfer nicht-internationaler be-
läutert. Soweit diese Tatbestandsalternative in waffneter Konflikte). Der nicht-internationale
Betracht gezogen wird, kann auf die in der Konflikt muss seiner Art und Intensität nach
Entschließung 3314 der Generalversammlung mit zwischenstaatlichen kriegerischen Ausein-
der Vereinten Nationen vom 14. Dezember andersetzungen zumindest annähernd ver-
1974 enthaltenen Hinweise zurückgegriffen gleichbar sein. Die Auseinandersetzungen
werden. Danach ist eine Angriffshandlung im müssen sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet
obigen Sinne die Anwendung von Waffen- erstrecken. Es reicht aus, wenn nur in einem
gewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, Teil davon Kampfhandlungen stattfinden. Die
die territoriale Unversehrtheit oder politische Auseinandersetzungen müssen auch nicht not-
Unabhängigkeit eines anderen Staates. Als An- wendigerweise auf das Gebiet eines Staates be-
griffshandlungen kommen in Betracht: Invasion schränkt sein. Die bewaffneten Gruppen müs-
oder Angriff durch die Streitkräfte eines Staates, sen einen bestimmten Organisationsgrad auf-
militärische Besetzung, Beschießung oder weisen, der innerhalb der Gruppe eine
Bombardierung, Blockade der Häfen und Kü- Befehlsstruktur ähnlich wie in regulären Streit-
sten, Entsendung bewaffneter Banden, Grup- kräften erlaubt (vgl. Artikel 1 des Zusatz-
pen, Freischärler oder Söldner und die wesent- protokolls II vom 8. Juni 1977). Bewaffnete
liche Beteiligung an solchen Aktionen. Grund- Banden, die nur einen losen Zusammenhang
sätzlich müssen die Angriffe aber nachhaltig haben, fallen nicht darunter. Ein Hinweis dar-
sein und einen gewissen Schweregrad erreicht auf, dass es sich um einen nicht-internationalen
haben, um die Voraussetzungen für einen An- bewaffneten Konflikt im völkerrechtlichen
griffskrieg zu erfüllen. Da sich Verbrechen ge- Sinne handelt, kann sich daraus ergeben, dass
gen den Frieden gegen die territoriale Integrität sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
eines Staates richten, kommen grundsätzlich oder das Internationale Komitee des Roten
nur führende Vertreter von Staaten oder mit Kreuzes mit dem Konflikt befasst.
vergleichbarer Macht ausgestattete Personen als
Täter in Betracht (z. B. Rebellenführer, die eine 25.3.8.1.2.2 Artikel 8 des Römischen Statuts (vgl. auch § 8
Sezession vom Staatsgebiet anstreben). VStGB) enthält eine nicht abschließende Liste
der Handlungen, die als Kriegsverbrechen in
25.3.8.1.2 Kriegsverbrechen Betracht kommen. Dazu zählen u. a.:
Kriegsverbrechen sind schwere Verstöße gegen – vorsätzliche Tötung einer nach dem huma-
das humanitäre Völkerrecht im Rahmen be- nitären Völkerrecht zu schützenden Person,
waffneter internationaler und nicht-inter- z. B. Angehörige der Zivilbevölkerung,
nationaler Konflikte. Dazu zählen Verstöße ge-
gen Regelungen zum Schutz von Personen, die – Angriffe auf Personen, die nicht mehr an
nicht oder nicht mehr an bewaffneten Kämpfen den Feindseligkeiten teilnehmen, z. B. Ver-
teilnehmen sowie Verstöße gegen Regelungen wundete, Kriegsgefangene,
über die Mittel und Methoden der Kriegs-
führung (z. B. Einsatz verbotener Waffen). – Zwangsumsiedlung geschützter Personen
Kriegsverbrechen können von Zivilpersonen aus den besetzten Gebieten in das Terri-
und Soldaten begangen werden. Umgekehrt torium der Besatzungsmacht,
können Zivilpersonen und Soldaten Opfer von
– Plünderungen,
Kriegsverbrechen werden.
25.3.8.1.2.1 Kriegsverbrechen setzen immer einen inter- – umfangreiche Zerstörungen und Aneignun-
nationalen oder nicht-internationalen be- gen von zivilen Objekten, ohne dass hierfür
waffneten Konflikt voraus. Mit dem Begriff in- eine militärische Notwendigkeit gegeben ist,
ternationaler Konflikt wird eine bewaffnete – Zwangsrekrutierung von unter 15-jährigen
Auseinandersetzung zwischen zwei oder meh- Kindern in die Streitkräfte,
reren Staaten bezeichnet. Auch die Besetzung
eines Staates durch einen anderen Staat fällt – Anordnung, kein Pardon zu geben,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1017

– Anwendung verbotener Mittel der Kriegs- Tat, wenn diese im Zusammenhang mit dem
führung, z. B. biologischer und chemischer diskriminierenden Verhaltensmuster steht.
Waffen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit können
sowohl im Zusammenhang mit bewaffneten
25.3.8.1.2.3 Für die Beurteilung, ob eine Handlung ein Konflikten als auch in Friedenszeiten begangen
Kriegsverbrechen im Rahmen eines inter- werden. Im Rahmen von bewaffneten Kon-
nationalen Konflikts darstellt, sind neben dem flikten begangene Taten sollten jedoch un-
Römischen Statut die Rechtsinstrumente des ter dem spezielleren Tatbestandsmerkmal
Kriegsvölkerrechts zu beachten, insbesondere „Kriegsverbrechen“ geprüft werden.
die Genfer Konventionen vom 12. August 1949
(BGBl. 1954 II S. 781, 783, 813, 838, 917; 1956 II 25.3.8.1.3.1 Eine nicht abschließende Liste der Verbrechen
S. 1586) und das Zusatzprotokoll I vom 8. Juni gegen die Menschlichkeit ist in Artikel 7 des
1977 (BGBl. 1990 II S. 1550, 1637). Während Römischen Statuts (vgl. § 7 VStGB) enthalten.
für die unter Artikel 8 des Römischen Statuts Dazu zählen u. a. folgende Handlungen (sofern
fallenden Taten feststeht, dass es sich jeweils um sie Teil eines ausgedehnten oder systematischen
Kriegsverbrechen handelt, kann dies für Ver- Angriffs gegen die Zivilbevölkerung sind):
stöße gegen die in den Genfer Konventionen – Tötung eines Menschen,
und anderen Vertragswerken genannte Verstöße – Menschenhandel,
nicht ohne weiteres angenommen werden. Da
nicht alle, sondern nur schwere Verstöße gegen – Vertreibung einer rechtmäßig aufhältigen
das humanitäre Völkerrecht Kriegsverbrechen Person in einen anderen Staat oder ein an-
sind, muss im Einzelfall geprüft werden, ob der deres Gebiet unter Verstoß gegen eine all-
jeweilige Verstoß hinreichend schwerwiegend gemeine Regel des Völkerrechts,
ist. Ein schwerer Verstoß in diesem Sinne ist – Folterungen von Personen, die in Gewahr-
anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls zu sam genommen wurden oder sich in son-
beurteilen. Er liegt dann vor, wenn grund- stiger Weise unter der Kontrolle der Ge-
legende Prinzipien der Menschlichkeit miss- wahrsamsperson befinden,
achtet wurden (vgl. gemeinsamer Artikel 3 der – Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung und
Genfer Konventionen). Zwangsprostitution,
25.3.8.1.2.4 Für Taten, die im Rahmen von nicht-inter- – Verschwindenlassen von Personen im Auf-
nationalen bewaffneten Konflikten verübt wer- trag oder mit Billigung eines Staates oder
den, findet das Römische Statut ebenfalls An- einer politischen Organisation.
wendung. Allerdings kann hier nur einge- 25.3.8.1.3.2 Völkermord zählt ebenfalls zu den Verbrechen
schränkt auf geschriebenes Völkerrecht gegen die Menschlichkeit. Völkermord verübt,
zurückgegriffen werden. Eine unmittelbare wer in der Absicht, eine nationale, rassische,
Anwendung der Genfer Konventionen ist nicht religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise
möglich, da die darin enthaltenen Regelungen zu zerstören, schwere Menschenrechtsver-
grundsätzlich nur für internationale Konflikte letzungen begeht (vgl. Artikel 6 Römisches
gelten. Grundlegend für die Beurteilung von Statut, § 6 VStGB).
Taten im Zusammenhang mit nicht-inter-
nationalen bewaffneten Konflikten sind der ge- 25.3.8.2 Straftat von erheblicher Bedeutung
meinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen, § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe b) bestimmt,
das Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977 und dass Personen, die Straftaten von erheblicher
das (übrige) Völkergewohnheitsrecht. Große Bedeutung begangen haben, keine Aufenthalts-
Teile der Genfer Konventionen gehören inzwi- erlaubnis erhalten. Die Vorschrift eröffnet die
schen zum Völkergewohnheitsrecht und sind Möglichkeit, auch bei Straftaten von erheb-
daher auch im Rahmen bewaffneter Konflikte licher Bedeutung nach dem allgemeinen Straf-
anzuwenden. recht die Aufenthaltserlaubnis und die damit
25.3.8.1.3 Verbrechen gegen die Menschlichkeit verbundenen weiteren Vorteile zu versagen.
25.3.8.2.1 Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt
Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind
vor, wenn die Straftat mindestens dem Bereich
schwere Menschenrechtsverletzungen, die im
der mittleren Kriminalität angehört, den
Rahmen ausgedehnter oder systematischer An-
Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet
griffe gegen die Zivilbevölkerung verübt wer-
ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Be-
den (vgl. Artikel 7 des Römischen Statuts, § 7
völkerung erheblich zu beeinträchtigen. Zur
VStGB). Von isolierten Taten unterscheiden
Bewertung der konkreten Tat können als An-
sich Verbrechen gegen die Menschlichkeit da-
haltspunkte auf die Tatausführung, das verletzte
durch, dass sie Teil eines bestimmten Ver-
Rechtsgut, die Schwere des eingetretenen Scha-
haltensmusters sind, das i. d. R. auf einer ab-
dens sowie die von dem Straftatbestand vorge-
lehnenden Haltung gegenüber bestimmten
sehene Strafandrohung abgestellt werden.
nationalen, ethnischen, religiösen oder an-
derweitig charakterisierten Gruppen beruht. Es 25.3.8.2.2 Die Voraussetzungen für eine Straftat von er-
ist nicht erforderlich, dass mehrere Personen heblicher Bedeutung liegen regelmäßig bei Ka-
von dem Angriff betroffen sind. Vielmehr ge- pitalverbrechen wie Mord und Totschlag vor,
nügt auch eine gegen einen Einzelnen gerichtete daneben auch bei Raub, Kindesmissbrauch,
Seite 1018 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Entführung, schwerer Körperverletzung, ihren Dimensionen potenziell friedensgefähr-


Brandstiftung und Drogenhandel. Dagegen dend sind oder massivste Menschenrechts-
scheiden Bagatelldelikte als Straftaten von er- verletzungen nach sich ziehen (vgl. auch aus-
heblicher Bedeutung aus, z. B. Diebstahl ge- schließlich auf den internationalen Terrorismus
ringwertiger Sachen und geringfügige Sach- bezogene Resolutionen des Sicherheitsrats der
beschädigungen. Vereinten Nationen, z. B. Resolutionen 1373
(2001), 1377 [2001]). Terroristische Taten, die
25.3.8.3 Verstöße gegen die Ziele und Grundsätze der
die Voraussetzungen von §§ 129a und 129b
Vereinten Nationen
StGB erfüllen, erreichen die vorgenannten Di-
25.3.8.3.1 Nach § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe c) ist Per- mensionen i. d. R. nicht. Sie sollten daher bei
sonen die Aufenthaltserlaubnis zu verwehren, der Beurteilung, ob eine Handlung i. S. d. von
wenn sie den Zielen und Grundsätzen der Ver- § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe c) auszu-
einten Nationen, wie sie in der Präambel und in schließen ist, nicht herangezogen werden. Als
Artikel 1 und 2 der Charta der Vereinten Na- Ausschlusstatbestände kommen hier aber re-
tionen niedergelegt sind, zuwider handeln. Die gelmäßig § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a)
ausdrückliche Bezugnahme auf die Präambel (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) oder
sowie Artikel 1 und 2 der Charta soll verdeut- § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe b) (Straftat von
lichen, dass nur fundamentale Verstöße als erheblicher Bedeutung) in Betracht.
Ausschlussgründe in Betracht kommen. Dazu
25.3.8.4 Gefährder
zählen Handlungen, die geeignet sind, den in-
ternationalen Frieden, die internationale Si- § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe d) schließt Per-
cherheit oder die friedliche Koexistenz der sonen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, von
Staaten zu gefährden sowie schwere und an- der Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis aus.
haltende Menschenrechtsverletzungen. Darunter fallen Personen, die die Allgemeinheit
25.3.8.3.2 Ein Verstoß gegen die Ziele und Grundsätze der gefährden, insbesondere durch erhebliche
Vereinten Nationen kann auf zweierlei Weise Straftaten. Eine strafrechtliche Verurteilung ist
festgestellt werden: Zum einen, indem die frag- nicht erforderlich. Allerdings ist im Falle einer
liche Handlung ausdrücklich als Handlung, die Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen
gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Haftstrafe in Anlehnung an die entsprechenden
Nationen verstößt, eingestuft wird, etwa im flüchtlingsrechtlichen Regelungen des § 60 Ab-
Rahmen einer Resolution des Sicherheitsrates satz 8 die Aufenthaltserlaubnis regelmäßig zu
der Vereinten Nationen; zum anderen, wenn die versagen. In den übrigen Fällen kommt es auf
Handlung auf der Grundlage von Völker- den Einzelfall an. Bei Personen, die die Sicher-
rechtsinstrumenten als schwerwiegende Verlet- heit des Landes gefährden, ist erforderlich, dass
zung grundlegender Menschenrechte ange- die von ihnen ausgehende Gefahr sich gegen das
sehen wird. Staatsgefüge richtet. Dies ist etwa bei terrori-
stischen Aktivitäten der Fall (vgl. im Einzelnen
25.3.8.3.3 Da Artikel 1 und 2 der Charta der Vereinten Nummer 54.2.2.2 bis 54.2.2.2.2). Im Unter-
Nationen im Wesentlichen das Verhältnis zwi- schied zu den anderen Ausschlussgründen in
schen Staaten festlegen, kommt die Anwendung § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis c) reicht
der Ausschlussklausel i. d. R. nur bei Personen für die Anwendung des Buchstaben d) die bloße
mit entsprechender Machtposition in Betracht. Feststellung einer in der Vergangenheit be-
Dazu gehören in erster Linie Regierungsmit- gangenen Straftat oder Gefährdung nicht aus.
glieder, führende Angehörige des Staats- Vielmehr muss zusätzlich immer eine vom Be-
apparats, hochrangige Militärangehörige und treffenden weiterhin ausgehende Gefahr fest-
Guerillaführer. Im Einzelfall kann aber auch ein gestellt werden. Bei Straftätern ist anhand der
Einzelner, der nicht in einen Staatsapparat oder Gesamtumstände des Einzelfalles zu prüfen, ob
eine nichtstaatliche Organisation eingebunden die Gefahr besteht, dass auch in Zukunft Straf-
ist, die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 taten begangen werden. Die bloße Aussetzung
Satz 2 Buchstabe c) erfüllen, wenn er Mittel und einer Strafverbüßung zur Bewährung ist alleine
Methoden einsetzt, die zu kriegsgleichen Zer- noch nicht ausreichend für die Annahme, dass
störungen führen oder die die friedliche der Betreffende künftig ein straffreies Leben
Koexistenz der Staatengemeinschaft in son- führen wird.
stiger Weise beeinträchtigten. Die Vorschrift ist
jedoch nicht anwendbar auf Straftäter, deren 25.4 Vorübergehender Aufenthalt und Verlänge-
Wirken diesen Schweregrad nicht erreicht, rung
selbst wenn sie Kapitalverbrechen begehen. In
diesen Fällen liegen i. d. R. die Ausschluss- 25.4.1 Aufenthaltserlaubnis für vorübergehenden
klauseln „Verbrechen gegen die Mensch- Aufenthalt aus dringenden humanitären oder
lichkeit“ oder „Straftat von erheblicher Bedeu- politischen Gründen
tung“ vor.
25.4.1.1 Die Regelung bietet die Möglichkeit der Er-
25.3.8.3.4 Die Ausschlussklausel ist unter den oben ge- teilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis
nannten Voraussetzungen auch bei Begehen für einen vorübergehenden Aufenthalt. Ein
terroristischer Handlungen anwendbar. Aller- Daueraufenthalt soll über diese Vorschrift nicht
dings fallen nur Handlungen darunter, die in eröffnet werden. Der Ausländer muss sich be-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1019

reits im Bundesgebiet befinden und darf nicht lassen des Bundesgebiets in einen Staat, in dem
vollziehbar ausreisepflichtig sein. In Fällen, in keine entsprechenden Ausbildungs- und Be-
denen der Ausländer vollziehbar ausreise- rufsmöglichkeiten bestehen, ist kein dringender
pflichtig ist, kann bei Vorliegen der weiteren humanitärer Grund i. S. d. § 25 Absatz 4 Satz 1.
Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis nur
nach § 23 Absatz 1, § 23a, § 25 Absatz 4a, § 25 25.4.1.5 Nach § 25 Absatz 4 Satz 1 kommt die Erteilung
Absatz 5, § 104a oder § 104b erteilt werden. einer Aufenthaltserlaubnis nur in Betracht,
Darüber hinaus kann die Erteilung einer Dul- wenn ein vorübergehender, also ein zeitlich be-
dung nach § 60a Absatz 2 Satz 3 in Betracht grenzter Aufenthalt angestrebt wird; begehrt
kommen (siehe Nummer 60a.2.3). der Ausländer einen Daueraufenthalt oder
einen zeitlich nicht absehbaren Aufenthalt im
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Bundesgebiet, so kommt eine Aufenthaltser-
§ 25 Absatz 4 Satz 1 setzt voraus, dass der Aus- laubnis nach § 25 Absatz 4 Satz 1 nicht in Be-
länder tracht.
– nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist, 25.4.1.6 Bei der Ermessensentscheidung sind daher nur
– einen nur vorübergehenden Aufenthalt be- solche Umstände zu berücksichtigen, die ihrer
absichtigt und Natur nach einen vorübergehenden Aufenthalt
notwendig machen; Umstände, die auf einen
– dringende humanitäre oder persönliche
Daueraufenthalt abzielen, sind grundsätzlich
Gründe oder
nicht berücksichtigungsfähig. Im Rahmen der
– erhebliche öffentliche Interessen seine vor- Ermessensentscheidung sind die privaten Inter-
übergehende Anwesenheit in Deutschland essen des Ausländers und die öffentlichen In-
erfordern. teressen abzuwägen. Als Gesichtspunkte kön-
nen die Dauer des Voraufenthalts, der Grund
25.4.1.2 Zudem müssen die allgemeinen Erteilungs-
für die Ausreisepflicht und die Folgen einer
voraussetzungen nach § 5 vorliegen; die Aus-
alsbaldigen Abschiebung für den Ausländer
länderbehörde kann nach Ermessen von § 5
herangezogen werden.
Absatz 1 und 2 abweichen (§ 5 Absatz 3 Satz 2,
siehe aber bezüglich des Abweichens vom Er- 25.4.1.6.1 Dringende humanitäre oder persönliche Grün-
fordernis der Lebensunterhaltssicherung Num- de können z. B. in folgenden Fällen angenom-
mer 5.3.2.1); von § 5 Absatz 4 darf nicht abge- men werden:
wichen werden (dazu siehe Nummer 5.4). Im
– Durchführung einer medizinischen Opera-
Rahmen des Ermessens sind insbesondere der
tion oder Abschluss einer ärztlichen Be-
geltend gemachte Aufenthaltszweck, die Länge
handlung, die im Herkunftsland nicht oder
des angestrebten vorübergehenden Aufenthalts,
nicht in ausreichendem Maße gewährleistet
die bisherigen rechtmäßigen Aufenthalte im
ist,
Bundesgebiet und die öffentlichen Interessen an
der Anwesenheit im Bundesgebiet zu berück- – vorübergehende Betreuung erkrankter Fa-
sichtigen. milienangehöriger,
25.4.1.3 Darüber hinaus entscheidet die Ausländer- – die Regelung gewichtiger persönlicher An-
behörde über die Erteilung der Aufenthaltser- gelegenheiten, wie z. B. die Teilnahme an
laubnis nach pflichtgemäßem Ermessen (siehe einer Beisetzung oder dringende Rege-
dazu Nummer 25.4.1.6 f.); es besteht kein lungen im Zusammenhang mit dem Todes-
Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthalts- fall eines Angehörigen oder die Teilnahme
erlaubnis. Anders als bei § 25 Absatz 4a und an einer Gerichtsverhandlung als Zeuge; bei
§ 25 Absatz 5 ist bei § 25 Absatz 4 das Einreise- der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen als
und Aufenthaltsverbot nach § 11 Absatz 1 Verfahrenspartei kommt es auf die Um-
zwingend zu berücksichtigen. stände des Einzelfalles an,

25.4.1.4 Bei der Prüfung, ob dringende humanitäre – Abschluss einer Schul- oder Berufsaus-
Gründe vorliegen, ist auf die individuell-kon- bildung, sofern sich der Schüler oder Aus-
kreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Es zubildende bereits kurz vor dem ange-
kommen nur inlandsbezogene Gründe in Frage, strebten Abschluss, i. d. R. also zumindest
nicht erheblich i. S. d. § 25 Absatz 4 Satz 1 sind im letzten Schul- bzw. Ausbildungsjahr be-
zielstaatsbezogene Gründe, insbesondere das findet.
Vorliegen von Abschiebungshindernissen oder 25.4.1.6.2 Dringende humanitäre oder persönliche Grün-
Gefahren für den Ausländer, die im Falle seiner de wird man z. B. regelmäßig nicht annehmen
Rückkehr im Heimatstaat auftreten können. können
Nicht berücksichtigt werden kann damit insbe-
sondere die Unmöglichkeit, im Ausland eine – allein wegen der Integration in die deut-
zur Bestreitung des Lebensunterhalts erfor- schen Lebensverhältnisse, wie etwa bei
derliche Arbeit zu finden. Der Ausländer muss Vorliegen von guten deutschen Sprach-
sich aufgrund besonderer Umstände in einer auf kenntnissen,
seine Person bezogenen Sondersituation be- – beim Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis zu
finden, die sich deutlich von der Lage ver- einem anderen Aufenthaltszweck, weil die
gleichbarer Ausländer unterscheidet. Das Ver- Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, ins-
Seite 1020 GMBl 2009 Nr. 42– 61

besondere bei Verlust des Arbeitsplatzes 25.4. 1. 10 Die Aufenthaltserlaubnis erlischt nach den all-
oder der Wohnung, gemeinen Vorschriften (§§ 51 ff., siehe Num-
– wenn der Ausländer die Absicht hat, eine mer 51.1), insbesondere wenn der Ausländer
Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen einen Asylantrag stellt (§ 51 Absatz 1 Num-
Aufenthaltszweck zu beantragen, er die mer 8).
Voraussetzungen hierfür gegenwärtig aber 25.4. 1. 11 Ein Familiennachzug zu Ausländern, die im
noch nicht erfüllt, Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25
– allein wegen der gerichtlichen Durch- Absatz 4 Satz 1 sind, wird nicht gewährt (§ 29
setzung von Ansprüchen oder der Durch- Absatz 3 Satz 3, siehe hierzu Nummer 29.3.3),
führung eines Vaterschaftsanfechtungs- da sich der Ausländer nur vorübergehend im
prozesses (siehe aber Nummer 25.4.1.6.1), Bundesgebiet aufhalten wird.
– bei einem Petitionsverfahren, das die Fort- 25.4. 1. 12 Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestimmt
setzung des Aufenthalts zum Gegenstand sich nach § 21 Absatz 6 bzw. nach § 39 Ab-
hat. satz 3.
25.4.1.6.3 Erhebliche öffentliche Interessen können vor- 25.4.2.1 § 25 Absatz 4 Satz 2 schafft eine Ausnah-
liegen, wenn memöglichkeit für die Verlängerung einer Auf-
– der Ausländer als Zeuge in einem Gerichts- enthaltserlaubnis in Fällen, in denen bereits ein
oder Verwaltungsverfahren benötigt wird, rechtmäßiger Aufenthalt besteht und das Ver-
– der Ausländer mit deutschen Behörden bei lassen des Bundesgebietes für den Ausländer
der Ermittlung von Straftaten vorüber- eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
gehend zusammenarbeitet, sich insbe- Es handelt sich hierbei um eine eigenständige
sondere in einem Zeugenschutzprogramm Möglichkeit der Verlängerung, unabhängig von
befindet; zu beachten ist insoweit auch § 25 den Voraussetzungen des § 25 Absatz 4 Satz 1.
Absatz 4a, der eine Sonderregelung für die Die Verlängerung darf daher unabhängig von
Erteilung einer vorübergehenden Aufent- der Grundlage des ursprünglichen Aufenthalts-
haltserlaubnis für Opfer von Menschen- titels und abweichend von den Bestimmungen
handel enthält, nach § 8 Absatz 1 und 2 erteilt werden. Ver-
längerungen sind in diesen Fällen somit auch
– der Aufenthalt des Ausländers zur Wahrung dann möglich, wenn der Ausländer z. B. im Be-
politischer Interessen der Bundesrepublik sitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären
Deutschland fortgesetzt werden soll, wie Gründen ist, deren Voraussetzungen nicht mehr
z. B. aufgrund sicherheitspolitischer Inter- vorliegen, oder wenn die zuständige Behörde
essen deutscher Sicherheitsbehörden, au- die Verlängerung ursprünglich durch Neben-
ßenpolitischer oder auch sportpolitischer stimmung ausdrücklich ausgeschlossen hat. Die
Interessen, etwa wenn es um die Fort- Ausländerbehörde hat sich mit einer anderen
setzung des Aufenthalts eines sportpolitisch Ausländerbehörde ins Benehmen zu setzen, die
bedeutenden ausländischen Sportlers geht. zuvor die Verlängerung ausgeschlossen hatte.
25.4.1.7 Dringende humanitäre oder persönliche Grün- 25.4.2.2 Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
de oder erhebliche öffentliche Interessen er- nach § 25 Absatz 4 Satz 2 setzt voraus, dass
fordern den weiteren Aufenthalt nur, wenn das
mit dem weiteren Aufenthalt des Ausländers – der Ausländer im Besitz einer Aufenthalts-
angestrebte Ziel nicht auch in zumutbarer Wei- erlaubnis oder Fiktionsbescheinigung (§ 81
se im Ausland erreicht werden kann. Absatz 4) ist,

25.4.1.8 Die Aufenthaltserlaubnis wird grundsätzlich – sich im Bundesgebiet aufhält und


für den Zeitraum erteilt, der für die Erreichung – das Verlassen des Bundesgebiets aufgrund
des Aufenthaltszwecks erforderlich ist (§ 7 Ab- besonderer Umstände des Einzelfalles eine
satz 2 Satz 1), längstens für sechs Monate, so- außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
lange sich der Ausländer noch nicht mindestens
25.4.2.3 Grundsätzlich müssen die allgemeinen Er-
18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufge-
teilungsvoraussetzungen nach § 5 erfüllt sein.
halten hat (§ 26 Absatz 1 Satz 1).
Zwingende Versagungsgründe oder Erteilungs-
25.4.1.9 Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verbote sind grundsätzlich anzuwenden; die
kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn Ausländerbehörde kann nach Ermessen von § 5
wider Erwarten der Aufenthaltszweck noch Absatz 1 und 2 abweichen (siehe Num-
nicht erreicht werden konnte. Eine Verfesti- mer 5.3.2), von § 5 Absatz 4 darf hingegen nicht
gung des Aufenthalts nach § 26 Absatz 4 Satz 1 abgewichen werden (siehe Nummer 5.4). Es
ist nicht zuzulassen (§ 8 Absatz 2), da es sich besteht kein Anspruch auf Verlängerung einer
nach der Zweckbestimmung um einen nur vor- Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4 Satz 2;
übergehenden Aufenthalt handelt. Wenn die die Ausländerbehörde entscheidet vielmehr
Voraussetzungen vorliegen, ist die Verlänge- nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist zu
rung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Ab- berücksichtigen, dass die Vorschrift für Aus-
satz 4 Satz 2 möglich, ebenso die Erteilung nahmefälle reserviert ist. Bei Ausländern, deren
einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab-
Aufenthaltszweck. gelehnt worden ist, darf gemäß § 10 Absatz 3
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1021

vor der Ausreise eine Aufenthaltserlaubnis auch ein in der Vergangenheit liegender, lang
grundsätzlich nicht erteilt werden; ebenso ist anhaltender Bezug öffentlicher Sozial-
das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 leistungen zu berücksichtigen ist. Von Be-
anwendbar. lang ist außerdem, ob der Ausländer eine
Berufsausbildung absolviert hat und ihn
25.4.2.4.1 Eine außergewöhnliche Härte setzt voraus, dass diese Ausbildung ggf. für eine Berufstätig-
der Ausländer sich in einer individuellen Son- keit qualifiziert, die nur oder bevorzugt in
dersituation befindet, aufgrund derer ihn die Deutschland ausgeübt werden kann.
Aufenthaltsbeendigung nach Art und Schwere
des Eingriffs wesentlich härter treffen würde als Bei der sozialen Integration sind unter anderem
andere Ausländer, deren Aufenthalt ebenfalls die Bindungen bzw. Kontakte des Ausländers
zu beenden wäre. Dies kommt z. B. in Betracht, außerhalb der Kernfamilie zu berücksichtigen.
wenn den Ausländer im Falle der Ausreise ein Falls Familienmitglieder des Ausländers bereits
außergewöhnlich schweres Schicksal trifft, das ausgereist sind, ist hier die Frage zu klären, ob
sich von gewöhnlichen Schwierigkeiten unter- ein Zusammenleben mit ihnen im Herkunfts-
scheidet, denen andere Ausländer im Falle der land möglich und zumutbar ist.
Ausreise ausgesetzt wären. Eine außergewöhn-
25.4.2.4.2 Die Annahme einer außergewöhnlichen Härte
liche Härte kann sich für den Ausländer auch
kann nicht darauf gestützt werden, dass der
aus besonderen Verpflichtungen ergeben, die
Ausländer eine Arbeitsstelle in Aussicht hat.
für ihn im Verhältnis zu dritten im Bundesge-
Ebenso wenig gehören politische Verfolgungs-
biet lebenden Personen bestehen, z. B. wenn die
gründe (§ 60 Absatz 1 Satz 1) und Abschie-
dauerhafte Betreuung eines plötzlich pflegebe-
bungsverbote i. S. v. § 60 Absatz 2 bis 7 zum
dürftigen Angehörigen notwendig ist, der
Prüfungsrahmen des § 25 Absatz 4 Satz 2 (keine
Deutscher ist oder sich als Ausländer im Bun-
die außergewöhnliche Härte bestimmenden
desgebiet dauerhaft rechtmäßig aufhält. Eine
persönlichen Merkmale). Gleiches gilt für Ge-
Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Absatz 4
sichtspunkte, die zu Aufenthaltsrechten nach
Satz 2 nur verlängert werden, wenn die Auf-
anderen Härtefallklauseln führen, wie § 31 Ab-
enthaltsbeendigung als regelmäßige Folge des
satz 2 oder § 25 Absatz 4 Satz 1 (z. B. Aus-
Ablaufs bisheriger anderer Aufenthaltstitel un-
bildungsaufenthalte zur Absolvierung einer
vertretbar wäre und dadurch konkret-in-
Prüfung).
dividuelle Belange des Ausländers in er-
heblicher Weise beeinträchtigt würden. Bei der 25.4.2.4.3 Das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Vor-
Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts aussetzungen anderer aufenthaltsrechtlicher
eines in Deutschland aufgewachsenen Aus- Vorschriften rechtfertigt die Annahme einer
länders eine außergewöhnliche Härte darstellt, außergewöhnlichen Härte nicht. Beruft sich
kann nach der Rechtsprechung des Bundes- beispielsweise ein Ausländer auf allgemeine
verwaltungsgerichts auch dem Umstand Be- Verhältnisse im Heimatstaat (z. B. Katastro-
deutung zukommen, inwieweit der Ausländer phen- oder Kriegssituation), ist nur auf die Lage
in Deutschland verwurzelt ist. Das Ausmaß der vergleichbarer Fälle aus oder in diesem Staat
Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit abzustellen. Allgemeine Verhältnisse im Hei-
einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen matstaat, die unter Umständen der Ausreise des
seien unter Berücksichtigung der verfassungs- Ausländers aus dem Bundesgebiet vorüber-
rechtlichen Vorgaben der Artikel 2 Absatz 1 gehend entgegenstehen, fallen unter die Rege-
und Artikel 6 Absatz 1 GG sowie der Regelung lungsbereiche der §§ 23, 24 oder 60a Absatz 1.
des Artikels 8 EMRK zu ermitteln, zu ge-
wichten und mit den Gründen, die für eine 25.4.2.4.4 Eine außergewöhnliche Härte wird z. B. regel-
Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. mäßig in den folgenden Fällen nicht anzu-
Dabei sei der Grundsatz der Verhältnismä- nehmen sein:
ßigkeit zu beachten. Die Rechtsprechung des – nur weil der Ausländer eine Arbeitsstelle in
Bundesverwaltungsgerichts gibt verschiedene Aussicht hat,
Kriterien vor, die bei der Prüfung der Ver-
– bei Beendigung eines Ausbildungsauf-
wurzelung eingrenzend zu berücksichtigen sind
enthalts vor Abschluss der Prüfung,
und die es nahe legen, die Annahme einer au-
ßergewöhnlichen Härte aufgrund von Ver- – im Falle fehlender Erwerbsmöglichkeiten
wurzelung restriktiv zu handhaben: im Zielstaat.
– Der Aufenthaltsdauer kommt erhebliches 25.4.2.5 Sind die Voraussetzungen für das Vorliegen
Gewicht zu, es sei denn, die Legitimität des einer außergewöhnlichen Härte nicht gegeben,
Aufenthalts war belastet, z. B. durch Täu- kann unter Umständen die Erteilung einer
schungen der Ausländerbehörde über die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4 Satz 1
Staatsangehörigkeit. für einen vorübergehenden Aufenthalt oder die
Erteilung einer Duldung nach § 60a Absatz 2
– Im Rahmen der Prüfung der beruflichen Satz 3 in Frage kommen.
Verwurzelung ist zu prüfen, inwieweit der
Ausländer durch seine Berufstätigkeit in der 25.4.2.6 Die Aufenthaltserlaubnis wird nur für den
Lage ist, den Lebensunterhalt für sich und Zeitraum erteilt, der für die Erreichung des
seine Familie dauerhaft zu sichern, wobei Aufenthaltszwecks erforderlich ist (§ 7 Ab-
Seite 1022 GMBl 2009 Nr. 42– 61

satz 2 Satz 1) und längstens für jeweils drei 25.4a.0.2 Zur Frage der Anwendbarkeit von § 25 Ab-
Jahre verlängert (§ 26 Absatz 1 Satz 1). Eine satz 4a in Bezug auf Freizügigkeitsberechtigte
Aufenthaltsverfestigung ist unter den Voraus- siehe Nummer 2.2, 2.3 sowie Nummer 13.2.2.1
setzungen des § 26 Absatz 4 möglich. Die Auf- FreizügG/EU-VwV.
enthaltserlaubnis erlischt nach den allgemeinen
Vorschriften (§§ 51 ff., siehe Nummer 51.1), 25.4a.1 Der Ausländer muss die folgenden Tatbe-
insbesondere wenn der Ausländer einen Asyl- standsvoraussetzungen erfüllen:
antrag stellt (§ 51 Absatz 1 Nummer 8). 25.4a.1.1 Nach § 25 Absatz 4a Satz 1 muss der Aus-
25.4.2.7 Ein Familiennachzug zu Ausländern, die im länder Opfer einer Straftat nach den §§ 232,
Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 233 oder § 233a StGB sein. Opfer einer sol-
Absatz 4 Satz 2 sind, wird nicht gewährt (§ 29 chen Straftat ist nur die „andere Person“ i. S. v.
Absatz 3 Satz 3). Familienangehörige, die be- §§ 232 und 233 StGB. Die Art der Begehung
reits eine im Bundesgebiet bestehende familiäre der Straftat ist unerheblich, Versuch und Teil-
Lebensgemeinschaft mit dem betreffenden nahme sind daher auch erfasst. Dabei setzt
Ausländer führen, können – sofern sie die Vor- § 25 Absatz 4a jedoch nicht voraus, dass der
aussetzungen des § 25 Absatz 4 Satz 2 in eige- Täter bereits rechtskräftig verurteilt wurde.
ner Person erfüllen – ebenfalls eine solche Auf- Vielmehr reicht es aus, dass die Staatsanwalt-
enthaltserlaubnis erhalten. schaft oder ihre Ermittlungspersonen wegen
zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für
25.4.2.8 Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestimmt eine solche Straftat, die auf konkreten Tat-
sich nach § 21 Absatz 6 bzw. nach § 39 Ab- sachen beruhen (Anfangsverdacht gemäß § 152
satz 3. Absatz 2 StPO), ermitteln (vgl. Nummer
50.2a.1.1). Um dem gesetzgeberischen Ziel
25.4a Aufenthaltserlaubnis für Opfer von Men- dieser Regelung gerecht zu werden, die neben
schenhandel dem Schutz der Opfer von Menschenhandel
auch der Erleichterung des Strafverfahrens ge-
25.4a.0.1 Nach dieser Regelung kann Opfern von Men- gen die Täter dient, muss während des Er-
schenhandel eine befristete Aufenthalterlaubnis mittlungsverfahrens die Möglichkeit bestehen,
erteilt werden. Sie dient der Umsetzung der den Zeugen einen Aufenthaltstitel nach § 25
Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April Absatz 4a zu erteilen.
2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln
für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Men- 25.4a.1.2 § 25 Absatz 4a Satz 1 enthält eine Ausnahme
schenhandels sind oder denen Beihilfe zur ille- von § 11 Absatz 1 Satz 2, d. h. eine Aufent-
galen Einwanderung geleistet wurde und die haltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a kann auch
mit den zuständigen Behörden kooperieren im Falle eines Einreise- und Aufenthalts-
(ABl. EU Nummer L 261 S. 19, so genannte verbotes sowie dann erteilt werden, wenn der
Opferschutzrichtlinie) und steht in engem Zu- Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist.
sammenhang mit weiteren Regelungen des 25.4a.2.0 Weitere, kumulativ zu erfüllende Tatbestands-
Aufenthaltsgesetzes (§ 5 Absatz 3 Satz 1, § 26 merkmale sind in § 25 Absatz 4a Satz 2 ent-
Absatz 1 Satz 3, § 50 Absatz 2a, § 52 Absatz 5, halten. Dabei ist die Ausländerbehörde an die
§ 72 Absatz 6, § 87 Absatz 5 und § 90 Ab- tatbestandlichen Feststellungen der Staats-
satz 4), des AsylbLG (§ 1 Absatz 1 Nummer 3 anwaltschaft und des Gerichtes gebunden.
AsylbLG) und der BeschVerfV (§ 6a Be-
schVerfV). Es handelt sich hierbei um eine hu- 25.4a.2.1 Nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 1 darf die
manitäre Sonderregelung, da sie wie § 23a und Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn
§ 25 Absatz 5 gerade auf vollziehbar ausreise- die vorübergehende Anwesenheit des Aus-
pflichtige Ausländer Anwendung findet. Aus- länders im Bundesgebiet für ein Strafverfahren
länder, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft
aufhalten, benötigen diesen Aufenthaltstitel re- oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet
gelmäßig nicht. wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung
des Sachverhalts erschwert wäre.
Die Wahrung der Sicherheitsinteressen der
Opferzeugen bzw. -innen von Menschenhandel 25.4a.2.2 Nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 darf die
sowie deren angemessene Unterstützung bilden Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn
eine wichtige Voraussetzung für eine er- der Ausländer jede Verbindung zu den Perso-
folgreiche Verfolgung der Täter und damit für nen, die beschuldigt werden, die Straftat be-
die Erreichung des mit § 25 Absatz 4a sowie der gangen zu haben, abgebrochen hat. Wie aus § 52
zugrunde liegenden Richtlinie verfolgten ge- Absatz 5 Nummer 3 deutlich wird, kommt es
setzgeberischen Zieles. Im Zuge der Anwen- darauf an, dass das Opfer den Kontakt abge-
dung des § 25 Absatz 4a sowie der damit zu- brochen hat. Eine weiterhin bestehende Ver-
sammenhängenden weiteren Regelungen ist bindung auf Veranlassung der Täter kann uner-
daher grundsätzlich immer darauf zu achten, heblich sein. Bei der Beurteilung ist insbe-
dass Ausländer, die als potenzielle Zeugen an- sondere zu beachten, ob das Opfer sich auf
zusehen sind, nicht durch eine Offenlegung Grund bestehender Zwänge zur Aufrechter-
dieser Eigenschaft zusätzlichen Gefährdungen haltung des Kontaktes genötigt sieht und dabei
oder Stigmatisierungen ausgesetzt werden. versucht, diesen auf ein Minimum zu be-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1023

schränken. Ein Kontakt, der nur durch die Tä- Nummer 1 bis 2 und 4 genannten – isolierten –
ter initiiert oder aufrechterhalten wird, z. B. Gründe in Nummer 3 auf Tatbestandsebene
durch Telefonanrufe, ist unerheblich; zu be- nicht erfasst; ansonsten liefe die Einschränkung
rücksichtigen ist insbesondere, ob der Täter den des § 5 Absatz 3 Satz 1 leer.
Kontakt zum Opfer aufnimmt, um eine Ein-
beziehung des Opfers als Zeuge im Straf- 25.4a.4 Auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
verfahren zu behindern. Zu berücksichtigen ist nach § 25 Absatz 4a besteht kein Anspruch.
auch, dass nicht selten Personen des näheren Vielmehr sieht § 25 Absatz 4a ein Ermessen der
sozialen Umfelds des Ausländers im Her- Ausländerbehörde vor.
kunftsland in die Tat involviert sind, von denen 25.4a.4.1 In die Interessenabwägung ist einerseits das In-
eine vollständige Distanzierung z. B. mit Rück- teresse der Strafverfolgungsbehörden an dem
sicht auf eventuelle Repressalien gegenüber für das Strafverfahren notwendigen Aufenthalt
Angehörigen des Opfers nur schwer möglich
des Ausländers einzubeziehen. Andererseits ist
ist.
dies mit der Gefährdung der Interessen der
Bundesrepublik Deutschland nach § 5 Absatz 1
25.4a.2.3 Nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 darf
Nummer 3 abzuwägen. Überwiegen die Inter-
die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden,
essen der Strafverfolgungsbehörden am Auf-
wenn der Ausländer seine Bereitschaft erklärt
enthalt des Ausländers, wird die Aufenthaltser-
hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat
laubnis erteilt.
als Zeuge auszusagen. Zu berücksichtigen ist
aber, dass nach den Regeln des Strafprozess- 25.4a.4.2 Im Rahmen dieser Interessenabwägung nur
rechts ein Zeuge, wenn er von der Staats- nachrangig zu berücksichtigen sind die per-
anwaltschaft oder dem Gericht geladen wird, sönlichen Interessen des Ausländers, da es sich
eine Erscheinens- und Aussagepflicht hat, die bei § 25 Absatz 4a um einen Spezialtatbestand
auch erzwungen werden kann (vgl. §§ 51, 70 handelt, der primär die Erleichterung der
und § 161a StPO). Nur in den Fällen, in denen Durchführung des gegen den Täter gerichteten
ein Zeuge die Aussage aufgrund einer gesetz- Strafverfahrens beinhaltet. Darüber hinaus-
lichen Regelung verweigern darf, kann er ent- gehende Fragen des Opferschutzes werden
scheiden, ob er von diesem Recht Gebrauch nicht im Verfahren der Erteilung eines Auf-
machen oder dennoch aussagen möchte. In enthaltstitels nach § 25 Absatz 4a abgehandelt,
Betracht kommen hierfür das in § 52 StPO sondern werden im Rahmen der Prüfung der
geregelte Zeugnisverweigerungsrecht, wenn Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels (z. B.
der Zeuge in einem nahen persönlichen Ver- nach § 25 Absatz 5 oder § 25 Absatz 3 auf-
hältnis zum Beschuldigten steht, und das grund eines Abschiebungsverbotes nach § 60
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, Absatz 2 und 7 Satz 1) bzw. einer Duldung
wenn er sich durch seine Aussage der Gefahr nach § 60a Absatz 2 Satz 1, 2 oder 3 berück-
aussetzen würde, selbst strafrechtlich verfolgt sichtigt. Der häufig erheblichen Gefährdung
zu werden. Beide Rechte verhindern aber von Menschenhandelsopfern, die mit den
nicht, dass der Zeuge vor Gericht oder der Strafverfolgungsbehörden kooperieren, ist im
Staatsanwaltschaft auf deren Ladung zu er- Rahmen dieser Vorschriften auch nach Ab-
scheinen hat. Hierauf soll hingewiesen wer- schluss des Strafverfahrens bzw. nach deren
den, um Missverständnisse zu vermeiden. Ausscheiden aus der Rolle des Opferzeugen
Durch die Bezugnahme auf die konkrete Rechnung zu tragen. Einer Rückkehr dieser
Straftat und das konkrete Strafverfahren wird Personen in das Herkunftsland stehen häufig
deutlich, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach erhebliche Gefährdungen für Leib, Leben oder
§ 25 Absatz 4a nur auf Grund eines Strafver- Freiheit durch das im Herkunftsland ver-
fahrens erteilt werden darf, das zumindest eine bliebene Umfeld der Täter entgegen. Zudem
der aufgeführten Straftaten zum Gegenstand trifft dieser Personenkreis bei Bekannt werden
hat. Auf Strafverfahren mit ausschließlich der (erzwungenen) Tätigkeit in der Prostitu-
anderem Verfahrensgegenstand gegen diesel- tion und anderer Umstände, die die Ausländer
ben Täter ist § 25 Absatz 4a nicht anwend- zu Zeugen im Menschenhandelsverfahren ma-
bar. Siehe hierzu jedoch die Duldungsre- chen, im Herkunftsland häufig auf eine
gelung des § 60a Absatz 2 Satz 2 (vgl. Num- schwerwiegende soziale Ausgrenzung und
mer 60a.2.2). Stigmatisierung. Dieser Sondersituation, die
sich im kausalen Zusammenhang mit der Ko-
25.4a.3 Die Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraus- operation mit den Strafverfolgungsbehörden
setzung nach § 5 Absatz 1 und 2 ist durch § 5 ergibt, soll im Rahmen der Prüfung der son-
Absatz 3 Satz 1 weitgehend eingeschränkt (vgl. stigen in Betracht kommenden Rechtsgrund-
Nummer 5.3.1.2). Neben § 5 Absatz 4 findet lagen, soweit dies dort möglich ist, Rechnung
lediglich die allgemeine Regelerteilungsvoraus- getragen werden.
setzung des § 5 Absatz 1 Nummer 3 Anwen-
dung, wonach der Aufenthalt des Ausländers 25.4a.5 Die Aufenthaltserlaubnis wird nach § 26 Ab-
nicht aus einem sonstigen Grund die Interessen satz 1 Satz 3 für jeweils sechs Monate erteilt
der Bundesrepublik Deutschland beein- und verlängert; in begründeten Fällen ist eine
trächtigen oder gefährden darf. Ungeachtet sei- längere Geltungsdauer zulässig (vgl. Num-
ner Funktion als Generalklausel sind die in mer 26.1.3.1 f.).
Seite 1024 GMBl 2009 Nr. 42– 61

25.5 Aufenthaltserlaubnis in Fällen, in denen die reisehindernisse, beispielsweise bei Vorliegen


Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen einer körperlichen oder psychischen Erkran-
Gründen unmöglich ist kung, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass
sich der Gesundheitszustand des Ausländers
25.5.0 Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
durch die Ausreise als solche, also unabhängig
Ermessen gemäß § 25 Absatz 5 Satz 1 setzt
von den spezifischen Verhältnissen im Ab-
voraus, dass
schiebestaat, erheblich verschlechtert. Da es im
– der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig Rahmen des § 25 Absatz 5 auf die Unmöglich-
i. S. d. § 58 Absatz 2 ist und sich noch im keit nicht nur der Abschiebung, sondern auch
Bundesgebiet aufhält, der freiwilligen Ausreise ankommt, sind Ge-
– seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsäch- sundheitsverschlechterungen, die lediglich im
lichen Gründen unmöglich ist, Fall der zwangsweisen Rückführung drohen,
nicht ausreichend für die Erteilung eines Titels.
– mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in
Eine dem Ausländer wegen der spezifischen
absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist und
Verhältnisse im Herkunftsland drohende Ge-
– der Ausländer unverschuldet an der Aus- fahr einer wesentlichen Gesundheitsver-
reise gehindert ist. schlechterung, der nicht durch eine geeignete
Darüber hinaus müssen die allgemeinen Er- Behandlung begegnet werden kann, fällt i. d. R.
teilungsvoraussetzungen grundsätzlich erfüllt nicht in den Anwendungsbereich des § 25 Ab-
sein; die Ausländerbehörde kann nach Er- satz 5, sondern ist bei der Prüfung zielstaats-
messen von § 5 Absatz 1 und 2 abweichen bezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Ab-
(Nummer 5.3.2). Von § 5 Absatz 4 darf hinge- satz 2, 3, 5 oder 7 zu berücksichtigen und kann
gen nicht abgewichen werden (siehe Num- zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
mer 5.4). Der Ausländer hat keinen Rechtsan- § 25 Absatz 3 führen.
spruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis; 25.5.1.3.2 Nur wenn die Erteilung einer Aufenthaltser-
die Ausländerbehörde entscheidet nach pflicht- laubnis nach § 25 Absatz 3 i. V. m. § 60 Ab-
gemäßem Ermessen (siehe hierzu Num- satz 5, Absatz 7 Satz 1 wegen Vorliegens eines
mer 25.5.6). Bei Vorliegen eines Einreise- oder Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11
Aufenthaltsverbots kann abweichend von § 11 Absatz 1 nicht möglich ist, verbleibt ein An-
Absatz 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wer- wendungsbereich für zielstaatsbezogene Ab-
den. Die Ausländerbehörde, die über die Er- schiebungsverbote im Rahmen des § 25 Ab-
teilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Ab- satz 5. Die Ausländerbehörden sind jedoch an
satz 5 entscheidet, hat zu prüfen, ob die mit die unanfechtbare Feststellung des Bundes-
Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschie- amtes für Migration und Flüchtlinge über das
bung verbundenen Zwecke bereits erreicht Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60
worden sind. Handelt es sich um eine andere Absatz 2, 3, 5 und 7 gebunden. Im Rahmen der
Ausländerbehörde als diejenige, die die aufent- Prüfung, ob eine Unmöglichkeit vorliegt, sind
haltsbeendenden Maßnahmen verfügt hat, ist in deshalb grundsätzlich nur solche Gefahren zu
sinngemäßer Anwendung von § 72 Absatz 3 berücksichtigen, die sich allein als Folge der
Einvernehmen mit der Ursprungsbehörde her- Abschiebung bzw. der freiwilligen Reise und
zustellen (vgl. Nummer 11.1.3.2.1). Ist die nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im
Zweckerreichung nicht eingetreten, ist zu prü- Zielstaat ergeben.
fen, ob die Interessen des Ausländers die öf-
fentlichen Interessen an der Erreichung des mit 25.5.1.3.3 Selbst wenn die oberste Landesbehörde einen
der den Aufenthalt beendenden Verfügung an- allgemeinen Abschiebestopp nach § 60a Ab-
gestrebten Zwecks erheblich überwiegen. Bei satz 1 verfügt hat, lässt dies noch keinen Schluss
Ausländern, deren Asylantrag gemäß § 30 Ab- auf die Unmöglichkeit auch einer freiwilligen
satz 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet Ausreise zu. Die oberste Landesbehörde kann
abgelehnt worden ist, darf gemäß § 10 Absatz 3 sich aus unterschiedlichen Gründen veranlasst
vor der Ausreise eine Aufenthaltserlaubnis sehen, einen Abschiebestopp zu verfügen (vgl.
nicht erteilt werden. Nummer 60a.1).
25.5.1.1 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kommt 25.5.1.4 Ist in absehbarer Zeit mit dem Wegfall des
nur in Betracht, wenn der Ausländer nicht aus- Ausreisehindernisses zu rechnen, darf keine
reisen kann. Der Begriff der Ausreise entspricht Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Bei der
dem in § 25 Absatz 3 verwendeten Begriff, vgl. Entscheidung über die Erteilung eines Aufent-
Nummer 25.3.5.2. haltstitels ist zu prognostizieren, ob das Aus-
reisehindernis auch in absehbarer Zeit bestehen
25.5.1.2 Die Unmöglichkeit aus tatsächlichen Gründen
wird. Dies würde beispielsweise dann gegeben
betrifft z. B. Fälle der Reiseunfähigkeit, unver-
sein, wenn das Ausreisehindernis seiner Natur
schuldeter Passlosigkeit und unterbrochener
nach nicht nur ein vorübergehendes ist. Ist auf
oder fehlender Verkehrsverbindungen, sofern
Grund der Umstände des Falles erkennbar, dass
mit dem Wegfall der Hindernisse in absehbarer
das Ausreisehindernis für länger als sechs Mo-
Zeit nicht zu rechnen ist.
nate (vgl. § 26 Absatz 1) bzw. für einen unbe-
25.5.1.3.1 Die Unmöglichkeit der Ausreise aus rechtli- grenzten Zeitraum bestehen wird, kann eine
chen Gründen umfasst inlandsbezogene Aus- Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1025

25.5.2 I.d.R. soll bei Vorliegen der Voraussetzungen sive Rolle zurückziehen, sondern muss im
nach § 25 Absatz 5 Satz 1 eine Aufenthaltser- Rahmen des Zumutbaren aktiv tätig werden,
laubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung um Ausreisehindernisse zu beseitigen. Zumut-
seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Diese Regelung bar sind dem Ausländer grundsätzlich alle
findet auch Anwendung auf Fälle, in denen Handlungen, die zur Beschaffung von Heim-
nach dem Ausländergesetz die Abschiebung reisepapieren erforderlich sind und von ihm
seit 18 Monaten ausgesetzt worden ist (vgl. persönlich vorgenommen werden können. Of-
§ 102 Absatz 1). Die Aufenthaltserlaubnis ist fensichtlich aussichtslose Anstrengungen zur
allerdings nicht schon allein aufgrund Ablaufs Beschaffung von Heimreisepapieren sind hin-
der 18-Monats-Frist zu erteilen. Zusätzlich gegen unzumutbar. So ist einem Ausländer eine
müssen vielmehr die Voraussetzungen nach § 25 erneute Vorsprache bei der Botschaft seines
Absatz 5 Satz 1 erfüllt sein, insbesondere darf Heimatlandes nicht zuzumuten, wenn feststeht,
mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in ab- dass diese ergebnislos sein würde, nachdem er
sehbarer Zeit nicht zu rechnen sein (siehe in der Vergangenheit wiederholt dort erfolglos
Nummer 25.5.1.4). Die Soll-Regelung bedeutet, vorgesprochen hatte und dabei seinen Ver-
dass grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis zu pflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen
erteilen ist, sofern nicht ein atypischer Ausnah- war. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich nicht aus
mefall vorliegt. Auf die 18-Monats-Frist sind der Dauer des bisherigen Aufenthalts.
nur Aufenthaltszeiten anzurechnen, in denen
25.5.4.1 Ein Verschulden durch aktives Tun ist z. B. in
der Ausländer geduldet wurde, nicht aber Zei-
den folgenden Fällen anzunehmen:
ten, in denen er über einen Aufenthaltstitel oder
eine Aufenthaltsgestattung verfügte. – Täuschung über Identität oder Staatsange-
hörigkeit,
Bei der Beurteilung der Frage, ob von der
– Angabe falscher Tatsachen, Missbrauch,
„Soll“-Regelung des § 25 Absatz 5 Satz 2 abge-
Vernichtung oder Unterschlagung von Ur-
wichen werden kann, kann die Gewichtigkeit
kunden oder Beweismitteln,
des vom Ausländer ggf. verwirklichten Aus-
weisungsgrundes und der mit der Ausweisung – Untertauchen zur Verhinderung der aufent-
verfolgte generalpräventive Zweck in der Weise haltsbeendenden Maßnahme, aktiver oder
berücksichtigt werden, dass trotz Ablaufs der passiver körperlicher Widerstand gegen
18-Monats-Frist die Aufenthaltserlaubnis Vollzugsmaßnahmen zur Aufenthaltsbeen-
(noch) nicht erteilt wird, weil auch die Voraus- digung,
setzungen für die Befristung der Wirkungen der – Zusammenwirken mit der Botschaft oder
Ausweisung (noch) nicht gegeben wären. Behörden des Herkunftsstaates, um eine
Rückübernahme zu verhindern,
25.5.3 § 25 Absatz 5 Satz 3 und 4 stellen sicher, dass
eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt wird, – Verstreichenlassen der Rückkehrberechti-
wenn positiv festgestellt ist, dass der Ausländer gung,
unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. – Entlassung aus der bisherigen Staatsangehö-
Verschulden erfordert ein zurechenbares Ver- rigkeit auf Antrag, ohne gleichzeitig eine
halten des Ausländers. Der Begriff des Ver- neue Staatsangehörigkeit anzunehmen.
schuldens soll in einem umfassenden Sinn Per-
sonen von der Gewährung des Aufenthalts- 25.5.4.2 Ein Verschulden durch Nichtvornahme von
rechts ausschließen, wenn diese die Gründe für zumutbaren Handlungen kann z. B. anzu-
den fortdauernden Aufenthalt selbst zu ver- nehmen sein, wenn der Ausländer:
treten haben. – die für die Ausreise notwendigen ihm be-
kannten Angaben nicht macht oder verwei-
25.5.4 § 25 Absatz 5 Satz 4 nennt beispielhaft Fälle, in gert,
denen von einem Verschulden des Ausländers
stets auszugehen ist. Dies trifft bei Täuschung – relevante Dokumente oder Beweismittel,
über seine Identität oder Nationalität zu oder über die er verfügt, nicht vorlegt,
wenn er zumutbare Anforderungen zur Be- – nicht mitwirkt an der Feststellung der Iden-
seitigung der Ausreisehindernisse, beispiels- tität und der Beschaffung von Heimreise-
weise die Mitwirkung bei der Beschaffung von papieren,
Heimreisedokumenten z. B. durch Zeichnung – kraft Gesetzes aus der bisherigen Staatsan-
einer so genannten Freiwilligkeitserklärung gehörigkeit entlassen wurde (z. B. wegen
oder durch Vorlage der für das Heimreise- Nichtableistung des Wehrdienstes) und kei-
dokument erforderlichen Fotos, nicht erfüllt. nen Wiedererwerb beantragt,
Auch soweit das Ausreisehindernis darauf be-
– eine von der Botschaft seines Herkunfts-
ruht, dass der Ausländer erforderliche Angaben
staates geforderte „Freiwilligkeitserklä-
verweigert hat, ist dies von ihm zu vertreten
rung“ nicht abgibt.
und schließt die Erteilung einer Aufenthaltser-
laubnis aus. Aus den Beispielen wird deutlich, 25.5.5 Durch das dem Ausländer zurechenbare Han-
dass eine schuldhafte Verhinderung oder Ver- deln oder Unterlassen muss die Ausreise ver-
zögerung der Ausreise sowohl in aktivem Tun hindert oder wesentlich verzögert worden sein.
als auch in Unterlassen bestehen kann. Der Das Verhalten des Ausländers muss damit für
Ausländer kann sich danach nicht auf eine pas- die Schaffung oder Aufrechterhaltung eines ak-
Seite 1026 GMBl 2009 Nr. 42– 61

tuell bestehenden Ausreisehindernisses zumin- Die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis


dest mitursächlich sein. nach § 25 Absatz 3 beträgt mindestens ein Jahr.
Die Ausländerbehörde kann die Geltungsdauer
25.5.6 Die Ausländerbehörde hat bei der Ausübung
der Aufenthaltserlaubnis für diesen Personen-
des Ermessens ausgehend von der Zielvorgabe
kreis im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung
des § 1 Absatz 1 u. a. folgende Kriterien her-
danach jeweils auf einen Zeitraum zwischen
anzuziehen:
einem Jahr und drei Jahren befristen.
– die Dauer des Aufenthalts in Deutschland,
26.1.3. § 26 Absatz 1 Satz 3 regelt die Erteilungsdauer
– die Integration des Ausländers in den Ar-
der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a.
beitsmarkt durch den Nachweis eines Be-
Diese beträgt grundsätzlich sechs Monate, sie
schäftigungsverhältnisses oder einer selb-
kann jedoch in begründeten Fällen auch länger
ständigen Arbeit,
erteilt werden. Auch wenn damit die Aufent-
– die Integration in die Lebensverhältnisse der haltserlaubnis regelmäßig für sechs Monate zu
Bundesrepublik Deutschland, wobei ab- erteilen ist, so handelt es sich bei der Möglichkeit
hängig von der Dauer des Aufenthalts in der längeren Erteilung nicht um eine Ausnah-
Deutschland zumindest einfache Deutsch- meregelung im eigentlichen Sinn, da diese nicht
kenntnisse vorausgesetzt werden können. auf atypische Sonderfälle beschränkt ist. Die
25.5.7 Die Aufenthaltserlaubnis wird nur für den Regelbefristung trägt dem Umstand Rechnung,
Zeitraum, der für die Erreichung des Aufent- dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Ab-
haltszwecks erforderlich ist (§ 7 Absatz 2 satz 4a als Aufenthaltsrecht für einen nur vor-
Satz 1), erteilt. Auf § 26 Absatz 1 Satz 1 wird übergehenden Aufenthalt ausgestaltet ist. In be-
hingewiesen. Eine Aufenthaltsverfestigung ist gründeten Fällen kann die Ausländerbehörde
unter den Voraussetzungen des § 26 Absatz 4 die Aufenthaltserlaubnis für eine längere Gel-
möglich. tungsdauer erteilen. Ein solcher Fall liegt insbe-
sondere dann vor, wenn von vornherein abseh-
25.5.8 Der Familiennachzug zu einem Ausländer, der bar ist, dass die Notwendigkeit der Anwesenheit
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Ausländers als Zeuge auf Grund der Ermitt-
besitzt, wird nicht gewährt (§ 29 Absatz 3 lungen der Strafverfolgungsbehörden oder/und
Satz 3). der gerichtlichen Verhandlungen länger als sechs
25.5.9 Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestimmt Monate bestehen wird. Zur Realisierung des mit
sich nach § 21 Absatz 6 bzw. nach § 39 Ab- § 25 Absatz 4a verfolgten Zwecks – der Ge-
satz 3. winnung von verwertbaren Aussagen der Opfer
im Interesse der Strafverfolgung von Men-
schenhandelsdelikten – ist es in diesen Fällen
26 Zu § 26 – Dauer des Aufenthalts zweckmäßig, die Aufenthaltserlaubnis von
vornherein für einen längeren, im Hinblick auf
26.1 Höchstgeltungsdauer der Aufenthalts- den Abschluss des Strafverfahrens realistischen
erlaubnisse nach Kapitel 2 Abschnitt 5 Zeitraum zu erteilen. Hierdurch kann ein er-
heblicher Beitrag zur persönlichen Stabilisie-
26.1.1 § 26 Absatz 1 sieht eine Höchstgeltungsdauer rung der Opferzeugen geleistet werden.
der Aufenthaltserlaubnis von grundsätzlich drei
Jahren vor. In den Fällen, in denen der Aus-
26.2 Ausschluss der Verlängerung
länder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Ab-
satz 4 Satz 1 oder § 25 Absatz 5 besitzt und sich Absatz 2 verdeutlicht, dass der Aufenthalt aus
noch nicht seit mindestens 18 Monaten recht- humanitären Gründen vom Grundsatz des
mäßig in Deutschland aufhält, ist die Höchst- temporären Schutzes geprägt ist. Wie in § 25
geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf Absatz 5 Satz 3 wird nicht mehr auf das Vor-
sechs Monate beschränkt. Zu erwarten ist ein liegen von Abschiebungshindernissen, sondern
ununterbrochener rechtmäßiger Aufenthalt von auf das Vorliegen von Ausreisehindernissen ab-
mindestens 18 Monaten; Duldungszeiten kön- gestellt. Auch bei der Entscheidung über die
nen nicht angerechnet werden. Soweit absehbar Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist auf
ist, dass der Schutzzweck früher enden wird das Fortbestehen der Erteilungsvoraussetzun-
oder ein Abschiebungshindernis in nächster gen zu achten.
Zeit entfallen könnte, sollte die Frist entspre-
chend kürzer bemessen werden. So kann die
26.3 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an
Aufenthaltserlaubnis auch auf Tage, Wochen
Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25
oder Monate befristet werden. Dies sollte ins-
Absatz 1 oder 2
besondere in den Fällen der §§ 23a, 25 Absatz 4
und 5 berücksichtigt werden. 26.3.1 § 26 Absatz 3 sieht vor, dass Asylberechtigte
und Konventionsflüchtlinge einen Rechtsan-
26.1.2 In den Fällen des § 25 Absatz 1 und 2 ist die
spruch auf Erteilung einer Niederlassungser-
Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre zu erteilen.
laubnis haben, wenn
Die Geltungsdauer von drei Jahren entspricht
der in § 73 Absatz 2a AsylVfG geregelten Frist – sie seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis
zur Überprüfung der Voraussetzungen der An- nach § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 besitzen
erkennungsentscheidung. und
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1027

– das Bundesamt für Migration und Flücht- durch einen Ehegatten erfüllt werden (§ 9 Ab-
linge gemäß § 73 Absatz 2a AsylVfG mit- satz 3 Satz 3).
geteilt hat, dass die Voraussetzungen für den
26.4.2 Die Vorschrift ist auch auf Asylberechtigte und
Widerruf und die Rücknahme der Asyl-
anerkannte Flüchtlinge anwendbar, für die je-
oder Flüchtlingsanerkennung nicht vor-
doch i. d. R. § 26 Absatz 3 günstiger sein wird,
liegen.
es sei denn, sie können sich z. B. Aufenthalts-
26.3.2 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zeiten nach § 102 Absatz 2 oder nach § 55 Ab-
überprüft die Situation nach der Drei-Jahres- satz 3 AsylVfG anrechnen lassen.
Frist von Amts wegen und teilt der Ausländer-
26.4.3 § 26 Absatz 4 findet keine Anwendung auf
behörde das Ergebnis mit. Die Vorschrift setzt
Ausländer nach § 24, da für diesen Personen-
für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis
kreis nach § 24 Absatz 1 die Verlängerungsre-
ein aktives Handeln des Bundesamtes für Mi-
gelung nach Artikel 4 der Richtlinie 2001/55/
gration und Flüchtlinge in Form einer Mittei-
EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindest-
lung voraus, die beinhaltet, dass die Voraus-
normen für die Gewährung vorübergehenden
setzungen für einen Widerruf und eine Rück-
Schutzes im Falle eines Massenzustroms von
nahme nach § 73 AsylVfG bzw. eine
Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung
Rücknahme nach § 48 VwVfG nicht vorliegen.
einer ausgewogenen Verteilung der Belas-
Die Vorschrift erfasst auch Rücknahmen auf
tungen, die mit der Aufnahme dieser Personen
Grundlage von § 48 VwVfG in den Fällen, in
und den Folgen dieser Aufnahme verbunden
denen die Asylanerkennung oder die Zuer-
sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Num-
kennung der Flüchtlingseigenschaft von An-
mer L 212 S. 12, so genannte Richtlinie zum
fang an rechtswidrig war, für die jedoch kein
vorübergehenden Schutz) gilt, sowie auf Aus-
Widerrufs- oder Rücknahmegrund nach § 73
länder, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis
AsylVfG vorliegt.
nach § 25 Absatz 4 Satz 1 oder Absatz 4a sind,
26.3.3 Für die Berechnung der Drei-Jahres-Frist da diese Vorschriften ausdrücklich nur den
kommt es darauf an, dass der Ausländer wäh- vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland
rend des gesamten Zeitraums im Besitz einer regeln. Auch auf Ausländer, die eine Aufent-
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder haltserlaubnis auf Probe (§ 104a Absatz 1
Absatz 2 war. Die Fiktion der Fortgeltung einer Satz 1) besitzen, findet § 26 Absatz 4 keine An-
Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Absatz 4 reicht wendung (§ 104a Absatz 1 Satz 3). Erst, wenn
aus, wenn dem Ausländer nach § 25 Absatz 1 sich der weitere Aufenthalt aufgrund der Ver-
oder Absatz 2 ein Anspruch auf Verlängerung längerung gemäß § 104a Absatz 5 Satz 2, 3 nach
zusteht. Bagatellunterbrechungen, die der Aus- § 23 Absatz 1 richtet, ist § 26 Absatz 4 auch bei
länder nicht zu vertreten hat, sollte die Aus- einer ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis auf
länderbehörde im Rahmen der Ermessensent- Probe anwendbar. Im Falle des § 104b findet
scheidung nach § 85 unberücksichtigt lassen; sie § 26 Absatz 4 durch den Verweis auf § 23 Ab-
sind jedoch nicht anrechenbar. Eine Anrech- satz 1 Anwendung.
nung von Zeiten des Besitzes einer Aufent-
26.4.4 Voraussetzung für die Erteilung einer Nieder-
haltsbefugnis nach dem AuslG ist im Rahmen
lassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 Satz 1 ist,
der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis
dass der Ausländer
nach § 26 Absatz 3 nicht vorgesehen. Der Ge-
setzgeber hat in § 102 Absatz 2 eine Anrech- – bereits seit sieben Jahren eine Aufenthalts-
nung nur im Fall der Erteilung einer Nieder- erlaubnis nach §§ 22 bis 25 besitzt und
lassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 angeord- – die Voraussetzungen für die Erteilung einer
net (vgl. hierzu Nummer 26.4.8 und 102.2). Aus Niederlassungserlaubnis nach § 9 Absatz 2
der dort vorgenommenen ausdrücklichen Be- Satz 1 Nummer 2 bis 9 erfüllt.
schränkung der Anrechnung von Zeiten des
Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis auf den An- 26.4.5 Nicht erforderlich ist, dass die materiell-rechtli-
wendungsbereich des § 26 Absatz 4 folgt im chen Voraussetzungen für die Erteilung oder
Umkehrschluss, dass eine Anrechnung in an- Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis noch er-
deren Fällen nicht in Betracht kommt (siehe füllt sind, solange der Ausländer noch im Besitz
aber Nummer 26.4.2). einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22 ff. ist.
§ 26 Absatz 2 findet keine Anwendung.
26.4 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an 26.4.6 Vom Vorliegen der allgemeinen Erteilungs-
andere Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis voraussetzungen kann nach § 5 Absatz 3 Satz 2
aus humanitären Gründen abgesehen werden; § 5 Absatz 4 ist zu beachten.
26.4.1 Die Niederlassungserlaubnis kann nach § 26 26.4.7 Die Ausländerbehörde kann bei der Ausübung
Absatz 4 im Ermessenswege erteilt werden, des Ermessens ausgehend von der Zielvorgabe
wenn der Ausländer seit sieben Jahren eine des § 1 Absatz 1 u. a. folgende Kriterien her-
Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen anziehen:
besitzt und die Voraussetzungen des § 9 Ab-
satz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 9 erfüllt. Bei Ehe- – Dauer des Aufenthalts in Deutschland,
gatten genügt es, wenn die Voraussetzungen – Integration in die Lebensverhältnisse der
nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 Bundesrepublik Deutschland,
Seite 1028 GMBl 2009 Nr. 42– 61

– Fortdauer des Aufenthaltszwecks bzw. der einer Duldung nach § 60a anzurechnen („un-
Schutzgründe, die die Erteilung der Aufent- schädliche Unterbrechung“).
haltserlaubnis rechtfertigen.
26.4.9 Mit § 26 Absatz 4 Satz 2 wird klargestellt, dass
26.4.8 Die Wartezeit beträgt sieben Jahre. Bei der auch bei Ausländern mit einem humanitären
Fristberechnung werden angerechnet: Aufenthaltsrecht in Ausnahmefällen eine Auf-
enthaltsverfestigung möglich ist, wenn die für
– Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltser- einen unbefristeten Aufenthaltstitel erforder-
laubnis nach den §§ 22 bis 25, 104a und lichen Kenntnisse unverschuldet nicht erreicht
104b, werden können (vgl. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6).
– Zeiten des Besitzes einer Fiktionsbeschei- Bei Ausländern, die vor dem 1. Januar 2005 im
nigung nach § 81 Absatz 4 zu einer Aufent- Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, ist zu
haltserlaubnis aus humanitären Gründen, beachten, dass hinsichtlich der Vorausset-
zungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 7
– Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltser- und 8 die Übergangsregelung des § 104 Ab-
laubnis, wenn während dieser Zeit zugleich satz 2 anwendbar ist.
die Voraussetzungen für die Verlängerung
einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor 26. 4. 10 Nach § 26 Absatz 4 Satz 4 i. V. m. § 35 kann
dem 1. Januar 2005 oder einer Aufenthalts- Kindern mit einem humanitären Aufenthalts-
erlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 nach recht, also meist als unbegleitete Minderjährige
dem 1. Januar 2005 vorlagen, Eingereiste, im Ermessenswege unter den glei-
chen Voraussetzungen die Aufenthaltsverfes-
– Zeiten des Besitzes einer Aufenthalts- tigung ermöglicht werden, wie sie bei Kindern
befugnis oder Duldung vor dem 1. Januar gelten, die eine zum Zwecke der Familien-
2005 (§ 102 Absatz 2) sowie Zeiten einer zusammenführung erteilte Aufenthaltserlaub-
Duldung nach altem Recht über den 1. Ja- nis besitzen (siehe hierzu Nummer 35). § 26
nuar 2005 hinaus, wenn sich an sie „nahtlos“ Absatz 4 Satz 4 bewirkt Folgendes:
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus
– Das Kind muss nicht die Voraussetzungen
humanitären Gründen nach neuem Recht
des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 9 er-
angeschlossen hat,
füllen, sondern die des § 35 (je nach Alter die
– Zeiten des Besitzes der Aufenthalts- Voraussetzungen nach § 35 Absatz 1 Satz 1
gestattung während des Asylverfahrens, das (bei 16- und 17-Jährigen) oder Satz 2 (bei
der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vo- Antragstellung nach Volljährigkeit);
rangegangen ist (§ 26 Absatz 4 Satz 3). Auf- – fünf Jahre anrechenbaren Voraufenthaltes
enthaltszeiten von früheren, erfolglos be- sind ausreichend.
triebenen Asylverfahren können bei der Be-
rechnung des anrechenbaren Zeitraums § 26 Absatz 4 Satz 4 gilt auch (i. V. m. § 35 Ab-
nicht berücksichtigt werden. Zeiten eines satz 1 Satz 2) für inzwischen Volljährige, die
Asylfolgeverfahrens – unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach
Zeiten des diesen vorangegangenen Asyl- Deutschland eingereist sind. Für in Deutsch-
verfahrens – sind anzurechnen, wenn der land geborene Kinder ist § 26 Absatz 4 Satz 4
Aufenthalt wegen Vorliegens der Voraus- analog anzuwenden (Erst-Recht-Schluss).
setzungen nach § 71 Absatz 1 AsylVfG ge-
26. 4. 11 Nach § 104 Absatz 7 besteht i. V. m. § 26 Ab-
stattet war.
satz 4 die Möglichkeit für den Ehegatten, Le-
Der Ausländer muss grundsätzlich ununter- benspartner und die minderjährigen ledigen
brochen im Besitz eines anrechenbaren huma- Kinder eines Ausländers, der im Besitz einer
nitären Aufenthaltstitels gewesen sein. Zeiten Aufenthaltsbefugnis war, eine Niederlassungs-
des Besitzes einer Duldung nach § 60a sind erlaubnis zu erhalten. Diesen Personen, die vor
nicht anrechenbar und führen darüber hinaus dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufent-
dazu, dass die vor der Erteilung dieser Duldung haltsbefugnis nach § 31 Absatz 1 oder § 35 Ab-
erreichten anrechenbaren Zeiten nicht mehr satz 2 waren und denen nach fünf bzw. acht
angerechnet werden können („schädliche Un- Jahren gemäß § 35 Absatz 1 AuslG eine unbe-
terbrechung“). Unterbrechungen des recht- fristete Aufenthaltserlaubnis hätte erteilt
mäßigen Aufenthaltes, die der Ausländer nicht werden können, kann unter Anrechnung der
zu vertreten hat, sollen nach Maßgabe des § 85 Aufenthaltsbefugniszeiten eine Niederlas-
außer Betracht bleiben, sie sind damit unschäd- sungserlaubnis erteilt werden, wenn die
lich, aber nicht anrechenbar. Voraussetzungen des § 26 Absatz 4 vorliegen
und der Rechtsgrund für die Erteilung der
In den Fällen, in denen kraft Gesetzes die An- Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Absatz 1 bzw.
rechnung von Besitzzeiten einer Aufenthalts- § 35 Absatz 2 weiterhin besteht. Zum Zeit-
befugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 punkt der Erteilung der Niederlassungserlaub-
(§ 102 Absatz 2) oder einer Aufenthalts- nis nach § 26 Absatz 4 i. V. m. § 104 Absatz 7
gestattung (§ 26 Absatz 4 Satz 3), auf die Sie- und § 31 Absatz 1 muss das Kind insbesondere
ben-Jahres-Frist angeordnet wird, ist dieser noch minderjährig und ledig sein. Die Anrech-
Zeitraum unabhängig von einer etwaigen Un- nung der Aufenthaltsbefugniszeiten erfolgt
terbrechung beispielsweise durch den Besitz nach § 102 Absatz 2.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1029

27 Zu § 27 – Grundsatz des Familiennachzugs ausländische, gerichtliche und behördliche


Entscheidungen. In welcher Form der Nach-
27.0 Allgemeines weis im Einzelfall zu führen ist, liegt im Er-
27.0.1 § 27 enthält allgemeine Regelungen zum Fami- messen der Behörde. Bei fremdsprachigen Ur-
liennachzug von Ausländern zu Deutschen kunden kann die Vorlage einer Übersetzung
oder Ausländern. Die Vorschrift vermittelt für durch eine geeignete Person verlangt werden.
sich genommen keinen Anspruch und be- Grundsätzlich kann der Antragsteller zum
inhaltet keine Ermächtigung zur Erteilung von Nachweis der Echtheit einer ausländischen öf-
Aufenthaltstiteln. Die in § 27 geregelten Vo- fentlichen Urkunde auf die Legalisation durch
raussetzungen bzw. Ausschlussgründe gelten die zuständige deutsche Auslandsvertretung
zusätzlich zu den Voraussetzungen der jewei- hingewiesen werden. Soweit das Auswärtige
ligen Ermächtigungsgrundlage für die Erteilung Amt für Urkunden aus bestimmten Staaten
eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen. keine Legalisation durchführt, kommt eine
Überprüfung der Echtheit und der inhaltlichen
27.0.2 Die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zum Richtigkeit der vorgelegten Urkunden durch
Familiennachzug werden in dessen Anwen- ein Sachverständigengutachten eines Vertrau-
dungsbereich durch das FreizügG/EU ver- ensanwalts der zuständigen Auslandsvertretung
drängt. Wenn also ein Ausländer einer der in § 3 in Betracht. Die Identität des Vertrauensanwalts
FreizügG/EU genannten Familienangehörigen wird aus Sicherheitsgründen bei der Über-
eines Unionsbürgers oder EWR-Staatsange- sendung des Gutachtens an die Ausländer-
hörigen ist, finden die §§ 27 ff. grundsätzlich behörde im Zustimmungsverfahren nach § 31
keine Anwendung (vgl. § 1 Absatz 2 Num- AufenthV nicht offen gelegt. Bei Urkunden aus
mer 1). Vor einer Prüfung nach den §§ 27 ff. ist Staaten, die Vertragsstaaten des Haager Über-
daher stets zu untersuchen, ob der sachliche einkommens zur Befreiung ausländischer öf-
Anwendungsbereich des FreizügG/EU eröff- fentlicher Urkunden von der Legalisation vom
net ist (siehe Nummer 3 f. FreizügG/EU – 5. Oktober 1961 (BGBl. 1965 II 875) sind, und
VwV). Nur wenn sich nach dem FreizügG/EU gegen deren Beitritt die Bundesrepublik
ergeben sollte, dass ein Familienangehöriger Deutschland keinen Einspruch eingelegt hat,
kein Recht auf Einreise und Aufenthalt hat, ihm kann eine Legalisation nicht erfolgen. An die
jedoch nach den §§ 27 ff. ein Aufenthaltstitel Stelle der Legalisation tritt ein als „Apostille“
erteilt werden müsste oder nach Ermessen er- bezeichneter Vermerk einer Behörde des Aus-
teilt werden könnte, sind die §§ 27 ff. gemäß § 1 stellerstaates. Mit einigen Staaten bestehen zu-
Absatz 2 Nummer 1 anwendbar. dem Abkommen, wonach einfach- bzw. mehr-
27.0.3 Der Anwendungsbereich des FreizügG/EU ist sprachige Urkunden ohne weitere Förmlichkeit
auch eröffnet, wenn ein Deutscher von seinem (Legalisation oder Apostille) anzuerkennen
Freizügigkeitsrecht nach Europäischem Recht sind. Aktuelle Informationen zum inter-
in einem anderen Mitgliedstaat der Euro- nationalen Urkundenverkehr finden sich auf
päischen Union Gebrauch macht und er mit der Internetseite des Auswärtigen Amtes.
seinen drittstaatsangehörigen Familienange-
27.0.5 In den Fällen, in denen ein entscheidungser-
hörigen von diesem Mitgliedstaat aus vorüber-
heblicher Nachweis der Abstammung nicht
gehend oder dauerhaft nach Deutschland zu-
durch verlässliche Urkunden erbracht werden
rückreist (so genannter „Rückkehrer-Fall“).
kann und begründete Zweifel an der Identität,
(siehe hierzu Nummer 1.3 und 3.0.2 FreizügG/
Abstammung oder Familienzugehörigkeit nicht
EU – VwV).
auf andere Weise ausgeräumt werden können,
27.0.4 Beruht ein Antrag auf Erteilung eines Aufent- kann der Antragsteller darauf hingewiesen
haltstitels darauf, dass familienrechtliche Be- werden, dass er die weitere Möglichkeit hat,
ziehungen zwischen Personen bestehen, so sind mittels eines freiwilligen DNS-Abstammungs-
diese Beziehungen grundsätzlich durch öffent- gutachtens die Voraussetzungen für die Er-
liche Urkunden, vorzugsweise Personenstands- teilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Fami-
urkunden, nachzuweisen (siehe auch Num- lienzusammenführung nachzuweisen. Der
mer 82.1.2). Ausländische Urkunden haben Nachweis ist in Fällen der rechtlich be-
nach § 438 ZPO Beweiswert, sofern ihre Echt- gründeten Verwandtschaft ungeeignet, z. B.
heit und inhaltliche Richtigkeit festgestellt nach BGB im Fall der so genannten ehelichen
wird, nur hinsichtlich der darin angegebenen Geburt oder bei einer Vaterschaftsanerken-
Tatsachen, nicht hinsichtlich der sich aus diesen nung, der die Kindesmutter zugestimmt hat.
Tatsachen ergebenen Rechtsfolgen. Alle ent- Die Vaterschaftsanerkennung kann auch später
scheidungserheblichen Gesichtspunkte, die wirksam werden, wenn die Zustimmung der
einer rechtlichen Prüfung zugänglich sind (z. B. Mutter zur Anerkennung erst später vorliegt. In
Wirksamkeit einer Eheschließung, Abstam- diesen Fällen kommt es auf die biologische
mung, Annahme als Kind, Namensführung), Abstammung nicht an; dies kann anders sein,
sind ausgehend von den einschlägigen kolli- wenn der Verdacht einer so genannten Schein-
sionsrechtlichen Normen des EGBGB selb- vaterschaft zur Verschaffung eines Aufenthalts-
ständig zu prüfen. Ausgenommen hiervon sind rechts besteht und die Vaterschaft angefochten
unter Berücksichtigung von § 328 ZPO und wird (siehe hierzu Nummer 27.1a.1.3 und 90.5).
§ 109 Absatz 1 FamFG anerkennungsfähige Im Übrigen können im Ausland erfolgte Va-
Seite 1030 GMBl 2009 Nr. 42– 61

terschaftsanerkennungen dann rechtlich unbe- 27.0.6.5 Auch in Ermessensfällen sind in der Erläu-
achtlich sein, wenn sie nach Kollisionsrecht terung sämtliche Personen türkischer Staatsan-
gegen den deutschen ordre public verstoßen. gehörigkeit aufzuführen, mit denen der Nach-
Insbesondere beim Verdacht einer Vater- ziehende zusammenleben wird und deren
schaftsanerkennung zwecks Umgehung von Aufenthalt im Bundesgebiet bei der Ermes-
Adoptionsvorschriften, die rechtlich missbilligt sensentscheidung berücksichtigt wurde.
wird (Fall des ausdrücklichen Adoptionsver-
27.0.6.6 Ebenfalls in der Erläuterung aufzunehmen sind
mittlungsverbots nach § 5 Absatz 4 AdVer-
unter den vorstehend genannten Voraus-
miG), kann ggf. ein freiwilliges Abstammungs-
setzungen türkische Angehörige, die noch im
gutachten zum Nachweis biologischer Vater-
Ausland leben, mit denen der Nachziehende
schaft angezeigt sein.
aber im Bundesgebiet zusammenleben wird,
27.0.6 Bei der erstmaligen Gestattung des Nachzugs weil diesen Angehörigen gleichzeitig ein Auf-
zu türkischen Staatsangehörigen gilt aus- enthaltstitel erteilt wird (etwa im Falle der
schließlich das innerstaatliche Recht. Auf fol- gleichzeitigen Erteilung eines nationalen Vi-
gende Gesichtspunkte wird hingewiesen: sums).
27.0.6.7 Die Bestimmung des oder der Angehörigen, zu
27.0.6.1 Nach Artikel 7 ARB 1/80 erwirbt der Fami-
denen der Nachzug gestattet wird, ist in der
lienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers,
Erläuterung zu vermerken nach folgendem
der „die Genehmigung erhalten hat, zu ihm zu
Muster:
ziehen“, unter bestimmten Voraussetzungen ein
besonderes, kraft Gesetzes bestehendes Auf- „Aufenthaltszweck ist die Herstellung und
enthaltsrecht, das mit einem erhöhten Aus- Wahrung der familiären Lebensgemein-
weisungsschutz verbunden ist. Eine entspre- schaft mit .... (Name/-n) ...; die Herstellung
chende Genehmigung, als Angehöriger zu oder Wahrung einer ehelichen oder fami-
einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, liegt liären Lebensgemeinschaft mit anderen
vor, wenn ein Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 türkischen Staatsangehörigen ist nicht Ge-
Abschnitt 6 erteilt wurde. Im Einzelnen wird genstand der Entscheidung.“
auf die Allgemeinen Anwendungshinweise des 27.0.6.8 Wird einem Familienangehörigen eines türki-
Bundesministeriums des Innern zum ARB 1/80 schen Staatsangehörigen zu einem anderen
in der jeweiligen Fassung verwiesen. Zweck als dem Familiennachzug ein Aufent-
haltstitel erteilt und ist bekannt oder nicht aus-
27.0.6.2 Die erstmalige Gestattung des Nachzuges be-
zuschließen, dass der türkische Staatsange-
stimmt sich allein nach nationalem Recht, ist
hörige bei in Deutschland lebenden Ange-
aber tatbestandliche Voraussetzung des spä-
hörigen wohnen wird, obwohl ein Nachzug
teren, auf Assoziationsrecht beruhenden An-
anderer türkischer Staatsangehöriger bei der
spruches. Dabei kann maßgeblich sein, zu wel-
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht vor-
chem Angehörigen genau der Nachzug ge-
gesehen ist, ist in der Erläuterung der Vermerk
stattet wurde.
anzubringen:
27.0.6.3 Die Person, zu der der Nachzug stattfindet, ist „Die Herstellung oder Wahrung einer ehe-
daher in einer dem Antragsteller zusammen mit lichen oder familiären Lebensgemeinschaft
der Erteilung zu überreichenden, in Durch- mit türkischen Staatsangehörigen ist nicht
schrift zur Akte zu nehmenden Erläuterung Gegenstand der Entscheidung.“
genau zu bezeichnen, sofern diese die türkische
Staatsangehörigkeit besitzt. Das Zusammen- Dieser Vermerk schließt einen späteren Fami-
leben mit anderen Personen türkischer oder liennachzug nicht aus, sondern gibt nur die
anderer Staatsangehörigkeit wird durch den Entscheidungsgrundlage des betreffenden Auf-
Aufenthaltstitel nicht untersagt. Es muss aber enthaltstitels wieder.
aus der Entscheidung über die Gewährung des 27.0.6.9 Bei der erstmaligen Gewährung des Familien-
Aufenthaltstitels – auch für den Antragsteller – nachzugs, vor allem bei einer Einreise aus dem
ggf. deutlich werden, dass sich die Entschei- Ausland, ist der Aufenthaltszweck nicht durch
dung nicht auf eine etwaige Lebensgemein- Artikel 7 ARB 1/80 bestimmt, da dieser Artikel
schaft mit weiteren Personen bezieht. Wird die nicht bei der erstmaligen Zulassung, sondern
Form einer gesonderten Erläuterung gewählt, erst danach und bei Erfüllung der in Artikel 7
ist deren Bekanntgabe an den Antragsteller in Satz 1 oder 2 ARB 1/80 genannten Voraus-
geeigneter Weise aktenkundig zu machen. Die setzungen eingreift. Somit ist bei der erst-
Auslandsvertretung übersendet eine Ausferti- maligen Gewährung des Familiennachzugs als
gung der Erläuterung an die nach § 31 Absatz 1 gesetzliche Grundlage stets allein die ange-
AufenthV beteiligte Ausländerbehörde. wandte Rechtsvorschrift des Aufenthaltsge-
setzes anzugeben.
27.0.6.4 Besteht ein Nachzug hinsichtlich mehrerer
Personen, die türkische Staatsangehörige sind
27.1 Erforderlicher Aufenthaltszweck
und mit denen der nachziehende Familienan-
gehörige auch zusammenleben wird, sind diese 27.1.1 In § 27 Absatz 1 wird die Herstellung und
Personen in der Erläuterung sämtlich auf- Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im
zuführen. Bundesgebiet als bindender Aufenthaltszweck
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1031

festgeschrieben. Trotz des Begriffs „Nachzug“ (klarstellend siehe Nummer 29.5.2.6 und
wird nicht vorausgesetzt, dass der Zuzug der 29.5.2.7).
Familienangehörigen vom Ausland aus be-
trieben wird. 27.1.4 § 27 Absatz 1 fordert als grundlegenden Auf-
enthaltszweck die (beabsichtigte) Herstellung
27.1.2 Es handelt sich zugleich um eine Zweckbin- und Wahrung der familiären Lebensgemein-
dung des Aufenthaltes, die erst mit der Er- schaft, wobei grundsätzlich ein Lebensmittel-
langung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts punkt der Familienmitglieder in der Form einer
(§ 31, § 34 Absatz 2 und § 35, auch i. V. m. § 36 gemeinsamen Wohnung nachgewiesen sein
Absatz 2 Satz 2) oder der Erteilung einer Auf- muss (zur ehelichen Lebensgemeinschaft siehe
enthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck ent- Nummer 27.1a.1.0). Fehlt es an einer derartigen
fällt. Sind die Voraussetzungen für die Erteilung häuslichen Gemeinschaft, kann im Allgemeinen
einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen eine familiäre Lebensgemeinschaft nur dann
Zweck erfüllt, steht die vorherige Erteilung bejaht werden, wenn die einer solchen Lebens-
einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des gemeinschaft entsprechende Beistands- oder
Familiennachzugs der Erteilung einer solchen Betreuungsgemeinschaft auf andere Weise ver-
Aufenthaltserlaubnis zu dem anderen Zweck wirklicht wird. Dies kann z. B. bei einer not-
nicht entgegen. wendigen Unterbringung in einem Behin-
derten- oder Pflegeheim oder einer berufs- und
27.1.3 Das Aufenthaltsrecht des nachgezogenen Fa- ausbildungsbedingten Trennung der Fall sein.
milienangehörigen ist nicht nur zweckge- In diesen Fällen liegt eine familiäre Lebens-
bunden, sondern auch akzessorisch zum Auf- gemeinschaft erst dann vor, wenn die Ange-
enthaltsrecht des Stammberechtigten. Dies hörigen regelmäßigen Kontakt zueinander
bedeutet, dass das Aufenthaltsrecht des Fami- pflegen, der über ein bloßes Besuchen hinaus-
lienangehörigen als abgeleitetes Recht dem geht. Ein überwiegendes Getrenntleben der
Aufenthaltsrecht des Stammberechtigten Familienangehörigen, insbesondere wenn ein-
grundsätzlich nachfolgt. Die Aufenthaltser- zelne Mitglieder ohne Notwendigkeit über eine
laubnis des Familienangehörigen darf längstens eigene Wohnung verfügen, deutet eher auf das
für den Zeitraum erteilt werden, für den auch Vorliegen einer nach Artikel 6 GG und daher
der Stammberechtigte über einen gültigen Auf- auch aufenthaltsrechtlich nicht besonders
enthaltstitel verfügt (§ 27 Absatz 4, siehe hierzu schutzwürdigen Begegnungsgemeinschaft hin.
Nummer 27.4). Des Weiteren darf die Aufent- Allerdings verbietet sich eine schematische Be-
haltserlaubnis des Familienangehörigen nur trachtungsweise. Entscheidend für die aus-
verlängert werden, wenn der Stammberechtigte länderrechtlichen Schutzwirkungen aus Arti-
weiterhin eine Niederlassungserlaubnis, Auf- kel 6 GG ist die tatsächliche Verbundenheit
enthaltserlaubnis oder Erlaubnis zum Dauer- zwischen den Familienmitgliedern, wobei
aufenthalt-EG besitzt (vgl. § 29 Absatz 1 grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles
Nummer 1, § 8 Absatz 1) und auch nur läng- geboten ist. Eine im Bundesgebiet hergestellte
stens für deren Geltungszeitraum (vgl. § 27 familiäre Lebensgemeinschaft wird im All-
Absatz 4, Nummer 27.4). Ist die Aufenthaltser- gemeinen nicht allein dadurch aufgehoben, dass
laubnis des Stammberechtigten nach § 8 Ab- ein Familienmitglied in öffentlichen Gewahr-
satz 2 von vornherein ohne Verlängerungs- sam genommen wird oder sich in Haft befindet,
möglichkeit zeitlich befristet, so ist auch die wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die
Aufenthaltserlaubnis des Familienangehörigen familiäre Lebensgemeinschaft nach Beendigung
entsprechend auszugestalten. Verliert der der Haft fortgesetzt wird. Der erstmalige Zu-
Stammberechtigte sein Aufenthaltsrecht, etwa zug ins Bundesgebiet zu einem in Haft (ohne
weil ein zwingender Ausweisungsgrund erfüllt offenen Vollzug) befindlichen Familienmitglied
wird, so entfällt auch der Grund für das Auf- kann während der Dauer der Inhaftierung je-
enthaltsrecht des Familienangehörigen, soweit doch nicht zur Herstellung der familiären Le-
noch nicht die Voraussetzungen für ein eigen- bensgemeinschaft führen.
ständiges Aufenthaltsrecht bestehen (vgl. hier-
zu Nummer 31.1 und 34.2) oder bereits eine 27.1.5 Die Aufenthaltserlaubnis darf vorbehaltlich
aufenthaltsrechtliche Verfestigung eingetreten Absatz 2 nur für eine dem Schutz des Artikels 6
ist (vgl. hierzu Nummer 9). Es kann nämlich die GG unterfallende familiäre Lebensgemein-
Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach- schaft erteilt werden. Besonders geschützt, und
träglich verkürzt werden (§ 7 Absatz 2 Satz 2). damit grundsätzlich einem Familiennachzug
In jedem Fall ist die Verlängerung der Aufent- zugänglich, ist die Gemeinschaft von Ehegatten
haltserlaubnis abzulehnen (§ 8 Absatz 1). Der sowie von Eltern mit ihren minderjährigen
akzessorische Konnex kommt auch beim Ar- Kindern (zu Adoptivkindern vgl. auch Num-
beitsmarktzugang zum Tragen. Nach § 29 Ab- mer 28.1.2.1 ff.). Der Nachzug von Stiefkindern
satz 5 berechtigt die dem Familienangehörigen bemisst sich grundsätzlich nach § 32 Absatz 1
erteilte Aufenthaltserlaubnis in gleicher Weise Nummer 2 als Nachzug zu bzw. – i. S. v. Zuzug
zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit wie sie – mit dem leiblichen Elternteil aufgrund dessen
dem Stammberechtigten – sowohl im positiven Aufenthaltsrechts (vgl. Nummer 32.0.5); nur in
(Zugang zum Arbeitsmarkt) als auch im nega- besonderen Konstellationen kommt ein Nach-
tiven Sinne (Beschränkungen) – gestattet ist zug zu dem Stiefelternteil aufgrund von § 36
Seite 1032 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Absatz 2 in Frage (vgl. Nummer 36.2.1.2). Bei aussetzung des Vorliegens einer ehelichen Le-
Pflegekindern ist der Nachzug jedoch auf § 36 bensgemeinschaft verpflichtet, seine Belange
Absatz 2 beschränkt (vgl. Nummer 36.2.1.2). und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht
Dort finden im Rahmen der Prüfung der au- offenkundig sind, geltend zu machen und die
ßergewöhnlichen Härte auch die Rechte der erforderlichen Nachweise über seine persönli-
leiblichen Eltern Berücksichtigung (vgl. Num- chen Verhältnisse etc. unverzüglich beizubrin-
mer 36.2.2.4). Zusätzlich ist das Einverständnis gen (siehe hierzu auch Nummer 82). Das be-
der Behörden des Heimatstaates des Kindes mit deutet, dass eine trotz aller Bemühungen ggf.
der Ausreise herzustellen. Ein Nachzug von verbleibende Unerweislichkeit von Tatsachen
volljährigen Kindern zu den im Bundesgebiet zu Lasten des Antragstellers geht.
lebenden Eltern ist grundsätzlich nicht von
27.1.9 Die §§ 27 ff. entfalten keine Sperrwirkung mit
§§ 27 ff. gedeckt. Sind diese Kinder jedoch auf-
Bezug auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln
grund besonderer Lebensumstände auf die Be-
zu anderen Zwecken. Werden die Herstellung
treuung der Eltern angewiesen, können sie un-
oder Wahrung einer familiären Lebensgemein-
ter den Voraussetzungen des § 36 Absatz 2
schaft nicht angestrebt, ist also zu prüfen, ob ein
Satz 1 nachziehen.
Aufenthaltstitel für einen anderen Zweck erteilt
27.1.6 Ein mit einem Ausländer in Mehrehe ver- werden kann. Dasselbe gilt, wenn von vorn-
bundener Ehegatte gehört nicht zu dem nach herein ausdrücklich ein Aufenthaltstitel zu
Artikel 6 GG schutzwürdigen Personenkreis, einem anderen Zweck beantragt wird. Es grei-
wenn sich bereits ein Ehegatte beim Ausländer fen in diesen Fällen nicht die in den §§ 27 ff.
im Bundesgebiet aufhält. Ebenso wenig fällt der genannten Einschränkungen ein, sondern nur
Nachzug zur Herstellung einer nichtehelichen die Voraussetzungen, die an die Erteilung des
Lebensgemeinschaft oder einer Zwangsehe un- Aufenthaltstitels zu dem anderen Zweck ge-
ter die Schutzwirkung des Artikels 6 GG (siehe knüpft sind. Wird der Aufenthaltstitel für den
hierzu auch Nummer 27.1a.2.1 f.). Eine anderen Zweck erteilt, ist der Familiennachzug
Zwangsverheiratung liegt vor, wenn mindestens als Zweck nicht anzugeben und im Aufent-
einer der zukünftigen Ehepartner mit Gewalt haltstitel auch nicht zu vermerken. Die tatsäch-
oder durch Drohung zur Eingehung der Ehe liche Herstellung einer familiären Lebens-
genötigt wird (besonders schwerer Fall der gemeinschaft ist hierdurch nicht unzulässig.
Nötigung nach § 240 Absatz 4 Satz 2 Num-
mer 1, 2. Alternative StGB). Von der Zwangs- 27.1a Ausdrücklicher Ausschlussgrund bei Schein-
verheiratung abzugrenzen ist die arrangierte ehe, Scheinverwandtschaftsverhältnissen
Ehe. Arrangierte Ehen unterscheiden sich da- und Zwangsverheiratung
durch von Zwangsverheiratungen, dass sie nicht
erzwungen sind, sondern letztlich auf dem frei- 27.1a.1 § 27 Absatz 1a Nummer 1 normiert einen aus-
en Willen beider Ehepartner beruhen. Der drücklichen Ausschlussgrund für den Ehe-
Übergang zwischen arrangierten und er- gattennachzug im Falle einer Scheinehe oder
zwungenen Ehen kann fließend, die Abgren- von Scheinverwandtschaftsverhältnissen, um
zung in der Praxis daher schwierig sein (siehe den Anreiz hierfür zu mindern.
hierzu Nummer 27.1a.2.1 f.). Zur lebens- 27.1a.1.1.0 Die formal wirksam geschlossene Ehe berech-
partnerschaftlichen Gemeinschaft vgl. Num- tigt für sich allein nicht zum Ehegattennachzug.
mer 27.2. Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen einer
ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine eheliche
27.1.7 Ein Familiennachzug zu Seeleuten nach § 27
Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen,
Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn diese nur
wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauer-
deshalb einen deutschen Aufenthaltstitel be-
haften, durch enge Verbundenheit und gegen-
sitzen, weil sie ihn nach § 4 Absatz 4 benötigen
seitigen Beistand geprägten Beziehung zusam-
und soweit deren Visum gemäß § 35 Nummer 3
menleben oder zusammenleben wollen. Vor-
AufenthV nicht der Zustimmung der Aus-
ausgesetzt ist somit eine Verbindung zwischen
länderbehörde bedarf. Da diese Seeleute im
den Eheleuten, deren Intensität über die einer
Bundesgebiet keinen Wohnsitz nehmen dürfen,
Beziehung zwischen Freunden in einer reinen
kann die familiäre Lebensgemeinschaft nicht im
Begegnungsgemeinschaft hinausgeht. Daneben
Bundesgebiet hergestellt werden.
vorliegende Motive bei der Eheschließung stel-
27.1.8 Wegen des Phänomens der Scheinehen, bei len jedenfalls dann keine missbräuchliche Ehe
denen das Bestehen einer familiären Lebens- i. S. d. § 27 Absatz 1a Nummer 1 dar, wenn
gemeinschaft nur zur Erlangung eines Aufent- gleichzeitig der Wille zu einer ehelichen Le-
haltsstatus vorgegeben wird, kann es in einzel- bensgemeinschaft im o. g. Sinn besteht.
nen Fällen erforderlich sein, eine Sachverhalts-
27.1a.1.1.1 Zur Beweislastverteilung siehe Nummer 27.1.8.
ermittlung durchzuführen (siehe hierzu
Die Vorschrift des 27 Absatz 1a Nummer 1 än-
Nummer 27.1a.1.1.2 ff.). Nach den allgemeinen
dert hieran nichts.
Grundsätzen ist nicht die Ausländerbehörde,
sondern der Antragsteller für seine Absicht, eine 27.1a.1.1.2 Die Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertre-
eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen, tung kann weitere Ermittlungen anstellen,
materiell beweisbelastet. Der Ausländer ist nach wenn im konkreten Einzelfall tatsächliche An-
§ 82 Absatz 1 Satz 1 auch in Bezug auf die Vor- haltspunkte dafür bekannt sind, dass zumindest
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1033

ein Ehegatte – entgegen seiner Aussage – keine 27.1a.1.1.3 Wird auf der Grundlage einer Scheinehe eine
eheliche Gemeinschaft herstellen will. Solche Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug
Anhaltspunkte können sich z. B. aus wider- beantragt, ist der Straftatbestand des § 95 Ab-
sprüchlichen bzw. unschlüssigen Angaben bei satz 2 Nummer 2 erfüllt, so dass die Aus-
der Antragstellung ergeben oder aus Erkennt- länderbehörde ggf. eine entsprechende Strafan-
nissen, die bei der Behörde vorliegen (weitere zeige stellen kann, die weitere Ermittlungen der
Beispiele siehe unter Nummer 27.1a.1.1.7). zuständigen Behörden nach sich zieht.
Verdachtsunabhängige durchgängige bzw. pau-
schale Ermittlungen und „Stichproben“ sind 27.1a.1.1.4 Im Rahmen des Visumverfahrens erfolgt die
nicht zulässig. Entscheidungsfindung im Regelfall in enger
Abstimmung mit der zuständigen Auslands-
Die Ausländerbehörden können dabei gemäß vertretung. Das gilt insbesondere für die Pro-
§ 86 – auch ohne Mitwirkung der Betroffenen gnose über die Absicht der Ehepartner, eine fa-
(§ 3 BDSG) – im geeigneten und erforderlichen miliäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet
Umfang personenbezogene Daten erheben und herstellen zu wollen. In diese Prognose sind
den Ehepartnern die Beibringung geeigneter sowohl die (im Ausland) gewonnenen Er-
Nachweise aufgeben, die ihre Absicht belegen, kenntnisse der Auslandsvertretung als auch die
eine familiäre Lebensgemeinschaft in Deutsch- (im Inland) gewonnenen Erkenntnisse der
land herzustellen. Die Sachverhaltsermittlung Ausländerbehörde einzubeziehen. Dies kann
beschränkt sich nicht nur auf die Feststellung insbesondere in Form einer zeitgleichen (ggf.
der familienrechtlichen Beziehung und das schriftlichen), getrennten Befragung des
Vorhandensein einer gemeinsamen Meldean- Stammberechtigten und des Ehegatten in der
schrift. Umgekehrt ist vorrangig unter Berück- Ausländerbehörde bzw. der Auslandsvertre-
sichtigung der Verdachtsmomente im Einzelfall tung, ggf. unter Beiziehung eines Dolmetschers,
nach Umständen außerhalb der engsten Privat- erfolgen.
sphäre der Ehegatten zu fragen (z. B. Umstände 27.1a.1.1.5 Nach Abschluss der Sachverhaltsermittlungen
des persönlichen Kennenlernens, Umstände der bzw. Befragungen ist im Rahmen einer Ge-
Hochzeit, Kenntnis über Familienverhältnisse samtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls
des Ehegatten, gemeinsame Lebensplanung in zu prüfen, ob die Herstellung einer ehelichen
Deutschland etc.). Unzulässig sind Fragen bzw. Lebensgemeinschaft in Deutschland beabsich-
Ermittlungen zur Intimsphäre der Ehegatten. tigt ist, oder ob feststeht, dass es sich aus-
Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die kon- schließlich um eine missbräuchliche Ehe-
krete Ausgestaltung einer Beistands- und Be- schließung nach § 27 Absatz 1a handelt.
treuungsgemeinschaft im Einzelfall Angelegen-
heit der Familienmitglieder ist; bei der Prüfung 27.1a.1.1.6 Umstände, die u. a. für die beabsichtigte Her-
ist die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte stellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft
zu berücksichtigen. Ob eine familiäre Lebens- sprechen können:
gemeinschaft im Sinne einer Beistands- und – gemeinsame Wohnung steht zur Verfügung
Betreuungsgemeinschaft vorliegt, kann nicht und soll bewohnt werden,
nur anhand der tatsächlichen Kontakte, son-
dern auch anhand der wirtschaftlichen Gestal- – Ehepartner kennen sich bereits länger und
tung des Zusammenlebens der Familienmit- machen hinsichtlich ihrer Personalien und
glieder festgestellt werden. Hierbei kann eine sonstiger für die Herstellung der ehelichen
Sachverhaltsermittlung insbesondere auch an- Lebensgemeinschaft entscheidender sowie
hand von Bankunterlagen (etwa gegenseitige beide Partner betreffender persönlicher
Bevollmächtigung zum Zugang zu Konten oder Umstände im Wesentlichen übereinstim-
gemeinsame Kreditaufnahme bei Ehegatten), mende Angaben,
sonstigen Vertragsunterlagen (bei gemein- – Ehepartner haben bereits vor der Ehe-
samem Bezug von Wasser, Strom, Telekom- schließung zusammengelebt,
munikationsdienstleistungen etc. durch Ehe-
gatten), Anhaltspunkten für die geteilte Über- – gegenseitige Besuche und andere nach-
nahme gemeinsamer Kosten (etwa Übernahme weisbare Kontakte, während ein Ehegatte
der Wohnkosten durch den einen Ehegatten im Inland, der andere im Ausland wohnt,
und der Kosten für ein Auto oder der Kinder- angemessene Beiträge der Ehepartner zu
betreuung durch den anderen Ehegatten) oder den Verpflichtungen aus der Ehe sind ge-
durch die Feststellung einer anderen Kosten- plant (z. B. Betreuung von Kindern, des
und Aufgabenverteilung innerhalb der Familie Haushalts, Sicherung der finanziellen
erfolgen. Aufgrund der vielfältigen Gestal- Grundlage der Ehe durch Arbeitsverhältnis
tungsmöglichkeiten der ehelichen Lebens- eines oder beider Ehepartner/s),
führung ist eine Beibehaltung der Trennung – sonstige gemeinsame Lebensplanung ist er-
wirtschaftlicher Belange für sich genommen kennbar,
noch kein zwingender Beleg für eine Scheinehe; – Zahlung von Unterhaltsleistungen eines
umgekehrt ist aber die gemeinsame Wirt- Ehepartners an den anderen.
schaftsführung ein Indiz, das zugunsten der
Antragsteller für das Vorliegen einer ehelichen 27.1a.1.1.7 Umstände, die u. a. vermuten lassen, dass trotz
Lebensgemeinschaft zu werten ist. formal geschlossener Ehe keine Herstellung
Seite 1034 GMBl 2009 Nr. 42– 61

einer familiären Lebensgemeinschaft in menden so genannten „arrangierten Eheschlie-


Deutschland beabsichtigt ist: ßungen“ (zum Begriff vgl. Nummer 27.1a.2.1)
– Ehepartner sind sich vor ihrer Ehe nie oder ist zu berücksichtigen, dass bei der persönlichen
nur auffallend kurz begegnet, Vorsprache des Antragstellers insoweit Fragen
nach näherer Kenntnis der jeweiligen familiären
– Ehepartner machen widersprüchliche An- und sozialen Lebensumstände naturgemäß für
gaben zu ihren jeweiligen Personalien sich kaum geeignet sind, um auf das Vorliegen
(Name, Adresse, Staatsangehörigkeit, Be- einer aufenthaltsrechtlichen Scheinehe zu
ruf), den (objektivierbaren) Umständen ih- schließen. In diesen Fällen ist stattdessen abzu-
res Kennenlernens oder sonstigen sie be- stellen auf Anhaltspunkte für eine Absicht, sich
treffenden wichtigen persönlichen Infor- ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland zu
mationen. (Hinweis: Unter „wichtigen verschaffen (beispielsweise mehrere Vorehen
persönlichen Informationen“ sind nur An- oder unerlaubte Aufenthalte im Schengen-Ge-
gaben außerhalb der Intimsphäre zu ver- biet des in Deutschland lebenden Ehegatten),
stehen, die für beide Ehepartner und die ge- Fragen nach Einzelheiten des persönlichen bzw.
plante Herstellung einer Lebensgemein- Familientreffens zur Vermittlung der Ehe bzw.
schaft von wesentlicher Bedeutung sind. zur Kenntnis über die Familie des Ehepartners,
Gemeint sind nicht Gewohnheiten der Le- Fragen zu Vorkehrungen für die tatsächliche
bensführung eines Ehepartners, die für die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft
Herstellung einer Lebensgemeinschaft ohne nach Zuzug ins Bundesgebiet, Fragen zur per-
ausschlaggebende Relevanz sind oder deren sönlichen Lebensplanung in Bezug auf das ehe-
Kenntnis erst bei Bestehen einer lang- liche Zusammenleben nach der Eheschließung
jährigen ehelichen Lebensgemeinschaft ver- und Fragen zu Vereinbarungen der Familien bei
nünftigerweise erwartet werden kann), der Ehevermittlung, welche als auf die erfolg-
– Ehepartner sprechen keine für beide ver- reiche Herstellung der Lebensgemeinschaft ge-
ständliche Sprache und es gibt auch keine richtet erscheinen.
erkennbaren Bemühungen zur Herstellung
einer gemeinsamen Kommunikationsbasis, 27.1a.1.1.9 Ggf. kann die Ausländerbehörde bei ver-
bleibenden Zweifeln, die (noch) nicht die Ver-
– für das Eingehen der Ehe wird ein Geld- sagung des Aufenthaltstitels rechtfertigen, nach
betrag an den Ehegatten übergeben (abge- dem Zuzug zunächst eine kurz befristete Auf-
sehen von im Rahmen einer Mitgift über- enthaltserlaubnis erteilen, um anlässlich der
gebenen Beträgen bei Angehörigen von Verlängerung das tatsächliche Bestehen der
Drittländern, in denen das Einbringen einer ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland
Mitgift in die Ehe oder das Übergeben eines festzustellen (siehe zur Dauer der Aufenthalts-
Geldbetrages an die Eltern gängige Praxis erlaubnis Nummer 28.1.6 und 30. 0. 11).
ist),
– Fehlen einer Planung über eine angemessene 27.1a.1.2 § 27 Absatz 1a Nummer 1, 2. Alternative stellt
Verteilung der Beiträge der Ehepartner zu klar, dass ein Recht auf Kindernachzug von
den Verpflichtungen aus der Ehe, vornherein nicht besteht, wenn das zugrunde
liegende Verwandtschafts- bzw. Kindschafts-
– Fehlen einer sonstigen gemeinsamen Le- verhältnis keinem anderen Zweck dient, als dem
bensplanung oder erhebliche Abweichun- Kind zu einem Aufenthaltsrecht in Deutsch-
gen in diesem Punkt (möglicher Rück- land zu verhelfen. Damit soll Formen des
schluss auf mangelnde Kommunikation und „Handelns“ mit Kindern aus so genannten Ar-
persönlichen Austausch zwischen den Ehe- mutsregionen entgegengewirkt werden. In Fäl-
leuten), len von Visumanträgen zum Nachzug von im
– es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Ausland adoptierten (ausländischen) Kindern
ein oder beide Ehegatte/n schon früher ist zunächst die zivilrechtliche Vorfrage zu
Scheinehen eingegangen ist/sind oder sich prüfen, ob die Auslandsadoption anerken-
unbefugt bzw. im Rahmen eines Asylantrags nungsfähig ist (vgl. hierzu Nummer 28.1.2.1).
in einem EU-Mitgliedstaat aufgehalten hat/ Im Fall der Anerkennung ist aufenthalts-
haben (erkennbare Absicht, einen Aufent- rechtlich zu prüfen, ob ausnahmsweise eine den
halt zu begründen, auch unabhängig vom Nachzug ausschließende so genannte Schein-
Ehepartner). adoption i. S. d. § 27 Absatz 1a gegeben ist. Dies
ist nicht der Fall, wenn das Ziel der Adoption
27.1a.1.1.8 Die Beurteilung richtet sich nach den Um- die Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung
ständen des Einzelfalls und dem ortsüblichen und das Zusammenleben in einer Familie ist,
Verständnis von der Ehe. Hieraus kann sich und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse
auch ergeben, dass einer der genannten Um- im Bundesgebiet günstiger sind als im Her-
stände für die Prognose nicht erheblich ist oder kunftsland, unter Umständen eines der Motive,
nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gleich- aber nicht das alleinige Motiv der konkreten
zeitig können sich aus kulturellen Besonder- Adoption darstellt.
heiten weitere Kriterien schlussfolgern lassen,
die für die Prognoseentscheidung im Einzelfall 27.1a.1.3 Auf ein durch missbräuchliche Vaterschaftsan-
herangezogen werden können. In Bezug auf die erkennung begründetes Kindschaftsverhältnis
in verschiedenen Herkunftsländern vorkom- ist § 27 Absatz 1a Nummer 1 ebenfalls an-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1035

wendbar. Allerdings ist grundsätzlich das Ver- tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme
fahren der behördlichen Anfechtung nach einer Zwangsverheiratung vorliegen (siehe
§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 BGB zu beachten, hierzu, insbesondere auch zum Begriff der
welches durch die ausländerrechtlichen Rege- Zwangsverheiratung Nummer 27.1.6). Keine
lungen der §§ 79 Absatz 2, 87 Absatz 6 und 90 Zwangsverheiratung i. S. v. § 27 Absatz 1a
Absatz 5 flankiert wird (vgl. Nummer 79.2, Nummer 2 liegt im Fall so genannter arran-
87.6 sowie 90.5). Danach besteht für – von den gierter Ehen vor, welche als traditionelle soziale
Ländern zu bestimmende – Behörden ein Recht Form von Eheschließungen in verschiedenen
zur Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung Herkunftsländern vorkommen. Bei diesen ist in
vor dem Familiengericht, wenn sie den be- Abgrenzung von der Zwangsehe wesentlich,
gründeten Anfangsverdacht haben, dass der dass trotz der vorherigen familiären Abspra-
Anerkennende nicht der biologische Vater ist chen und meist nur kurzer vorheriger Be-
und zwischen ihm und dem Kind keine sozial- gegnung der Verlobten (oft im Beisein der Fa-
familiäre Beziehung (Verantwortungsgemein- milie) die Betroffenen den empfohlenen Ehe-
schaft) besteht oder im Zeitpunkt der Aner- gatten letztlich auch „ablehnen“ können, d. h.
kennung oder des Todes des Anerkennenden es wird eine freiwillige Entscheidung zur Ehe-
bestanden hat, und durch die Anerkennung schließung getroffen. Diese Form von arran-
rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte gierter Eheschließung ist damit ungeachtet ihres
Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des vermittelten Zustandekommens und unter
Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden Umständen überwiegend anderer Motive auch
(§ 1600 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 3 BGB). auf die freiwillige Herstellung einer ehelichen
Das Anfechtungsrecht gilt auch für die im Lebensgemeinschaft gerichtet und somit auf-
Ausland erfolgte Anerkennung von Vater- enthaltsrechtlich schutzwürdig. Insbesondere
schaften ohne sozial-familiären Bezug. An- die Abgrenzung zwischen arrangierter Ehe-
hängige Verfahren auf Erteilung oder Ver- schließung und Zwangsehe kann im Einzelfall
längerung eines Aufenthaltstitels hat die Aus- schwierig sein und verlangt eine sorgfältige Er-
länderbehörde bzw. Auslandsvertretung ab mittlung und Bewertung aller gegebenen Um-
Eingang einer Mitteilung nach § 87 Absatz 6 stände. Bei den (getrennten) Befragungen, die
oder ab Abgabe ihrer Mitteilung nach § 90 Ab- durchgeführt werden sollten, ist stets darauf zu
satz 5 bis zur Entscheidung der anfechtungsbe- achten, dass auf Opfer von Zwangsehen kein
rechtigten Behörde bzw. im Fall der Klageer- physischer und/oder psychischer Druck durch
hebung bis zur Rechtskraft der familienge- das familiäre Umfeld ausgeübt wird, und daher
richtlichen Entscheidung über die Anfechtung insbesondere keine weiteren Personen aus dem
grundsätzlich auszusetzen (§ 79 Absatz 2 familiären Umfeld der Betroffenen anwesend
Nummer 2, siehe hierzu Nummer 79.2). Die sein dürfen. Erfahrungsgemäß wird es häufig zu
von dem Familiengericht im Anfechtungsver- widersprüchlichen Aussagen der Betroffenen
fahren nach § 1600 Absatz 3 BGB getroffene bei der Frage kommen, ob sie zur Eingehung
Entscheidung über das Bestehen der Vaterschaft der Ehe gezwungen wurden. Dies kann einer-
ist für die aufenthaltsrechtliche Entscheidung seits auf eine Verunsicherung der Betroffenen
maßgeblich. Eine hiervon abweichende Ent- über ihre eigenen Gefühle, andererseits auch
scheidung nach § 27 Absatz 1a Nummer 1 ist darauf zurückzuführen sein, dass Opfer von
nicht zulässig. Teilt die anfechtungsberechtigte Zwangsverheiratungen massiv unter Druck ge-
Behörde hingegen mit, keine Anfechtungsklage setzt werden.
zu erheben, und hält die Ausländerbehörde
27.1a.2.2 Nach § 27 Absatz 1a Nummer 2 genügen für
bzw. Auslandsvertretung ihre Bedenken weiter
die Versagung des Aufenthaltstitels tatsächliche
aufrecht, so bleibt – im Hinblick auf die Einheit
Anhaltspunkte für eine Zwangsverheiratung.
der Rechtsordnung – bei ernsthaften Zweifeln
Damit wird auch der menschenrechtliche
eine Gegenvorstellung bei der anfechtungsbe-
Schutz der Betroffenen berücksichtigt. Das Er-
rechtigten Behörde und in eng gelagerten Aus-
fordernis tatsächlicher Anhaltspunkte im Ein-
nahmefällen eine Entscheidung nach § 27 Ab-
zelfall schließt jedoch aus, das Vorliegen des
satz 1a Nummer 1 möglich. Dies kommt ins-
Versagungsgrundes aufgrund bloßer Vermu-
besondere in Betracht, falls die Mitteilung der
tungen oder Hypothesen oder in systematischer
anfechtungsberechtigten Behörde keine sach-
Weise auf Verdacht zu prüfen.
liche Begründung bzw. Auseinandersetzung
mit dem Anlassfall erkennen lässt. Dann kann
beispielsweise trotz der Tatsache, dass das Kind 27.2 Herstellung und Wahrung einer lebens-
aufgrund der missbräuchlichen Vaterschaftsan- partnerschaftlichen Gemeinschaft
erkennung die deutsche Staatsangehörigkeit er- 27.2.1 Unter dem Begriff der lebenspartnerschaft-
worben hat, der Mutter, die mit dem aner- lichen Gemeinschaft sind Gemeinschaften zu
kennenden Mann kollusiv zusammengearbeitet verstehen, die von zwei gleichgeschlechtlichen
hat, um sich und dem Kind den Aufenthalt im Lebenspartnern i. S. d. LPartG gebildet werden.
Bundesgebiet zu ermöglichen, die Aufenthalts-
erlaubnis versagt werden. 27.2.2 Nach ausländischem Recht geschlossene
gleichgeschlechtliche Partnerschaften fallen
27.1a.2.1 Nach § 27 Absatz 1a Nummer 2 ist ein Fami- unter den Begriff der „Lebenspartnerschaft“,
liennachzug auch dann nicht zuzulassen, wenn wenn die Partnerschaft staatlich anerkannt ist
Seite 1036 GMBl 2009 Nr. 42– 61

und sie in ihrer Ausgestaltung der deutschen 27.3.2 Die Voraussetzungen des Absatzes 3 sind er-
Lebenspartnerschaft im Wesentlichen ent- füllt, wenn infolge des Nachzuges ein Anspruch
spricht. Eine wesentliche Entsprechung liegt auf Leistungen nach dem SGB II oder XII ent-
vor, wenn das ausländische Recht von einer Le- stehen würde, aber auch dann, wenn ein solcher
bensgemeinschaft der Partner ausgeht und ins- Anspruch bereits ohne den Nachzug besteht.
besondere wechselseitige Unterhaltspflichten Der Versagungsgrund kann insbesondere ent-
der Lebenspartner und die Möglichkeit der stehen, wenn die Person, zu der der Nachzug
Entstehung nachwirkender Pflichten bei der stattfindet, geschieden ist und sie dem früheren
Auflösung der Partnerschaft vorsieht. Ehegatten oder Kindern aus früherer Ehe zum
Unterhalt verpflichtet ist. Die Feststellung des
27.2.3 Die Lebenspartnerschaft endet außer durch Tod Angewiesenseins i. S. d. § 27 Absatz 3 Satz 1
und Aufhebung auch mit der Eheschließung entfällt in diesem Fall nicht dadurch, dass trotz
einer der Lebenspartner. der Unterhaltsverpflichtung der Unterhalt bis-
lang nicht geleistet wird.
27.2.4 Für die Herstellung und Wahrung einer lebens-
partnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundes- 27.3.3 Bei der Interessenabwägung ist maßgeblich zu
gebiet finden § 27 Absatz 1a und 3, § 9 Ab- berücksichtigen, in welchem Umfang der
satz 3, § 9c Satz 2, §§ 28 bis 31 sowie § 51 Ab- Nachzug voraussichtlich zu einer Erhöhung
satz 2 entsprechende Anwendung. solcher öffentlicher Leistungen führt; uner-
heblich sind dabei die in § 2 Absatz 3 Satz 2
27.3 Absehen von der Erteilung der Aufenthalts- genannten Leistungen. Es spricht für eine Er-
erlaubnis in Fällen des Angewiesenseins auf teilung des Aufenthaltstitels, wenn nachweis-
Leistungen nach dem SGB II oder XII lich (z. B. Beschäftigungszusage oder -vertrag)
in Aussicht steht, dass der nachziehende Aus-
27.3.1 Selbst wenn die Voraussetzungen eines gesetz- länder in Deutschland ein ausreichendes Ein-
lichen Anspruchs auf Erteilung oder Verlänge- kommen erzielen wird oder über Vermögen
rung des Aufenthaltstitels vorliegen, kann die- verfügt, aus dem dauerhaft sein Lebensunter-
ser im Ermessenswege versagt werden, wenn halt gesichert sein wird. Bei der Prognose sind
die Person, zu der der Nachzug stattfindet, un- auch Unterhaltsleistungen des nachziehenden
abhängig von deren Staatsangehörigkeit für den Familienangehörigen zu berücksichtigen, die
Unterhalt er aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung
übernehmen muss oder voraussichtlich, auch
– von mindestens einem ausländischen oder ohne eine solche Verpflichtung, übernehmen
deutschen Familienangehörigen, selbst wird.
wenn diese nicht im selben Haushalt leben,
oder 27.3.4 Ein Aufenthaltstitel zum Familiennachzug ist
bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen re-
– von mindestens einem anderen Haushalt- gelmäßig zu erteilen, wenn nachweislich in
sangehörigen, unabhängig von dessen Aussicht steht, dass der nachziehende Aus-
Staatsangehörigkeit oder dessen familien- länder nachhaltig imstande und bereit sein wird,
rechtlicher Stellung gegenüber der Person, in Deutschland lebende Personen, die bislang
zu der ein Nachzug stattfinden soll, ihren Lebensunterhalt aus öffentlichen Leis-
tungen bestritten haben, nach seinem Nachzug
auf Leistungen nach dem SGB II oder XII an-
zu unterstützen und so die Gesamthöhe öffent-
gewiesen ist. Ob tatsächlich Leistungen nach
licher Leistungen zu verringern.
dem SGB II oder XII bezogen werden oder be-
antragt worden sind, ist unerheblich; es kommt 27.3.5 Nummer 27.3.4 gilt entsprechend in Fällen der
nur darauf an, ob ein Anspruch besteht. Im Fall Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn
der Erwerbstätigkeit sind bei der Berechnung andernfalls das Einkommen oder das Vermögen
des verfügbaren Einkommens die so genannten des nachgezogenen Ausländers als Mittel zum
Erwerbstätigenfreibeträge nach § 11 i. V. m. Lebensunterhalt für andere im Bundesgebiet
§ 30 SGB II abzuziehen, da diese sozialhilfe- wohnhafte Personen wegfallen würde. Gleiches
rechtlich nicht zur Deckung des Bedarfs her- gilt, wenn wegen einer Ausreise ins Ausland
angezogen werden dürfen. Durch den Zuzug Unterhaltsansprüche nicht oder schwerer
von Familienangehörigen soll die Sicherung des durchsetzbar sind und daher wahrscheinlich ist,
Lebensunterhalts auch für die Personen nicht in dass aufgrund der Ausreise des nachgezogenen
Frage gestellt werden, denen der Unterhalts- Ausländers öffentliche Leistungen in größerem
verpflichtete, zu dem der Familiennachzug Umfang von anderen Personen in Anspruch
stattfindet, bisher Unterhalt geleistet hat. Dies genommen werden.
gilt z. B., soweit beim Nachzug von Familien-
angehörigen aus einer späteren Ehe die aus einer 27.3.6 § 27 Absatz 3 wird nicht dadurch verdrängt,
früheren Ehe unterhaltsberechtigten Personen dass die Lebensunterhaltssicherung des Nach-
nicht mehr ohne Inanspruchnahme von Leis- ziehenden selbst in einigen in §§ 28 und 29 ge-
tungen nach dem SGB II oder XII mit aus- regelten Fällen nicht erforderlich ist. Diese An-
reichendem Unterhalt rechnen können, weil der spruchstatbestände wandeln sich bei Vorliegen
Unterhalt vorrangig den hinzukommenden Fa- der Voraussetzungen des § 27 Absatz 3 in Er-
milienangehörigen gewährt wird. messenstatbestände um.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1037

27.3.7 Neben der Regelung des § 27 Absatz 3 ist, wo L 251 S. 12, so genannte Familiennachzugricht-
dies nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, auch die linie) besteht die grundsätzliche Verpflichtung,
allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 die erstmalige Aufenthaltserlaubnis zur Her-
Absatz 1 Nummer 1 zu beachten. Ist der Le- stellung der familiären Lebensgemeinschaft in
bensunterhalt auch des nachziehenden Aus- den von der Richtlinie erfassten Fällen mit einer
länders nicht gesichert i. S. d. § 5 Absatz 1 Geltungsdauer von mindestens einem Jahr zu
Nummer 1 i. V. m. § 2 Absatz 3, kommt die Er- erteilen. In Fällen, in denen nach der bisherigen
teilung eines Aufenthaltstitels regelmäßig nicht Verwaltungspraxis eine längere Regelbefristung
in Betracht. Dies gilt nicht in den Fällen nach gehandhabt wird (siehe Nummer 28.1.6), kann
§ 28 Absatz 1 Satz 2, § 29 Absatz 2 Satz 2, § 29 dies auch weiterhin erfolgen, da Satz 4 nur eine
Absatz 4, § 33 Satz 2 und § 34 Absatz 1 und Grenze vorgibt, die nicht unterschritten werden
§ 36 Absatz 1, in denen die Anwendung des § 5 darf. Eine kürzere Befristung ist jedoch in Fäl-
Absatz 1 Nummer 1 ausgeschlossen ist. Bei jü- len des Satzes 1 vorzusehen, wenn die Aufent-
dischen Zuwanderern, die nicht die deutsche haltserlaubnis des Stammberechtigten, zu dem
Staatsangehörigkeit haben, ist für nicht von der der Nachzug erfolgt, eine Geltungsdauer von
Aufnahmezusage umfasste Ehegatten und min- einem Jahr nicht mehr aufweist. Durch die Re-
derjährige ledige Kinder der Nachzug i. d. R. gelung in den Sätzen 2 und 3 werden Artikel 19
ebenfalls von der Sicherung des Lebensunter- Absatz 3 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates
halts abhängig (anders bei jüdischen Zuwande- vom 25. November 2003 betreffend die
rern mit deutscher Staatsangehörigkeit). Rechtsstellung der langfristig Aufenthalts-
berechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU
Sofern in den Fällen des § 28 Absatz 1 Satz 4,
2004 Nummer L 16 S. 44; so genannte Dauer-
§ 29 Absatz 2 Satz 1, § 30 Absatz 3 und § 33
aufenthalt-Richtlinie) und Artikel 9 Absatz 1
Satz 1 von § 5 Absatz 1 Nummer 1 abgewichen
der Richtlinie 2005/71/EG des Rates vom
werden kann, hat dies zur Folge, dass die man-
12. Oktober 2005 über ein besonderes Zulas-
gelnde Sicherung des Lebensunterhaltes nicht
sungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum
regelmäßig zur Versagung des Aufenthaltstitels
Zweck der wissenschaftlichen Forschung (ABl.
führt. Jedoch ist sie bei der Ermessensent-
EU Nummer L 289 S. 15, so genannte For-
scheidung über die Erteilung oder Verlängerung
scherrichtlinie) umgesetzt. Die vorgeschriebene
des Aufenthaltstitels als Abwägungskriterium
Gültigkeitsdauer entspricht der bisherigen Er-
heranzuziehen.
teilungspraxis, musste aber zur Umsetzung der
Zur Berücksichtigung der Lebensunterhalts- genannten Vorgaben der Richtlinien ausdrück-
sicherung in den Fällen des § 28 Absatz 1 Satz 3 lich geregelt werden.
vgl. Nummer 28.1.1.0.
27.3.8 Bei der Interessenabwägung sind zudem neben
28 Zu § 28 – Familiennachzug zu Deutschen
dem aufenthaltsrechtlichen Status und der
Dauer des bisherigen Aufenthaltes der Person,
28.1 Voraussetzungen der erstmaligen Erteilung
zu der der Nachzug stattfindet, die in § 55 Ab-
satz 3 und § 56 genannten Gesichtspunkte in 28.1.1.0 Ist einer der Ehepartner Deutscher (vgl. Num-
Bezug auf den nachziehenden Ausländer zu mer 2.1.1), so ist zu beachten, dass Artikel 6
berücksichtigen. GG gegenüber dem deutschen Staatsange-
27.3.9 Die Regelung nach § 27 Absatz 3 Satz 2, wo- hörigen eine besondere Wirkung entfaltet. Ihm
nach bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaub- soll es grundsätzlich nicht verwehrt werden,
nis zum Familiennachzug von § 5 Absatz 1 seine Ehe- und Familiengemeinschaft in
Nummer 2 abgesehen werden kann, bezieht Deutschland zu führen. Daher besteht für den
sich nicht nur auf den Ausweisungsgrund nachziehenden Ausländer ein gesetzlicher An-
„Inanspruchnahme von Sozialhilfe“, sondern spruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaub-
auf alle Ausweisungsgründe. nis, sofern der deutsche Ehegatte seinen ge-
wöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat
und die weiteren Zuzugsvoraussetzungen vor-
27.4 Grundsatz der Zweckbindung und Akzesso-
liegen. Bei Personen, die als Spätaussiedler oder
rietät
Einbezogene in einen Aufnahmebescheid ein-
§ 27 Absatz 4 schreibt den dem deutschen Auf- getragen sind, richtet sich der Familiennachzug
enthaltsrecht zugrunde liegenden Grundsatz weiterer Angehöriger nach den Vorschriften des
der Zweckbindung und akzessorischen Ver- Familiennachzugs zu Deutschen, auch wenn
knüpfung zum Aufenthaltsrecht des Stamm- Spätaussiedler oder Einbezogener sich zur Zeit
berechtigten fest (siehe Nummer 27.1.3). Da- der Entscheidung über den Familiennachzug
nach darf die Aufenthaltserlaubnis des nach- noch in den Herkunftsgebieten aufhalten. Beim
ziehenden Familienangehörigen nur für den gewöhnlichen Aufenthalt ist darauf abzustellen,
Zeitraum erteilt und verlängert werden, für den ob eine Person an dem Ort nicht nur vorüber-
auch der Stammberechtigte über einen gültigen gehend verweilt. Die Sicherung des Lebens-
Aufenthaltstitel verfügt. Nach Artikel 13 Ab- unterhaltes (§ 5 Absatz 1 Nummer 1, § 2 Ab-
satz 2 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom satz 3) ist wegen des uneingeschränkten Auf-
22. September 2003 betreffend das Recht auf enthaltsrechts von Deutschen im Bundesgebiet
Familienzusammenführung (ABl. EU Nummer gemäß § 28 Absatz 1 Satz 3 im Regelfall keine
Seite 1038 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Voraussetzung für den Ehegattennachzug zu matrechte beider Eheschließender genügt. Das


Deutschen und nicht durchgängig zu prüfen. Ortsrecht ist gewahrt, wenn die am Ort der
Bei Vorliegen besonderer Umstände kann je- Eheschließung geltenden Formvorschriften be-
doch auch der Ehegattennachzug zu Deutschen achtet worden sind. Religiöse Ehen stehen den
von dieser Voraussetzung abhängig gemacht vor staatlichen Stellen geschlossenen Ehen
werden. Besondere Umstände können bei Per- gleich, wenn sie am Ort der Eheschließung in
sonen vorliegen, denen die Herstellung der der konkret vollzogenen Weise staatlich aner-
ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zu- kannt sind; Gleiches gilt für Nottrauungen.
mutbar ist. Dies kann in Einzelfällen in Be- Ehen, die durch Stellvertreter im Willen ge-
tracht kommen bei Doppelstaatern in Bezug auf schlossen werden, d. h. bei denen die Auswahl
den Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie neben des Partners und Entscheidung über die Ehe-
der deutschen besitzen, oder bei Deutschen, die schließung im Rahmen der Vertretungsmacht
geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten liegt, verstoßen gegen den deutschen ordre
gelebt und gearbeitet haben und die Sprache public (Artikel 6 EGBGB) und sind daher in
dieses Staates sprechen. Darüber hinaus kann Deutschland unwirksam; hiervon zu unter-
unter den Voraussetzungen des § 27 Absatz 3 scheiden sind Ehen, bei denen ein oder beide
trotz des grundsätzlich bestehenden Anspruchs Partner die Konsenserklärung vor dem Trau-
die Aufenthaltserlaubnis verweigert werden; ungsorgan durch eine Mittelsperson (Boten)
vgl. näher Nummer 27.3. Im Rahmen der nach abgeben, die ohne eigene Entscheidungsfreiheit
§ 27 Absatz 3 erforderlichen Ermessensabwä- in der Trauungszeremonie für den abwesenden
gung ist maßgeblich darauf abzustellen, dass Verlobten auftritt. Die Zulässigkeit des Auf-
dem Deutschen regelmäßig nicht zugemutet tretens eines solchen Boten bei der Ehe-
werden kann, die familiäre Lebensgemeinschaft schließung ist nach dem für die Form maßgeb-
im Ausland zu leben, und dass der besondere lichen Recht zu beurteilen. Die so genannte
grundrechtliche Schutz aus Artikel 6 GG ein- Handschuhehe durch Boten kann daher nach
greift. Artikel 11 Absatz 1, 2. Alternative EGBGB
ohne Rücksicht auf die Heimatrechte der Ver-
28.1.1.1 Bei Ehegatten von Spätaussiedlern und von in lobten in der Ortsform gültig geschlossen wer-
den Aufnahmebescheid einbezogenen Ab- den. Das bedeutet, die Eheschließung ist wirk-
kömmlingen liegt kein atypischer Fall vor, der sam, wenn nach dem Ortsrecht eine Ehe durch
es rechtfertigen würde, den Nachzug von der Boten zulässig ist. Der Ort der Eheschließung
Lebensunterhaltssicherung abhängig zu ma- liegt in dem Staat, in dem die Trauungszeremo-
chen. Nach der vertriebenenrechtlichen nie stattfindet, also dort, wo das Trauungsorgan
Grundentscheidung, dass Spätaussiedler und die Ehewillenserklärungen unter Einhaltung
ihre Familienangehörigen auf Grund ihres be- der vorgeschriebenen Förmlichkeiten mit ehe-
sonderen Kriegsfolgenschicksals in Deutsch- schließender Wirkung zur Kenntnis nimmt.
land Aufnahme finden sollen, ist für Spätaus- Wird eine Konsenserklärung in Deutschland
siedler und ihre Ehegatten die Wahrung der durch einen Dritten abgegeben, scheitert eine
ehelichen Lebensgemeinschaft im jeweiligen wirksame Eheschließung bereits an Artikel 13
Aussiedlungsgebiet nicht zumutbar. Diese Absatz 3 Satz 1 EGBGB, soweit keine Aus-
Grundentscheidung würde unterlaufen, wenn nahme nach Artikel 13 Absatz 3 Satz 2 EGBGB
der Ehegattennachzug zu den deutschen Spä- vorliegt. Ferntrauungen sind allenfalls in Not-
taussiedlern mit der Begründung versagt würde, situationen anzuerkennen. Zur Erteilung von
die eheliche Lebensgemeinschaft sei im Her- Visa und Aufenthaltserlaubnissen vor der Ehe-
kunftsstaat zumutbar, da die Eheleute dort ge- schließung vgl. Nummer 30.0.
raume Zeit gelebt und gearbeitet haben und die
Sprache dieses Staates sprechen oder der Spät- 28.1.2 Ein Kind eines Deutschen, das einen Nach-
aussiedler eine doppelte Staatsangehörigkeit zugsanspruch nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2
besitzt. Entsprechendes gilt für jüdische Zu- geltend macht, darf nicht verheiratet, ge-
wanderer, die (mittlerweile) die deutsche schieden oder verwitwet sein und darf das 18.
Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. aber zu jüdi- Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
schen Zuwanderern ohne deutsche Staatsange- 28.1.2.1 Vorrangig ist zu prüfen, ob das Kind durch
hörigkeit Nummer 27.3.7). Geburt, Legitimation oder Adoption (§§ 4 und
6 StAG sowie bis zum 30. Juni 1998 § 5 RuS-
28.1.1.2 Bei Anwendung des Absatzes 1 Satz 1 Num- tAG) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt
mer 1 kommt es nicht darauf an, ob die Ehe in und daher die Ausstellung eines deutschen Rei-
Deutschland oder im Ausland geschlossen sepasses in Betracht kommt.
wurde. Nach Artikel 13 Absatz 1 EGBGB wird
für die materiellen Voraussetzungen der Ehe- Im Fall der Auslandsadoption kann der Nach-
schließung auf das Recht des jeweiligen Hei- weis des Erwerbs der deutschen Staatsangehö-
matstaats der Verlobten verwiesen. Bei jeder rigkeit mittels eines Staatsangehörigkeitsaus-
Eheschließung muss hinsichtlich der Form der weises geführt werden. Die Anerkennungsfä-
Eheschließung zudem das Geschäftsrecht oder higkeit eines ausländischen Adoptionsdekrets
das Ortsrecht beachtet worden sein. Das Ge- sowie deren Wirkungen können durch einen
schäftsrecht ist gewahrt, wenn die Form der Feststellungsbeschluss gemäß § 2 Absatz 2
Eheschließung den Formvorschriften der Hei- Nummer 1 AdWirkG („starke“ Adoption oder
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1039

ggf. Volladoption) bzw. Umwandlungsaus- Bundesamts für Justiz (verfügbar im Internet


spruch gemäß § 3 AdWirkG des deutschen unter www.bundesjustizamt.de).
Vormundschaftsgerichts nachgewiesen werden.
Die für den Staatsangehörigkeitserwerb er- 28.1.2.2 Für den Einreise- und Aufenthaltszweck der
forderliche annähernde Gleichstellung der Herstellung einer familiären Lebensgemein-
rechtlichen Wirkungen der ausländischen Ad- schaft zwischen Adoptionsbewerbern und dem
option mit denen des deutschen Rechts liegt in aufzunehmenden Kind (Adoptionspflege) ent-
aller Regel auch bei den „starken“ Adoptionen hält § 6 AdÜbAG eine besondere Rechts-
vor. grundlage. Handelt es sich dabei um einen Fall
der Adoption eines Kindes aus einem Nicht-
Ist die Anerkennungsfähigkeit eines aus- vertragsstaat des Haager Übereinkommens
ländischen Adoptionsdekrets offenkundig (vgl. zum Schutz von Kindern und die Zusammen-
zu Anerkennungshindernissen § 109 Absatz 1 arbeit auf dem Gebiet der internationalen Ad-
FamFG) und bestehen keine Zweifel hinsicht- option, kann § 6 AdÜbAG dann analoge
lich der „starken“ Wirkungen des ausländischen Anwendung finden, wenn ein Adoptionsver-
Adoptionsrechts, kann auf die vorgenannten mittlungsvorschlag der Behörden des Her-
Nachweise verzichtet werden und die Fest- kunftsstaates vorliegt (nicht aber, wenn seitens
stellung des Erwerbs der deutschen Staatsange- des Herkunftsstaates lediglich ein Pflegever-
hörigkeit aufgrund der betreffenden Auslands- hältnis oder eine Vormundschaft vermittelt
adoption inzidenter getroffen werden. werden soll, vgl. hierzu auch Num-
mer 36.2.1.2).
Dabei ist für die Anerkennungsfähigkeit maß-
28.1.2.3 Außer im Fall des Geburtserwerbs ist es uner-
geblich auf eine den Anforderungen des deut-
heblich, ob der betreffende Elternteil auch bei
schen Rechts genügende Kindeswohlprüfung
der Geburt des Kindes die deutsche Staatsan-
abzustellen. Diese setzt voraus, dass der Adop-
gehörigkeit besaß. Ist nur der Vater Deutscher,
tionsentscheidung eine fachliche Begutachtung
muss eine nach deutschem Recht als wirksam
der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die
zu wertende Vaterschaftsanerkennung vor-
deren Lebensumstände annähernd vollständig
liegen. Diese muss nicht notwendigerweise
erfassen muss (vgl. Begründung des Gesetzes
nach den Vorschriften der §§ 1592, 1594 BGB
zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet
zustande gekommen sein. Denkbar ist auch eine
der internationalen Adoption und zur Weiter-
wirksame Vaterschaftsanerkennung, die nach
entwicklung des Adoptionsvermittlungsge-
fremdem Recht zustande gekommen ist (vgl.
setzes, BT-Drs. 14/6011, S. 29). Dies kann re-
Artikel 19 I EGBGB i. V. m. mit dem maßgeb-
gelmäßig nur durch die Fachstelle des Landes
lichen Zivilrecht). Erlangt die Ausländerbehör-
erfolgen, in dem der Adoptionsbewerber seinen
de oder die Auslandsvertretung Kenntnis von
gewöhnlichen Aufenthalt hat (positives Eltern-
konkreten Tatsachen, die die Annahme recht-
Eignungsgutachten). Weiteres Prüfkriterium ist
fertigen, dass die Vaterschaftsanerkennung aus-
die Auslandsadoptionsbedürftigkeit des Kindes
schließlich zur Erlangung eines Aufenthalts-
(vgl. Kinderrechtskonvention der Vereinten
rechts ohne Bestehen einer sozial-familiären
Nationen vom 20. November 1989 bzw. Haa-
Verantwortungsgemeinschaft erfolgt ist, sind
ger Adoptionsübereinkommen (HAÜ) vom
diese der zur Anfechtung einer Vaterschaftsan-
29. Mai 1993).
erkennung berechtigten Landesbehörde mitzu-
teilen (§ 90 Absatz 5, siehe hierzu Num-
In Anwendungsfällen des HAÜ dient die Vor-
mer 90.5). Im Fall einer Mitteilung ist das aus-
lage einer Bescheinigung gemäß Artikel 23 Ab-
länderrechtliche Verfahren über die Erteilung
satz 1 HAÜ als Nachweis, dass die Adoption
oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis
gemäß dem Übereinkommen zustande ge-
zur Entscheidung der anfechtungsberechtigten
kommen ist und somit in den anderen Ver-
Behörde bzw. im Fall der Klageerhebung bis
tragsstaaten kraft Gesetz regelmäßig anerkannt
zur Rechtskraft der familiengerichtlichen Ent-
wird.
scheidung über die Anfechtung grundsätzlich
auszusetzen (§ 79 Absatz 2, siehe Num-
Ist die Anerkennungsfähigkeit der Auslands-
mer 79.2).
adoption und deren Wirkung als „starke“ oder
als Volladoption nicht offenkundig, kommt eine 28.1.2.4 Bei Stief- und Pflegekindern besteht kein
inzidente Feststellung des Erwerbs der deut- Nachzugsanspruch nach § 28 Absatz 1 Satz 1
schen Staatsangehörigkeit nicht in Betracht. In Nummer 2. Möglich ist aber die Erteilung einer
diesem Fall soll – wie in anderen Zweifelsfällen Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 32
– auf ein Verfahren zur Feststellung der Staats- (Stiefkinder) und § 36 Absatz 2 (vgl. auch
angehörigkeit nach § 30 StAG bei der zu- Nummer 27.1.5, Nummer 32.0.5 und Num-
ständigen Staatsangehörigkeitsbehörde verwie- mer 36.2.1.2).
sen werden; bei dauerndem Aufenthalt des
Kindes im Ausland ist das Bundesverwaltungs- 28.1.2.5 Für den Nachzug eines minderjährigen Kindes
amt zuständig. Weitere Erläuterungen zur Wir- eines Deutschen nach Absatz 1 Satz 1 Num-
kung von Auslandsadoptionen und deren mer 2 ist es nicht erforderlich, dass der Deut-
staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen enthält sche zur Ausübung der Personensorge berech-
die Broschüre „Internationale Adoption“ des tigt ist. Die Herstellung einer familiären Le-
Seite 1040 GMBl 2009 Nr. 42– 61

bensgemeinschaft zwischen dem Deutschen Erforderlich ist jedoch, dass die Personensorge
und dem Kind ist jedoch Voraussetzung und im Rahmen einer familiären Lebensgemein-
muss beabsichtigt und rechtlich sowie tatsäch- schaft ausgeübt wird. Im begründeten Ausnah-
lich möglich und zu erwarten sein. Hat der mefall kann es auch ausreichen, wenn die Per-
deutsche Elternteil das Personensorgerecht, so sonensorge im Rahmen einer Betreuungs- und
kann von der Absicht und Möglichkeit der Beistandsgemeinschaft tatsächlich ausgeübt
Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft wird. Zur Scheinvaterschaft siehe Num-
i. d. R. ausgegangen werden. In Fällen der An- mer 27.0.5, 27.1a.1.3, 79.2, 87.2.4 und 90.5.
erkennung oder Feststellung der Vaterschaft
durch einen Deutschen erwirbt das Kind bereits Unter Berücksichtigung des grundrechtlichen
mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit Schutzgebots des Artikels 6 GG kann dem El-
(§ 4 Absatz 1 Satz 2 StAG), so dass regelmäßig ternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen
kein Nachzug eines minderjährigen aus- im Einzelfall der Aufenthaltstitel nach § 28
ländischen Kindes i. S. d. Absatzes 1 Nummer 2 Absatz 1 Nummer 3 auch bei einem beab-
vorliegt (Ausnahme: ist das Kind vor dem 1. Juli sichtigten gemeinsamen Zuzug erteilt werden,
1993 geboren, gilt dies nicht. Zum Erwerb der sofern glaubhaft gemacht wird, dass der bishe-
deutschen Staatsangehörigkeit in diesem Fall rige gewöhnliche Aufenthalt des minder-
vgl. § 5 StAG). Die Mutter erwirbt in diesen jährigen Deutschen im Herkunftsstaat aufgege-
Fällen durch die Vaterschaftsanerkennung ben und im Bundesgebiet unmittelbar nach
einen Anspruch auf Erteilung einer Aufent- Einreise neu begründet wird.
haltserlaubnis nach § 28 Absatz 1 Nummer 3. 28.1.4 Aufgrund der aufenthaltsrechtlichen Vorwir-
Diese Fallkonstellation steht daher im Mittel- kung des Schutzgebots des Artikels 6 GG kann
punkt missbräuchlicher Vaterschaftsanerken- werdenden Eltern von Kindern, die aufgrund
nungen (siehe hierzu Nummer 27.0.5, 27.1a.1.3, ihrer Abstammung von einem deutschen El-
79.2, 87.2.4 und 90.5). ternteil die deutsche Staatsangehörigkeit be-
sitzen werden (§ 4 Absatz 1 StAG), ein mit
28.1.3 Der ausländische Elternteil eines minder- Blick auf den voraussichtlichen Geburtszeit-
jährigen ledigen Deutschen hat den Nachzugs- punkt entsprechend langfristig berechnetes Vi-
anspruch hingegen nur, wenn ihm das Perso- sum zur Einreise auf Grundlage des künftigen
nensorgerecht für das deutsche Kind zusteht Anspruchs nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Num-
und er auf Grund dessen beabsichtigt, die Per- mer 3 erteilt werden. Gleiches gilt für werdende
sonensorge auszuüben. Beim nichtsorgebe- Väter von Kindern, die aufgrund des gewöhn-
rechtigten Elternteil eines deutschen Kindes lichen Aufenthalts der Mutter in Deutschland
steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im nach § 4 Absatz 3 StAG durch Geburt im In-
Ermessen (siehe hierzu Nummer 28.1.5). Für land die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben
das Sorgerecht ist auf den familienrechtlichen werden.
Sorgerechtsbegriff des § 1626 Absatz 1 BGB
abzustellen. Unter den Begriff des Sorgerechts Die Einreise ist der Schwangeren zu ermög-
ist danach nicht nur die alleinige, sondern auch lichen, sobald die Geburt mit hinreichender
die gemeinsame Sorgeberechtigung zu fassen, Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Reise-
die nach der Änderung des Kindschaftsrechts fähigkeit der Schwangeren – insbesondere im
der Regelfall ist. Allein vom formellen Bestehen Zusammenhang mit möglichen Gesundheits-
des Sorgerechts gehen keine aufenthaltsrecht- risiken – und die Reisemöglichkeiten sind dabei
lichen Schutzwirkungen aus. Für den Nach- zu berücksichtigen. I. d. R. wird daher die Ein-
zugsanspruch kommt es vielmehr auf die tat- reise zwischen dem vierten und dem Ende des
sächliche Ausübung des Sorgerechts an. Besteht siebenten Schwangerschaftsmonats ermöglicht
ein gemeinsames Sorgerecht beider Elternteile, werden. Dem Vater ist die Einreise zu er-
so reicht dies für den Nachzugsanspruch aus, möglichen, wenn die Schwangere – z. B. wegen
sofern eine familiäre Gemeinschaft tatsächlich des Vorliegens einer Risikoschwangerschaft –
beabsichtigt ist. Erforderlich ist daher, dass der auf seinen Beistand angewiesen ist. Liegen keine
Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in aus- solchen Gründe vor, ist dem Vater die Einreise
reichendem Maße Verantwortung für die Be- so rechtzeitig zu ermöglichen, dass er bei der
treuung und Erziehung seines minderjährigen Geburt anwesend sein kann. Es ist eine ge-
Kindes übernimmt. Beruht das Sorgerecht auf eignete ärztliche Bescheinigung beizubringen.
der Entscheidung einer ausländischen Behörde Außerdem ist Voraussetzung für die Er-
oder eines ausländischen Gerichts, ist voraus- möglichung der Einreise, dass das Elternteil
zusetzen, dass sie im Bundesgebiet unter Be- nicht nur formal, etwa durch Abgabe der Va-
rücksichtigung der Anerkennungshindernisse terschaftsanerkennung oder Sorgerechtserklä-
nach § 109 Absatz 1 FamFG anzuerkennen ist rung, eine Beziehung zu dem Kind entstehen
(z. B. nach dem Haager Minderjährigenschutz- lässt, sondern auch tatsächlich den Willen hat,
übereinkommen). Der Umfang des Sorgerechts die Elternrolle auszufüllen und elterliche Ver-
bemisst sich auch bei einer Anerkennung nur antwortung zu übernehmen. In Fällen des be-
nach dem der ausländischen Entscheidung zu- gründeten Verdachts einer missbräuchlichen
grunde liegenden Sachverhalt. Dem Aufent- Vaterschaftsanerkennung in diesem Zusam-
haltsanspruch steht nicht entgegen, dass auch menhang vgl. Nummer 27.1a.1.3. Die Aufent-
der andere Elternteil das Sorgerecht besitzt. haltserlaubnis selbst wird nach der Geburt er-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1041

teilt. Werdende Eltern, die sich bereits im Bun- gang ereignen kann und soll, etwa durch Brief-
desgebiet befinden, haben lediglich Anspruch und Telefonkontakte, die Teil der Wahrneh-
auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Ab- mung des Umgangs und insoweit – zumal bei
satz 2 Satz 1. getrennten Wohnsitzen – u. a. Element fami-
liärer Gemeinschaft sind. Erforderlich ist ein
28.1.5 Der Nachzug eines nicht sorgeberechtigten El- flexibler und den Umständen des Einzelfalles
ternteils eines minderjährigen ledigen Deut- gerecht werdender Maßstab, der die Zumut-
schen kann nach Absatz 1 Satz 4 im Ermes- barkeit einer Trennung sowie der Möglichkeit,
senswege, auch abweichend von § 5 Absatz 1 über Briefe, Telefonate und Besuche auch aus
Nummer 1, gestattet werden. Die Ermessens- dem Ausland Kontakt zu halten, neben dem
ausübung wird durch § 5 Absatz 2 und 4, § 11 Alter des Kindes mit einbezieht.
und § 27 Absatz 3 begrenzt. Familie als verant-
wortliche Elternschaft wird von der prinzipiel- Bei der Ermessensausübung ist insbesondere zu
len Schutzbedürftigkeit des heranwachsenden berücksichtigen, ob
Kindes bestimmt. Bei der Ermessensent- 28.1.5.1 – das deutsche Kind in seiner Entwicklung auf
scheidung ist daher zu berücksichtigen, ob eine den ausländischen Elternteil angewiesen ist
solche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft (die Ausländerbehörde soll in geeigneten
zwischen dem Ausländer und seinem Kind be- Fällen prüfen, ob das Jugendamt einbezogen
steht und ob diese Gemeinschaft nur im Bun- werden kann),
desgebiet verwirklicht werden kann, etwa weil
das Kind deutscher Staatsangehöriger ist und 28.1.5.2 – der nichtsorgeberechtigte Elternteil seit der
ihm wegen der Beziehung zu seiner Mutter das Geburt des Kindes seinen Unterhalts-
Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar verpflichtungen regelmäßig nachgekommen
ist. Der Nachzug kommt nur in Betracht, wenn ist und
eine Beistands- und Betreuungsgemeinschaft im 28.1.5.3 – das Kindeswohl einen auf Dauer angelegten
Bundesgebiet schon besteht. Zwar genügt allein Aufenthalt des nicht-sorgeberechtigten El-
die rechtliche Vaterschaft, um dem Schutz- ternteils im Bundesgebiet erfordert.
zweck des Artikels 6 GG zu entsprechen, auf-
enthaltsrechtlich bedarf es jedoch einer verant- 28.1.6 Die Aufenthaltserlaubnis ist bei der Erteilung
wortlich gelebten Eltern-Kind-Gemeinschaft. i. d. R. auf drei Jahre zu befristen. Hiervon ab-
Hierfür kommt es auf die Umstände des Ein- weichend ist eine Befristung auf nur ein Jahr
zelfalles an. Voraussetzung ist i. d. R. ein Zu- angezeigt, wenn Restzweifel bestehen (unter-
sammenleben mit dem Kind, wenn auch eine halb der eine Ablehnung des Antrags recht-
häusliche Gemeinschaft nicht in jedem Fall fertigenden Schwelle), ob die Eheschließung
verlangt werden kann. Leben die Familienmit- nur zum Zweck der Aufenthaltssicherung des
glieder getrennt, müssen zusätzliche Anhalts- ausländischen Ehegatten geschlossen wurde (so
punkte vorhanden sein, um eine familiäre Ge- genannte Scheinehe, siehe hierzu Nummer
meinschaft annehmen zu können. Solche kön- 27.1a.1.1.2 f.). Soweit entsprechende Zweifel am
nen in intensiven Kontakten, gemeinsam Vorliegen einer allgemeinen Erteilungsvoraus-
verbrachten Urlauben, in der Übernahme eines setzung bestehen oder Obdachlosigkeit droht,
nicht unerheblichen Anteils der Betreuung und ist die Aufenthaltserlaubnis ebenfalls zunächst
Versorgung des Kindes, z. B. auch im Krank- nur für ein Jahr zu erteilen.
heitsfall, oder in sonstigen Beistandsleistungen
28.1.7 Nach § 28 Absatz 1 Satz 5, der auf die ent-
bestehen. Auch Unterhaltsleistungen sind in
sprechenden Regelungen des Ehegattennach-
diesem Zusammenhang ein Zeichen für die
zugs zu Ausländern in § 30 Absatz 1 Satz 1
Wahrnehmung elterlicher Verantwortung. Die
Nummer 1 und 2, Satz 3 (nicht § 30 Absatz 1
§§ 1626 ff. BGB stellen seit ihrer Neufassung
Satz 2) und § 30 Absatz 2 Satz 1 verweist, sind
durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz das
auch für den Ehegattenzuzug zu Deutschen das
Kindeswohl in den Mittelpunkt. Bei aufent-
Mindestalter von 18 Jahren und der Nachweis
haltsrechtlichen Entscheidungen, die den Um-
von zumindest einfachen Deutschkenntnissen
gang mit einem Kind berühren, ist daher maß-
des zuziehenden Ehegatten grundsätzlich Vor-
geblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und
aussetzungen (siehe hierzu Nummer 30.1.1 f.).
im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich
eine persönliche Verbundenheit besteht, auf 28.1.8 Der Rechtsgrund des Ehegattennachzugs nach
deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem §§ 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 30 und des
Wohl angewiesen ist. Die familiäre Gemein- Nachzugs zum deutschen Kind nach § 28 Ab-
schaft zwischen einem Elternteil und seinem satz 1 Satz 1 Nummer 3 können zur Her-
minderjährigen Kind ist getragen von tatsäch- stellung der familiären Lebensgemeinschaft ggf.
licher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen unabhängig von einander geltend gemacht wer-
des Kindes. Während lediglich lose und seltene den, wenn sich sowohl der Ehegatte als auch das
Kontakte nicht als ausreichend anzusehen sind, minderjährige ledige Kind im Bundesgebiet
kann im Falle eines regelmäßigen Umgangs von aufhalten. Beide Nachzugstatbestände ver-
einer familiären Gemeinschaft ausgegangen wirklichen eigenständige grundrechtliche
werden. Mit der Kindschaftsrechtsreform hat Schutzgebote des Artikels 6 GG. Die Beantra-
der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass sich gung des Familiennachzugs zum deutschen
auch neben der persönlichen Begegnung Um- Kind bedeutet in diesem Fall keine unzulässige
Seite 1042 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Umgehung der Voraussetzungen des Ehe- punkte, ob die Voraussetzungen erfüllt sind,
gattennachzugs, insbesondere des Nachweises können sich auch aus Schul- oder Sprach-
einfacher Deutschkenntnisse. zeugnissen oder Nachweisen über Berufs-
tätigkeiten ergeben. § 44a bleibt unberührt.
28.2 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und 28.2.5 Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis besteht nach Absatz 2 Satz 2 grundsätzlich ein
28.2.1 Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis Anspruch, sofern die familiäre Lebensgemein-
nach Absatz 2 Satz 1 setzt das Fortbestehen der schaft fortbesteht. Hinsichtlich der Auswir-
familiären Lebensgemeinschaft voraus. Sie ist kungen des Bezugs von Leistungen nach dem
ausgeschlossen, wenn einer der zwingenden SGB II oder XII und des Vorliegens von Re-
Versagungsgründe nach § 5 Absatz 4 vorliegt. gelversagungsgründen gelten die Regelungen
Liegt ein Regelversagungsgrund nach § 5 Ab- zur erstmaligen Erteilung der Aufenthaltser-
satz 1 vor, hat diese Regel Vorrang vor § 28 laubnis; vgl. Nummer 27.3 und 28.1.1.0 f.
Absatz 2 mit der Folge, dass die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis i. d. R. zu versagen ist. 28.3 Eigenständiges Aufenthaltsrecht
Dies schließt die Erteilung einer weiteren be-
28.3.1 Durch die Vorschrift soll eine Gleichstellung,
fristeten Aufenthaltserlaubnis nicht aus; vgl.
nicht aber eine Besserstellung der Familienan-
Nummer 28.2.5. Hinsichtlich der Erteilung der
gehörigen von Deutschen gegenüber denen der
Niederlassungserlaubnis nach Absatz 2 Satz 1
im Bundesgebiet lebenden Ausländer hinsicht-
findet § 9 keine Anwendung.
lich des eigenständigen Aufenthaltsrechts be-
28.2.2 Nach Beendigung der familiären Lebensge- wirkt werden.
meinschaft kann eine Niederlassungserlaubnis 28.3.2 Für ausländische Ehegatten Deutscher gilt mit
nur nach den allgemeinen Vorschriften, nicht der in der Vorschrift genannten Maßgabe § 31
aber nach Absatz 2 Satz 1 erteilt werden, sofern und für die minderjährigen ledigen Kinder eines
dann ein Aufenthaltsrecht auf einer anderen Deutschen § 35 entsprechend.
Grundlage und zu einem anderen Zweck be-
stehen sollte. 28.3.3 Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von El-
ternteilen minderjähriger lediger Deutscher
28.2.3 Die dreijährige Frist beginnt mit der erst- entsteht hingegen bei Auflösung der familiären
maligen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Lebensgemeinschaft – unbeschadet der ggf.
zur Herstellung der familiären Lebensgemein- nach den allgemeinen Regeln gegebenen Mög-
schaft. Grund der Privilegierung nach Absatz 2 lichkeit der Erteilung einer Niederlassungser-
Satz 1 ist die Annahme des Gesetzgebers, dass laubnis – nicht. Bei Vorliegen einer außerge-
durch die familiäre Lebensgemeinschaft mit wöhnlichen Härte kommt die Verlängerung
einem Deutschen eine positive Integrations- nach § 25 Absatz 4 Satz 2 in Betracht.
prognose antizipiert und die soziale und wirt-
schaftliche Integration daher zu einem früheren
28.4 Sonstige Familienangehörige Deutscher
Zeitpunkt als nach den Regelvoraussetzungen
nach § 9 angenommen werden kann. Zeiten des 28.4.1 Zu den sonstigen Familienangehörigen i. S. d.
Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zu anderen § 36 gehören auch
Zwecken können daher nicht berücksichtigt
– ausländische Elternteile minderjähriger
werden, da sie dieser immanenten Zwek-
Deutscher, die nicht personensorgeberech-
kausrichtung nicht entsprechen. Die Zeit des
tigt sind, soweit auf sie nicht § 28 Absatz 1
Besitzes eines nationalen Visums zum Fami-
Satz 2 Anwendung findet,
liennachzug ist nach § 6 Absatz 4 Satz 3 anzu-
rechnen, soweit sich der Inhaber während- – volljährige Ausländer, die von einem Deut-
dessen im Bundesgebiet aufgehalten hat. schen adoptiert wurden; sie erwerben mit
der Adoption nicht die deutsche Staatsan-
28.2.4 Die Anforderung, wonach der Nachziehende in gehörigkeit (vgl. § 6 StAG) und können da-
der Lage sein muss, sich auf einfache Art in her nur zur Vermeidung einer außerge-
deutscher Sprache zu verständigen, ist weniger wöhnlichen Härte i. S. v. § 36 Absatz 2
weit gehend als das in § 9 Absatz 2 Nummer 7 Satz 1 nachziehen,
genannte Merkmal. Zur Feststellung, ob sich
der Ausländer in deutscher Sprache ver- – der ausländische Elternteil eines volljährigen
ständigen kann, ist grundsätzlich das persön- oder nicht mehr ledigen Deutschen, der
liche Erscheinen des Ausländers erforderlich keine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Ab-
(§ 82 Absatz 4), soweit diesbezügliche Er- satz 1 Nummer 3 erhalten kann.
kenntnisse nicht bereits vorliegen. Zum 28.4.2 Die Vorschriften zu § 36 sind zu beachten. Die
Sprachniveau A 1 des Gemeinsamen Euro- Geltungsdauer des erteilten Aufenthaltstitels
päischen Referenzrahmens (GER) siehe Num- richtet sich nach den allgemeinen Regeln.
mer 30.1.2.1. Ein entsprechendes Sprachniveau
kann nicht angenommen werden, wenn der 28.5 Ausübung einer Erwerbstätigkeit
Ausländer sich bei der persönlichen Vorsprache
nicht einmal auf einfache Art ohne die Hilfe Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist kraft
Dritter verständlich machen kann. Anhalts- Gesetzes uneingeschränkt gestattet. Eine Zu-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1043

stimmung der Bundesagentur für Arbeit ist für dass dem Asylberechtigten oder Konventions-
die Erteilung nicht erforderlich. flüchtling eine Familienzusammenführung in
einem Verfolgerstaat nicht zugemutet werden
kann, besondere Bedeutung beizumessen.
29 Zu § 29 – Familiennachzug zu Ausländern
29.2.2.1 Leben die nachzugswilligen Familienangehö-
29.1 Aufenthaltsstatus; Wohnraumerfordernis rigen noch im Verfolgerstaat oder halten sich
29.1.1 Die in § 29 genannten Voraussetzungen gelten diese bereits im Bundesgebiet etwa als Asylbe-
zusätzlich zu denen der §§ 5 und 27, soweit sie werber auf, kommt eine Ausnahme nach § 29
nicht besonders ausgeschlossen sind. Absatz 2 Satz 1 grundsätzlich in Betracht, wenn
sich der Asylberechtigte oder Konventions-
29.1.2 Der im Bundesgebiet lebende Ausländer flüchtling nach der Asylanerkennung oder der
(Stammberechtigter) muss im Zeitpunkt der Anerkennung des Flüchtlingsstatus nachhaltig
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an den Fa- um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (z. B.
milienangehörigen im Besitz einer Nieder- Vorlage einer Bescheinigung der Arbeits-
lassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufent- agentur) sowie um die Bereitstellung von
halt-EG oder Aufenthaltserlaubnis sein. Wohnraum außerhalb einer öffentlichen Ein-
29.1.2.1 Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der richtung bemüht hat. Leben nachzugswillige
geforderte Aufenthaltstitel ungültig geworden Familienangehörige mit einem Daueraufent-
oder aus anderen Gründen erloschen ist. Beruht haltsrecht oder als anerkannte Flüchtlinge in
das Erlöschen auf einem Verwaltungsakt (z. B. einem Drittstaat, ist auch zu prüfen, ob dem
Widerruf, Rücknahme, Ausweisung, nachträg- Asylberechtigten oder Konventionsflüchtling
liche Befristung), kommt es auf dessen Unan- die Herstellung der familiären Lebensgemein-
fechtbarkeit nicht an (§ 84 Absatz 2 Satz 1). schaft im Drittstaat zuzumuten ist. Lässt die
Dies ist insbesondere auch zu bedenken, wenn Ausländerbehörde eine Ausnahme zu, haben
die Anerkennung als Asylberechtigter oder die die Familienangehörigen des Asylberechtigten
Rechtsstellung als Flüchtling nach § 73 oder Konventionsflüchtlings einen Rechtsan-
AsylVfG widerrufen wird und nachfolgend ein spruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
Widerruf des Aufenthaltstitels erfolgt (§ 52 (vgl. § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe
Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). In diesem Fall c), § 32 Absatz 1 Nummer 1).
kommt aufgrund der akzessorischen Verknüp-
fung zum Aufenthaltsrecht des Stamm- 29.2.2.2 Sofern die in § 29 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1
berechtigten (vgl. hierzu Nummer 27.1.3) ein und Nummer 2 genannten Voraussetzungen
Familiennachzug nicht in Betracht. vorliegen (Unmöglichkeit der Familienzusam-
menführung in einem Drittstaat, zu dem eine
29.1.2.2 Wenn der Ausländer, zu dem der Nachzug besondere Bindung des Zusammenführenden
stattfindet, im Besitz eines nationalen Visums oder von Familienangehörigen besteht und
ist und in Aussicht steht, dass ihm im Inland auf Antragstellung auf Familienzusammenführung
seinen Antrag hin eine Aufenthaltserlaubnis, innerhalb der Dreimonatsfrist), ist beim Nach-
Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG oder Nie- zug des Ehegatten oder des minderjährigen le-
derlassungserlaubnis erteilt werden wird, kann digen Kindes stets von den Voraussetzungen
auch dem Nachziehenden bereits ein Visum er- des § 5 Absatz 1 Nummer 1 (gesicherter Le-
teilt werden. Die Voraussetzung des Absatzes 1 bensunterhalt) und des § 29 Absatz 1 Num-
Nummer 1 ist auch erfüllt, wenn dem Aus- mer 2 (ausreichender Wohnraum) abzusehen.
länder, zu dem der Nachzug stattfindet, gleich- Als erforderlicher Antrag auf Erteilung eines
zeitig mit dem nachziehenden Ausländer ein Aufenthaltstitels zum Zwecke des Familien-
solcher Aufenthaltstitel erteilt wird. Ein Vor- nachzugs kommt ein Antrag auf Erteilung eines
aufenthalt des Ausländers, zu dem der Nachzug Visums oder – bei Staatsangehörigen eines in
stattfindet, im Bundesgebiet ist daher nicht er- Anhang II der Verordnung (EG) Nummer 539/
forderlich, sofern beide Ausländer, die sich 2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der
noch im Ausland befinden, beabsichtigen, Drittländer, deren Staatsangehörige beim
künftig die familiäre Lebensgemeinschaft im Überschreiten der Außengrenzen im Besitz
Bundesgebiet zu leben. Dies können sie i. d. R. eines Visums sein müsse, sowie der Liste der
nur dadurch dokumentieren, dass sie beide Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser
einen Aufenthaltstitel beantragen. Visumpflicht befreit sind, vom 15. März 2001
29.1.3 Die Voraussetzung ausreichenden Wohnraums (ABl. EG Nummer L 81 S. 1) aufgeführten
richtet sich nach § 2 Absatz 4 (vgl. Num- Staates, denen nach § 39 AufenthV die Ein-
mer 2.4). holung eines Aufenthaltstitels für einen länger-
fristigen Aufenthalts im Bundesgebiet gestattet
ist – auch einer Aufenthaltserlaubnis in Be-
29.2 Abweichungen bei anerkannten Flüchtlingen
tracht. § 29 Absatz 2 Satz 3 führt dazu, dass so-
29.2.1 Nach Absatz 2 Satz 1 kann von den Voraus- wohl der Antrag des Familienangehörigen als
setzungen des § 5 Absatz 1 Nummer 1 und des auch der des zusammenführenden Ausländers
Absatzes 1 Nummer 2 im Ermessenswege ab- (der hierzu keine schriftliche Vollmacht vor-
gewichen werden. Bei der Zulassung einer legen muss) fristwahrend sind. Die Regelung
Ausnahme nach Absatz 2 ist dem Umstand, soll dem Umstand Rechnung tragen, dass dem
Seite 1044 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Familienangehörigen eines Flüchtlings auf möglich ist, ist stets ein dringender humanitärer
Grund besonderer Umstände im Aufenthalts- Grund i. S. d. Vorschrift anzunehmen. Bei Aus-
staat eine fristgerechte Antragstellung nicht ländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25
oder nur unter erschwerten Bedingungen mög- Absatz 1 bis 3 besitzen, ist – außer in den Fällen
lich ist. Sinn und Zweck der Regelung ist die des § 60 Absatz 4 – anzunehmen, dass die Her-
Erleichterung eines zeitlich unmittelbaren stellung der familiären Einheit im Herkunfts-
Nachzugs auch der Familienangehörigen eines staat unmöglich ist. Ob die Herstellung in
anerkannten Flüchtlings. Von den genannten einem anderen als dem Herkunftsstaat möglich
Regelerteilungsvoraussetzungen ist daher bei ist, bedarf nur der Prüfung, sofern ein Ehegatte
der Entscheidung über denjenigen Aufent- oder ein Kind in einem Drittland ein Dauer-
haltstitel abzusehen, der fristwahrend beantragt aufenthaltsrecht besitzt.
worden ist. Bei einem nach Ablauf der Frist
gestellten Antrag ist eine Ermessensent- 29.3.1.2 Solange ein Asylverfahren der Familienange-
scheidung nach § 29 Absatz 2 Satz 1 zu treffen. hörigen noch nicht bestandskräftig abge-
schlossen ist, findet § 10 Absatz 1 Anwendung.

29.3 Beschränkung des Familiennachzugs bei hu- 29.3.2 Die Voraussetzungen für die Aufenthaltser-
manitären Aufnahmen laubnis von Ehegatten und minderjährigen
Kindern eines Ausländers, die eine Aufent-
29.3.1.0 Die allgemeinen Bestimmungen, insbesondere haltserlaubnis nach §§ 22, 23 Absatz 1 oder § 25
die Vorschriften der §§ 5, 11, 27 und des § 29 Absatz 3 besitzen, sind zwar in Kapitel 2 Ab-
Absatz 1, finden in den Fällen des Absatzes 3 schnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes geregelt, der
Satz 1 uneingeschränkt Anwendung. Ehegatte und das minderjährige Kind dürfen
jedoch nicht besser gestellt werden als der
29.3.1.1 Das Begehren nach Herstellung der familiären Stammberechtigte. Daher stellt § 29 Absatz 3
Lebensgemeinschaft mit einem Ausländer, der Satz 2 klar, dass auch die Niederlassungser-
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22, 23 laubnis der Familienangehörigen ein humani-
Absatz 1 oder § 25 Absatz 3 besitzt, ist allein tärer Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 ist und
noch kein hinreichender Grund für die Er- sich die Voraussetzungen für deren Nieder-
teilung der Aufenthaltserlaubnis an den Ehe- lassungserlaubnis entsprechend dem Stamm-
gatten und die minderjährigen ledigen Kinder. berechtigten nach § 26 Absatz 4 und nicht nach
Es müssen also weitere (völkerrechtliche oder § 9 richten. Hintergrund für die für Ehegatten
humanitäre) Gründe (oder das politische Inter- im Vergleich zu § 9 um zwei Jahre längere Frist
esse der Bundesrepublik Deutschland) hin- des § 26 Absatz 4 ist der Umstand, dass es sich
zutreten, wenn der Nachzug bereits vor Er- bei den humanitären Aufenthaltstiteln um
teilung einer Niederlassungserlaubnis des prinzipiell als vorübergehend konzipierte Auf-
Stammberechtigten zugelassen werden soll. Die enthaltsrechte handelt und damit auch nicht die
grundgesetzliche Wertentscheidung des Arti- Voraussetzungen für eine Erlaubnis zum Dau-
kels 6 GG erfordert es regelmäßig nicht, dem eraufenthalt-EG erfüllt werden können.
Begehren eines Ausländers nach familiärem
Zusammenleben im Bundesgebiet schon dann Die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug
zu entsprechen, wenn der Aufenthalt des An- wird nach §§ 30 ff. i. V. m. § 29 Absatz 3 erteilt.
gehörigen im Bundesgebiet nicht auf Dauer ge- Auch die §§ 31 und 34 Absatz 2 sind grundsätz-
sichert ist. Im Anwendungsbereich des § 29 lich anwendbar. Um Ehegatten und Kind nicht
Absatz 3 Satz 1 bestimmt sich nach den Um- besser zu stellen als den Stammberechtigten, be-
ständen des Einzelfalles, ob Familienange- darf es aber der erneuten Prüfung, ob die huma-
hörigen zum Schutz von Ehe und Familie eine nitären Gründe, auf denen der Titel des Stamm-
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Im berechtigten beruht, noch bestehen.
Hinblick auf Artikel 6 GG sind allerdings bei
29.3.3 In den Fällen des Absatz 3 Satz 3 ist ein Fami-
der Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis
liennachzug absolut ausgeschlossen. Der Er-
für den Ehegatten und die minderjährigen le-
teilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen
digen Kinder an das Vorliegen eines humani-
Zweck als dem Familiennachzug nach all-
tären Grundes geringere Anforderungen zu
gemeinen Vorschriften steht die Regelung je-
stellen; insbesondere, wenn die familiäre Le-
bensgemeinschaft bereits in Deutschland ge- doch nicht entgegen.
führt wird. Sowohl im Interesse des Schutzes 29.3.4 Die Beschränkungen des § 29 Absatz 3 gelten
von Ehe und Familie als auch des Wohles des nicht in Fällen des § 23a; hier kommen die all-
Kindes sollen Anträge des Kindes oder seiner gemeinen Regelungen zum Familiennachzug
Eltern auf Herstellung der familiären Lebens- zur Anwendung, da der Aufenthalt in Härte-
gemeinschaft vorrangig und beschleunigt bear- fallentscheidungen grundsätzlich auf Dauer an-
beitet werden. Ist in absehbarer Zeit mit dem gelegt ist.
Wegfall des Schutzzwecks zu rechnen, der zur
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an den im 29.4 Familiennachzug bei Gewährung vorüber-
Bundesgebiet lebenden Ausländer geführt hat, gehenden Schutzes
kommt ein Nachzug nicht in Betracht. Sofern
die Herstellung der Familieneinheit im Ausland 29.4.1 § 29 Absatz 4 dient der Umsetzung der
aus zwingenden persönlichen Gründen un- Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1045

2001 über Mindestnormen für die Gewährung 29.5 Ausübung einer Erwerbstätigkeit
vorübergehenden Schutzes im Falle eines
29.5.1 Die Berechtigung zur Ausübung einer Er-
Massenzustroms von Vertriebenen und Maß-
werbstätigkeit besteht, wenn der Ausländer, zu
nahmen zur Förderung einer ausgewogenen
dem der Nachzug stattfindet, zur Ausübung
Verteilung der Belastungen, die mit der Auf-
einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist (Num-
nahme dieser Personen und den Folgen dieser
mer 1) oder die eheliche Lebensgemeinschaft
Aufnahme verbunden sind, auf die Mit-
seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im
gliedstaaten (ABl. EG Nummer L 212 S. 12,
Bundesgebiet bestanden hat und die Aufent-
so genannte Richtlinie zum vorübergehenden
haltserlaubnis des Ausländers, zu dem der Fa-
Schutz). Die Richtlinie und die zu ihr er-
miliennachzug erfolgt, nicht mit einer Neben-
gehende Rechtsprechung des Europäischen
bestimmung nach § 8 Absatz 2 versehen oder
Gerichtshofs sind bei der Anwendung der
dessen Aufenthalt nicht bereits durch Gesetz
Vorschrift zu beachten.
oder Verordnung von einer Verlängerung aus-
29.4.2 Bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen geschlossen ist (Nummer 2).
besteht ein Anspruch auf Familiennachzug, 29.5.2.1 Maßgeblich für die Beurteilung der Voraus-
auch wenn die Voraussetzungen des § 5 Ab- setzungen der Nummer 1 ist der Zeitpunkt der
satz 1 oder § 27 Absatz 3 nicht erfüllt sind. Da Erteilung des Aufenthaltstitels an den nach-
nach Absatz 4 Satz 3 die Vorschrift des § 24 ziehenden Ausländer. Es genügt, wenn beiden
entsprechende Anwendung findet, gilt zudem Ausländern gleichzeitig ein Aufenthaltstitel mit
§ 5 Absatz 3, weshalb auch die Voraus- einer bestimmten Berechtigung erteilt wird.
setzungen des § 5 Absatz 2 Satz 1 keine An- Der Aufenthaltstitel, der tatsächlich dem Aus-
wendung finden, soweit dies ausnahmsweise länder erteilt wurde oder wird, zu dem der
nicht auf Grund des Sachzusammenhangs oh- Nachzug stattfindet, stellt die alleinige Grund-
nehin ausgeschlossen ist. lage für die Entscheidung über die Berechtigung
29.4.3 In den Fällen des Absatzes 4 sind die §§ 30 und des nachziehenden Ausländers über die Er-
32 unanwendbar. Hingegen finden die §§ 31, 33, werbstätigkeit dar. Der Umstand, dass dem
34 und 35 hinsichtlich der Verlängerung, der Ausländer, zu dem der Nachzug stattfindet, ein
Entstehung eines eigenständigen Aufenthalts- Aufenthaltstitel mit einer weiter gehenden Be-
rechts und der Erteilung einer Niederlassungs- rechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätig-
erlaubnis unmittelbar Anwendung. keit erteilt werden könnte oder sogar müsste, ist
unerheblich, solange dieser Ausländer einen
29.4.4 Tatbestandsvoraussetzung nach Absatz 4 solchen Aufenthaltstitel nicht beantragt. Um-
Satz 1 Nummer 1 ist, dass eine familiäre Le- gekehrt ist es unerheblich, ob dem Ausländer,
bensgemeinschaft bereits im Herkunftsland zu dem der Nachzug stattfindet, im Wege der
bestand und dass diese Lebensgemeinschaft Rücknahme oder des Widerrufs seines Aufent-
durch die Fluchtsituation selbst und nicht aus haltstitels oder durch Ausweisung die Be-
anderen Gründen aufgehoben wurde. Die rechtigung zur Ausübung der Erwerbstätigkeit
Trennung muss nicht im Herkunftsland statt- entzogen werden dürfte, solange die Behörde
gefunden haben. Es genügt, wenn die Tren- nicht tatsächlich eine derartige Entscheidung
nung auf dem Fluchtweg erfolgte. Eine Tren- trifft.
nung aufgrund der Fluchtsituation liegt nicht 29.5.2.2 Die Berechtigung zur Ausübung einer selb-
nur in Fällen gewaltsamer Trennung vor, son- ständigen Erwerbstätigkeit kann nach § 21 Ab-
dern auch dann, wenn etwa die Trennung satz 6 auch dann erteilt werden, wenn der Aus-
aufgrund eines eigenen Entschlusses der Fa- länder, zu dem der Nachzug stattfindet, nicht
milienangehörigen erfolgte und vor dem Hin- zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstä-
tergrund der konkreten Fluchtsituation und tigkeit, aber zur Ausübung einer Beschäftigung
der damit verbundenen Belastungen nachvoll- berechtigt ist.
ziehbar ist.
29.5.2.3 Dem nachziehenden Familienangehörigen ist
29.4.5 In Fällen, in denen der Familienangehörige die Ausübung der Beschäftigung uneinge-
nach der genannten Richtlinie von einem an- schränkt zu erlauben, wenn der Ausländer, zu
deren Mitgliedstaat der Europäischen Union dem der Nachzug stattfindet, selber einen un-
übernommen wird, ist die Schutzbedürftigkeit eingeschränkten Arbeitsmarktzugang hat. Dies
nicht besonders zu prüfen. Erfolgt hingegen ist der Fall, wenn der Ausländer auf Grund
eine Aufnahme aus einem Gebiet außerhalb der einer gesetzlichen Regelung, z. B. nach § 9 oder
Europäischen Union, muss auch in der Person § 25 Absatz 1, auf Grund einer ihm ohne Be-
des Nachziehenden das erforderliche Schutz- schränkungen nach § 13 BeschVerfV erteilten
bedürfnis gegeben sein. Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit
oder gemäß § 3a BeschVerfV ohne Zustimmung
29.4.6 Auch die in Absatz 4 Satz 3 enthaltene Verwei-
der Bundesagentur für Arbeit jede Be-
sung auf § 36 dient der Umsetzung der genann-
schäftigung am Arbeitsmarkt ausüben darf.
ten Richtlinie. Daher sind die Richtlinie und die
zu ihr etwa ergehende Rechtsprechung des Eu- Solange der stammberechtigte Ausländer kei-
ropäischen Gerichtshofs bei der Anwendung nen uneingeschränkten Zugang zu jeder Be-
dieser Vorschrift zu beachten. schäftigung hat und bei dem Familienange-
Seite 1046 GMBl 2009 Nr. 42– 61

hörigen noch nicht die Voraussetzungen des lienangehörigen berechtigt deshalb nach zwei
Absatzes 5 Nummer 2 vorliegen (vgl. Num- Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestehen-
mer 29.5.3), kann dem nachziehenden Fami- der Ehe nicht zur Ausübung einer Erwerbstä-
lienangehörigen die Aufnahme einer Be- tigkeit, wenn der Ausländer, zu dem der Fami-
schäftigung nur mit Zustimmung der Bundes- liennachzug erfolgt ist, selbst nur über ein be-
agentur für Arbeit erlaubt werden (§ 4 Absatz 2 fristetes Aufenthaltsrecht verfügt und dessen
Satz 3 i. V. m. § 39 Absatz 2 und 3), sofern die Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage eines
Beschäftigung nicht nach §§ 2 bis 15 BeschV Gesetzes, einer Verordnung oder einer Neben-
zustimmungsfrei ausgeübt werden kann. bestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8
Absatz 2 nicht verlängert werden kann oder die
29.5.2.4 Ist der Ausländer, zu dem der Nachzug statt-
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus-
findet, selbständig tätig und ist daher die Aus-
geschlossen ist. In den übrigen Fällen ist der
übung einer Beschäftigung im Aufenthaltstitel
Ehegatte nach zwei Jahren rechtmäßig im Bun-
nicht erlaubt worden, richtet sich das Er-
desgebiet bestehender Ehe uneingeschränkt zur
fordernis der Zustimmung der Bundesagentur
Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt
für Arbeit für die Gestattung einer Be-
und zwar unabhängig davon, ob die Ehe dann
schäftigung des nachziehenden Ausländers da-
weiter besteht (§ 30) oder ob die Eheleute sich
nach, ob eine Zustimmung auch bei der Auf-
getrennt haben (§ 31).
nahme einer Beschäftigung durch den Aus-
länder, zu dem der Nachzug stattfindet, 29.5.4 Absatz 5 hat nicht zur Folge, dass Be-
erforderlich wäre. Für eine Beschäftigung des schränkungen hinsichtlich der beruflichen Tä-
nachgezogenen Familienangehörigen im Be- tigkeit, des Arbeitgebers, eines Ortes oder eines
trieb des Familienangehörigen ist keine Zu- Bezirkes der Arbeitsagentur oder der Lage und
stimmung der Bundesagentur für Arbeit er- Verteilung der Arbeitszeit, die für den Aus-
forderlich (§ 3 BeschVerfV). länder gelten, zu dem der Nachzug stattfindet,
bei dem nachziehenden Ausländer zu über-
29.5.2.5 Die Prüfung der Bundesagentur für Arbeit, ob nehmen sind.
der Ausübung einer Beschäftigung durch den
nachziehenden Ausländer zugestimmt wird, ist
eine eigenständige und richtet sich nach den 30 Zu § 30 – Ehegattennachzug zu Ausländern
Vorschriften der §§ 39 bis 41. Es ist daher mög-
lich, dass die Zustimmung zur Ausübung der 30.0 Allgemeines
Beschäftigung des nachziehenden Ausländers
versagt wird, obwohl dem Ausländer, zu dem 30.0.1 § 30 ist erst anwendbar, wenn die Ehe bereits
der Nachzug stattfindet, die Ausübung einer besteht.
Beschäftigung erlaubt ist. 30.0.2 Zum Zweck der Eheschließung im Bundesge-
29.5.2.6 Familienangehörige von Personen, die im Be- biet kann einem Ausländer ein nationales Vi-
sitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Ab- sum (§ 6 Absatz 4) erteilt werden, wenn auf die
satz 1 sind, benötigen für die Ausübung einer anschließende Erteilung einer Aufenthaltser-
laubnis nach einer Eheschließung während der
Beschäftigung eine Zustimmung der Bundes-
Gültigkeit des Visums ein Anspruch besteht
agentur für Arbeit, soweit die Beschäftigung
(§ 6 Absatz 4 i. V. m. §§ 28 und 30). Zudem sind
nicht nach §§ 2 bis 15 BeschV zustimmungsfrei
die unter Nummer 30.0.6 genannten Voraus-
ist. Die Regelung des § 16 Absatz 3, die sich
setzungen zu erfüllen (dies gilt auch für be-
ausschließlich auf Studenten während des Stu-
diums bezieht, ist ihrer Natur nach auf Fami- zweckte Eheschließungen mit Deutschen, die
lienangehörige nicht anwendbar. nach der Heirat einen Titel gemäß § 28 Absatz 1
Nummer 1 begründen).
29.5.2.7Familienangehörigen von Personen, die § 31 Absatz 1 AufenthV findet Anwendung.
im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20
30.0.3 Nach der Eheschließung kann der nachziehen-
sind oder die nach den §§ 4, 5, 27, 28 und 31
de Ehegatte, der ein nationales Visum besitzt,
Satz 1 Nummer 1 BeschV eine Beschäftigung
eine Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet be-
ausüben dürfen, wird die Zustimmung zur
antragen (§ 39 Nummer 1 AufenthV).
Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung
nach § 39 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 (Vor- 30.0.4 Zudem kann nach einer Eheschließung im
rangprüfung) erteilt. Bundesgebiet oder im Ausland die Aufent-
haltserlaubnis zum Ehegattennachzug auch in
29.5.3 Absatz 5 Nummer 2 korrespondiert mit den
den übrigen in § 39 AufenthV genannten Fällen,
Bestimmungen zur Gewährung des eigen-
soweit deren Voraussetzungen vorliegen, ohne
ständigen Aufenthaltsrechts des Ehegatten nach
vorherige Ausreise unmittelbar bei der Aus-
§ 31 Absatz 1 Nummer 1 und verfolgt den
länderbehörde beantragt werden. Dasselbe gilt
Zweck, den Ehegatten, dem im Falle der Auf-
in den Fällen des § 5 Absatz 3 Satz 1, 1. Halb-
hebung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine
satz.
Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, die zur Aus-
übung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, nicht 30.0.5 Ist eine Eheschließung im Bundesgebiet beab-
besser zu stellen, als den Ehegatten, dessen sichtigt, und besteht nach der Eheschließung
eheliche Lebensgemeinschaft fortgeführt wird. kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis
Der Aufenthaltstitel des nachgezogenen Fami- zum Ehegattennachzug, sondern kann die
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1047

Aufenthaltserlaubnis nur nach Ermessen er- 30. 0. 10 Hinsichtlich des eindeutigen gesetzgeberischen
teilt werden, liegt kein Anwendungsfall des Willens ist die Anwendung des § 39 Nummer 3
§ 39 Nummer 3 AufenthV vor. Dies gilt auch AufenthV ausgeschlossen, wenn bei einer be-
für die in Anhang II der Verordnung (EG) gehrten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des
Nummer 539/2001 genannten Staatsange- Ehegattennachzugs der erforderliche Sprach-
hörigen. nachweis erst nach der Einreise ins Bundesge-
biet erbracht wird. Der Gesetzgeber hat bei
30.0.6 Das nationale Visum zur Eheschließung ist erst Einführung des Sprachnachweiserfordernisses
zu erteilen, wenn der Eheschließung keine klargestellt, dass der Sprachnachweis noch vor
rechtlichen und tatsächlichen Hindernisse ent- der Einreise zu erbringen ist (vgl. BT-Drs. 16/
gegenstehen und sie unmittelbar bevorsteht. 5065, S. 173 f.). Die verspätete Erbringung im
Die Eheschließung steht unmittelbar bevor, Inland kann daher nicht die Verwirklichung
wenn das – durch die Anmeldung der Ehe- eines Ausnahmetatbestandes auslösen, der von
schließung beim zuständigen Standesamt ein- der bezweckten Integrationsvorleistung ent-
geleitete – Verwaltungsverfahren zur Prüfung bindet. Sonst würde die mit der Regelung des
der Ehefähigkeit nachweislich abgeschlossen ist § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 verfolgte Ab-
und seitdem nicht mehr als sechs Monate ver- sicht des Gesetzgebers vollkommen unter-
gangen sind. Der Abschluss des Anmeldever- wandert. Aus demselben Grund ist in dieser
fahrens kann durch eine vom zuständigen Stan- Konstellation auch eine Ausnahme nach § 5
desamt ausgestellte Bescheinigung nachge- Absatz 2 Satz 2 nicht möglich (vgl. Num-
wiesen werden. mer 5.2.2.1).
30.0.7 Ist nur die Eheschließung im Bundesgebiet, 30. 0. 11 Aufgrund der akzessorischen Verknüpfung
nicht aber ein anschließender, längerfristiger zum Aufenthaltsrecht des Stammberechtigten
Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigt, ist (§ 27 Absatz 4, vgl. Nummer 27.1.3 und 27.4)
i. d. R. ein Schengen-Visum für kurzfristige darf die Geltungsdauer der einem Ehegatten
Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 2) zu er- erteilten Aufenthaltserlaubnis die Geltungs-
teilen. Bei der Beantragung ist der Ausländer dauer der Aufenthaltserlaubnis des im Bundes-
darauf hinzuweisen, dass sein Aufenthalt im gebiet lebenden Ausländers nicht überschrei-
Bundesgebiet nach der Eheschließung i. d. R. ten. Die Vorschriften über Geltungsdauer und
nicht verlängert werden kann, ohne dass der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sind zu
Ausländer zuvor ausreist (vgl. § 5 Absatz 2 beachten. Soweit es danach möglich ist, wird die
Satz 1), sofern nicht ein Anspruch auf Erteilung Aufenthaltserlaubnis i. d. R. für ein Jahr erteilt
einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ehe- und dann i. d. R. um jeweils zwei Jahre ver-
schließung besteht (vgl. die in § 39 Nummer 3 längert, bis die Voraussetzungen für die Er-
AufenthV genannten Voraussetzungen). Ggf. teilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß
ist er von Amts wegen auf die Möglichkeit zu § 9 vorliegen. Soweit kein anderer Aufenthalts-
verweisen, ein nationales Visum (§ 6 Absatz 4) grund besteht, kann die einem Ehegatten er-
zu beantragen. Ein solcher Hinweis ist akten- teilte Aufenthaltserlaubnis im Falle der Aufhe-
kundig zu machen. bung der ehelichen Lebensgemeinschaft nur
nach Maßgabe des § 31 verlängert werden (siehe
30.0.8 In geeigneten Fällen ist besonders zu prüfen, ob
hierzu insbesondere auch Nummer 31.0.1). Bei
auch in Fällen, in denen eine Aufenthaltser-
Ehegatten von türkischen Arbeitnehmern ist zu
laubnis nur nach Ermessen erteilt wird und kein
berücksichtigen, ob sie ein eigenständiges Auf-
Fall des § 39 AufenthV oder des § 5 Absatz 3
enthaltsrecht nach Artikel 6 oder 7 ARB 1/80
Satz 1, 1. Halbsatz vorliegt, gemäß § 5 Absatz 2
erlangt haben.
Satz 2 eine Ausnahme gestattet werden kann.
Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen eine
Ausreise zum Zweck der Beantragung des Vi- 30.1 Anspruch auf Ehegattennachzug
sums eine besondere Härte darstellen würde, 30.1.0 In den Fällen, die in Absatz 1 genannt sind, be-
vgl. näher Nummer 5.2.3. Wurde nachweislich steht grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf Er-
ein Hinweis nach Nummer 30.0.7 gegeben, ist teilung einer Aufenthaltserlaubnis. Jedoch fin-
eine Anwendung des § 5 Absatz 2 Satz 2 regel- den die §§ 5, 11, 27 und § 29 Absatz 1 bis 3 und 5
mäßig ausgeschlossen. Anwendung, sofern nicht einzelne Vorschriften
besonders ausgeschlossen worden sind. Dies
30.0.9 Ein Ausländer, der mit einem Schengen-Visum
bedeutet auch, dass aufgrund der akzessori-
ins Bundesgebiet einreist und nach einer Ehe-
schen Bindung ein Anspruch nicht geltend ge-
schließung im Schengengebiet (z. B. Dänemark)
macht werden kann, wenn der Aufenthaltstitel
ins Bundesgebiet zurückreist, reist i. S. d. § 39
des Stammberechtigten ungültig geworden oder
Nummer 3 AufenthV ein. Der Einreisebegriff
aus anderen Gründen erloschen ist (vgl. hierzu
des § 39 Nummer 3 AufenthV ist nicht schen-
Nummer 27.1.3 und 29.1.2.1).
genrechtlich zu verstehen, da es hier um eine
Zuständigkeitsfestlegung (auch) für den Bereich 30.1.1 Nach § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 28
nationaler Visa geht. In diesem Bereich gibt es Absatz 1 Satz 5 ist für den Ehegattennachzug
– vorbehaltlich spezifischer Harmonisierun- zu Ausländern und zu Deutschen grundsätzlich
gen – kein Gebot gemeinschaftsrechtsfreund- Voraussetzung, dass beide Ehegatten das 18.
licher Auslegung. Lebensjahr vollendet haben (zu den Aus-
Seite 1048 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nahmen siehe Nummer 30.1.4.1 sowie 30.2.1). gehende Fähigkeiten verlangt werden, etwa
Die Regelung soll insbesondere Zwangs- nach der höheren Sprachstufe A 2 GER (Glo-
verheiratungen (siehe hierzu Nummer 27.1.6 balskala), die folgende Fähigkeiten voraussetzt
und 27.1a.2.1) von jungen Frauen und Männern (siehe hierzu auch Nummer 104a.1.2): „Kann
mit Auslandsbezug entgegenwirken und all- Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke ver-
gemein die Integrationsfähigkeit fördern (z. B. stehen, die mit Bereichen von ganz unmittel-
Abschluss der Schulbildung im Heimatstaat). barer Bedeutung zusammenhängen (z. B. In-
Nach anwendbarem Recht wirksame und mit formationen zur Person und zur Familie, Ein-
deutschem ordre public vereinbare Eheschlie- kaufen, Arbeit, nähere Umgebung). Kann sich
ßungen der Betroffenen in jüngerem Alter sind in einfachen, routinemäßigen Situationen ver-
für den Ehegattennachzug anzuerkennen, kön- ständigen, in denen es um einen einfachen und
nen aber vor Erreichen des Mindestalters nicht direkten Austausch von Informationen über
zu einem Aufenthalt in Deutschland führen. vertraute und geläufige Dinge geht. Kann mit
Soweit der Nachweis des Mindestalters nicht einfachen Mitteln die eigene Herkunft und
durch Geburtsurkunden, Ausweis- und son- Ausbildung, die direkte Umgebung und Dinge
stige Dokumente geführt werden kann bzw. im im Zusammenhang mit unmittelbaren Be-
Einzelfall Zweifel an deren Echtheit und in- dürfnissen beschreiben.“
haltlicher Richtigkeit bestehen, kommen unter
Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeits- 30.1.2.3.1 Deutschkenntnisse mindestens des Sprach-
grundsatzes im Einzelfall auch ergänzende standsniveaus A 1 GER sind vom nachziehen-
Sachverhaltsermittlungen oder die freiwillige den Ehegatten im Visumverfahren durch ein
Beibringung eines medizinischen Sachverstän- geeignetes und zuverlässiges Sprachstands-
digengutachtens durch den Antragsteller (§ 82) zeugnis nachzuweisen. Das Sprachstands-
in Betracht. Im Übrigen können auch Maßnah- zeugnis muss auf einer standardisierten Sprach-
men nach § 49 Absatz 3 Nummer 1 getroffen prüfung beruhen (vgl. hierzu Nummer
werden. 30.1.2.3.4.2). Sofern in bestimmten Her-
kunftsstaaten ein derartiges Sprachzeugnis
30.1.2.0 Nach § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 28 nicht erlangt werden kann, hat sich die Aus-
Absatz 1 Satz 5 ist für den Ehegattennachzug landsvertretung vom Vorliegen der einfachen
zu Ausländern und zu Deutschen zudem Deutschkenntnisse (hierzu siehe oben Num-
grundsätzlich Voraussetzung, dass der zuzie- mer 30.1.2.1 f.) im Rahmen der persönlichen
hende Ehegatte sich mindestens auf einfache Vorsprache des Antragstellers in geeigneter
Art in deutscher Sprache verständigen kann (zu Weise zu überzeugen. Ein besonderer Nach-
den Ausnahmen vom Sprachnachweis siehe weis ist nicht erforderlich, wenn die geforderten
Nummer 30.1.4.1 ff.). Deutschkenntnisse des Antragstellers bei der
Antragstellung offenkundig sind (vgl. hierzu
30.1.2.1 Die gesetzliche Voraussetzung, sich auf ein- Nummer 30.1.2.3.4.4). Soweit der Nachweis
fache Art in deutscher Sprache verständigen zu einfacher Deutschkenntnisse nicht bereits im
können, entspricht der Definition des Sprach- Visumverfahren erbracht werden musste, ist er
niveaus der Stufe A 1 der elementaren Sprach- bei der erstmaligen Erteilung einer Aufent-
anwendung des Gemeinsamen Europäischen haltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu
Referenzrahmens des Europarats (GER). Die
Deutschen oder Ausländern im Bundesgebiet
Stufe A 1 GER (Globalskala) beinhaltet als un-
zu erbringen. Dies kommt in den Fällen in Be-
terstes Sprachstandsniveau die folgenden
tracht, in denen Visumfreiheit auch für länger-
sprachlichen Fähigkeiten: „Kann vertraute, all-
fristige Aufenthalte besteht oder ein Aufent-
tägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze
haltszweckwechsel zugelassen ist oder wird.
verstehen und verwenden, die auf die Befriedi-
Kann die Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen
gung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich nur deshalb nicht erteilt werden, weil einfache
und andere vorstellen und anderen Leuten Fra- Deutschkenntnisse noch nicht vorliegen, ist der
gen zu ihrer Person stellen – z. B. wo sie woh- Antragsteller zum Integrationskurs zu ver-
nen, was für Leute sie kennen oder was für pflichten und kann das Verfahren ausgesetzt
Dinge sie haben – und kann auf Fragen dieser werden, damit der Antragsteller im Rahmen des
Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art Integrationskurses – zunächst – das Sprachni-
verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen veau A 1 erwerben kann. Den für die Ver-
oder Gesprächspartner langsam und deutlich pflichtung erforderlichen gesetzlichen Teilnah-
sprechen und bereit sind zu helfen.“ meanspruch nach § 44 (§ 4 Absatz 1 IntV) hat
Das Sprachniveau A 1 GER umfasst alle vier der Antragsteller, da ihm erstmals eine Aufent-
Sprachfertigkeiten (Hören, Sprechen, Lesen, haltserlaubnis nach § 28 bzw. § 30 erteilt wird.
Schreiben). Die schriftlichen Kenntnisse um- Diese Voraussetzung (erstmalige Erteilung
fassen dabei folgendes: „Kann eine kurze ein- einer Aufenthaltserlaubnis) ist auch dann gege-
fache Postkarte schreiben, z. B. Feriengrüße. ben, wenn das Antragsverfahren noch läuft
Kann auf Formularen, z. B. in Hotels, Namen, bzw. ausgesetzt ist, weil es lediglich am
Adresse, Nationalität usw. eintragen“. Sprachnachweis fehlt. Nach dem ausdrück-
lichen Gesetzeswortlaut ist gerade nicht er-
30.1.2.2 Es ist im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe forderlich, dass die Aufenthaltserlaubnis bereits
darauf zu achten, dass nicht bereits weiter- erteilt worden ist.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1049

30.1.2.3.2 Die Nachweispflicht gilt nicht für die Ver- 30.1.2.3.4.4 Ist im Rahmen der persönlichen Vorsprache des
längerung der Aufenthaltserlaubnis zum Ehe- Ehegatten bereits offenkundig, d. h. bestehen
gattennachzug, da hier der Ausnahmetatbe- keine vernünftigen Zweifel, dass dieser min-
stand des § 30 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 destens die erforderlichen einfachen Sprach-
i. V. m. § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 greift. kenntnisse i. S. d. Sprachniveaus A 1 GER be-
sitzt, so bedarf es eines Sprachstandsnachweises
30.1.2.3.3 Unerheblich ist, auf welche Weise der Ehegatte nicht.
die für die Sprachprüfung erforderlichen
Deutschkenntnisse erworben hat. Die Kosten 30.1.2.3.5 Auch wenn der nachziehende Ehegatte einfache
der Sprachprüfung und Sprachstandsnachweise Deutschkenntnisse im Visumverfahren bzw. bei
hat nach allgemeinen aufenthaltsrechtlichen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum
Grundsätzen (§ 82 Absatz 1) der Antragsteller Ehegattennachzug nachweisen konnte, ist er
zu tragen. nach Maßgabe des § 44a Absatz 1 Nummer 1
Buchstabe b) zur Teilnahme am Integrations-
30.1.2.3.4.1 Soweit dies aus Kapazitätsgründen möglich ist, kurs verpflichtet. Danach besteht seine Teil-
kann sich die Ausländerbehörde – wie bereits nahmepflicht, wenn der nachziehende Ehegatte
bisher im Rahmen der Verpflichtung nach § 44a zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthalts-
Absatz 1 Nummer 1 – selbst auf geeignete erlaubnis nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
Weise vom Vorliegen der einfachen Deutsch- oder § 30 Absatz 1 nicht über ausreichende
kenntnisse des Antragstellers überzeugen. Die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt
Ausländerbehörde kann sich hierbei an der (§ 44a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b), siehe
Sprachprüfung „Start Deutsch 1“ orientieren. hierzu Nummer 44a.1.2.2).
Dabei ist darauf zu achten, dass während des 30.1.3.1 Weitere Voraussetzung für den Nachzugsan-
Gesprächs mit dem Ehegatten die akustische spruch des Ehegatten nach § 30 Absatz 1 ist,
Verständnismöglichkeit nicht beeinträchtigt dass der stammberechtigte Ausländer über
wird. einen der in Satz 1 Nummer 3 genannten Auf-
enthaltstitel verfügt. Die Buchstaben a) bis d)
30.1.2.3.4.2 Die Ausländerbehörden dürfen in Deutschland des Absatzes 1 Nummer 3 erfassen auch Fälle,
ausgestellte Sprachnachweise anerkennen, die in denen die Ehe erst während des Aufenthaltes
auf standardisierten Sprachprüfungen beruhen. des Ausländers, zu dem der Nachzug stattfin-
Es existieren drei Institute, die als deutsche det, geschlossen wurde. Bei Buchstabe d) ist im
Mitglieder der ALTE Association of Language Einzelfall zu prüfen, ob der Stammberechtigte
Testers in Europe derartige standardisierte im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis mit einer
Deutschprüfungen anbieten: Goethe-Institut, begründeten Aussicht auf ein dauerhaftes Auf-
TestDaF-Institut und telc GmbH (DVV). Die enthaltsrecht in Deutschland ist.
Deutschprüfung „Start Deutsch 1“ ist die ein-
zige standardisierte Deutschprüfung auf der 30.1.3.2 Bei Absatz 1 Satz 1 Buchstabe e) muss die Ehe
Kompetenzstufe A 1, die in Deutschland abge- bereits bei der Erteilung der Aufenthaltser-
legt werden kann, und wird nur vom Goethe- laubnis an den Stammberechtigten bestanden
Institut und der telc GmbH angeboten. Von haben, wobei es nicht auch auf die „eheliche
ALTE-Mitgliedern angebotene höherwertige Lebensgemeinschaft“ ankommt (siehe hierzu
Prüfungen können ebenfalls anerkannt werden. auch Nummer 30.1.3.3). Zur Möglichkeit, nach
Nicht anerkannt werden können dagegen in- Ermessen von einzelnen Voraussetzungen des
formelle Lernzielkontrollen, die von anderen Absatzes 1 Satz 1 Buchstabe e) abzuweichen,
Kursträgern erstellt und durchgeführt werden vgl. Nummer 30.2.2 ff. Im Zusammenhang mit
und ebenfalls den Anspruch erheben, ein der Beurteilung der Dauer des voraussicht-
Sprachstandsniveau zu bescheinigen, da diese lichen Aufenthaltes des Ausländers, zu dem der
nicht über einen vergleichbaren Standardisie- Nachzug stattfindet, ist nicht auf die jeweilige
rungsgrad bei Durchführung und Auswertung Befristung des Aufenthaltstitels abzustellen,
verfügen und auf eine wissenschaftliche Te- sondern auf den Aufenthaltszweck. Ist dieser
stentwicklung verzichten. nicht seiner Natur nach zeitlich begrenzt, ist
von einem Aufenthalt auszugehen, dessen
30.1.2.3.4.3 Bei Vorlage von Sprachnachweisen über den Dauer ein Jahr überschreitet. Abweichendes gilt
niedrigsten Sprachstand A 1 GER, deren Aus- nur, wenn mit überwiegender Wahrschein-
stellung mehr als ein Jahr zurück liegt, ist wegen lichkeit zu erwarten ist, dass der Aufenthalts-
des in diesem Fall raschen Verlusts der Sprach- titel des Ausländers, zu dem der Nachzug
fähigkeit stets die inhaltliche Plausibilität der stattfindet, nicht über die Jahresfrist hinaus
darin bezeichneten Sprachkenntnis zu über- verlängert wird oder der Ausländer vor Ablauf
prüfen. Im Übrigen ist aus Gründen der Ver- der Jahresfrist seinen Aufenthalt im Bundesge-
hältnismäßigkeit zu beachten, dass der gesetz- biet dauerhaft beenden wird. Der Jahresfrist in
liche Zweck der Verbesserung der (sprach- Absatz 1 Satz 3 Buchstabe e) liegt die Über-
lichen) Integrationsfähigkeit nach dem Zuzug legung zugrunde, dass Ehegatten, die sich we-
nach Deutschland grundsätzlich auch durch gen eines auf längere Dauer angelegten recht-
einen Spracherwerb erreicht wird, der nicht mäßigen Aufenthalts eines Ehegatten in
unmittelbar vor der Antragstellung stattge- Deutschland entschieden haben, ihre familiäre
funden hat. Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet herzu-
Seite 1050 GMBl 2009 Nr. 42– 61

stellen, nicht zugemutet werden soll, noch län- ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Vorschrift
ger als ein Jahr voneinander getrennt zu leben. findet unter dieser Voraussetzung entspre-
Die Jahresfrist des Absatzes 1 Satz 3 Buchstabe chende Anwendung in Fällen, in denen ein
e) bezieht sich daher auf die noch verbleibende vormals Stammberechtigter nach § 25 Absatz 1
Aufenthaltsdauer im Zeitpunkt der Entschei- oder Absatz 2 oder § 26 Absatz 3 die deutsche
dung der Ehegatten, den Nachzug durch- Staatsangehörigkeit erworben hat und sein
zuführen. Diese wird durch die Beantragung Ehegatte nunmehr den Nachzug nach § 28 Ab-
des Visums zum Zweck des Ehegattennachzugs satz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 5 beantragt.
dokumentiert. Die Jahresfrist beginnt daher mit
der Visumantragstellung und nicht erst mit der 30.1.4.2.2 Die in § 30 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 vorge-
Visumerteilung, da das Bestehen eines Nach- sehene Ausnahmeregelung bei Vorliegen von
zugsanspruchs nach Absatz 1 Satz 3 Buchstabe körperlicher, geistiger oder seelischer Krank-
e) ansonsten von der außerhalb der Sphäre der heit oder Behinderung des nachziehenden Ehe-
Ehegatten liegenden Bearbeitungsdauer für die gatten erfordert stets eine Betrachtung des Ein-
Erteilung des Visums abhängig wäre. Ebenso zelfalls. Das Abstellen auf die fehlende Nach-
wenig ist auf den späteren Zeitpunkt der Ein- weismöglichkeit bedeutet, dass nicht nur
reise oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis Umstände zu berücksichtigen sind, welche das
an den nachziehenden Ehegatten abzustellen. sprachliche und schriftliche Ausdrucksver-
mögen unmittelbar beeinträchtigen. Auch eine
30.1.3.3 In Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe e) Krankheit oder Behinderung, die den Antrag-
kommt es auf den Bestand der Ehe an, während steller daran hindert, die geforderten Deutsch-
in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe f) auf kenntnisse in zumutbarer Weise zu erlernen
den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft (z. B. Art der Behinderung schließt den Besuch
Bezug genommen wird. Die unterschiedlichen von Sprachkursen und eine eigenständige An-
Anknüpfungspunkte haben ihren Grund darin, eignung der Deutschkenntnis aus), kann einen
dass nach Buchstabe e) grundsätzlich auch der Ausnahmefall darstellen. Bei Erkrankungen
Nachzug von Ehegatten möglich sein soll, die von vermutlich kurzfristiger Dauer ist in jedem
nach einer Eheschließung erstmals in Deutsch- Einzelfall zu prüfen, inwieweit voraussichtlich
land Gelegenheit haben, die eheliche Lebens- in absehbarer Zeit ein Spracherwerb wieder
gemeinschaft zu leben. Diese Fallgestaltung möglich und zumutbar sein wird. Das tatsäch-
wird gerade auch bei Ehen zwischen Qualifi- liche Vorliegen der Krankheit bzw. Behin-
zierten vorliegen, die bisher auf Grund ihres derung ist ggf. durch aktuelle und zuverlässige
Arbeitsplatzes nicht an einem Ort leben konn- ärztliche Bescheinigung o. ä. vom Antragsteller
ten, also Personen, für die das Bundesgebiet at- nachzuweisen. Eine Schwangerschaft stellt als
traktiv sein soll. Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 solche keine Erkrankung dar, bei Schwanger-
Buchstabe f) beruht hingegen auf einer anderen schaftskomplikationen können jedoch im Ein-
Fallgestaltung – der innergemeinschaftlichen zelfall die Voraussetzungen des § 30 Absatz 1
Mobilität von langfristig Aufenthaltsberech- Satz 3 Nummer 2 gegeben sein.
tigten – und ist inhaltlich an die Richtlinie 2003/
109/EG des Rates vom 25. November 2003 be- 30.1.4.2.3 Eine Ausnahme vom Spracherfordernis besteht
treffend die Rechtsstellung der langfristig ferner bei erkennbar geringem Integrationsbe-
aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen darf des nachziehenden Ehegatten bzw. feh-
(ABl. EU 2004 Nummer L 16 S. 44; so genannte lender Berechtigung zur Integrationskursteil-
Daueraufenthalt-Richtlinie) angelehnt (Arti- nahme aus anderen Gründen (Absatz 1 Satz 3
kel 16 Absatz 1 der Richtlinie). Nummer 3).

30.1.4.1 Ausgenommen vom Mindestalter und Spra- 30.1.4.2.3.1 Ein erkennbar geringer Integrationsbedarf ist
cherfordernis sind Ehegatten, die zu den in § 30 i. d. R. anzunehmen bei Ehegatten, die einen
Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Hoch- oder Fachhochschulabschluss oder eine
Ausländern nachziehen (Hochqualifizierte, entsprechende Qualifikation besitzen oder eine
Selbständige, Forscher, langfristig Aufenthalts- Erwerbstätigkeit ausüben, die regelmäßig eine
berechtigte). Soweit darin der Ehebestand im solche Qualifikation voraussetzt, und wenn im
Zeitpunkt des Zuzugs des Ausländers nach Einzelfall die Annahme gerechtfertigt ist, dass
Deutschland gefordert wird, genügt das formale der Ehegatte sich ohne staatliche Hilfe in das
Bestehen der Ehe, verbunden mit der Absicht, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle
eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begrün- Leben in Deutschland integrieren wird (vgl. § 4
den oder fortzuführen. Absatz 2 IntV). Letztere Voraussetzung
schließt die Prüfung ein, ob der Lebensunter-
30.1.4.2.1 Vom Sprachnachweis sind ferner die Ehegatten halt des nachziehenden Ehegatten von ihm
ausgenommen, die zu Asylberechtigten oder selbst bzw. durch den Stammberechtigten ohne
anerkannten Flüchtlingen nachziehen und de- staatliche Hilfe bestritten werden kann. Nach
ren Ehe bereits bestand, als sie ihren Lebens- § 4 Absatz 2 Nummer 1, 2. Halbsatz IntV ist
mittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt haben ein erkennbar geringer Integrationsbedarf nicht
(Absatz 1 Satz 3 Nummer 1). Soweit der Ehe- anzunehmen, wenn der Ausländer „wegen
bestand vor Zuzug des Ausländers in das Bun- mangelnder Sprachkenntnisse innerhalb eines
desgebiet gefordert wird, genügt auch hier das angemessenen Zeitraums nicht eine seiner
formale Bestehen der Ehe im Gegensatz zur Qualifikation entsprechende Erwerbstätigkeit
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1051

im Bundesgebiet erlaubt aufnehmen“ kann. Im wird (Fall des Aufenthaltszweckwechsels von


Einzelfall kann diese Prognose auch trotz fehl- § 16z. B. zu § 18), sind vor Verlängerung der
ender Deutschkenntnisse, z. B. wegen guter und Aufenthaltserlaubnis an den Ehegatten die er-
in der Branche maßgeblicher Englischkennt- forderlichen einfachen Deutschkenntnisse zu
nisse, positiv sein. Im Falle des Sprachnach- überprüfen (siehe hierzu auch Nummer
weises vor der Einreise in das Bundesgebiet ist 30.1.2.3.1) und die Betroffenen hierauf recht-
die Prüfung des erkennbar geringen Integra- zeitig hinzuweisen. Dies gilt auch in anderen
tionsbedarfs vor allem anhand geeigneter und Fällen des Aufenthaltszweckwechsels eines sich
zuverlässiger Nachweise der Hochschulab- zunächst nur vorübergehend in Deutschland
schlüsse bzw. entsprechender Qualifikation im aufhaltenden Ehegatten.
jeweiligen Herkunftsstaat zunächst durch die
Auslandsvertretung vorzunehmen. Im Zustim- 30.1.4.2.3.3 Ein Anspruch zur Integrationskursteilnahme
mungsverfahren nach § 31 AufenthV ist jedoch
fehlt darüber hinaus jungen Erwachsenen, die
auch die Ausländerbehörde grundsätzlich zur
z. B. eine schulische Ausbildung aufnehmen
Prüfung des Ausnahmetatbestands verpflichtet,
oder Ausländern, die bereits über ausreichende
insbesondere hinsichtlich der Integrations- und
Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen
der Erwerbstätigkeitsprognose im Inland, wenn
(§ 44 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 3). Zudem
sie auf dieser Grundlage die Zustimmung zur
besteht der Anspruch auf Integrationskursteil-
Visumerteilung erteilt. Die Zustimmungserklä- nahme nur bei erstmaliger Erteilung einer Auf-
rung muss entsprechende Erwägungen er- enthaltserlaubnis nach den §§ 28 und 30, also
kennen lassen. Eine positive Erwerbstätigkeits- nur für Neuzuwanderer, nicht für Bestandsaus-
prognose ist nicht vom Nachweis eines kon- länder (§ 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buch-
kreten Beschäftigungsangebots oder -vertrages stabe b). Danach gilt die Ausnahme vom
abhängig. Die Bundesagentur für Arbeit ist Sprachnachweis auch im Fall der Visumbean-
nicht zu beteiligen. Regelmäßig wird eine enge tragung zur Wiedereinreise von Ehegatten, die
Abstimmung zwischen Auslandsvertretung bereits zuvor Inhaber einer zwischenzeitlich
und Ausländerbehörde zur Feststellung des erloschenen Aufenthaltserlaubnis zu einem der
Ausnahmetatbestands im Einzelfall geboten in § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten
sein. Die geforderte Erwerbstätigkeitsprognose Zwecke gewesen sind oder nach dem 1. Januar
stellt ein Korrektiv dahingehend dar, dass die
2005 im Besitz eines gemäß § 101 Absatz 2
Inhaber ausländischer Hochschulabschlüsse
fortwirkenden Aufenthaltstitels nach dem
bzw. vergleichbarer Qualifikation nur dann
Ausländergesetz waren, der erst später erlosch.
vom Sprachnachweis befreit werden, wenn sie
Auf Grund der Ausnahme des § 30 Absatz 1
in Deutschland auch begründete Aussicht auf
Satz 3 Nummer 3, 2. Halbsatz sind einfache
Aufnahme einer entsprechenden Erwerbstätig-
Deutschkenntnisse daher nicht bei der Ver-
keit haben. längerung einer nach dem Aufenthaltsgesetz
erteilten Aufenthaltserlaubnis zum Ehegatten-
30.1.4.2.3.2 Eine Berechtigung zur Integrationskursteil-
nachzug nachzuweisen. Eine Ausnahme gilt nur
nahme fehlt zudem in Fällen, in denen sich die
beim Aufenthaltszweckwechsel des Stamm-
Eheleute nicht dauerhaft, sondern nur vorüber-
berechtigten von einem vorübergehenden zu
gehend in Deutschland aufhalten. Dies kommt
einem dauerhaften Aufenthalt (siehe Num-
z. B. bei Geschäftsleuten und deren Ehegatten
mer 30.1.4.2.3.2a.E.).
oder Mitarbeitern international tätiger Wirt-
schaftsunternehmen in Betracht, die nur für
einen bestimmten, absehbaren Zeitraum nach 30.1.4.2.3.4 Eine generelle Ausnahme vom Sprachnach-
Deutschland entsandt und hier gemäß § 18 tätig weiserfordernis gilt auch für die Ehegatten der-
werden, oder bei Gastwissenschaftlern mit jenigen Ausländer, die aufgrund ihrer Staatsan-
einem Aufenthaltstitel nach § 17 sowie deren gehörigkeit zu langfristigen Aufenthalten vi-
Ehegatten. Die beabsichtigte Aufenthaltsdauer sumfrei nach Deutschland einreisen dürfen,
kann auch mehrere Jahre betragen, da es nach § 30 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4. Dies trifft auf
§ 44 Absatz 1 Satz 2a.E. maßgeblich darauf an- die in § 41 Absatz 1 und 2 AufenthV aufge-
kommt, dass der Aufenthalt vorübergehender führten Staatsangehörigkeiten zu. Hintergrund
Natur ist. Wird die Absicht zu einem Aufent- für diese Privilegierung ist die traditionell enge
halt von mehr als fünf Jahren geltend gemacht, wirtschaftliche Verflechtung der betreffenden
ist dessen vorübergehende Natur vom Ehe- Staaten mit Deutschland, die auch beim Ehe-
gatten im Einzelnen nachzuweisen. Nur vor- gattennachzug zu den o. g. begünstigten Aus-
übergehend können sich gemäß bilateraler Ver- ländern ihren Niederschlag finden soll. Die
einbarung auch Religionslehrer hier aufhalten, Angehörigen dieser Staaten können bereits seit
die für mehrere Jahre nach Deutschland ent- längerer Zeit ohne Zuzugsbeschränkung ein-
sandt werden, gleichfalls entsandte Imame. reisen und aufgrund der insoweit weitestgehend
Weitere Personengruppen, die sich i. d. R. nur deckungsgleichen Staatenliste im Beschäfti-
vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten, sind gungsrecht (§ 34 BeschV) unter erleichterten
die Ehegatten von Stipendiaten und von Stu- Bedingungen eine Beschäftigung aufnehmen.
dierenden. Falls nach Studienabschluss des Die Ausnahme vom Spracherfordernis zuguns-
Stammberechtigten die Erlaubnis für einen ten von deren Ehegatten lehnt sich u. a. an diese
weiteren Aufenthalt in Deutschland beantragt Privilegierungen an, um sie nicht durch die Er-
Seite 1052 GMBl 2009 Nr. 42– 61

höhung der Voraussetzungen für den Ehe- allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5


gattennachzug zu unterlaufen. Absatz 1 Nummer 1 oder des § 29 Absatz 1
Nummer 2 nicht mehr vorliegen. Von den
30.2 Ehegattennachzug nach Ermessen übrigen in § 5 Absatz 1, Absatz 4 und § 29 Ab-
satz 1 Nummer 1 bezeichneten Voraussetzun-
30.2.1 Nach Absatz 2 Satz 1 besteht eine allgemeine gen darf – sofern die betreffende Norm eine
Härtefallregelung hinsichtlich des Mindest- Regel vorgibt, jedenfalls regelmäßig – nicht ab-
alters (§ 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1). Zur gesehen und muss das Versagungsermessen des
Vermeidung einer besonderen Härte soll nach § 27 Absatz 3 ausgeübt werden. Zu prüfen ist
Ermessen ein Ehegattennachzug auch dann zu- insbesondere der Fortbestand der ehelichen
gelassen werden können, wenn der nachzie- Lebensgemeinschaft.
hende Ehegatte und/oder der stammberechtigte
Ausländer das Mindestalter von 18 Jahren noch 30.3.2 Der nach Artikel 6 GG gebotene Schutz von
nicht erreicht haben. Die eheliche Lebens- Ehe und Familie während des Fortbestandes
gemeinschaft muss das geeignete und not- der ehelichen Lebensgemeinschaft ist als be-
wendige Mittel sein, um die besondere Härte zu sonderer Umstand zu werten, der eine Abwei-
vermeiden. Nach Art und Schwere müssen die chung von Regelerteilungsvoraussetzungen
vorgetragenen besonderen Umstände so deut- rechtfertigen kann.
lich von den sonstigen Fällen des Ehegatten-
nachzugs abweichen, dass das Festhalten am 30.4 Mehrehe
Mindestaltererfordernis im Hinblick auf das 30.4.1 Der Fall des Ehegattennachzugs in Mehrehe ist
geltend gemachte Interesse der Führung der in § 30 Absatz 4 geregelt. Dabei ist zunächst die
Lebensgemeinschaft in Deutschland – bei Vor- zivilrechtliche Vorfrage zu prüfen, inwieweit
liegen aller übrigen Zuzugsvoraussetzungen – nach dem auf beide Ehegatten jeweils an-
unverhältnismäßig wäre (Einzelfallbetrach- wendbaren Personalstatut eine wirksame Ehe-
tung). Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie schließung stattgefunden hat. Insbesondere
weit das Alter des/der Betroffenen das Min- nach muslimisch geprägten Rechtsordnungen
destaltererfordernis im Zuzugszeitpunkt unter- unterliegt die wirksame Eingehung einer Meh-
schreitet. rehe häufig besonderen verfahrens- und mate-
30.2.2 Die in Absatz 2 Satz 2 genannte Abweichung riellrechtlichen Voraussetzungen.
kann sich sowohl beziehen auf das in Absatz 1 30.4.2 Liegt zwischen den Ehegatten eine wirksame
Satz 1 Nummer 3 Buchstabe e) genannte (Mehr-)Eheschließung vor, besteht nach § 30
Merkmal des Bestands der Ehe vor der Er- Absatz 4 nur insoweit ein Nachzugsrecht, als in
teilung der Aufenthaltserlaubnis an den Ehe- Deutschland die eheliche Lebensgemeinschaft
gatten, zu dem der Nachzug stattfinden soll, als nicht schon mit einem anderen Ehegatten ge-
auch auf das dort aufgestellte Erfordernis der führt wird. Sicherzustellen ist zudem, dass der
voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von über Lebensunterhalt konkret des nachzugswilligen
einem Jahr, als auch auf beide Voraussetzungen Ehegatten gesichert ist, wozu auch ein aus-
zugleich. Bei der Ermessensentscheidung nach reichender Krankenversicherungsschutz ge-
Absatz 2 Satz 2 kommt es nicht auf das Vor- hört. Da die gesetzlichen Krankenkassen die
liegen einer besonderen Härte an. Mitversicherung in der Familienversicherung
30.2.3 Für die Ermessensentscheidung kann abhängig bei Mehrehen derart regeln, dass nicht not-
von der Fallgestaltung u. a. maßgeblich sein, wendig der nachziehende Ehegatte mitver-
sichert ist, muss die Behörde im Fall einer
30.2.3.1 – wie lange sich der Ehegatte, zu dem der Mehrehe stets die Bescheinigung einer Kran-
Nachzug stattfindet, bereits im Bundesge- kenversicherung verlangen, wonach im Fall des
biet aufhält, Familiennachzugs der konkret genannte Ehe-
30.2.3.2 – insbesondere, ob der Ehegatte, zu dem der gatte entweder in der Familienversicherung
Nachzug stattfindet, im Bundesgebiet ge- mitversichert ist oder beitragspflichtig freiwillig
boren oder als Minderjähriger eingereist ist, versichert wird. Ersatzweise besteht die Mög-
obwohl er keine Niederlassungserlaubnis lichkeit, einen ausreichenden privaten Kran-
besitzt, kenversicherungsschutz nachzuweisen.

30.2.3.3 – dass die Ehefrau schwanger ist oder aus der


Ehe bereits ein Kind hervorgegangen ist, 31 Zu § 31 – Eigenständiges Aufenthaltsrecht
der Ehegatten
30.2.3.4 – dass an dem Aufenthalt einer Person, die
sich vorübergehend im Bundesgebiet auf- 31.0 Allgemeines
hält, ein öffentliches Interesse besteht; dies
gilt insbesondere für die in § 34 AufenthV 31.0.1 Sobald die eheliche Lebensgemeinschaft – auch
genannten Personen. schon vor Auflösung der Ehe – aufgehoben ist,
darf die nach den §§ 27 und 30 erteilte zweck-
gebundene Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten
30.3 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
nur unter den Voraussetzungen des § 31 be-
30.3.1 Die Aufenthaltserlaubnis darf im Wege des Er- fristet verlängert werden. Eine „Aufenthalts-
messens auch dann verlängert werden, wenn die erlaubnis des Ehegatten“ i. S.d § 31 Absatz 1
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1053

Satz 1 liegt nur dann vor, wenn sie dem Ehe- 31.1.2 Nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ist die Dauer
gatten nach den Vorschriften des Kapitels 2, der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundes-
Abschnitt 6 zum Zwecke des Ehegattennach- gebiet und nicht die Dauer des bisherigen Auf-
zugs erteilt worden ist. Eine Aufenthaltser- enthalts des Ehegatten maßgebend. Vorüber-
laubnis aus humanitären Gründen nach § 25 gehende Trennungen, die den Fortbestand der
erfüllt diese Voraussetzung z. B. nicht. Hiervon ehelichen Lebensgemeinschaft nicht berühren,
ist auch dann keine Ausnahme zu machen, bleiben außer Betracht. Wenn sich die Ehe-
wenn sich der Ausländer für die Tatbestands- gatten aber vor Ablauf der Zweijahresfrist
voraussetzung der Unmöglichkeit der Ausreise trennen und diese Trennung nach dem ernst-
des § 25 Absatz 5 gerade auf den besonderen haften, nach außen verlautbarten Willen beider
Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft oder auch nur eines der Ehepartner als dauer-
durch Artikel 6 GG oder Artikel 8 EMRK be- haft betrachtet wird, wird die Zweijahresfrist
rufen hat. Eine solche Ausnahme widerspräche bei einer späteren Wiederaufnahme der ehe-
insbesondere dem Sinn und Zweck des § 31 lichen Lebensgemeinschaft neu in Lauf gesetzt.
Absatz 1, nur das besondere Vertrauensinte- Das Merkmal „rechtmäßig“ bezieht sich auf
resse auf Gewährung eines längerfristigen Auf- den Aufenthalt. Beide Ehegatten müssen sich
enthalts in Deutschland zu schützen, das während der Führung der ehelichen Lebens-
grundsätzlich durch die Erteilung einer Auf- gemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet auf-
enthaltserlaubnis zum Zweck des ehelichen gehalten haben. Nicht erforderlich ist, dass
Zusammenlebens begründet wird. Nach dem in während des gesamten Zeitraums der recht-
§§ 7, 8 verankerten Trennungsprinzip zwischen mäßige Aufenthalt des Ehegatten auf einer
den in den Abschnitten 3 bis 7 des Aufent- Aufenthaltserlaubnis nach § 30 beruhte. Eine
haltsgesetzes näher beschriebenen Aufenthalts- Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsge-
zwecken ist ein Ausländer regelmäßig darauf zu setz stellt jedoch nur dann eine „Aufenthalts-
verweisen, seine aufenthaltsrechtlichen An- erlaubnis des Ehegatten“ i. S. d. § 31 Absatz 1
sprüche aus den Rechtsgrundlagen abzuleiten, Satz 1 dar, wenn sie diesem nach den Vor-
die der Gesetzgeber für die spezifischen vom schriften des Kapitels 2 Abschnitt 6 zum
Ausländer verfolgten Aufenthaltszwecke ge- Zwecke des Ehegattennachzugs erteilt worden
schaffen hat. Nichts anderes ergibt sich aus ist.
§ 104 Absatz 7 (siehe hierzu Nummer 104.7),
der lediglich eine Ausnahme von dem im Auf- 31.1.3 Die Aufenthaltserlaubnis darf nach Absatz 1
enthaltsgesetz verankerten Trennungsprinzip Satz 1 nur verlängert werden, wenn bis zum
normiert. Eintritt der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder
2 bzw. Absatz 2 bezeichneten Voraussetzungen
31.0.2 § 30 Absatz 3 ist im Rahmen des § 31 nicht die Ehegattennachzugsvoraussetzung des § 29
mehr anwendbar, so dass die allgemeinen Er- Absatz 1 Nummer 1 erfüllt war. Eine Aus-
teilungsvoraussetzungen eingreifen. Ein an- nahme gilt nach Absatz 1 Satz 1a. E.; insofern
hängiges Scheidungsverfahren hindert die Be- kommt es darauf an, ob der stammberechtigte
hörde nicht, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß Ausländer die Gründe für die Nichtbeantra-
Absatz 1 zu versagen und den Aufenthalt zu gung der Verlängerung nicht zu vertreten hat.
beenden.
31.1.4 Grundlegende Voraussetzung für die Ver-
31.0.3 Die eheliche Lebensgemeinschaft ist aufge- selbständigung des Aufenthaltsrechts ist, dass
hoben, wenn die Ehe durch Tod oder Scheidung der stammberechtigte Ausländer im Zeitpunkt
beendet oder diese Gemeinschaft tatsächlich der Beendigung der ehelichen Lebensgemein-
durch Trennung auf Dauer aufgelöst ist. Ein schaft im Besitz eines grundsätzlich zur Verfe-
vorübergehendes Getrenntleben der Ehegatten stigung geeigneten Aufenthaltsrechts (Aufent-
genügt diesen Anforderungen nicht. Soweit auf haltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder
eine bestimmte Ehebestandszeit abzustellen ist Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG, vgl. § 31
(Absatz 1 Satz 1 Nummer 1), ist nur die Be- Absatz 1 Satz 1 a.E.) war. In den Anwendungs-
standszeit einer ehelichen Lebensgemeinschaft bereich der Norm gelangen damit nach dem
mit einem Ehegatten gemeint. Willen des Gesetzgebers alle Ehegatten, bei de-
nen aufgrund der akzessorischen Verknüpfung
31.1 Anspruch auf Verlängerung der Aufent- zum Aufenthaltsrecht des Stammberechtigten
haltserlaubnis ebenfalls eine dauerhafte Aufenthaltsperspek-
tive bestand (vgl. zum Grundsatz der Akzesso-
31.1.1 Regelungsgegenstand des Absatzes 1 ist die rietät auch Nummer 27.1.3 und Nummer 27.4).
Entstehung eines eigenständigen Aufenthalts- Bei diesem Personenkreis kann angenommen
rechts. Durch die Verlängerung der Aufent- werden, dass im Vertrauen auf die Perspektive
haltserlaubnis des nachgezogenen Ehegatten eines fortwährenden Aufenthalts in der Bun-
unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 als desrepublik Deutschland eine Eingliederung in
selbständige Aufenthaltserlaubnis erfolgt die die hiesige Gesellschaft erfolgt ist, so dass eine
Umwandlung des ursprünglich akzessorischen Rückkehr in das Herkunftsland mit erheblichen
Aufenthaltsrechts (vgl. Nummer 27.1.3 und Belastungen verbunden wäre. Durch das eigen-
27.4) in ein hiervon unabhängiges, eigen- ständige Aufenthaltsrecht soll eine schutz-
ständiges Aufenthaltsrecht. würdige Verfestigung der Lebensumstände des
Seite 1054 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Ehegatten perpetuiert werden, der nur wegen vorliegt. Aus der Regelung ist ersichtlich, dass
der nicht vorhersehbaren Beendigung der Le- das Vorliegen einer besonderen Härte anhand
bensgemeinschaft die ursprünglich auf Dauer von zwei Vergleichen festgestellt werden kann.
angelegte Aufenthaltsperspektive verlieren
würde. Ausgeschlossen ist durch Absatz 1 31.2.2.1 Zum einen ist die Situation des betroffenen
Satz 2 das eigenständige Aufenthaltsrecht von Ehegatten im Falle der Rückkehr in sein Hei-
Ehegatten von Ausländern, die selbst keine matland mit derjenigen zu vergleichen, die bei
Perspektive der Aufenthaltsverfestigung haben. einem Verbleib in Deutschland besteht. Ergibt
In diesen Fällen kann der Ehegatte nicht darauf sich, dass bei der Rückkehr eine erhebliche Be-
vertrauen, dass ihm ein längerfristiges Aufent- einträchtigung schutzwürdiger Belange droht,
haltsrecht im Bundesgebiet gewährt wird. In liegt eine besondere Härte vor. Dabei ist die mit
derartigen Fällen eines nur temporären Aufent- jeder Ausreiseverpflichtung ohne weiteres ver-
haltsrechts (Beispiel: auf vier Jahre befristeter bundene Härte unerheblich. Zu berücksich-
Arbeitsaufenthalt als Spezialitätenkoch), in de- tigen sind nur solche Härten, die sich auf die
nen für den Stammberechtigten und – aufgrund Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft
der akzessorischen Verknüpfung – auch für den zurückführen lassen. Zu berücksichtigen ist
Ehegatten von Anbeginn eine Rückkehrver- nach Absatz 2 Satz 2, 2. Halbsatz auch das
pflichtung besteht, kommt ein eigenständiges Wohl eines Kindes, das mit dem betroffenen
Aufenthaltsrecht nicht in Betracht. Andernfalls Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft
würde sich aus der Auflösung der Ehe eine lebt. Schutzwürdig sind somit unter anderem
aufenthaltsrechtliche Besserstellung des nach- Belange, die verbunden sind mit:
gezogenen Ehegatten ergeben. Dies wäre mit 31.2.2.1.1 – dem Interesse an einem weiteren Umgang
der Zweckbestimmung des § 31 nicht vereinbar. mit einem eigenen Kind, das im Bundesge-
biet verbleibt; insbesondere, wenn die Per-
31.2 Wegfall der Frist in Fällen besonderer Härte sonensorge beiden Elternteilen zusteht und
eine Verlegung des Wohnsitzes in das Aus-
31.2.1.1 § 31 Absatz 2 verlangt für die Verkürzung der
land durch die gesamte Familie innerhalb
Frist eine besondere Härte. Es handelt sich bei
der nächsten Monate nicht zu erwarten ist,
dem Begriff der „besonderen Härte“ um einen
oder wenn ein Kind mit Bleiberecht zu-
unbestimmten Rechtsbegriff und nicht um eine
rückgelassen würde, das durch den be-
Ermächtigung zur Ausübung behördlichen Er-
troffenen Ehegatten versorgt würde,
messens. Liegt eine besondere Härte tat-
bestandlich vor, so ist daher nach Absatz 2 31.2.2.1.2 – der Tatsache, dass die Betreuung eines be-
Satz 1 – unbeschadet des Satzes 3 – bei Vor- hinderten Kindes, das auf Beibehaltung des
liegen der übrigen Voraussetzungen zwingend spezifischen sozialen Umfeldes existentiell
auch vor Ablauf der Zweijahresfrist eine Auf- angewiesen ist, im Herkunftsland nicht si-
enthaltserlaubnis zu erteilen. chergestellt werden kann,
31.2.1.2 Nach Absatz 2 Satz 1 2. Halbsatz erwirbt der 31.2.2.1.3 – Eigenarten des Rechts- oder Kulturkreises
Ehegatte auch bei Vorliegen eines Härtefalles im Herkunftsstaat, die zu einer erheblichen
kein eigenständiges Aufenthaltsrecht, wenn für rechtlichen oder gesellschaftlichen Diskri-
den Stammberechtigten die Verlängerung der minierung des betroffenen Ehegatten wegen
Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist (siehe der Auflösung der ehelichen Lebensgemein-
hierzu auch Nummer 31.1.4). Es kann bei Vor- schaft oder Elternschaft führen können;
liegen der gesetzlichen Voraussetzungen jedoch hierbei sind auch tatsächliche Anhaltspunkte
ein Aufenthaltsrecht für den Ehegatten nach zu berücksichtigen, wonach eine Verfolgung
Kapitel 2 Abschnitt 5 in Betracht kommen. durch im Herkunftsstaat lebende nahe ste-
Der Versagungstatbestand des § 31 Absatz 2 hende Personen zu erwarten ist. Sonstige
Satz 1 a.E. erfasst jedoch nicht den Fall, dass die zielstaatsbezogene Abschiebungsgründe
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des sind nicht im Rahmen des § 31 Absatz 2,
stammberechtigten Ausländers gemäß § 8 Ab- sondern in einem Asylverfahren zu prüfen.
satz 1, § 5 Absatz 1 Nummer 2 ausscheidet,
weil der Ausländer den gesetzlichen Beispiels- 31.2.2.2 Zum anderen ist die Situation bei Weiter-
fall einer besonderen Härte gemäß § 31 Ab- bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft mit
satz 2 gegenüber seinem Ehegatten in einer derjenigen zu vergleichen, die bestehen würde,
Weise verwirklicht hat (z. B. durch Straftaten wenn die Lebensgemeinschaft erst nach Ablauf
gegenüber dem Ehegatten), die zugleich einen der Zweijahresfrist aufgehoben worden wäre.
Ausweisungsgrund darstellt. Ob eine Ver- Allein die Zerrüttung der ehelichen Lebens-
längerung der Aufenthaltserlaubnis des stamm- gemeinschaft im Sinne eines Zerfalls der Bezie-
berechtigten Ausländers i. S. d. Absatzes 2 hung zwischen den Ehegatten begründet keine
Satz 1, 2. Halbsatz ausgeschlossen ist, ist in Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ehe-
derartigen Fällen daher unter Ausblendung der lichen Lebensgemeinschaft. Unzumutbar ist
Umstände zu beurteilen, die zur Aufhebung der das Festhalten an der ehelichen Lebensgemein-
ehelichen Lebensgemeinschaft geführt haben. schaft u. a., wenn
31.2.2 Absatz 2 Satz 2 führt beispielhaft Fälle auf, in 31.2.2.2.1 – sich der Ehegatte in einer Zwangsehe be-
denen eine besondere Härte i. S. d. Satzes 1 findet (siehe hierzu auch Nummer 27.1.6,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1055

27.1a.2.1); dies gilt auch dann, wenn beide 31.2.5 Eine Härte ist begrifflich bei einem Ein-
Ehegatten Opfer der Zwangssituation sind, verständnis oder einer Teilnahme des anderen
Ehegatten an grundsätzlich härtefallbegrün-
31.2.2.2.2 – der betroffene Ehegatte oder ein in der Ehe denden Handlungen ausgeschlossen, wie etwa
lebendes Kind durch den stammberech- in Fällen der gemeinsamen, nicht gegeneinander
tigten Ausländer physisch oder psychisch gerichteten Begehung von Straftaten oder ein-
misshandelt oder das Kind in seiner geis- vernehmlichen Alkoholmissbrauchs.
tigen oder körperlichen Entwicklung er-
heblich gefährdet wurde, insbesondere 31.3 Erleichterte Erteilung einer Niederlassungs-
wenn bereits Maßnahmen im Rahmen des erlaubnis
Gewaltschutzes getroffen worden waren,
z. B. wenn die betroffenen Ehegatten auf- 31.3.1 Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem die Nieder-
grund der Misshandlungen Zuflucht in einer lassungserlaubnis oder die Erlaubnis zum Dau-
Hilfseinrichtung (z. B. Frauenhaus) suchen eraufenthalt-EG des Ausländers vorliegen
mussten oder eine polizeiliche oder ge- muss, ist die Erteilung der Niederlassungser-
richtliche Wegweisung des Stammberech- laubnis oder die Erlaubnis zum Daueraufent-
tigten aus der ehelichen Wohnung erfolgte, halt-EG an den betroffenen Ehegatten, nicht
aber der Tag der Aufhebung der ehelichen Le-
31.2.2.2.3 – der stammberechtigte Ausländer gegen den bensgemeinschaft.
betroffenen Ehegatten oder gegen ein in der
Ehe lebendes Kind sonstige erhebliche 31.3.2 Der Ehegatte muss grundsätzlich die allge-
Straftaten begangen hat, meinen Voraussetzungen für die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis
31.2.2.2.4 – der stammberechtigte Ausländer vom be- zum Daueraufenthalt-EG erfüllen. Absatz 3
troffenen Ehegatten nachhaltig die Teil- erlaubt bei Vorliegen der übrigen Voraus-
nahme an strafbaren Handlungen verlangt setzungen lediglich ein Abweichen von § 9 Ab-
hat, wenn der betroffene Ehegatte eine sol- satz 2 Nummer 3, 5 und 6.
che Teilnahme in der Vergangenheit stets
abgelehnt hatte. 31.3.3 Eine Unterhaltssicherung i. S. d. Absatzes 3
liegt vor, wenn der stammberechtigte Ausländer
31.2.3 Der Verselbständigung des Aufenthaltsrechts seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommt.
des Ehegatten kann die Inanspruchnahme von Voraussetzung ist, dass eine Unterhaltsver-
Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII als pflichtung besteht und diese vom stammbe-
Versagungsgrund nach Absatz 2 Satz 3 zur rechtigten Ausländer aus eigenen Mitteln erfüllt
Vermeidung von Missbrauch insbesondere wird. Eine Unterhaltsverpflichtung, die zwar
dann entgegenstehen, wenn sich der Ehegatte besteht, aber nicht durchsetzbar ist oder nicht
nicht in zumutbarer Weise auf Arbeitsuche be- aus eigenen Mitteln des stammberechtigten
geben hat, auf eine Arbeitsvermittlung nicht Ehegatten bestritten wird, ist nicht ausreichend.
reagiert hat oder eine ihm zumutbare Arbeit Eigene Mittel des betroffenen Ehegatten, die
nicht leistet. Bei der Prüfung ist zu berück- zusätzlich zur Unterhaltssicherung eingesetzt
sichtigen, ob der Ehegatte Kleinkinder oder werden können, insbesondere ein voraussicht-
pflegebedürftige Kinder zu betreuen hat und lich auf Dauer erzieltes eigenes Einkommen,
aus diesem Grund eine Arbeitsaufnahme nicht sind berücksichtigungsfähig. Zudem findet § 2
möglich ist. Darüber hinaus muss auch Um- Absatz 3 Anwendung. Nicht berücksichtigt
ständen Rechnung getragen werden, die die be- werden Unterhaltsleistungen von dritter Seite.
sondere Härte i. S. d. Absatzes 2 Satz 1 und 2
31.3.4 Absatz 3 findet auch dann Anwendung, wenn
begründet haben und aufgrund derer der Ehe-
dem betroffenen Ehegatten bereits nach Ent-
gatte nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätig-
stehung des eigenständigen Aufenthaltsrechts
keit nachzugehen (z. B. Traumatisierung in
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Absatz 1
Folge erlittener Misshandlungen). Die Inan-
oder 2 erteilt worden war.
spruchnahme von Leistungen nach dem BAföG
steht der Verselbständigung des Aufenthalts-
rechts des Ehegatten nicht entgegen. Auch in 31.4 Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder
den Fällen des § 31 Absatz 2 berechtigt die SGB XII und Verlängerung
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Absatz 1 zur 31.4.1 Die Verlängerung des nach der Entstehung des
Erwerbstätigkeit. eigenständigen Aufenthaltsrechts erteilten
Aufenthaltstitels richtet sich nach den allge-
31.2.4 Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Ab- meinen Vorschriften. Sie erfolgt nach Ermessen.
satzes 2 ist sprachlichen, kulturell bedingten Der Aufenthaltszweck liegt im weiteren Auf-
oder psychischen Problemen des betroffenen enthalt im Bundesgebiet nach Entstehung eines
Ehegatten Rechnung zu tragen. Solche Pro- eigenständigen Aufenthaltsrechts. Die §§ 27 bis
bleme können zu Schwierigkeiten bei der Dar- 30 finden keine Anwendung.
stellung der Umstände führen, die eine be-
sondere Härte rechtfertigen können. Insofern 31.4.2 Umstände, die zur Begründung der besonderen
genügt es, wenn die Härtegründe durch den Härte beigetragen haben, können weiterhin
betroffenen Ehegatten plausibel dargestellt eine Ausnahme von § 5 Absatz 1 rechtfertigen.
werden. Außerdem kann von § 5 Absatz 1 eine Aus-
Seite 1056 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nahme gemacht werden, wenn wegen der Er- Scheidung der Eltern), jedoch die Herbeifüh-
ziehung kleiner Kinder die Erwerbstätigkeit rung eines alleinigen Personensorgerechts des
unzumutbar ist (vgl. hierzu Nummer 104a.6.3). im Bundesgebiet ansässigen Elternteils entspre-
chend dem nach § 1626 BGB vorgesehenen
Rechteumfang nach der Rechtsordnung oder
32 Zu § 32 – Kindernachzug der Rechtspraxis im Heimatstaat nicht vorge-
sehen bzw. aussichtslos ist. In diesem Fall ist auf
32.0 Allgemeines der Rechtsgrundlage des § 32 Absatz 4 im Er-
messenswege der Kindernachzug zum nicht-
32.0.1 Der Nachzug setzt in allen Fällen des § 32 vor-
sorgeberechtigten Elternteil zulässig, wenn der
aus, dass das Kind nicht verheiratet, geschieden
andere Elternteil dem Kindernachzug zustimmt
oder verwitwet ist und das 18. Lebensjahr noch
oder seine Zustimmung nach Nummer 32.4.4.4
nicht vollendet hat (vgl. § 80 Absatz 3 Satz 1;
entbehrlich ist und nach eingehender Prüfung
hiervon abweichende Volljährigkeitsgrenzen
der Auswirkungen eines Zuzugs das maß-
nach dem Recht der Herkunftsstaaten sind un-
gebliche Kindeswohl zu bejahen ist. Die Zu-
erheblich). Darüber hinaus kommt ein Kinder-
stimmungserklärung des anderen Elternteils
nachzug nur nach § 36 Absatz 2 in Fällen einer
soll an eine umfassende Personensorgerechts-
außergewöhnlichen Härte im Ermessenswege
übertragung angenähert sein, soweit die ein-
in Betracht. Für die Berechnung der Alters-
schlägigen Rechtsvorschriften dem nicht aus-
grenzen maßgeblich ist der Zeitpunkt der An-
drücklich entgegenstehen; eine bloße Zustim-
tragstellung, nicht derjenige der Erteilung oder
mung zur Aufenthaltsbestimmung genügt
der Möglichkeit einer Erteilung im Falle einer
hierfür nicht. Zur Vermeidung von Kindesen-
Antragstellung, die tatsächlich nicht erfolgte. Es
tziehungen ist die Echtheit der Zustimmungs-
müssen die Voraussetzungen der für dieses Al-
erklärung besonders zu prüfen. Der Zuzug zum
ter maßgeblichen Rechtsgrundlage geprüft
im Bundesgebiet ansässigen, nicht-sorgebe-
werden. Im Anschluss kann bei mittlerweile
rechtigten Elternteil und die Herauslösung des
eingetretener Volljährigkeit der Titel auch nach
Kindes aus seinen bisher bestehenden persönli-
Maßgabe des § 34 Absatz 2 verlängert werden.
chen Bindungen müssen maßgeblich dem Wohl
32.0.2.1 Die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Kindes dienen. Die Feststellung ist im Sinne
darf die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaub- einer offenen Abwägung bei gleichwertiger Be-
nis beider Eltern oder, wenn das Kind nur zu trachtung des Lebensumfelds beider Eltern zu
einem Elternteil nachzieht, die Geltungsdauer treffen; nicht ausschlaggebend ist ein abstrakter
der Aufenthaltserlaubnis dieses Elternteils nicht Vergleich des allgemeinen Lebensstandards im
überschreiten (siehe Nummer 27.1.3 und 27.4). Herkunftsland und in Deutschland. Maß-
Besitzt ein Elternteil eine Niederlassungser- geblich sind die im Einzelfall festzustellenden
laubnis, soll die Aufenthaltserlaubnis für das persönlichen und sozialen Beziehungen des
Kind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres Kindes zu den beiden Elternteilen und deren
erteilt werden. Anschließend findet § 35 Ab- jeweiligem sozialen Umfeld. Zur Kindeswohl-
satz 1 Satz 1 für die Erteilung einer Nieder- prüfung sind geeignete Nachweise zur fami-
lassungserlaubnis Anwendung. liären Kindessituation beizubringen. Die Aus-
länderbehörde sollte im Zweifel eine Stellung-
32.0.2.2 In den übrigen Fällen ist die Aufenthaltser- nahme des Jugendamtes einholen.
laubnis des Kindes in der Weise zu befristen,
dass sie gleichzeitig mit der Aufenthaltserlaub- Liegen diese Voraussetzungen vor, ist bei der
nis der Eltern ungültig wird und verlängert Ausübung des Ermessens nach § 32 Absatz 4
werden kann. Hiervon kann abgewichen wer- auch die in den § 32 Absatz 1 und 2 enthaltene,
den, wenn das Aufenthaltsrecht des Kindes ge- auf das Kindesalter und die individuelle In-
mäß § 34 ein eigenständiges Recht wird. Dies- tegrationsprognose abstellende Gesetzessys-
bezüglich sind auch die Regelungen über die tematik zu berücksichtigen. Zu beachten ist
Geltungsdauer und Verlängerung von Aufent- weiter, dass die geltenden internationalen Kin-
haltserlaubnissen zu beachten (siehe Num- derschutzabkommen prinzipiell dem Verbleib
mer 27.4). des Kindes im Herkunftsstaat den Vorzug ge-
32.0.3 Der Nachzug zu einem nicht sorgeberechtigten ben, auch um missbräuchliche Kindesentzie-
Elternteil, der sich allein in Deutschland auf- hungen zu vermeiden (siehe hierzu auch Num-
hält, ist regelmäßig zu versagen, sofern kein Fall mer 32.4).
des § 32 Absatz 1 Nummer 1 vorliegt. Der nicht
sorgeberechtigte Elternteil ist darauf zu ver- 32.0.5 Zur Scheinvaterschaft siehe Nummer 27.1a.1.3
weisen, dass er zunächst alle geeigneten Mög- und 79.2. Zu Adoptivkindern siehe die Er-
lichkeiten zur Herbeiführung einer alleinigen läuterungen in Nummer 28.1.2.1 f.. Pflege-
Personensorgeberechtigung auszuschöpfen hat. kinder haben kein Nachzugsrecht nach § 32.
Möglich ist aber die Erteilung einer Aufent-
32.0.4 Eine Ausnahme kann in Betracht kommen, haltserlaubnis nach Maßgabe des § 36 Absatz 2
wenn eine familiäre Situation vorliegt, in der (vgl. auch Nummer 27.1.5 und Nummer
nach deutschem Kindschaftsrecht eine Perso- 36.2.1.2). Bei Stiefkindern, die mit einem leib-
nensorgerechtsübertragung möglich wäre (ins- lichen Elternteil zu dessen Ehegatten nach
besondere im Fall des Getrenntlebens bzw. der Deutschland ziehen, ist die Nachzugsmög-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1057

lichkeit nicht daran geknüpft, dass der Stiefva- stellung des Aufenthaltstitels das Erreichen der
ter/die Stiefmutter das Kind adoptiert. Dies gilt Altersgrenze bzw. der Volljährigkeit unmittel-
auch, wenn die Stiefkinder erst später nachzie- bar bevorstehen.
hen. Der Nachzug findet nicht zu dem Stiefel-
ternteil, sondern dem leiblichen Elternteil auf- 32.1.2 Nach Nummer 1 ist Voraussetzung, dass der
grund von dessen Aufenthaltsrecht statt. Da mit Ausländer, zu dem der Nachzug erfolgt, ent-
dem Stiefelternteil i. d. R. eine Bedarfsgemein- weder eine Aufenthaltserlaubnis als Asylbe-
schaft gebildet werden soll, ist im Hinblick auf rechtigter oder anerkannter Flüchtling oder
die Sicherung des Lebensunterhalts auch nicht eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Ab-
erforderlich, dass von dem Stiefelternteil eine satz 3 besitzt.
Verpflichtungserklärung abgegeben wird. Eine 32.1.3.1 Eine gemeinsame Verlegung des Lebensmittel-
Belastung der Sozialsysteme ist aufgrund der punktes i. S. d. Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor,
Regelung des § 9 Absatz 2 Satz 2 SGB II nicht wenn die Familienangehörigen innerhalb eines
zu befürchten. überschaubaren Zeitraumes, der i. d. R. drei
32.0.6 § 32 ist auch auf Kinder anwendbar, die im Monate nicht übersteigen darf, jeweils ihren
Bundesgebiet geboren sind (vgl. Num- Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet ver-
mer 27.1.1). legen.

32.0.7 Für den Einreise- und Aufenthaltszweck der 32.1.3.2 Als Verlegung des Lebensmittelpunktes ist die
Herstellung einer familiären Lebensgemein- Verlagerung des Schwerpunktes der Lebens-
schaft zwischen Adoptionsbewerbern und dem und Arbeitsbeziehungen und des damit ver-
aufzunehmenden Kind (Adoptionspflege) ent- bundenen Aufenthaltes anzusehen. Maßgeblich
hält § 6 AdÜbAG eine besondere Rechts- sind bei Erwachsenen insbesondere die Ar-
grundlage. Handelt es sich dabei um einen Fall beitsorte, bei Kindern, Jugendlichen und Stu-
der Adoption eines Kindes aus einem Nicht- denten die Orte, an denen die Schul- oder Be-
vertragsstaat des Haager Übereinkommens rufsausbildung stattfindet. Die Niederlassung
zum Schutz von Kindern und die Zusammen- in Deutschland auf unabsehbare Zeit muss hin-
arbeit auf dem Gebiet der internationalen Ad- gegen nicht beabsichtigt werden. Aufenthalte,
option, kann § 6 AdÜbAG dann analoge die ihrem Zweck nach auf einen Aufenthalt von
Anwendung finden, wenn ein Adoptionsver- einem Jahr oder weniger hinauslaufen, führen
mittlungsvorschlag der Behörden des Her- i. d. R. nicht zu einer Verlegung des Lebens-
kunftsstaates vorliegt (nicht aber, wenn seitens mittelpunktes, wenn eine Verlängerung des
des Herkunftsstaates lediglich ein Pflegever- Aufenthaltes im Bundesgebiet über diese Zeit
hältnis oder eine Vormundschaft vermittelt hinaus ausgeschlossen erscheint. In diesen Fäl-
werden soll (vgl. hierzu auch Num- len kommt aber die Erteilung eines Aufent-
mer 36.2.1.2). haltstitels nach Absatz 2 bis 4 in Betracht, wenn
die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind. Län-
32.1 Anspruch auf Nachzug von Kindern bis zum gere, ihrer Natur nach begrenzte Aufenthalte,
18. Lebensjahr wie etwa zur Erfüllung eines mehrjährigen be-
fristeten Arbeitsverhältnisses oder zur Ab-
32.1.1 § 32 Absatz 1 geht als Spezialregelung den Ab- leistung einer mehrjährigen Ausbildung, führen
sätzen 2 und 3 vor. Es ist also in diesen Fällen hingegen i. d. R. zur Verlagerung des Lebens-
nicht erforderlich, dass auch die Vorausset- mittelpunktes nach Deutschland. Zur Möglich-
zungen der Folgeabsätze erfüllt sind. keit des Nachzugs, wenn der/die Stamm-
Das Gesetz bestimmt unterschiedliche Voraus- berechtigte(n) erst im Besitz eines nationalen
setzungen einerseits für den gemeinsamen Zu- Visums ist/sind bzw. zur gleichzeitigen Titel-
zug von Eltern und Kind nach § 32 Absatz 1 erteilung siehe Nummer 29.1.2.2.
Nummer 2 und andererseits für den getrennten
32.1.3.3 Im Zweifel ist von einem Lebensmittelpunkt im
Nachzug des Kindes zu den bereits im Bundes-
Bundesgebiet auszugehen, wenn sich eine Per-
gebiet lebenden Eltern nach § 32 Absatz 2 und
son für mehr als 180 Tage im Jahr in Deutsch-
Absatz 3. Nur im letztgenannten Fall ist die
land gewöhnlich aufhält.
Altergrenze von 16 Jahren von Bedeutung, mit
deren Erreichen an den Nachzug des Kindes die 32.1.3.4 Die Beibehaltung einer Wohnung oder eine nur
erhöhten Integrationsanforderungen nach § 32 saisonale Berufstätigkeit am bisherigen Ort sind
Absatz 2 gestellt werden. Einen eigenständigen allein genommen unerheblich.
Anspruch auf Aufenthalt sieht § 32 Absatz 1
Nummer 1 für das Kind von Eltern bzw. eines 32.1.3.5 Bereits vor der Verlegung muss ein gemein-
Elternteils mit Asyl- bzw. Flüchtlingsstatus samer Lebensmittelpunkt außerhalb des Bun-
vor; das in Absatz 1 Nummer 2 genannte Er- desgebietes bestanden haben.
fordernis der Personensorgeberechtigung ist
32.1.3.6 Voraufenthalte einzelner Familienmitglieder im
nach dem Gesetzeswortlaut keine Voraus-
Bundesgebiet oder in anderen Staaten zu
setzung für das Aufenthaltsrecht des Kindes
Zwecken, die ihrer Natur nach vorübergehend
nach Absatz 1 Nummer 1.
sind oder der Verlegung des Lebensmittel-
Die nach § 32 gewährten Ansprüche werden punktes in das Bundesgebiet dienen, wie etwa
nicht dadurch ausgeschlossen, dass bei Aus- zur Wohnungs- oder Arbeitssuche oder zur
Seite 1058 GMBl 2009 Nr. 42– 61

vorübergehenden Einarbeitung, sind unerheb- 32.2.6 Es ist davon auszugehen, dass einem Kind die
lich. Integration umso leichter fallen wird, je jünger
es ist.
32.1.3.7 Wird bei der gemeinsamen Verlegung der Zeit-
raum von drei Monaten aus nachvollziehbaren
32.2a Kinder von Ausländern mit einer Erlaubnis
Gründen durch einzelne Familienmitglieder
zum Daueraufenthalt-EG
überschritten – etwa zur Beendigung eines
Schuljahres oder eines Ausbildungsabschnittes 32.2a.1 Der Kindernachzug im Fall der Weiterwan-
im Ausland, zur vorübergehenden Fortsetzung derung von langfristig aufenthaltsberechtigten
eines im Ausland bestehenden Arbeitsverhält- Drittstaatsangehörigen aus einem EU-Mit-
nisses bei langen Kündigungsfristen oder für gliedstaat nach Deutschland findet unter den
eine längere Urlaubsreise – ist dies ebenfalls erleichterten Voraussetzungen des § 32 Ab-
unerheblich, sofern das Gesamtbild eines Um- satz 2a i. V. m. § 38a statt, sofern dadurch die
zuges der gesamten Familie vom Ausland in das bereits bestehende familiäre Lebensgemein-
Bundesgebiet gewahrt bleibt. schaft fortgesetzt wird. Einen Nachzugsan-
spruch haben danach die minderjährigen le-
32.1.3.8 Bei Verzögerungen, die sechs Monate über-
digen Kinder von Ausländern, die im Besitz
schreiten, ist nicht von einer gemeinsamen Ver-
einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nach
legung des Lebensmittelpunktes auszugehen.
§ 38a sind, wenn die familiäre Lebensgemein-
schaft bereits in dem Mitgliedstaat der EU be-
32.2 Anspruch auf Nachzug von Kindern nach stand, in dem der Stammberechtigte die
Vollendung des 16. Lebensjahres Rechtsstellung als langfristig Aufenthalts-
berechtigter besitzt (§ 32 Absatz 2a Satz 1). Der
32.2.1 Wann die Sprache beherrscht wird, ist entspre- Erteilungstatbestand dient der Umsetzung des
chend der Definition der Stufe C 1 der kompe- Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 2003/109/
tenten Sprachanwendung des Gemeinsamen EG des Rates vom 25. November 2003 betref-
Europäischen Referenzrahmens für Sprachen fend die Rechtsstellung der langfristig aufent-
(GER) zu bestimmen. haltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl.
EU 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte
32.2.2 Der Nachweis, dass dieser Sprachstand erreicht Daueraufenthalt-Richtlinie).
ist, wird durch eine Bescheinigung einer ge-
eigneten und zuverlässigen in- oder aus- 32.2a.2 Damit eine Aufenthaltsverfestigung dem Aus-
ländischen Stelle erbracht, die auf Grund einer länder nicht zum Nachteil gereicht wird, sieht
Sprachstandsprüfung ausgestellt wurde. Die § 32 Absatz 2a Satz 2 vor, dass die erleichterte
Bescheinigung darf nicht älter sein als ein Jahr. Nachzugsmöglichkeit nach § 32 Absatz 2a
Inländische Stellen, die eine derartige Be- Satz 1 auch gilt, wenn der Ausländer unmittel-
scheinigung ausstellen, sollen durch das Bun- bar vor Erteilung der Niederlassungserlaubnis
desamt für Migration und Flüchtlinge für die oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG
Ausführung von Sprachkursen zertifizierte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besaß.
Träger sein. Im Inland sind alternativ die Vor-
gaben aus Nummer 104b.3.1 entsprechend an- 32.3 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für
zuwenden. Kinder unter 16 Jahren
32.2.3 Eine positive Integrationsprognose hängt maß- 32.3.1 Auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis be-
geblich – jedoch nicht allein – von den Kennt- steht unter den genannten Voraussetzungen und
nissen der deutschen Sprache ab. nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften,
insbesondere der §§ 5 und 27, ein Anspruch.
32.2.4 Voraussetzung nach § 32 Absatz 2, 2. Alter-
native ist, dass gewährleistet erscheint, das Kind 32.3.2 Es genügt, wenn die Aufenthaltserlaubnis,
werde sich aufgrund seiner bisherigen Aus- Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum
bildung und Lebensverhältnisse in die Lebens- Daueraufenthalt-EG der genannten Personen
verhältnisse in der Bundesrepublik Deutsch- gleichzeitig mit derjenigen des Kindes erteilt
land einfügen. Dies ist im Allgemeinen bei wird.
Kindern anzunehmen, die in einem Mitglied-
staat der Europäischen Union oder des Ab- 32.3.3 Zur Möglichkeit des Nachzugs, wenn der/die
kommens über den Europäischen Wirtschafts- Stammberechtigte(n) erst im Besitz eines natio-
raum oder in einem sonstigen in § 41 Absatz 1 nalen Visums ist/sind bzw. zur gleichzeitigen
Satz 1 AufenthV genannten Staat aufgewachsen Titelerteilung siehe Nummer 29.1.2.2.
sind.
32.3.4 Der Anspruch besteht selbst dann, wenn der
32.2.5 Auch bei Kindern, die nachweislich aus einem Ausländer, zu dem der Nachzug stattfindet,
deutschsprachigen Elternhaus stammen oder sich nur für einen begrenzten Zeitraum und ggf.
die im Ausland nicht nur kurzzeitig eine ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes in
deutschsprachige Schule besucht haben, ist da- Deutschland aufhält, wie dies etwa bei Gast-
von auszugehen, dass sie sich integrieren wer- wissenschaftlern oder Studenten der Fall sein
den. kann.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1059

32.3.5 Kein Anspruch besteht bei Erteilung eines der im Bundesgebiet lebende Elternteil zur Be-
Schengen-Visums für einen kurzfristigen Auf- treuung des Kindes in der Lage ist.
enthalt.
32.4.3.4 Eine besondere Härte, die den Nachzug eines
32.4 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kindes aus einer gültigen Mehrehe des im Bun-
Ermessen desgebiet lebenden Elternteils rechtfertigt, kann
nur angenommen werden, wenn der im Aus-
32.4.1 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach land lebende Elternteil nachweislich nicht mehr
Absatz 4 ist nur dann zu prüfen, wenn die Er- zur Betreuung des Kindes in der Lage ist.
teilung gemäß § 32 Absatz 1 bis 3 oder § 33
mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraus- 32.4.3.5 Eine besondere Härte ergibt sich nicht bereits
setzungen nicht möglich ist. Sie kommt nur in daraus, dass dem im Bundesgebiet lebenden El-
Betracht, wenn es unter Berücksichtigung des ternteil das Personensorgerecht übertragen
Kindeswohls oder der familiären Situation zur worden ist. Allein die formale Ausübung des
Vermeidung einer besonderen Härte er- elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrechts löst
forderlich ist. Die Voraussetzungen des § 29 noch nicht den besonderen aufenthaltsrecht-
Absatz 1 müssen vorliegen. lichen Schutz des Artikels 6 GG mit der Folge
32.4.2 Hat das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, oder des Kindernachzugs aus Ermessensgründen ge-
ist es verheiratet, geschieden oder verwitwet, mäß § 32 Absatz 4 aus. Dem Umstand einer
richtet sich der Nachzug ausschließlich nach Sorgerechtsänderung kommt bei der aufent-
§ 36. haltsrechtlichen Entscheidung um so weniger
Gewicht zu, je älter der minderjährige Aus-
32.4.3.1 Eine besondere Härte i. S. v. § 32 Absatz 4 ist länder ist und je weniger er deshalb auf die per-
nur anzunehmen, wenn die Versagung der sönliche Betreuung durch den sorgeberech-
Aufenthaltserlaubnis für ein minderjähriges tigten Elternteil im Bundesgebiet angewiesen
Kind nachteilige Folgen auslöst, die sich we- ist.
sentlich von den Folgen unterscheiden, die an-
deren minderjährigen Ausländern zugemutet 32.4.4 Bei der Ermessensentscheidung sind die fami-
werden, die keine Aufenthaltserlaubnis nach liären Belange, insbesondere das Wohl des Kin-
§ 32 Absatz 1 bis 3 erhalten. des, und die einwanderungs- und integrations-
politischen Belange der Bundesrepublik
32.4.3.2 Zur Feststellung einer besonderen Härte ist
Deutschland zu berücksichtigen. Für die Frage,
unter Abwägung aller Umstände zu prüfen, ob
welches Gewicht den familiären Belangen des
nach den Umständen des Einzelfalles das In-
Kindes und den geltend gemachten Gründen
teresse des minderjährigen Kindes und der im
für einen Kindernachzug in das Bundesgebiet
Bundesgebiet lebenden Eltern an einem Zu-
zukommt, ist die Lebenssituation des Kindes
sammenleben im Bundesgebiet vorrangig ist.
im Heimatstaat von wesentlicher Bedeutung.
Dies kann der Fall sein, wenn sich die Lebens-
Zur maßgeblichen Lebenssituation gehört, ob
umstände wesentlich geändert haben, die das
ein Elternteil im Heimatland lebt, inwieweit das
Verbleiben des Kindes in der Heimat bisher er-
Kind eine soziale Prägung im Heimatstaat er-
möglichten, und weil den Eltern ein Zusam-
fahren hat, inwieweit es noch auf Betreuung
menleben mit dem Kind im Herkunftsstaat auf
und Erziehung angewiesen ist, wer das Kind
Dauer nicht zumutbar ist. Zu berücksichtigen
bislang im Heimatstaat betreut hat und dort
sind hierbei neben dem Kindeswohl und dem
weiter betreuen kann und wer das Sorgerecht
elterlichen Erziehungs- und Aufenthaltsbe-
für das Kind hat. Bedeutsam ist vor allem auch
stimmungsrecht, das für sich allein kein Nach-
das Alter des Kindes. I.d.R. wird hierbei gelten:
zugsrecht schafft, u. a. auch die Integrations-
je jünger das Kind ist, in desto höherem Maße
chancen des minderjährigen Kindes sowie die
ist es betreuungsbedürftig, desto eher wird auch
allgemeinen integrations- und zuwanderungs-
seine Integration in die hiesigen Lebens-
politischen Interessen der Bundesrepublik
verhältnisse gelingen.
Deutschland. Danach liegt z. B. keine be-
sondere Härte im Fall vorhersehbarer Ände-
32.4.4.1 Im Zusammenhang mit dem Kindeswohl und
rungen der persönlichen Verhältnisse (z. B. Be-
der familiären Situation (§ 32 Absatz 4 Satz 2)
endigung der Ausbildung, notwendige Auf-
ist der Gedanke zu berücksichtigen, dass die
nahme einer Erwerbstätigkeit) oder der
Entscheidung der Eltern, nach Deutschland zu
Änderungen der allgemeinen Verhältnisse im
ziehen, grundsätzlich eine autonome Entschei-
Herkunftsstaat vor (z. B. bessere wirtschaftliche
dung darstellt. Das elterliche Erziehungs- und
Aussichten im Bundesgebiet).
Aufenthaltsbestimmungsrecht verschafft an
32.4.3.3 Eine besondere Härte, die den Nachzug auch sich kein Nachzugsrecht. Ziehen die Eltern
noch nach Vollendung des 16. Lebensjahres nach Deutschland um und lassen sie ihr Kind
rechtfertigt, kann angenommen werden, wenn im Ausland zurück, obwohl sie nach Absatz 1
das Kind aufgrund eines unvorhersehbaren Er- Nummer 2 oder Absatz 3 die Möglichkeit ge-
eignisses auf die Pflege der Eltern angewiesen habt hätten, mit dem Kind nach Deutschland zu
ist (z. B. Betreuungsbedürftigkeit aufgrund ziehen, rechtfertigt allein eine Änderung der
einer plötzlich auftretenden Krankheit oder Auffassung der Eltern, welche Aufenthalts-
eines Unfalls). Von Bedeutung ist, ob lediglich lösung für das Kind die bessere ist, nicht eine
Seite 1060 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nachträgliche Nachholung eines Kindes gemäß 32.4.4.7 Im Zusammenhang mit Maßnahmen deutscher
Absatz 4. oder ausländischer Gerichte oder Behörden
nach § 1666 BGB oder §§ 42 oder 43 SGB VIII
32.4.4.2 Wenn ein Kind während eines erheblichen bzw. nach entsprechenden ausländischen Vor-
Zeitraums bis zur Vollendung des zwölften Le- schriften, die zur Abwehr von Gefahren für das
bensjahres seinen Wohnsitz in Deutschland Kindeswohl eine Unterbringung des Kindes bei
hatte, dann aufgrund der Entscheidung einer einem Elternteil vorsehen, der sich in Deutsch-
die Personensorge ausübenden Person in einem land aufhält, ist der Nachzug zum betreffenden
anderen Land außerhalb des Europäischen Elternteil auch in Abweichung zu Absatz 1 bis 3
Wirtschaftsraums seinen Wohnsitz genommen regelmäßig zu gestatten. Die Aufenthaltsdauer
hat, dort die deutsche Sprache nicht nachweis- ist entsprechend dem Zweck der vorgesehenen
lich erlernt oder gepflegt hat und nach Voll- Maßnahme zu befristen.
endung des 16. Lebensjahres nach Deutschland
nachziehen soll, ist ein Familiennachzug aus 32.4.4.8 Im Übrigen kommt dem Umstand einer Sorge-
migrationspolitischen Gründen regelmäßig zu rechtsänderung umso weniger Gewicht zu, je
versagen. In diesen Fällen kann jedoch die Er- älter das Kind ist und je weniger es daher auf die
teilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 in persönliche Betreuung durch den in Deutsch-
Betracht kommen. land lebenden Elternteil angewiesen ist.

32.4.4.3 Berücksichtigungsfähig ist hingegen der nicht 32.4.4.9 Der Umstand, dass die Eltern des Kindes nicht
unmittelbar vorhersehbare Wegfall von zum miteinander verheiratet sind oder waren, recht-
Zeitpunkt des Umzugs oder vor Vollendung des fertigt es für sich allein nicht, den Kindernach-
16. Lebensjahres vorhandenen Pflegepersonen zug an der Entscheidung der Eltern aus-
im Ausland, insbesondere durch Tod, Krank- zurichten, dass das Kind bei dem im Bundesge-
heit oder nicht vorhersehbare Ungeeignetheit biet lebenden Elternteil wohnen soll.
der Pflegeperson. Es ist davon auszugehen, dass 32.4.5 Für die Versagung der Aufenthaltserlaubnis
Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres gelten die §§ 5, 8 und § 27 Absatz 3. §§ 10 und
zumindest eine erwachsene Bezugsperson be- 11 sind anwendbar.
nötigen, mit der sie zusammenleben. Zu prüfen
ist, ob andere, gleichwertige Pflegepersonen im
Ausland vorhanden sind, die zur Aufnahme des 33 Zu § 33 – Geburt eines Kindes im Bundesge-
Kindes bereit und rechtlich befugt sind. biet
32.4.4.4 Das Kindeswohl und die familiäre Situation 33.0 § 33 regelt die Erteilung einer Aufenthaltser-
können für sich ebenfalls eine Ausnahme von laubnis an im Bundesgebiet geborene Kinder
dem nach Absatz 1 bis 3 bestehenden Er- von Ausländern. Die (Regel-)Voraussetzungen
fordernis des Aufenthaltes beider personensor- nach §§ 5 und 29 Absatz 1 Nummer 2 greifen
geberechtigter Eltern oder des allein perso- nicht ein. Die Erteilungsvoraussetzung des § 29
nensorgeberechtigten Elternteils in Deutsch- Absatz 3 Satz 1 ist als erfüllt anzusehen. Für
land rechtfertigen, wenn die Herbeiführung den Fall, dass der Wegfall der Aufenthaltser-
eines alleinigen Personensorgerechts des nicht- laubnis eines Elternteils, oder im Fall des Sat-
sorgeberechtigten Elternteils insbesondere im zes 2 beider Elternteile, unmittelbar bevorsteht,
Fall des elterlichen Getrenntlebens nach der kann die von Amts wegen vorgesehene Er-
Rechtsordnung oder Entscheidungspraxis des teilung einer Aufenthaltserlaubnis für bis zu
Herkunftsstaats nicht möglich oder aussichtslos sechs Monate nach der Geburt ausgesetzt wer-
ist (siehe hierzu Nummer 32.0.4). Gleiches gilt den. In diesem Zeitraum gilt der Aufenthalt als
für Fälle, in denen eine entsprechende Klärung erlaubt (Erst-Recht-Schluss aus § 81 Absatz 2
zum Sorgerecht nicht möglich bzw. aussichtslos Satz 2, der eine Erlaubnisfiktion während der
ist, weil der andere, rechtlich weiterhin sorge- Antragsfrist für Kinder enthält, denen eine
berechtigte Elternteil nicht auffindbar ist. Ge- Aufenthaltserlaubnis nicht von Amts wegen
eignete Bemühungen zur Ermittlung des an- erteilt wird). In den Fällen des § 29 Absatz 3
deren Elternteils sind nachzuweisen, ggf. sind Satz 3, also bei Aufenthaltstiteln nach §§ 25
geeignete Belege, etwa über Nachforschungen Absatz 4 bis 5, 104a Absatz 1 Satz 1 und § 104b
bei Melde- oder ähnlichen Behörden, vor- ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
zulegen. nach § 33 nicht möglich; in Frage kommt hier
nur bei Vorliegen der jeweiligen Voraus-
32.4.4.5 Bei der Beurteilung des Kindeswohls ist zu be- setzungen die Erteilung eines humanitären
rücksichtigen, dass vorhersehbare Integrations- Aufenthaltstitels.
schwierigkeiten die geistige Entwicklung des
Kindes erheblich beeinträchtigen können. Je 33.1 Satz 1 stellt die Erteilung der Aufenthaltser-
älter und damit selbständiger das Kind ist, desto laubnis in das Ermessen der Ausländerbehörde,
gewichtiger wiegt das Bedürfnis nach einer ge- wenn nur ein Elternteil eine Aufenthaltser-
sellschaftlichen Integration gegenüber dem Be- laubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine
dürfnis nach elterlichem Schutz und Beistand. Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Bei
der Ausübung des Ermessens soll der be-
32.4.4.6 Im Zweifel sollte eine Stellungnahme des Ju- sonderen Beziehung zwischen den Eltern und
gendamtes eingeholt werden. dem Kleinkind unmittelbar nach der Geburt im
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1061

Interesse der Gewährung der Familieneinheit kannten Pass oder Passersatz zumindest eines
und zur Aufrechterhaltung der nach Artikel 6 Elternteils eintragen oder für das Kind einen
Absatz 1 GG besonders geschützten familiären eigenen Pass ausstellen zu lassen oder entspre-
Betreuungsgemeinschaft Rechnung getragen chend der Verpflichtung nach § 56 Nummer 4
werden. Hinsichtlich des Vaters eines nicht- AufenthV i. V. m. § 80 Absatz 4 einen Ausweis-
ehelichen Kindes ist dabei insbesondere zu be- ersatz für das Kind zu beantragen, sofern sie
rücksichtigen, ob ihm ein Sorgerecht zusteht nicht für das Kind einen eigenen deutschen
oder er in familiärer Lebensgemeinschaft mit Passersatz beantragen. Ausländische Kinder-
seinem Kind lebt. ausweise gelten im völkerrechtlichen Verkehr
unabhängig von ihrer Bezeichnung als Pässe;
33.2 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzt dasselbe gilt für vorläufige Pässe, die der Aus-
weder im Fall des Satz 1 noch des Satz 2 einen stellerstaat an eigene Staatsangehörige ausgibt,
Antrag gemäß § 81 Absatz 1 voraus. Aufgrund selbst wenn diese etwa als „Travel Document“
einer entsprechenden Mitteilung durch die bezeichnet sind. Auch Kinderausweise sind
Meldebehörde (§ 72 Absatz 1 Nummer 7 Auf- nur anerkannt, wenn die Anerkennung durch
enthV) wird das Verfahren bei der Ausländer- Entscheidung nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 71
behörde eingeleitet. Stellt die Ausländer- Absatz 6 erfolgt ist. Ein Nationalpass des Kin-
behörde keine Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 des ist daher insbesondere dann erforderlich,
von Amts wegen aus, muss für das Kind ein sofern der Kinderausweis des betreffenden
Aufenthaltstitel beantragt werden. Die Aus- Staates nicht als Pass anerkannt ist, selbst wenn
länderbehörde prüft dann die Erteilung einer der Herkunftsstaat Kinderausweise ausstellt.
Aufenthaltserlaubnis aufgrund anderer Rechts- Hinsichtlich der Eintragung in den Pass der
grundlage als § 33. Dabei muss die Frist des § 81 Eltern vgl. § 2 AufenthV. Sollte es unmöglich
Absatz 2 Satz 2 beachtet werden, wonach der bzw. unzumutbar sein, einen Pass für das Kind
Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu erlangen, kann (in den Fällen des § 33 Satz 1)
innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt der Aufenthaltstitel abweichend von § 5 Ab-
zu stellen ist. satz 1 Nummer 4 dennoch erteilt werden
bzw. ist (in den Fällen des § 33 Satz 2) er zu
33.3 Nach Satz 2 hat das Kind einen Anspruch auf
erteilen.
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und diese
wird von Amts wegen erteilt. Der Anspruch 33.6 Besitzt die Mutter oder der Vater ein Visum
setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Geburt oder dürfen sie sich – auf Grund einer Befreiung
beide Elternteile oder der allein personensorge- vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels auf
berechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaub- Grund § 41 AufenthV oder auf Grund der Fik-
nis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Er- tion nach § 81 Absatz 3 Satz 1 oder § 81 Ab-
laubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. satz 4 Satz 1 – ohne Visum im Bundesgebiet
aufhalten, ist der Aufenthalt des Kindes nach
33.4 Der Rechtsanspruch nach Satz 2 besteht nur, Satz 3 für den entsprechenden Zeitraum eben-
solange die Eltern oder der allein personensor- falls erlaubt. Im Falle des § 81 Absatz 3 Satz 2
geberechtigte Elternteil im Besitz der Aufent- findet Satz 3 hingegen keine Anwendung.
haltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder
Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG sind. Wird 33.7 In eine Verlängerung eines Visums der Mutter
nach der Geburt des Kindes der Aufenthaltstitel oder des Vaters nach der Geburt gemäß § 40
zurückgenommen (§ 48 VwVfG; § 51 Absatz 1 AufenthV ist das Kind automatisch einbezogen.
Nummer 4) oder widerrufen (§ 52) oder wer- Wird das Visum nach der Geburt des Kindes
den die Eltern oder wird der allein personens- erteilt, ist dies durch den Vermerk:
orgeberechtigte Elternteil ausgewiesen, kommt „Das am .... geborene Kind ist in das Visum
eine entsprechende Maßnahme in Bezug auf das mit einbezogen.“
Kind in Betracht, wenn die Voraussetzungen
der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aus- klarzustellen.
weisung des Kindes selbständig vorliegen. Die 33.8 Besitzt die Mutter oder der Vater bei der Ge-
Geltungsdauer des Titels des Kindes kann au- burt des Kindes ein nationales Visum, wird das
ßerdem bei Wegfall des Aufenthaltsrechts des Kind gemäß den Regelungszwecken des Sat-
Stammberechtigten nachträglich verkürzt wer- zes 3 sowie des § 6 Absatz 4 Satz 3 so be-
den (§ 7 Absatz 2 Satz 2, vgl. Nummer 27.1.3). handelt, als besäße es selbst ein Visum. Wird
Bei Kindern, die vom Erfordernis des Aufent- dem/den Stammberechtigten im Anschluss
haltstitels befreit sind, kann der Aufenthalt ge- daran im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaub-
mäß § 12 Absatz 4 zeitlich beschränkt werden. nis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis
zum Daueraufenthalt-EG erteilt, findet hin-
33.5 Aufgrund einer entsprechenden Mitteilung der
sichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaub-
Geburt des Kindes (§ 72 Absatz 1 Nummer 7
nis für das Kind § 33 Anwendung.
AufenthV) hat die Ausländerbehörde vor der
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu prüfen, 33.9 Besitzt die Mutter oder der Vater bei der Ge-
ob das Kind die Passpflicht erfüllt (§ 3). Die burt des Kindes ein Schengen-Visum oder hält
gesetzlichen Vertreter sind unter Hinweis auf sie bzw. er sich erlaubt visumfrei im Bundesge-
ihre entsprechende Pflicht nach § 80 Absatz 4 biet auf, und wird ihr bzw. ihm sodann im
aufzufordern, das Kind entweder im aner- Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis, Nie-
Seite 1062 GMBl 2009 Nr. 42– 61

derlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Dau- eine Abweichung vom Regelfall des § 37 Ab-
eraufenthalt-EG erteilt, findet hingegen § 32 satz 5 vorliegt, unter Berücksichtigung des ge-
Anwendung, da aufgrund eines Umkehr- setzlichen Ausschlusses des Merkmals der Le-
schlusses aus § 6 Absatz 4 Satz 3 das Schengen- bensunterhaltssicherung (§ 5 Absatz 1 Num-
Visum oder der erlaubte visumfreie Aufenthalt mer 1) sowie des langjährigen Aufenthaltes des
dem Besitz eines nationalen Visums (mit der Ausländers zu treffen. Bei Waisenrenten ist zu-
entsprechenden Erstreckung der Wirkung auf dem ein besonderes persönliches Schicksal des
das Kind) nicht gleich steht. Betroffenen bei der Entscheidung zu berück-
sichtigen.

34 Zu § 34 – Aufenthaltsrecht der Kinder 34.2 Eigenständiges Aufenthaltsrecht bei Errei-


chen der Volljährigkeit
34.1 Verlängerung bei Weiterbestehen der fami-
liären Lebensgemeinschaft oder bei Bestehen 34.2.1 Nach Satz 1 finden § 27 und § 28 bzw. § 32
eines Wiederkehrrechts keine Anwendung mehr, sobald das Kind das
Volljährigkeitsalter erreicht und ihm bislang
34.1.1 Absatz 1 betrifft Kinder, die noch nicht voll-
eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und
jährig sind und die bereits eine Aufenthaltser-
Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft
laubnis zum Zwecke des Familiennachzuges
erteilt war.
besitzen. Die Vorschrift vermittelt einen An-
spruch, sofern nicht kraft Verweisung auf Re- 34.2.2 Satz 2 stellt klar, dass die Erteilung einer Nie-
gelungen in § 37, die eine Ermessensausübung derlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum
vorsehen, eine Aufenthaltserlaubnis nach Er- Daueraufenthalt-EG oder die Verlängerung der
messen zu erteilen ist. Aufenthaltserlaubnis in entsprechender An-
34.1.2 Die Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Ab- wendung des § 37 (vgl. dazu Nummer 34.1)
satz 1 Nummer 1) und das Wohnraumerfor- nicht vom Fortbestehen einer familiären Le-
dernis (§ 29 Absatz 1 Nummer 2) sind bei der bensgemeinschaft abhängig ist.
Verlängerung unbeachtlich.
34.3 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
34.1.3 Wie aus der 2. Alternative des § 34 Absatz 2
Satz 2 ersichtlich ist, bezieht sich das Er- 34.3.1 Die Aufenthaltserlaubnis, die nach Absatz 2 ein
fordernis, dass mindestens noch ein personens- eigenständiges Aufenthaltsrecht vermittelt hat,
orgeberechtigter Elternteil eine Aufenthaltser- kann nach Absatz 3 nach Ermessen verlängert
laubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaub- werden, wenn die Voraussetzungen für die
nis zum Daueraufenthalt-EG besitzen und das Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (vgl.
Kind mit diesem Elternteil in familiärer Le- § 35) noch nicht vorliegen.
bensgemeinschaft leben muss, nur auf die
34.3.2 Es finden die allgemeinen Voraussetzungen für
1. Alternative des Absatzes 1 Satz 1, also auf
die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis
Fälle, in denen im Falle einer Ausreise noch
Anwendung; vgl. § 8 Absatz 1. Während insbe-
kein Wiederkehrrecht nach § 37 entstanden
sondere § 5 im vollem Umfang zu berück-
wäre.
sichtigen ist, sind die §§ 27 bis 33 nicht ein-
34.1.4 Alternative 2 des Absatzes 1 Satz 1 – ent- schlägig, da das Aufenthaltsrecht eigenständig
sprechende Anwendung von § 37 – bezieht sich und somit vom Zweck des Familiennachzuges
auch auf § 37 Absatz 2, so dass unter den dort abgekoppelt ist.
genannten Voraussetzungen von den in § 37
Absatz 1 Nummer 1 und 3 genannten Voraus-
setzungen abgewichen werden kann. Umge- 35 Zu § 35 – Eigenständiges, unbefristetes Auf-
kehrt findet auch § 37 Absatz 3 Nummer 2 und enthaltsrecht der Kinder
3 entsprechende Anwendung, während § 37
Absatz 3 Nummer 1 nicht entsprechend her- 35.0 Allgemeines
angezogen werden kann, da ein hiervon er-
35.0.1 § 35 ist eine begünstigende Sonderregelung für
fasster Fall in hiesigem Zusammenhang nicht
Ausländer, denen als Minderjährige die Auf-
vorliegen kann und das Vorhandensein von
enthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 6
Ausweisungsgründen bereits durch § 37 Ab-
zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der
satz 3 Nummer 2 abgedeckt ist.
familiären Lebensgemeinschaft im Bundesge-
34.1.5 Für die Anwendung von § 37 Absatz 4 ist we- biet erteilt worden ist (im Bundesgebiet ge-
gen des weitergehenden Ausschlusses von § 5 borene oder nachgezogene Kinder). Nach § 26
Absatz 1 Nummer 1 durch § 34 Absatz 1 kein Absatz 4 Satz 4 kann § 35 auch für Kinder, die
Raum. vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach
Deutschland eingereist sind und eine Aufent-
34.1.6 Wenn ein Kind von einem Träger im Bundes- haltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 be-
gebiet Rente – etwa Waisenrente – bezieht und sitzen, entsprechend angewandt werden. § 34
sich das Kind acht Jahre lang rechtmäßig im findet subsidiär Anwendung.
Bundesgebiet aufgehalten hat, findet § 37 Ab-
satz 5 entsprechende Anwendung. Auch bei 35.0.2.1 Kinder von Unionsbürgern, die nach Euro-
sehr geringen Renten ist die Entscheidung, ob päischem Gemeinschaftsrecht freizügigkeits-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1063

berechtigt sind, haben nach Maßgabe von § 4a folgt). Dies gilt nicht für die vom Erfordernis
FreizügG/EU ein Daueraufenthaltsrecht oder eines Aufenthaltstitels befreiten Ausländer,
nach Maßgabe von § 3 Absatz 3 oder 4 Frei- wenn der Antrag auf Erteilung einer Nieder-
zügG/EU ein Verbleiberecht. Diese Rechte lassungserlaubnis erst nach Vollendung des
vermitteln eine stärkere Position als die Nie- 16. Lebensjahres gestellt wurde (siehe Num-
derlassungserlaubnis nach § 35. mer 35.1.1.8).
35.0.2.2 Erfüllt das Kind eines Ausländers, der nach 35.1.1.3 Als Zeiten des Besitzes der Aufenthaltserlaub-
Europäischem Gemeinschaftsrecht freizügig- nis sind vorbehaltlich des Absatzes 2 anzurech-
keitsberechtigt ist, die Voraussetzungen für das nen
Daueraufenthaltsrecht oder das Verbleiberecht
35.1.1.3.1 – die Geltungsdauer des Visums, mit dem der
nicht, hat die Ausländerbehörde zu prüfen, ob
Ausländer eingereist ist, sofern im An-
eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 35 erteilt
schluss an das Visum nach Wegfall der Wir-
werden kann, da der Anwendungsbereich des
kung des § 81 Absatz 3 Satz 1 die Aufent-
Aufenthaltsgesetzes nach § 1 Absatz 2 eröffnet
haltserlaubnis erteilt wurde,
ist (siehe hierzu auch Nummer 27.0.2 f.). Dies
ist nur bei einem nicht unterhaltsberechtigten 35.1.1.3.2 – die Zeiten eines nach § 81 Absatz 4 recht-
Kind denkbar. mäßigen Aufenthalts,
35.0.3 Ausländische Jugendliche, die voraussichtlich 35.1.1.3.3 – in den Fällen des § 35 Absatz 2 auch die
die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zeiten eines vorherigen Besitzes einer Auf-
Niederlassungserlaubnis nach § 35 erfüllen enthaltserlaubnis,
werden, sind frühestens vier Wochen und spä-
testens zwei Wochen vor ihrem 16. Geburtstag 35.1.1.3.4 – nach § 84 Absatz 2 Satz 3 die Zeit von der
bzw. vor dem Ablauf der Gültigkeit der maß- Versagung der Aufenthaltserlaubnis bis zu
gebenden Aufenthaltserlaubnis schriftlich über ihrer Erteilung oder Verlängerung aufgrund
diese Antragsmöglichkeit zu informieren. Die eines erfolgreichen Rechtsbehelfs,
Behörde kann den Hinweis mit einer Einladung 35.1.1.3.5 – die Zeiten einer Befreiung vom Erfordernis
zu einem Vorsprache- bzw. Beratungstermin der Aufenthaltsgenehmigung nach Maßgabe
verbinden. der Nummer 35.1.1.4,

35.1 Anspruchsvoraussetzungen 35.1.1.3.6 – Auslandsaufenthaltszeiten nach Maßgabe


der Nummer 35.1.1.5.0 ff.,
35.1.0 In Absatz 1 ist der Grundtatbestand für die Er-
teilung einer Niederlassungserlaubnis wieder- 35.1.1.3.7 – für als Minderjährige eingereiste Ausländer
gegeben. Sie wird abweichend von § 9 Absatz 2 Zeiten des der Erteilung der Aufenthaltser-
erteilt. § 9 Absatz 3 findet mangels eines ver- laubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorange-
gleichbaren Regelungszwecks keine Anwen- gangenen Asylverfahrens (§ 26 Absatz 4
dung; es gelten aber § 9 Absatz 1 und 4. Auf die Satz 3 i. V. m. Satz 4) sowie die nach § 102
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis be- Absatz 2 anrechenbaren Zeiten. Das anzu-
steht bei Erfüllung der in Absatz 1 genannten rechnende Asylverfahren muss der Er-
Voraussetzungen ein Anspruch. teilung der Aufenthaltserlaubnis aus huma-
nitären Gründen zeitlich nicht unmittelbar
35.1.1 Rechtsanspruch nach § 35 Absatz 1 Satz 1 vorangegangen sein.
35.1.1.1 Der Ausländer muss im Zeitpunkt der Voll- 35.1.1.4 Soweit ein Ausländer nach § 2 DVAuslG auf-
endung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren grund seines Alters vor dem 1. Januar 2005 vom
im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein, die Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung be-
nach den Vorschriften des Kapitels 2 Abschnitt freit war, sind die Zeiten seines rechtmäßigen
6 erteilt und verlängert wurde. Auf den Zeit- Aufenthalts ohne Aufenthaltsgenehmigung als
punkt der Antragstellung kommt es nicht an. Ist Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels an-
die Aufenthaltserlaubnis nicht zum Zweck des zurechnen, soweit der Aufenthalt dem in § 27
Familiennachzugs erteilt worden, ist § 35 nicht Absatz 1 bezeichneten Zweck diente. Ein
unmittelbar anwendbar; ggf. kommt aber eine rechtmäßiger Aufenthalt liegt nicht vor, wenn
entsprechende Anwendung in den Fällen des der Aufenthalt des Ausländers gemäß § 3 Ab-
§ 26 Absatz 4 Satz 4 in Betracht (siehe Num- satz 5 AuslG zeitlich beschränkt wurde. Die
mer 26. 4. 10). aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ge-
gen eine entsprechende Entscheidung bewirkt
35.1.1.2 Die Voraussetzung des fünfjährigen Besitzes nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (§ 72
der Aufenthaltserlaubnis ist dann nicht erfüllt, Absatz 2 Satz 1 AuslG/§ 84 Absatz 1 Satz 1).
wenn die zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis
vor Vollendung des 16. Lebensjahres ungültig 35.1.1.5.0 Der Ausländer hat den für ihn günstigen Um-
geworden ist und der Verlängerungsantrag stand darzulegen, dass er sich während der fünf
nicht vor Ablauf der Geltungsdauer gestellt Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 82
wurde (siehe jedoch Nummer 35.1.1.7 sowie Absatz 1). Liegt der Nachweis vor, dass er im
Nummer 81.4.2.3 für Fälle, in denen die ver- Bundesgebiet eine Schule oder eine sonstige
spätete Antragstellung aus bloßer Nachlässig- Bildungseinrichtung besucht, eine Ausbildung
keit und nur mit kurzer Zeitüberschreitung er- oder ein Studium abgeschlossen hat oder in
Seite 1064 GMBl 2009 Nr. 42– 61

einem Arbeitsverhältnis steht, begründen diese Aufenthalts bis zu einem Jahr können nach § 85
Umstände die widerlegbare Vermutung, dass er außer Betracht bleiben.
sich in dem genannten Zeitraum ununter-
brochen im Bundesgebiet aufgehalten hat. An- 35.1.1.8 Eine den Anspruch ausschließende Unter-
haltspunkte, dass sich der vom Erfordernis der brechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts
Aufenthaltsgenehmigungspflicht befreite Aus- tritt nicht ein, wenn der Ausländer bis zur
länder fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten Vollendung seines 16. Lebensjahres vom Er-
hat, ergeben sich aus der Aufenthaltsanzeige fordernis eines Aufenthaltstitels befreit war und
(§ 13 DVAuslG) und den Mitteilungen der nach diesem Zeitpunkt die Aufenthaltserlaub-
Meldebehörden (§ 2 AuslDÜV/§ 72 Auf- nis verspätet beantragt hat. Denn für den An-
enthV). Aufenthaltsunterbrechungen bis zu spruch nach § 35 Absatz 1 Satz 1 ist nicht der
drei Monaten jährlich sind generell unschäd- Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend, son-
lich. Bei längeren Auslandsaufenthaltszeiten ist dern der Zeitpunkt, in dem der Ausländer das
zu prüfen, inwieweit sie anrechenbar sind oder 16. Lebensjahr vollendet hat.
eine Unterbrechung des Aufenthalts im Bun- 35.1.2 Rechtsanspruch nach § 35 Absatz 1 Satz 2
desgebiet herbeigeführt haben.
35.1.2.1 Auch § 35 Absatz 1 Satz 2 setzt voraus, dass die
35.1.1.5.1 Unterlag der unter 16 Jahre alte Ausländer dem Aufenthaltserlaubnis des Ausländers zu dem in
Erfordernis eines Aufenthaltstitels bzw. der § 27 Absatz 1 bezeichneten Zweck erteilt wur-
Aufenthaltsgenehmigungspflicht, ist bei der de.
Beurteilung, ob der Ausländer seit fünf Jahren
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, § 51 Absatz 1 35.1.2.2 Die unter Nummer 35.1.1.2 bis 35.1.1.8 ge-
Nummer 6 und 7 sowie § 9 Absatz 4 Satz 2 schilderten Grundsätze gelten auch für die An-
Nummer 2 maßgebend. Danach ist der Aufent- wendung von § 35 Absatz 1 Satz 2. Diese Vor-
halt im Bundesgebiet unterbrochen worden, schrift stellt im Vergleich zu § 35 Absatz 1
wenn die Aufenthaltserlaubnis infolge der Satz 1 bei der Beurteilung, ob der Ausländer
Ausreise oder während des Auslandsaufenthalts seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltser-
erloschen ist. Die vorherigen Aufenthaltszeiten laubnis ist, auf den Zeitpunkt der Antrag-
im Bundesgebiet sind nicht mehr anrechenbar. stellung ab. Der Ausländer muss im Zeitpunkt
Ist der Ausländer hingegen während der Aus- der Erteilung der Niederlassungserlaubnis
landsaufenthaltszeit im Besitz der Aufenthalts- volljährig sein (§ 80 Absatz 3 Satz 1).
erlaubnis geblieben, ist diese Zeit bis zu sechs 35.1.2.3 Zum Begriff der ausreichenden Kenntnisse der
Monaten anrechenbar. Die vorherigen Aufent- deutschen Sprache siehe Nummer 9.2.1.7. So-
haltszeiten im Bundesgebiet sind uneinge- fern der Ausländer im Bundesgebiet länger als
schränkt anrechenbar. vier Jahre eine deutschsprachige Schule besucht
hat, kann davon ausgegangen werden, dass er
35.1.1.5.2 War der Ausländer vom Erfordernis eines Auf-
die erforderlichen Sprachkenntnisse besitzt,
enthaltstitels befreit, kommt es hinsichtlich
wenn im Fach Deutsch mindestens ein „Aus-
eines Auslandsaufenthalts darauf an, ob durch
reichend“ erzielt worden ist.
diesen Aufenthalt der gewöhnliche Aufenthalt
im Bundesgebiet weggefallen bzw. unter- 35.1.2.4 Zu einem anerkannten schulischen oder beruf-
brochen worden ist. Im Hinblick auf § 51 Ab- lichen Bildungsabschluss führt nicht nur der
satz 1 Nummer 7 ist anzunehmen, dass durch Besuch einer allgemeinbildenden Schule, son-
einen Auslandsaufenthalt bis zu sechs Monaten dern auch der Besuch von Berufsfachschulen
der gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet (z. B. Handelsschule), sonstiger öffentlicher
grundsätzlich nicht wegfällt. Es müssen jedoch oder staatlich anerkannter berufsbildender
entsprechende Anknüpfungspunkte im Bun- Schulen. Die Berufsvorbereitung oder be-
desgebiet bestanden haben, die auf den Mittel- rufliche Grundausbildung sowie die Tätigkeit
punkt der Lebensbeziehungen des Ausländers als Praktikant führen nicht zu einem aner-
im Bundesgebiet hindeuten (z. B. Fortbestehen kannten beruflichen Bildungsabschluss; dage-
des Arbeitsverhältnisses, familiäre Anknüp- gen ermöglicht ein Fachhochschulstudium oder
fungspunkte). Universitätsstudium einen adäquaten berufli-
chen Bildungsabschluss. Zur Sicherung des Le-
35.1.1.6 Nicht anrechenbar sind Zeiten einer Strafhaft bensunterhalts bei Empfang von Leistungen
sowie einer Untersuchungshaft, sofern diese auf nach dem BAföG bzw. dem SGB III vgl.
eine verhängte Freiheitsstrafe angerechnet Nummer 2.3.1.4.
wurden. Die Dauer des Besitzes einer Aufent-
haltserlaubnis vor der Strafhaft ist nur dann an-
35.2 Besuch ausländischer Schulen
rechenbar, wenn der Ausländer während der
Haft ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis hatte. 35.2.1 Auf die fünfjährige Aufenthaltszeit werden ge-
Zeiten der Aufenthaltsgestattung sind nur nach mäß Absatz 2 regelmäßig Zeiten nicht ange-
§ 55 Absatz 3 AsylVfG anrechenbar. Die Dauer rechnet, in denen der Ausländer außerhalb des
des Besitzes einer Betretenserlaubnis nach § 11 Bundesgebiets die Schule besucht hat.
Absatz 2 ist nicht anrechenbar.
35.2.2 Dem Besuch einer Schule im Bundesgebiet und
35.1.1.7 Unterbrechungen des Besitzes der Aufent- damit dem Aufenthalt im Bundesgebiet wird
haltserlaubnis bzw. der Rechtmäßigkeit des allerdings der Besuch einer deutschen Aus-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1065

landsschule angerechnet, die sich unter der lichen Verurteilung als Versagungsgrund. Im
Aufsicht einer deutschen Landesbehörde be- Gegensatz zu Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 muss
findet, sofern der Ausländer dort an Unterricht ein auf der Verurteilung beruhender Aus-
teilnahm, der aufgrund eines deutschen Lehr- weisungsgrund nicht mehr aktuell vorliegen.
planes abgehalten wurde und die Unterrichts- Verurteilungen, die länger als drei Jahre zu-
sprache Deutsch war. rückliegen, bleiben außer Betracht. Soweit der
Ausländer sich in Haft befunden hat, findet § 9
35.2.3 Ein Schulbesuch von einer Dauer bis zu einem
Absatz 4 Satz 1 entsprechende Anwendung.
Jahr in einem Staat, der nicht der Herkunfts-
staat des Ausländers ist, in dessen Zusammen- 35.3.7 Mehrere Verurteilungen, die je für sich nicht das
hang der Ausländer in einer Gastfamilie des in Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 vorgesehene
Gastlandes lebt und der im Zusammenhang mit Strafmaß erreichen, können nicht zusammen-
einem Programm durchgeführt wird, an dem gerechnet werden. Soweit das Gericht eine Ge-
ebenso deutsche Schüler in vergleichbarer Le- samtstrafe gebildet hat, ist deren Höhe maßge-
benssituation teilnehmen können, ist i. d. R. auf bend. Liegen mehrere strafgerichtliche Verur-
die Aufenthaltszeit im Bundesgebiet anzurech- teilungen vor, ist auch zu prüfen, ob der
nen, wenn die Ausländerbehörde die Frist zur Versagungsgrund nach Absatz 3 Satz 1 Num-
Wiedereinreise nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 mer 1 erfüllt ist (z. B. bei Wiederholungsge-
verlängert hatte und die ausländische Schule fahr). Eine Prüfung, ob der Versagungsgrund
hinsichtlich Bildungsziel und Leistungsstan- nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 erfüllt ist, kann
dard der besuchten deutschen Schule ent- auch in anderen Fällen erfolgen, wenn straf-
spricht. rechtliche Verurteilungen vorliegen, die das in
Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 vorgesehene Straf-
35.3 Ausschluss des Anspruches maß nicht erreichen.
35.3.1 Liegen die Voraussetzungen des § 35 Absatz 1 35.3.8 Die Aufenthaltserlaubnis eines Ausländers, der
vor, besteht nur dann kein Anspruch auf Er- die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt,
teilung der Niederlassungserlaubnis, wenn kann nach Absatz 3 Satz 2 trotz Vorliegens
einer der in Absatz 3 genannten Ausschluss- eines Versagungsgrundes im Ermessenswege
gründe vorliegt. verlängert werden; ebenso ist die Erteilung
einer Niederlassungserlaubnis im Ermessens-
35.3.2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 verweist auf Aus- wege möglich. Insoweit verdrängt Absatz 3
weisungsgründe nach §§ 53 ff., die nur objektiv Satz 1 als Spezialregelung die Regelgründe des
vorliegen müssen. Der Ausweisungsgrund län- § 5. In den Fällen nach § 5 Absatz 4 Satz 1
gerfristiger Obdachlosigkeit (§ 55 Absatz 2 kommt hingegen die Erteilung eines Aufent-
Nummer 5) beruht im Allgemeinen nicht auf haltstitels nicht in Betracht, es sei denn, es kann
einem persönlichen Verhalten des Ausländers. nach § 5 Absatz 4 Satz 2 oder 3 unter den dort
35.3.3 Die Versagung kann nicht auf die Auswei- genannten Voraussetzungen eine Ausnahme
sungsgründe nach § 55 Absatz 2 Nummer 6 zugelassen werden.
und 7 gestützt werden, da für die Sozial- und
35.3.9 Die Aussetzung der Vollstreckung eines Straf-
Jugendhilfebedürftigkeit § 35 Absatz 3 Satz 1
restes gehört nicht zu den in Absatz 3 Satz 3
Nummer 3 eine Sonderregelung trifft. Die Ju-
genannten Fällen der Strafaussetzung.
gendhilfebedürftigkeit kann danach auch dann
einen Versagungsgrund darstellen, wenn sie
kein Ausweisungsgrund nach § 55 Absatz 2 35.4 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bei
Nummer 7 ist. Krankheit oder Behinderung

35.3.4 Besteht bei dem Ausländer Wiederholungsge- Nach § 82 Absatz 1 und 2 hat der Ausländer
fahr, liegt stets ein auf seinem persönlichen Nachweise für die Prüfung beizubringen (z. B.
Verhalten beruhender Ausweisungsgrund vor. fachärztliche Stellungnahme, Nachweis über
Dies gilt vor allem für Straftaten, die den Aus- Heimunterbringung), ob die in Absatz 4 Satz 1
weisungsgrund nach § 55 Absatz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hin-
oder die Ausweisungsgründe nach §§ 53 oder sichtlich der Handlungsfähigkeit ist § 80 Ab-
54 erfüllen. Die Ausweisungsgründe nach § 54 satz 1 und 4 zu beachten.
Nummer 3 bis 7 und § 55 Absatz 2 setzen nicht
voraus, dass der Ausländer wegen einer Straftat
verurteilt worden ist. 36 Zu § 36 – Nachzug sonstiger Familienange-
höriger
35.3.5 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 findet auch dann
Anwendung, wenn gegen den Ausländer noch 36.1 Nachzugsrecht der Eltern Minderjähriger
ein Strafverfahren anhängig ist und ein Aus-
36.1.1 Nach § 36 Absatz 1 haben Eltern eines minder-
weisungsgrund aktuell vorliegt. Nach Ab-
jährigen Ausländers mit Asyl- bzw. Flücht-
schluss des Strafverfahrens findet Absatz 3
lingsstatus (Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Ab-
Satz 1 Nummer 2 Anwendung.
satz 1 und 2 oder Niederlassungserlaubnis nach
35.3.6 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 ermöglicht in dem § 26 Absatz 3) einen Anspruch auf Familien-
festgelegten zeitlichen Rahmen die Berück- nachzug, sofern sich in Deutschland nicht be-
sichtigung einer rechtskräftigen strafgericht- reits ein personensorgeberechtigter Elternteil
Seite 1066 GMBl 2009 Nr. 42– 61

aufhält. Für diesen Nachzug sind die Sicherung treuungsgemeinschaft abzustellen. Bei einem
des Lebensunterhalts und ausreichender im Ausland begründeten Pflegeverhältnis oder
Wohnraum keine Voraussetzungen. Auf die einer Vormundschaft ist das Einverständnis der
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht ein Behörden des Heimatstaates des Kindes mit der
Anspruch, so dass von § 5 Absatz 2 abgesehen Ausreise herzustellen und nachzuweisen. Wenn
werden kann. Der Titel ist abweichend von § 5 die Ausreise zum Zweck der Adoption erfolgt,
Absatz 1 Nummer 1 zu erteilen; die Voraus- muss auch die Zustimmung der ausländischen
setzungen des § 5 Absatz 1 Nummer 1a und 2 Behörde zur Adoption vorliegen. Bei Stiefkin-
müssen jedoch erfüllt sein. dern vollzieht sich der Nachzug grundsätzlich
nicht nach § 36 Absatz 2, sondern als Nachzug
36.1.2 Minderjährige Asylberechtigte und Flüchtlinge
zu bzw. mit dem leiblichen Elternteil (vgl.
i. S. d. Regelung sind Drittstaatsangehörige oder
Nummer 27.1.5 und Nummer 32.0.5). Nur in
Staatenlose unter 18 Jahren, die sich im Zeit-
Ausnahmefällen ist die Erteilung der Aufent-
punkt der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
haltserlaubnis nach § 36 Absatz 2 denkbar, etwa
nach § 25 Absatz 1 bzw. 2 und danach ohne
wenn der personensorgeberechtigte leibliche
Begleitung eines sorgeberechtigten Elternteils
Elternteil verstirbt oder dessen Aufenthalts-
in Deutschland aufhalten. Die Voraussetzung,
recht entfällt. Wenn zu dem Stiefelternteil zu
dass sich kein sorgerechtsberechtigter Elternteil
diesem Zeitpunkt eine über einen längeren
im Bundesgebiet aufhält, ist auch dann erfüllt,
Zeitraum gewachsene Bindung und Betreu-
wenn ein Elternteil zeitgleich oder in unmittel-
ungsgemeinschaft besteht, kommt eine Er-
barem zeitlichem Zusammenhang mit dem an-
teilung nach § 36 Absatz 2 in Betracht (zur Le-
deren Elternteil den Lebensmittelpunkt ins
bensunterhaltssicherung vgl. Nummer 32.0.5).
Bundesgebiet verlagert.
Zur Scheinvaterschaft siehe auch Nummer
27.1a.1.3 und 90.5.
36.2 Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an son-
stige Familienangehörige 36.2.1.3 Für einen Nachzug nach § 36 kommen in Ab-
grenzung zu den abschließenden Nachzugs-
36.2.0 Die Aufenthaltserlaubnis darf nach Absatz 2
vorschriften der §§ 28 bis 33 insbesondere in
Satz 1 im Wege des Ermessens sonstigen Fa-
Betracht:
milienangehörigen, die nicht von §§ 29 bis 33
erfasst werden, nur nach Maßgabe des § 36 – Eltern zu ihren deutschen oder ausländi-
Absatz 2 Satz 1 erteilt werden, d. h. die allge- schen volljährigen oder ausländischen min-
meinen in § 27 und – beim Nachzug zu Aus- derjährigen Kindern,
ländern – in § 29 normierten Familiennachzu-
gsvoraussetzungen müssen vorliegen. Die – volljährige Kinder zu ihren Eltern oder
insoweit allgemeine Beschränkung des Fami- – Minderjährige zu engen volljährigen Fami-
liennachzugs auf Ehegatten und minderjährige lienangehörigen, die die alleinige Perso-
Kinder liegt im öffentlichen Interesse (Zu- nensorge in der Weise innehaben, dass eine
wanderungsbegrenzung). Die Versagungs- geschützte Eltern-Kind-Beziehung besteht.
gründe nach § 27 Absatz 3 sind zu berück-
sichtigen. Hinsichtlich des Familiennachzugs 36.2.1.4.1 Ein Nachzug minderjähriger sonstiger Fami-
zu Deutschen findet § 36 entsprechende An- lienangehöriger zu Verwandten in aufsteigender
wendung (§ 28 Absatz 4). Linie kommt ausnahmsweise nur in Betracht,
wenn sie Vollwaisen sind (z. B. Enkelkinder zu
36.2.1 Herstellung und Wahrung der familiären Le- Großeltern) oder wenn die Eltern nachweislich
bensgemeinschaft auf Dauer nicht mehr in der Lage sind, die Per-
36.2.1.1 Nach § 27 Absatz 1 darf die Aufenthaltserlaub- sonensorge auszuüben (z. B. wegen einer Pfle-
nis zur Herstellung und Wahrung der fami- gebedürftigkeit). Dem steht es gleich, wenn
liären Lebensgemeinschaft erteilt werden, die zum Schutze des Kindes den Eltern durch eine
grundsätzlich auf Dauer angelegt ist (Beistands- für deutsche Stellen maßgebliche gerichtliche
oder Betreuungsgemeinschaft). Diese Gemein- oder behördliche Entscheidung die Personens-
schaft erschöpft sich nicht in der Kindererzie- orge auf Dauer entzogen wurde und diese
hung, sondern umfasst den Unterhalt und eine Maßnahme nicht nur auf dem Umstand beruht,
materielle Lebenshilfe. dass dem Kind ein Aufenthaltsrecht im Bun-
desgebiet verschafft werden soll. Dem Wohl des
36.2.1.2 Die familiäre Lebensgemeinschaft muss durch Kindes kommt bei der Feststellung, ob eine
Artikel 6 GG geschützt sein. Besonders ge- außergewöhnliche Härte vorliegt, besonderes
schützt werden Ehegatten und die engere Fa- Gewicht zu. Bei der Ermessensausübung ist
milie im Sinne einer Eltern-Kind-Beziehung, Nummer 32.4.4 zu beachten.
die nicht nur durch Abstammung, sondern auch
rechtlich vermittelt sein kann. Dem Schutz des 36.2.1.4.2 Der Nachzug minderjähriger wie volljähriger
Artikels 6 GG unterliegt daher auch die fami- nicht mehr lediger Kinder zu ihren Eltern ins
liäre Gemeinschaft mit Adoptiv-, Pflege- und Bundesgebiet scheidet grundsätzlich aus, so-
Stiefkindern. Dabei ist nicht auf den formellen lange die Ehe des Kindes im Ausland noch be-
Bestand des Rechtsverhältnisses, sondern wie steht. Die Möglichkeit der Erteilung eines Auf-
allgemein auf die tatsächliche, über einen län- enthaltstitels aus anderen Gründen bleibt un-
geren Zeitraum gewachsene Bindung und Be- berührt.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1067

36.2.2 Außergewöhnliche Härte Adoptivkinder zu den Eltern, beim Nachzug


von Eltern zu volljährigen Kindern, beim En-
36.2.2.0 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur
kelnachzug und dem Nachzug von Kindern zu
Herstellung und Wahrung der familiären Le-
Geschwistern besonders zu prüfen.
bensgemeinschaft muss zur Vermeidung einer
außergewöhnlichen Härte (unbestimmter 36.2.2.5 Im Falle einer lediglich vorübergehenden er-
Rechtsbegriff) erforderlich sein, d. h. die fami- forderlichen familiären Betreuung kommt nicht
liäre Lebensgemeinschaft muss das geeignete der grundsätzlich auf Dauer angelegte Fami-
und notwendige Mittel sein, um die außerge- liennachzug, sondern allenfalls eine Aufent-
wöhnliche Härte zu vermeiden. haltserlaubnis, die unter Ausschluss der
Verlängerung erteilt wird (§ 8 Absatz 2), in Be-
36.2.2.1 Ein Nachzug kommt nur in Betracht, wenn im
tracht. In solchen Fällen hat die Ausländer-
Fall der Versagung des Nachzugs die Interessen
behörde vor der Erteilung einer Aufenthaltser-
des im Bundesgebiet lebenden Ausländers oder
laubnis im Benehmen mit der Arbeitsverwal-
des nachzugswilligen sonstigen Familienange-
tung zu prüfen, ob eine familiäre Hilfeleistung
hörigen mindestens genauso stark berührt wä-
oder eine Beschäftigung vorliegt. In diesem
ren, wie dies im Fall von Ehegatten und min-
Falle findet § 18 vorrangig Anwendung.
derjährigen ledigen Kindern der Fall sein wür-
de. Nach Art und Schwere müssen so 36.2.2.6 Die Anwendung von Absatz 2 Satz 1 scheidet
erhebliche Schwierigkeiten für den Erhalt der auch dann regelmäßig aus, wenn die Eltern
familiären Lebensgemeinschaft drohen, dass die eines im Bundesgebiet lebenden Kindes ge-
Versagung der Aufenthaltserlaubnis ausnahms- schieden sind und dem nachzugswilligen ge-
weise als unvertretbar anzusehen ist. § 36 setzt schiedenen ausländischen Elternteil kein Per-
dabei nicht nur eine besondere, sondern eine sonensorgerecht zusteht. Aufgrund der auch in
außergewöhnliche Härte voraus. diesen Fällen schutzwürdigen familiären Bezie-
36.2.2.2 Härtefallbegründend sind danach solche Um- hung nach Artikel 6 GG zwischen dem nichts-
stände, aus denen sich ergibt, dass entweder der orgeberechtigten Elternteil und dem Kind kann
im Bundesgebiet lebende oder der nachzugs- es jedoch im Einzelfall bei der Übernahme tat-
willige Familienangehörige auf die familiäre sächlicher Verantwortung durch den nicht per-
Lebenshilfe angewiesen ist, die sich nur im sonensorgeberechtigten Elternteil geboten sein,
Bundesgebiet erbringen lässt (z. B. infolge einer dem Elternteil den Aufenthalt in Deutschland
besonderen Betreuungsbedürftigkeit). Bei zu ermöglichen. Hierfür kommt es auf die
Minderjährigen sind das Wohl des Kindes und Umstände des Einzelfalles an. Voraussetzungen
dessen Lebensalter vorrangig zu berücksich- für die Bejahung des Vorliegens einer schutz-
tigen. Der Verlust eines Anspruchs auf Er- würdigen familiären Gemeinschaft sind aber in
teilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Kin- jedem Fall, dass der Elternteil die Übernahme
dernachzug infolge einer Überschreitung der elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverant-
Altersgrenze für den Nachzug stellt grundsätz- wortung durch regelmäßige Kontakte zum
lich keinen Härtefall dar. Ausdruck bringt sowie eine emotionale Ver-
bundenheit. Zu den konkreten Anforderungen
36.2.2.3 Umstände, die ein familiäres Angewiesensein an eine geschützte familiäre Gemeinschaft vgl.
begründen, können sich nur aus individuellen Nummer 28.1.5).
Besonderheiten des Einzelfalls ergeben (z. B.
Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, 36.2.2.7 Die Betreuungsbedürftigkeit von minder-
psychische Not). Umstände, die sich aus den jährigen Kindern im Bundesgebiet stellt für sich
allgemeinen Lebensverhältnissen im Her- allein keinen außergewöhnlichen Härtefall dar.
kunftsland des nachziehenden Familienange- Ein Zuzug sonstiger Familienangehöriger zur
hörigen ergeben, können insoweit nicht be- Kinderbetreuung kommt danach grundsätzlich
rücksichtigt werden. Keinen Härtefall be- nicht in Betracht, wenn die Eltern die Kinder-
gründen danach z. B. ungünstige schulische, betreuung nicht selbst übernehmen können,
wirtschaftliche, soziale und sonstige Verhält- weil sie beispielsweise beide (ganztägig) er-
nisse im Heimatstaat. Ebenso wenig sind poli- werbstätig sind. Soweit eine außergewöhnliche
tische Verfolgungsgründe maßgebend. Drin- Härte angenommen werden kann (z. B. ein El-
gende humanitäre Gründe, die nicht auf der ternteil kann infolge einer schweren Erkran-
Trennung der Familienangehörigen beruhen, kung die Kinder nicht mehr betreuen, ein El-
sind nur im Rahmen humanitärer Aufenthalts- ternteil ist verstorben), ist zu prüfen, ob der
gewährung zu berücksichtigen (§§ 22 ff.) und Zuzug sonstiger Verwandter zwingend er-
begründen keinen Härtefall i. S. d. § 36. forderlich ist oder ob nicht, wenn sich der
Ausländer bereits in Deutschland aufhält, eine
36.2.2.4 Die Herstellung der familiären Lebensgemein- Aufenthaltserlaubnis für einen vorübergehen-
schaft mit einem im Bundesgebiet lebenden den Aufenthalt nach § 25 Absatz 4 Satz 1 aus-
Angehörigen ist im Allgemeinen nicht zur Ver- reichend ist.
meidung einer außergewöhnlichen Härte er-
forderlich, wenn im Ausland andere Familien- 36.2.2.8 Bei den Ermessenserwägungen nach Absatz 2
angehörige leben, die zur Betreuung und Er- Satz 1 ist insbesondere zu berücksichtigen, ob
ziehung in der Lage sind. Dies ist bei einem die Betreuung oder Pflege des nachziehenden
Nachzug volljähriger Kinder und volljähriger Familienangehörigen tatsächlich und rechtlich
Seite 1068 GMBl 2009 Nr. 42– 61

gewährleistet sind (z. B. Verpflichtung nach dere vom Familiennachzug und den §§ 18
§ 68, Stellung einer Bankbürgschaft). bis 21) unabhängiges Wiederkehr- und Aufent-
haltsrecht.
36.2.2.9 Soweit es sich bei dem Betroffenen um einen
Familienangehörigen eines freizügigkeits- Der Anspruch besteht auch, wenn der Aus-
berechtigten Unionsbürgers handelt, der nicht länder aufgrund einer ausländerrechtlichen
bereits nach dem FreizügG/EU ein Aufent- Maßnahme zur Ausreise verpflichtet war (siehe
haltsrecht hat, ist dies im Rahmen der Er- jedoch Absatz 3 Nummer 1). Der Wiederkehr-
messensausübung bei Absatz 2 Satz 1 zu be- anspruch setzt nicht voraus, dass der Ausländer
rücksichtigen, wenn der Unionsbürger dem – im Zeitpunkt der Ausreise minderjährig
Familienangehörigen im Herkunftsmitglied- war,
staat Unterhalt gewährt hat, Unionsbürger und
Familienangehöriger im Herkunftsmitglied- – familiäre Beziehungen im Bundesgebiet hat
staat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder
oder schwerwiegende gesundheitliche Gründe – sich vor der Einreise im Heimatstaat aufge-
die persönliche Pflege durch den Unionsbürger halten hat.
zwingend erforderlich machen. Sofern der
Stammberechtigte Student ist, gilt dies nur, 37.1.0.2 Absätze 1 und 2 sollen nur denjenigen Aus-
wenn es sich um Verwandte in gerade auf- ländern die Wiederkehr ermöglichen, die auf-
steigender Linie handelt, denen Unterhalt ge- grund ihres früheren rechtmäßigen Aufenthalts
währt wird. Dies führt nicht zu einer Aus- die Möglichkeit einer aufenthaltsrechtlichen
weitung des Anwendungsbereichs, sondern ist Verfestigung im Bundesgebiet hatten (Dauer-
lediglich bei der Ausübung des pflichtgemäßen aufenthalt). Absatz 1 findet daher grundsätzlich
Ermessens zu berücksichtigen. keine Anwendung, wenn der Ausländer im
Zeitpunkt seiner Ausreise lediglich im Besitz
36.2.3 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis einer nach seiner Zweckbestimmung begrenz-
36.2.3.1 Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert wer- ten Aufenthaltserlaubnis war, deren Verlänge-
den, wenn die Voraussetzungen des § 36 wei- rung nach § 8 Absatz 2 ausgeschlossen war. Bei
terhin vorliegen und die familiäre Lebens- Aufenthalten vor Inkrafttreten des Aufent-
gemeinschaft weiter fortbesteht. Bei minder- haltsgesetzes sind die in § 102 Absatz 2 ge-
jährigen Familienangehörigen schließt der nannten Kriterien für die Feststellung maßge-
Wegfall der Voraussetzungen, die zur Erteilung bend, ob sich der Aufenthalt des Ausländers
der Aufenthaltserlaubnis geführt haben, aller- rechtlich verfestigt hat; dies ist bei Inhabern
dings nicht notwendig die weitere Verlängerung bisheriger Aufenthaltsbewilligungen und Auf-
aus. Nach mehrjährigem Bestehen der fami- enthaltsbefugnisse nicht anzunehmen. Hin-
liären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet sichtlich der Aufenthaltszeiten bis zum In-
kann die Nichtverlängerung der Aufenthaltser- krafttreten des AuslG aus dem Jahre 1990 ist die
laubnis dem Wohl des Kindes in so erheblichem Bestimmung des § 94 AuslG zur Beurteilung
Maße widersprechen, dass sie Artikel 6 GG heranzuziehen.
nicht gerecht und eine außergewöhnliche Härte 37.1.1 Anrechenbarer rechtmäßiger Aufenthalt
bedeuten würde.
37.1.1.1 Als Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts nach
36.2.3.2 Bei minderjährigen Familienangehörigen muss Absatz 1 Nummer 1 sind anzurechnen die Zei-
nach § 36 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 34 Absatz 1 ten:
und bei volljährigen Familienangehörigen kann
nach § 36 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 30 Absatz 3 37.1.1.1.1 – des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder
bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis Niederlassungserlaubnis,
von den Voraussetzungen des § 5 Absatz 1 37.1.1.1.2 – einer Befreiung vom Erfordernis des Auf-
Nummer 1 und des § 29 Absatz 1 Nummer 2 enthaltstitels, sofern unabhängig während
abgesehen werden. dieses Zeitraums die Voraussetzungen für
36.2.3.3 Die im Zeitpunkt des Nachzugs bereits voll- die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
jährigen Familienangehörigen erwerben nach oder einer Niederlassungserlaubnis vorlagen
§ 36 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 31, Minderjährige oder
nach § 36 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. 34 Absatz 2 37.1.1.1.3 – des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, de-
ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. ren Verlängerung nach § 8 Absatz 2 aus-
geschlossen war (bzw. einer Aufenthalts-
bewilligung oder Aufenthaltsbefugnis nach
37 Zu § 37 – Recht auf Wiederkehr
dem AuslG), sofern der Ausländer vor sei-
ner Ausreise zuletzt im Besitz einer nicht
37.1 Wiederkehranspruch für junge Ausländer
nach § 8 Absatz 2 beschränkten Aufent-
37.1.0 Allgemeines haltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis
war.
37.1.0.1 Absätze 1 und 2 vermitteln jungen Ausländern,
die Deutschland nach einem längeren Dauer- 37.1.1.2 Nicht anrechenbar sind die Zeiten einer Auf-
aufenthalt verlassen haben, ein eigenständiges, enthaltsgestattung im Falle einer unanfecht-
von anderen Aufenthaltszwecken (insbeson- baren Ablehnung des Asylantrags (vgl. § 55
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1069

Absatz 3 AsylVfG). Am Erfordernis eines verhältnissen im Bundesgebiet so entscheidend


rechtmäßigen Aufenthalts fehlt es in den Fällen geprägt ist, dass es eine besondere Härte dar-
des § 51 Absatz 1 und 5, insbesondere bei Auf- stellen würde, wenn er keine Möglichkeit hätte,
enthaltszeiten zwischen einer Ausweisung und dauerhaft in das Bundesgebiet zurückzukehren.
der Ausreise aus dem Bundesgebiet (§ 51 Ab-
satz 1 Nummer 5 i. V. m. § 84 Absatz 2 Satz 1). 37.2.1.2 Der Ausschluss von der Wiederkehr kann des-
halb eine besondere Härte darstellen, weil die
37.1.1.3 Verlangt wird ein rechtmäßiger, jedoch nicht Abweichung von Absatz 1 Nummer 1 und 3
ununterbrochener Voraufenthalt von insgesamt insgesamt geringfügig ist (z. B. wenige Wo-
acht Jahren. chen), insbesondere, wenn nur eine einzelne
37.1.1.4 Als Schulbesuch nach § 37 Absatz 1 Nummer 1 Voraussetzung des Absatzes 1 Nummer 1 und 3
kommen sowohl der Besuch allgemeinbil- nicht erfüllt ist, der Ausländer sich jedoch
dender Schulen als auch der Besuch von be- während seines früheren Aufenthalts in die so-
rufsbildenden Schulen oder vergleichbarer be- zialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse
rufsqualifizierender Bildungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert
Betracht. Dagegen sind zweckgebundene Aus- hatte. Eine besondere Härte kann auch vor-
bildungsaufenthalte wie z. B. der Besuch einer liegen, wenn die Nichterfüllung einzelner Vor-
Sprach- oder Musikschule nicht anrechenbar. aussetzungen durch eine Übererfüllung anderer
mehr als ausgeglichen wird (z. B. wesentlich
37.1.2 Sicherstellung des Lebensunterhalts längere Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet,
Der Lebensunterhalt ist nach Absatz 1 Num- wesentlich längerer Schulbesuch).
mer 2 aus eigener Erwerbstätigkeit nur ge- In Fällen der Zwangsverheiratung kann je nach
sichert, wenn die Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Umständen des Einzelfalles eine besondere
Der Maßstab für die Unterhaltssicherung ergibt Härte vorliegen.
sich aus § 2 Absatz 3 (vgl. Nummer 2.3). Das
Erwerbsverhältnis muss nicht notwendig be- 37.2.1.3 Ebenso kann eine besondere Härte vorliegen,
reits unbefristet sein, aber es muss eine dau- wenn anstelle eines Schulbesuches in Deutsch-
ernde berufliche Eingliederung erwarten lassen. land ein Schulbesuch an einer deutschen Aus-
Eine vereinbarte Probezeit steht dem nicht ent- landsschule im Ausland stattfand, an der völlig
gegen. Bestehen Zweifel, ob der Lebensunter- oder nahezu ausschließlich in deutscher Spra-
halt durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, che unterrichtet wird, die unter der Aufsicht
muss eine Unterhaltsverpflichtung gefordert einer deutschen Landesbehörde steht und an
werden. Die Unterhaltsverpflichtung eines der nach deutschen Lehrplänen unterrichtet
Dritten ist nach § 68 abzusichern. wird. Ebenso kann die Zeit einer Teilnahme an
einem Austausch- oder vergleichbaren Pro-
37.1.3 Zeitliche Antragsvoraussetzungen
gramm berücksichtigt werden, in dessen Rah-
Die zeitlichen Antragsvoraussetzungen nach men der Ausländer in einem Staat, dessen
Absatz 1 Nummer 3 müssen im Zeitpunkt der Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, für einen
Beantragung des Aufenthaltstitels (ggf. bei der Zeitraum von bis zu einem Jahr in einer Gast-
Auslandsvertretung) vorliegen; der Tag der familie gelebt und dabei eine Schule im Auf-
Einreise oder der tatsächlichen Erteilung ist enthaltsstaat besucht hat, die hinsichtlich der
nicht maßgeblich. Das gilt auch für den Fall, Lehrinhalte und -ziele als mit einer deutschen
dass zunächst ein Antrag auf Erteilung eines Schule gleichwertig anzusehen ist, sofern die
Aufenthaltstitels nur für einen seiner Natur Ausländerbehörde entsprechend eine Frist zur
nach zeitlich begrenzten Zweck (z. B. Studium) Wiedereinreise nach § 51 Absatz 1 Nummer 7
gestellt und dem Antrag entsprochen worden gesetzt hatte. Für die Beurteilung maßgeblich
ist. Eine solchermaßen erlangte Aufenthaltser- ist dabei, ob ein deutscher Schüler in vergleich-
laubnis kann später in eine Aufenthaltserlaub- barer Lebenssituation – etwa bei einer berufli-
nis nach § 37 umgewandelt werden. chen Versetzung der Eltern ins Ausland oder
bei Interesse an einem „Gastschuljahr“ im
37.1.4 Ausübung einer Erwerbstätigkeit
Ausland – ohne Absicht dauerhafter Auswan-
Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nach Ab- derung aus Deutschland, aber mit der Absicht
satz 1 Satz 2 zur Ausübung einer Erwerbstätig- der Beibehaltung der Bindungen zum deut-
keit. schen Lebens- und Bildungsbereich eine ähnli-
che Gestaltung seiner Schullaufbahn typischer-
37.2 Ausnahmen weise gewählt hätte.

37.2.1.1 Die Abweichung von den Erteilungsvoraus- 37.2.1.4 Ist nur ein Schulbesuch von fünf Jahren und
setzungen nach Absatz 1 im Härtefall ist in darunter nachgewiesen, handelt es sich außer in
Absatz 2 Satz 1 abschließend geregelt. Ob ein dem in Nummer 37.2.1.3 genannten Fall um
besonderer Härtefall vorliegt, ist durch Ver- eine erhebliche Abweichung von der in Ab-
gleich des konkreten Einzelfalles mit den in satz 1 Nummer 1 geforderten Schulzeit von
Absatz 1 genannten Anspruchsvoraussetzun- sechs Jahren. Beruhte der Umstand, dass der
gen (gesetzlicher Maßstab der Wiederkehr- Ausländer verspätet eingeschult worden ist
berechtigung) zu ermitteln. Es ist darauf abzu- oder den Schulbesuch vorzeitig beendet hat, je-
stellen, ob der Ausländer von den Lebens- doch auf zwingenden, von ihm nicht zu ver-
Seite 1070 GMBl 2009 Nr. 42– 61

tretenden Gründen (z. B. Erkrankung), kann die sozialen und wirtschaftlichen Lebens-
eine Ausnahme in Betracht gezogen werden. verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland
bestehen.
37.2.1.5 Eine besondere Härte ist regelmäßig anzu-
nehmen, wenn der Ausländer wegen der Leis- 37.3.1.2 Die zweite Alternative des Absatzes 3 Num-
tung des gesetzlich vorgeschriebenen Wehr- mer 1 setzt nicht nur das frühere Vorliegen
dienstes die rechtzeitige Antragstellung ver- eines Ausweisungsgrundes, sondern auch vor-
säumt hat. Allerdings muss er den Antrag aus, dass der Ausländer im Zeitpunkt seiner
innerhalb von drei Monaten nach Entlassung Ausreise unter Beachtung der Ausweisungsbe-
aus dem Wehrdienst bei der zuständigen Be- schränkungen nach § 56 (insbesondere nach
hörde stellen. Eine besondere Härte kann vor- § 56 Absatz 2) hätte ausgewiesen werden kön-
liegen, wenn diese Antragsfrist aus zwingenden nen. Völkervertragliche Beschränkungen der
Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten Ausweisung sowie Beschränkungen nach Arti-
hat, überschritten wurde. Sachfremde Um- kel 14 ARB 1/80 sowie sonstige Beschrän-
stände (z. B. Ausweichen vor Bürgerkriegs- kungen, die sich aus europäischem Recht er-
folgen) stellen keine Härte i. S. d. Absatzes 2 geben, sind ebenfalls zu berücksichtigen (vgl.
Satz 1 dar, die eine Überschreitung der An- Nummer Vor 53.5).
tragsfrist rechtfertigen können.
37.3.2 Für den Versagungsgrund nach Absatz 3 Num-
37.2.1.6 Ist die Voraufenthaltszeit im Bundesgebiet kür- mer 2 genügt das objektive Vorliegen eines
zer als die nachfolgende Aufenthaltszeit im Ausweisungsgrundes nach den §§ 53 bis 55.
Ausland, ist die Anwendung der Härteklausel Ausweisungsbeschränkungen nach § 56 oder
grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Ausländer, nach europäischen oder völkerrechtlichen Vor-
der z. B. aus dem Bundesgebiet ausgereist ist, schriften sind unerheblich.
nach Ablauf des Wehrdienstes im Heimatstaat
ein mehrjähriges Studium betrieben hat und erst 37.3.3 Der Versagungsgrund des Absatzes 3 Num-
im Alter von 25 Jahren wieder in das Bundes- mer 3 ist gegeben, wenn die Betreuung des
gebiet einreisen will, weicht regelmäßig erheb- Minderjährigen durch Privatpersonen ohne
lich von den Voraussetzungen des Absatzes 1 öffentliche Mittel nicht gewährleistet ist, d. h.,
Nummer 3 ab, mit der Folge, dass der Aus- die Betreuung muss insbesondere ohne In-
schluss von der Wiederkehr keine besondere anspruchnahme von Jugendhilfe sichergestellt
Härte darstellt. sein.

37.2.2 Die Ausnahme nach Absatz 2 Satz 2 setzt 37.4 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für
voraus, dass der Ausländer während seines frü- Wiederkehrer
heren Aufenthalts im Bundesgebiet den
Abschluss einer allgemeinbildenden Schule, 37.4.1 Die Aufenthaltserlaubnis kann auch verlängert
also mindestens den Hauptschulabschluss, er- werden, wenn der Lebensunterhalt nicht mehr
reicht hat. Ein beruflicher Bildungsabschluss gesichert oder die Unterhaltsverpflichtung ent-
reicht ebenfalls aus. Die durch Absatz 2 Satz 2 fallen ist. Diese Vorschrift gilt auch, wenn die
gewährte Ausnahmemöglichkeit steht im Er- Aufenthaltserlaubnis in Anwendung von Ab-
messen der Behörde und ist nicht auf besondere satz 2 im Wege des Ermessens oder in Anwen-
Härtefälle beschränkt. dung von § 85 erteilt worden ist. Die Verlänge-
rung darf nur auf der Grundlage von § 5 Ab-
37.3 Versagung der Wiederkehr satz 1 Nummer 1 oder 2, Absatz 4 und § 11
sowie nach § 37 Absatz 3 Nummer 2 und 3
37.3.0 Auch wenn im Übrigen nach Absatz 1 ein ge- versagt werden.
setzlicher Anspruch vorliegt, finden die Regel-
erteilungsgründe des § 5 Absatz 1 Nummer 1, 37.4.2 Die Unterhaltsverpflichtung des Dritten muss
1a und 2, des § 5 Absatz 2, die Versagungs- insgesamt nur fünf Jahre bestehen. War der Le-
gründe des § 5 Absatz 4 und des § 11 Anwen- bensunterhalt im Zeitpunkt der Erteilung der
dung. Wenn die Wiederkehr nur nach Ermessen Aufenthaltserlaubnis aus eigener Erwerbstätig-
(Absatz 2) gestattet wird, sind zudem § 5 Ab- keit des Ausländers gesichert, kann bei Ent-
satz 1 Nummer 3 und § 10 Absatz 1 zu be- fallen dieser Voraussetzung bei der Verlänge-
achten. rung nicht die Unterhaltsverpflichtung eines
Dritten verlangt werden. Im Falle der Sozial-
37.3.1.1 Solange die Sperrwirkung des § 11 Absatz 1 hilfebedürftigkeit ist § 37 Absatz 3 Nummer 2
Satz 2 gilt, steht der sich aus dieser Vorschrift anwendbar. Dadurch wird sichergestellt, dass
ergebende zwingende Versagungsgrund der der Ausländer nicht besser behandelt wird als
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 Ausländer, die das Bundesgebiet nie verlassen
entgegen. Erst nach Wegfall der Sperrwirkung haben.
ist der Ermessensversagungsgrund des Ab-
satzes 3 Nummer 1, erste Alternative erheb- 37.5 Wiederkehr von Rentnern
lich. Bei der Ermessensausübung hat die Aus-
länderbehörde insbesondere zu prüfen, ob 37.5.1 Dem ausländischen Rentner ist nach Absatz 5
aufgrund des bisherigen Verhaltens des Aus- i. d. R. die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Das
länders, das zu einer Ausweisung geführt hat, Recht auf Wiederkehr setzt voraus, dass der
begründete Zweifel an einer Eingliederung in Ausländer nach einem rechtmäßigen Aufent-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1071

halt von acht Jahren die Voraussetzungen für 38.0.2 In Zweifelsfällen ist zunächst zu prüfen, ob der
ein Daueraufenthaltsrecht erfüllte, diesen Status Antragsteller noch bzw. auch die deutsche
jedoch auf Grund freier Entscheidung mit sei- Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. Nummer
ner Ausreise aufgegeben hat. Ein ununter- 2.1.1). Besteht die deutsche Staatsangehörigkeit
brochener rechtmäßiger Voraufenthalt ist fort, ist von Amts wegen zu empfehlen, die
ebenso wenig erforderlich wie im Vergleich zu Ausstellung eines deutschen Personalausweises
Absatz 1 ein gewöhnlicher Aufenthalt vor der oder Reisepasses zu beantragen. Hierbei ist
Ausreise. Allerdings sind solche Aufenthalte darauf hinzuweisen, dass Deutsche nach Arti-
nicht anrechenbar, die keinen Bezug zum Er- kel 11 Absatz 1 GG Freizügigkeit im gesamten
werb der Rentenberechtigung aufweisen (z. B. Bundesgebiet genießen und allgemein berech-
Besuchsaufenthalte, spätere Aufenthalte aus tigt sind, eine Erwerbstätigkeit im Bundesge-
humanitären Gründen). biet auszuüben, aber auch verpflichtet sind, sich
im Bundesgebiet mit deutschen Ausweisdoku-
37.5.2 Ein Regelfall nach Absatz 5 liegt vor, wenn der menten auszuweisen.
Ausländer bereits im Ausland eine Rente eines
deutschen Trägers bezieht. Der Rentenan- 38.0.3 Die Regelung erfasst nur ehemalige Deutsche
spruch darf also nicht erst nach der Wiederein- (vgl. Nummer 2.1.1). Nicht erfasst werden de-
reise in das Bundesgebiet entstehen. An die Art ren Abkömmlinge, sofern diese niemals Deut-
der Rente (Alter, Unfall, Erwerbsunfähigkeit, sche waren.
Witwen- und Waisenrenten) werden keine be- 38.0.4 § 38 greift nicht, wenn eine Einbürgerung mit
sonderen Anforderungen gestellt. Der Renten- Wirkung ex tunc zurückgenommen wurde.
träger braucht nicht öffentlich-rechtlich orga-
nisiert sein. Es kann sich auch um eine private
38.1 Aufenthaltstitel bei Voraufenthalten in
Versicherungsgesellschaft oder eine betriebliche
Deutschland
Versorgungseinrichtung handeln, die vergleich-
bare Leistungen in Form einer regelmäßigen, 38.1.1 Absatz 1 sieht einen Anspruch auf Erteilung
wiederkehrenden Zahlung, die auf einem einer Niederlassungserlaubnis bzw. Aufent-
Rechtsanspruch beruhen und für einige Dauer haltserlaubnis unter bestimmten Voraus-
geleistet werden, gewähren. setzungen vor. Für die Erteilung einer Nieder-
lassungserlaubnis nach § 38 Absatz 1 Satz 1
37.5.3 Ein Regelfall liegt grundsätzlich nicht vor, Nummer 1 werden dazu ausschließlich Zeiten
wenn der Ausländer im Zeitpunkt seiner Aus- des gewöhnlichen Aufenthalts als Deutscher im
reise nicht die rechtliche Möglichkeit hatte, auf Bundesgebiet berücksichtigt. Für die Erteilung
Dauer im Bundesgebiet zu bleiben. Reicht der einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38 Absatz 1
Rentenbezug nicht zur Bestreitung des Le- Satz 1 Nummer 2 wird dagegen unabhängig
bensunterhalts aus oder liegen die Voraus- von der Staatsangehörigkeit nur auf den ge-
setzungen des § 5 Absatz 1 Nummer 1 nicht wöhnlichen Aufenthalt abgestellt (Zeiten des
vor, ist von der Erteilung der Aufenthaltser- gewöhnlichen Aufenthalts als deutscher Staats-
laubnis nach Absatz 5 regelmäßig abzusehen. angehöriger und ggf. als Ausländer sind zu-
Im Gegensatz zur Aufenthaltserlaubnis nach sammenzuzählen).
Absatz 1 berechtigt die Aufenthaltserlaubnis,
die nach Absatz 5 erteilt wird, nicht von sich 38.1.2 Vorbehaltlich des Absatzes 3 finden die all-
aus zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, so gemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5
dass die Ausübung einer Beschäftigung nur mit Absatz 1 und 2 sowie die Versagungsgründe
Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit er- nach § 5 Absatz 4 und § 11 Anwendung.
laubt werden kann. Die Ausübung einer selb- 38.1.3 Die Regelung erfasst Personen, die die deutsche
ständigen Erwerbstätigkeit ist auszuschließen, Staatsangehörigkeit während ihres gewöhn-
es sei denn, es besteht ein besonderes öffent- lichen Aufenthaltes im Bundesgebiet (insbe-
liches Interesse an der Ausübung der Erwerbs- sondere durch Antragserwerb einer aus-
tätigkeit durch den Rentner. ländischen Staatsangehörigkeit nach § 25 StAG,
37.5.4 Anwendbar sind die §§ 5, 10 und 11. In den durch Erklärung nach § 29 StAG oder nach
Fällen des § 51 Absatz 2 erübrigt sich eine Ent- einer sonstigen Vorschrift) verloren haben (vgl.
scheidung nach § 37 Absatz 5. § 17 StAG) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt
im Bundesgebiet beibehalten.
38.1.4 Bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit
38 Zu § 38 – Aufenthaltsrecht für ehemalige während des gewöhnlichen Aufenthaltes im
Deutsche Ausland findet nur Absatz 2 Anwendung (vgl.
Nummer 38.2.1 f.). Ein gewöhnlicher Aufent-
38.0 Allgemeines halt im Bundesgebiet wird beendet, wenn der
Lebensmittelpunkt dauerhaft ins Ausland ver-
38.0.1 § 38 ist ein Auffangtatbestand, wonach ehe-
legt wird.
maligen Deutschen (vgl. Nummer 2.1.1) unter
erleichterten Voraussetzungen ein Aufenthalts- 38.1.5 Bei der Berechnung der Voraufenthaltszeiten
titel erteilt werden kann. Ein Aufenthaltstitel werden nur zusammenhängende Zeiten ange-
kann auch nach den allgemeinen Vorschriften rechnet, in denen der Antragsteller seinen ge-
des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. wöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte.
Seite 1072 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Ob der Antragsteller mit Wohnsitz in Hinsichtlich der Aufnahme oder Ausübung


Deutschland gemeldet war, ist für die Bestim- einer Erwerbstätigkeit während des Rechts-
mung des gewöhnlichen Aufenthaltes rechtlich mittelverfahrens findet § 84 Absatz 2 Satz 2
nicht maßgeblich, kann aber als Indiz hierfür Anwendung.
gewertet werden. Unerheblich sind nur vor-
übergehende Unterbrechungen des Aufent- 38.2 Aufenthaltstitel bei gewöhnlichem Aufent-
haltes; diese sind in die Zeit des gewöhnlichen halt im Ausland
Aufenthaltes in Deutschland einzubeziehen.
38.2.0 Die Regelung soll insbesondere ehemaligen
38.1.6 Die Beibehaltung des gewöhnlichen Auf- Deutschen, die aus beruflichen oder familiären
enthaltes in Deutschland ist bei Unterbrechun- Gründen ins Ausland gegangen sind und wieder
gen des Aufenthaltes für einen Zeitraum von bis in Deutschland leben möchten, die Rückkehr
zu sechs Monaten zu unterstellen; das Gleiche ins Bundesgebiet und eine spätere Wiederein-
gilt bei einem längeren Zeitraum, wenn der bürgerung erleichtern. Ehemaligen Deutschen,
ehemalige deutsche Staatsangehörige zur Ab- die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Bundes-
leistung der gesetzlichen Wehrpflicht eines an- gebiet verlegen möchten, ist deshalb i. d. R. zu
deren Staates das Bundesgebiet verlassen hatte empfehlen, zunächst eine Aufenthaltserlaubnis
und innerhalb von drei Monaten nach Entlas- zu beantragen.
sung aus dem Wehr- oder Ersatzdienst wieder
einreist (vgl. § 12b Absatz 1 StAG). 38.2.1 Absatz 2 betrifft nur ehemalige Deutsche, die
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland ha-
38.1.7 Als Deutscher hatte der Antragsteller seinen ben. Hatte der Ausländer bei Verlust der deut-
Aufenthalt im Bundesgebiet, solange er wäh- schen Staatsangehörigkeit seinen gewöhnlichen
rend des Aufenthalts die deutsche Staatsange- Aufenthalt im Bundesgebiet, findet Absatz 1
hörigkeit oder zuvor den Status eines Deut- Anwendung. Bei späterer Verlegung des
schen ohne deutsche Staatsangehörigkeit besaß Wohnsitzes ins Ausland ist allerdings die An-
(Artikel 116 Absatz 1 GG). wendung des Absatzes 2 nicht ausgeschlossen.

38.1.8 Satz 1 Nummer 1 ermöglicht einem ehemaligen 38.2.2 Hatte der Ausländer bei Verlust der deutschen
deutschen Staatsangehörigen den Erwerb einer Staatsangehörigkeit den gewöhnlichen Aufent-
Niederlassungserlaubnis abweichend von den halt im Ausland und hat er bei der Antrag-
allgemeinen Voraussetzungen des § 9 Absatz 2. stellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im
Inland, finden weder Absatz 1 noch Absatz 2
38.1.9 Die Frist nach Satz 2 beginnt, wenn der An- Anwendung. Allerdings ist anzunehmen, dass
tragsteller von der Rechtsfolge des Verlustes der der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland fort-
deutschen Staatsangehörigkeit Kenntnis er- besteht, solange eine dauerhafte aufenthalts-
langt, nicht aber bereits mit der Erlangung der rechtliche Position des Ausländers im Inland
Kenntnis von den tatsächlichen Umständen, die noch nicht gesichert ist. Absatz 2 kann daher
zu diesem Verlust führten. Zudem setzt erst die weiterhin angewendet werden, wenn kurz nach
hinreichend sichere Kenntnis von dem Verlust der Einreise nach Deutschland, etwa bei der
der Staatsangehörigkeit die Frist in Gang. Er- Anmeldung bei der Meldebehörde, festgestellt
forderlich ist i. d. R. die Kenntnisnahme einer wird, dass ein Verlust der deutschen Staatsan-
verbindlichen Äußerung einer zuständigen Be- gehörigkeit eingetreten ist. Geht der Ausländer
hörde, etwa einer Staatsangehörigkeitsbehörde. bei der Verlegung seines Wohnsitzes zunächst
Nicht ausreichend für die Kenntnis ist die Äu- davon aus, dass er Deutscher ist, ist zu prüfen,
ßerung der Behörde von einer Vermutung oder ob ein Fall des Absatzes 5 vorliegt.
einem Verdacht, sofern sich nicht dem Aus-
länder daraufhin aufdrängen musste, dass er die 38.2.3 Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwi-
deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat. Ge- schen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945
ringere Anforderungen an den Beweis der die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassi-
Kenntnisnahme können gestellt werden, wenn schen oder religiösen Gründen entzogen wor-
der Ausländer rechtskundig oder rechtlich be- den ist, sind darauf hinzuweisen, dass nach Ar-
raten war. tikel 116 Absatz 2 die deutsche Staatsangehö-
rigkeit durch Wiedereinbürgerung auf Antrag
38. 1. 10 Wird der Antrag innerhalb der Sechsmonats- oder durch Wohnsitznahme in Deutschland
frist gestellt, gilt der Aufenthalt seit dem Ein- wiederhergestellt werden kann. Bei Personen,
tritt des Verlustes der deutschen Staatsange- welche die ehemalige Deutsche Demokratische
hörigkeit bis zur Entscheidung der Auslän- Republik als eigene Staatsbürger in Anspruch
derbehörde als erlaubt (§ 38 Absatz 1 Satz 3 genommen hatte, ist vorrangig zu prüfen, ob die
i. V. m. § 81 Absatz 3 Satz 1). Die Sechsmo- deutsche Staatsangehörigkeit fortbesteht. Zu
natsfrist ist vom Gesetzgeber als materielle beachten ist, dass nach § 24 StAG eine Entlas-
Ausschlussfrist angelegt. Der Verweis auf § 81 sung aus der deutschen Staatsangehörigkeit als
Absatz 3 kann sich nicht auf den dortigen nicht erfolgt gilt, wenn der Entlassene die ihm
Satz 2 beziehen, da es keine Fallgestaltungen zugesicherte ausländische Staatsangehörigkeit
gibt, in denen der Antrag zulässig verspätet nicht innerhalb eines Jahres nach der Aus-
gestellt wird und die Rechtsfolgen von § 81 händigung der Entlassungsurkunde erworben
Absatz 3 Satz 2 auslöst. hat. Erscheint es möglich, dass dieser Sachver-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1073

halt gegeben ist, ist vorrangig zu prüfen, ob der tikel 6, 7 ARB 1/80 erhalten. Im Hinblick auf
Antragsteller deutscher Staatsangehöriger ist. eine verfassungskonforme Ausgestaltung des
Bei einem späteren Erwerb der ausländischen Optionsverfahrens sollen sie als besondere Fälle
Staatsangehörigkeit kann der Verlust der deut- i. S. v. § 38 Absatz 3 behandelt werden. Bei der
schen Staatsangehörigkeit nach § 25 Absatz 1 Ausübung des Ermessens kann aber zu Lasten
StAG eingetreten sein. des Betroffenen z. B. berücksichtigt werden,
dass er schwere Straftaten begangen hat.
38.2.4 Vorbehaltlich des Absatzes 3 finden die All-
gemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 38.3.4 Aufgrund ihres oftmals langjährigen Aufent-
Absatz 1 und 2 sowie die Versagungsgründe halts als deutsche Staatsangehörige kommen als
nach § 5 Absatz 4 und § 11 Anwendung. besondere Fälle weiterhin Personen in Betracht,
die unverschuldet ohne Kenntnis der gesetzlich
38.2.5 Hinsichtlich des Merkmals der ausreichenden vorgesehenen Folgen (insbesondere in engem
Kenntnisse der deutschen Sprache wird auf zeitlichen Zusammenhang zum Inkrafttreten
Nummer 9.2.1.7 und 44a.1.2.2 verwiesen. der Regelung des § 25 StAG am 1. Januar 2000)
38.2.6 Bei der Ermessensausübung sind u. a. die Um- die deutsche Staatsangehörigkeit durch Erwerb
stände, die zum Verlust der deutschen Staats- einer ausländischen Staatsangehörigkeit ver-
angehörigkeit geführt haben, das Lebensalter, loren haben. Von § 5 Absatz 1 Nummer 1 kann
der Gesundheitszustand, die Lebensumstände beispielsweise bereits dann abgewichen werden,
des Antragstellers im Ausland sowie die Siche- wenn der Betroffene die fehlende Sicherung des
rung seines Lebensunterhaltes und ggf. die Er- Lebensunterhalts nicht zu vertreten hat. Im
werbsaussichten in Deutschland angemessen zu Rahmen der Anwendung von § 5 Absatz 1
berücksichtigen. Nummer 2 sollte berücksichtigt werden, ob der
Betroffene – ohne Verlust der deutschen Staats-
38.2.7 Im Wege des Ermessens ist auch zu berück- angehörigkeit – besonderen Ausweisungs-
sichtigen, ob der Antragsteller fortbestehende schutz nach § 56 genossen hätte oder es sich um
Bindungen an Deutschland glaubhaft machen Ausweisungsgründe handelt, die eine Einbür-
kann. gerung nach §§ 10, 12a StAG nicht verhindern.
38.2.8 Berücksichtigungsfähig ist ferner, wenn der 38.3.5 Weitere Beispiele für besondere Fälle:
Antragsteller, insbesondere im Zusammenhang
mit nationalsozialistischen Verfolgungsmaß- – Antragsteller, die im Zusammenhang mit
nahmen oder mit Kriegsfolgen veranlasst war, nationalsozialistischen Verfolgungsmaß-
eine andere Staatsangehörigkeit zu erwerben. nahmen oder mit Kriegsfolgen eine andere
Staatsangehörigkeit erworben haben,
38.3 Abweichungen von Regelerteilungsvoraus- – Antragsteller, bei denen absehbar ist, dass
setzungen in besonderen Fällen die zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht
vorgegebene Sicherung des Lebensunter-
38.3.1 Nach Absatz 3 kann von den allgemeinen Er- halts voraussichtlich bald erreicht werden
teilungsvoraussetzungen nach § 5 in besonde- kann (auf Grund der vorausgegangenen Tä-
ren Fällen nach Ermessen abgewichen werden. tigkeit, des Zeitraums der Erwerbstätigkeit,
Die Voraussetzungen des § 38 Absatz 1 oder 2 den Gründen für die Aufgabe der Erwerbs-
müssen vorliegen. Der Nachweis einer be- tätigkeit etc.).
sonderen Härte ist nicht erforderlich.
38.3.6 Ein Verstoß gegen § 5 Absatz 2 Nummer 1
38.3.2 Bei entsprechenden Entscheidungen ist neben kann nicht angenommen werden, wenn der
dem Schutzweck der jeweiligen Erteilungsvor- Ausländer zum Zeitpunkt des Verlusts der
aussetzung insbesondere der Regelungszweck deutschen Staatsangehörigkeit seinen gewöhn-
von § 38 zu berücksichtigen, ehemaligen deut- lichen Aufenthalt in Deutschland hatte und es
schen Staatsangehörigen einen gesicherten bis zur Antragstellung nicht verlassen hat. In
Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet zu eröffnen. diesen Fällen ist nach § 5 Absatz 2 Satz 2 regel-
Bei einem mehrjährigen Inlandsaufenthalt als mäßig vom Erfordernis der Ausreise zur Vi-
Deutscher und/oder als Ausländer ist ein be- sumbeschaffung abzusehen.
sonderer Fall daher insbesondere dann gegeben,
wenn an das Fehlen der entsprechenden allge- 38.3.7 Von der Anwendung des § 5 Absatz 4 Satz 1 ist
meinen Erteilungsvoraussetzung bei einem nur unter den Voraussetzungen des § 5 Absatz 4
Ausländer (ohne zwischenzeitlichen Erwerb Satz 2 abzusehen.
und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit)
keine aufenthaltsrechtlichen Folgen (mehr) ge- 38.4 Ausübung einer Erwerbstätigkeit
knüpft werden könnten.
Neben der Niederlassungserlaubnis nach Ab-
38.3.3 Ein besonderer Fall liegt auch vor bei ehe- satz 1 Nummer 1 berechtigt jede Aufenthalts-
maligen deutschen Staatsangehörigen, die die erlaubnis nach Absatz 1 Nummer 2 bzw. Ab-
deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes satz 2 kraft Gesetzes zur Ausübung einer Er-
nach § 29 StAG im Rahmen des Optionsver- werbstätigkeit. Dies gilt bereits während der
fahrens verloren haben und keinen Aufent- Antragsfrist nach Absatz 1 Satz 2 und im Fall
haltstitel nach den allgemeinen Vorschriften, der Antragstellung bis zur Entscheidung. In die
insbesondere § 9 oder § 4 Absatz 5 i. V. m. Ar- Aufenthaltserlaubnis und auch in die Beschei-
Seite 1074 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nigung, die aufgrund der Regelung des § 38 nach – auch nur summarischer – Prüfung bejaht
Absatz 4 Satz 2 für die Zeit der Antragsfrist oder sogar mit öffentlichem Glauben beur-
bzw. bis zur Entscheidung der Ausländer- kundet, ist davon auszugehen, dass allgemein
behörde auszustellen ist, ist folgende Neben- deutsche Stellen den Betroffenen als Deutschen
bestimmung aufzunehmen: behandelt haben. Dies gilt insbesondere für das
„Erwerbstätigkeit gestattet“. Handeln
38.5.5.1 – der Staatsangehörigkeitsbehörden,
38.5 Entsprechende Anwendung bei irrtümlicher
Behandlung als Deutscher 38.5.5.2 – der Pass- und Personalausweisbehörden,

38.5.0 Die Vorschrift erfasst Fälle, in denen durch 38.5.5.3 – der Auslandsvertretungen im sonstigen
deutsche Stellen dadurch ein Vertrauenstatbe- konsularischen Aufgabenbereich,
stand geschaffen wurde, dass diese irrtümlich 38.5.5.4 – der Meldebehörden,
angenommen hatten, der Ausländer sei Deut-
scher. In diesen Fällen ist allerdings vorrangig 38.5.5.5 – der Personenstandsbehörden, insbesondere
zu prüfen, ob ein Erwerb der Staatsangehörig- im Zusammenhang mit der Beurkundung
keit, ggf. auch als Abkömmling eines langjährig von Personenstandsfällen,
irrtümlich als Deutschen Behandelten, nach § 3
38.5.5.6 – bei der Ernennung von Beamten, sofern
Absatz 2 StAG erfolgt ist.
diese Ernennung auf der Annahme beruhte,
38.5.1 Eine Person wurde von deutschen Stellen irr- der Ernannte sei Deutscher und
tümlich als Deutscher behandelt, wenn diese
38.5.5.7 – bei Berufszulassungen, sofern für sie er-
durch Verwaltungshandeln – nicht notwendig
heblich ist, dass der Betreffende Deutscher
in Form eines Verwaltungsaktes – zum Aus-
ist, und die Zulassung auf dieser Annahme
druck gebracht haben, dass sie davon ausgehen,
beruhte.
der Betreffende sei Deutscher i. S. d. Arti-
kels 116 Absatz 1 GG. Dabei muss eine Prü- In diesem Zusammenhang ist eine spätere
fung der Staatsangehörigkeit, wenn auch nur in Rücknahme oder ein späterer Widerruf eines
summarischer Form, vorgenommen worden Verwaltungsaktes unerheblich, wenn dieser
sein. Nicht erforderlich ist, dass ein Verwal- nicht zeitnah oder nicht deshalb erfolgte, weil
tungsversagen oder sogar ein Verschulden der der Betroffene kein Deutscher war.
maßgeblichen Behörde festgestellt werden
kann. 38.5.6 Der Vertrauensschutz entsteht nicht, wenn es
der Ausländer zu vertreten hat, dass er irrtüm-
38.5.2 Ob es sich bei den deutschen Stellen um eine lich als Deutscher behandelt wurde. Die bloße
kommunale, eine Landes- oder eine Bundes- Veranlassung genügt nicht für den Ausschluss.
behörde handelt, ist unerheblich. Ebenso ist Hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabes ist auf das
nicht erforderlich, dass die deutschen Stellen Urteilsvermögen einer durchschnittlichen Per-
zur Feststellung der Staatsangehörigkeit befugt son in der Situation des Betroffenen abzu-
sind. stellen. Kenntnisse des deutschen Staatsange-
hörigkeitsrechts sind i. d. R. nicht zu erwarten,
38.5.3 Nicht hinreichend ist hingegen eine rein for-
zumal ein Betroffener grundsätzlich auf die
mularmäßige Übernahme der Angabe, der Be-
Richtigkeit von Verwaltungshandeln vertrauen
troffene sei Deutscher, die mit keiner auch nur
darf.
summarischen Prüfung verbunden ist. Insbe-
sondere ist es nicht ausreichend, als Deutscher 38.5.7 Der Ausländer hat seine fehlerhafte Behand-
durch Sozialversicherungsträger oder andere lung als Deutscher insbesondere dann zu ver-
Behörden erfasst zu werden, die ohne Prüfung treten, wenn sie geschehen ist, weil er
der Staatsangehörigkeitsverhältnisse – etwa
durch Vorlage eines Ausweises – erfolgt ist. 38.5.7.1 – bewusst wahrheitswidrig angegeben hat, er
Dasselbe gilt, wenn die Staatsangehörigkeit le- sei Deutscher,
diglich mündlich angegeben, entgegengenom- 38.5.7.2 – Urkunden vorgelegt hat, die nach seiner
men und dann in Schriftstücke aufgenommen Kenntnis oder leicht erkennbar gefälscht
wird. oder verfälscht sind,
38.5.4 Nicht ausreichend ist des Weiteren, dass eine 38.5.7.3 – auf die – ggf. auch formularmäßig gestellte –
einzelne Behörde irrtümlich davon ausgegan- Frage, ob
gen ist, der Betreffende sei Deutscher, wenn
nicht feststellbar ist, dass deutsche Stellen den 38.5.7.3.1 – er aus der deutschen Staatsangehörigkeit
Betreffenden als solchen behandelt haben. Ins- entlassen worden ist (§§ 18 bis 24StAG),
besondere liegt ein Fall nach Absatz 5 daher
38.5.7.3.2 – er ohne eine Beibehaltungsgenehmigung
nicht vor, wenn eine einzelne Behörde (etwa bei
eine andere Staatsangehörigkeit er worben
der Bewilligung von Sozialleistungen) irrtüm-
hat (§ 25 Absatz 1 und 2 StAG, Artikel 1 des
lich davon ausging, der Betroffene sei Deut-
am 21. Dezember 2002 für Deutschland au-
scher.
ßer Kraft getretenen Übereinkommens vom
38.5.5 Wenn eine Stelle, zu deren Kernaufgaben die 6. Mai 1963 über die Verringerung der
Prüfung zählt, ob jemand Deutscher ist, dies Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1075

von Mehrstaatern [BGBl. 1969 II S. 1953, 38a.0.3 Im Gegensatz zur Erlaubnis zum Daueraufent-
1956]), halt-EG richtet sich die Aufenthaltserlaubnis
nach § 38a weitgehend nach den allgemeinen
38.5.7.3.3 – er auf die deutsche Staatsangehörigkeit ver-
Bestimmungen. Es gibt keine besondere Er-
zichtet habe (§ 26 StAG),
löschensregelung (beachte jedoch die beson-
38.5.7.3.4 – er durch einen Ausländer als Kind ange- deren Konsultations- und Mitteilungspflichten
nommen wurde (§ 27 StAG), nach § 91c Absatz 2 i. V. m. § 51 Absatz 8 und
§ 91c Absatz 3; vgl. Nummer 91c.2 und 91c.3).
38.5.7.3.5 – er in die Streitkräfte oder einen vergleich- Für den Widerruf gelten die allgemeinen Wi-
baren bewaffneten Verband eines auslän- derrufsgründe nach § 52 Absatz 1 sowie die
dischen Staates eingetreten sei (§ 28 StAG) Sonderregelung nach § 52 Absatz 6 (Regel-
und ob hierfür eine Genehmigung des Bun- verpflichtung zum Widerruf).
desministeriums der Verteidigung oder der
von ihm bezeichneten Stelle vorlag, 38a.0.4 Da der aufenthaltsrechtliche Status eines Aus-
länders eindeutig definiert sein muss, ist eine
38.5.7.3.6 – er eine Erklärung nach § 29 StAG abge- parallele Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
geben habe oder nach § 38a und einer Aufenthaltserlaubnis zu
38.5.7.3.7 – er als Vertriebener, Aussiedler oder Spät- anderen Aufenthaltszwecken (z. B. Familien-
aussiedler oder als dessen Ehegatte oder nachzug) ausgeschlossen, selbst wenn der Aus-
Abkömmling nach Aufnahme in Deutsch- länder die Voraussetzungen beider Aufent-
land ohne vorherige Einbürgerung als haltstitel erfüllt. Ob die Aufenthaltserlaubnis
Deutscher ohne deutsche Staatsangehörig- nach § 38a oder ein anderer Aufenthaltstitel
keit i. S. d. Artikels 116 Absatz 1 GG vor eine weitergehende Rechtsposition einräumt,
dem 1. August 1999 seinen dauernden Auf- ist auf der Grundlage der Einzelfallumstände
enthalt in einem Aussiedlungsgebiet (vgl. § 1 (z. B. Ausübung einer Erwerbstätigkeit) zu be-
Absatz 2 Nummer 3 BVFG) genommen hat urteilen.
(§ 7 StAngRegG a. F.), 38a.0.5 Hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens sind
eine bewusst falsche oder unvollständige An- folgende Besonderheiten zu beachten:
gabe gemacht hat, 38a 0.5.1 Bei Erteilung und Verlängerung der Aufent-
38.5.7.4 – er sonst an einem Verwaltungsverfahren, in haltserlaubnis ist die Bearbeitungsfrist von
dem geprüft werden sollte, ob er Deutscher grundsätzlich vier Monaten nach Artikel 19
ist, nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat Absatz 1 Daueraufenthalt-Richtlinie zu be-
und ihm dies vorzuwerfen ist. achten.
38a.0.5.2 Bei Erteilung und Verlängerung der Aufent-
haltserlaubnis ist die Mitteilungspflicht nach
38a Zu § 38a – Aufenthaltserlaubnis für in an- § 91c Absatz 1 und die damit verbundene Zen-
deren Mitgliedstaaten der Europäischen tralstellenfunktion des Bundesamtes für Migra-
Union langfristig Aufenthaltsberechtigte tion und Flüchtlinge als nationale Kontaktstelle
zu berücksichtigen.
38a.0 Allgemeines
38a.0.5.3 Beim Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis, die
38a.0.1 § 38a regelt das Aufenthaltsrecht für langfristig
nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 51
aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige
Absatz 1 erfolgt, müssen die Konsultations-
anderer Mitgliedstaaten in Deutschland und
und Mitteilungspflichten nach § 91c Absatz 2
setzt damit die Mobilitätsregelungen des Kapi-
i. V. m. § 51 Absatz 8 und 91c Absatz 3 beachtet
tels III der Richtlinie 2003/109/EG des Rates
werden.
vom 25. November 2003 betreffend die
Rechtsstellung der langfristig aufenthalts- 38a.0.5.4 Die Erteilung eines nationalen Visums nach
berechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU § 38a für die Einreise in die Bundesrepublik
2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte Dauer- Deutschland ist unter den Voraussetzungen des
aufenthalt-Richtlinie) um. Es handelt sich da- § 39 Nummer 6 AufenthV entbehrlich. Bei vi-
mit um Fälle der so genannten Weiterwan- sumfreier Einreise darf der Daueraufenthalts-
derung nach Deutschland von langfristig auf- berechtigte jedoch nicht unmittelbar eine Er-
enthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen werbstätigkeit aufnehmen. Wegen des Aus-
mit einer Rechtsstellung i. S. d. § 2 Absatz 7. drückichkeitserfordernisses nach § 4 Absatz 3
Satz 1 und 2 ist hierfür zunächst die Ausstellung
38a.0.2 Während in § 38a Absatz 1 Erteilungsvoraus-
der Aufenthaltserlaubnis nach § 38a erfor-
setzungen enthalten sind, wird der persönliche
derlich.
Anwendungsbereich durch den Ausschluss-
tatbestand in § 38a Absatz 2 begrenzt. Die 38a.0.5.5 Familienangehörige von langfristig aufenthalts-
Regelung zur Ausübung einer Erwerbstätig- berechtigten Drittstaatsangehörigen i. S. d.
keit, Ausbildung und eines Studiums in § 38a § 38a haben einen abgeleiteten Anspruch auf
Absatz 3 und 4 verdeutlicht, dass es sich um Familiennachzug unter den Voraussetzungen
einen Sondertatbestand handelt, der anderen der § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buch-
Erteilungstatbeständen (z. B. §§ 16, 17) vor- stabe f) und § 32 Absatz 2a. Für den Nachzug
geht. des Ehegatten sind einfache Deutschkenntnisse
Seite 1076 GMBl 2009 Nr. 42– 61

keine Voraussetzung (§ 30 Absatz 1 Satz 2


Nummer 3). Sprache Länder- Nationaler Aufenthalts-
abkürzung titel zur Umsetzung des
38a.0.5.6 Nach § 77 Absatz 1 Satz 3 ist einem Verwal-
Daueraufenthalt-EG
tungsakt, mit dem eine Aufenthaltserlaubnis,
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Er- portugiesisch PT „residente CE de longa du-
laubnis zum Daueraufenthalt-EG versagt wird, ração“
eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen (vgl.
Nummer 77.1.4.2). rumänisch RO „rezident pe termen lung –
CE“
38a.1 Erteilungsvoraussetzungen schwedisch SE „varaktigt bosatt inom EG“
38a.1.1.1 § 38a findet nur Anwendung auf Drittstaatsan- slowakisch SK „osoba s dlhodobm poby-
gehörige, denen in einem anderen Mitgliedstaat tom – ES“
die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthalts-
berechtigten verliehen wurde. In Umsetzung slowenisch SI „rezident za daljši as – ES“
von Artikel 8 Absatz 3 Daueraufenthalt-Richt-
linie müssen die nationalen Aufenthaltstitel spanisch ES „Residente de larga dura-
grundsätzlich die Bezeichnung „Daueraufent- ción – CE“
halt-EG“ in ihren jeweiligen Amtssprachen tschechisch CZ „povolení k pobytu pro
enthalten. Damit wird gewährleistet, dass die dlouhodob pobvajícího re-
Behörden des zweiten Mitgliedstaates die be- zidenta – ES“
sondere Rechtsstellung des Ausländers erken-
nen können; zum anderweitigen Nachweis der ungarisch HU „huzamos tartózkodási en-
Rechtsstellung als langfristig Aufenthalts- gedéllyel rendelkez – EK“
berechtigter siehe Nummer 2.7.4. Es wird auf
die nachfolgend abgebildete Sprachenliste ver- * Der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ i. S. d. Dauer-
wiesen, in der die Bezeichnungen der Euro- aufenthalt-Richtlinie kann nicht erworben werden, weil die
päischen Rechtsstellung „Daueraufenthalt-EG“ Richtlinie keine Anwendung findet.
in den Amtssprachen der Europäischen Union
38a.1.1.2 Auf andere unbefristete Aufenthaltstitel an-
aufgeführt sind.
derer EU-Mitgliedstaaten findet § 38a keine
Anwendung.
Sprache Länder- Nationaler Aufenthalts-
abkürzung titel zur Umsetzung des 38a.1.1.3 Im Vereinigten Königreich, Irland und Däne-
Daueraufenthalt-EG mark findet die Daueraufenthalt-Richtlinie
keine Anwendung. Drittstaatsangehörige mit
bulgarisch BG „D%LGOSRO^NO PREBIWAWA] langfristigen britischen, irischen oder dänischen
W EO“ Aufenthaltstiteln können keine Aufenthalt-
dänisch DK* „Fastboende udlænding – sansprüche nach der Daueraufenthalt-Richt-
EF“ linie in Deutschland und den übrigen EU-Mit-
gliedstaaten geltend machen, da die vorgenann-
deutsch DE, AT, BE „Daueraufenthalt – EG“ ten drei Staaten den zugrunde liegenden
Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ nicht
englisch UK*, IE* „long-term resident – EC“ ausstellen.
estnisch EE „pikaajaline elanik – EL“ 38a.1.2 Eine Aufenthaltserlaubnis wird darüber hinaus
finnisch FI „pitkään oleskelleen kol- nur dann erteilt, wenn der in einem anderen
mannen maan kansalaisen Mitgliedstaat Daueraufenthaltsberechtigte sich
EY-oleskelulupa“ länger als drei Monate im Bundesgebiet auf-
halten will. Für Kurzaufenthalte unter drei
französisch FR, BE, LU „résident de longue durée – Monaten kommt ein Schengen-Visum nach § 6
CE“ Absatz 1 Nummer 2 in Betracht, sofern nicht
Artikel 21 SDÜ Anwendung findet.
griechisch EL, CY “p makrn diamnn – “
38a.1.3 Daneben gelten die allgemeinen Erteilungs-
italienisch IT „soggiornante di lungo pe-
voraussetzungen. Daueraufenthaltsberechtigte
riodo – CE“
müssen nach § 38a i. V. m. §§ 3 und 5 bei An-
lettisch LV „pastvgais iedzvotjs – EK“ tragstellung insbesondere folgende Nachweise
zum Aufenthaltsanspruch vorlegen, um der zu-
litauisch LT „ilgalaikis gyventojas – EB“ ständigen Ausländerbehörde die Prüfung und
Entscheidung zu ermöglichen:
maltesisch MT „residenti gat-tul – KE“
38a.1.3.1 – Nachweis des Aufenthaltstitels „Dauerauf-
nieder- NL, BE „EG-langdurig ingezetene“
enthalt-EG“ des ersten EU-Mitgliedstaats,
ländisch
38a.1.3.2 – gültiges und von deutschen Behörden aner-
polnisch PL „rezydent dugoterminowy
kanntes Reisedokument (Pass oder Passer-
– WE“
satz),
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1077

38a.1.3.3 – Nachweis über die Sicherung des Lebens- bildung ist in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b)
unterhalts, der ohne Inanspruchnahme Daueraufenthalt-Richtlinie geregelt. Eine Ar-
deutscher Sozialhilfeleistungen für den beitsmarktprüfung ist nach Artikel 14 Absatz 3,
eigenen Lebensunterhalt und den der Fami- Unterabsatz 1 Daueraufenthalt-Richtlinie je-
lienangehörigen ausreicht (§ 5 Absatz 1 doch nur für Fälle des Artikels 14 Absatz 2
Nummer 1 i. V. m. § 2 Absatz 3, § 9c findet Buchstabe a) (Erwerbstätigkeit) vorgesehen,
keine Anwendung), nicht aber für Fälle des Artikels 14 Absatz 2
Buchstabe b) der Daueraufenthalt-Richtlinie.
38a.1.3.4 – Nachweis einer Krankenversicherung, die in
Deutschland sämtliche Risiken abdeckt
(siehe auch Nummer 2.3.5), 38a.4 Höchstdauer einer Nebenbestimmung nach
§ 38a Absatz 4
38a.1.3.5 – ggf. Nachweise zur konkret geplanten Be-
schäftigung bzw. zur Finanzierung der selb- 38a.4.0 § 38a Absatz 4 ergänzt die in Absatz 3 ent-
ständigen Tätigkeit und behördlicher Er- haltenen Regelungen zum Zugang zur Er-
laubnisse bei erwerbsbezogenen Auf- werbstätigkeit. Die Regelung betrifft die Ne-
enthalten gemäß §§ 18 bis 21, benbestimmung zur Erwerbstätigkeit, die von
der Ausländerbehörde im Aufenthaltstitel ein-
38a.1.3.6 – ggf. Nachweise zur Studieneinschreibung getragen wird. Dabei wird mit Absatz 4 Arti-
etc. bei geplanten ausbildungsbezogenen kel 21 Absatz 2, Unterabsatz 2 Daueraufent-
Aufenthalten gemäß §§ 16, 17. halt-Richtlinie umgesetzt.
38a.1.4 Die Beschränkung nach § 8 Absatz 2 ist aus-
38a.4.1 § 38a Absatz 4 Satz 1 begrenzt die in § 39 Ab-
geschlossen.
satz 4 vorgesehene Möglichkeit auf zwölf Mo-
nate, die Aufenthaltserlaubnis mit einer be-
38a.2 Ausschlussgründe
schränkenden Nebenbestimmung in Bezug auf
In Umsetzung von Artikel 14 Absatz 5 der die Dauer, die berufliche Tätigkeit, auf be-
Daueraufenthalt-Richtlinie enthält § 38a Ab- stimmte Betriebe oder Bezirke zu verbinden.
satz 2 den Ausschluss bestimmter Gruppen von
38a.4.2 Nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist muss kein
Ausländern aus dem Anwendungsbereich die-
neuer Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern in
ser Regelung. Ausgeschlossen sind Ausländer,
der betreffenden Nebenbestimmung zur Auf-
die
enthaltserlaubnis von vornherein festgelegt
38a.2.1 – von einem Dienstleistungserbringer im wurde, dass die Beschränkung nur zwölf Mo-
Rahmen einer grenzüberschreitenden nate lang Anwendung findet.
Dienstleistungserbringung entsandt werden,
38a.2.2 – sonst grenzüberschreitende Dienstleistun-
gen erbringen wollen oder 39 Zu § 39 – Zustimmung zur Ausländerbe-
schäftigung
38a.2.3 – sich zur Ausübung einer Beschäftigung als
Saisonarbeitnehmer im Bundesgebiet auf- 39.0 Allgemeines
halten oder im Bundesgebiet eine Tätigkeit
als Grenzarbeitnehmer aufnehmen wollen. Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für
die Erteilung von Zustimmungen für die Be-
38a.3 Zusätzliche Voraussetzungen für besondere schäftigung ausländischer Arbeitnehmer durch
Aufenthaltszwecke die Bundesagentur für Arbeit mit den in § 18
Absatz 1 festgelegten Zielen, die Zulassung
38a.3.1 Die Aufenthaltserlaubnis nach § 38a berechtigt ausländischer Arbeitnehmer unter Berück-
nur nach den Voraussetzungen der §§ 18 Ab- sichtigung der am Arbeitsmarkt bestehenden
satz 2, 19, 20 und 21 zur Aufnahme einer Er- Bedarfe und einer wirksamen Bekämpfung der
werbstätigkeit. Für die Erteilung eines Aufent- Arbeitslosigkeit gerecht zu steuern.
haltstitels zur Beschäftigung ist eine Zustim-
mung der Bundesagentur für Arbeit nach § 39 39.1 Zustimmungsbedürftigkeit des Aufenthalts-
Absatz 2 erforderlich. titels
38a.3.2 Die Aufenthaltserlaubnis nach § 38a berechtigt
39.1.0 § 39 Absatz 1 bestätigt den Grundsatz, dass
unter entsprechender Anwendung der §§ 16
einem Ausländer ein Aufenthaltstitel für eine
und 17 zur Aufnahme eines Studiums oder
Beschäftigung im Bundesgebiet nur mit Zu-
einer Ausbildung. Dabei richten sich die auf-
stimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt
enthaltsrechtlichen Voraussetzungen nach
werden kann. Satz 2 bestimmt, dass die Zu-
§ 38a, die studien- und ausbildungsspezifischen
stimmung zur Ausübung einer Beschäftigung
Voraussetzungen nach §§ 16 und 17.
nur nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmun-
38a.3.3 Eine Zustimmung der Bundesagentur für Ar- gen, auf Grund zwischenstaatlicher Vereinba-
beit ist für Aufenthalte zum Zwecke der be- rungen oder nach Maßgabe einer Rechtsver-
trieblichen Ausbildung nach § 17 gemäß § 38a ordnung durch die Bundesagentur für Arbeit
Absatz 3 Satz 3 auf Grund der Beschränkungen erteilt werden kann. Maßgebliche Rechtsver-
der Daueraufenthalt-Richtlinie nicht erfor- ordnung in diesem Sinn ist die BeschV
derlich: Die Absolvierung einer Berufsaus- (Nummer 42.1).
Seite 1078 GMBl 2009 Nr. 42– 61

39.1.1 Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit 39.2 Zustimmungsvoraussetzungen


wird durch die Ausländerbehörde eingeholt. Für
die Zustimmung zur Beschäftigung ist i. d. R. die 39.2.0 Absatz 2 benennt die von der Bundesagentur
örtliche Agentur für Arbeit zuständig, in deren für Arbeit zu prüfenden Voraussetzungen, un-
Bereich die Beschäftigung ausgeübt werden soll. ter denen die Zustimmung zur Erlaubnis einer
Für verschiedene Beschäftigungen hat die Bun- Beschäftigung für einen Aufenthaltstitel nach
desagentur für Arbeit bestimmte Dienststellen § 18 erteilt werden kann.
zentral mit der Aufgabe der Erteilung der Zu- 39.2.1.1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) sieht
stimmung beauftragt. Diese besonderen Zu- vor, dass die Auswirkungen der Beschäftigung
ständigkeiten ergeben sich aus den Durch- von Ausländern auf den Arbeitsmarkt, insbe-
führungsanweisungen der Bundesagentur für sondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruk-
Arbeit, sie betreffen Künstler, Artisten und deren tur, Regionen sowie Wirtschaftszweige durch
Hilfspersonal (§ 23 Nummer 1 BeschV), aus- die Bundesagentur für Arbeit im Verfahren der
ländische Zirkusartisten (§ 23 Nummer 2 Zustimmungserteilung zu prüfen sind.
BeschV), Personen im internationalen Personal-
austausch (§ 31 BeschV), Gastarbeitnehmer (§ 40 39.2.1.2 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b) be-
BeschV), Fertighausaufsteller (§ 35 BeschV) und stimmt, dass die bundesweite Vermittlung
Werkvertragsarbeitnehmer (§ 39 BeschV). deutscher und ihnen beim Arbeitsmarktzugang
rechtlich gleichgestellter ausländischer Arbeit-
39.1.2 In Deutschland ansässige Großunternehmen suchender (z. B. Unionsbürger aus den „alten“
verfügen meist über zentrale Personalab- EU-Mitgliedstaaten) auch weiterhin Vorrang
teilungen am Hauptsitz des Unternehmens. Für vor der Zulassung drittstaatsangehöriger aus-
ausländische Beschäftigte dieser Unternehmen ländischer Arbeitskräfte zur Beschäftigung hat.
bestehen teilweise gesonderte Absprachen über Die Staatsangehörigen der neuen EU-Mit-
die örtliche Zuständigkeit der Agentur für Ar- gliedstaaten, die nach dem Beitritt zwar Uni-
beit. In diesen Fällen sind meist die Agenturen onsbürger geworden sind, aber denen auf
für Arbeit am Hauptsitz zuständig, auch wenn Grund des EU-Beitrittsvertrags noch keine
das Personal in Unternehmensteilen in anderen vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit einge-
Orten beschäftigt wird. Soweit vom Unter- räumt ist, haben ebenfalls Vorrang vor der Zu-
nehmen auf eine solche gesonderte Zuständig- lassung von Drittstaatsangehörigen (siehe auch
keit hingewiesen wird, bleiben diese abge- Nummer 39.6).
sprochenen Zuständigkeiten der Agenturen für
Arbeit bestehen. 39.2.2 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 räumt der Bundes-
agentur für Arbeit die Möglichkeit ein, die Ar-
39.1.3 Wird die Zustimmung zur Beschäftigung im beitsmarktprüfung für einzelne Berufsgruppen
Rahmen einer Zustimmungsanfrage einer Aus- und Wirtschaftszweige vorwegzunehmen und
landsvertretung erforderlich, so sind die die allgemein festzustellen, dass die Besetzung offe-
Beschäftigung betreffenden Unterlagen an die ner Stellen in diesen Berufsgruppen mit aus-
örtlich zuständige Agentur für Arbeit weiter- ländischen Bewerbern arbeitsmarkt- und in-
zuleiten. Diese teilt nach Abschluss ihrer Prü- tegrationspolitisch verantwortbar ist. Auch
fung das Ergebnis mit. Die sich aus der wenn die Bundesagentur für Arbeit solche ge-
Zustimmung ergebenden Beschränkungen der nerelle Regelungen treffen sollte, bleibt eine
Beschäftigung sind der Auslandsvertretung zu- Zustimmung im Einzelfall erforderlich, da die
sammen mit der Zustimmung zur Visumertei- Agentur für Arbeit noch zu prüfen hat, ob der
lung mitzuteilen. Wird die Zustimmung zur Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeits-
Beschäftigung nicht erteilt, so sind die Versa- bedingungen als vergleichbare deutsche Arbeit-
gungsgründe der Auslandsvertretung als Be- nehmer beschäftigt wird (Absatz 2 Satz 1a. E.).
gründung zur Verweigerung der Zustimmung
zur Visumerteilung zu übermitteln. 39.3 Anwendbarkeit des Zustimmungsverfahrens
39.1.4 Beantragt ein Ausländer, der sich im Inland auf andere Aufenthaltszwecke
aufhält und dem nicht bereits kraft Gesetzes die Das Zustimmungsverfahren nach Absatz 2 gilt
Erwerbstätigkeit erlaubt ist, die Erlaubnis einer nach Absatz 3 auch, wenn ein Ausländer zu
Beschäftigung, so leitet die Ausländerbehörde anderen Zwecken nach Deutschland einreist
die antragsbegründenden Unterlagen mit bun- oder sich zu anderen Zwecken in Deutschland
deseinheitlichem Formblatt an die für den Ar- aufhält und eine Beschäftigung nicht bereits
beitsplatz örtlich zuständige Agentur für Arbeit kraft Gesetzes erlaubt ist (vgl. Nummer 4.2.3.2
weiter. Erteilt die Agentur für Arbeit die Zu- und 4.3.2). Neben den Aufenthaltszwecken der
stimmung zur Beschäftigung, sind die mit der Abschnitte 5, 6 oder 7 betrifft dies auch zu-
Zustimmung versehenen Beschränkungen in stimmungspflichtige Beschäftigungen im Rah-
die Aufenthaltserlaubnis zu übernehmen. So- men der §§ 16 oder 17.
weit bei der Ausländerbehörde die technischen
Voraussetzungen für die Nutzung des online- 39.4 Beschränkung der Zustimmung
basierten Zustimmungsverfahrens durch Nut-
zung des AZR/VISA-online-Portals vorhanden Absatz 4 regelt, mit welchen Beschränkungen
sind, soll die Zustimmungsanfrage online an die die Zustimmung erteilt werden kann (siehe
Bundesagentur für Arbeit übermittelt werden. dazu Nummer 4.2.4).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1079

39.5 Zustimmungsbedürftigkeit der Nieder- § 11 BeschVerfV fällt nicht unter den Rege-
lassungserlaubnis nach § 19 lungsbereich des § 40.
Nach Absatz 5 kann die Bundesagentur für 40.2 Versagt die Arbeitsverwaltung bei Ausländern,
Arbeit der Erteilung einer Niederlassungser- die einen Aufenthaltstitel nach den Abschnitten
laubnis nach § 19 unter bestimmten Voraus- 5, 6 oder 7 haben, die erforderliche Zustimmung,
setzungen zustimmen. Der Verordnungsgeber ist in der Aufenthaltserlaubnis die Auflage
hat von der Ermächtigung nach § 42 Absatz 1 „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“
Nummer 1 Gebrauch gemacht und durch § 3
BeschV die Beschäftigung nach § 19 Absatz 2 zu verfügen.
zustimmungsfrei gestellt. Zur Erteilung einer 40.3 Zur Versagung der Zustimmung siehe im Übri-
Niederlassungserlaubnis nach § 19 siehe Num- gen Nummer 18.2.9.1 ff.
mer 19.1.1.

39.6 Sonderregeln über Staatsangehörige der neu 41 Zu § 41 – Widerruf


beigetretenen EU-Staaten
41.1 Die Vorschrift ermächtigt die Arbeitsverwal-
Nach Absatz 6 kann neu einreisenden Staats- tung, eine erteilte Zustimmung zur Beschäf-
angehörigen der neuen EU-Mitgliedstaaten, für tigung gegenüber der zuständigen Ausländer-
die die Arbeitnehmerfreizügigkeit noch nicht behörde zu widerrufen. Die Zuständigkeit für
uneingeschränkt gilt, jede Beschäftigung im den Widerruf einer Zustimmung liegt wie bei
Bundesgebiet, die eine qualifizierte Berufsaus- deren Erteilung ausschließlich bei der Bundes-
bildung voraussetzt, erlaubt werden. Dies er- agentur für Arbeit. Grundsätzlich ist die Dienst-
folgt durch Erteilung der Arbeitserlaubnis-EU stelle der Bundesagentur für Arbeit für den Wi-
durch die Agenturen für Arbeit (vgl. § 284 SGB derruf zuständig, die die Zustimmung erteilt hat.
III). Hinsichtlich der Beschäftigungen, die Der Widerruf der Zustimmung ist kein eigen-
keine qualifizierte Berufsausbildung voraus- ständiger Verwaltungsakt, sondern ein verwal-
setzen, sind für die Staatsangehörigen der zum tungsinterner Mitwirkungsakt gegenüber der für
1. Mai 2004 und zum 1. Januar 2007 bei- die Entscheidung über den Aufenthaltstitel zu-
getretenen Staaten – soweit sie den Übergangs- ständigen Ausländerbehörde.
regelungen unterliegen – ArGV und ASAV
weiter anzuwenden, soweit die auf der Grund- 41.2 Die Bundesagentur für Arbeit ist verpflichtet,
lage von § 42 erlassenen Verordnungen keine den Widerruf der Zustimmung der Ausländer-
günstigeren Regelungen vorsehen. Für die Er- behörde mitzuteilen. In der Aufenthaltserlaub-
teilung der Arbeitsberechtigung-EU gilt § 12a nis ist die Auflage
ArGV. Ob ggf. die Voraussetzungen für eine „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“
arbeitsgenehmigungsfreie Beschäftigung vor-
zu verfügen.
liegen, ist ebenfalls von den Agenturen für Ar-
beit zu prüfen. Die Bescheinigung über das 41.3 Zum Widerruf der Zustimmung siehe im Übri-
Aufenthaltsrecht nach § 5 FreizügG/EU wird gen Nummer 18.2.9.1 ff.
für Arbeitnehmer erst nach Erteilung der Ar-
41.4 Wird eine Zustimmung zur Beschäftigung wi-
beitsgenehmigung-EU bzw. Vorlage der Be-
derrufen, die Grundlage für die Erteilung eines
stätigung, dass es sich um eine arbeits-
Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis nach
genehmigungsfreie Tätigkeit handelt, ausge-
§ 18 ist, ist § 52 Absatz 2 Satz 1 zu beachten, in
stellt (siehe auch Nummer 13.2 ff. FreizügG/
den übrigen Fällen § 52 Absatz 2 Satz 2.
EU – VwV). Satz 2 regelt den Vorrang der
Neuunionsbürger von zum Zweck der Be-
schäftigung einreisenden drittstaatsangehörigen
42 Zu § 42 – Verordnungsermächtigung und
Ausländern, der von der Bundesagentur für
Weisungsrecht
Arbeit bei der Prüfung zur Erteilung der Zu-
stimmung zur Beschäftigung neu einreisender 42.0 Allgemeines
drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer zu be-
rücksichtigen ist. Die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift er-
mächtigen das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales zum Erlass von Verordnungen zur
40 Zu § 40 – Versagungsgründe Beschäftigung von Ausländern, die zum Zweck
der Beschäftigung einreisen. Absatz 3 enthält
40.1 Die Vorschrift regelt, in welchen Fällen die ein Weisungsrecht des Bundesministeriums für
Zustimmung zur Beschäftigung nach § 39 zu Arbeit und Soziales gegenüber der Bundes-
versagen ist (Absatz 1) oder versagt werden agentur für Arbeit bei der Durchführung
kann (Absatz 2). Die Zuständigkeit für die der Regelungen des Ausländerbeschäftigungs-
Versagung der Zustimmung zur Beschäftigung rechts.
liegt ausschließlich bei der Bundesagentur für
Arbeit. Die Versagungsgründe werden im
42.1 Verordnungsermächtigung nach Absatz 1
Rahmen der Erteilung der Zustimmung nach
§ 39 Absatz 2 geprüft. Die Versagung der Er- Auf Grund der Ermächtigung in Absatz 1
laubnis zur Beschäftigung im Rahmen von wurde die BeschV mit Zustimmung des Bun-
Seite 1080 GMBl 2009 Nr. 42– 61

desrates erlassen. Die Verordnung regelt, für haltserlaubnis oder Aufenthaltsgestattung vor
welche Tätigkeiten Ausländer einen Aufent- Erteilung der Duldung werden angerechnet.
haltstitel zur Beschäftigung nach § 18 erhalten Erfüllt der geduldete Ausländer nicht die War-
können. Näheres zu einzelnen Regelungen der tezeit oder liegt ein Versagungskriterium nach
Verordnung, insbesondere auch zu besonderen § 11 BeschVerfV vor, wird der Antrag des Aus-
Zuständigkeiten (Nummer 39.1.1) wird in den länders, die Beschäftigung zu erlauben, ohne
Durchführungsanweisungen der Bundesagen- Beteiligung der Agentur für Arbeit abgelehnt.
tur für Arbeit erläutert. Das Zustimmungsverfahren entspricht dem
Verfahren nach § 39 Absatz 3.
42.2 Verordnungsermächtigung nach Absatz 2
42.2.1.1.2 Nach § 10 Absatz 2 BeschVerfV wird Ge-
42.2.0 Auf der Ermächtigungsgrundlage von § 42 Ab- duldeten in bestimmten Fallgestaltungen die
satz 2 wurde die BeschVerfV erlassen. Sie regelt, Zustimmung zur Beschäftigung ohne Arbeits-
welche Beschäftigungen von den Ausländern, marktprüfung nach § 39 Absatz 2 erteilt. Dies
die sich zu einem anderen Zweck als der Be- gilt für Geduldete, die eine betriebliche Be-
schäftigung (§§ 17, 18, 19) in Deutschland auf- rufsausbildung in einem staatlich anerkannten
halten und die nicht schon kraft Gesetzes un- oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf
eingeschränkt zur Erwerbstätigkeit berechtigt aufnehmen wollen. Für sie gilt aber ebenfalls
sind, abweichend von dem Grundprinzip die einjährige Wartezeit aus § 10 Absatz 1 Be-
des Zustimmungserfordernisses (§ 4 Absatz 2 schVerfV. Hält sich der geduldete Ausländer
Satz 3 i. V. m. § 39 Absatz 2 und 3) ohne Zu- bereits vier Jahre im Bundesgebiet auf, wird
stimmung der Bundesagentur für Arbeit aufge- die Zustimmung von der Bundesagentur für
nommen werden können. Die Verordnung re- Arbeit für eine Beschäftigung als Arbeit-
gelt außerdem für alle sich im Bundesgebiet er- nehmer ebenfalls ohne Prüfung nach § 39 Ab-
laubt aufhaltenden Ausländer, einschließlich satz 2 erteilt. Diese Zustimmung für Ge-
der Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen zum duldete, die sich bereits seit vier Jahren un-
Zweck der Beschäftigung, in welchen Fällen die unterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten
Zustimmung zur Beschäftigung unter Verzicht haben, wird wie die Zustimmung nach § 9
auf die Arbeitsmarktprüfung nach § 39 Ab- BeschVerfV ohne Beschränkungen nach § 13
satz 2 erteilt werden kann. In den Fällen der BeschVerfV erteilt.
zustimmungspflichtigen Beschäftigungen sehen
die Regelungen keine Differenzierung nach 42.2.1.2.1 § 11 BeschVerfV sieht die Versagung der Er-
Berufen oder Qualifikationen vor. Damit ste- laubnis zur Beschäftigung an Geduldete vor,
hen den im Inland erlaubt lebenden Ausländern wenn diese sich in das Inland begeben haben,
grundsätzlich alle Beschäftigungen im Rahmen um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen
des Zustimmungsverfahrens nach § 39 Absatz 2 oder wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen
vorbehaltlich des Vorrangs von bevorrechtigten zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende
Arbeitsuchenden offen. Näheres zu einzelnen Maßnahmen nicht vollzogen werden können.
Regelungen der Verordnung wird in der Zur näheren Bestimmung des Verschuldens
Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit wurden die Kriterien des § 25 Absatz 5 Satz 4
erläutert. übernommen. Die Versagungsgründe von § 25
Absatz 5 Satz 3, 4 unterscheiden sich jedoch in
42.2.1 Von besonderer Bedeutung für die ausländer- Folgendem von denen nach § 11 BeschVerfV:
behördliche Praxis sind die Bestimmungen der Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
§§ 10 und 11 BeschVerfV, die die Zulassung von § 25 Absatz 5 kommt nicht in Betracht, wenn
geduldeten Ausländern (§ 60a) zur Ausübung dem Ausländer eine freiwillige Ausreise mög-
einer Beschäftigung bzw. deren Versagung re- lich ist. Nach § 25 Absatz 5 Satz 3, 4 darf eine
geln. Aufenthaltserlaubnis auch dann nicht erteilt
42.2.1.1 § 10 BeschVerfV regelt die Erteilung der Er- werden, wenn aus vom Ausländer zu ver-
laubnis zur Beschäftigung an Geduldete. Die tretenden Gründen eine Ausreise nicht möglich
Regelung ist insbesondere vor dem Hinter- ist. Dies gilt sowohl für die zwangsweise
grund von § 11 BeschVerfV nicht nur für die Rückführung als auch für die freiwillige Aus-
Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang reise. Im Gegensatz dazu erfordert der Versa-
mit der Erteilung der Zustimmung, sondern gungsgrund nach § 11 BeschVerfV, dass bei dem
auch für die Ausländerbehörden von Bedeu- Ausländer aufenthaltsbeendende Maßnahmen
tung, da diese vor einer Zustimmungsanfrage zu aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht
prüfen haben, ob Versagungsgründe nach § 11 vollzogen werden können. Das bedeutet, dass
BeschVerfV vorliegen (siehe dazu auch Num- Ausländern, denen zwar die Aufenthaltser-
mer 42.2.1.2.1 bis 42.2.1.2.3). laubnis nach § 25 Absatz 5 wegen eines Versa-
gungsgrundes nach § 25 Absatz 5 Satz 3, 4 nicht
42.2.1.1.1 § 10 Absatz 1 BeschVerfV schreibt eine Warte- erteilt werden kann und die deshalb weiterhin
zeit von einem Jahr vor erstmaliger Erteilung im Besitz einer Duldung sein werden, dennoch
der Zustimmung an einen Geduldeten vor. Der die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt
mindestens einjährige Aufenthalt im Bundes- werden kann, wenn nicht auch gleichzeitig die
gebiet muss ununterbrochen vorliegen. Zeiten Unmöglichkeit der zwangsweisen Aufenthalts-
des erlaubten Aufenthalts mit einer Aufent- beendigung von ihnen verschuldet wird.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1081

42.2.1.2.2 Der Wortlaut des § 11 Satz 1, 2. Alternative schen Sprache gelegt, da deutsche Sprach-
BeschVerfV macht deutlich, dass dieser Versa- kenntnisse Voraussetzung für eine erfolgreiche
gungsgrund nur dann zu bejahen ist, wenn ein Integration sind. Darüber hinaus werden Kurse
Verhalten des Ausländers für die fehlende zur Einführung in die Rechtsordnung, die Kul-
Möglichkeit der Aufenthaltsbeendigung kausal tur und die Geschichte in Deutschland ange-
ist. In § 11 Satz 2 BeschVerfV wird beispielhaft boten. Sie sollen den Zuwanderern helfen, sich
hervorgehoben, in welchen – schwerwiegenden in der deutschen Gesellschaft zu orientieren
– Fallgestaltungen ein Vertretenmüssen „ins- und im alltäglichen Leben selbständig handeln
besondere“ gegeben ist. Das schließt nicht aus, zu können.
dass auch in anderen Fällen, in denen die Ver-
haltensweisen möglicherweise von geringerem 43.1 Förderung der Integration
Unwertgehalt sind, ein Vertretenmüssen ange-
nommen werden kann. Neben den in § 11 43.1.1 § 43 Absatz 1 bestimmt, dass die Integration
Satz 2 BeschVerfV genannten Fällen kann u. a. von rechtmäßig auf Dauer in Deutschland le-
auch davon ausgegangen werden, dass bei benden Ausländern staatliche Aufgabe ist. In-
einem Antragsteller aus von ihm zu vertre- tegration wird nicht nur gefördert, sondern
tenden Gründen aufenthaltsbeendende Maß- auch gefordert. Dies dient umgekehrt der Klar-
nahmen nicht vollzogen werden können, wenn stellung, dass Integration nicht nur gefördert
er seinen Mitwirkungspflichten bei der Be- wird, sondern dass von Ausländern Integra-
schaffung von Reisepapieren nur unzureichend tionsbemühungen auch gefordert werden. Der
nachkommt oder wegen der Angabe einer fal- Umfang der Förderung richtet sich nach den
schen Anschrift aufenthaltsbeendende Maß- folgenden Bestimmungen und der auf der
nahmen nicht vollzogen werden können. Grundlage des § 43 Absatz 4 erlassenen IntV.
Die Integration ist auf die Eingliederung in das
42.2.1.2.3 In den Fällen, in denen eine fehlende Mit- wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche
wirkung bei der Passbeschaffung zwar nicht Leben in Deutschland gerichtet.
ursächlich für die Unmöglichkeit der Aufent-
haltsbeendigung ist, weil auch andere Gründe, 43.1.2 Gefördert wird nach § 43 Absatz 1 die Integra-
wie z. B. eine fehlende Flugverbindung oder tion von rechtmäßig auf Dauer in Deutschland
eine vorübergehende Erkrankung eine zwangs- lebenden Ausländern. Ausländer, die sich nicht
weise Aufenthaltsbeendigung ausschließen rechtmäßig oder nicht dauerhaft in Deutsch-
können, kann eine solche Unterlassung im land aufhalten, erhalten keine Förderung nach
Rahmen der Ermessensausübung von § 10 den §§ 43 bis 45. Zur Frage der Dauer des Auf-
Satz 1 BeschVerfV berücksichtigt werden. Bei enthaltes siehe Nummer 44.1.1.
Wegfall des vom Ausländer nicht zu ver-
tretenden Abschiebungshindernisses erfüllt der 43.2 Grundangebot zur Integration
fehlende Passbesitz aufgrund fehlender Mit-
wirkung einen Versagungsgrund nach § 11 43.2.1 Nach § 43 Absatz 2 wird das Angebot der
BeschVerfV. gezielten Förderung durch ein staatliches
Grundangebot zur Integration realisiert, den
Integrationskurs. Die Integrationskurse sollen
42.3 Weisungsrecht des Bundesministeriums für
als staatliches Grundangebot ein Minimum an
Arbeit und Soziales
erforderlicher Integration gewährleisten. Die
Nicht belegt. staatliche Förderung soll die Integrations-
bemühungen der Ausländer unterstützen, nicht
aber ersetzen. Ohne eigenständige Integra-
43 Zu § 43 – Integrationskurs tionsbemühungen ist eine erfolgreiche Integra-
tion nicht zu erwarten.
43.0 Allgemeines
43.2.2 Neben der bisherigen Verpflichtung zur ord-
Der Integrationskurs ist ein staatliches Grund- nungsgemäßen Teilnahme ist das Ziel der er-
angebot zur Integration. Er richtet sich an neu folgreichen Vermittlung der Sprache, Rechts-
nach Deutschland kommende Zuwanderer mit ordnung und Kultur und Geschichte in
dauerhafter Aufenthaltsperspektive sowie im Deutschland durch das Richtlinienumset-
Wege der nachholenden Integration an Aus- zungsgesetz neu aufgenommen worden. Noch
länder, die schon länger rechtmäßig in immer erreichen zu wenige Teilnehmer der In-
Deutschland leben. Darüber hinaus können in- tegrationskurse das vorgesehene Sprachniveau
tegrationsbedürftige Unionsbürger und deut- B 1 des Gemeinsamen europäischen Referenz-
sche Staatsangehörige zur Teilnahme an einem rahmens für Sprachen (Empfehlungen des Mi-
Integrationskurs zugelassen werden. Der An- nisterkomitees des Europarates an die Mit-
spruch von Spätaussiedlern und der in deren gliedsaaten Nummer R (98) 6 vom 17. März
Aufnahmebescheid einbezogenen Familienan- 1998 zum Gemeinsamen europäischen Refe-
gehörigen auf Teilnahme an einem Integra- renzrahmen für Sprachen – GER). Die Prü-
tionskurs sowie die Inhalte entsprechender In- fungsteilnahme wird deshalb als generelles Ziel
tegrationskurse sind in § 9 Absatz 1 BVFG für die Kursteilnahme vorgesehen. Über das
geregelt. Der Schwerpunkt der Integrations- Prüfergebnis wird eine entsprechende Be-
bemühungen wird auf den Erwerb der deut- scheinigung ausgestellt (siehe Nummer 43.3.2).
Seite 1082 GMBl 2009 Nr. 42– 61

In der Evaluation der Kurse konnte festgestellt Integrationskurs nicht erfolgreich, wird das
werden, dass eine gezielte Prüfungsvorberei- tatsächlich erreichte Ergebnis des Abschluss-
tung unabhängig von der Vorqualifikation der tests durch eine Bescheinigung bestätigt.
Ausländer zu höheren Erfolgsquoten im Ver-
43.3.3 Der Integrationskurs wird als einheitliches
gleich zu denjenigen Sprachkursen führt, bei
Grundangebot des Bundes durch das Bundes-
denen keine Prüfungsvorbereitung erfolgt. Mit
amt für Migration und Flüchtlinge durch-
der gesetzlichen Zielbestimmung der erfolgrei-
geführt, das sich dazu der jeweils geeigneten
chen Vermittlung wird das Ziel verfolgt, dass in
privaten oder öffentlichen Träger bedienen
der Kurspraxis durchgehend eine Prüfungsvor-
kann (siehe Nummer 43.4.1). Der Bund bringt
bereitung erfolgen wird, damit die Erfolgs-
durch Organisation und Finanzierung des In-
quoten beim Erreichen des Kursziels erhöht
tegrationskurses den hohen politischen und ge-
werden können.
sellschaftlichen Stellenwert zum Ausdruck, den
43.2.3 In Satz 3 wird das gesetzgeberische Ziel der er der Integration beimisst.
erfolgreichen Vermittlung veranschaulicht: Der 43.3.4 § 43 Absatz 3 Satz 3 stellt den Grundsatz der
Integrationskurs fördert vor allem den zur angemessenen Kostenbeteiligung für die Teil-
Kommunikation und zur täglichen Verständi- nahme am Integrationskurs klar (Soll-Re-
gung unverzichtbaren Erwerb deutscher gelung) und bildet die Rechtsgrundlage für die
Sprachkenntnisse sowie den Erwerb von Kostenerhebung (vgl. dazu § 9 Absatz 1 IntV),
Grundkenntnissen der Rechts- und Wirt- wobei nach § 43 Absatz 3 Satz 4 auch auf die
schaftsordnung, der Kultur, der Geschichte und Leistungsfähigkeit von unterhaltsverpflichteten
der Lebensverhältnisse in Deutschland. We- Personen abgestellt wird (siehe Nummer
sentlich ist auch die Vermittlung von Rechten 43.4.9.1).
und Pflichten, die den Umgang mit Behörden
und anderen Verwaltungseinrichtungen er-
43.4 Rechtsverordnungsermächtigung; Hinweise
leichtern und jedem Ausländer die eigen-
zur IntV
ständige Orientierung in allen Lebensbereichen
ermöglichen sollen. 43.4.0 Die Bundesregierung hat aufgrund der Er-
mächtigung aus § 43 Absatz 4 die Verordnung
43.3 Inhalte der Integrationskurse, Rahmen- über die Durchführung von Integrationskursen
bedingungen für Ausländer und Spätaussiedler (Integra-
tionskursverordnung – IntV) vom 13. De-
43.3.1 Nach § 43 Absatz 3 Satz 1 setzt sich der In- zember 2004 (BGBl. I S. 3370) erlassen, die mit
tegrationskurs zusammen aus einem Basis- und der Änderungsverordnung vom 5. Dezember
einem Aufbausprachkurs sowie einem Orien- 2007 (BGBl. I S. 2787) an die neuen gesetz-
tierungskurs, der die wesentlichen Kenntnisse lichen Bestimmungen in Folge des Richt-
über die Lebensverhältnisse in Deutschland, der linienumsetzungsgesetzes angepasst wurde.
Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte
Deutschlands, insbesondere auch der Werte des 43.4.1 Zu § 1 – IntV – Durchführung der Integra-
demokratischen Staatswesens der Bundes- tionskurse
republik Deutschland und der Prinzipien der Mit § 1 IntV wird klargestellt, dass der Bund die
Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Tole- Durchführung der Kurse grundsätzlich nicht
ranz und Religionsfreiheit vermitteln soll. Die selbst vornimmt. In tatsächlicher Hinsicht
abschließende Aufzählung der Kurselemente werden Integrationskurse von qualifizierten
lässt für eine Erweiterung des Kursangebotes Kursträgern durchgeführt (vgl. § 43 Absatz 3
selbst keinen Spielraum. Satz 2). Das Bundesamt für Migration und
Das gesetzliche Sprachkursziel ist die Erlan- Flüchtlinge nimmt seine Koordinierungs- und
gung ausreichender deutscher Sprachkenntnisse Steuerungsfunktion insbesondere auf regionaler
(§ 43 Absatz 3 Satz 1, § 9 Absatz 2 Satz 1 und örtlicher Ebene wahr.
Nummer 7 i. V. m. Satz 2). Über ausreichende 43.4.2 Zu § 2 – IntV – Anwendungsbereich der Ver-
Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, wer ordnung
sich im täglichen Leben in seiner Umgebung
selbständig sprachlich zurechtfinden und ent- § 2 IntV bestimmt, dass die Verordnung auch
sprechend seinem Alter und Bildungsstand ein für Unionsbürger und ihre Familienange-
Gespräch führen und sich schriftlich ausdrük- hörigen gilt, die nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Frei-
ken kann (Niveau B 1 des GER), vgl. § 3 Ab- zügG/EU i. V. m. § 44 Absatz 4 zum Integra-
satz 2 IntV (siehe Nummer 43.4.3.2). tionskurs zugelassen werden können. Hier-
durch wird sichergestellt, dass die aus dem
43.3.2 Nach § 17 Absatz 4 IntV bescheinigt das Bun- Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes
desamt für Migration und Flüchtlinge die er- herausfallenden Unionsbürger, deren Einreise-
folgreiche Teilnahme am Integrationskurs mit und Aufenthaltsrecht in der spezialgesetzlichen
dem „Zertifikat Integrationskurs“. Eine er- Regelung des FreizügG/EU niedergelegt sind,
folgreiche Teilnahme ist nach § 17 Absatz 2 auf Antrag an Integrationskursen nach § 44
IntV bei Bestehen des Sprachtests für das Absatz 4 teilnehmen können. Einen Anspruch
Sprachniveau B 1 sowie des Tests zum Orien- auf Teilnahme haben Unionsbürger und ihre
tierungskurs gegeben. War die Teilnahme am Familienangehörigen dabei ebenso wenig wie
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1083

bereits im Bundesgebiet vor dem 1. Januar 2005 trägt § 4 Absatz 4 IntV dem Wegfall des Kri-
aufhältige Ausländer (vgl. § 44 Absatz 4 i. V. m. teriums der zumutbaren Erreichbarkeit von
§ 5 IntV). Kursplätzen Rechnung. An die Stelle der Zu-
mutbarkeit tritt die Erstattung der notwendigen
43.4.3 Zu § 3 – IntV – Ziel des Integrationskurses Fahrtkosten bzw. die Gewährung eines Fahrt-
43.4.3.1 Ziele des Integrationskurses sind die er- kostenzuschusses für Teilnahmeverpflichtete.
folgreiche Vermittlung ausreichender Kennt- Sie sollen Teilnahmeverpflichteten die tatsäch-
nisse der deutschen Sprache sowie die Vermitt- liche Teilnahme am Integrationskurs ermög-
lung von Grundkenntnissen der Rechts- und lichen. Das Nähere wird in einer Verwaltungs-
Wirtschaftsordnung, der Kultur, der Geschichte vorschrift des Bundesamtes geregelt, die auch
und der Lebensverhältnisse in Deutschland. die Umsetzung der Regelung in § 9 Absatz 1
Der Integrationskurs soll dem Teilnehmer zum Satz 5 BVFG zur Fahrtkostenerstattung der
selbständigen Handeln in allen Angelegen- Spätaussiedler einbeziehen wird.
heiten des täglichen Lebens verhelfen.
43.4.5 Zu § 5 – IntV – Zulassung zum Integrationskurs
43.4.3.2 § 3 Absatz 2 IntV definiert unter Bezugnahme
43.4.5.1 § 5 Absatz 1 IntV regelt das Verfahren zur
auf das Sprachniveau B 1 GER den Begriff der
Umsetzung der Teilnahmeberechtigung nach
ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse.
§ 44 Absatz 4.
Das Niveau B 1 GER setzt folgende sprachliche
Fähigkeiten bei allen Sprachkompetenzen 43.4.5.2 Der Ausländer braucht für die Zulassung zur
(Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben) vor- Kursteilnahme nicht persönlich beim Bundes-
aus: Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn amt vorstellig zu werden. Die Zulassung zur
klare Standardsprache verwendet wird und Kursteilnahme erfolgt auf schriftlichen Antrag
wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, und kann schriftlich durch das Bundesamt er-
Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situa- ledigt werden. Der Antrag soll zur Vereinfa-
tionen bewältigen, denen man auf Reisen im chung auch über einen Kursträger erfolgen
Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und können. Durch die Befristung der Zulassung in
zusammenhängend über vertraute Themen und § 5 Absatz 2 Satz 1 IntV soll die Anmeldung des
persönliche Interessengebiete äußern. Kann Zugelassenen innerhalb von zwei Jahren si-
über Erfahrungen und Ereignisse berichten, chergestellt werden.
Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben
und zu Plänen und Ansichten kurze Be- 43.4.5.3 Bei der Verteilung verfügbarer Kursplätze im
gründungen oder Erklärungen geben. Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 44
Absatz 4 ist insbesondere die individuelle In-
43.4.4 Zu § 4 – IntV – Teilnahmeberechtigung tegrationsbedürftigkeit sowie die Angewiesen-
43.4.4.1 § 4 Absatz 1 IntV enthält die Definition der heit auf finanzielle Unterstützung zu berück-
Teilnahmeberechtigung und umschreibt den sichtigen. Die in § 5 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1
Umfang des mit der Teilnahmeberechtigung bis 4 IntV genannten Fallgruppen sind hierbei
verbundenen Rechts auf einmalige Teilnahme vorrangig zu berücksichtigen. § 5 Absatz 3
am Integrationskurs. Zum Erlöschen bzw. Satz 2 Nummer 4 IntV konkretisiert den Be-
Nichtbestehen des Teilnahmeanspruchs siehe griff der besonderen Integrationsbedürftigkeit
Nummer 44.2 und Nummer 44.3. deutscher Staatsangehöriger gemäß § 44 Ab-
satz 4.
43.4.4.2 Mit § 4 Absatz 2 IntV wird definiert, wann
i. d. R. von einem erkennbar geringen Integra- 43.4.5.4 Absatz 4 dient der Umsetzung der neuen Ziel-
tionsbedarf i. S. v. § 44 Absatz 3 Satz 1 Num- bestimmung der erfolgreichen Vermittlung der
mer 2 auszugehen ist (vgl. Nummer Sprache, Rechtsordnung, Kultur und Ge-
30.1.4.2.3.1). schichte in Deutschland in § 43 Absatz 2. Wer
ordnungsgemäß am Integrationskurs teilge-
43.4.4.3 § 4 Absatz 3 IntV beschreibt einen nicht ab- nommen hat, aber das Kursziel im Sprachtest –
schließenden Regelfall der besonderen Integra- Nachweis von Sprachkenntnissen des Niveaus
tionsbedürftigkeit i. S. v. § 44a Absatz 1 Satz 1 B 1 GER – nicht erreicht, kann unter In-
Nummer 3. Maßstab für die besondere In- anspruchnahme der staatlichen Förderung ein-
tegrationsbedürftigkeit sind soziale Pro- malig zur Wiederholung des Aufbausprach-
blemlagen im unmittelbaren Lebens- und Ar- kurses (300 Unterrichtsstunden) und der
beitsumfeld aufgrund von Integrations- Abschlussprüfung durch das Bundesamt zuge-
defiziten, die auf fehlende Sprachkenntnisse lassen werden (vgl. Nummer 43. 4. 17.3).
zurückzuführen sind.
43.4.6 Zu § 6 – IntV – Bestätigung der Teilnah-
43.4.4.4 Teilnahmeverpflichteten Beziehern von Leis- meberechtigung
tungen nach dem SGB II sowie Teilnah-
meberechtigten, die von der Kostenbeitrags- 43.4.6.1 § 6 Absatz 1 IntV sieht die Aushändigung einer
pflicht nach § 9 Absatz 2 IntV befreit wurden, Bestätigung über die Teilnahmeberechtigung
erstattet das Bundesamt gemäß § 4 Absatz 4 nach § 44 an den Ausländer durch die Aus-
IntV die notwendigen Fahrtkosten. Anderen länderbehörde bzw. den Träger der Grund-
Teilnahmeverpflichteten kann das Bundesamt sicherung für Arbeitsuchende mit den erfor-
einen Fahrtkostenzuschuss gewähren. Damit derlichen Angaben vor.
Seite 1084 GMBl 2009 Nr. 42– 61

43.4.6.2.1 Nach § 6 Absatz 2 IntV soll Personen, die ge- 43.4.7 Zu § 7 – IntV – Anmeldung zum Integrations-
mäß § 8 Absatz 1 BVFG als (voraussichtliche) kurs
Spätaussiedler oder deren Ehegatten oder Ab-
43.4.7.1 Mit § 7 Absatz 1 IntV wird darauf verwiesen,
kömmlinge registriert werden, zusammen mit
dass die Anmeldung zum Integrationskurs
dem Registrierschein vom Bundesverwaltungs-
durch den Teilnahmeberechtigten bei einem
amt die Bestätigung der Teilnahmeberechtigung
zugelassenen Kursträger seiner Wahl selbst er-
am Integrationskurs ausgehändigt werden. Eine
folgt. Weiterhin regelt er die in dem An-
endgültige, für die Leistungsbehörden bindende
meldeformular aufzunehmenden Informatio-
Feststellung der Anspruchsberechtigung erfolgt
nen. Diese Daten sollen einerseits der Identifi-
jedoch erst mit der Entscheidung über die Aus-
zierung der Teilnehmer (Name, Vorname,
stellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1
Geburtsdatum, Geburtsort) dienen und da-
oder 2 BVFG. Bei negativer Entscheidung
rüber hinaus eine sinnvolle Zusammensetzung
durch das Bundesverwaltungsamt wird die
der Kurse sowie insbesondere die Einrichtung
Teilnahmeberechtigung aufgehoben. Auch Per-
von Kursen für spezielle Zielgruppen (insbe-
sonen, die vor dem 1. Januar 2005 registriert
sondere Jugendintegrations-, Eltern-/Frauen-,
worden sind, erhalten auf formlosen Antrag
Alphabetisierungs- und Förderkurs) gewähr-
vom Bundesverwaltungsamt eine Bestätigung
leisten. Die Identifizierung der Teilnehmer ist
der Teilnahmeberechtigung. In diesen Fällen
sowohl für die spätere Abrechnung der Kurse
sind gemäß § 100b Absatz 2 BVFG noch die
zwischen Bundesamt und Kursträger als auch
Länder für die Durchführung des Bescheini-
zur Vermeidung von Missbrauch notwendig
gungsverfahrens zuständig. Das Bundesverwal-
(durch mehrfache Inanspruchnahme von Kur-
tungsamt erlangt in diesen Fällen von einem
sen durch denselben Kursteilnehmer). Auf-
eventuellen negativen Ausgang des Beschei-
grund der Angaben zu Nationalität und Bil-
nigungsverfahrens keine Kenntnis. Deshalb
dungsstand ist es möglich, die Kurse einerseits
zeigt es grundsätzlich der für die Durchführung
homogen in Bezug auf die erwartete Lern-
des Bescheinigungsverfahrens zuständigen
geübtheit, andererseits aber mit Teilnehmern
Landesbehörde an, dass die Teilnahmeberech-
verschiedener Nationalitäten zusammenzu-
tigung bestätigt wurde, um ggf. eine Aufhebung
setzen, um für die einzelnen Teilnehmer einen
der Teilnahmeberechtigung zu ermöglichen.
hohen Lernerfolg zu erreichen. Die Angaben
Eine Anzeige ist nicht erforderlich, wenn das
zur Schreibkundigkeit und zum Geschlecht er-
Bundesverwaltungsamt durch Vorlage einer
möglichen eine Kursbildung für spezifische
Bescheinigung Kenntnis von einem positiven
Zielgruppen.
Ausgang des Bescheinigungsverfahrens erlangt
hat. 43.4.7.2 § 7 Absatz 2 IntV regelt im Fall der Teilnahme-
pflicht an einem Integrationskurs die Auferle-
43.4.6.2.2 Für Familienangehörige von Spätaussiedlern,
gung einer entsprechenden Mitwirkungspflicht
die nicht in den Aufnahmebescheid einbezogen
des Ausländers. Die Anmeldung zum Kurs hat
wurden und damit nicht teilnahmeberechtigt
unverzüglich zu erfolgen. Zum Zwecke der
i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 IntV sind,
Kurskontrolle kann die verpflichtende Stelle
richtet sich die Bestätigung der Teilnah-
den Ausländer auffordern, den Nachweis der
meberechtigung nach § 6 Absatz 1 IntV. Eine
Anmeldung zu erbringen.
Bestätigung durch das Bundesverwaltungsamt
erfolgt auch dann nicht, wenn die Betreffenden 43.4.7.3 Um nach Ausstellung einer Berechtigung oder
in das Verteilerverfahren einbezogen wurden. Verpflichtung eine schnelle Aufnahme des In-
tegrationskurses zu gewährleisten, werden die
43.4.6.3 Mit einheitlichen Vordrucken für die Bestäti-
Kursträger gehalten, die Kurse zeitnah nach der
gung soll ein bundeseinheitliches Verfahren bei
Anmeldung zu beginnen.
der Ausstellung von Teilnahmebestätigungen
gewährleistet werden. 43.4.8 Zu § 8 – IntV – Datenübermittlung
43.4.6.4 Für den Teilnehmer sind das Integrationskurs- 43.4.8.0 Nach der Anmeldung des Teilnahmeberechtig-
angebot und dessen integrationspolitische Ziele ten bei einem Kursträger übermittelt dieser die
transparent zu machen und durch ein Merkblatt Anmeldedaten an das Bundesamt (§ 8 Ab-
zu erläutern. Dieses Merkblatt ist auch in den satz 2). Dort werden die Daten zentral ge-
Hauptherkunftssprachen der Zuwanderer zu speichert. Zum Zwecke der Kurskontrolle kann
erstellen. Neben dem Anmeldeverfahren und die verpflichtende Stelle zum einen den Aus-
den Kursinhalten (einschließlich Abschlusstest) länder auffordern, den Nachweis der Anmel-
sind auch die rechtlichen Aspekte (u. a. Aus- dung zu erbringen (siehe § 7 Absatz 2 IntV)
wirkungen auf die Erteilung einer Nieder- oder zum anderen die Daten beim Bundesamt
lassungserlaubnis und auf die Einbürgerung) erfragen (siehe § 8 Absatz 3 Satz 2 IntV). Aus-
sowie die sich aus der Teilnahme ergebenden länderbehörden und Träger der Grund-
Pflichten, insbesondere die Mitwirkungs- sicherung für Arbeitsuchende haben die Mög-
pflichten in § 7 Absatz 2 IntV (Nachweis der lichkeit, über das Bundesamt den Kursverlauf
Kursanmeldung) und in § 14 Absatz 5 Satz 3 verpflichteter Ausländer zu erfragen (siehe § 8
IntV (Nachweis der ordnungsgemäßen Teil- Absatz 3 Satz 2 IntV). Für teilnahmever-
nahme am Integrationskurs) in einer für den pflichtete Ausländer teilt der Kursträger der
Zuwanderer verständlichen Form darzustellen. zuständigen Ausländerbehörde oder dem zu-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1085

ständigen Träger der Grundsicherung für Ar- IntV, wonach der zur Teilnahme verpflichtete
beitsuchende Verletzungen der Teilnahme- Ausländer jederzeit von der zuständigen Stelle
pflicht mit (siehe § 8 Absatz 3 Satz 1 IntV). Die aufgefordert werden kann, die bis dahin ord-
Ausländerbehörden und die Träger der Grund- nungsgemäße Teilnahme nachzuweisen. Die in
sicherung für Arbeitsuchende können auch vor Absatz 3 Satz 2 geregelte Übermittlung der
Abschluss des Integrationskurses den zur Teil- Daten zur Kursteilnahme des zur Teilnahme
nahme verpflichteten Ausländer auffordern, die verpflichteten Ausländers durch das Bundesamt
ordnungsgemäße Teilnahme nachzuweisen. an die zuständige Ausländerbehörde bzw. den
Der Kursträger hat dem Ausländer auf Ver- zuständigen Träger der Grundsicherung für
langen eine Bescheinigung über die ordnungs- Arbeitsuchende soll nur dann erfolgen, wenn
gemäße Teilnahme auszustellen (siehe § 14 Ab- der Kursträger seiner Verpflichtung zur Daten-
satz 5 IntV). übermittlung nach Absatz 3 Satz 1 nicht nach-
kommt.
43.4.8.1 § 8 Absatz 1 IntV regelt die Zusammenarbeit
und die Datenübermittlung zwischen den Aus- 43.4.8.4 Die teilnehmerbezogenen Daten dürfen nur zur
länderbehörden, den Trägern der Grund- bedarfsgerechten Durchführung und Koor-
sicherung für Arbeitsuchende, dem Bundes- dination des Kursangebotes, zur Umsetzung
verwaltungsamt und dem Bundesamt. Zur Ver- und Kontrolle der Teilnahmeverpflichtung und
meidung von Verwaltungsaufwand laufen die zur Auswertung des Kursangebotes gespeichert
Meldewege zentral über das Bundesamt. Aus- und verwendet werden.
länderbehörde, Träger der Grundsicherung für
Durch § 8 Absatz 4 IntV wird sichergestellt,
Arbeitsuchende und Bundesverwaltungsamt
dass die Erhebung personenbezogener Daten
übermitteln dem Bundesamt die Daten der von
allein der Durchführung und Abrechnung der
ihnen nach § 6 Absatz 1 oder 2 IntV aus-
Kurse dient. Die Speicherung des Namens und
gestellten Bestätigungen (Verpflichtung oder
Geburtsdatums für einen Zeitraum von bis zu
Berechtigung zur Kursteilnahme). Das Bun-
zehn Jahren ist dabei zur Vermeidung von
desamt fasst diese Informationen gebündelt zu-
Missbrauch erforderlich. Diese Daten sollen
sammen. Um Doppelverpflichtungen oder das
auch nach Kursabschluss die Identifizierung
Nebeneinander von Berechtigung und Ver-
der Teilnehmer ermöglichen, um zu verhindern,
pflichtung zu vermeiden, haben die Ausländer-
dass Integrationskurse mehrmals auf Staats-
behörde oder der Träger der Grundsicherung
kosten von demselben Teilnehmer besucht
für Arbeitsuchende die Möglichkeit des Daten-
werden.
abgleichs über das koordinierende Bundesamt.
43.4.8.5 Die Datenübermittlung insbesondere zwischen
43.4.8.2 § 8 Absatz 2 IntV beinhaltet die Übermittlung dem Bundesamt und der Ausländerbehörde
der Anmeldedaten an das Bundesamt. Hier- bzw. den Trägern der Grundsicherung für Ar-
durch soll die Wahrnehmung der Koordi- beitsuchende soll möglichst auf elektronischer
nierungs- und Durchführungsfunktion durch Basis erfolgen.
das Bundesamt gewährleistet werden. Absatz 2
Satz 2 sieht die Übermittlung von Daten des 43.4.9 Zu § 9 – IntV – Kostenbeitrag
Kursträgers an das Bundesamt zu Zwecken der
43.4.9.0 § 9 IntV regelt die Eigenbeteiligung des Teil-
Abrechnung und Teilnahmeförderung vor. Es
nehmers an den Kurskosten. Es ist sowohl im
handelt sich um Daten, die für die Steuerung
Hinblick auf das mit der Zuwanderung ver-
und Koordinierung des bundesweiten Kursan-
folgte Eigeninteresse verhältnismäßig als auch
gebotes für das Bundesamt erforderlich sind.
zur Motivation zur tatsächlichen Teilnahme am
Das Bundesamt ist aufgrund der Übermittlung
Integrationskurs sinnvoll, den Teilnehmer an
der Testergebnisse des Einstufungstests in der
den Kurskosten in angemessenem Umfang zu
Lage, den Bedarf an Integrationskursen für
beteiligen.
spezielle Zielgruppen festzustellen und kann
ggf. den Besuch eines spezifischen Integra- 43.4.9.1 § 9 Absatz 1 IntV legt die Höhe des Kosten-
tionskurses beim Teilnehmer direkt anregen beitrages auf 1,00 Euro pro Unterrichtsstunde
und auf diese Weise das Zustandekommen sol- fest. Nicht nur der Teilnehmer selbst ist ver-
cher Kurse für Interessierte ermöglichen, ohne pflichtet, den Kostenbeitrag zu erbringen, son-
durch eine verbindliche Zuweisung in die Ent- dern bei dessen Mittellosigkeit auch der zum
scheidungsfreiheit der Teilnehmer einzugreifen. Lebensunterhalt Verpflichtete. Dies ist insbe-
sondere beim Familiennachzug von Belang. In
43.4.8.3 Im Hinblick auf die Sanktionsregelungen ist der
Höhe des Kostenbeitrags wird die Zahlungs-
Kursträger nach Absatz 3 Satz 1 verpflichtet,
pflicht des Bundesamtes gegenüber dem Kurs-
der zuständigen Ausländerbehörde bzw. dem
träger im Rahmen des Abrechnungsverfahrens
zuständigen Träger der Grundsicherung für
vermindert.
Arbeitsuchende Verletzungen der Teilnahme-
pflicht mitzuteilen (verletzt ein Kursträger 43.4.9.2 Mit der Möglichkeit der vollständigen Befrei-
wiederholt diese Mitwirkungspflicht, kann das ung von der Zuzahlung nach § 9 Absatz 2 IntV
Bundesamt die Zulassung als Kursträger wi- wird dem Auftrag des Gesetzgebers Rechnung
derrufen, § 20 Absatz 5 Satz 7 IntV). In engem getragen, die Kosten unter Berücksichtigung
Zusammenhang mit der Regelung in Absatz 3 der Leistungsfähigkeit zu erheben (§ 43 Ab-
Satz 1 steht die Regelung in § 14 Absatz 5 Satz 3 satz 3 Satz 3). Das Bundesamt kann in be-
Seite 1086 GMBl 2009 Nr. 42– 61

sonderen Fällen auf Antrag einen Ausländer 43.4.11 Zu § 11 – IntV – Grundstruktur des Sprach-
von seiner Kostenbeitragspflicht befreien, so- kurses
weit die Übernahme des vollen Kostenbeitrags
durch den Ausländer unter Berücksichtigung 43.4.11.1 Der Sprachkurs gliedert sich in einen Basis- und
seiner persönlichen Umstände und wirtschaft- in einen Aufbausprachkurs. Um eine an den
lichen Situation eine unzumutbare Härte er- Vorkenntnissen der Teilnehmer orientierte Ge-
geben würde. staltung der Kurse zu ermöglichen, ist ein dif-
ferenzierter und modularer Aufbau in jeweils
43.4.9.3 Mit der in § 9 Absatz 3 IntV geregelten Kos- drei Kursabschnitte vorgesehen. Dies stellt
tenbeitragsvorauszahlung wird das finanzielle gleichzeitig die Abrechnungsgröße für den
Risiko des Kursträgers verringert. Der Kurs- Kursträger gegenüber dem Bundesamt dar. Ist
träger erhält eine gewisse Planungssicherheit, eine Differenzierung der Teilnehmer nach Pro-
welcher angemeldete Teilnehmer auch tatsäch- gressionsstufen auf Grund geringer Teilne-
lich am Integrationskurs teilnehmen wird. Für merzahlen nicht möglich, soll der Kurs in einer
den Teilnehmer wird überdies eine zusätzliche Lerngruppe durchgeführt werden. In diesen
Motivation zur Kursteilnahme geschaffen. Fällen muss mit einer Binnendifferenzierung
gearbeitet werden. Der modulare Aufbau bleibt
43.4.9.4 § 9 Absatz 4 IntV sanktioniert den vom Kurs- davon unberührt.
teilnehmer zu vertretenden Kursabbruch des
Teilnehmers, indem ihm grundsätzlich die Er- Der modulare Aufbau folgt dem Grundsatz der
stattung des vollen Stundensatzes für den je- individuellen Förderung. In Abhängigkeit vom
weiligen Kursabschnitt auferlegt wird. Um erreichten Sprachstand und dem Lernfortschritt
den jeweiligen Kurs auch im Interesse der an- ist ein Wechsel und Überspringen einzelner
deren Teilnehmer zu Ende führen zu können, Module möglich. Hierzu ist im Einzelfall die
soll das durch den Kursabbruch verursachte Zustimmung des Kursträgers erforderlich, der
finanzielle Risiko des Kursträgers abgefangen seine Entscheidung am Stand der Deutsch-
werden. kenntnisse, der Bildungsvoraussetzung und
Lerngeschwindigkeit des Teilnehmers sowie an
43.4.9.5 Spätaussiedler können aufgrund ihres An- einer Prognose zum – schnelleren – Erreichen
spruchs nach § 9 Absatz 1 Satz 1 BVFG ein- des Kursziels ausrichtet. Auch ein Über-
malig kostenlos am Integrationskurs teilneh- springen des Basissprachkurses ist möglich. So
men. ist eine Teilnahme am Basissprachkurs nicht
mehr sinnvoll, wenn das durchschnittlich im
43.4.9.6 Absatz 6 trägt der gesetzlichen Zielbestimmung
Basissprachkurs zu erreichende Sprachstands-
der erfolgreichen Teilnahme Rechnung, indem
niveau bereits erreicht ist oder nicht mehr
finanzielle Anreize geschaffen werden, sich zü-
wesentlich gefördert werden kann. In Zwei-
gig bei einem Kursträger anzumelden und den
felsfällen bringt der Sprachtest am Ende des
Integrationskurs in angemessener Zeit erfolg-
Basissprachkurses auch ohne die vorherige
reich abzuschließen.
Teilnahme Sicherheit.
43.4.10 Zu § 10 – IntV – Grundstruktur des Integra-
43.4.11.2 Der Einstufungstest ist verpflichtend; er gibt
tionskurses
Aufschluss über bereits vorhandene deutsche
43.4.10.1 Nach der gesetzlichen Regelung in § 43 Ab- Sprachkenntnisse. Dadurch soll sichergestellt
satz 3 und in § 9 Absatz 1 und 5 BVFG ist der werden, dass die unterschiedlichen Voraus-
Integrationskurs in einen Sprach- und Orien- setzungen, die die Teilnehmenden mitbringen,
tierungskurs gegliedert. Die abschließende bei der Kurszusammensetzung angemessen be-
Aufzählung der Kurselemente lässt für eine Er- rücksichtigt werden sowie die Einordnung in
weiterung des Kursangebotes selbst keinen das richtige Modul des Integrationskurses ge-
Spielraum. währleistet wird.

43.4.10.2 § 10 Absatz 2 IntV verweist darauf, dass das 43.4.11.3 Um den aktiven Gebrauch der deutschen Spra-
Bundesamt die inhaltliche Ausgestaltung des che zu fördern und die Erprobung im alltägli-
Sprachkurses sowie des Orientierungskurses chen Leben zu ermöglichen, kann der Aufbau-
festlegt. Das Bundesamt legt hierfür ein ent- sprachkurs zum Zweck eines Praktikums un-
sprechendes Konzept mit dem Ziel vor, dass terbrochen werden. Ein Praktikum zusätzlich
damit ein möglichst hoher Anteil der Teil- zu den 600 Sprach-Unterrichtsstunden kann
nehmer das Kursziel Sprachniveau B 1 ent- jedoch nicht über die für die Durchführung des
sprechend dem GER erreicht. Das Konzept Integrationskurses zur Verfügung stehenden
verfolgt den Grundsatz der individuellen För- Mittel finanziert werden.
derung zur Erreichung des Kursziels. Danach 43.4.12 Zu § 12 – IntV – Grundstruktur des Orientie-
kann auch vorgesehen werden, dass der Kurs- rungskurses
träger mit dem einzelnen Teilnehmer einen
individuellen Lehrplan auf der Grundlage Der Orientierungskurs ergänzt das Sprach-
einer Sprachstandsprüfung entwickelt, in dem kursangebot und soll den Integrationsprozess
die einzelnen Lernabschnitte, Etappen und beschleunigen. Die Durchführung des Orien-
Maßnahmen vereinbart und schriftlich fest- tierungskurses erfolgt im Anschluss an den
gehalten werden. Sprachkurs und in deutscher Sprache (vgl. § 10
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1087

Absatz 1 IntV). Er bietet neben der reinen den zur Teilnahme verpflichteten Ausländer je-
Wissensvermittlung auch Anwendungs- und derzeit auffordern, die bis dahin ordnungsge-
Weiterentwicklungsmöglichkeiten der erreich- mäße Teilnahme am Integrationskurs nachzu-
ten Sprachkenntnisse und führt insoweit zu weisen. § 14 Absatz 5 IntV enthält eine Defini-
einem Synergieeffekt. Der Integrationskurs tion der ordnungsgemäßen Teilnahme, über die
sollte möglichst in einer Hand bleiben, da die der Kursträger auf Verlangen eine Bescheini-
Lehrkraft die Teilnehmer bereits kennt und die gung auszustellen hat. Zur ordnungsgemäßen
individuellen Lernfähigkeiten und Lernvoraus- Teilnahme gehört zusätzlich zum regelmäßigen
setzungen einschätzen kann. In Ausnahme- Kursbesuch auch die Teilnahme an den Ab-
fällen, und zwar dann, wenn sich die Fach- schlusstests.
kompetenz der Lehrkraft ausschließlich auf den
43.4.15 Zu § 15 – IntV – Lehrkräfte
Sprachkurs bezieht, kann der Kursträger im
Wege einer Trägergemeinschaft die Durch- In § 15 Absatz 1 und 2 IntV wird das Niveau
führung des Orientierungskurses einem an- der Mindestqualifikation für Lehrkräfte für den
deren zugelassenen Kursträger überlassen. Sprachkurs festgelegt. Nach Absatz 3 können
hiervon abweichend bis zum 31. Dezember
43.4.13 Zu § 13 – IntV – Integrationskurse für spezielle
2009 durch das Bundesamt auf Antrag des
Zielgruppen, Intensivkurs
Kursträgers im Einzelfall Lehrkräfte anerkannt
43.4.13.1 Mit der Einrichtung spezieller Integrations- und zugelassen werden.
kurse werden Erfahrungen der Praxis berück- 43.4.16 Zu § 16 – IntV – Zulassung der Lehr- und
sichtigt. Um dem erhöhten Förderbedarf dieser Lernmittel
speziellen Zielgruppen gerecht zu werden, um-
fassen diese Kurse ein Stundenkontingent von Zur bundeseinheitlichen Durchführung der In-
bis zu 900 Unterrichtstunden im Sprachkurs. tegrationskurse können vom Bundesamt die
Mit spezifischen Inhalten, insbesondere bei den Lehr- und Lernmittel entwickelt oder zuge-
Jugendintegrationskursen und den Förderkur- lassen werden. Die Lehr- und Lernmittel für die
sen für Teilnahmeberechtigte, deren Sprach- Kurse werden im Benehmen mit der Bewer-
gebrauch massiv von der Sprachnorm abweicht tungskommission (§ 21 IntV) zugelassen.
(so genannter fossilierter Sprachgebrauch), soll 43. 4. 17 Zu § 17 – IntV – Abschlusstest, Zertifikat In-
die Grundlage für einen möglichst hohen Ler- tegrationskurs
nerfolg gelegt werden. Die speziellen Zulas-
sungskriterien werden vom Bundesamt entwik- 43.4.17.1 Die erfolgreiche Teilnahme wird durch das Be-
kelt und veröffentlicht. Für Eltern- bzw. Frau- stehen des Abschlusstests nachgewiesen. Dieser
enintegrationskurse kann nach Bedarf und mit setzt sich zusammen aus dem skalierten
vorheriger Zustimmung des Bundesamtes eine Sprachtest „Deutsch-Test für Zuwanderer“ und
Kinderbetreuung organisiert werden. Die Auf- dem bundeseinheitlichen Test zum Orientie-
zählung der speziellen Kurstypen ist nicht ab- rungskurs. Der skalierte Sprachtest dient der
schließend. Feststellung der Sprachniveaus A 2 und B 1 des
GER. Ein bestandener Abschlusstest gilt als
43.4.13.2 Für Teilnehmende, die das Kursziel des Nachweis für ausreichende Deutschkenntnisse
Sprachkurses in weniger als 600 Unterrichts- und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell-
stunden erreichen können, sieht § 13 Absatz 2 schaftsordnung und der Lebensverhältnisse im
IntV vor, den Sprach- und Orientierungskurs Bundesgebiet, die für die Erteilung einer Nie-
als Intensivkurs in 430 Stunden zu absolvieren. derlassungserlaubnis erforderlich sind und die
43.4.14 Zu § 14 – IntV – Organisation der Integra- Frist für einen Anspruch auf Einbürgerung um
tionskurse, Ordnungsmäßigkeit der Teilnahme ein Jahr auf sieben Jahre verkürzen.
43.4.17.2 § 17 Absatz 2 IntV definiert den Begriff der er-
43.4.14.1 § 14 Absatz 1 bis 4 IntV legt die Rahmen-
folgreichen Teilnahme. Im Sprachtest ist hierfür
bedingungen der Durchführung der Integra-
der Nachweis von Kenntnissen, die dem Ni-
tionskurse fest. Im Hinblick auf den Lernerfolg
veau B 1 GER entsprechen, erforderlich.
wird in § 14 Absatz 2 IntV eine Höchstzahl von
20 Teilnehmern pro Kurs festgesetzt. Die 43.4.17.3 Das Bundesamt trägt die Kosten für die ein-
Höchstzahl von 20 Teilnehmern pro Kurs und malige Teilnahme am Abschlusstest. Auch die
eine bezüglich der Muttersprachen möglichst Kosten für die einmalige Wiederholung des
heterogene Kurszusammensetzung soll die Sprachtests gemäß § 5 Absatz 4 IntV trägt das
Durchführbarkeit des Kurses realisierbar halten Bundesamt. Die Kostenübernahme gilt für alle
und daneben den deutschen Sprachgebrauch Teilnahmeberechtigten, ungeachtet der Frage
innerhalb der Gruppe fördern. Das Bundesamt einer Verpflichtung oder Berechtigung. Dem
kann bei nur geringer Überschreitung der Teil- Kursteilnehmer bleibt es unbenommen, den
nehmerzahl Ausnahmen zulassen, um dadurch Abschlusstest jederzeit auf eigene Kosten zu
z. B. sehr lange Wartezeiten von einzelnen wiederholen.
Teilnehmern für einen Kursbeginn zu vermei-
den. 43.4.17.4 Die erfolgreiche Teilnahme am Sprachtest und
am Test zum Orientierungskurs wird durch
43.4.14.2 Die Ausländerbehörden und die Träger der das Bundesamt mit der Bescheinigung „Zer-
Grundsicherung für Arbeitsuchende können tifikat Integrationskurs“ bestätigt. Das Zer-
Seite 1088 GMBl 2009 Nr. 42– 61

tifikat dient auch dazu, die in § 9 Absatz 2 licher Voraussetzungen und insbesondere der
Satz 1 Nummer 7 und 8 für eine Nieder- Übereinstimmung von Antragsunterlagen und
lassungserlaubnis und in § 10 Absatz 3 StAG den Ergebnissen der örtlichen Prüfung kann die
für die Einbürgerung genannten Erteilungs- Zulassung sofort erteilt werden. Bei nicht er-
voraussetzungen nachzuweisen. Um diesen füllten Voraussetzungen kann die Zulassung
Nachweis vor Fälschungen zu sichern, enthält zur Nachbesserung einmalig für längstens drei
das Zertifikat die Angabe der Passnummer Monate ausgesetzt werden. Das Bundesamt hat
oder eines vergleichbaren Identitätsdokuments während des gesamten Zulassungsverfahrens
des Kursabsolventen. Wenn das für eine er- bis zur Entscheidung die Vertraulichkeit, die
folgreiche Teilnahme erforderliche Sprachni- Unabhängigkeit und die Objektivität zu wah-
veau nicht nachgewiesen wird, erhalten die ren. § 20 Absatz 2 IntV verweist darauf, dass als
Teilnehmenden vom Bundesamt eine Be- Nachweis für eine erfolgte Zulassung das Bun-
scheinigung über den erreichten Leistungs- desamt ein Zertifikat ausstellt.
stand und über bestandene Teilprüfungen.
43.4.20.3 Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung
43.4.18 Zu § 18 – IntV- Zulassung der Kursträger kann das Bundesamt von den Anforderungen
§ 18 IntV legt fest, dass die Zulassung der an den Zulassungsantrag absehen, wenn der
Kursträger im Wege eines öffentlich-rechtli- Kursträger eine gleichwertige Zertifizierung,
chen Zulassungsverfahrens erfolgt. Die Zulas- z. B. eine Zulassung nach Landesweiterbil-
sung für die Kursträger aller vom Bundesamt dungsgesetzen, nachweist, die nicht älter als
durchgeführten Integrationskurse nimmt das drei Jahre ist. Auch bei Wiederholungsanträgen
Bundesamt in alleiniger Zuständigkeit vor. kann das Bundesamt im Interesse eines verein-
fachten Verfahrens in eigenem Ermessen auf
43.4.19 Zu § 19 – IntV – Anforderungen an den Zulas- den Nachweis bestimmter Zulassungskriterien
sungsantrag verzichten.
Ausgehend von der Möglichkeit der Teilnah- 43.4.20.4 § 20 Absatz 4 IntV greift die Regelung der spe-
meberechtigten, den Kursträger frei zu wählen, ziellen Integrationskurse nach § 13 IntV auf und
sind Qualitätskriterien erforderlich, die eine bestimmt, dass die Zulassung für spezielle Kur-
bundesweit einheitliche Trägerlandschaft ge- se im Zertifikat gesondert zu vermerken ist. Das
währleisten. Zur Erfüllung des gesetzlichen gleiche gilt für die Zulassung zur Abnahme der
Auftrages kommt dem Zulassungsverfahren Prüfung.
daher eine entscheidende Bedeutung zu. Das
Verfahren soll Qualität, Wettbewerb und 43.4.20.5.1 Die Zertifizierung ist zeitlich begrenzt. Eine
Transparenz schaffen. Um hierbei auch bun- erneute Zulassung kann jederzeit auf der
deseinheitlich Anforderungskriterien an die Grundlage dieser Verordnung beantragt wer-
Maßnahmeträger zur Anwendung zu bringen, den. Die Zulassung kann zudem mit Auflagen
lehnen sich die Zulassungskriterien an die An- erteilt werden, die Aufzählung in § 20 Absatz 5
erkennungs- und Zulassungsverordnung Wei- Satz 2 IntV ist nicht abschließend. Die Mög-
terbildung (AZWV) an. lichkeit, die Zulassung mit Auflagen, insbe-
sondere zum Honorar der Lehrkräfte, zu er-
43.4.20 Zu § 20 – IntV – Prüfung und Entscheidung des teilen dient der Qualitätssicherung der Kurse.
Bundesamtes Zusammen mit der Ausgestaltung einer An-
43. 4. 20.1 Der Prüfung zugrunde liegen der Antrag und zeigepflicht des Kursträgers bei Veränderungen
die Antragsunterlagen des Kursträgers. Ab- in Bezug auf einzelne oder mehrere Qualifika-
satz 1 verweist darauf, dass die Zertifizierung tionsmerkmale, der Berechtigung des Bundes-
für die Kursträger aller vom Bundesamt durch- amtes zur Kontrolle der Kursträger und dem
geführten Kurse das Bundesamt in alleiniger Verfahren zur Qualitätsprüfung soll sicherge-
Zuständigkeit vornimmt. Verfügt der Kurs- stellt werden, dass die staatlich finanzierten In-
träger über verschiedene Standorte, an denen er tegrationsmaßnahmen durch geeignete Träger
Integrationskurse anbieten möchte, ist die ört- wahrgenommen werden.
liche Prüfung i. d. R. auf alle Standorte zu er-
43.4.20.5.2 § 20 Absatz 5 Satz 7 IntV sanktioniert die
strecken. Mit einer örtlichen Prüfung ist eine
Verletzung der in § 8 Absatz 3 und § 14 Ab-
Entscheidung nach Aktenlage ausgeschlossen.
satz 5 Satz 4 IntV genannten Mitwirkungs-
Die Zulassung darf erst erteilt werden, wenn die
pflichten der Kursträger bei Feststellung der
notwendigen Anforderungen und Kriterien er-
ordnungsgemäßen Teilnahme von teilnahme-
füllt bzw. Abweichungen von den Anforde-
verpflichteten Ausländern. Die Möglichkeit
rungen korrigiert und die Korrekturmaßnah-
der Teilnahmeverpflichtung ist ein Haupt-
men überprüft worden sind. Die Kriterien, nach
element der mit dem Zuwanderungsgesetz
denen die Kursträger begutachtet werden,
eingeführten Reformen. Für eine effektive
müssen den Anforderungen der IntV entspre-
Umsetzung bedarf es der Mitwirkung der
chen.
Kursträger. Vor dem Hintergrund der gesetz-
43.4.20.2 Das Bundesamt hat die Entscheidung über die geberischen Ziele ist daher ein angemessener
Zulassung auf solche Inhalte zu beschränken, Sanktionsmechanismus gegenüber Kurs-
die sich ausdrücklich auf den Geltungsbereich trägern, die ihre Mitwirkungspflichten wie-
der Zulassung beziehen. Bei Vorliegen sämt- derholt verletzen, erforderlich.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1089

43.4.21 Zu § 21 – IntV- Bewertungskommission tigkeitsdauer ist nur ausnahmsweise und auch


nur dann ausreichend, wenn hinreichend sicher
Durch die Einrichtung einer Kommission wird
ist, dass der Aufenthalt trotz dieses kurz-
eine fachliche Begleitung und Bewertung der
zeitigen ersten Erteilungszeitraums dennoch
Kursdurchführung ermöglicht. Mit der Ein-
auf Dauer angelegt ist. Soweit das Ende eines
beziehung von Vertretern der Länder und eines
Aufenthaltes von mehr als 18 Monaten bereits
Vertreters der kommunalen Spitzenverbände
abzusehen ist, würden Integrationsmaßnahmen
wird sichergestellt, dass das Bundesangebot in
ihren auf das künftige Zusammenleben im
Abstimmung mit anderen öffentlichen Ange-
Bundesgebiet gerichteten Zweck verfehlen, so
boten erfolgt. Es sind sowohl wissenschaftlich
dass in diesem Fall kein Anspruch besteht. Die
ausgewiesene Experten als auch Experten mit
enumerative Aufzählung der Aufenthaltstitel in
Praxisbezug zu benennen. Die Kommission soll
§ 44 Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2 ist für
neben den anderen Aufgaben insbesondere ein
die Feststellung eines Anspruchs auf Teilnahme
Verfahren zur Qualitätskontrolle der Kurs-
an einem Integrationskurs abschließend.
träger entwickeln und festlegen. Zur Trans-
parenz der Arbeit der Bewertungskommission 44.1.2.1 § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfasst Neu-
werden die Ergebnisse der Beratungen ver- zuwanderer, denen nach dem Aufenthaltsgesetz
öffentlicht. Die Mitglieder werden für drei überhaupt erstmals eine Aufenthaltserlaubnis
Jahre vom Bundesministerium des Innern be- erteilt wird. Dabei ist nicht die Bezeichnung des
rufen. Aufenthaltstitels als Aufenthaltserlaubnis aus-
43.4.22 Zu § 22 – IntV – Übergangsregelung schlaggebend, sondern der Umstand, dass der
anspruchsbegründende Daueraufenthalt erst
Die Übergangsregelung ist erforderlich, da der unter der Geltung des Aufenthaltsgesetzes zu-
skalierte Sprachtest „Deutsch-Test für Zuwan- stande kommt.
derer“ sowie der bundeseinheitliche Test zum
Orientierungskurs erst ab dem 1. Januar 2009 44.1.2.2 Anspruchsberechtigt sind ferner Ausländer, die
eingeführt wurden. Der bundeseinheitliche Test einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 2 be-
zum Orientierungskurs kommt in allen Orien- sitzen. Damit besteht nicht nur für Inhaber
tierungskursen zur Anwendung, die nach dem einer Niederlassungserlaubnis, sondern auch
1. Januar 2009 begonnen haben. Der skalierte für diejenigen nach § 23 Absatz 2 aufge-
Sprachtest „Deutsch-Test für Zuwanderer“ nommenen Ausländer ein einmaliger Teilnah-
kommt ab dem 1. Juli 2009 bundesweit in allen meanspruch an einem Integrationskurs, denen
Integrationskursen zur Anwendung. § 22 Ab- nach der Einreise eine Aufenthaltserlaubnis er-
satz 2 IntV stellt sicher, dass auch diejenigen, teilt wird. Dies trägt insbesondere der Neure-
die am Tag des Inkrafttretens der Neufassung gelung der jüdischen Zuwanderung aus der
der IntV (8. Dezember 2007) den Integrations- ehemaligen Sowjetunion aus dem Jahre 2007
kurs noch nicht erfolgreich abgeschlossen hat- Rechnung, wonach mitreisenden nicht selbst
ten, unter Inanspruchnahme der staatlichen antragsberechtigten Familienangehörigen jü-
Förderung zur Wiederholung des Aufbau- discher Zuwanderer eine Aufenthaltserlaubnis
sprachkurses und der Abschlussprüfung zuge- zu erteilen ist.
lassen werden können, auch dann, wenn sie
noch an keiner Prüfung teilgenommen hatten. 44.2 Erlöschen des Teilnahmeanspruchs
Die Nichtinanspruchnahme über einen Zeit-
43.5 Erfahrungsbericht raum von zwei Jahren rechtfertigt es, den Teil-
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bun- nahmeanspruch entfallen zu lassen und wie bei
destag zum 1. Juli 2007 einen Erfahrungsbericht anderen Antragstellern, die nicht über einen
zu Durchführung und Finanzierung der Inte- Anspruch verfügen, die Einräumung einer
grationskurse vorgelegt (Drucksache 16/6043). Teilnahmemöglichkeit von vorhandenen Kurs-
kapazitäten abhängig zu machen. Mit Er-
löschen des Teilnahmeanspruchs nach § 44 Ab-
44 Zu § 44 – Berechtigung zur Teilnahme an satz 2 entfällt auch die Möglichkeit zur Teil-
einem Integrationskurs nahmeverpflichtung nach § 44a Absatz 1 Satz 1
Nummer 1. Die Teilnahmepflicht nach § 44a
44.1 Teilnahmeanspruch Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 bleibt hiervon
44.1.0 Der Anspruch auf Teilnahme am Integrations- unberührt (siehe Nummer 44a.1.1).
kurs nach § 44 Absatz 1 ist an die Erteilung
eines Aufenthaltstitels für die genannten Auf- 44.3 Nicht anspruchsberechtigte Ausländer
enthaltszwecke gebunden und setzt einen dau-
44.3.1.1 Keinen Anspruch auf Teilnahme an einem In-
erhaften Aufenthalt im Bundesgebiet voraus.
tegrationskurs besitzen nach § 44 Absatz 3
44.1.1 Von Dauerhaftigkeit des rechtmäßigen Aufent- Satz 1 Nummer 1 Kinder, Jugendliche und jun-
halts kann regelmäßig ausgegangen werden, ge Erwachsene, die die schulische Ausbildung
wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis aufnehmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in
von mehr als einem Jahr oder seit über 18 Mo- der Bundesrepublik Deutschland fortsetzen.
naten eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Eine Bildungsmaßnahmen für schulpflichtige Kinder
Aufenthaltserlaubnis mit einer kürzeren Gül- und Jugendliche unterliegen der ausschließli-
Seite 1090 GMBl 2009 Nr. 42– 61

chen Kompetenz der Länder; eine Regel- 44a Zu § 44a – Verpflichtung zur Teilnahme an
förderung des Bundes für diesen Personenkreis einem Integrationskurs
ist daher unzulässig.
44a.1 Begründung der Teilnahmeverpflichtung
44.3.1.2 Nach § 44 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 haben
auch Ausländer mit erkennbar geringem In- 44a.1.1 Der Vermittlung von Kenntnissen der deut-
tegrationsbedarf (vgl. Nummer 30.1.4.2.3.1) schen Sprache kommt in der Integrations-
keinen Anspruch auf Teilnahme am Integra- förderung eine hohe Bedeutung zu. Dies recht-
tionskurs. Ein geringer Integrationsbedarf liegt fertigt in den Fällen, in denen die Möglichkeit
i. d. R. dann vor, wenn der Ausländer einen der sprachlichen Verständigung noch nicht in
Hochschul- oder Fachhochschulabschluss oder ausreichendem Maße besteht, die Begründung
eine andere entsprechende Qualifikation be- einer Verpflichtung zur Teilnahme am Integra-
sitzt. Von einem geringen Integrationsbedarf ist tionskurs. § 44a Absatz 1 Satz 1 zählt die un-
auch dann auszugehen, wenn die Annahme ge- terschiedlichen Verpflichtungsarten auf. Die
rechtfertigt ist, dass die Integration des Aus- Verpflichtungen nach Nummer 1 und Num-
länders in die Lebensverhältnisse der Bundes- mer 3 liegen in der Zuständigkeit der Aus-
republik Deutschland und die Sicherung des länderbehörde, die Verpflichtung nach Num-
Lebensunterhaltes ohne staatliche Hilfe ge- mer 2 hingegen in der Zuständigkeit des Trägers
währleistet ist (siehe Nummer 43.4.4.2). Nicht der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die
anspruchberechtigt sind auch Ausländer, deren Möglichkeit zur Verpflichtung nach Nummer 1
Aufenthalt regelmäßig deutsche Sprachkennt- besteht nur, solange gemäß § 44 Absatz 2 ein
nisse voraussetzt. Teilnahmeanspruch besteht; die Verpflich-
tungsmöglichkeiten nach Nummer 2 und
44.3.1.3 Ausländer, die bereits über ausreichende deut- Nummer 3 gelten hiervon unberührt (vgl.
sche Sprachkenntnisse verfügen, haben nach Nummer 44.2).
§ 44 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 ebenfalls kei-
44a.1.2 Dem Anspruch des Ausländers, dem erstmals
nen Anspruch auf Teilnahme an Integrations-
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, auf Teil-
kursen. Die Ausländerbehörde darf daher für
nahme am Integrationskurs entspricht die Teil-
Ausländer, die über ausreichende Sprach-
nahmeverpflichtung nach § 44a Absatz 1 Satz 1
kenntnisse verfügen, keine Teilnahmeberech-
Nummer 1, wenn die Mindestvoraussetzungen
tigungen nach § 6 Absatz 1 IntV bestätigen. Die
für eine erfolgreiche Integration nicht vor-
Feststellung des Sprachstandes obliegt der
liegen; in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
Ausländerbehörde.
Nummer 1 Buchstabe a) ist dies die mangelnde
44.3.2 Absatz 3 Satz 2 stellt klar, dass die Teilnahme Fähigkeit, sich mündlich und schriftlich auf
am Orientierungskurs im Falle des Satzes 1 einfache Art in deutscher Sprache verständigen
Nummer 3 unberührt bleibt. zu können (Niveau A 1 GER) bzw. in den Fäl-
len des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe
44.4 Nachholende Integration b) das Nichtvorliegen ausreichender münd-
licher und schriftlicher Kenntnisse der deut-
Nach § 44 Absatz 4 Satz 1 können im Rahmen schen Sprache (Niveau B 1 GER). Die Mög-
der verfügbaren Kursplätze auch andere Aus- lichkeit, Ausländer zur Teilnahme am Integra-
länder, die nicht oder nicht mehr teilnah- tionskurs zu verpflichten, hat sich in der
meberechtigt sind, zugelassen werden (vgl. § 5 Anwendungspraxis bewährt: So können z. B.
IntV). Ein Rechtsanspruch auf Teilnahme be- Frauen, die häuslich isoliert sind, über dieses
steht nicht. Grundsätzlich kommen alle Aus- Instrument erreicht und an die deutsche Ge-
länder für eine Zulassung zur Kursteilnahme in sellschaft herangeführt werden. Das im Her-
Betracht, sofern sie die Voraussetzungen eines kunftsland nachzuweisende Niveau „einfache
rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthaltes Sprachkenntnisse“ reicht aber nicht aus, um das
erfüllen und ihre eigenen Integrationsbemü- gesetzliche Ziel, selbständig – d. h. ohne die
hungen daher gefördert werden sollen. Dies gilt Unterstützung durch einen Dritten – im deut-
auch für freizügigkeitsberechtigte Unions- schen Alltag kommunizieren zu können (§ 43
bürger und ihre Familienangehörigen (§ 11 Absatz 2 Satz 3), zu erreichen. Für alle zum In-
Absatz 1 Satz 1 FreizügG/EU). Nach § 44 Ab- tegrationskurs verpflichteten Teilnehmer gilt
satz 4 Satz 2 findet die Regelung entsprechende daher ohne Ausnahme, dass ihnen im Integra-
Anwendung auf deutsche Staatsangehörige, tionskurs erfolgreich ausreichende Sprach-
wenn sie nicht über ausreichende deutsche kenntnisse vermittelt werden sollen. Insofern
Sprachkenntnisse (Niveau B 1 GER) verfügen sind auch diejenigen Ausländer, die einfache
und in besonderer Weise integrationsbedürftig Sprachkenntnisse im Herkunftsland nachge-
sind. Eine besondere Integrationsbedürftigkeit wiesen haben, aber noch nicht über aus-
ist anzunehmen, wenn es dem deutschen reichende Sprachkenntnisse verfügen, in den
Staatsangehörigen bisher nicht gelungen ist, Fällen eines Aufenthaltstitels nach §§ 23 Ab-
sich ohne staatliche Hilfe in das wirtschaftliche, satz 2, 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 30
kulturelle und gesellschaftliche Leben im Bun- zur Teilnahme am Integrationskurs zu ver-
desgebiet zu integrieren, § 5 Absatz 3 Num- pflichten, da sie noch nicht über die erfor-
mer 4 IntV. Über die Zulassung zum Integra- derlichen Mindestkenntnisse der deutschen
tionskurs entscheidet das Bundesamt (§ 5 IntV). Sprache verfügen.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1091

44a.1.2.1 Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deut- für Arbeitsuchende ausgesprochen. Dies ge-
scher Sprache verständigen zu können (§ 44a schieht grundsätzlich durch einen öffentlich-
Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a), entspricht der rechtlichen Vertrag in Form der Eingliede-
Definition des Sprachniveaus A 1 GER (siehe rungsvereinbarung nach § 15 SGB II. Weigert
hierzu Nummer 30.1.2.1). sich der Ausländer, eine Eingliederungsverein-
barung zu unterzeichnen, kann ihn der Träger
44a.1.2.2 Ausreichende Deutschkenntnisse (§ 44a Ab- der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch
satz 1 Satz 1 Nummer 1b) entsprechen der De- nach § 44a Absatz 1 Satz 3 durch Verwaltungs-
finition des Sprachniveaus B 1 GER (siehe akt verpflichten.
hierzu Nummer 43.4.3.2). Die Stufe B 1 GER
setzt folgende sprachliche Fähigkeiten bei allen 44a.1.3.2 Die Verpflichtung nach § 44a Absatz 1 Satz 1
Sprachkompetenzen (Hören, Sprechen, Lesen Nummer 3 setzt das Vorliegen einer besonderen
und Schreiben) voraus: Kann die Hauptpunkte Integrationsbedürftigkeit voraus. Diese ist ins-
verstehen, wenn klare Standardsprache ver- besondere dann gegeben, wenn sich der Aus-
wendet wird und wenn es um vertraute Dinge länder als Inhaber der Personensorge für ein in
aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die Deutschland lebendes Kind nicht auf einfache
meisten Situationen bewältigen, denen man auf Art in deutscher Sprache verständigen kann und
Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich es ihm deshalb bisher nicht gelungen ist, sich
einfach und zusammenhängend über vertraute ohne staatliche Hilfe in das wirtschaftliche,
Themen und persönliche Interessengebiete äu- kulturelle und gesellschaftliche Leben der Bun-
ßern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse desrepublik Deutschland zu integrieren (siehe
berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele be- § 4 Absatz 3 IntV).
schreiben und zu Plänen und Ansichten kurze
44a.1.4 Die Ausländerbehörde stellt bei der Aus-
Begründungen oder Erklärungen geben. Das
stellung des Aufenthaltstitels fest, ob der Aus-
Fehlen ausreichender Kenntnisse der deutschen
länder zur Teilnahme verpflichtet ist. Der Aus-
Sprache ist anzunehmen, wenn der Ausländer
länder ist über seine Teilnahmeverpflichtung am
sich nicht einfach und zusammenhängend über
Integrationskurs, die damit verbundenen Kon-
vertraute Themen und persönliche Interessen-
sequenzen und über seinen Anspruch auf In-
gebiete äußern kann. Ausreichende schriftliche
tegrationsförderung aufzuklären. In den Fällen
Kenntnisse erfordern, dass der Ausländer ein-
des § 44a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ist die Re-
fache zusammenhängende Texte über Themen,
gelung des § 44a Absatz 1 Satz 2 zu beachten,
die ihm vertraut sind, schreiben kann.
wonach es zur Begründung der Teilnahme-
44a.1.2.3 Die Feststellung des Sprachstandes obliegt der pflicht nach Satz 1 Nummer 1 eines feststel-
Ausländerbehörde. Die Ausländerbehörde lenden Verwaltungsakts der Ausländerbehörde
muss sich selbst davon überzeugen, dass die ge- bedarf. Dieser ergeht mit der Erteilung des
setzlich geforderten Mindestsprachkenntnisse Aufenthaltstitels. In den Fällen des § 44a Ab-
tatsächlich beim Ausländer vorliegen. Grund- satz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3 bestätigt zudem
sätzlich ist daher das persönliche Erscheinen die Ausländerbehörde und in den Fällen des
des Ausländers erforderlich. Die Ausländer- § 44a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Träger der
behörde kann einen Sprachnachweis fordern Grundsicherung für Arbeitsuchende dem Aus-
und dem Ausländer aufgeben, sich einer Prü- länder das Recht auf Teilnahme gesondert und
fung zu unterziehen. Auch die Anerkennung übermittelt dem Bundesamt die Daten der aus-
von Bescheinigungen über das erfolgreiche Ab- gestellten Bestätigung (siehe § 6 Absatz 1 und
solvieren einer Sprachprüfung liegt im Er- § 8 Absatz 1 IntV).
messen der Ausländerbehörde. Das Sprachni- 44a.1.5 § 44a Absatz 1 Satz 4 bis 6 regelt die Zustän-
veau A 1 wird durch die Sprachprüfung „Start- digkeit zur Teilnahmeverpflichtung in den
Deutsch 1“ nachgewiesen; das Sprachniveau B 1 Fällen, in denen aufenthaltsrechtliche und
wird nachgewiesen durch das „Zertifikat sozialrechtliche Verpflichtungsregelungen kon-
Deutsch“ oder durch den „Deutsch-Test für kurrieren.
Zuwanderer“. Die Ausländerbehörde muss das
Ergebnis der Sprachstandsfeststellung akten- 44a.1.5.1 Um Doppelverpflichtungen bzw. das Neben-
mäßig festhalten und auf Verlangen dem Bun- einander von Berechtigung und Verpflichtung
desamt mitteilen. zur Kursteilnahme zu vermeiden, haben die
zuständigen Stellen die Möglichkeit des Daten-
44a.1.3 Auch Ausländer, die sich bereits länger und abgleichs über das koordinierende Bundesamt,
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, können bei dem die Informationen gebündelt erfasst
zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet werden. Das Bundesamt erteilt auf Nachfrage
werden: die entsprechende Auskunft (siehe Num-
mer 43.4.8). Bevor die Ausländerbehörde oder
44a.1.3.1 Die Verpflichtung des Ausländers nach § 44a
der Träger der Grundsicherung für Arbeit-
Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 setzt den Bezug von
suchende eine Verpflichtung zur Teilnahme am
Leistungen nach dem SGB II und die
Integrationskurs begründet, ist beim Bundes-
entsprechende Regelung in einer Eingliede-
amt die entsprechende Auskunft einzuholen.
rungsvereinbarung voraus. Die Verpflichtung
zur Teilnahme am Integrationskurs wird in 44a.1.5.2 Sofern die Ausländerbehörde den Ausländer be-
diesen Fällen vom Träger der Grundsicherung reits zur Teilnahme verpflichtet hat, kann auch
Seite 1092 GMBl 2009 Nr. 42– 61

der Träger der Grundsicherung für Arbeit- der Pflege behinderter Familienangehöriger. Die
suchende eine Eingliederungsvereinbarung mit Erziehung eigener Kinder führt dagegen nicht
ihm abschließen. Die Verpflichtung durch die ohne weiteres zur Unzumutbarkeit der Kurs-
Ausländerbehörde, die sich allein auf den auf- teilnahme, dies gilt insbesondere bei der Mög-
enthaltsrechtlichen Status bezieht, und der Ab- lichkeit kursergänzender Kinderbetreuung.
schluss einer Eingliederungsvereinbarung, der
sich ausschließlich auf den Leistungsbezug be- 44a.2a Befreiung von der Teilnahmepflicht am Ori-
zieht, schließen sich nicht gegenseitig aus. Aus- entierungskurs
nahmsweise kann der Träger der Grund-
sicherung im Einzelfall eine abweichende Ent- Durch die Einfügung von Absatz 2a in § 44a
scheidung zur Verpflichtung durch die wird der Vorgabe des Artikels 15 Absatz 3 der
Ausländerbehörde treffen. Dies ist insbesondere Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom
dann der Fall, wenn der Ausländer unmittelbar 25. November 2003 betreffend die Rechts-
in eine Erwerbstätigkeit vermittelt werden kann stellung der langfristig aufenthaltsberechtigten
und ihm eine Teilnahme an einem Integrations- Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Num-
kurs (auch Teilzeitkurs) daneben nicht zumutbar mer L 16 S. 44, so genannte Daueraufenthalt-
ist. Im Fall einer abweichenden Entscheidung hat Richtlinie) Rechnung getragen. Ein langfristig
der Träger der Grundsicherung für Arbeit- Aufenthaltsberechtigter darf nicht zur Teil-
suchende dies der Ausländerbehörde unverzüg- nahme am Orientierungskurs verpflichtet wer-
lich mitzuteilen, die die Verpflichtung widerruft. den, wenn er bereits in einem anderen Mit-
gliedstaat an Integrationsmaßnahmen teilge-
44a.1.6 Die Verpflichtung zur Teilnahme am Integra- nommen hat und dies der Erlangung der
tionskurs gemäß § 44a Absatz 1 Satz 1 ist ge- langfristigen Aufenthaltsberechtigung i. S. d.
genüber der Zulassung zum Integrationskurs Daueraufenthalt-Richtlinie diente.
gemäß § 44 Absatz 4 die weitergehende Maß-
nahme (vgl. auch Nummer 44.4). Anders als bei 44a.3 Auswirkung der Pflichtverletzung
der Zulassung haben verpflichtete Ausländer
sich unverzüglich zu einem Integrationskurs 44a.3.1 Das hohe Interesse an der Integration der im
anzumelden (§ 7 Absatz 2 IntV). Sofern ein Bundesgebiet lebenden Ausländer rechtfertigt
Ausländer der Verpflichtung nicht nachkommt, es, sie im Falle einer Pflichtverletzung und
können nach § 44a Absatz 3 (vgl. auch Num- Nichtteilnahme am Integrationskurs auf die
mer 44a.3) Sanktionen eintreten. In der Auf- Auswirkungen mit Nachdruck hinzuweisen.
forderung zur Teilnahme an einem Integra- Hervorzuheben ist dabei, dass im Falle des Be-
tionskurs sollen die Betroffenen auf die Folgen stehens des Abschlusstests ausreichende
einer Pflichtverletzung hingewiesen werden. Deutschkenntnisse (§ 9 Absatz 2 Satz 1 Num-
mer 7) und die Grundkenntnisse der Rechts-
Ein Ausländer, der nach § 44 Absatz 4 i. V. m. und Gesellschaftsordnung und der Lebens-
§ 5 Absatz 1 IntV zur Teilnahme am Integra- verhältnisse im Bundesgebiet (§ 9 Absatz 2
tionskurs zugelassen wurde, kann – sofern Satz 1 Nummer 8), die für die Erteilung einer
er damit nicht Pflichten aus der Eingliede- Niederlassungserlaubnis erforderlich sind, als
rungsvereinbarung verletzt – ohne irgend- nachgewiesen gelten (§ 9 Absatz 2 Satz 2) und
welche Sanktionen befürchten zu müssen, völ- die Frist für einen Anspruch auf Einbürgerung
lig frei entscheiden, ob er überhaupt und in um ein Jahr auf sieben Jahre verkürzt wird (§ 10
welchem Umfang er von der Zulassung Ge- Absatz 3 StAG). Hiermit erfolgt eine stärkere
brauch macht. Beide Möglichkeiten stehen da- Ausrichtung auf eine erfolgreiche Teilnahme
her nicht gleichberechtigt nebeneinander. Viel- am Integrationskurs.
mehr gilt vom Sinn und Zweck der gesetzlichen
Regelungen her gesehen ein Vorrang für die 44a.3.2 Korrespondierend zum Prinzip des Förderns
Verpflichtungsmöglichkeit nach § 44a Absatz 1 und Forderns in § 43 Absatz 1 und zu der ge-
Nummer 2. setzlichen Zielbestimmung der erfolgreichen
Teilnahme am Integrationskurs wurde ein nach
Eingriffsintensität abgestuftes System von
44a.2 Befreiung von der Teilnahmepflicht
Sanktionen eingeführt, um auf die Verletzung
§ 44a Absatz 2 regelt die Befreiungstatbestände der Pflicht zur Teilnahme am Integrationskurs
von der Verpflichtung zur Kursteilnahme nach reagieren zu können:
§ 44a Absatz 1. In den Fällen, in denen ver-
44a.3.2.1 Sanktionen nach dem SGB II: Ist der Ausländer
gleichbare Qualifikationen durch Angebote an-
Bezieher von Arbeitslosengeld II und verletzt
derer Bildungseinrichtungen, z. B. öffentliche
er durch die Nichtteilnahme am Integrations-
oder private Schulen, Berufsschulen oder private
kurs eine Pflicht aus der Eingliederungsverein-
Kursangebote der Arbeitgeber oder anderer
barung, wird ihm dieses nach § 44a Absatz 1
Träger, erworben werden, bedarf es keiner Ver-
Satz 1 Nummer 2 i. V. m. §§ 15 und 31 Absatz 1
pflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs.
Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b) SGB II um
Zudem ist der besonderen Situation von Aus-
30 Prozent, bei wiederholten Verletzungen der
ländern Rechnung zu tragen, denen etwa auf-
Teilnahmepflicht auch darüber hinaus, gekürzt.
grund besonderer familiärer oder persönlicher
Umstände eine Teilnahme auf Dauer nicht zu- 44a.3.2.2 Auferlegung von Kosten für den Integrations-
mutbar ist, etwa bei eigener Behinderung oder kurs (§ 44a Absatz 3 Satz 3): Anstatt den Ko-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1093

stenbeitrag nur für den jeweils anstehenden ARB 1/80 aus Gründen der öffentlichen Ord-
Kursabschnitt vorab entrichten zu lassen (vgl. nung, Sicherheit oder Gesundheit erfolgen
§ 9 Absatz 3 IntV), kann der voraussichtliche würde; hierzu ist zu beachten, dass der Euro-
Kursbeitrag bei der Verletzung der Teilnahme- päische Gerichtshof diese Merkmale entspre-
pflicht auch vorab in einer Summe erhoben chend der zur Beendigung des Aufenthalts
werden. freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger und
deren Familienangehörigen ergangenen Recht-
44a.3.2.3 Verhängung eines Bußgeldes nach § 98 Absatz 2
sprechung auslegt.
Nummer 4 (siehe Nummer 98.2.4).
44a.3.2.4 Verwaltungszwang (§ 44a Absatz 3 Satz 2): Die
Regelung des Verwaltungszwangs nach § 44a 45 Zu § 45 – Integrationsprogramm
Absatz 3 Satz 2 hat lediglich klarstellenden
45.1 § 45 stellt klar, dass die im Aufenthaltsgesetz
Charakter. Aus dieser kann nicht der Umkehr-
vorgesehenen Integrationskurse kein abschlie-
schluss gezogen werden, dass nach den anderen
ßendes Integrationsangebot darstellen. Bund
Vorschriften dieses Gesetzes erlassene Verwal-
und Länder sollen integrationskursbegleitende
tungsakte nicht mit den Mitteln des Verwal-
Angebote machen, damit die Förderung zum
tungszwangs vollstreckt werden können, sofern
Spracherwerb zu einer nachhaltigen Ein-
die Voraussetzungen vorliegen.
gliederung in das gesellschaftliche und wirt-
44a.3.2.5 Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis schaftliche Leben beiträgt. Hierzu zählt insbe-
(§ 8 Absatz 3) (siehe Nummer 8.3). sondere eine migrationsspezifische Beratung,
wie sie z. B. bundesweit von den Migrations-
44a.3.2.6 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mit beratungsstellen für Erwachsene (MBE) und
einer Ermessensausweisung nach § 55 Absatz 2 von den Jugendmigrationsdiensten (JMD) für
Nummer 2 auf eine Verletzung der Teilnahme- junge Zuwanderinnen und Zuwanderer ange-
pflicht zu reagieren. boten wird. Die Jugendmigrationsdienste be-
44a.3.3 Die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen bei gleiten die jungen Zuwanderinnen und Zuwan-
Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen derer vor, während und nach dem Integrations-
Teilnahme an Integrationskursen können auch kurs. Bei Bedarf sollen die Ausländerbehörden
gegenüber türkischen Arbeitnehmern und de- frühzeitig den Kontakt zu den Migrations-
ren Familienangehörigen angewendet werden. beratungsstellen suchen und mit diesen zusam-
Insbesondere berühren die Versagung einer menarbeiten.
Einbürgerung sowie die Kürzung von Sozial-
45.2 In der Bundesrepublik Deutschland besteht seit
leistungen keine „Standstill-Klauseln“ des As-
Jahren auf den Ebenen des Bundes, der Länder
soziationsrechts: Einbürgerungen sind über-
und der Kommunen ein breites Angebot zur
haupt nicht Regelungsgegenstand des Assozia-
Förderung der verschiedenen Aspekte der In-
tionsrechts. Im Zusammenhang mit der
tegration. Die einzelnen Förderangebote der
„Standstill-Klausel“ des Artikels 13 ARB 1/80
verschiedenen staatlichen Einrichtungen und
ist zu beachten, dass diese nur eine Er-
der freien Träger sind bisher allenfalls in Teil-
schwerung des Arbeitsmarktzuganges und der
bereichen aufeinander abgestimmt. Das Bun-
damit verbundenen Aufenthaltsmöglichkeit
desamt für Migration und Flüchtlinge soll des-
untersagt, nicht aber die Anordnung zur Teil-
halb im Auftrag des Bundesministeriums des
nahme an Maßnahmen, die auf eine Ver-
Innern in Form eines Integrationsprogramms
besserung des Zuganges zum Arbeitsmarkt ge-
und unter Nutzung bereits bestehender Kon-
richtet sind (wie nicht nur der Teilnahme an
zepte Vorschläge zur konkreten Gestaltung und
Integrationskursen, sondern etwa auch an Um-
Koordinierung der bestehenden Integrations-
schulungen und anderen Arbeitsförderungs-
angebote der unterschiedlichen Träger vor-
maßnahmen, die die Bundesagentur für Arbeit
legen. Dabei sollen im Interesse einer breiten
anordnet). Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Nutzungsmöglichkeit auch die Voraussetzun-
des Artikels 3 Absatz 1 ARB 1/80 ist allein
gen für die Angleichung der Integrationsan-
deshalb nicht berührt, weil jener Assoziations-
gebote für Ausländer und Aussiedler geschaffen
ratsbeschluss gemäß seinem Artikel 4 Absatz 4
werden. Die bei Ländern und Kommunen so-
nicht für die Sozialhilfe gilt, zu der – anders als
wie bei den Ausländerbeauftragten bestehenden
die Leistungen aus der Arbeitslosenver-
Erfahrungen im Bereich der Integrationsför-
sicherung – nach der Systematik des Be-
derung sollen in dieses Integrationsprogramm
schlusses auch das nicht durch Beiträge finan-
ebenso einfließen wie die umfangreichen Er-
zierte Arbeitslosengeld II zu rechnen ist. Die
fahrungen der sonstigen gesellschaftlichen und
Nichtteilnahme an einem Integrationskurs ist
privaten Träger.
allerdings kein Umstand, der bei der Entschei-
dung über die Beendigung des Aufenthaltes
eines türkischen Staatsangehörigen in Betracht
46 Zu § 46 – Ordnungsverfügungen
gezogen werden kann, der einem Tatbestand
des Artikels 6 oder 7 ARB 1/80 unterfällt. 46.0 Allgemeines
Mangelnde Integration stellt nämlich für sich
genommen keinen Grund zur Aufenthalts- 46.0.1 Ordnungsverfügungen nach § 46 sind selbstän-
beendigung dar, die i. S. d. Artikels 14 Absatz 1 dige Verwaltungsakte i. S. d. Verwaltungsver-
Seite 1094 GMBl 2009 Nr. 42– 61

fahrensrechts, selbst wenn sie gleichzeitig mit länder überhaupt ausreist. Sie müssen lediglich
einer anderen ausländerbehördlichen Entschei- erforderlich in dem Sinne sein, dass eine För-
dung erlassen werden. Sie unterliegen daher derung der Ausreise nicht durch ein milderes
selbständig den gegen Verwaltungsakte zuläs- Mittel erfolgen kann, das eine ebenso starke Si-
sigen Rechtsbehelfen. Eine nach verwaltungs- cherung oder Förderung der Ausreise des Aus-
verfahrensrechtlichen Regeln erforderliche An- länders gewährleistet. Zudem muss die Ord-
hörung muss sich in jedem Fall auf eine vorge- nungsverfügung angemessen, also verhältnis-
sehene, auf § 46 gestützte Entscheidung mäßig i. e. S. sein; dabei sind etwa bei
beziehen, selbst wenn diese Entscheidung mit Bestimmungen zur Wohnsitznahme Interessen
einer anderen Entscheidung verbunden werden der möglichen Wahrung einer familiären Le-
soll. bensgemeinschaften mit Mitgliedern der Kern-
familie, die sich bereits im Bundesgebiet auf-
46.0.2 Widerspruch und Klage gegen eine Ordnungs- halten, zu berücksichtigen.
verfügung nach § 46 haben aufschiebende Wir-
kung. Ordnungsverfügungen nach § 46 fallen 46.1.4 Der Förderung der Ausreise können beispiels-
insbesondere nicht in den Anwendungsbereich weise dienen:
von § 84 Absatz 2 Satz 1, selbst wenn sie 46.1.4.1 – die Verpflichtung, sich zur Aufenthalts-
gleichzeitig mit einem anderen Verwaltungsakt überwachung regelmäßig bei der Aus-
ergehen, der die Rechtmäßigkeit des Aufent- länderbehörde zu melden,
halts beendet.
46.1.4.2 – die Verpflichtung, eine Rückkehrberatung
46.0.3.1 Die Ordnungsverfügung kann mit Zwang nur in Anspruch zu nehmen,
durchgesetzt werden, wenn sie unanfechtbar ist
oder der Sofortvollzug gemäß § 80 Absatz 2 46.1.4.3 – die Verpflichtung, betragsmäßig zu be-
Satz 1 Nummer 4 VwGO angeordnet worden zeichnende Mittel, die nicht für die Siche-
ist. Soll die Ordnungsverfügung sofort voll- rung des absoluten Existenzminimums er-
ziehbar sein, ist daher die sofortige Vollzieh- forderlich sind, für die Finanzierung der
barkeit gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Rückkehr anzusparen und hierzu auf ein
VwGO besonders anzuordnen. Als Anord- von der Ausländerbehörde eingerichtetes
nungsgrund kommt ein öffentliches Interesse Sperrkonto einzuzahlen,
am Sofortvollzug in Betracht. Dieses muss im 46.1.4.4 – die Verpflichtung zur Wohnsitznahme an
Einzelfall begründbar sein, und zwar nicht im einem bestimmten Ort oder in einer be-
Hinblick auf die Ordnungsverfügung selbst, stimmten Unterkunft (vgl. Nummer 61.2.1),
sondern gerade mit Blick auf die sofortige
Vollziehbarkeit. Eine schriftliche Begründung 46.1.4.5 – die Verpflichtung, einen bestimmten räum-
des besonderen Interesses an der sofortigen lichen Bereich nicht zu verlassen (vgl. auch
Vollziehbarkeit ist nach § 80 Absatz 3 Satz 1 § 61),
VwGO erforderlich. 46.1.4.6 – die Verpflichtung, Papiere der Ausländer-
46.0.3.2 Die Anordnung des Sofortvollzuges einer auf behörde auszuhändigen, die bei Kontrollen
Grund § 46 erlassenen Ordnungsverfügung ge- zu dem falschen Eindruck führen können,
mäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO ist der Ausländer sei zum Aufenthalt berechtigt
i. d. R. erforderlich. Dies gilt zumindest dann, bzw. nicht ausreisepflichtig; dies gilt insbe-
wenn die Ausreise nur unter erschwerten Be- sondere für Fiktionsbescheinigungen nach
dingungen bzw. zum vorgesehenen Zeitpunkt Ablehnung eines Antrags auf eine Aufent-
unter unverhältnismäßigem Aufwand durchge- haltserlaubnis.
setzt werden könnte, wenn mit ausreise- 46.1.5 Ein Verstoß gegen eine vollziehbare Ord-
fördernden Maßnahmen zugewartet würde. nungsverfügung nach § 46 Absatz 1 ist gemäß
§ 98 Absatz 3 Nummer 4 als Ordnungswidrig-
46.1 Ordnungsverfügungen zur Förderung der keit sanktioniert. Darüber hinaus lässt sich die
Ausreise Ordnungsverfügung im Wege des Verwal-
tungszwangs, auch durch Androhung und Er-
46.1.1 Ordnungsverfügungen nach Absatz 1 können hebung eines Zwangsgeldes, durchsetzen.
gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichti-
gen Ausländer getroffen werden. 46.1.6 Sofern die Ordnungsverfügung aufenthalts-
beschränkenden Charakter besitzt (Num-
46.1.2 Zuständig sind nach § 71 Absatz 1 die Aus- mer 46.1.4.4 und 46.1.4.5) und sobald sie voll-
länderbehörden; gemäß § 71 Absatz 3 Num- ziehbar ist, ist ihr Inhalt in einen Pass oder
mer 6 können Ordnungsverfügungen nach Ab- Passersatz des Ausländers aufzunehmen. Der
satz 1 mit Ermächtigung des Bundes- Ausländer ist nach § 56 Nummer 8 AufenthV
ministeriums des Innern auch durch die mit der zur Vorlage des Passes oder Passersatzes zu
polizeilichen Kontrolle des grenzüberschrei- diesem Zwecke verpflichtet und muss dement-
tenden Verkehrs beauftragten Behörden er- sprechend die Eintragung dulden. Die Ein-
lassen werden. tragung lautet:
46.1.3 Die Ordnungsverfügung muss der Förderung „Während des Aufenthalts im Bundesge-
der Ausreise dienen. Ihr Erlass muss nicht biet zur Wohnsitznahme in ... verpflichtet.
zwingend erforderlich sein, damit der Aus- Die sofortige Vollziehung ist gemäß § 80
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1095

Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwal- laubnisse ist. Das gleiche gilt für eine illegale
tungsgerichtsordnung (VwGO) angeord- Einreise in einen Staat, mit dem Deutschland
net.“ ein Rückübernahmeabkommen geschlossen hat
und aufgrund dieses Abkommens zur Rück-
bzw.
übernahme illegal eingereister Ausländer ver-
„Der räumliche Bereich von/des (Ort, pflichtet ist.
Landkreis etc.) darf außer zur sofortigen
46.2.4 Für die Ausreiseuntersagung ist die Ausländer-
Ausreise nicht verlassen werden. Die so-
behörde zuständig (§ 71 Absatz 1) oder die
fortige Vollziehung ist gemäß § 80 Ab-
Grenzbehörde (§ 71 Absatz 3 Nummer 4), so-
satz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwaltungs-
weit die Entscheidung an der Grenze zu treffen
gerichtsordnung (VwGO) angeordnet.“
ist. Ausreiseuntersagungen der Grenzbehörden
sind als unaufschiebbare Anordnungen und
46.2 Untersagung der Ausreise Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten zu
46.2.0 Die Anwendung ist auch für Freizügigkeits- werten. Eine aufschiebende Wirkung entfällt
berechtigte gemäß § 11 Absatz 1 FreizügG/EU nach § 80 Absatz 2 Nummer 2 VwGO.
eröffnet. 46.2.5 Die Untersagung der Ausreise nach § 46 Ab-
46.2.1 Einem Ausländer kann nach § 46 Absatz 2 satz 2 Satz 1 und 2 steht im Ermessen der zu-
Satz 1 die Ausreise in entsprechender Anwen- ständigen Behörden. Maßstab für ausländer-
dung von § 10 Absatz 1 und 2 PassG untersagt rechtlich begründete Ausreiseuntersagungen
werden. Die Untersagung ist möglich, wenn sind in entsprechender Anwendung die ein-
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei schlägigen pass- und personalausweisrecht-
ihm die Voraussetzungen nach § 7 Absatz 1 lichen Verwaltungsvorschriften, weil sich der
PassG vorliegen oder wenn er keinen zum Prüfungsrahmen der nach Ausländerrecht zu-
Grenzübertritt gültigen Pass oder Passersatz ständigen Behörden nicht wesentlich von dem
mitführt. der nach Pass- bzw. Ausweisrecht zuständigen
Behörden unterscheidet. In die Entscheidung
46.2.2 Die Ausreiseuntersagung gegenüber Aus- sind aber ergänzend die spezifisch aufenthalts-
ländern kommt insbesondere in Betracht, wenn rechtlichen Belange einzustellen. Für die An-
der Ausländer wendbarkeit von § 46 Absatz 2 ist im Übrigen
46.2.2.1 – durch die Ausreise die innere oder äußere der aufenthaltsrechtliche Status des Ausländers
Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange ohne Relevanz.
der Bundesrepublik Deutschland gefährdet 46.2.6 Die Ausreiseuntersagung ist bei Vollziehbarkeit
(§ 7 Absatz 1 Nummer 1 PassG), in sämtlichen Pässen und Passersatzpapieren
des Ausländers wie folgt zu vermerken:
46.2.2.2 – sich einer Strafverfolgung oder Strafvoll-
streckung oder der Anordnung oder der „Ausreise aus der Bundesrepublik
Vollstreckung einer mit Freiheitsentziehung Deutschland nicht gestattet.“
verbundenen Maßregel der Besserung und Sofern die Ausreiseuntersagung von der Aus-
Sicherung entziehen will (§ 7 Absatz 1 länderbehörde verfügt wird, ist der Vermerk
Nummer 2 PassG), wie folgt zu ergänzen:
46.2.2.3 – einer Vorschrift des BtMG über die Einfuhr, „Die sofortige Vollziehung ist gemäß § 80
Ausfuhr, Durchfuhr oder das Inver- Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der Verwal-
kehrbringen von Betäubungsmitteln zu- tungsgerichtsordnung (VwGO) angeord-
widerhandeln will (§ 7 Absatz 1 Nummer 3 net.“
PassG),
Das besondere Interesse für die Anordnung des
46.2.2.4 – sich seinen steuerlichen Verpflichtungen Sofortvollzugs liegt darin, dass die Gefah-
entziehen will (§ 7 Absatz 1 Nummer 4 renabwehr im Falle der Ausreise nicht mehr
PassG) oder möglich wäre. Der Ausländer ist nach § 56
Nummer 8 AufenthV zur Vorlage des Passes
46.2.2.5 – sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht
oder Passersatzes zu diesem Zwecke ver-
entziehen will (§ 7 Absatz 1 Nummer 5
pflichtet und muss dementsprechend die Ein-
PassG).
tragung dulden.
46.2.3.1 Die Untersagung der Ausreise ist nach § 46 46.2.7 Ein Verstoß gegen das vollziehbare Ausreise-
Absatz 2 Satz 2 außerdem zulässig, wenn der verbot ist nach § 95 Absatz 1 Nummer 4 straf-
Ausländer in einen Staat einreisen will, ohne im bar, nicht aber der Versuch.
Besitz der dafür erforderlichen Dokumente und
Erlaubnisse zu sein.
46.2.3.2 So kann die Ausreise untersagt werden, wenn 47 Zu § 47 – Verbot und Beschränkung der
der Ausländer in einen Mitgliedstaat der Euro- politischen Betätigung
päischen Union oder einen Mitgliedstaat des
47.0 Allgemeines
Abkommens über den Europäischen Wirt-
schaftsraum einreisen will und nicht im Besitz 47.0.1 Die Beschränkung und die Untersagung der
der dafür erforderlichen Dokumente und Er- politischen Betätigung sind belastende Verwal-
Seite 1096 GMBl 2009 Nr. 42– 61

tungsakte, die nur unter den Voraussetzungen Rechtsvorschriften grundsätzlich politisch be-
des Absatzes 1 Satz 2 und Absatz 2 und unter tätigen dürfen.
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrund-
47.1.2 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 bezeichnet die
satzes erlassen werden dürfen.
Voraussetzungen und Grenzen für die Be-
47.0.2 § 47 erlaubt, wie sich aus der Formulierung schränkung oder Untersagung der politischen
„. . . soweit . . .“ in Absatz 1 Satz 2 und Ab- Betätigung im Ermessenswege.
satz 2 ergibt, keine umfassende Beschränkung
47.1.2.1.1 Eine Beeinträchtigung der politischen Willens-
oder Untersagung jeder politischen Betätigung.
bildung in Deutschland ist insbesondere die
In der Verfügung ist anzugeben, welche kon-
Einwirkung auf politische Parteien, politische
krete politische Betätigung (Zielsetzung, Mit-
Wahlen oder Abstimmungen, Parlamente, Re-
tel, Erscheinungsform) in welcher Weise be-
gierungen oder andere zur politischen Willens-
schränkt oder untersagt wird. In Betracht
bildung berufene staatliche oder kommunale
kommen insbesondere
Organe oder die in solchen Organen mit-
– das Verbot der Teilnahme an öffentlichen wirkenden Personen oder Gruppen mit Mitteln
politischen Versammlungen und Aufzügen, oder in Formen, die nach allgemeiner Auffas-
– die Untersagung politischer Reden, Presse- sung zur Verfolgung politischer Ziele unange-
konferenzen und Veröffentlichungen sowie messen sind.
– das Verbot der Übernahme und Ausübung 47.1.2.1.2 Das friedliche Zusammenleben kann durch ag-
von Ämtern. gressive Beeinflussung, insbesondere unter
Ausnutzung von bestehenden Fehlinforma-
47.0.3 Das Verbot und die Beschränkung der politi-
tionen oder bei deren gleichzeitiger Verbrei-
schen Betätigung gelten unabhängig vom Auf-
tung, beeinträchtigt oder gefährdet werden.
enthaltsstatus des Ausländers. Die Einschrän-
kung oder Untersagung ist nicht durch Bedin- 47.1.2.1.3 Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und
gung oder Auflage zum Aufenthaltstitel, Ordnung ist i. S. d. allgemeinen Polizei- und
sondern durch selbständige Verfügung anzu- Ordnungsrechts zu verstehen. Als sonstige er-
ordnen. Die Verfügung kann – auch ergänzend hebliche Interessen i. S. v. Absatz 1 Satz 2
für bestimmte Zeiträume – mit dem Verbot des Nummer 1 geschützt sind nur erhebliche öf-
Aufenthalts an bestimmten Orten oder in be- fentliche Interessen, die ihrem Gewicht nach
stimmten Gebieten verknüpft werden (vgl. § 12 den vorgenannten Gütern vergleichbar sind.
Absatz 2 Satz 2, § 6 Absatz 1 Satz 3).
47.1.2.2 Ob die Voraussetzungen der Nummer 2 vor-
47.0.4 Von der Ausländerbehörde erlassene Maßnah- liegen, ist über die oberste Landesbehörde mit
men werden i. d. R. nicht im Pass oder Passer- dem Bundesministerium des Innern abzustim-
satz eingetragen. men. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit
kommt eine Beschränkung oder Untersagung
47.0.5 Es wird i. d. R. angebracht sein, die sofortige der politischen Betätigung nur dann in Be-
Vollziehung anzuordnen (§ 80 Absatz 2 Satz 1 tracht, wenn die Betätigung des Ausländers ge-
Nummer 4 VwGO) und für den Fall der Zu- eignet ist, den außenpolitischen Interessen in
widerhandlung die Erhebung eines Zwangs-
erheblichem Maße zuwiderzulaufen.
geldes anzudrohen. Ausländer, denen die poli-
tische Betätigung beschränkt oder untersagt 47.1.2.3 Konkrete Tatsachen, z. B. ein früheres Ver-
wird, sind darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß halten oder eine Ankündigung des Ausländers,
gegen die vollziehbare Anordnung eine Straftat müssen die Annahme rechtfertigen, dass das
nach § 95 Absatz 1 Nummer 4 darstellt. beabsichtigte politische Verhalten gegen die
Rechtsordnung verstoßen wird. In Betracht
47.0.6 Der Verstoß gegen die Anordnung kann einen kommen z. B. Verstöße gegen das Versamm-
Ausweisungsgrund darstellen (§ 55 Absatz 2
lungsrecht.
Nummer 2). Auch eine nicht untersagte politi-
sche Betätigung, die nach Absatz 1 Satz 2 oder
Absatz 2 untersagt werden könnte, kann ein 47.2 Zwingende Untersagung
Ausweisungsgrund nach § 55 Absatz 2 Num- 47.2.1 In den Fällen des Absatz 2 ist die politische
mer 2 oder 8 sein. Im Einzelfall ist daher insbe- Betätigung zu untersagen. Ein Ermessen be-
sondere nach dem Grundsatz der Verhältnis- steht insoweit nicht.
mäßigkeit zu prüfen, ob eine Verfügung nach
§ 47 nicht ausreichend und daher eine Aus- 47.2.1.1 Die freiheitliche demokratische Grundordnung
weisung geboten ist. Sofern eine sofortige Ab- i. S. d. Absatzes 2 Nummer 1 ist entsprechend
schiebung nicht möglich ist und eine ent- der Definition des Bundesverfassungsgerichts
sprechende Gefahr fortbesteht, ist neben einer eine Ordnung, die unter Ausschluss von jegli-
Ausweisung eine Verfügung nach § 47 zulässig. cher Gewalt- und Willkürherrschaft eine
rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der
47.1 Beschränkung und Untersagung nach Er- Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes
messen nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und
der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den
47.1.1 Absatz 1 Satz 1 stellt ausdrücklich klar, dass grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind
sich Ausländer im Rahmen der allgemeinen mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1097

GG konkretisierten Menschenrechten, vor al- Passes oder Passersatzes während des Auf-
lem vor dem Recht auf Leben und freie Entfal- enthaltes. Klargestellt wird in § 3 Absatz 1
tung der Persönlichkeit, die Volkssouveränität, Satz 2 allerdings, dass es, außer im Falle der
die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Einreise, keinen Verstoß gegen die Passpflicht
Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwal- bedeutet, wenn der Ausländer einen Ausweis-
tung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das ersatz besitzt. Ergänzend besteht beim Grenz-
Mehrparteienprinzip und die Chancengleich- übertritt selbst nach § 13 Absatz 1 Satz 2 eine
heit für alle politischen Parteien mit dem Recht Mitführungspflicht für den Pass oder Passersatz
auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung – der Ausweisersatz genügt hier nicht – sowie
einer Opposition. Auf Nummer 54.2.2.1 wird die Verpflichtung, sich der Grenzkontrolle zu
Bezug genommen. unterziehen. Die ausweisrechtlichen Pflichten
der Absätze 1 und 3 sowie der §§ 56 und 57
47.2.1.2 Zum Begriff „Gefährdung der Sicherheit der AufenthV betreffen hingegen Pflichten, die
Bundesrepublik Deutschland“ wird auf Num- nicht den bloßen Besitz bzw. – bei Grenzüber-
mer 54.2.2.2 bis 54.2.2.2.2 Bezug genommen. tritt – die Mitführung des Papiers sowie die
47.2.2 Nach Nummer 2 ist die politische Betätigung Grenzkontrolle betreffen, sondern die Beschaf-
zu untersagen, die Gewaltanwendung als Mittel fung und Zugänglichmachung von Pass und
zur Durchsetzung politischer, religiöser oder Passersatz sowie der weiteren genannten
sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befür- Urkunden, d. h. Ausweisersatz und Aufent-
wortet oder hervorzurufen bezweckt oder ge- haltstitel. Zweck der ausweisrechtlichen Pflich-
eignet ist. Betroffen ist – anders als in § 14 ten ist die Überprüfung des aufenthalts-
Absatz 2 Nummer 4 VereinsG – nur das öf- rechtlichen Status im Zusammenhang mit der
fentliche Verhalten. Durch diesen Unter- Vorbereitung und Durchführung aufenthalts-
sagungsgrund soll u. a. das Spendensammeln für rechtlicher Maßnahmen.
Terrorgruppen oder das Rekrutieren von
48.0.3 Absatz 2 hat allerdings insofern Ergänzungs-
Kämpfern erfasst werden. Auch das Verhalten
funktion gegenüber § 3, als dort – i. V. m. § 55
fundamental ausgerichteter religiöser Prediger,
und § 56 Nummer 4 AufenthV – festgelegt ist,
welche zum Mord an religiösen Gruppen oder
dass, ob und unter welchen Voraussetzungen
Angehöriger einzelner Staaten aufrufen, diesen
anstelle der Passbesitzpflicht die Verpflichtung
gutheißen, das Existenzrecht von Staaten, die
tritt, einen Ausweisersatz zu beantragen und zu
von der Bundesrepublik Deutschland völker-
besitzen.
rechtlich anerkannt sind, bestreiten oder zur
Teilnahme am gewaltsamen Kämpfen gegen 48.0.4 Im Inland besteht keine allgemeine Verpflich-
anerkannte Staaten aufrufen, ist danach zu un- tung, einen Pass, einen Passersatz, einen Aus-
tersagen. weisersatz oder einen Aufenthaltstitel mitzu-
führen.
47.2.3 Nummer 3 sieht die Untersagung der politi-
schen Betätigung bei Unterstützung von in- 48.0.5 Die ausweisrechtlichen Pflichten von Personen,
ländischen oder ausländischen Gruppierungen deren Rechtsstellung sich nach dem FreizügG/
mit terroristischem Hintergrund vor. Ob die EU richtet, sind in § 8 FreizügG/EU geregelt.
unterstützte Organisation ihren Sitz im In- Die in § 56 AufenthV enthaltene Regelung gilt
oder Ausland hat, ist unerheblich. Erforderlich auch für diese Personen (§ 79 AufenthV). Keine
ist allerdings, dass sie Anschläge in Deutschland Anwendung findet hingegen § 57 AufenthV.
oder gegenüber Deutschen oder deutschen
Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder an- 48.1 Pflicht zur Vorlage, zur Aushändigung und
gedroht hat. Überlassung von Papieren
48.1.1 Die Pflicht zur Vorlage, Aushändigung und
48 Zu § 48 – Ausweisrechtliche Pflichten vorübergehenden Überlassung der in Absatz 1
genannten Urkunden besteht gegenüber allen
48.0 Allgemeines mit der Ausführung des Aufenthaltsgesetzes
48.0.1 Neben den ausweisrechtlichen Pflichten, die in betrauten Behörden. Das sind neben den Aus-
§ 48 normiert sind, bestehen ausweisrechtliche länderbehörden insbesondere die Auslands-
Verpflichtungen nach §§ 56 und 57 AufenthV. vertretungen, die mit der polizeilichen Kon-
Die Pflichten nach diesem Gesetz und der trolle des grenzüberschreitenden Verkehrs be-
AufenthV ergänzen sich; die Vorschriften ste- auftragten Behörden und die Polizeien der
hen daher nicht in einem Spezialitätsverhältnis Länder, soweit diese jeweils ausländerrechtliche
zueinander, sondern gelten nebeneinander. und nicht andere Maßnahmen durchführen. Die
Pflicht nach § 48 Absatz 1 kann auf Grund
48.0.2 Die ausweisrechtlichen Vorschriften nach § 48 einer Anordnung der mit der Ausführung des
und nach §§ 56 und 57 AufenthV sind – vorbe- Aufenthaltsgesetzes betrauten Behörde nach
haltlich der Ausführungen in Nummer 48.0.3 – Verwaltungsvollstreckungsrecht durchgesetzt
von der Passpflicht nach § 3 zu unterscheiden. werden. Die Anordnung, einen gültigen Pass
Die Passpflicht bezieht sich auf einen gültigen oder Passersatz vorzulegen, hat für den Fall,
Pass oder Passersatz und betrifft den Grenz- dass der Ausländer passlos ist, auch zu be-
übertritt sowie die Pflicht zum Besitz eines inhalten, dass er Nachweise beibringen muss
Seite 1098 GMBl 2009 Nr. 42– 61

(§ 82 Absatz 1), ein entsprechendes Dokument ort im Inland, den Aufenthaltsort) zuständigen
nicht in zumutbarer Weise erlangen zu können. Ausländerbehörde vorlegen muss. Im Ausland
kann ein Ausländer mit ständigem Aufenthalt
48.1.2 Die Ausweispflicht nach Absatz 1 beschränkt
im Inland die Papiere auch einer deutschen
sich auf die genannten Urkunden. Die Bei-
Auslandsvertretung vorlegen, die die Meldung
bringung anderer Erlaubnisse, Bescheinigungen
des Wiederauffindens und Kopien der vorgeleg-
und Nachweise richtet sich nach § 82.
ten Papiere an die zuständige Ausländerbehörde
48.1.3 Die Ausweispflicht besteht, soweit die Vorlage, weiterleitet; insofern hat die Auslandsvertretung
Aushändigung und Überlassung zur Durch- die Stellung eines Übermittlers. Auf Grund der
führung oder Sicherung von Maßnahmen nach Vorlage sämtlicher nach dem Verlust ausge-
dem Aufenthaltsgesetz erforderlich ist. Solche stellter Papiere hat die Ausländerbehörde zu
Maßnahmen sind insbesondere: prüfen, ob die Ausstellungsvoraussetzungen für
einen dem Ausländer erteilten deutschen Pass-
48.1.3.1 – die Erteilung, Verlängerung, Versagung, Be- ersatz oder Ausweisersatz weiterhin vorliegen,
schränkung und der Widerruf eines Aufent- insbesondere wenn die Ausstellung von der
haltstitels oder einer Bescheinigung über die Unmöglichkeit der rechtzeitigen (Wieder-)Be-
Aussetzung der Abschiebung, schaffung des verloren geglaubten Papiers ab-
48.1.3.2 – die Ausstellung, Entziehung oder Versagung hing. Ansonsten ist dieser i. d. R. – ggf. nach der
von Passersatzpapieren sowie das An- Übertragung von Aufenthaltstiteln oder sons-
bringen von Passvermerken (vgl. zu Pass- tigen Bescheinigungen in ein anderes Papier –
vermerken näher § 56 Absatz 1 Nummer 8 nach § 4 Absatz 7 Satz 1 AufenthV einzuzie-
AufenthV, der bewirkt, dass die dort ge- hen. Die Verpflichtung zur Vorlage wiederauf-
nannten Eintragungen auch datenschutz- gefundener Papiere ist zur Durchführung der
rechtlich zulässig sind), genannten Prüfung auch erforderlich, um die in
Nummer 48.1.5 genannten Überprüfungen zu
48.1.3.3 – die Anordnung einer Bedingung oder Auf- ermöglichen.
lage,
48.1.5.2 Nach § 56 Absatz 1 Nummer 7 AufenthV muss
48.1.3.4 – die Gestattung der Einreise, Zurück-
der Ausländer zudem entweder bei Ablauf der
weisung, Zurückschiebung, Abschiebung
Gültigkeitsdauer oder nach besonderer Anord-
und Rückführung,
nung einer Auslandsvertretung einen Pass oder
48.1.3.5 – die Untersagung der Ausreise, Passersatz der Ausländerbehörde unverzüglich
vorlegen. Eine Anordnung durch die Aus-
48.1.3.6 – die Verwahrung von Pässen oder Passer-
landsvertretung zur unverzüglichen Vorlage des
satzpapieren zur Sicherung der Ausreise
Passersatzes bei der Ausländerbehörde nach der
(§ 50 Absatz 6).
Einreise ist insbesondere bei der Ausstellung
48.1.4 Wer entgegen Absatz 1 eine dort genannte Ur- nur kurzfristig gültiger Reiseausweise für Aus-
kunde nicht vorlegt, aushändigt oder überlässt, länder angemessen; infolge der Vorlagepflicht
handelt ordnungswidrig gemäß § 98 Absatz 2 kann die Ausländerbehörde die weitere Aus-
Nummer 3. stellung eines Pass- oder Ausweisersatzes an-
hand ihrer eigenen Aktenlage selbständig und
48.1.5 Grundsätzlich soll die Ausländerbehörde von zeitnah überprüfen. Die Pflicht zur Vorlage ab-
sämtlichen Pässen und Passersatzpapieren eines gelaufener Passersatzpapiere dient der Über-
sich nicht nur kurzfristig im Inland aufhalten- wachung des Verbleibs.
den Ausländers Kenntnis haben, die dieser be-
sitzt. Darüber hinaus soll der Ausländer nicht 48.1.5.3 Die allgemeine, selbständige Pflicht zur Vorlage
unnötig deutsche Pass- und Ausweisersatz- sämtlicher Pass-, Passersatz- und Ausweis-
papiere besitzen. Die ergänzenden Vorschriften papiere bei Vorhandensein mehrerer solcher
in § 56 Absatz 1 Nummer 6 und 7 sowie § 57 Papiere (§ 57 AufenthV) dient ebenfalls den in
AufenthV sollen der Durchsetzung dieser Nummer 48.1.5 genannten Zwecken. Auf die in
Grundsätze dienen. Dies ist insbesondere im § 83 AufenthV genannte Übergangsfrist wird
Zusammenhang mit Sicherheitsfragen und im hingewiesen.
Asylbereich erforderlich, da Pässe und Pass-
ersatzpapiere sowohl über ggf. vorhandene 48.1.5.4 Der Verstoß u. a. gegen die in § 56 Absatz 1
Mehrfachidentitäten des Ausländers Aufschluss Nummer 5 bis 7 und § 57 AufenthV geregelten
geben können, als auch – durch in den Papieren Pflichten ist nach § 77 Nummer 2 bis 4 Auf-
angebrachte Vermerke – über Reiserouten. enthV, jeweils i. V. m. § 98 Absatz 3 Nummer 7,
bußgeldbewehrt.
48.1.5.1 § 56 Absatz 1 Nummer 6 AufenthV ordnet vor
diesem Hintergrund ergänzend zum Aufent- 48.1.6.1 Besitzt ein Ausländer einen deutschen Reise-
haltsgesetz an, dass der Ausländer nach dem ausweis für Ausländer und einen nicht deut-
Wiederauffinden eines Passes oder Passersatz- schen, in Deutschland anerkannten und zum
papiers unverzüglich das wiederaufgefundene Grenzübertritt berechtigenden ausländischen
Dokument und sämtliche nach dem Verlust Pass oder Passersatz, ist der deutsche Reise-
ausgestellte – in- und ausländische – Pässe und ausweis für Ausländer i. d. R. einzuziehen (§ 4
Passersatzpapiere der für den Wohnort (ersatz- Absatz 7 AufenthV). Besitzt ein Ausländer
weise, insbesondere bei Touristen ohne Wohn- mehrere deutsche Reiseausweise für Ausländer,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1099

ohne einen in Deutschland anerkannten und zur Ausländerakte oder bringt auf jeder Perso-
zum Grenzübertritt berechtigenden auslän- nalien enthaltenden Seite einen Stempel
dischen Pass oder Passersatz zu besitzen, sind „UNGÜLTIG – EXPIRED“
i. d. R. mit Ausnahme des für den längsten
Zeitraum gültigen Reiseausweises sämtliche an, nimmt eine Kopie des ungültig gestempelten
anderen einzuziehen. Entsprechendes gilt für Papiers einschließlich sämtlicher Seiten, die
den Besitz mehrerer Reiseausweise für Flücht- Vermerke (auch fremder Staaten) enthalten, zur
linge bzw. für Staatenlose. Besitzt der Auslän- Akte und händigt dem Ausländer das derart
der einen deutschen Reiseausweis für Auslän- ungültig gemachte Original auf Wunsch wieder
der neben einem Reiseausweis für Flüchtlinge aus. Die Aushändigung des Originals kann dem
bzw. für Staatenlose, ist der Reiseausweis für Ausländer den urkundlichen Nachweis er-
Ausländer i. d. R. einzuziehen. Besitzt der Aus- laubter Aufenthaltszeiten ermöglichen und ist
länder neben den genannten Papieren einen daher nur in Ausnahmefällen zu verweigern.
Notreiseausweis, ist der Notreiseausweis ein- Zur Vermeidung einer Verwendung im Zusam-
zuziehen. menhang mit Fälschungen sind vor der Aus-
händigung Hologramme, die im Vordruck so-
48.1.6.2 Besitzt der Ausländer neben einem deutschen wie in deutschen Aufenthaltstiteln oder Schen-
Reiseausweis für Flüchtlinge einen aus- gen-Visa enthalten sind, durchzulochen. Visa
ländischen Nationalpass, ist zu prüfen, ob ein und Aufenthaltstitel, die nicht auf den von den
Fall des § 72 Absatz 1 Nummer 1 AsylVfG Schengen-Staaten zu verwendenden einheit-
vorliegt. Andernfalls sind dem Ausländer beide lichen Vordrucken ausgestellt wurden, dürfen
Pässe zu belassen und dies entsprechend zu weder beschädigt noch ungültig gestempelt
vermerken (Nummer 3.3.4.7). Besitzt der Aus- werden, da deutsche Behörden nicht dafür zu-
länder neben einem deutschen Reiseausweis für ständig sind, durch Vermerke Aussagen über
Flüchtlinge einen ausländischen Passersatz, der die Gültigkeit dieser (ausländische Verwal-
nicht an Angehörige des ausstellenden Staates tungsakte verkörpernden) Etiketten zu treffen.
ausgestellt wird und der nicht ebenfalls ein
Reiseausweis für Flüchtlinge ist, sind dem Aus- 48.1.9 Der Pass oder Passersatz eines Ausländers ist in
länder beide Papiere zu belassen. Besitzt der Verwahrung zu nehmen (Absatz 1 i. V. m. § 50
Ausländer einen inländischen und einen aus- Absatz 6), wenn die Behörde feststellt, dass der
ländischen Reiseausweis für Flüchtlinge, ist zu Ausländer wegen unerlaubter Einreise nach
prüfen, ob die Zuständigkeit entsprechend Ar- § 58 Absatz 2 Nummer 1 vollziehbar ausreise-
tikel 28 i. V. m. § 11 Anhang der Genfer Flücht- pflichtig ist. Dies gilt auch, wenn ein Dritter
lingskonvention und dem Europäischen Über- unter Vorlage des Passes für den Ausländer bei
einkommen über den Übergang der Verant- der Ausländerbehörde vorstellig wird.
wortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 48. 1. 10.1 Der Pass oder Passersatz ist den zuständigen
(BGBl. 1994 II S. 2646) auf den auswärtigen Stellen vorübergehend zu überlassen, wenn
Staat übergegangen ist. Ggf. ist nach den Vor- Zweifel an der Echtheit oder Gültigkeit des
schriften der genannten Abkommen zu ver- Passes, der Identität oder Staatsangehörigkeit
fahren. des Passinhabers oder anderer eingetragener
Personen bestehen. Ordnungs-, polizei- und
48.1.6.3 Besitzt der Ausländer neben einem deutschen
strafrechtliche Regelungen bleiben unberührt.
Reiseausweis für Staatenlose einen aus-
ländischen Nationalpass, ist nicht davon aus- 48. 1. 10.2 Im Übrigen ist der Pass oder Passersatz den
zugehen, dass der Ausländer staatenlos ist. zuständigen Stellen vorübergehend zu über-
Dementsprechend ist der deutsche Reise- lassen, soweit dies zur Durchführung oder Si-
ausweis für Staatenlose einzuziehen. cherung von Maßnahmen nach dem Aufent-
haltsgesetz, insbesondere von aufenthalts-
48.1.6.4 Von der Einziehung eines deutschen Pas- beendenden Maßnahmen, erforderlich ist.
sersatzes kann abgesehen werden, wenn der
Passersatz ein Visum oder eine sonstige Be- 48. 1. 10.3 Dem Ausländer ist bei der Einbehaltung des
scheinigung enthält, deren Wiederbeschaffung Passes oder Passersatzes ein Ausweisersatz aus-
oder Übertragung nach Ungültigkeitserklärung zustellen (§ 55 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Auf-
des Passersatzes umständlich oder kostspielig enthV). Dies gilt auch bei kurzfristiger Ein-
ist. Dies gilt insbesondere beim Wiederauf- behaltung, es sei denn, die Einbehaltung dauert
finden nach Verlust. nicht länger als 24 Stunden. Zur Beantragung ist
der Ausländer nach § 56 Absatz 1 Nummer 4
48.1.7 Die Ausländerbehörde nimmt i. d. R. eine Fo- AufenthV verpflichtet. Ein Verstoß gegen die
tokopie des Passes oder Passersatzes – mit Verpflichtung ist nach § 77 Nummer 2 AufenthV
sämtlichen Seiten, die Vermerke enthalten – zur i. V. m. § 98 Absatz 3 Nummer 7 bußgeldbe-
Ausländerakte. Dies gilt auch bei der erst- wehrt. Auf die Verpflichtung ist der Ausländer
maligen Vorlage eines neu ausgestellten Passes hinzuweisen; der Hinweis ist aktenkundig zu
oder Passersatzes. machen (Nummer 50.6.3 bleibt unberührt).
48.1.8 Nach der Einziehung oder sonstigen Rück- 48. 1. 11 Die einbehaltenen Dokumente sind dem Aus-
nahme eines deutschen Passersatzes nimmt die länder – ggf. Zug um Zug gegen Rückgabe des
Behörde entweder den Passersatz im Original für die Zwischenzeit ausgestellten Aus-
Seite 1100 GMBl 2009 Nr. 42– 61

weisersatzes – auszuhändigen, wenn sie für die 48.2.2 In § 55 Absatz 1 Satz 1 AufenthV sind die Fälle
Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen genannt, in denen die Behörde auf Antrag dem
nach dem Aufenthaltsgesetz nicht mehr benö- Ausländer einen Ausweisersatz ausstellen muss.
tigt werden.
48.2.2.1 Die Voraussetzung zur Ausstellung eines Aus-
48. 1. 12 Ausländer, die im Rahmen von Prüfungen nach weisersatzes nach § 55 Absatz 1 Satz 1 Num-
dem SchwarzArbG angetroffen werden, sind mer 1 AufenthV ist erfüllt, wenn der Ausländer
verpflichtet, ihren Pass, Passersatz oder Aus- einen Pass oder Passersatz weder besitzt noch
weisersatz und ihren Aufenthaltstitel, ihre in zumutbarer Weise erlangen kann. Zur Zu-
Duldung oder ihre Aufenthaltsgestattung den mutbarkeit ist nach § 55 Absatz 1 Satz 3 Auf-
Behörden der Zollverwaltung auf Verlangen enthV auf § 5 Absatz 2 AufenthV abzustellen.
vorzulegen und, sofern sich Anhaltspunkte für Auf Nummer 3.3.1.2 bis Nummer 3.3.1.4 wird
einen Verstoß gegen ausländerrechtliche Vor- hingewiesen. Asylbewerber erfüllen ihre Aus-
schriften ergeben, zur Weiterleitung an die zu- weispflicht mit der Bescheinigung über die
ständige Ausländerbehörde zu überlassen. Aufenthaltsgestattung, weshalb ihnen kein
Werden die Dokumente einbehalten, erhält der Ausweisersatz ausgestellt wird.
betroffene Ausländer eine Bescheinigung, wel- 48.2.2.2 Ein Fall des § 55 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2
che die einbehaltenen Dokumente und die AufenthV liegt stets vor, wenn der Pass oder
Ausländerbehörde bezeichnet, an die die Do- Passersatz einer inländischen Behörde über-
kumente weitergeleitet werden. Der Ausländer lassen wurde. In diesem Falle wird gesetzlich
ist verpflichtet, unverzüglich mit der Be- vermutet, dass die Beschaffung eines weiteren
scheinigung bei der Ausländerbehörde zu er- Passes oder Passersatzes von einem anderen
scheinen. Darauf ist in der Bescheinigung hin- Staat entweder unmöglich oder aber unzumut-
zuweisen. Gibt die Ausländerbehörde die ein- bar oder nicht rechtzeitig möglich ist. Uner-
behaltenen Dokumente zurück oder werden heblich ist, ob die Überlassung freiwillig oder
Ersatzdokumente ausgestellt oder vorgelegt, auf Grund einer gesetzlichen Pflicht erfolgte.
behält die Ausländerbehörde die Bescheinigung Auf Nummer 48. 1. 12 wird hingewiesen.
ein. Anderenfalls ist der Ausländer von der
Ausländerbehörde auf seine Pflicht hinzu- 48.2.3 Nach § 55 Absatz 1 Satz 2 AufenthV ist ein be-
weisen, einen Ausweisersatz zu beantragen sonderer Antrag nicht erforderlich, wenn der
(§ 55 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AufenthV). Ausländer bereits einen deutschen Passersatz
beantragt hat. In diesen Fällen gilt der Antrag
48. 1. 13 Die Vorlage, Aushändigung, Überlassung, Ver- für den deutschen Passersatz als hilfsweise für
wahrung und Herausgabe des Passes oder Pas- einen Ausweisersatz gestellt. Bei Ablehnung
sersatzes eines Asylbewerbers richtet sich nach des Antrages auf den Passersatz hat die Behörde
§ 15 Absatz 2 Nummer 4 sowie §§ 21 und 65 daher hilfsweise zu prüfen, ob ein Ausweiser-
AsylVfG, jeweils auch i. V. m. § 71a Absatz 2 satz auszustellen ist.
und 3 AsylVfG.
48.2.4 Nach § 55 Absatz 2 AufenthV kann zudem
Ein Ausländer, dessen Asylberechtigung oder nach Ermessen ein Ausweisersatz ausgestellt
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft er- werden, wenn der Pass oder Passersatz der im
lischt, hat seinen Reiseausweis nach § 72 Ab- Inland belegenen oder für das Bundesgebiet
satz 2 AsylVfG herauszugeben. Gleiches gilt in zuständigen Vertretung eines auswärtigen Staa-
den Fällen des § 73 Absatz 6 AsylVfG. tes überlassen wurde. Die Überlassung ist
nachzuweisen, etwa durch Vorlage eines Ein-
lieferungsbeleges der Post für ein Einschreiben
48.2 Erfüllung der Ausweispflicht mit einem Aus- an die Auslandsvertretung oder eine Emp-
weisersatz fangsbescheinigung. Von der Ausstellung ist
nur dann abzusehen, wenn die Bearbeitung des
48.2.1 Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines
Visumantrages voraussichtlich nur wenige Tage
Ausweisersatzes sind in § 55 Absatz 1 und 2
erfordert und nicht zu erwarten ist, dass der
AufenthV geregelt. Der Ausweisersatz ist kein
Ausländer durch den vorübergehenden Nicht-
Passersatz. Er berechtigt im Vergleich zum
besitz des Passes oder Passersatzes Nachteile
Reisedokument insbesondere nicht zum
haben wird. Dies gilt insbesondere bei Aus-
Grenzübertritt. Hierüber ist der Ausländer zu
ländern, die sich visumfrei in Deutschland auf-
belehren. Einem Ausländer, der einen Aufent-
halten können und durch andere Papiere (etwa
haltstitel oder eine Duldung besitzt und einen
einen nicht als Passersatz anerkannten Perso-
anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz
nalausweis) ihre Identität und Staatsangehörig-
nicht in zumutbarer Weise erlangen kann, muss
keit glaubhaft nachweisen können.
grundsätzlich ein Ausweisersatz ausgestellt
werden. Dies gilt nicht, wenn der Aufenthalts- 48.2.5 Liegt ein Fall des § 55 Absatz 1 oder 2 Auf-
titel widerrufen werden soll. Der Ausstellung enthV vor, ist der Ausländer nach § 56 Absatz 1
eines Ausweisersatzes bedarf es nicht, wenn der Nummer 4 AufenthV verpflichtet, einen Aus-
Ausländer bereits einen neuen Pass beantragt weisersatz zu beantragen, sofern er nicht einen
hat und zu erwarten ist, dass dieser innerhalb anderen deutschen Passersatz beantragt. Ein
von drei Monaten ausgestellt wird; vgl. hierzu Verstoß ist bußgeldbewehrt (§ 77 Nummer 2
auch § 56 Absatz 1 Nummer 1 AufenthV. AufenthV i. V. m. § 98 Absatz 3 Nummer 7).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1101

48.2.6 Für den Ausweisersatz ist das in Anlage D1 zur der Erfüllung der Passpflicht abgesehen wird,
AufenthV bezeichnete Muster zu verwenden soll bei Vorliegen der Voraussetzungen i. d. R.
(§ 58 Satz 1 Nummer 1 AufenthV). (§ 5 Absatz 3 Satz 1) ein Ausweisersatz aus-
48.2.7 Eine Ausstellung des Ausweisersatzes für einen gestellt werden, wobei die Verpflichtungen zur
kürzeren Zeitraum als die Geltungsdauer des Mitwirkung bei der Passbeschaffung nach Ab-
Aufenthaltstitels oder die Bescheinigung über satz 3 unberührt bleiben. Wenn die Voraus-
die Aussetzung der Abschiebung ist nach § 55 setzungen der Ausstellung eines Passersatzes
Absatz 3 AufenthV möglich und insbesondere nach der AufenthV erfüllt sind, ist vorrangig ein
dann zweckmäßig, wenn der Ausländer nur solcher Passersatz zu beantragen, sofern ein
vorübergehend einen Pass oder Passersatz nicht Pass oder Passersatz des Herkunftsstaates nicht
besitzt (etwa in den Fällen des § 55 Absatz 1 in zumutbarer Weise zu erlangen ist. Mit dem
Satz 1 Nummer 2 oder des § 55 Absatz 2 Auf- Passersatz nach der AufenthV wird die Pass-
enthV). Ansonsten entspricht die Gültigkeit der pflicht nach § 3 Absatz 1 unmittelbar erfüllt.
Geltungsdauer des Aufenthaltstitels oder der
Bescheinigung über die Aussetzung der Ab-
schiebung (Duldung). 49 Zu § 49 – Überprüfung, Feststellung und
Sicherung der Identität
48.3 Verpflichtung zur Mitwirkung an der
49.1 Identitätsüberprüfung und Überprüfung der
Beschaffung von Dokumenten
Echtheit biometriegestützter Identitäts-
48.3.1 Die in Absatz 3 genannten Mitwirkungs- papiere
pflichten werden durch § 56 Absatz 1 Num-
mer 1 bis 3 AufenthV ergänzt. § 15 Absatz 2 49.1.0 Die Vorschrift des Absatzes 1 dient der Identi-
Nummer 6 AsylVfG bleibt unberührt. Wäh- tätsüberprüfung von Ausländern und der
rend die genannten Vorschriften der AufenthV Überprüfung der Echtheit biometriegestützter
die Verpflichtung des Ausländers betreffen, Identitätspapiere i. S. d. § 48 Absatz 1 Num-
selbständig für den Besitz eines gültigen Passes mer 1.
oder Passersatzes zu sorgen, betrifft § 48 Ab- 49.1.1.1 Nach Absatz 1 Satz 1 sind alle mit dem Vollzug
satz 3 eine Mitwirkungspflicht bei Bemühun- des Aufenthaltsgesetzes betrauten Behörden im
gen der Behörde, einen Pass oder Passersatz zu Falle einer konkreten Verpflichtung des Aus-
beschaffen oder die Behörde sonst bei der Fest- länders nach § 48 Absatz 1, seinen Pass, Passer-
stellung der Identität, Staatsangehörigkeit oder satz oder Ausweisersatz vorzulegen, aus-
der Feststellung oder Geltendmachung einer zuhändigen oder vorübergehend zu überlassen,
Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. zum Auslesen der in den vorgenannten Doku-
48.3.2 Die Verpflichtung nach Satz 1 betrifft nicht nur menten gespeicherten biometrischen Daten
Pässe und Passersatzpapiere, sondern auch (Fingerabdrücke, Lichtbild oder Irisbilder –
sonstige Urkunden und Dokumente unabhän- vgl. Absatz 1 Satz 3) und zu deren Abgleich mit
gig vom Aussteller, sofern sie zu den genannten den beim betroffenen Ausländer entsprechend
Zwecken geeignet sind. erhobenen biometrischen Daten berechtigt.
48.3.3 Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Mitwir- 49.1.1.2 Hinsichtlich der Verpflichtung des Ausländers
kungshandlungen bei der Beschaffung aus- zur Vorlage, zur Aushändigung oder zum vor-
ländischer Pässe und Passersatzpapiere kann auf übergehenden Überlassen der Dokumente nach
die Regelung in § 5 Absatz 2 AufenthV zurück- § 48 Absatz 1 Nummer 1 wird auf Num-
gegriffen werden. Die Aufzählung in § 5 Ab- mer 48.1 verwiesen.
satz 2 AufenthV besagt nicht im Umkehrschluss,
dass andere als die dort aufgeführten Mit- 49.1.1.3 Hinsichtlich der Zuständigkeit für Maßnahmen
wirkungshandlungen an sich unzumutbar sind. nach Absatz 1 Satz 1 wird auf Nummer 71.4
verwiesen. Es gilt insoweit die Zuständigkeits-
48.3.4 Hinsichtlich der Verpflichtung zur Mitwirkung regelung des § 71 Absatz 4 entsprechend, weil
bei der Herstellung von Lichtbildern kann auf Maßnahmen zur Überprüfung der Identität
§ 60 AufenthV zurückgegriffen werden. Die nach Satz 1 an die Pflicht zur Vorlage, zur Aus-
Ausländerbehörde kann anordnen, dass Licht- händigung oder zum vorübergehenden Über-
bilder mit Kopfbedeckung zu fertigen sind, so- lassen der Dokumente nach § 48 Absatz 1
fern dies für die Rückübernahme oder die Aus- Nummer 1 an die mit dem Vollzug des Aus-
stellung eines Passes oder Passersatzes erfor- länderrechts betrauten Behörden i. S. d. § 71
derlich ist und die betreffende Person dann Absatz 4 anknüpfen.
noch identifizierbar bleibt.
49.1.2.1 Zu entsprechenden Maßnahmen nach Absatz 1
48.3.5 Die Nichtvorlage einer der in Absatz 3 Satz 1 Satz 1 sind auch die Meldebehörden und alle
genannten Urkunde auf Verlangen ist nach § 98 Behörden berechtigt, denen nach den §§ 15 bis
Absatz 2 Nummer 3 bußgeldbewehrt. 20 AZRG Daten aus dem Ausländerzentral-
register übermittelt werden (vgl. Absatz 1
48.4 Ausstellung eines Ausweisersatzes bei Aus- Satz 2). Zu letzteren zählen insbesondere das
nahmen von der Passpflicht Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
Ausländern, die keinen Pass oder Passersatz Aufnahmeeinrichtungen oder Stellen nach § 88
besitzen, und bei denen vom Regelerfordernis Absatz 3 AsylVfG, die Bundespolizei zur
Seite 1102 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Durchführung ausländer- und asylrechtlicher genannten Fällen die vom Auswärtigen Amt
Aufgaben, Luftsicherheitsbehörden, Polizei- ermächtigten Auslandsvertretungen (§ 71
vollzugsbehörden des Bundes und der Länder, Absatz 2),
oberste Bundes- und Landesbehörden, das
49.2.3.3 – die mit der polizeilichen Kontrolle des
Bundesamt für Justiz, Gerichte, das Zoll-
grenzüberschreitenden Verkehrs beauftrag-
kriminalamt, die Bundesagentur für Arbeit und
ten Behörden im Zusammenhang mit den in
die Behörden der Zollverwaltung, die Träger
§ 71 Absatz 3 und 4 konkret genannten
der Sozialhilfe und die für die Durchführung
Aufgaben,
des AsylbLG zuständigen Stellen, Staatsange-
hörigkeits- und Vertriebenenbehörden sowie 49.2.3.4 – die Polizeien der Länder im Zusammenhang
die Verfassungsschutzbehörden, der Militäri- mit der Zurückschiebung sowie der Durch-
sche Abschirmdienst und der Bundesnach- setzung der Verlassenspflicht nach § 12 Ab-
richtendienst. satz 3 und der Durchführung der Abschie-
bung sowie den in § 71 Absatz 5 genannten
49.1.2.2 Voraussetzung für identitätsüberprüfende
vorbereitenden Maßnahmen.
Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 genannten
Behörden ist, dass sie im Einzelfall die Echtheit 49.2.4 Identitätsmerkmale sind Name, Vornamen,
eines Dokuments nach § 48 Absatz 1 Num- Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort und
mer 1 oder die Identität des Inhabers auf der Wohnort. Die Pflicht, Angaben zum Alter zu
Grundlage anderer gesetzlicher Vorgaben machen, hat insbesondere dann eine eigene
überprüfen dürfen. Bedeutung, wenn das Geburtsdatum nicht ge-
nau angegeben werden kann. Die Pflicht zur
49.2 Verpflichtung zu Angaben zur Identität und Angabe der Staatsangehörigkeit erstreckt sich
Staatsangehörigkeit auf sämtliche gegenwärtigen Staatsange-
hörigkeiten, sofern die Angabe sämtlicher
49.2.1 Die Verpflichtung nach Absatz 2, Angaben zur Staatsangehörigkeiten ausdrücklich verlangt
Identität, zum Alter und zur Staatsangehörig- wird.
keit zu machen und die erforderlichen Erklä-
rungen zur Beschaffung von Heimreisedoku- 49.2.5 Zur Ermöglichung oder Erleichterung von
menten abzugeben, besteht gegenüber den mit Rückführungen besteht die Pflicht, die von den
dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehö-
Behörden, soweit diese Behörden im Einzelfall rigkeit der Ausländer besitzt oder vermutlich
auch ausländerbehördlich tätig werden. besitzt, für die Ausstellung von Heimreise-
dokumenten (z. B. Pass) geforderten Erklä-
49.2.2 Insbesondere wegen der Strafbewehrung der rungen abzugeben. Die Pflicht besteht nur in-
Unterlassung oder falscher oder unvoll- soweit, als die geforderten Erklärungen auch
ständiger Angaben nach § 95 Absatz 1 Num- nach deutschem Recht zulässig sind.
mer 5 ist die Vorschrift hinsichtlich des Kreises
der Behörden nicht zu weit zu ziehen. Unbe-
49.3 Feststellende Maßnahmen bei Zweifeln über
schadet anderer Straf- oder Bußgeldvor-
die Person, das Lebensalter oder die Staats-
schriften betrifft daher Absatz 2 insbesondere
angehörigkeit
nicht falsche Angaben, die im Zusammenhang
mit der behördlichen Aufgabenwahrnehmung Absatz 3 betrifft Maßnahmen zur Fest-
in den Bereichen der allgemeinen Gefahrenab- stellung, nicht zur Sicherung der Identität.
wehr, der Verkehrsüberwachung, der Gewer- Zur Feststellung der Identität, des Lebens-
beüberwachung oder des Meldewesens gemacht alters und der Staatsangehörigkeit gemäß Ab-
werden, sofern nicht deutlich – auch für den satz 3 ist zunächst eine eingehende Befragung
Ausländer – erkennbar auch der ausländer- des Ausländers zu seiner Person und zu sei-
behördliche Wirkungskreis betroffen ist. Der nem bisherigen Lebenslauf erforderlich, um
Ausländer ist im Zweifel darauf hinzuweisen Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen zu
(§ 82 Absatz 3 Satz 1), dass die Behörde aus- erhalten (z. B. Zeugenbefragungen, Anfragen
länderrechtlich tätig wird, und dieser Hinweis bei anderen in- und ausländischen Behörden,
ist aktenkundig zu machen. Dies ist nicht er- Vorführung bei einer Vertretung des ver-
forderlich, wenn die Wahrnehmung einer aus- muteten Heimatlandes sowie Befragung durch
länderrechtlichen Aufgabe offenkundig ist, wie hierzu ermächtigte Bedienstete des ver-
etwa bei der polizeilichen Kontrolle des grenz- muteten Heimatlandes). Der Betroffene ist
überschreitenden Verkehrs oder der Tätigkeit aufzufordern, geeignete Nachweise (z. B. Do-
der Ausländerbehörde. kumente) beizubringen, die seine Angaben
belegen.
49.2.3 Die durch Absatz 2 erfassten Behörden sind
entsprechend der Zuständigkeitsregelung des
§ 71: 49.4 Identitätssicherung bei einer Verteilung
gemäß § 15a
49.2.3.1 – die Ausländerbehörden in diesem Auf-
gabenbereich (§ 71 Absatz 1), Sofern eine Verteilung als unerlaubt eingereister
Ausländer gemäß § 15a stattfindet, sind er-
49.2.3.2 – im Ausland für Pass- und Visaangelegen- kennungsdienstliche Maßnahmen durchzufüh-
heiten und in den in Absatz 5 Nummer 5 ren, um die Identität zu sichern.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1103

49.5 Feststellende und sichernde Maßnahmen in darf nur nach Maßgabe des Absatzes 4 oder 5
weiteren Fällen Erhebungszweck sein.
49.5.1 Feststellende und sichernde Maßnahmen sollen 49.6.2 Bei Ausländern unter 14 Jahren sind die in
unter den Voraussetzungen des Absatzes 5 Absatz 6 Satz 1 genannten Maßnahmen nach
i. d. R. auch dann ergriffen werden, wenn keine Absatz 6 Satz 2 unzulässig, nicht aber andere
aktuellen Zweifel an der Identität oder Staats- Maßnahmen, insbesondere – kindgerechte –
angehörigkeit des Ausländers bestehen, und Befragungen. Zweifel an der Vollendung des
auch dann, wenn sie nicht für die Durchführung 14. Lebensjahres gehen auf Grund der Darle-
anstehender ausländerrechtlicher Maßnahmen gungslast nach § 82 Absatz 1 Satz 1 zu Lasten
erforderlich sind. Die Maßnahmen nach Ab- des Ausländers. Ist der Zweck der Maßnahme
satz 5 dienen auch der Vorbereitung einer im auf die Feststellung des Lebensalters gerichtet,
Falle etwaiger Wiedereinreisen erforderlichen kann dieser Zweck nicht durch bloße Behaup-
Identitätsfeststellung und weiteren Zwecken tung eines Jugendlichen, jünger als 14 Jahre alt
der polizeilichen Gefahrenabwehr nach Maß- zu sein, unterlaufen werden. In diesen Fällen
gabe der entsprechenden Vorschriften zur findet die Einschränkung des Absatzes 6 Satz 2
Zweckbestimmung und Übermittlung der er- deshalb nur Anwendung, wenn die Inaugen-
hobenen Daten (insbesondere § 89). scheinnahme ergibt, dass es sich um ein noch
nicht 14 jähriges Kind handelt.
49.5.2.1 Bei Vorlage des Visumantrags nach Absatz 5
Nummer 5 in der zuständigen Auslands- 49.6.3 Für den Zweck der Identitätsfeststellung – nicht
vertretung ist vom Antragsteller ein Lichtbild notwendig der Identitätssicherung – sind nach
aufzunehmen und sind dessen Fingerabdrücke Satz 3 die dort genannten milderen Mittel vor-
abzunehmen (vgl. Absatz 6a). Anstelle der rangig anzuwenden.
Aufnahme eines Lichtbildes kann der Antrag-
steller auch ein aktuelles Lichtbild vorlegen. 49.6a Maßnahmen i. S. d. Absatzes 5 Nummer 5
49.5.2.2 Die Auslandsvertretung kann von der Durch- Vgl. zu dieser Bestimmung die Bezugnahme in
führung erkennungsdienstlicher Maßnahmen Nummer 49.5.2.1.
absehen, wenn vom Antragsteller bei Vorlage
eines früheren Visumantrags, der nicht länger 49.7 Aufzeichnung des gesprochenen Wortes
als 59 Monate zurückliegt, Maßnahmen nach
Absatz 5 Nummer 5 durchgeführt worden sind; 49.7.1 Die Bestimmung des Herkunftsstaates oder der
sofern der Antragsteller ein Kind im Alter von Herkunftsregion durch die in Absatz 7
sechs bis zwölf Jahren ist, verkürzt sich die genannte Methode muss zur Vorbereitung aus-
vorgenannte Frist auf 24 Monate. länderrechtlicher Maßnahmen erforderlich sein.

49.5.2.3 Von der Abnahme der Fingerabdrücke wird 49.7.2 Zu anderen Zwecken als den in Absatz 7
abgesehen bei genannten darf das gesprochene Wort des Aus-
länders nicht aufgezeichnet werden.
– Ausländern unter 14 Jahren (§ 49 Absatz 6
Satz 2), 49.7.3 Das Einverständnis des Ausländers ist nicht er-
forderlich, er ist aber vor der Aufzeichnung von
– Personen, soweit die Abnahme der Finger- der Maßnahme in Kenntnis zu setzen. Dies
abdrücke physisch unmöglich ist; falls sich kann auch mündlich erfolgen und ist dann
die physische Unmöglichkeit nur auf die durch einen Aktenvermerk oder einen Hinweis
Abnahme einzelner Fingerabdrücke be- auf dem Tonträger zu dokumentieren.
zieht, werden die anderen Fingerabdrücke
erhoben,
49.8 Identitätssicherung bei unerlaubter Einreise
– Staatsoberhäuptern oder Regierungschefs
oder Inhabern von Diplomatenpässen, die In den Fällen des Absatzes 8 ist die genannte
Staatsoberhäupter oder Regierungschefs im Maßnahme zwingend durchzuführen. Absatz 6
Rahmen einer offiziellen Delegation anläss- bedeutet nicht, dass in anderen Fällen die zu-
lich einer Einladung der Regierung des lässige Abnahme von Fingerabdrücken nur
Bundes oder eines Landes oder einer inter- durch die Abnahme von weniger als zehn Fin-
nationalen Organisation begleiten. gern erfolgen dürfte.

49.9 Identitätssicherung bei Aufenthalt ohne


49.6 Ausführung der identitätsfeststellenden und
erforderlichen Aufenthaltstitel
-sichernden Maßnahmen
49.9.1 Auch in den Fällen des Absatzes 9 ist die ge-
49.6.1 Die Vorschrift unterscheidet nach dem Er-
nannte Maßnahme zwingend durchzuführen.
hebungszweck. Es ist aktenkundig zu machen,
ob die Erhebungen der Feststellung oder aber 49.9.2 Anhaltspunkte für die Stellung eines Asylan-
der Sicherung der Identität oder Staatsangehö- trages in einem Mitgliedstaat der Europäischen
rigkeit oder beiden Zwecken dienen sollen. Zur Union können insbesondere auf Grund der
Feststellung der Identität können Maßnahmen Staatsangehörigkeit oder der festgestellten oder
unter den Voraussetzungen der Absätze 3 oder vermuteten Herkunft des Aufgegriffenen und
5 ergriffen werden; die Sicherung der Identität dem Antreffen auf einem typischen Reiseweg
Seite 1104 GMBl 2009 Nr. 42– 61

von Personen, die in einem anderen Mitglied- unmittelbar durch die Fundbehörde bearbeitet
staat einen Asylantrag gestellt haben, abgeleitet werden können, zur Aufnahme in die Fund-
werden. papier-Datenbank zuzuleiten. Das Bundes-
verwaltungsamt speichert hierzu die aus dem
49.10 Duldungspflicht Fundpapier hervorgehenden Daten in der
Fundpapier-Datenbank. Die Daten, die für die
Zur Durchsetzung der in Absatz 1 und 3 bis 8 Fundpapier-Datenbank vom Bundesverwal-
genannten Maßnahmen kann unmittelbarer tungsamt im Einzelnen zu erheben sind, be-
Zwang nach Maßgabe der jeweiligen bundes- stimmen sich nach den Vorgaben des Gesetzes
oder landesrechtlichen Vorschriften angewandt (siehe unten Nummer 49b). Sie sind nach der
werden. vom Bundesverwaltungsamt erstellten Ein-
gabemaske für das automatisierte Verfahren
bzw. nach einem dieser Maske entsprechenden
49a Zu § 49a – Fundpapier-Datenbank Formblatt zu erfassen.
49a.0 Allgemeines 49a.1.2 Zweck der Datenspeicherung ist es, durch die
Zuordnung eines Fundpapiers zum Inhaber die
49a.0.1 Die Fundpapier-Datenbank wird beim Bun- Identität eines passlosen Ausländers festzu-
desverwaltungsamt geführt. Die Errichtung stellen sowie ggf. seine Rückführung zu er-
dieser zentralen Datenbank stellt sicher, dass so
möglichen.
genannte Fundpapiere in einheitlicher Weise
erfasst werden. Unter Fundpapieren i. S. d. Ge-
setzes sind ausschließlich ausländische Identifi- 49a.2 Übersendungspflichten
kationspapiere von Staatsangehörigen, die nach 49a.2.1 Nach Ablauf von sieben Tagen muss jede öf-
EU-Recht visumpflichtig sind (nach gegen- fentliche Stelle unverzüglich, d. h. ohne schuld-
wärtigem Stand sind das Staatsangehörige der haftes Zögern, ein in ihren Gewahrsam ge-
im Anhang I der Verordnung (EG) Num- langtes Fundpapier an das Bundesverwaltungs-
mer 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur amt übersenden, es sei denn, es liegt einer der
Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Ausnahmegründe des § 49a Absatz 2 Num-
Staatsangehörige beim Überschreiten der Au- mer 1 bis 3 vor. Unter „öffentlicher Stelle“ wird
ßengrenzen im Besitz eines Visums sein müs- hierbei der gesamte Bereich der Betätigung der
sen, sowie der Liste der Drittländer, deren öffentlichen Hand erfasst. Dies sind insbe-
Staatsangehörige von dieser Visumpflicht be- sondere Behörden, Organe der Rechtspflege
freit sind (ABl. EU 2001 Nummer L 81 S. 1) und andere öffentlich organisierte Einrichtun-
aufgelisteten Staaten) zu verstehen, die gen (z. B. auch Krankenhäuser, Fundbüros,
– im Bundesgebiet gefunden wurden oder Schulen etc.).
– auf sonstige Weise in den Besitz von Be- 49a.2.2 Fundpapiere, die zum Zeitpunkt der Inbetrieb-
hörden gekommen sind (z. B. Sicherstel- nahme der Fundpapier-Datenbank bei öffentli-
lungen durch Polizeibehörden) chen Stellen lagern, werden unverzüglich dem
Bundesverwaltungsamt übersandt und entspre-
und nicht dem rechtmäßigen Besitzer zuzu-
chend den Regularien der Fundpapier-Daten-
ordnen sind. Zweck der Speicherung von
bank bearbeitet.
Fundpapieren ist die Feststellung der Identität
oder Staatsangehörigkeit eines Ausländers, der 49a.2.3 Die Übersendungspflicht entfällt, sofern die
sich ohne Papiere im Bundesgebiet aufhält, so- öffentliche Stelle binnen sieben Tagen, nachdem
wie die Ermöglichung der Durchführung einer das Fundpapier in ihren Gewahrsam gelangt ist,
späteren Rückführung. von einer Verlustanzeige des Inhabers Kenntnis
erlangt. Damit soll im Falle des Abhanden-
49a.0.2 Um sicherzustellen, dass ge- oder verfälschte
kommens eines Dokumentes, bei dem der In-
Papiere nicht in die Fundpapier-Datenbank
haber seiner Verpflichtung nach § 56 Num-
aufgenommen werden, sind Fundpapiere vor
mer 5 AufenthV nachkommt und den Verlust
der Übersendung an das Bundesverwaltungsamt
anzeigt, die schnelle und unbürokratische
von den dafür in Betracht kommenden Stellen
Rückgabe an den Inhaber durch die auffindende
nach Möglichkeit einer Echtheitsprüfung zu
Stelle möglich bleiben.
unterziehen. Das Bundesverwaltungsamt ver-
anlasst selbst eine Echtheitsprüfung, wenn es 49a.2.4 Die Übersendungspflicht an das Bundesver-
begründete Zweifel an der Echtheit des Doku- waltungsamt entfällt auch, wenn der inlän-
ments hat. Ergeben sich bei einer Echtheits- dische Aufenthalt eines Ausländers zweifelsfrei
prüfung Erkenntnisse für das Vorliegen einer ermittelt werden kann. Kann der Aufenthalt
Fälschung, ist das Dokument an die zuständige zweifelsfrei ermittelt werden, ist das Fund-
Strafverfolgungsbehörde abzugeben. papier an die für den Inhaber zuständige Aus-
länderbehörde oder – im Falle eines Asylbe-
49a.1 Datenspeicherung, Datenpflege durch die werbers – an das Bundesamt für Migration und
Registerbehörde Flüchtlinge zu übersenden.
49a.1.1 Dem Bundesverwaltungsamt sind alle im Bun- 49a.2.5 Die Übersendungspflicht entfällt ferner, wenn
desgebiet aufgefundenen Fundpapiere, die nicht das Fundpapier für Zwecke eines Strafverfah-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1105

rens oder für Beweiszwecke in anderen Ver- nicht oder nicht mehr besitzt oder ein Aufent-
fahren benötigt wird. Gleichwohl muss die zu- haltsrecht nach dem ARB 1/80 nicht oder nicht
ständige Stelle in diesem Fall die im Fundpapier mehr besteht und sein Aufenthalt somit un-
enthaltenen Angaben zu § 49b Nummer 1 bis 3 rechtmäßig ist.
einschließlich des Lichtbildes an das Bundes-
50.1.2 Die Ausreisepflicht besteht nicht im Fall eines
verwaltungsamt zur dortigen Aufnahme in die
Aufenthalts, der ohne Aufenthaltstitel recht-
Fundpapier-Datenbank übermitteln, vorzugs-
mäßig ist.
weise auf elektronischem Weg durch Ein-
scannen des Fundpapiers. 50.1.2.1 Ohne Aufenthaltstitel ist der Aufenthalt eines
Ausländers rechtmäßig, wenn er sich auf Grund
von Vorschriften, die dem Aufenthaltsgesetz
49b Zu § 49b – Inhalt der Fundpapier-Datenbank vorgehen oder auf Grund von Spezialregelun-
49b.1 Nach § 49b Nummer 1 Buchstabe a) bis f) wer- gen in Deutschland aufhält (vgl. Nummer
den Angaben zum Inhaber des Fundpapiers ge- 14.1.2.1). Es handelt sich z. B. um
speichert. Dies sind die Personalien des In- – aus dem Recht der Europäischen Union be-
habers, die sich aus dem Identifikationspapier günstigte Drittstaatsangehörige (vgl. Num-
ergeben und in alphanumerischer Form ge- mer 14.1.2.1.1.7),
speichert werden. Nach § 49b Nummer 1 – bevorrechtigte Personen, soweit das Auf-
Buchstabe g) ist das Lichtbild einzuscannen und enthaltsgesetz auf sie nicht anzuwenden ist
in Form eines für den elektronischen Bildab- (§ 1 Absatz 2, z. B. in Deutschland akkredi-
gleich notwendigen binären Datensatzes zu tierte Diplomaten, NATO-Truppen-ange-
speichern. Soweit das Fundpapier neben dem hörige im Rahmen des NATO-Truppen-
Lichtbild als weiteres biometrisches Merkmal statuts),
Fingerabdrücke gemäß § 49b Nummer 1 Buch-
stabe h) enthält und diese auslesbar sind, kön- – Ausländer, die dem HAuslG unterfallen
nen diese ebenso wie das Lichtbild in einer (§ 12 HAuslG),
elektronisch abgleichbaren Form gespeichert – Ausländer, die nach den Regelungen des
werden. SDÜ bzw. Schengener Grenzkodex zum
49b.2 Nach § 49b Nummer 2 werden Angaben zum Kurzaufenthalt oder zur Durchreise be-
Fundpapier gespeichert. Diese Angaben sind rechtigt sind (z. B. Artikel 5 Absatz 4 Buch-
erforderlich, um auch nach einer beispielsweise stabe a) Schengener Grenzkodex, Artikel 18
völkerrechtlich gebotenen Rückgabe des Fund- bis 21 SDÜ),
papiers an den ausstellenden Staat später noch – Ausländer, deren Aufenthalt im Bundesge-
gegenüber dem Heimatstaat des Inhabers des- biet zur Durchführung des Asylverfahrens
sen Staatsangehörigkeit belegen zu können. gestattet ist (§ 55 Absatz 1 AsylVfG).
49b.3 Nach § 49b Nummer 3 Buchstabe b) sind neben 50.1.2.2 Ohne Aufenthaltstitel ist der Aufenthalt eines
der Bezeichnung der einliefernden Stelle An- Ausländers auch dann rechtmäßig, wenn er
gaben zur Aufbewahrung oder Rückgabe zu vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit
speichern, da für die ersuchende Stelle im Hin- ist oder sein Aufenthalt nach dem Aufenthalts-
blick auf eine Rückführung von Interesse sein gesetz kraft Gesetzes erlaubt ist. Das betrifft
kann, ob das Fundpapier noch im Besitz des Ausländer,
Bundesverwaltungsamtes ist oder bereits zu-
50.1.2.2.1 – die vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels
rückgegeben wurde.
befreit sind (§§ 15 ff. AufenthV) oder
49b.4 § 49b Nummer 4 sieht vor, dass eine vollstän-
50.1.2.2.2 – die der Fiktionswirkung des § 81 Absatz 3
dige Ablichtung des Fundpapiers (Ablich-
Satz 1 und Absatz 4 unterfallen.
tungen aller Seiten des Fundpapiers) in einge-
scannter Form in der Fundpapier-Datenbank 50.1.3.1 Die Ausreisepflicht entsteht kraft Gesetzes
gespeichert wird. ohne vorherigen Verwaltungsakt
49b.5 Nach § 49b Nummer 5 sind Ablichtungen der 50.1.3.1.1 – durch unerlaubte Einreise ohne erforder-
Nachweise der Rückgabe eines Fundpapiers lichen Aufenthaltstitel i. S. v. § 14 Absatz 1
an den ausstellenden Staat zu speichern. Dies (siehe aber Nummer 50.1.3.2),
ist notwendig, um auch nach einer eventuellen
Rückgabe des Fundpapiers an den ausstellen- 50.1.3.1.2 – durch Erlöschen der Aufenthaltsgestattung
den Staat die Staatsangehörigkeit des Inhabers (nach § 67 Absatz 1 Nummer 2 AsylVfG),
gegenüber dem Heimatstaat belegen zu kön- 50.1.3.1.3 – durch Wegfall der Befreiung vom Erforder-
nen. nis des Aufenthaltstitels nach erlaubter Ein-
reise, z. B. in den Fällen des § 15 AufenthV
nach Ablauf der Höchstdauer eines Kurz-
50 Zu § 50 – Ausreisepflicht aufenthaltes oder bei Aufnahme einer Er-
werbstätigkeit und dem daraus folgenden
50.1 Voraussetzungen der Ausreisepflicht
Wegfall der Befreiung bei Staatsangehörigen
50.1.1 Die Ausreisepflicht setzt voraus, dass der Aus- im Einzelnen aufgeführter Länder (§ 17
länder einen erforderlichen Aufenthaltstitel Absatz 1 AufenthV),
Seite 1106 GMBl 2009 Nr. 42– 61

50.1.3.1.4 – durch Ablauf der Geltungsdauer des Auf- entsteht die Ausreisepflicht bei Aufenthalten,
enthaltstitels (§ 51 Absatz 1 Nummer 1), die durch das nationale Recht geregelt sind, erst
sofern nicht rechtzeitig eine Verlängerung nach dem Widerruf (§ 52 Absatz 1 Nummer 1)
beantragt wurde, oder nach Ablauf der Geltungsdauer des Vi-
sums (§ 50 Absatz 1 und § 58 Absatz 2 Satz 1
50.1.3.1.5 – durch Eintritt einer auflösenden Bedingung
Nummer 2). Da ein entgegen § 5 Absatz 1
(§ 51 Absatz 1 Nummer 2),
Nummer 4 i. V. m. § 3 Absatz 1 erteiltes Visum
50.1.3.1.6 – durch Erfüllung der Erlöschenstatbestände nicht von vornherein nichtig ist und ein Visum
nach § 51 Absatz 1 Nummer 6 bis 8, wegen Passablaufs oder Ungültigkeit des Passes
nicht erlischt (§ 52 Absatz 1 Nummer 1), wird
50.1.3.1.7 – durch Wegfall der Voraussetzungen für die der Ausländer erst mit Ablauf der Geltungs-
Durchreise oder den Kurzaufenthalt nach dauer des Visums ausreisepflichtig, es sei denn,
den Regelungen des SDÜ bzw. des Schen- dieses Visum wird vorher widerrufen oder zu-
gener Grenzkodex (z. B. Artikel 18 bis 21 rückgenommen. Solange das Visum gültig ist,
SDÜ, Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a) ist Abschiebungshaft nicht zulässig.
Schengener Grenzkodex). Dies führt zur
Ausreisepflicht unmittelbar auf Grund von 50.1.3.6 Auf die besonderen Regelungen in Artikel 23
Artikel 23 Absatz 1 SDÜ. Dies gilt nicht, SDÜ wird hingewiesen (siehe unten Num-
wenn nach nationalem Recht, insbesondere mer 50.1.9).
nach der AufenthV, eine Befreiung vom Er-
50.1.3.7 Eine gesetzliche Ausreisepflicht schließt die
fordernis eines Aufenthaltstitels eintritt.
Ausweisung nicht aus. Bereits wegen der
50.1.3.2 Im Falle der nach § 14 Absatz 1 Nummer 2 Sperrwirkung (vgl. § 11) der Ausweisung ist die
oder 3 unerlaubten Einreise entsteht die Aus- Behörde vielmehr verpflichtet, eine Auswei-
reisepflicht zu dem Zeitpunkt, in dem die Ein- sung zu verfügen, wenn die gesetzlichen Vor-
reise beendet ist. Die Vollziehbarkeit der Aus- aussetzungen hierfür vorliegen.
reisepflicht tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein
und ist daher nicht selbständig anfechtbar. 50.1.4 Die Ausreisepflicht entsteht auf Grund eines
Verwaltungsaktes in Fällen
50.1.3.3 Die Ausreisepflicht entsteht ebenfalls kraft Ge-
setzes, wenn ein Aufenthaltsrecht nach dem 50.1.4.1 – der Versagung eines Aufenthaltstitels, wenn
Assoziationsrecht EWG/Türkei erlischt. Wur- zu diesem Zeitpunkt der Aufenthalt noch
de einem assoziationsrechtlich berechtigten rechtmäßig war,
Türken jedoch aus einem anderen Rechtsgrund 50.1.4.2 – der nachträglichen zeitlichen Beschränkung
ein Aufenthaltstitel, insbesondere eine Nieder- des rechtmäßigen Aufenthalts oder des
lassungserlaubnis erteilt, berührt der Wegfall Aufenthaltstitels,
des Aufenthaltsrechts nach Assoziationsrecht
diese auf deutschem Recht beruhende Rechts- 50.1.4.3 – des Widerrufs oder der Rücknahme,
stellung nicht.
50.1.4.4 – der Ausweisung oder der Abschiebungsan-
50.1.3.4 Die Einreise ohne einen anerkannten und gül- ordnung (§ 58a) und
tigen Pass oder Passersatz begründet außerhalb
50.1.4.5 – des § 67 Absatz 1 Nummer 3 bis 6 AsylVfG,
des Anwendungsbereichs des SDÜ nur dann
wenn es sich um einen Asylbewerber han-
eine gesetzliche Ausreisepflicht, wenn der Aus-
delt.
länder keinen erforderlichen Aufenthaltstitel
besitzt. Bei Passlosigkeit entfällt bei den schen- In diesen Fällen muss der Ausländer der Aus-
genrechtlich geregelten Aufenthalten hingegen reisepflicht nachkommen, wenn der die Aus-
die Aufenthaltsvoraussetzung nach Artikel 5 reisepflicht begründende Verwaltungsakt wirk-
Absatz 1 Buchstabe a) Schengener Grenzkodex sam geworden ist. Die Anfechtung des Verwal-
oder den hierauf beruhenden Vorschriften mit tungsakts lässt seine Wirksamkeit und damit die
der Folge, dass die auf Artikel 23 Absatz 1 SDÜ Wirksamkeit der Ausreisepflicht unberührt
beruhende Ausreisepflicht unmittelbar nach der (§ 84 Absatz 2 Satz 1).
Einreise entsteht.
50.1.5 Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist verpflich-
50.1.3.5 Bei der ausschließlich wegen Fehlens des er- tet, das Bundesgebiet zu verlassen. Diese Pflicht
forderlichen Passes nach § 14 Absatz 1 Num- kann nur mittels Einreise in einen anderen Staat
mer 1 unerlaubten Einreise entsteht die Aus- erfüllt werden (vgl. Nummer 50.4). Soweit der
reisepflicht – außer bei den durch das SDÜ ge- Ausländer in andere Staaten erlaubt einreisen
regelten Aufenthalten – nicht schon im darf, steht es ihm grundsätzlich frei, wohin er
Zeitpunkt der Einreise. Ist dem Ausländer ausreisen will.
durch die deutsche Auslandsvertretung oder die
Grenzbehörde ein Visum unter Vorlage eines 50.1.6 Die Ausreisepflicht endet durch
nicht als Pass oder Passersatz anerkannten Rei- 50.1.6.1 – Legalisierung des Aufenthalts im Wege der
sedokuments entgegen § 5 Absatz 1 Nummer 4 Erteilung eines Aufenthaltstitels,
i. V. m. § 3 Absatz 1 erteilt worden oder ist das
anerkannte Reisedokument, in dem das Visum 50.1.6.2 – Erwerb einer Aufenthaltsgestattung nach
eingetragen ist, vor der Einreise nach dem dem AsylVfG (in den Fällen des § 14 Ab-
Recht des Ausstellerstaates ungültig geworden, satz 3 Satz 1 AsylVfG steht die Erteilung
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1107

einer Aufenthaltsgestattung nicht der Auf- 50.1.9.3 Dennoch sollten vorhandene Visa zur Schaf-
rechterhaltung der Haft entgegen), fung von Rechtsklarheit in Fällen des Arti-
kels 23 Absatz 1 SDÜ widerrufen werden.
50.1.6.3 – Erfüllung im Wege der Ausreise (siehe
Deutsche Ausländerbehörden sind in diesen
Nummer 50.4) und
Fällen berechtigt, Schengen-Visa anderer
50.1.6.4 – Zurück- oder Abschiebung. Schengen-Staaten zu widerrufen. Artikel 23
Absatz 3 und 4 SDÜ sehen auch die grundsätz-
50.1.7 Da bei bestehender Ausreisepflicht der Aufent- liche Verpflichtung des Aufenthaltsstaates vor,
halt unrechtmäßig ist, muss die Ausländer- den betreffenden Ausländer in einen Drittstaat
behörde tätig werden, um diesen Zustand zu abzuschieben. Damit ist der Aufenthaltsstaat
beenden. Im Falle einer zwangsweisen Durch- berechtigt, über die endgültige Beendigung
setzung sind Abschiebungsverbote zu berück- eines durch einen anderen Schengen-Staat er-
sichtigen. Als Maßnahmen kommen in Betracht laubten Aufenthaltes zu entscheiden. In der
50.1.7.1 – die Legalisierung des Aufenthalts, wenn die Folge ist auch der Widerruf des durch diesen
Voraussetzungen für die Erteilung oder anderen Staat erteilten Visums möglich.
Verlängerung eines Aufenthaltstitels vor-
50.1.9.4 Bei Inhabern von Aufenthaltstiteln (nicht von
liegen,
Visa) anderer Schengen-Staaten ist zwingend
50.1.7.2 – die Überwachung der freiwilligen Ausreise das Konsultationsverfahren nach Artikel 25
nach Ablauf der Ausreisefrist (Rücklauf der SDÜ zu beachten. Unter „Aufenthaltserlaub-
Grenzübertrittsbescheinigung, vgl. Num- nis“ und „Aufenthaltstitel“ i. S. d. Bestimmun-
mer 50.4) oder gen sind entsprechend dem europarechtlichen
Sprachgebrauch keine Visa zu verstehen.
50.1.7.3 – die zwangsweise Durchsetzung der Aus-
reisepflicht im Wege der Zurückschiebung 50.1.9.5 Artikel 23 Absatz 2 SDÜ regelt, wohin der
oder Abschiebung. Drittausländer sich nach Entstehung der Aus-
reisepflicht zu begeben hat.
Soweit die Ausreisepflicht nicht auf einem Ver-
waltungsakt beruht, ist der Ausländer ge- 50.1.9.6 Artikel 23 Absatz 3 SDÜ begründet die allge-
sondert auf diese hinzuweisen. Dieser Hinweis meine Pflicht der Schengen-Staaten, die nach
ist im Allgemeinen mit einer Abschiebungsan- Artikel 23 Absatz 1 SDÜ ausreisepflichtigen
drohung unter Festsetzung einer Ausreisefrist Drittausländer abzuschieben, wenn eine frei-
nach § 59 Absatz 1 zu verbinden. willige Ausreise nicht stattfindet oder nicht zu
erwarten ist, oder wenn aus Gründen der na-
50.1.8 Die Zurückschiebung oder Abschiebung gehen
tionalen Sicherheit Gefahr im Verzug besteht.
der freiwilligen Erfüllung der Ausreisepflicht
In Artikel 23 Absatz 3 Satz 2 SDÜ sowie in
regelmäßig vor, sofern die Voraussetzungen
Artikel 23 Absatz 5 SDÜ ist klargestellt, dass
nach § 57 Absatz 1 bzw. § 58 Absatz 3 vorlie-
die nationalen asylrechtlichen Bestimmungen
gen.
sowie die Schutzbestimmungen der genannten
50.1.9 Besondere Regelung der Ausreisepflicht in Ar- internationalen Abkommen sowie die nationa-
tikel 23 SDÜ len Regelungen zu Abschiebungsverboten un-
berührt bleiben.
50.1.9.1 Bei den durch das SDÜ geregelten kurzen Auf-
enthalten müssen (außer in den Fällen des Arti- 50.1.9.7 Artikel 23 Absatz 4 SDÜ legt die möglichen
kels 5 Absatz 4 Buchstabe c) Schengener Zielstaaten der Abschiebung fest. Die Abschie-
Grenzkodex) die in Artikel 5 Absatz 1 Schen- bung in einen anderen Schengen-Staat kommt
gener Grenzkodex bzw. den jeweils hierauf danach nur dann in Betracht, wenn dies durch
verweisenden anderen Vorschriften des SDÜ bilaterale Vereinbarungen vorgesehen ist (siehe
geregelten Voraussetzungen jeweils einzeln und Nummer 57.3.1 und 59.2.1).
voneinander getrennt betrachtet erfüllt sein.
Entfällt nur eine dieser Voraussetzungen, ent- 50.2 Ausreisefrist
steht die Ausreisepflicht nach Artikel 23 Ab-
satz 1 SDÜ. 50.2.1 Der Ausländer muss der Ausreisepflicht unver-
züglich nachkommen. Ist eine Ausreisefrist ge-
50.1.9.2 Verliert der Pass oder Passersatz eines Drit- setzt, muss er die Ausreisepflicht innerhalb der
tausländers während eines durch das SDÜ ge- Frist erfüllen. Ausreisefrist i. S. v. Satz 2 ist ins-
regelten Aufenthaltes seine Gültigkeit (Wegfall besondere die im Rahmen der Abschiebungs-
der Bedingung nach Artikel 5 Absatz 1 Buch- androhung nach § 59 Absatz 1 bestimmte Aus-
stabe a) Schengener Grenzkodex) oder wird er reisefrist.
zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben
(Wegfall der Bedingung nach Artikel 5 Absatz 1 50.2.2 I. d. R. wird die Ausreisefrist im Rahmen der
Buchstabe d) Schengener Grenzkodex), wird er Abschiebungsandrohung festgelegt. Wird aus-
selbst dann nach Artikel 23 Absatz 1 SDÜ aus- nahmsweise keine Abschiebungsandrohung er-
reisepflichtig, wenn z. B. sein Visum noch gültig lassen, kann die Ausländerbehörde nach § 50
ist, weil die Erfüllung der in Artikel 5 Absatz 1 Absatz 2 eine Ausreisefrist bestimmen. In Fäl-
Buchstabe b) Schengener Grenzkodex genann- len einer Zurückschiebung nach § 57 wird eine
ten Voraussetzungen nicht die Erfüllung der Frist zur Ausreise nur in Ausnahmefällen ge-
übrigen Voraussetzungen ersetzen kann. währt. Ein solcher Ausnahmefall kann bei-
Seite 1108 GMBl 2009 Nr. 42– 61

spielsweise dann vorliegen, wenn Haft bis zum die Bescheinigung der zuständigen Ausländer-
Vollzug der Zurückschiebung nicht beantragt behörde zu. Der Ausländer soll darauf hinge-
oder angeordnet wird. Bei der Bemessung der wiesen werden, dass die Grenzübertrittsbe-
Länge der Ausreisefrist steht der Ausländer- scheinigung nicht zur visumfreien Einreise in
behörde grundsätzlich ein weiter Ermessens- andere Schengen-Staaten berechtigt. Im Rah-
spielraum zu, der nach oben nur durch die men der Überprüfung, inwieweit der Ausländer
Sechs-Monats-Grenze nach Absatz 2 Satz 2 seiner Ausreisepflicht freiwillig nachkommen
zwingend begrenzt wird. Nach höchstrichter- kann, ist insbesondere zu klären, ob ein not-
licher Rechtsprechung ist bei der Festlegung der wendiger Aufenthaltstitel für die Durchreise
Frist vornehmlich die Dauer des bisherigen durch andere Schengenstaaten vorhanden ist;
Aufenthalts zu berücksichtigen. Bei der Ein- Nummer 46.2.3.2 und 46.2.4 sind zu beachten.
räumung und Bemessung einer Ausreisefrist Zu den Besonderheiten bei Ausreisen über an-
sind aber auch öffentliche Interessen zu be- dere Schengen-Staaten vgl. Nummer 50.4.1.2.
rücksichtigen (z. B. Beweiserhebung in einem
50.2.5 Die Festlegung einer Ausreisefrist stellt keinen
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren). Spre-
Ersatz für die Ausstellung eines Aufenthalts-
chen konkrete Tatsachen oder andere Anhalts-
titels dar. Soll einem Ausländer, wenn auch nur
punkte dafür, dass eine ausreisepflichtige Per-
für einen kurzen Zeitraum, der Aufenthalt zu
son von Menschenhandel betroffen ist, so ist
anderen Zwecken als lediglich der Vorbereitung
grundsätzlich eine Frist zur freiwilligen Aus-
der Ausreise erlaubt werden, sind die Voraus-
reise von mindestens einem Monat vorzusehen
setzungen zur Erteilung eines entsprechenden
(siehe näher Nummer 50.2a). Die Betroffenen
Aufenthaltstitels zu prüfen, und dieser ist, ggf.
sollen über die Möglichkeit informiert werden,
nach einem Hinweis an den Ausländer, auf sei-
sich durch spezielle Beratungsstellen betreuen
nen Antrag zu erteilen oder aber zu versagen.
und helfen zu lassen. Die Ausreisefrist ist so zu
Ein Aufenthalt, dessen Erlaubnis nach den be-
bemessen, dass der Ausländer die Möglichkeit
sonderen Bestimmungen des Aufenthalts-
hat, seine persönlichen Angelegenheiten zu re-
gesetzes nicht (mehr) möglich ist, darf also
geln.
nicht durch eine großzügige Bemessung der
50.2.3 Eine Ausreisefrist von einem Monat nach Be- Ausreisefrist unter Umgehung der aufenthalts-
endigung des rechtmäßigen Aufenthalts ist im rechtlichen Bestimmungen doch ermöglicht
Regelfall ausreichend. Eine Ausreisefrist darf werden. Zugleich ist bei Begehren für Aufent-
verlängert werden, auch soweit sie nach § 59 haltsverlängerungen, bei denen gegen die wei-
Absatz 1 bestimmt ist. Voraussetzung für eine tere Erlaubnis des Aufenthaltes keine behördli-
Verlängerung ist, dass die freiwillige Ausreise chen Bedenken bestehen, vorzugsweise eine
des Ausländers gesichert ist. Eine Verlängerung Aufenthaltserlaubnis (ggf. auch nach § 7 Ab-
der Ausreisefrist ist ausgeschlossen, wenn die satz 1) zu erteilen, um bei späteren Anträgen
Abschiebungsvoraussetzungen nach § 58 ein- desselben Ausländers und gegenüber aus-
getreten sind. Nach Satz 3 darf die Ausreisefrist wärtigen Staaten, die den Pass einsehen, den
in besonderen Härtefällen auch über die Dauer Eindruck zu verhindern, ihm sei wegen Unzu-
von sechs Monaten nach Eintritt der Unan- verlässigkeit eine Ausreisefrist zu setzen ge-
fechtbarkeit hinaus verlängert werden. Die wesen.
Härte bezieht sich ausschließlich auf den Zeit-
punkt, zu dem der Ausländer das Bundesgebiet 50.2a Ausreisepflicht für Opfer von
verlassen muss, und nicht auf die Ausreise- Menschenhandel
pflicht selbst.
50.2a.0 § 50 Absatz 2a regelt – in Umsetzung von Arti-
50.2.4 Wird ein Ausländer aufgefordert, das Bundes- kel 6 Absatz 1, 3 und 4 der Richtlinie 2004/81/
gebiet innerhalb einer bestimmten Frist zu ver- EG vom 29. April 2004 über die Erteilung von
lassen und wird sein Pass oder Passersatz nicht Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die
nach § 50 Absatz 6 in Verwahrung genommen Opfer des Menschenhandels sind oder denen
(siehe Nummer 50.6.2), ist in seinem Pass zu Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet
vermerken: wurde und die mit den zuständigen Behörden
„Ausreisepflicht nach § 50 Absatz 1 Auf- kooperieren (ABl. EU Nummer L 261 S. 19, so
enthG. Ausreisefrist bis zum ...“ genannte Opferschutzrichtlinie) – die einem
Ausländer, der Opfer einer in § 25 Absatz 4a
Dieser Vermerk ist auch in den Passersatz, den
genannten Straftat zu sein scheint, einzuräu-
Ausweisersatz oder die Aufenthaltstitel auf
mende Bedenkzeit, ob er bereit ist, in einem
einem besonderen Blatt einzutragen. Zugleich
Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge
soll dem Ausländer eine Bescheinigung über die
auszusagen. Anhand der systematischen Stel-
Ausreisepflicht unter Angabe der Ausreisefrist
lung der Regelung wird deutlich, dass sie sich
mit der Aufforderung ausgehändigt werden,
im Wesentlichen an vollziehbar ausreisepflich-
diese Bescheinigung der mit der polizeilichen
tige Ausländer richtet.
Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs
beauftragten Behörde bzw. der deutschen Aus- 50.2a.1 Liegen konkrete Anhaltspunkte für das Vor-
landsvertretung außerhalb der Schengen-Staa- liegen einer in § 25 Absatz 4a genannten Straftat
ten zu übergeben (Grenzübertrittsbescheini- vor, so ist die Ausländerbehörde grundsätzlich
gung; siehe näher Nummer 50.4). Diese leitet verpflichtet, dem Ausländer, der Opfer einer
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1109

dieser Straftaten ist, eine Frist zur Ausreise zu nach § 25 Absatz 3 i. V. m. § 60 Absatz 2 oder
setzen (vgl. zu Ausnahmen § 50 Absatz 2a Absatz 7 oder § 25 Absatz 5 oder für eine Dul-
Satz 3). dung nach § 60a vorliegen.
50.2a.1.1 Vor der Festlegung der Ausreisefrist ist (ebenso 50.2a.3 § 50 Absatz 2a Satz 3 regelt die in das Ermessen
wie bei ihrer Aufhebung oder Verkürzung) ge- der Ausländerbehörde gestellte Möglichkeit,
mäß § 72 Absatz 6 Satz 1 die zuständige Staats- die Fristsetzung abzulehnen, aufzuheben oder
anwaltschaft oder das befasste Strafgericht zu zu verkürzen. Grundsätzlich steht die Fest-
beteiligen. setzung einer mindestens einmonatigen Aus-
reisefrist allerdings nicht im Ermessen der
50.2a.1.2 Für konkrete Anhaltspunkte der Ausländer- Ausländerbehörde (vgl. Nummer 50.2a.1). Für
behörde nach § 50 Absatz 2a Satz 1 ist die eine Ermessensentscheidung über das Absehen
plausible Aussage des Ausländers, er sei Opfer von der Ausreisefrist, über deren Verkürzung
einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straf- oder Aufhebung ist nur dann Raum, wenn die
tat, grundsätzlich ausreichend. Bei der Ent- Voraussetzungen des § 50 Absatz 2a Satz 3
scheidung ist insbesondere zu berücksichtigen, Nummer 1 oder Nummer 2 erfüllt sind. Tatbe-
dass Ausländer, bei denen aus polizeilicher standlich setzt dies voraus, dass der Ausländer
Sicht Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie
Opfer von Menschenhandel sind, anfangs häu- 50.2a.3.1 – die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder
fig (noch) nicht in der Lage sind, ihre Situation sonstige erhebliche Interessen der Bundes-
als Menschenhandelsopfer darzulegen. In je- republik Deutschland beeinträchtigt oder
dem Fall ist es daher ausreichend, wenn Polizei
oder Staatsanwaltschaft sich dahingehend 50.2a.3.2 – freiwillig nach der Unterrichtung nach
äußern, dass ihnen entsprechende konkrete Satz 4 wieder Kontakt zu den Personen
Anhaltspunkte bekannt sind. Neben einer Be- nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 auf-
nennung der Anhaltspunkte durch den Aus- genommen hat (zur Frage der Freiwilligkeit
länder oder durch eine Strafverfolgungsbehörde siehe auch Nummer 25.4a.2.2).
können auch Anhaltspunkte berücksichtigt 50.2a.3.3 Vor der Ablehnung, Verkürzung oder Aufhe-
werden, die durch eine Fachberatungsstelle für bung der Ausreisefrist sind die in § 72 Absatz 6
Opfer von Menschenhandel benannt werden. benannten Strafverfolgungsbehörden zu be-
50.2a.1.3 Die durch die Frist zur Ausreise begründete teiligen.
Bedenkzeit hat zum Ziel, dem Opfer von Men- 50.2a.4 § 50 Absatz 2a Satz 4, der Artikel 5 der Opfer-
schenhandel eine Bedenkzeit einzuräumen, in schutzrichtlinie umsetzt, verpflichtet die Aus-
der es sich dem Einfluss der Täter entziehen, länderbehörden im Rahmen der Festsetzung
von den Folgen der Straftat erholen und ggf. der Ausreisefrist, die betreffenden Personen
Kontakt zu Fachberatungsstellen aufnehmen über die für Opfer von Menschenhandel be-
kann, so dass es in der Lage ist, eine fundierte stehenden gesetzlichen Regelungen, Program-
Entscheidung darüber zu treffen, ob es bereit me und Maßnahmen zu unterrichten. Hierzu
ist, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als zählen u. a. Informationen über die Betreuung
Zeuge auszusagen. durch Fachberatungsstellen, die mögliche Auf-
50.2a.1.4 Verfahrensrechtlich hat die Ausländerbehörde nahme in ein polizeiliches Zeugenschutz-
vor der Entscheidung über die Festlegung einer programm, die Möglichkeit der Erteilung einer
Ausreisefrist die Staatsanwaltschaft, das Straf- Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a, die
gericht oder bei unbekannter Zuständigkeit die Möglichkeit des Arbeitsmarktzugangs sowie
für den Aufenthaltsort des Ausländers zu- des Zugangs zu Leistungen zur Sicherung des
ständige Polizeibehörde nach § 72 Absatz 6 zu Lebensunterhalts und zu Leistungen zur medi-
beteiligen. zinischen Betreuung. Die Ausländerbehörden
können Nichtregierungsorganisationen oder
50.2a.2 Die Ausreisefrist beträgt mindestens einen Mo- andere geeignete Vereinigungen mit dieser
nat. Sie kann durch die Ausländerbehörde län- Aufgabe beauftragen. Die Verantwortung ver-
ger bemessen werden, sofern dies für die Ent- bleibt jedoch bei der Ausländerbehörde. Der
scheidungsfindung des Opfers notwendig ist. Ausländer ist auch über die Voraussetzungen zu
Nach § 50 Absatz 2 Satz 2 kann die Frist maxi- unterrichten, die einen Widerruf der Aufent-
mal sechs Monate betragen. Nur in besonderen haltserlaubnis nach § 52 Absatz 5 oder eine
Härtefällen nach § 50 Absatz 2 Satz 3 ist eine Ablehnung, Verkürzung oder Aufhebung der
längere Frist zulässig. Die Ausländerbehörden Ausreisefrist nach § 50 Absatz 2a auslösen
haben dabei darauf zu achten, dass die Dauer können, insbesondere über die möglichen
der Ausreisefrist in einem angemessenen Ver- Konsequenzen einer freiwilligen Kontaktauf-
hältnis zu den noch ausstehenden Ent- nahme mit den Tätern.
scheidungen der Strafverfolgungsbehörden und
des Opfers steht. Die Unterrichtung dient dazu, den Ausländer
im Hinblick auf eine fundierte Entscheidung
Kann im Anschluss an die Bedenkzeit nach § 50 über eine Kooperation mit den Strafverfol-
Absatz 2a keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 gungsbehörden mit den notwendigen Infor-
Absatz 4a erteilt werden, so ist zu prüfen, ob mationen zu versorgen und ihn bei der Abwä-
die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel gung der Konsequenzen einer Entscheidung für
Seite 1110 GMBl 2009 Nr. 42– 61

oder gegen eine Mitwirkung als Zeuge im zuständige Grenzbehörde die Grenzüber-
Strafverfahren zu unterstützen. trittsbescheinigung zu erfassen und nach er-
folgter Ausreise den Grenzübertritt zu be-
50.3 Unterbrechung der Ausreisefrist stätigen. Zugleich ist der von der Auslän-
derbehörde in Verwahrung genommene
Eine nach § 50 Absatz 3 unterbrochene Aus- (§ 50 Absatz 6) und bei der Grenzbehörde
reisefrist beginnt nach Wiedereintritt der Voll- hinterlegte Pass oder Passersatz dem Aus-
ziehbarkeit erneut zu laufen. Dies gilt auch in länder zum Zwecke der Ausreise auszu-
den Fällen des § 80b Absatz 1 VwGO (Ende händigen.
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
und der Anfechtungsklage mit Unanfechtbar- 50.4.1.2 In der Grenzübertrittsbescheinigung ist wie
keit oder – bei erstinstanzlicher Klageabwei- folgt darauf hinzuweisen, dass die Erfüllung der
sung – drei Monate nach Ablauf der gesetz- Ausreisepflicht erst bei Verlassen des Schengen-
lichen Begründungsfrist des gegen die abwei- Raums bescheinigt wird:
sende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels). „Sofern die Ausreise aus Deutschland di-
Sinn der Regelung ist, dass dem Ausländer beim rekt in einen nicht zu den Schengen-Staa-
Wiedereintritt der Vollziehbarkeit der Aus- ten (Geltungsbereich des Schengener
reisepflicht die volle Frist zur freiwilligen Aus- Grenzkodex – Bezeichnung im Einzelnen)
reise wieder zur Verfügung steht. Die Vollzieh- gehörenden Drittstaat erfolgt, d. h. ohne
barkeit i. S. d. § 50 Absatz 3 hängt daher nicht Durchreise/Zwischenhalt in einem anderen
vom erfolglosen Ablauf der Ausreisefrist ab. Schengenstaat, ist die Grenzübergangsbe-
Daher ist – anders als in § 58 Absatz 2 – der scheinigung an einer deutschen Grenz-
allgemeine vollstreckungsrechtliche Begriff ge- übertrittsstelle abzugeben.
meint.
Bei Ausreise über einen anderen Schengen-Staat
War die Frist nicht durch einen Zeitraum, son-
ist die Ausreise hingegen durch persönliche
der durch ein Datum, bis zu welchem die Aus-
Abgabe der Bescheinigung bei einer deutschen
reise zu erfolgen hat, bestimmt worden, so muss
Auslandsvertretung (Botschaft oder General-
anhand des Zeitraums zwischen Wirksamwer-
konsulat) außerhalb der Schengen-Staaten
den der Abschiebungsandrohung und dem ur-
nachzuweisen; eine Übersendung durch Post,
sprünglich festgesetzten Datum das neue Da-
Kurier oder Boten genügt nicht. Dies ist inso-
tum der spätesten Ausreise errechnet und der
fern erforderlich, als zwischen den Schengen-
Ausländer darauf hingewiesen werden.
Staaten grundsätzlich keine Grenzkontrollen
mehr bestehen und faktisch eine Wiedereinreise
50.4 Erfüllung der Ausreisepflicht nach Deutschland möglich ist. Durch die Ab-
50.4.1.1 Der Ausländer erhält mit der Abschiebungsan- gabe der Bescheinigung bei den Grenzbehörden
drohung oder im Rahmen der Festsetzung einer eines anderen Schengen-Staates kann die Aus-
Ausreisefrist nach § 50 Absatz 2 Satz 1 eine reise aus Deutschland nicht nachgewiesen wer-
Grenzübertrittsbescheinigung, die er aufgrund den.“
eines entsprechenden Hinweises zum Zwecke 50.4.1.3 Die in Nummer 50.4.1.1 genannten Behörden
der Ausreise beim Grenzübertritt (§ 13) der mit haben die ausgefüllte Grenzübertrittsbeschei-
der polizeilichen Kontrolle des grenzüber- nigung nach Erhalt unmittelbar der zuständigen
schreitenden Verkehrs beauftragten Behörde Ausländerbehörde zuzuleiten. Um dies zu er-
oder der deutschen Auslandsvertretung im möglichen, ist in der Grenzübertrittsbeschei-
Heimatstaat vorlegt. Hierbei sind zwei Fall- nigung Folgendes auszuführen:
konstellationen zu unterscheiden:
„Die in Empfang nehmende Behörde wird
50.4.1.1.1 – Ein ausländischer Staatsangehöriger ist im ersucht, die Bescheinigung an {Bezeich-
Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung nung der ausstellenden Behörde unter An-
sowie seiner Grenzübertrittsdokumente gabe der Postanschrift} zu übersenden.“
und reist (z. B. mit einem Intra-Schengen-
Flug) über einen anderen Schengen-Staat 50.4.1.4 Bei der Grenzübertrittsbescheinigung handelt
aus. In diesem Fall wird die mitgeführte es sich um einen Nachweis in der Form eines
Grenzübertrittsbescheinigung nicht durch amtlichen Vordrucks über die freiwillige Aus-
die deutschen Grenzbehörden einbehalten. reise des Ausländers innerhalb der Ausreisefrist
Ein Grenzübertritt kann nicht bestätigt i. S. v. § 50 Absatz 2. Erbringt der Ausländer
werden, da faktisch eine jederzeitige Rück- diesen Nachweis, bedarf es keiner Aus-
kehr nach Deutschland ohne Grenzkon- schreibung nach § 50 Absatz 7 Satz 1. § 50 Ab-
trolle möglich ist. Es kann allenfalls – ohne satz 7 Satz 2 bleibt unberührt. Hierauf ist in der
weitere Rechtsfolgen – ein Eintrag erfolgen, Grenzübertrittsbescheinigung hinzuweisen.
dass der Ausländer zum vorgesehenen Flug
50.4.2.1 Durch die nicht erlaubte Einreise in einen an-
vorstellig war. Eine Überprüfung des Ab-
deren Mitgliedstaat der Europäischen Union ist
flugs ist nicht möglich.
der Ausländer zwar tatsächlich ausgereist, die
50.4.1.1.2 – Es erfolgt eine direkte Ausreise aus Ausreisepflicht wird dadurch jedoch rechtlich
Deutschland und zugleich aus dem Schen- wirksam nicht erfüllt. Im Falle der Rücküber-
gen-Gebiet auf dem Luftweg. Hier hat die stellung oder der sofortigen Wiedereinreise
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1111

ohne Visum, auch aus Drittstaaten, besteht die Ablichtung des Passes befindet und wenn nach
Ausreisepflicht fort, ebenso sonstige Beschrän- den Erfahrungen der Ausländerbehörde der
kungen nach § 51 Absatz 6. Bei den vom Er- Herkunftsstaat problemlos einen Passersatz
fordernis des Aufenthaltstitels befreiten Aus- ausstellt.
ländern ist § 51 Absatz 5 zu beachten.
50.6.3 Über die Passverwahrung erhält der Aus-
50.4.2.2 Die freiwillige Ausreise oder Abschiebung in länder eine formlose Bescheinigung, die ge-
einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen bührenfrei erteilt wird. Bereits in diesem
Union kommt nur dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt sollte die Grenzübertrittsbeschei-
Ausländer dort einreisen und sich dort auf- nigung mit dem Hinweis ausgehändigt wer-
halten darf. Die Ausländerbehörde muss von den, dass diese bei der Entgegennahme des
dem Ausländer einen entsprechenden Nach- Passes oder Passersatzes bei der Grenzüber-
weis verlangen, den er nach § 82 Absatz 1 Satz 1 gangsstelle abzugeben ist. Ein Ausweisersatz
zu erbringen hat. wird nicht ausgestellt.
50.6.4 Soweit möglich, sollte der Pass dem Ausländer
50.5 Anzeigepflicht nicht vor der Ausreise, sondern erst bei der
Sobald der Ausländer ausreisepflichtig gewor- Ausreise an der Grenzübergangsstelle unter
den ist, unterliegt er gegenüber der Ausländer- Entgegennahme der Grenzübertrittsbeschei-
behörde einer Anzeigepflicht, wenn er seine nigung ausgehändigt werden.
Wohnung wechseln oder den Bezirk der Aus- 50.6.5 Der Pass kann dem Ausländer zwischenzeitlich
länderbehörde für mehr als drei Tage verlassen überlassen werden, soweit es aus zwingenden
will (§ 50 Absatz 5). Die Anzeigepflicht setzt Gründen erforderlich ist.
lediglich die Wirksamkeit und nicht die Voll-
ziehbarkeit der Ausreisepflicht voraus. Die 50.7 Ausschreibung in den Fahndungshilfsmitteln
Ausländerbehörde muss den Ausländer auf die der Polizei
Anzeigepflicht hinweisen.
50.7.1 Die Ausschreibung zur Festnahme nach § 50
50.6 Passverwahrung Absatz 7 Satz 1 kommt in Betracht, wenn ein
vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer un-
50.6.1 § 50 Absatz 6 enthält das Gebot, den Pass oder tergetaucht ist, so dass Aufgriffsort und Auf-
Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers griffszeitpunkt nicht abgeschätzt werden kön-
erforderlichenfalls auch zwangsweise in Ver- nen. Zur Ausschreibung von Ausländern zur
wahrung zu nehmen. § 50 Absatz 6 setzt nur die Aufenthaltsermittlung bei unbekanntem Auf-
Wirksamkeit und nicht die Vollziehbarkeit der enthalt nach § 50 Absatz 7 Satz 1 siehe auch
Ausreisepflicht voraus. Der Pass oder Passer- Nummer Vor 53.9. Die Ausschreibung nach
satz ist unabhängig davon zu verwahren, ob § 50 Absatz 7 Satz 2 betrifft Fälle der Durch-
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aus- setzung der gesetzlichen Sperrwirkung nach
länder den Pass oder Passersatz vor der Aus- § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 auf Grund einer
reise vernichten, unbrauchbar machen oder in Ausweisung, Zurückschiebung oder einer
sonstiger Weise der Behörde vorenthalten will. vollzogenen Abschiebung (siehe Nummer Vor
Die Polizeien der Länder und die mit der poli- 53.10.1.1 und 58. 0. 13.1.1). Die Vorausset-
zeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden zungen für eine Festnahme im Fall des An-
Verkehrs beauftragten Behörden können den treffens im Bundesgebiet liegen nicht vor,
Pass oder Passersatz sicherstellen. wenn der Ausländer im Besitz einer Be-
tretenserlaubnis ist (vgl. Nummer 11.2.1 letz-
50.6.2 Ausnahmsweise muss der Pass nicht vorgelegt ter Satz).
werden, wenn ein überwiegendes Interesse des
Betroffenen daran besteht, über den Pass ver- 50.7.2 Nach § 15a verteilte Ausländer dürfen zur
fügen zu können, die Ausstellung einer be- Aufenthaltsermittlung gemäß § 66 AsylVfG in
glaubigten Kopie des Passes zur Interessen- den Fahndungshilfsmitteln der Polizei unter
wahrnehmung nicht ausreicht und dadurch die den dort genannten Voraussetzungen ausge-
Ausreise und Abschiebung nicht gefährdet schrieben werden.
wird. Bei Angehörigen der im Anhang 2 zur
50.7.3 Eine Ausschreibung zur Festnahme nach § 50
Verordnung (EG) Nummer 539/2001 des Rates
Absatz 7 darf nur erfolgen, wenn die Haft-
vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste
gründe nach § 62 vorliegen. Ausländer, die von
der Drittländer, deren Staatsangehörige beim
der Abschiebungshaft ausgenommen werden
Überschreiten der Außengrenzen im Besitz
sollen (siehe Nummer 62.0.5), sind lediglich zur
eines Visums sein müssen, sowie der Liste der
Aufenthaltsermittlung auszuschreiben.
Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser
Visumpflicht befreit sind (ABl. EU 2001 Num- 50.7.4 Die Ausschreibung ist unverzüglich aufzuhe-
mer L 81 S. 1) genannten Positivstaaten kann ben, wenn die Gründe für die Ausschreibung
von der Passverwahrung abgesehen werden, entfallen sind (z. B. weil der Aufenthaltsort des
wenn sie nach den Erfahrungen in der Praxis Ausländers bekannt wird oder weil ihm ein
nicht erforderlich ist. In allen anderen Fällen Aufenthaltstitel erteilt worden ist, sein Aufent-
kann von der Passverwahrung nur abgesehen halt gestattet oder die Abschiebung ausgesetzt
werden, wenn sich in der Ausländerakte eine worden ist).
Seite 1112 GMBl 2009 Nr. 42– 61

51 Zu § 51 – Beendigung der Rechtmäßigkeit des unter Mitnahme seines Eigentums ausgereist ist
Aufenthalts; Fortgeltung von oder wenn er sich zur endgültigen Ausreise
Beschränkungen verpflichtet hat (z. B. zur Abwendung einer
Ausweisung). Entscheidend ist nicht, ob der
51.1 Erlöschen der Aufenthaltstitel Ausländer subjektiv auf Dauer im Ausland
51.1.0.1 Die Erlöschenswirkung tritt kraft Gesetzes mit bleiben oder ob er irgendwann ins Bundesge-
Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen biet zurückkehren will. Maßgeblich ist allein,
(§ 51 Absatz 1 Nummer 1, 2, 6 bis 8) oder auf ob der Zweck des Auslandsaufenthalts seiner
Grund eines Verwaltungsaktes mit dessen Natur nach von vornherein nur eine vorüber-
Wirksamwerden (§ 51 Absatz 1 Nummer 3–5, gehende Abwesenheit vom Bundesgebiet er-
§ 43 VwVfG) ein. Auf die Unanfechtbarkeit fordert oder nicht. Die vorübergehende Natur
oder Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes des Auslandsaufenthalts ist auch im Fall von
kommt es nicht an (§ 84 Absatz 2 Satz 1). ausländischen Familienangehörigen von Deut-
schen zu bejahen, die als Beschäftigte des Aus-
51.1.0.2 Das Erlöschen des Aufenthaltstitels wird durch wärtigen Dienstes und anderer Behörden in
die Anbringung des Stempels „Ungültig“ auf Begleitung ihrer Familie aus dienstlichen
dem im Pass des Ausländers eingetragenen Gründen für einen befristeten Zeitraum im
Aufenthaltstitel dokumentiert, um den Rechts- Ausland eingesetzt werden. Es besteht ein In-
schein eines fortbestehenden Aufenthaltsrechts teresse daran, dass im Fall der dienstlich veran-
zu beseitigen. Mangels eigenen Regelungsge- lassten Ausreise der Aufenthaltstitel der mit-
halts ist hierin regelmäßig nicht der Erlass eines ausreisenden Familienangehörigen nicht er-
feststellenden Verwaltungsakts zu sehen. lischt. Eine während des Auslandsaufenthalts
51.1.1 Rücknahme (Nummer 3) ggf. erforderliche Verlängerung des Aufent-
haltstitels kann bei der ausstellenden Aus-
Da das Aufenthaltsgesetz keine spezielle Re- länderbehörde beantragt werden.
gelung für die Rücknahme von Aufenthalts-
titeln vorsieht, findet § 48 des maßgeblichen 51.1.5.2 Wenn die Ausländerbehörde vor der Ausreise
VwVfG Anwendung. des Ausländers eine Wiedereinreisefrist nach
Nummer 7 bestimmt hat, steht verbindlich fest,
51.1.2 Widerruf (Nummer 4) dass dieser Aufenthaltstitel nicht durch die
Der Widerruf eines Aufenthaltstitels erfolgt Ausreise nach Nummer 6 erlischt.
nach Maßgabe des § 52. Auf Nummer 52 wird
51.1.5.3 Auf Nummer 51.2 und 51.7 wird Bezug ge-
verwiesen.
nommen.
51.1.3 Ausweisung (Nummer 5)
51.1.6 Nicht rechtzeitige Rückkehr (Nummer 7)
Im Falle der Ausweisung eines Asylbewerbers
erlischt nicht die Aufenthaltsgestattung nach 51.1.6.1 Nach dieser Vorschrift erlischt der Aufent-
dem AsylVfG (vgl. §§ 55, 67 AsylVfG), son- haltstitel wenn der Ausländer ausgereist und
dern nur ein etwaiger asylunabhängiger Auf- nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer
enthaltstitel. Ist die Ausweisung nach § 56 Ab- von der Ausländerbehörde bestimmten län-
satz 4 bedingt, erlischt der Aufenthaltstitel erst geren Frist wieder eingereist ist. Für Ausländer,
mit Eintritt der Bedingung. die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der
Ausbildung besitzen, kommt grundsätzlich die
51.1.4 Abschiebungsanordnung (Nummer 5a) Bestimmung einer längeren Frist nicht in Be-
Mit Erlass der Abschiebungsanordnung nach tracht. Zu Ausnahmen siehe Nummer 16.0.4.
§ 58a erlischt zugleich der Aufenthaltstitel. 51.1.6.2 Bei Ausländern mit einer Aufenthaltserlaubnis
Hierdurch wird die Voraussetzung dafür ge- nach den §§ 22 bis 24, 25 Absatz 3 bis 5 wird
schaffen, dass der Betroffene auf richterliche eine längere Frist grundsätzlich nur bestimmt,
Anordnung in Abschiebungshaft (Sicherungs- wenn der Aufenthalt im öffentlichen Interesse
haft) genommen werden kann. Durch das Er- der Bundesrepublik Deutschland liegt oder
löschen des Aufenthaltstitels wird zugleich si- wenn dies aus Gründen der Ausbildung oder
chergestellt, dass mit dem Vollzug der Ab- Berufsausübung erforderlich ist.
schiebungsanordnung eine erneute (legale)
Einreise nicht mehr möglich ist. Nach § 11 Ab- 51.1.6.3 Bei Ausländern mit einer Aufenthaltserlaubnis
satz 1 Satz 5 kann dann auch bei einem An- zu den nicht in Nummer 51.1.6.1 und 51.1.6.2
spruch kein Aufenthaltstitel mehr erteilt wer- genannten Zwecken oder einer Nieder-
den. Für die Bekanntgabe der Abschiebungs- lassungserlaubnis kann im Allgemeinen eine
anordnung gilt § 41 VwVfG. längere Frist bestimmt werden, wenn ihnen ein
gesetzlicher Anspruch auf Verlängerung der
51.1.5 Nicht nur vorübergehende Ausreise (Num-
Aufenthaltserlaubnis zusteht oder wenn der
mer 6)
Auslandsaufenthalt aus Gründen der Aus-
51.1.5.1 Die Erlöschungswirkung tritt nur ein, wenn bildung oder Berufausübung oder dringenden
objektiv feststeht, dass der Ausländer nicht nur persönlichen Gründen erforderlich ist, sowie
vorübergehend das Bundesgebiet verlassen hat. um älteren Ausländern zur Betreuung durch
Dies kann angenommen werden, wenn er seine ihre Familienangehörigen im Herkunftsland
Wohnung und Arbeitsstelle aufgegeben hat und auch längerfristige Aufenthalte zu ermöglichen.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1113

51.1.6.4.1 Ausnahmen vom Grundsatz des Verlusts des wenn der Ausländer sich noch im Ausland be-
Aufenthaltstitels nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 findet.
beinhaltet Absatz 2 (siehe Nummer 51.2).
51.1.6.8 Die Erlöschenswirkung kann von der Aus-
51.1.6.4.2 Die Erlöschenswirkung nach § 51 Absatz 1 länderbehörde auch nachträglich mit Wirkung
Nummer 7 tritt auch dann nicht ein, wenn die für die Vergangenheit im Rahmen einer aufent-
Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen haltsbeendenden Maßnahme festgestellt wer-
Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird den. Eines gesonderten Verwaltungsakts bedarf
und der Ausländer innerhalb von drei Monaten es nicht. Der Ausländer ist auf die Rechtsfolgen
nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wie- einer erneuten Einreise nach Eintritt der Er-
der einreist (§ 51 Absatz 3, vgl. Nummer 51.3). löschenswirkung (vgl. § 14 Absatz 1 und
§ 50 Absatz 1, § 58 Absatz 2) hinzuweisen.
51.1.6.4.3 Gleiches gilt im Falle der Ausreise eines Asyl-
berechtigten oder anerkannten Flüchtlings, so- 51.1.6.9 Stellt die Ausländerbehörde das Erlöschen des
lange er im Besitz eines gültigen, von einer Aufenthaltstitels fest, ist dies im Ausländer-
deutschen Behörde ausgestellten Reiseaus- zentralregister zu speichern (§ 2 Absatz 1, Ab-
weises für Flüchtlinge ist (§ 51 Absatz 7, vgl. satz 2 Nummer 3, § 3 Nummer 2, 6 und 7, § 6
Nummer 51.7). Absatz 1 Nummer 1 AZRG, Tabelle 9 Buch-
stabe b) der Anlage 1 zur AZRG-DV). Darüber
51.1.6.4.4 Für die Aufenthaltserlaubnis von assoziations- hinaus ist eine Ausschreibung im Geschützten
berechtigten türkischen Staatsangehörigen gilt Grenzfahndungsbestand zur grenzpolizeilichen
Folgendes: Nach Artikel 14 ARB 1/80 erlischt Überprüfung gemäß § 30 Absatz 3 BPolG zu
das Aufenthaltsrecht nur, wenn der gemäß Ar- veranlassen. Es besteht die Möglichkeit der
tikel 7 ARB 1/80 berechtigte Familienange- Ausschreibung in den Fahndungsmitteln der
hörige aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Polizei nach § 50 Absatz 7. Dies ist er-
Sicherheit und Gesundheit ausgewiesen wurde forderlich, um auch in den Fällen, in denen es
oder wenn das Hoheitsgebiet des Aufnah- nicht möglich ist, den erloschenen Aufenthalts-
mestaates für einen nicht unerheblichen Zeit- titel ungültig zu stempeln, eine Einreise zu ver-
raum ohne berechtigte Gründe verlassen wur- hindern.
de. In den Fällen der Heiratsverschleppung, in 51.1.7 Asylantragstellung bei Aufenthalt aus humani-
denen die Betroffenen im Herkunftsland fest- tären Gründen (Nummer 8)
gehalten werden und ihnen der Pass abge-
nommen wird, kann nach der Rechtsprechung Der Aufenthaltstitel gemäß §§ 22, 23 oder 25
des Europäischen Gerichtshofs nicht von einem Absatz 3 bis 5 erlischt, wenn der Ausländer
Verlassen des Hoheitsgebiets ohne berechtigten einen Asylantrag (§ 13 AsylVfG) stellt. Der
Grund ausgegangen werden (EuGH, Rs. C- Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 3 erlischt je-
351/95 – Kadiman, Urteil vom 17. April 1997, doch nicht, wenn ein Abschiebungsverbot nach
Rn. 51). § 60 Absatz 2, 3 oder Absatz 7 Satz 2 besteht.
Im Hinblick auf Artikel 24 Absatz 2 der Richt-
51.1.6.5 § 51 Absatz 4 sieht eine regelmäßige Verlänge- linie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004
rung der Wiedereinreisefrist bei Ausländern über Mindestnormen für die Anerkennung und
vor, die eine Niederlassungserlaubnis besitzen den Status von Drittstaatsangehörigen oder
und aus einem seiner Natur nach vorüber- Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen,
gehenden Grund ausreisen wollen oder deren die anderweitig internationalen Schutz be-
Aufenthalt im Ausland Interessen der Bundes- nötigen, und über den Inhalt des zu gewäh-
republik Deutschland dient (vgl. im Einzelnen renden Schutzes (ABl. EU Nummer L 304
Nummer 51.4). S. 12, so genannte Qualifikationsrichtlinie) ist
in diesen Fällen von einem Entzug des Aufent-
51.1.6.6 Der Aufenthaltstitel erlischt nicht bereits zum haltstitels abzusehen.
Zeitpunkt der Ausreise, sondern erst nach Ab-
lauf von sechs Monaten oder der von der Aus- 51.1.8 Im Übrigen erlischt bei Asylantragstellung ein
länderbehörde bestimmten längeren Frist. Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer
von bis zu sechs Monaten (§ 55 Absatz 2 Satz 1
51.1.6.7 Die Frist muss nicht notwendig bereits vor der AsylVfG).
Ausreise bestimmt werden. Sie kann allerdings
nur bestimmt oder ggf. verlängert werden, so- 51.2 Fortgeltung des Aufenthaltsrechts in be-
lange der Aufenthaltstitel noch besteht und stimmten Fällen
nicht nach Nummer 6 oder 7 erloschen ist. Die
Frist darf niemals die Geltungsdauer des Auf- § 51 Absatz 2 privilegiert Ausländer, die sich
enthaltstitels überschreiten. Über die Bestim- seit langem rechtmäßig im Bundesgebiet auf-
mung der Frist wird nach Ermessen ent- halten, soweit deren Lebensunterhalt gesichert
schieden. Die Bestimmung einer längeren Frist ist und kein Ausweisungsgrund nach § 54
kommt nur in Betracht, wenn der Ausländer Nummer 5 bis 7 oder § 55 Absatz 2 Nummer 8
einen Auslandsaufenthalt anstrebt, der seiner bis 11 vorliegt. Die in § 51 Absatz 2 genannten
Natur nach vorübergehend und zeitlich abseh- Voraussetzungen müssen bereits im Zeitpunkt
bar ist. Zuständig für die Fristbestimmung ist der Ausreise erfüllt sein. Die Nachweise, ob der
nach § 71 Absatz 1 die Ausländerbehörde, auch Lebensunterhalt (§ 2 Absatz 3) gesichert ist, hat
Seite 1114 GMBl 2009 Nr. 42– 61

der Ausländer beizubringen (§ 82 Absatz 1 und durch Bestimmung einer Wiedereinreisefrist ein
2). Die in § 51 Absatz 2 Satz 3 genannte ge- längerer Auslandsaufenthalt ohne Verlust ihres
bührenpflichtige Bescheinigung kann auch nach Aufenthaltstitels ermöglicht werden. Bei Aus-
der Ausreise ausgestellt werden (zum gewöhn- ländern, deren Auslandsaufenthalt Interessen
lichen Aufenthalt siehe Nummer 71.1.2.2). der Bundesrepublik Deutschland dient oder die
einen gesetzlichen Anspruch auf Verlängerung
51.3 Erfüllung der Wehrpflicht ihres Aufenthaltstitels haben, kann jedoch die
Bestimmung der Wiedereinreisefrist ggf. mit
Der Ausländer hat ggf. nachzuweisen, dass er einer vorzeitigen befristeten Verlängerung des
sich wegen Erfüllung der Wehrpflicht länger als Aufenthaltstitels verbunden werden.
sechs Monate im Ausland aufgehalten hat und
dass er rechtzeitig wieder eingereist ist.
51.5 Fortfall der Befreiung vom Genehmigungs-
erfordernis
51.4 Wiedereinreisefrist bei Niederlassungserlaub-
nis oder wegen öffentlicher Interessen 51.5.1. Ein Erlöschen des Aufenthaltstitels scheidet bei
denjenigen Ausländern aus, die vom Er-
51.4.1 § 51 Absatz 4 enthält eine Privilegierung für fordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind.
Ausländer, die schon einen verfestigten Auf- Auch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts die-
enthaltstatus im Bundesgebiet haben und für ser Ausländer muss in bestimmten Fällen en-
Ausländer, deren Aufenthalt deutschen Inter- den. Dies regelt § 51 Absatz 5 für den Fall der
essen dient. Konkret wird Ausweisung, Zurückschiebung und Abschie-
51.4.1.1 – allen Ausländern, die eine Niederlassungs- bung. Ein ausgewiesener, zurückgeschobener
erlaubnis besitzen und sich lediglich aus oder abgeschobener Ausländer, der zuvor vom
einem seiner Natur nach vorübergehenden Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit war,
Grunde (z. B. für ein Studium oder eine bedarf für den Fall einer erneuten Einreise in
sonstige Ausbildung) länger als sechs Mo- das Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels.
nate im Ausland aufhalten wollen, und 51.5.2 Damit die Befreiung vom Erfordernis des Auf-
51.4.1.2 – den Ausländern, deren Auslandsaufenthalt enthaltstitels wieder eintritt, bedarf es keiner
Interessen der Bundesrepublik Deutschland gesonderten Fristsetzung neben der Befristung
dient (z. B. als Entwicklungshelfer, aus- der Ausweisungswirkung nach § 11 Absatz 1.
ländische Ehegatten deutscher Diplomaten Sobald das Einreise- und Aufenthaltsverbot
oder zur Förderung entwicklungsrelevanter nach § 11 Absatz 1 entfallen ist, lebt die Befrei-
Geschäftsbeziehungen oder Beschäfti- ung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels wie-
gungsverhältnisse im Ausland) der auf.

eine längere Frist für einen Auslandsaufenthalt 51.6 Fortgeltung von Beschränkungen
ohne Verlust des Aufenthaltstitels eingeräumt.
Ein Regelanspruch nach Absatz 4, 2. Alterna- Beschränkungen und Auflagen sind nicht an
tive besteht auch dann, wenn der Aufbau und den Fortbestand des Aufenthaltstitels oder die
das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen Durchführbarkeit der Abschiebung geknüpft.
oder Beschäftigungsverhältnissen im Ausland Die in § 51 Absatz 6 genannten Beschränkun-
nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinba- gen bleiben auch bestehen, wenn ein ausreise-
rungen der Bundesrepublik Deutschland mit pflichtiger Ausländer unerlaubt in einen an-
Aufenthaltsstaaten deren wirtschaftlicher Ent- deren Mitgliedstaat der Europäischen Union
wicklung dienen und daher im Interesse der einreist, weil er in diesem Fall nach § 50 Ab-
Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesen satz 4 seiner Ausreisepflicht nicht nachge-
Fällen beträgt die Frist für einen Auslandsauf- kommen ist.
enthalt ohne Verlust des Aufenthaltstitels ma-
ximal zwei Jahre. Nicht zu prüfen ist, ob der 51.7 Wiederkehr eines Asylberechtigten und eines
Aufenthaltszweck seiner Natur nach nur einen Flüchtlings
vorübergehenden Aufenthalt erfordert.
51.7.1 Abweichend von § 51 Absatz 1 Nummer 6 und
51.4.2 Die Dauer der Wiedereinreisefrist bestimmt 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Asylbe-
sich nach dem jeweiligen Aufenthaltszweck. rechtigten nicht, wenn er im Besitz eines gülti-
Die Frist kann so bemessen werden, dass dem gen und von einer deutschen Behörde aus-
Ausländer nach Erledigung des Auslands- gestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist
aufenthaltszwecks drei Monate Zeit für die (vgl. Anlage D7 zur AufenthV). Das Gleiche
Wiedereinreise bleiben. Eine Verlängerung der gilt für Ausländer, denen unanfechtbar die
Frist ist möglich, solange sie noch nicht abge- Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist.
laufen ist.
51.7.2 Der Ausländer hat im Falle seiner Ausreise
51.4.3 Die Voraussetzungen des § 51 Absatz 4 gelten keinen Anspruch auf Neuerteilung des Aufent-
nur für den durch diese Vorschrift begründeten haltstitels, wenn die Zuständigkeit für die Aus-
Regelanspruch, nicht für eine Ermessensent- stellung des Reiseausweises auf einen anderen
scheidung nach Absatz 1 Nummer 7. Auch Staat übergegangen ist. Die Zuständigkeit geht
Ausländern, die lediglich einen befristeten gemäß § 11 der Anlage zur Genfer Flücht-
Aufenthaltstitel besitzen, kann nach Ermessen lingskonvention auf den anderen Staat über,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1115

wenn der Ausländer sich rechtmäßig im Gebiet verpflichtet, dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur
eines anderen Vertragsstaates der Genfer Stellungnahme zu geben, der dem Ausländer
Flüchtlingskonvention niederlässt. Dies setzt die Rechtsstellung eines langfristig Aufent-
einen von den Behörden genehmigten Aufent- haltsberechtigten verliehen hat. Dabei ist die
halt mit dauerhafter Aufenthaltsperspektive im Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für
anderen Staat voraus. Ein illegaler, vorüber- Migration und Flüchtlinge als nationale Kon-
gehender oder nur tolerierter Aufenthalt, etwa taktstelle zu beachten (vgl. § 75 Nummer 5).
weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht
51.8.2 Geht die Stellungnahme des anderen Mit-
durchführbar sind, reicht nicht aus. Das Euro-
gliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der
päische Übereinkommen über den Übergang
der Verantwortung für Flüchtlinge vom Ausländerbehörde berücksichtigt.
16. Oktober 1980 (BGBl. 1994 II S. 2645) kon-
kretisiert den Zuständigkeitsübergang nach 51.9 Erlöschen der Erlaubnis zum Daueraufent-
§ 11 der Anlage der Genfer Flüchtlingskonven- halt-EG
tion. Nach Artikel 2 des Übereinkommens geht 51.9.0.1 § 51 Absatz 9 regelt das Erlöschen der Er-
die Zuständigkeit für die Erneuerung des Rei- laubnis zum Daueraufenthalt-EG in Um-
seausweises u. a. unter folgenden Vorausset- setzung von Artikel 9 Absatz 1, 3 und 4 Unter-
zungen auf einen anderen Vertragsstaat über: absatz 1 und 2 Daueraufenthalt-Richtlinie.
Zwei Jahre tatsächlicher und dauernder Auf-
enthalt mit Zustimmung der Behörden des an- 51.9.0.2 Für die sich aus dem Erlöschen der Erlaubnis
deren Staates, Gestattung des dauernden Auf- zum Daueraufenthalt-EG ergebenden Rechts-
enthalts durch den anderen Staat, Gestattung folgen gelten die allgemeinen Voraussetzun-
des Aufenthalts über die Geltungsdauer des gen: Eintragung im Ausländerzentralregister
Reiseausweises hinaus. Zu beachten ist, dass durch die Ausländerbehörde, Vernichtung des
nicht alle europäischen Staaten das Überein- Rechtsscheins (Ungültigstempeln des Aufent-
kommen unterzeichnet haben und es insoweit haltstitels).
nur eingeschränkt anwendbar ist. Zudem kön-
51.9.1 Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG er-
nen einzelne Bestimmungen auf Grund von
lischt ausschließlich nach den Voraussetzungen
nationalen Vorbehalten im Verhältnis zu den
des § 51 Absatz 9 Satz 1, der eine abschließende
jeweiligen Staaten nicht angewendet werden. In
Sonderregelung darstellt. § 51 Absatz 1 – und
Zweifelsfällen ist beim Bundesamt für Migra-
damit auch das Erlöschen in Folge Widerrufs
tion und Flüchtlinge eine Stellungnahme ein-
nach Nummer 4 – findet keine Anwendung.
zuholen.
Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG er-
51.7.3 Hält sich ein Asylberechtigter oder ein Aus- lischt nach § 51 Absatz 9 Satz 1
länder, dem die Flüchtlingseigenschaft zuer-
51.9.1.1 – Nummer 1, wenn sie wegen Täuschung,
kannt wurde, in seinem Heimatland auf, ist
Drohung oder Bestechung zurückgenom-
insbesondere § 72 Absatz 1 Nummer 1 und 1a
men wurde. Andere Rücknahmegründe sind
AsylVfG zu beachten. Der danach eintretende
damit ausgeschlossen;
Verlust der Asylberechtigung und der Flücht-
lingseigenschaft wird von der Ausländerbehör- 51.9.1.2 – Nummer 2, wenn der Ausländer ausgewie-
de festgestellt, ohne dass eine Beteiligung des sen oder ihm eine Abschiebungsanordnung
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge er- bekannt gegeben wurde. Die im Aufent-
forderlich ist. In Zweifelsfällen kann die Aus- haltsgesetz enthaltenen allgemeinen Rege-
länderbehörde anregen, dass das Bundesamt ein lungen zur Ausweisung finden Anwendung.
Widerrufsverfahren nach § 73 Absatz 1 §§ 54a und 58a bleiben uneingeschränkt an-
AsylVfG einleitet. wendbar. Dies gilt auch für die Regelungen
des Ausweisungsschutzes nach § 56 Ab-
51.8 Konsultationsverfahren bei aufenthalts- satz 1. Auf § 56 Absatz 1 Nummer 1a wird
beendenden Maßnahmen gegen Inhaber von hingewiesen. Hierbei ist jedoch zu beachten,
Aufenthaltserlaubnissen nach § 38a dass auch in den Fällen einer Regelaus-
weisung eine Ermessensausübung nach Ar-
51.8.0 § 51 Absatz 8 ist eine Sonderregelung des in tikel 12 der Daueraufenthalt-Richtlinie
§ 91c geregelten Konsultationsverfahrens (vgl. zwingend zu erfolgen hat;
Artikel 22 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richt-
linie 2003/109/EG des Rates vom 25. No- 51.9.1.3 – Nummer 3, wenn sich der Ausländer für
vember 2003 betreffend die Rechtsstellung der einen Zeitraum von zwölf aufeinander fol-
langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaats- genden Monaten in einem Gebiet aufhält, in
angehörigen [ABl. EU 2004 Nummer L 16 dem die Rechtsstellung eines langfristig
S. 44, so genannte Daueraufenthalt-Richtlinie]). Aufenthaltsberechtigten nicht erworben
werden kann. Hierbei handelt es sich neben
51.8.1 Die Ausländerbehörde, die aufenthaltsbeen- Drittstaaten auch um das Vereinigte König-
dende Maßnahmen gegen einen Ausländer er- reich, Irland und Dänemark, die an der Dau-
lassen will, um diesen in ein Land außerhalb des eraufenthalt-Richtlinie nicht teilnehmen;
Geltungsbereichs der Daueraufenthalt-Richt-
linie (Drittstaaten sowie Vereinigtes König- 51.9.1.4 – Nummer 4, wenn sich der Ausländer für
reich, Irland und Dänemark) abzuschieben, ist einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb
Seite 1116 GMBl 2009 Nr. 42– 61

des Bundesgebiets aufhält. Hiermit wird auf Eintritt eines gesetzlichen Widerrufsgrunds
die besondere Regelung des § 9a Absatz 2 Kenntnis erlangt, ist sie verpflichtet, unverzüg-
Nummer 1 Bezug genommen, nach der der lich darüber zu entscheiden, ob der Aufent-
Ausländer grundsätzlich nach fünfjährigem haltstitel widerrufen werden soll. Wird von dem
Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat Widerruf abgesehen, ist dies in der Ausländer-
dort die Rechtsstellung eines langfristig akte zu vermerken. Über den Widerruf darf
Aufenthaltsberechtigten erhalten kann. i. d. R. erneut nur entschieden werden, wenn
Sollte dieser Rechtserwerb scheitern, bleibt neue Umstände eingetreten sind (z. B. wenn es
dem Ausländer noch ausreichend Zeit, dem Ausländer wieder möglich ist, in zumut-
durch Rückkehr nach Deutschland seinen barer Weise einen Pass zu erlangen).
Daueraufenthalt-EG zu sichern;
52.1.1 Nichtbesitz eines Passes oder Passersatzes
51.9.1.5 – Nummer 5, wenn der Ausländer die
Rechtsstellung des langfristigen Aufent- 52.1.1.1 Der Widerruf des Aufenthaltstitels ist i. d. R.
haltsberechtigten in einem anderen Mit- gerechtfertigt, wenn der Ausländer zumutbare
gliedstaat erwirbt. Anforderungen zur Erlangung eines neuen
Passes nicht erfüllt. Von dem Widerruf kann
51.9.2 Damit Inhaber der Erlaubnis Daueraufenthalt- z. B. abgesehen werden, wenn die Geltungs-
EG nicht schlechter gestellt sind als Inhaber dauer des Aufenthaltstitels innerhalb der näch-
einer Niederlassungserlaubnis, werden durch sten sechs Monate abläuft und durch den Ver-
§ 51 Absatz 9 Satz 2 die Vorschriften in § 51 zicht auf den Widerruf die tatsächliche Aufent-
Absatz 2 bis 4 für entsprechend anwendbar er- haltsbeendigung nicht wesentlich erschwert
klärt. Dies ist nach Artikel 9 Absatz 2 und Ab- oder unmöglich wird.
satz 4, Unterabsatz 3 Daueraufenthalt-Richt-
linie zulässig. 52.1.1.2 Ist es dem Ausländer nicht möglich, in zumut-
barer Weise einen Pass zu erlangen, wird über
den Widerruf des Aufenthaltstitels unter Be-
52 Zu § 52 – Widerruf rücksichtigung des aufenthaltsrechtlichen Sta-
tus entschieden. Ein Widerruf kommt insbe-
sondere in Betracht,
52.0 Allgemeines
52.1.1.2.1 – wenn für den Ausländer ein späterer Dau-
52.0.1 § 52 regelt die Gründe für den Widerruf eines
eraufenthalt im Bundesgebiet ausgeschlos-
Aufenthaltstitels abschließend. Insoweit sind
sen ist, weil eine Aufenthaltsverfestigung
die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungs-
nach § 8 Absatz 2 ausgeschlossen worden
verfahrensrechts über den Widerruf von Ver-
ist,
waltungsakten auf Aufenthaltstitel nicht er-
gänzend anwendbar. Entfällt jedoch nachträg- 52.1.1.2.2 – wenn der Ausländer im Besitz einer Auf-
lich eine für die Erteilung, Verlängerung oder enthaltserlaubnis nach §§ 22, 23 oder § 25
Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Absatz 1 bis 5 ist und die Asylberechtigung,
Voraussetzung, kann der Aufenthaltstitel zeit- die Flüchtlingseigenschaft oder ein Ab-
lich beschränkt werden (§ 7 Absatz 2 Satz 2). schiebungsverbot nicht mehr besteht (siehe
52.0.2 Entsprechend § 49 Absatz 2 Satz 2 VwVfG auch Nummer 52.1.5) oder
i. V. m. § 48 Absatz 4 VwVfG ist die Jahresfrist 52.1.1.2.3 – wenn gegen einen Ausländer, der im Besitz
auch bei Widerrufsentscheidungen nach § 52 einer Niederlassungserlaubnis ist, ein Aus-
anzuwenden. weisungsgrund vorliegt.
52.0.3. Die Regelung über den Widerruf schließt nicht Sofern der Aufenthaltstitel nicht widerrufen
die Rücknahme eines Aufenthaltstitels nach § 51 wird, ist § 48 Absatz 2 zu beachten.
Absatz 1 Nummer 3 i. V. m. § 48 VwVfG bzw.
den entsprechenden Regelungen der VwVfG der 52.1.2 Wechsel oder Verlust der Staatsangehörigkeit
Länder aus (z. B. wenn der Ausländer den Auf-
52.1.2.1 Das Aufenthaltsgesetz ermöglicht bei Wechsel
enthaltstitel mittels falscher Angaben oder Ur-
oder Verlust der Staatsangehörigkeit den Wi-
kunden erschlichen hat). Hat der Ausländer die
derruf des Aufenthaltstitels aus zwei Gründen:
Rechtswidrigkeit zu vertreten, soll die Rück-
nahme auf den Zeitpunkt der Erteilung des 52.1.2.1.1 – Die Aufenthaltsgewährung und der gegen-
Aufenthaltstitels angeordnet werden, im Übri- wärtige aufenthaltsrechtliche Status können
gen mit Wirkung für die Zukunft. Die Zustän- wesentlich auf der bisherigen Staatsangehö-
digkeit für die Rücknahme richtet sich nach lan- rigkeit beruhen. Insoweit ist der Widerrufs-
desrechtlichen Vorschriften bzw. den Zu- grund eine spezielle, abweichend von § 7
ständigkeiten nach § 71 Absatz 1 und Absatz 2 Absatz 2 Satz 2 nicht nur für die befristete,
(vgl. Nummer 71.2.1). Der Aufenthaltstitel ist sondern für alle Aufenthaltstitel geltende
mit einem Ungültigkeitsvermerk zu versehen. Regelung des Wegfalls einer für die Er-
teilung oder Verlängerung des Aufenthalts-
52.1 Widerrufsgründe titels wesentlichen Voraussetzung.
52.1.0 Sobald die Ausländerbehörde oder eine andere 52.1.2.1.2 – Der Wechsel, vor allem aber der Verlust der
für den Widerruf zuständige Behörde von dem bisherigen Staatsangehörigkeit können eine
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1117

spätere Aufenthaltsbeendigung erschweren Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 ist ausgeschlossen,


oder unmöglich machen. sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über den
Widerruf ein gesetzlicher Anspruch auf Er-
52.1.2.2 Sofern mit der bisherigen Staatsangehörigkeit
teilung eines Aufenthaltstitels besteht und keine
eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung
Versagungsgründe, die diesen Anspruch aus-
und Verlängerung des Aufenthaltstitels ent-
schließen können, vorliegen. Über den Wider-
fallen ist, kann von einem Widerruf nur abge-
ruf ist nach Ermessen unter Beachtung des
sehen werden, wenn die Geltungsdauer des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ent-
Aufenthaltstitels ohnehin innerhalb der näch-
scheiden.
sten sechs Monate abläuft und deshalb ein Wi-
derruf weder zweckmäßig noch erforderlich ist. 52.1.3.3 Zuständig für den Widerruf des Visums vor der
Zwingende Erteilungsvoraussetzung ist die Einreise ist grundsätzlich die Behörde, die den
Staatsangehörigkeit für die Erteilung eines Aufenthaltstitel erteilt hat; i. d. R. also die vom
Aufenthaltstitels nach § 18 Absatz 3 oder 4 Auswärtigen Amt ermächtigte Auslands-
i. V. m. § 34 BeschV. vertretung, die zuvor das Visum erteilt hat (§ 71
52.1.2.3 Ebenso ist der Widerruf des Aufenthaltstitels Absatz 2). Die Ausländerbehörde, die die Zu-
bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit ge- stimmung zur Erteilung eines Visums erteilt
boten, wenn der Aufenthaltstitel nur wegen der hat, kann von der Auslandsvertretung und der
Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung ge- Grenzbehörde (§ 71 Absatz 3 Nummer 3) bis
währt wurde und dieser Grund durch den zur Einreise des Ausländers verlangen, dass das
Staatsangehörigkeitswechsel entfallen ist. Visum widerrufen wird. Die Auslands-
vertretung ist an den Widerruf der Zustimmung
52.1.2.4 Nicht zwingende, aber wesentliche Voraus- grundsätzlich in gleicher Weise gebunden wie
setzung kann die Staatsangehörigkeit gewesen an die Versagung der Zustimmung. Die Grenz-
sein z. B. für behörde hat ein Visum zu widerrufen, wenn
eine deutsche Auslandsvertretung darum er-
52.1.2.4.1 – die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
sucht. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die
nach §§ 22, 23 oder § 25 Absatz 3 bis 5,
Auslandsvertretung eines Schengen-Staates, die
52.1.2.4.2 – die Zulassung des Familiennachzugs zu das Schengen-Visum erteilt hat, darum ersucht.
Auszubildenden, In Fällen des § 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3
kann die Grenzbehörde ohne Ersuchen der
52.1.2.4.3 – die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur ausstellenden Behörde (§ 71 Absatz 3 Num-
Aufnahme einer selbständigen Erwerbstä- mer 3 Buchstabe a)) ein Visum widerrufen,
tigkeit oder wenn sie gegen den Ausländer zuvor eine Zu-
52.1.2.4.4 – generell die Erteilung eines Aufenthaltstitels rückweisung (insbesondere gemäß § 15 Ab-
unter Berücksichtigung einer zwischen- satz 2 Nummer 2) verfügt hat. Dies gilt auch in
staatlichen Vereinbarung. Bezug auf ein durch eine Auslandsvertretung
eines anderen Mitgliedstaates des SDÜ erteiltes
Bei der Entscheidung über den Widerruf ist Visum.
auch der Grund für den Staatsangehörigkeits-
wechsel von Bedeutung. Im Allgemeinen kann 52.1.4 Widerruf bei Asylberechtigten und Flücht-
von einem Widerruf abgesehen werden, wenn lingen
der Wechsel auf einer Eheschließung beruht.
52.1.4.1 Der Widerruf des Aufenthaltstitels setzt voraus,
52.1.2.5 Der Widerruf ist regelmäßig geboten, wenn der dass die Asylberechtigung oder die Flücht-
Ausländer den Verlust seiner bisherigen Staats- lingseigenschaft nach § 72 Absatz 1 AsylVfG
angehörigkeit durch Beantragung der Entlas- erloschen ist oder der Widerruf oder die Rück-
sung selbst herbeigeführt und dadurch eine et- nahme der Anerkennung als Asylberechtigter
waige spätere Aufenthaltsbeendigung unmög- und der Zuerkennung der Flüchtlingseigen-
lich gemacht hat. schaft nach § 73 AsylVfG unanfechtbar oder
sofort vollziehbar ist. Bei Erlöschen der Asyl-
52.1.3 Widerruf vor der Einreise
berechtigung oder der Flüchtlingseigenschaft
52.1.3.1 Die Widerrufsmöglichkeit nach § 52 Absatz 1 oder Unanfechtbarkeit oder sofortiger Voll-
Satz 1 Nummer 3 besteht ziehbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge ist der Aner-
52.1.3.1.1 – ausschließlich in Bezug auf den vor der kennungsbescheid und der Reiseausweis nach
Einreise erteilten Aufenthaltstitel, also im Artikel 28 Genfer Flüchtlingskonvention un-
Allgemeinen nur für Visa und verzüglich zurückzugeben (§ 72 Absatz 2 und
52.1.3.1.2 – grundsätzlich nur in dem begrenzten Zeit- § 73 Absatz 6 AsylVfG). Weigert sich der Aus-
raum zwischen Erteilung und erstmaliger länder, ist die Abgabepflicht im Wege der Ver-
Einreise. waltungsvollstreckung durchzusetzen.

52.1.3.2 Der Widerruf eines Visums vor der Einreise ist Selbst wenn der Ausländer gegen die Entschei-
bei nachträglichem Eintritt oder bekannt wer- dung der Ausländerbehörde Widerspruch er-
den eines Versagungsgrundes zulässig. Zu den- hebt, bleibt die Wirkung des Widerrufs be-
ken ist hier insbesondere an § 5 Absatz 4 i. V. m. stehen (u. a. Begründung der Ausreisepflicht,
§ 54 Nummer 5 oder 5a. Ein Widerruf nach § 52 nicht rechtmäßiger Aufenthalt; § 84 Absatz 2
Seite 1118 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Satz 1). Bis zum Verfahrensabschluss ist daher Aufenthaltsrechte beschränkt werden. Solche
eine Verfestigung des aufenthaltsrechtlichen gesetzlichen Beschränkungen können sich auf
Status nicht möglich (jedoch § 84 Absatz 2 Grund der Familiennachzugsbestimmungen
Satz 2). Da nach § 52 Absatz 1 Satz 1 Num- (§§ 27 bis 36) ergeben. Der Besitz eines eigen-
mer 4 Widerrufsgrund der Verlust des Flücht- ständigen Aufenthaltrechts nach §§ 31, 34 und
lingsstatus ist, ist die Vorschrift auf im Ausland 35 entfällt nicht nach Erlöschen, Widerruf oder
anerkannte Flüchtlinge nur anwendbar, wenn Rücknahme des Familienasyls oder des Fami-
die Verantwortung für den Flüchtling auf lienflüchtlingsschutzes (§ 26 AsylVfG). Ein
Deutschland übergegangen ist (siehe Num- Anspruch nach § 28 schränkt das Ermessen
mer 51.7.2). nach § 52 weitgehend ein.

52.1.4.2 Ob die Asylberechtigung oder die Flüchtlings- 52.1.4.6 Der Widerruf einer Niederlassungserlaubnis
eigenschaft ohne vorherigen Verwaltungsakt kann trotz Wegfalls des Flüchtlingsstatus im
kraft Gesetzes erloschen ist (§ 72 AsylVfG), hat Hinblick auf die aufenthaltsrechtliche Situation
die Ausländerbehörde bei Vorliegen ent- des Ausländers (vgl. z. B. Erfüllung der Vor-
sprechender Anhaltspunkte in eigener Zustän- aussetzungen nach den Familiennachzugsvor-
digkeit zu prüfen (z. B. die Behörde erfährt von schriften) dazu führen, dass dem Ausländer da-
der Grenzbehörde, dass ein Asylberechtigter nach eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird bzw.
vom Heimatstaat einen Pass erhalten hat). Stellt werden kann, wenn er die materiell-rechtlichen
sie fest, dass der Schutzstatus erloschen ist, ist Voraussetzungen hierfür erfüllt. In diesem Fall
das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten. erübrigen sich aufenthaltsbeendende Maßnah-
Dieses hat dafür Sorge zu tragen, dass das Aus- men.
länderzentralregister entsprechend geändert 52.1.4.7 Im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnah-
wird. men ist zu berücksichtigen, ob das Bundesamt
52.1.4.3 Über den Widerruf des Aufenthaltstitels nach für Migration und Flüchtlinge auch die Ent-
§ 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 entscheidet die scheidung über das Vorliegen eines Abschie-
Ausländerbehörde nach Ermessen. Dabei hat bungsverbotes widerrufen oder zurück-
sie zugunsten des Ausländers die in § 55 Ab- genommen hat (vgl. § 73 Absatz 3 AsylVfG).
satz 3 für das Ausweisungsermessen genannten 52.1.4.8 Nach § 103 Satz 2 findet § 52 Absatz 1 Satz 1
Umstände zu berücksichtigen (vgl. Num- Nummer 4 entsprechend Anwendung auf Aus-
mer 55.3). Im Falle der Rücknahme eines zu länder, die vor Inkrafttreten des Zuwande-
Unrecht erlangten Asyl- oder Flüchtlingsstatus rungsgesetzes nach § 1 HumHAG (so ge-
(§ 73 Absatz 2 AsylVfG) ist – vorbehaltlich nanntes Kontingentflüchtlingsgesetz) aufge-
einer vorrangig zu prüfenden Rücknahme nach nommen worden waren. Die Rechtsstellung
§ 48 VwVfG – der Widerruf des Aufenthalts- dieser Personen kann weiterhin nach §§ 2a, 2b
titels im Allgemeinen gerechtfertigt, auch wenn HumHAG erlöschen oder widerrufen werden
den Familienangehörigen des Ausländers der (§ 103 Satz 1).
weitere Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt
werden kann oder muss. Halten sich Familien- 52.1.5 Widerruf nach Erteilung der Aufenthaltser-
angehörige i. S. v. § 52 Absatz 1 Satz 2 bei dem laubnis nach § 25 Absatz 3 Satz 1
ehemaligen Flüchtling auf, kann die Aus- 52.1.5.1 Der Aufenthaltstitel kann widerrufen werden
länderbehörde über den Widerruf ermessens- bei Wegfall, Aufhebung oder Un-
fehlerfrei nur entscheiden, indem sie zugleich wirksamwerden eines Abschiebungsverbotes
über den weiteren Aufenthalt der Familienan- nach § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7 sowie bei
gehörigen im Falle des Widerrufs befindet. Ggf. Vorliegen von Ausschlusstatbeständen nach
sind die Widerrufsverfahren nach § 52 Absatz 1 § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis d).
Satz 1 Nummer 4 und nach § 52 Absatz 1 Satz 2
gleichzeitig zu betreiben. Sieht die Ausländer- 52.1.5.1.1 Widerruf bei Wegfall eines Abschiebungsver-
behörde von einem Widerruf des Aufenthalts- botes nach § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7
titels ab, ist dies in der Ausländerakte zu be- Die Regelung in § 52 Absatz 1 Satz 1 Num-
gründen. mer 5 Buchstabe a) betrifft den Fall, dass nicht
52.1.4.4 Der Widerruf einer Niederlassungserlaubnis das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
nach § 52 Absatz 1 Nummer 4 ist aus- sondern die Ausländerbehörde für die Fest-
geschlossen, wenn der Ausländer bereits im stellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60
Zeitpunkt der Zuerkennung des Flüchtlings- Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7 zuständig ist.
status im Besitz einer Niederlassungserlaubnis Selbst wenn der Ausländer gegen die Entschei-
war oder wenn ihm im Hinblick auf seine bis- dung der Ausländerbehörde Widerspruch er-
herige aufenthaltsrechtliche Situation (unab- hebt, bleibt die Wirkung des Widerrufs be-
hängig von seiner Anerkennung als Flüchtling) stehen (u. a. Begründung der Ausreisepflicht,
eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden nicht rechtmäßiger Aufenthalt; § 84 Absatz 2
könnte. Satz 1). Bis zum Verfahrensabschluss ist daher
eine Verfestigung des aufenthaltsrechtlichen
52.1.4.5 Da der Widerruf lediglich an den Wegfall der Status nicht möglich (jedoch § 84 Absatz 2
Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft Satz 2). Da der Widerruf lediglich an den Weg-
geknüpft ist, kann er durch andere gesetzliche fall des Abschiebungsverbotes geknüpft ist,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1119

kann er durch andere gesetzliche Aufenthalts- 52.1.6 Widerruf der Aufenthaltstitel bei Familienan-
rechte beschränkt werden. Solche gesetzlichen gehörigen
Beschränkungen können sich auf Grund der
Familiennachzugsbestimmungen (§§ 27 bis 36) 52.1.6.1 Dem Widerruf nach § 52 Absatz 1 Satz 2 steht
ergeben. nur ein Anspruch auf Erteilung des Aufent-
haltstitels entgegen, der dem Familienange-
Über den Widerruf des Aufenthaltstitels nach hörigen ausschließlich aus eigenem Recht
§ 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a) (§ 31) zusteht und nicht vom Aufenthaltsrecht
entscheidet die Ausländerbehörde nach Er- des Stammberechtigten (Asylberechtigte,
messen. Dabei hat sie zugunsten des Ausländers Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft
die in § 55 Absatz 3 für das Ausweisungser- zuerkannt wurde, und Ausländer, für die ein
messen genannten Umstände zu berück- Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 2, 3, 5
sichtigen (vgl. Nummer 55.3). Im Falle eines zu oder Absatz 7 festgestellt worden ist) abge-
Unrecht festgestellten Abschiebungsverbotes leitet ist. In den Fällen des § 31 Absatz 4
(vgl. § 73 Absatz 3, 1. Alternative AsylVfG) ist Satz 2 liegt ein Anspruch nicht vor. Auch ein
der Widerruf des Aufenthaltstitels im All- auf § 9 Absatz 3 Satz 1 und 3 gestützter An-
gemeinen gerechtfertigt, auch wenn den Fami- spruch steht einem Widerruf nicht entgegen.
lienangehörigen des Ausländers der weitere Der Widerruf erübrigt sich, wenn der Ehe-
Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt werden gatte des Stammberechtigten selbst alle Vor-
kann oder muss. Halten sich Familienange- aussetzungen des § 9 bzw. des § 26 Absatz 3
hörige i. S. v. § 52 Absatz 1 Satz 2 bei dem Aus- erfüllt. Keine abgeleiteten, sondern eigene
länder auf, kann die Ausländerbehörde über Ansprüche sind die nach §§ 34, 35 sowie die
den Widerruf ermessensfehlerfrei nur ent- durch Eheschließung der Kinder des Stamm-
scheiden, indem sie zugleich über den weiteren berechtigten mit einem Dritten erworbenen
Aufenthalt der Familienangehörigen im Falle Ansprüche auf Aufenthaltsgewährung.
des Widerrufs befindet. Ggf. sind die Wider-
rufsverfahren nach § 52 Absatz 1 Satz 1 Num- 52.1.6.2 Über den Widerruf nach § 52 Absatz 1 Satz 2
mer 5 Buchstabe a) und nach § 52 Absatz 1 wird nach Ermessen entschieden. Dabei hat
Satz 2 gleichzeitig zu betreiben. die Ausländerbehörde insbesondere die vom
Aufenthalt des Stammberechtigen unab-
52.1.5.1.2 Widerruf bei Vorliegen von Ausschluss- hängigen eigenen Bindungen des Familienan-
tatbeständen nach § 25 Absatz 3 Satz 2 Buch- gehörigen im Bundesgebiet zu berück-
stabe a) bis d) sichtigen. Ein Absehen vom Widerruf kommt
insbesondere bei volljährig gewordenen Kin-
Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Aus- dern in Betracht, die ihren wirtschaftlichen
schlusstatbestände des § 25 Absatz 3 Satz 2 Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet gefunden
Buchstabe a) bis d) ist der Aufenthaltstitel zu haben und mit Ablauf der Geltungsdauer ihrer
widerrufen, wenn nicht aufgrund anderer Be- Aufenthaltserlaubnis die Voraussetzungen für
stimmungen ein Aufenthaltsrecht besteht. Ein die Niederlassungserlaubnis nach § 35 Ab-
solches Recht kann sich z. B. aus den Familien- satz 1 Satz 2 erfüllt haben werden. Anderer-
nachzugsbestimmungen (§§ 27 bis 36) ergeben. seits ist bei Familienangehörigen, die lediglich
Halten sich Familienangehörige i. S. v. § 52 Ab- eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22 bis 24, 25
satz 1 Satz 2 bei dem Ausländer auf, kann die Absatz 3 bis 5 besitzen und die Voraus-
Ausländerbehörde über den Widerruf er- setzungen des § 26 Absatz 4 nicht erfüllen,
messensfehlerfrei nur entscheiden, indem sie grundsätzlich der Widerruf geboten, da die
zugleich über den weiteren Aufenthalt der Fa- Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen stets ein
milienangehörigen im Falle des Widerrufs be- zunächst vorläufiges Aufenthaltsrecht ge-
findet. Ggf. sind die Widerrufsverfahren nach währt.
§ 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a)
und nach § 52 Absatz 1 Satz 2 gleichzeitig zu 52.1.6.3 Zwingende Voraussetzung für den Widerruf
betreiben. Der Widerruf berührt nicht die Fest- nach § 52 Absatz 1 Satz 2 ist zwar, dass der
stellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Aufenthaltstitel des stammberechtigten Aus-
Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7. länders nach § 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4
oder Nummer 5 widerrufen wird, aber die
52.1.5.1.3 Widerruf bei Aufhebung oder Unwirksam- Ausländerbehörde braucht nicht bis zum
werden der Abschiebungsverbote nach § 42 Eintritt der Unanfechtbarkeit des Widerrufs
Satz 1 AsylVfG nach § 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder
Nummer 5 zu warten. Sie kann vielmehr
§ 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe c) den Aufenthaltstitel des Stammberechtigten
regelt den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach und seiner Familienangehörigen gleichzeitig
Aufhebung oder Unwirksamwerden eines widerrufen. Allerdings muss sie in diesem
durch das Bundesamt für Migration und Falle den Widerruf nach § 52 Absatz 1
Flüchtlinge festgestellten Abschiebungsver- Satz 2 mit der auflösenden Bedingung der
botes nach § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7. Aufhebung des Widerrufs nach § 52 Ab-
Die Ausführungen zu Nummer 52.1.5.1 gelten satz 1 Satz 1 Nummer 4 oder Nummer 5
entsprechend. versehen.
Seite 1120 GMBl 2009 Nr. 42– 61

52.2 Widerruf bei einem Aufenthalt zum Zwecke zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung
der Beschäftigung (ABl. EU Nummer L 289 S. 15, so genannte
Forscherrichtlinie).
52.2.1 § 52 Absatz 2 Satz 1 verpflichtet die Aus-
länderbehörde, das Visum oder die Aufent- 52.4.2 Der Widerrufsgrund nach § 52 Absatz 4 Num-
haltserlaubnis, die ausschließlich zum Zweck mer 1 ist nur dann einschlägig für den Widerruf
der Beschäftigung (§§ 18, 19) erteilt wurden, zu einer einem Forscher erteilten Aufenthaltser-
widerrufen, wenn die Bundesagentur für Arbeit laubnis, wenn der Forscher an einer Handlung
nach § 41 die Zustimmung zur Ausübung einer beteiligt war, die zum Verlust der Anerkennung
Beschäftigung widerrufen hat. Im Unterschied geführt hat. Die Gründe, die nach § 38b Auf-
zu den Regelungen des § 52 Absatz 1 besteht enthV zu der Aufhebung der Anerkennung
für die Ausländerbehörde kein Ermessen. Al- führen können, sind jedoch so erheblich, dass
lerdings kann der Ausländer auf Grund anderer eine Weiterbeschäftigung des Forschers bei
Bestimmungen einen gesetzlichen Anspruch diesem Unternehmen im Rahmen von § 18 oder
auf Neuerteilung eines Aufenthaltstitels zu § 19 nicht in Betracht kommt. War der Forscher
einem anderen Aufenthaltszweck (z. B. Fami- nicht an einer Handlung beteiligt, die zum
liennachzug) haben. Verlust der Anerkennung geführt hat, ist ihm
52.2.2 Nach § 52 Absatz 2 Satz 2 wird der Widerruf unter Berücksichtigung des bisherigen Aufent-
auf die Gestattung der Beschäftigung be- haltszeitraumes hinreichend Gelegenheit zu
schränkt, wenn der Ausländer ein Visum oder geben, eine Anschlussbeschäftigung zu finden,
eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen bevor eine nachträgliche Befristung der Auf-
Zweck als zur Beschäftigung besitzt und die enthaltserlaubnis wegen Wegfalls des Er-
Bundesagentur für Arbeit die Zustimmung zur teilungsgrundes in Betracht kommt. Macht der
Ausübung der Beschäftigung nach § 41 wider- Ausländer persönliche Härten (z. B. Kosten
ruft. Dies betrifft die Fälle, in denen der Aus- einer verfrühten Rückreise; Arbeitslosigkeit)
länder nicht bereits auf Grund des Gesetzes geltend, ist ihm in geeigneten Fällen zu emp-
ohne Zustimmung der Bundesagentur für Ar- fehlen, bei einer zur Rechtsdienstleistung be-
beit zur Beschäftigung berechtigt ist. fugten Person oder Stelle (z. B. Fachanwältin
oder Fachanwalt für Arbeitsrecht; Gewerk-
schaft) die Möglichkeiten der Inanspruchnahme
52.3 Widerruf einer zum Zweck des Studiums
der Forschungseinrichtung als ehemaliger Ar-
erteilten Aufenthaltserlaubnis
beitgeber auf Schadenersatz durch den Forscher
52.3.0 § 52 Absatz 3 dient der Umsetzung des Arti- und die Aussichten der tatsächlichen Durch-
kels 12 Absatz 2 der Richtlinie 2004/114/EG setzung solcher Ansprüche überprüfen zu las-
des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Be- sen. Das Ergebnis dieser Überprüfung soll bei
dingungen für die Zulassung von Drittstaatsan- der Entscheidung der Ausländerbehörde Be-
gehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums rücksichtigung finden; entsprechende Angaben
oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, muss der Ausländer ggf. nach § 82 Absatz 1
einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder beibringen.
einem freiwilligen Dienst (ABl. EU Nummer L
375 S. 12, so genannte Studentenrichtlinie). 52.5 Widerruf beim Aufenthalt von Opfern von
52.3.1 Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne er- Menschenhandel
forderliche Erlaubnis liegt insbesondere auch
52.5.0 In Umsetzung von Artikel 14 der Richtlinie
dann vor, wenn der Ausländer den gesetzlich
2004/81/EG vom 29. April 2004 über die Er-
erlaubten Rahmen der Beschäftigung nach § 16
teilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsan-
Absatz 3 ohne Erlaubnis überschreitet.
gehörige, die Opfer des Menschenhandels sind
52.3.2 Zur Bemessung der Studiendauer sind die oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung
Nummer 16.1.1.6.2 und 16.1.1.7 zu beachten. geleistet wurde und die mit den zuständigen
Behörden kooperieren (ABl. EU Nummer L
52.3.3 Nach § 52 Absatz 3 Nummer 3 kann die Auf-
261 S. 19, so genannte Opferschutzrichtlinie)
enthaltserlaubnis auch dann widerrufen wer-
sieht § 52 Absatz 5 eine spezielle Regelung vor,
den, wenn die Voraussetzungen nicht mehr er-
um einen Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 4a
füllt sind, unter denen eine Aufenthaltserlaub-
zu widerrufen.
nis nach § 16 Absatz 1 oder 6 erteilt werden
könnte. Damit ist neben dem Abbruch des Stu- 52.5.1 Der Widerrufstatbestand stellt dabei auf die
diums auch der Wegfall von allgemeinen Er- besonderen Erteilungsvoraussetzungen ab:
teilungsvoraussetzungen nach § 5 zu zählen.
52.5.1.1 Nach § 52 Absatz 5 Nummer 1 war oder ist der
52.4 Widerruf einer zum Zweck der Forschung Ausländer nicht mehr bereit, im Strafverfahren
nach § 20 erteilten Aufenthaltserlaubnis auszusagen. Dabei wird auf § 25 Absatz 4a
Satz 2 Nummer 3 Bezug genommen.
52.4.1 § 52 Absatz 4 dient der Umsetzung des Arti-
kels 5 Absatz 6 Unterabsatz 2 und des Arti- 52.5.1.2 Nach § 52 Absatz 5 Nummer 2 sind die in § 25
kels 10 der Richtlinie 2005/71/EG des Rates Absatz 4a Satz 2 Nummer 1 in Bezug ge-
vom 12. Oktober 2005 über ein besonderes Zu- nommenen Angaben des Ausländers nach Mit-
lassungsverfahren für Drittstaatsangehörige teilung der Staatsanwaltschaft oder des Strafge-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1121

richts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als tigten in einem anderen Mitgliedstaat als Erst-
falsch anzusehen. staat i. S. d. Richtlinie 2003/109/EG des Rates
vom 25. November 2003 betreffend die
52.5.1.3 Nach § 52 Absatz 5 Nummer 3 hat der Aus- Rechtsstellung der langfristig aufenthalts-
länder freiwillig wieder Verbindung zu den berechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU
Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte Dauer-
aufgenommen. Ein Kontakt, der nur durch die aufenthalt-Richtlinie) voraus. Auf der Rechts-
Täter initiiert und aufrechterhalten wird, z. B. folgenseite besteht ein gebundenes Ermessen,
durch Telefonanrufe, ist unerheblich. Bei der der Aufenthaltstitel nach § 38a soll widerrufen
Frage, ob eine freiwillige Kontaktaufnahme werden. Nur in atypischen Sonderfällen ist da-
vorliegt, ist auch zu beachten, ob das Opfer sich her vom Widerruf abzusehen. Ein atypischer
auf Grund bestehender Zwänge zu einer Fort- Sonderfall liegt jedoch nicht in den Fällen des
setzung des Kontakts genötigt sieht, oder ob § 51, sondern nur dann vor, wenn der Ausländer
der Täter den Kontakt zum Opfer aufnimmt, in Deutschland ohne Verschulden und nur des-
insbesondere um eine Einbeziehung des Opfers halb keine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG
als Zeuge im Strafverfahren zu behindern. erwerben kann, weil die daran geknüpften
52.5.1.4 Nach § 52 Absatz 5 Nummer 4 wurde das Voraussetzungen (z. B. bei der Altersvorsorge)
Strafverfahren, in dem der Ausländer als Zeuge in Deutschland höher sind als in anderen Mit-
aussagen sollte, eingestellt. gliedstaaten.

52.5.1.5 Nach § 52 Absatz 5 Nummer 5 erfüllt der Aus- 52.6.2 Die Ausgestaltung als Regelbestimmung beruht
länder auf Grund sonstiger Umstände nicht auf dem Gedanken, dass der Aufenthaltstitel
mehr die Voraussetzungen für die Erteilung nach § 38a gerade auf Grund der Rechtsstellung
eines Aufenthaltstitels nach § 25a Absatz 4a. erteilt wurde, die im Anwendungsfall des § 52
Hierunter sind zunächst die Fälle zu fassen, in Absatz 6 weggefallen ist. Diese Rechtsstellung
denen der Aufenthalt des Ausländers nach § 5 bildete zuvor die rechtliche Grundlage des
Absatz 1 Nummer 3 eine Gefahr für die Inter- Aufenthalts. Zudem ist der Ausländer in diesen
essen der Bundesrepublik Deutschland darstellt Fällen i. d. R. nicht besonders schutzwürdig.
oder die in § 5 Absatz 4 Satz 1 (§ 54 Nummer 5 Die Rechtsstellung im anderen Mitgliedstaat
und 5a) genannten Ausweisungsgründe vor- kann bei einem Aufenthalt in Deutschland als
liegen. Hierunter zu subsumieren sind jedoch Zweitstaat i. S. d. Daueraufenthalt-Richtlinie
auch die Fälle, in denen das Verfahren, in dem nur aus dem Grunde entzogen werden, dass die
der Ausländer als Zeuge ausgesagt hat, durch Rechtsstellung wegen Täuschung, Drohung
rechtskräftige Verurteilung abgeschlossen wur- oder Bestechung zurückgenommen wird, dass
de. der Ausländer aus dem anderen Mitgliedstaat
52.5.2 Als Rechtsfolge sieht der als Soll-Regelung ausgewiesen wird, oder dass eine ähnliche Ent-
ausgestaltete Absatz 5 einen Regelwiderruf bei scheidung nach dem Rechtssystem des anderen
Vorliegen der tatbestandlichen Vorausset- Mitgliedstaates gegen ihn ergeht (vgl. Artikel 22
zungen vor. Dem entsprechend darf die Aus- Absatz 1 Daueraufenthalt-Richtlinie). Der Er-
länderbehörde nur in atypischen Sonderfällen löschenstatbestand, der an den Aufenthalt des
die Aufenthaltserlaubnis nicht widerrufen. Ausländers für einen Zeitraum von zwölf auf-
Diese liegen insbesondere dann vor, wenn einander folgenden Monaten außerhalb des
Gebiets derjenigen Mitgliedstaaten der Euro-
52.5.2.1 – die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis päischen Union anknüpft, in denen die Rechts-
alsbald abläuft oder stellung nach § 2 Absatz 7 erworben werden
52.5.2.2 – dem Ausländer in Folge des Widerrufs der kann, kommt bei einem Aufenthalt im Bundes-
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a gebiet nicht in Betracht. Der weitere denkbare
ein anderer Aufenthaltstitel – z. B. gemäß Erlöschenstatbestand, dass sich der Ausländer
§ 25 Absatz 3, 4 oder 5 – erteilt werden außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats für
müsste. einen Zeitraum von sechs Jahren aufgehalten
hat, führt ebenfalls nicht zu seiner Schutz-
52.5.3 Vor Widerruf des Aufenthaltstitels nach § 25 bedürftigkeit, weil er in diesem Zeitraum die
Absatz 4a muss die Ausländerbehörde die Be- Voraussetzungen für die Erlangung eines lang-
teiligungspflicht nach § 72 Absatz 6 beachten fristigen Aufenthaltsrechts in Deutschland er-
(vgl. Nummer 72.6). füllen kann. Die Widerrufsmöglichkeit steht
der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
52.6 Widerruf einer Aufenthaltserlaubnis nach anderen Rechtsgrundlagen als § 38a nicht ent-
§ 38a gegen.

52.6.1 Nach § 52 Absatz 6 soll eine Aufenthaltser-


laubnis nach § 38a widerrufen werden, wenn 52.7 Widerruf bei einem Aufenthalt mit
der Ausländer seine Rechtsstellung als lang- Schengen-Visum
fristig Aufenthaltsberechtigter in einem an-
deren Mitgliedstaat verliert. Tatbestandlich 52.7.0.1 Absatz 7 enthält die Rechtsgrundlage für den
setzt § 52 Absatz 6 den Verlust der Rechts- Widerruf eines Schengen-Visums für den Fall
stellung des langfristigen Aufenthaltsberech- der Einreise und des Aufenthalts mit einem
Seite 1122 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nicht zur Erwerbstätigkeit berechtigenden S. 154) um. Es handelt sich um die nach Arti-
Schengen-Visum. kel 23 Absatz 3 Satz 1 SDÜ erforderliche na-
tionale Eingriffsnorm. Zugleich wird geregelt,
52.7.0.2 Für den Widerruf eines Visums eines Aus-
dass die vorgeschriebene Notifizierung zentral
länders, der sich im Inland befindet, sind ent-
über das Bundesamt für Migration und Flücht-
sprechend der Zuständigkeitsregelung des § 71
linge erfolgt. Der genannte Beschluss des Exe-
Absatz 1 die Ausländerbehörden oder nach
kutivausschusses bildet die an die Mitglied-
§ 71 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a) die mit
staaten gerichtete Ermächtigung, Schengen-
der polizeilichen Kontrolle des grenzüber-
Visa anderer Mitgliedstaaten zurückzunehmen,
schreitenden Verkehrs beauftragten Behörden
zu widerrufen oder ihre Gültigkeitsdauer zu
zuständig.
beschränken.
52.7.1.1 Vom Tatbestand erfasst sind diejenigen Aus-
52.7.3 Auf § 95 Absatz 1a wird hingewiesen.
länder, die ein Schengen-Visum für kurzfristige
Aufenthalte i. S. d. § 2 Absatz 5 bzw. des Arti-
kels 10 SDÜ besitzen, unabhängig davon, ob es Vorbemerkung zu den §§ 53 bis 55
sich um ein deutsches Schengen-Visum nach § 6
Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Vor 53.0 Die Ausweisung hat den Zweck, eine von dem
oder um ein Schengen-Visum eines anderen Ausländer ausgehende Beeinträchtigung der
Schengen-Staates handelt. öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder son-
stiger erheblicher Interessen der Bundes-
52.7.1.1.1 Satz 1 Nummer 1 erfasst diejenigen Ausländer, republik Deutschland abzuwehren (§ 55 Ab-
bei denen festgestellt wurde, dass sie bereits satz 1). Die diesem Zweck dienende general-
eine Erwerbstätigkeit ausüben, für die sie die klauselartige Ausweisungsermächtigung des
nach § 4 Absatz 3 erforderliche Erlaubnis nicht § 55 Absatz 1 (Grundtatbestand) wird durch
besitzen. Durch das Wort „erforderliche“ wird die in § 55 Absatz 2 genannten einzelnen Aus-
verdeutlicht, dass die Ausübung der Erwerbs- weisungsgründe beispielhaft nach Inhalt und
tätigkeit sich nicht auf diejenigen selbständigen Gewicht konkretisiert. Außerdem wird nach
oder unselbständigen Tätigkeiten bezieht, die der zwingenden Ausweisung (§ 53), der Aus-
nicht als Beschäftigung i. S. d. Aufenthalts- weisung im Regelfall (§ 54) und der Er-
gesetzes gelten. messensausweisung (§ 55) unterschieden. So-
52.7.1.1.2 Erfasst werden mit Absatz 7 Satz 1 Nummer 2 fern die tatbestandlichen Voraussetzungen für
zudem Fälle einer erst noch beabsichtigten eine zwingende Ausweisung oder Ausweisung
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Auf Grund im Regelfall nicht erfüllt sind, ist zu prüfen, ob
der Formulierung „Tatsachen die Annahme eine Ermessensausweisung in Betracht kommt.
rechtfertigen“ ist dies anhand objektiver Krite- Vor 53.1 Rechtsfolgen der Ausweisung
rien (z. B. Mitführen von Arbeitswerkzeugen)
festzustellen. Bei Ausländern, die im Zeitpunkt der Aus-
weisung einen Aufenthaltstitel besitzen und
52.7.1.2 Die Tätigkeit muss ohne die nach § 4 Absatz 3 sich noch im Bundesgebiet aufhalten, löst die
erforderliche Erlaubnis ausgeübt werden oder Ausweisung nicht nur die Ausreisepflicht aus
beabsichtigt sein. Damit sind auch Fälle des § 41 (§ 51 Absatz 1 Nummer 5, § 50 Absatz 1, § 84
Absatz 1 AufenthV ausgeklammert, in denen Absatz 2 Satz 1), sondern sie ist auch mit fol-
visumfreie Staatsangehörige zur Ausübung genden Wirkungen verknüpft:
einer erlaubten Erwerbstätigkeit in das Bun-
desgebiet einreisen dürfen, um mit einer im In- Vor 53.1.1 – dem Wegfall der Befreiung vom Erfordernis
land zu erlangenden Erlaubnis erwerbstätig zu des Aufenthaltstitels (§ 51 Absatz 5,
werden. 1. Halbsatz) und von der Visumpflicht (§ 41
Absatz 3 AufenthV),
52.7.1.3 Nicht erfasst werden Inhaber eines nationalen
Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis, weil Vor 53.1.2 – der aufenthaltsrechtlichen Wirkungslosig-
diese im Gegensatz zu Besuchern über festere keit eines Antrags auf Erteilung eines Auf-
Bindungen zum Bundesgebiet verfügen oder enthaltstitels mangels eines rechtmäßigen
diese aufzubauen beabsichtigen, regelmäßig Aufenthalts (§ 81 Absatz 3 i. V. m. § 50 Ab-
Vertrauensschutz genießen und bei denen – satz 1),
etwa im Zusammenhang mit dem Familien-
Vor 53.1.3 – dem gesetzlichen Verbot der Wiedereinreise,
nachzug – auch grundrechtliche Positionen bei
des Aufenthalts im Bundesgebiet und der
der aufenthaltsrechtlichen Sanktionierung un-
Erteilung eines Aufenthaltstitels – so ge-
erlaubter Erwerbstätigkeiten zu berücksichti-
nannte Sperrwirkung der Ausweisung (§ 11
gen sind.
Absatz 1 Satz 1 und 2; vgl. auch § 11 Ab-
52.7.2 Satz 2 setzt hinsichtlich des Widerrufs die Vor- satz 2),
gaben der Nummer 2 des Beschlusses des Exe-
Vor 53.1.4 – der Möglichkeit der Versagung des Rechts auf
kutivausschusses vom 14. Dezember 1993 be-
Wiederkehr auch nach Wegfall vorstehender
züglich der gemeinsamen Grundsätze für die
Verbote (§ 37 Absatz 3 Nummer 1).
Annullierung, Aufhebung und Verringerung
der Gültigkeitsdauer einheitlicher Visa (SCH/ Diese Wirkungen gelten auch im Falle der auf-
Com-ex (93) 24; ABl. EG Nummer L 239 schiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ge-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1123

gen die Ausweisung fort (vgl. § 84 Absatz 2 fentliche Sicherheit und Ordnung. Die Abwehr
Satz 1). dieser Gefahren erfolgt aus spezial- oder ge-
neralpräventiven Gründen.
Vor 53.2 Aufenthalt im Bundesgebiet
Vor 53.3.1 Spezialpräventive Gründe
Die Ausweisung setzt nicht voraus, dass der
Ausländer sich rechtmäßig im Bundesgebiet Vor 53.3.1.1 Die Ausweisung aus spezialpräventiven Grün-
aufhält. Auch bereits vollziehbar ausreise- den setzt voraus, dass der Ausländer durch sein
pflichtige Ausländer können ausgewiesen wer- persönliches Verhalten einen Ausweisungs-
den, um zu verhindern, dass sie nach der Aus- grund verwirklichen wird (Wiederholungsge-
reise ohne Antrag auf Befristung des Einreise- fahr). Diese Gefahr muss mit hinreichender
verbots (vgl. § 11 Absatz 1 Satz 1) wieder Wahrscheinlichkeit bestehen; eine bloße Ver-
einreisen. Verlässt der Ausländer vor Wirksam- mutung genügt nicht. Vielmehr muss die Aus-
werden der Ausweisungsverfügung das Bun- länderbehörde eine nachvollziehbare, auf Tat-
desgebiet oder wird er auf Grund bestehender sachen gestützte Prognose erstellen, welche die
vollziehbarer Ausreisepflicht abgeschoben, be- Stellungnahmen anderer Stellen (z. B. Sicher-
rührt dies die Rechtmäßigkeit der Auswei- heits- und Justizbehörden, insbesondere auch
sungsverfügung nicht. Auch Ausländer, deren Bewährungshilfe, Jugend- und Gerichtshilfe)
Aufenthaltsort unbekannt ist und die keinen berücksichtigt. An die Wahrscheinlichkeit der
Bevollmächtigten bestellt haben, können aus- erneuten Verwirklichung eines Ausweisungs-
gewiesen werden. In diesem Fall soll die Aus- grundes sind umso geringere Anforderungen zu
weisungsverfügung öffentlich zugestellt wer- stellen, je gravierender die Rechtsgutverletzung
den. Die Behörde muss allerdings die ihr zur ist (z. B. Gewalttaten). Ob für eine Ausweisung
Verfügung stehenden Mittel und Erkenntnis- wegen Wiederholungsgefahr ein ausreichender
möglichkeiten zur Erforschung des Aufenthalts Anlass besteht, ist nach dem Grundsatz der
ausschöpfen, bevor sie eine öffentliche Zu- Verhältnismäßigkeit zu beurteilen.
stellung in Betracht zieht.
Vor 53.3.1.2 Für die Gefahrenprognose kam es bisher auf die
Eine nochmalige Ausweisung eines bereits aus- Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der letz-
gewiesenen Ausländers erübrigt sich, solange ten Behördenentscheidung an, wobei die spä-
die erste Ausweisung noch ihre Wirkung ent- tere Entwicklung des Ausländers zur Bestäti-
faltet (vgl. § 11 Absatz 1). Später eingetretene gung der Prognose im Gerichtsverfahren er-
zusätzliche Ausweisungsgründe können bei gänzend herangezogen werden konnte. Nach
einer Anordnung der sofortigen Vollziehung Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO richts ist allerdings für die Beurteilung der
sowie bei der Entscheidung über die Befristung Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines EU-
der Wirkung der Ausweisung berücksichtigt Bürgers der Zeitpunkt der letzten mündlichen
werden. Verhandlung bzw. Entscheidung des Tat-
Vor 53.3 Gefahrenabwehr sachengerichts maßgeblich. Darüber hinaus hat
das Bundesverwaltungsgericht entschieden,
Vor 53.3.0 Allgemeines dass dieser Grundsatz auch auf die assozia-
tionsberechtigten türkischen Staatsangehörigen
Vor 53.3.0.1 Die Ausweisung ist eine ordnungsrechtliche
zu übertragen ist. Die Ausländerbehörden und
Präventivmaßnahme. Sie ist keine straf-
Gerichte müssen daher neue Tatsachen, die
rechtliche Sanktion für früheres Fehlverhalten,
nach der Ausweisungsverfügung entstanden
sondern soll ausschließlich künftigen Beein-
sind, im Verwaltungsverfahren bzw. verwal-
trächtigungen erheblicher öffentlicher Inter-
tungsgerichtlichen Verfahren berücksichtigen.
essen vorbeugen. Die Ausweisung eines verur-
Dies gilt nach neuester Rechtsprechung des
teilten Straftäters verstößt daher nicht gegen das
Bundesverwaltungsgerichts ab Inkrafttreten des
Verbot der Doppelbestrafung (Artikel 103 Ab-
Richtlinienumsetzungsgesetzes (am 28. August
satz 3 GG). Die Ausweisungsermächtigungen
2007) nunmehr in allen Ausweisungsverfahren.
des § 55 und des § 54 Nummer 3 bis 7 setzen
Die Ausländerbehörden trifft insofern die
anders als die zwingende Ausweisung nach § 53
Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden
und die Ausweisung im Regelfall nach § 54
Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verfügung.
Nummer 1 und 2 eine strafgerichtliche Verur-
Wird trotz nachträglicher Änderungen des
teilung nicht voraus. Entscheidend ist, ob eine
Sachverhalts an der Verfügung festgehalten,
Beeinträchtigung i. S. v. § 55 Absatz 1 durch den
sind bei einer Ermessensausweisung die Er-
Ausländer mit hinreichender Wahrschein-
messenserwägungen entsprechend anzupassen.
lichkeit besteht. Voraussetzung für die Aus-
Im Falle einer ursprünglich gebundenen, auf
weisung ist zunächst, dass ein Ausweisungs-
Grund nachträglicher Änderungen aber nur
grund vorliegt und durch den Ausländer die
noch im Ermessenswege zulässigen Aus-
Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses
weisung ist erstmalig Ermessen auszuüben. Da
i. S. v. § 55 Absatz 1 noch fortbesteht oder eine
im gerichtlichen Verfahren Ermessenserwä-
Gefahr entsprechender erneuter Beein-
gungen nach § 114 Satz 2 VwGO nur ergänzt
trächtigung hinreichend wahrscheinlich ist.
werden können, solche aber nicht vorliegen,
Vor 53.3.0.2 Die Ausweisung als Maßnahme der Ge- wenn bislang keine Ermessensentscheidung ge-
fahrenabwehr erfordert eine Gefahr für die öf- troffen wurde, ist eine Heilung nur durch Erlass
Seite 1124 GMBl 2009 Nr. 42– 61

eines neuen Bescheids möglich. Vor diesem setzung mit den Gründen, die den Strafrichter
Hintergrund sollte auch bei gebundenen Ent- zur Aussetzung einer Freiheitsstrafe veranlasst
scheidungen von vornherein hilfsweise eine haben. Dies gilt insbesondere für die dort ge-
Entscheidung nach Ermessen erfolgen, um bei troffene Sozialprognose. Entscheidungen der
geänderter Sachlage gemäß § 114 Satz 2 VwGO Strafgerichte nach § 57 Absatz 1 StGB (Aus-
reagieren zu können. setzung der Vollstreckung der Reststrafe zur
Bewährung) sind bei der Prognose als wesent-
Vor 53.3.1.3 Die Beurteilung der Frage, ob nach den Um-
liches Indiz zu berücksichtigen, begründen al-
ständen des Einzelfalls die Annahme einer
lerdings keine Vermutung für das Fehlen einer
Wiederholungsgefahr gerechtfertigt ist, erfor-
Rückfallgefahr. Abweichende Würdigungen
dert nicht die Heranziehung eines Sach-
bzw. Prognosen können auch in Anbetracht der
verständigen. Entscheidend ist, ob bei An-
unterschiedlichen Zwecksetzung der auslän-
wendung praktischer Vernunft mit neuen
derrechtlichen und strafrechtlichen Regelungen
Verfehlungen zu rechnen ist. Eine nach natur-
zu rechtfertigen sein. So stehen etwa bei einer
wissenschaftlichen Erkenntnismaßstäben ori-
Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach
entierte Gewissheit ist nicht gefordert. Für die
§ 57 StGB eher Resozialisierungsgesichts-
Begründung dieses Gefahrurteils können ins-
punkte im Vordergrund und geht diese – im
besondere frühere Ausweisungsgründe her-
Vergleich zur asyl- und ausländerrechtlichen
angezogen werden.
Beurteilung – von einer kurzfristigeren und an
Vor 53.3.1.4 Hinsichtlich der Feststellung einer Wieder- weniger strengen Kriterien orientierten Ge-
holungsgefahr bei Straffälligkeit wird im All- fahrenprognose aus.
gemeinen auf folgende Gesichtspunkte abge-
stellt: Vor 53.3.1.6 Bei der Prognose, ob die Gefahr von Aktivi-
täten mit Bezug zu Terrorismus bzw. Ex-
Vor – Art, Unrechtsgehalt, Gewicht, Zahl und tremismus fortbesteht, ist die Schwere der be-
53.3.1.4.1 zeitliche Reihenfolge der vom Ausländer reits begangenen Straftaten und/oder die Inten-
begangenen und verwertbaren Straftaten; sität der Einbindung in extremistische oder
liegen weniger gewichtige Straftaten vor, so terroristische Strukturen zu berücksichtigen.
kann deren Häufung ein eigenständiges Ge- Dabei ist zu berücksichtigen, dass die relevan-
wicht zukommen, ten Aktivitäten in aller Regel auf eine vorange-
Vor – Strafgericht einschließlich Gutachter haben gangene ideologische Radikalisierung zurück-
53.3.1.4.2 eine Drogenabhängigkeit, einen kriminellen zuführen sind, von deren Fortbestehen so lange
Hang, eine Neigung zum Glücksspiel oder ausgegangen werden kann, bis eine Dera-
eine niedrige Hemmschwelle vor einschlä- dikalisierung nachvollziehbar festgestellt wer-
gigen Straftaten festgestellt, den kann. Der Nachweis der Gefährdung ob-
liegt zwar der Ausländerbehörde, diese ist hier-
Vor – frühere Bewährungsstrafen, Widerruf der bei jedoch maßgeblich auf die Unterstützung
53.3.1.4.3 Strafaussetzung, des Straferlasses oder der anderer Behörden, vor allem der Sicherheits-
Aussetzung des Strafrestes, grobe und be- behörden angewiesen. Eine stetige Einbindung
harrliche Verstöße gegen Bewährungs- im Rahmen der geltenden Vorschriften zur Er-
auflagen, Scheitern von Resozialisierungs- kenntnisübermittlung ist unabdingbar. Soweit
maßnahmen, Widerruf von Strafvollzugs- Vorgänge und Erkenntnisse aus Geheimhal-
lockerungen, Jugendverfehlung (Alter zur tungsgründen nicht (voll) verwertet werden
Tatzeit), können, sind § 29 VwVfG sowie §§ 99, 100
Vor – finanzielle Schwierigkeiten, Alkohol- bzw. VwGO zu beachten. Die Einführung ent-
53.3.1.4.4 Drogenabhängigkeit, sprechender Erkenntnisse im Wege mittelbarer
Beweismittel (z. B. Inhaltsauskunft, Behörden-
Vor – Nichtbeachtung einer ausländerbehhördli- zeugnis) ist zu erwägen, allerdings sind zum
53.3.1.4.5 chen Verwarnung unter Androhung der Tatsachenbeweis flankierend offen verwertbare
Ausweisung, Erkenntnisse beizubringen. Entfaltet der Aus-
länder keine weiteren ausweisungsrelevanten
Vor – wesentliche Änderung der Lebensverhält-
Aktivitäten (z. B. weil er Kenntnis von einer
53.3.1.4.6 nisse.
geplanten oder möglichen behördlichen Maß-
Vor 53.3.1.5 Bei der Einschätzung des künftigen Verhaltens nahme erlangt hat), ist nicht automatisch von
des Ausländers (Prognoseentscheidung) ist die einer Schmälerung des Gefahrenpotenzials aus-
Behörde zwar nicht an die Würdigung des zugehen, wenn in der Vergangenheit gefähr-
Strafgerichts gebunden. Grundsätzlich ist je- dungsrelevante Aktivitäten festgestellt wurden.
doch von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Zu prüfen ist vor allem, ob eine eindeutige,
Verurteilung und der tatsächlichen Feststel- glaubwürdige und endgültige Distanzierung
lungen des Strafgerichts auszugehen. An die von vorangegangenen Aktivitäten stattge-
strafgerichtliche Entscheidung über die Straf- funden hat oder ob vielmehr von einer kon-
aussetzung zur Bewährung sind die Ausländer- spirativen bzw. durch äußere Faktoren (z. B.
behörden nicht gebunden; sie haben über die drohende behördliche Maßnahmen) bedingten
Wiederholungsgefahr eigenständig zu ent- Verhaltensanpassung auszugehen ist. Dies gilt
scheiden. Dies erfordert jedoch eine eingehende vor allem dann, wenn der Ausländer in der
Würdigung der Straftat und eine Auseinander- Vergangenheit relevante Straftaten von er-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1125

heblichem Gewicht begangen hat und/oder in- Dies gilt jeweils, sofern nach Prüfung des Ein-
tensiv (z. B. durch Ausübung hochrangiger zelfalls eine generalpräventive Wirkung ange-
Funktionen) in extremistische/terroristische nommen werden kann (vgl. Nummer Vor
Strukturen eingebunden war. Die Abkehr muss 53.3.2.0).
sich nach außen manifestieren. Die Darle-
Vor Auch bei einer generalpräventiv motivierten
gungslast liegt insoweit beim Ausländer (§ 82
53.3.2.2.2 Ausweisung sind die Umstände der Straftat und
Absatz 1). Kurze – ggf. anwaltlich vorbereitete
die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen
– formelmäßige Abstandserklärungen genügen
von Amts wegen sorgfältig zu ermitteln und
nicht.
eingehend zu würdigen. Insbesondere genügt es
Vor 53.3.2 Generalpräventive Gründe nicht, das Gewicht der für die Ausweisung
sprechenden öffentlichen Interessen allein an-
Vor 53.3.2.0 Eine Ausweisung kann auch erfolgen, wenn sie hand der Typisierung der den Ausweisungs-
darauf gerichtet ist, andere Ausländer von anlass bildenden Straftaten zu bestimmen. Im
Straftaten und sonstigen gewichtigen ord- Regelfall ist deshalb vor der Entscheidung über
nungsrechtlichen Verstößen abzuhalten. Die die Rechtmäßigkeit der Ausweisung die Ein-
Ausweisung von Ausländern, die mit einem sicht in die Strafakten ebenso unerlässlich wie
deutschen Familienangehörigen in familiärer genaue Feststellungen zu den Bindungen des
Gemeinschaft leben, und den nach Artikel 3 Betroffenen an die Bundesrepublik Deutsch-
Absatz 3 des Europäischen Niederlassungs- land und seinen Heimatstaat.
abkommens vom 13. Dezember 1955 (BGBl.
1959 II S. 998) geschützten Ausländern ist aus Vor 53.3.2.3 Auch bei Verstößen gegen sonstige Rechts-
generalpräventiven Gründen grundsätzlich nur normen, Entscheidungen und Verfügungen (z. B.
zulässig, wenn besonders schwerwiegende aufenthaltsrechtliche Bestimmungen) ist eine
Ausweisungsgründe vorliegen (z. B. rechts- Ausweisung aus generalpräventiven Erwägun-
kräftige Verurteilung wegen illegalen Rausch- gen nicht ausgeschlossen. Diese kommt jedoch
gifthandels). Nach der Rechtsprechung des nur dann in Betracht, wenn ein gewichtiges öf-
Europäischen Gerichtshofes ist eine allein aus fentliches Interesse besteht, Verstößen gegen
generalpräventiven Gründen verfügte Aus- entsprechende Regelungen wirksam vorzubeu-
weisung eines assoziationsberechtigten türki- gen und sich die erstrebte Verhaltenssteuerung
schen Staatsangehörigen nicht mit Artikel 14 durch die kontinuierliche Anwendung der Aus-
ARB 1/80 vereinbar (vgl. Nummer Vor 53.5.2). weisungsermächtigung auch verwirklichen lässt.
Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist
Vor 53.3.2.1 Der generalpräventive Ausweisungszweck ist Rechnung zu tragen: die Verhaltenssteuerung
nur begründet, wenn der Ausweisungsgrund darf nicht zum Selbstzweck werden und andere
durch ein zurechenbares Verhalten verwirklicht Umstände des Falles (z. B. familiäre Belange)
wurde. Bei krankheits- oder suchtbedingten nicht von vornherein als bedeutungslos zurück-
Handlungen, singulären Verfehlungen oder treten lassen, so dass die Folge der Ausweisung
leicht fahrlässigen Delikten, derentwegen im unangemessen erscheint. Hierbei sind auch Ge-
Falle der Ausweisung eine Verhaltenssteuerung wicht und Häufigkeit der Verstöße zu berück-
anderer Ausländer nicht erreichbar ist, kann sichtigen; ebenso spielt eine Rolle, inwieweit das
eine Ausweisung nicht auf generalpräventive Verhalten dem Ausländer vorwerfbar ist und ob
Zwecke gestützt werden. andere Möglichkeiten (z. B. nach dem Straf- bzw.
Vor Eine generalpräventive Ausweisung straffälliger Ordnungswidrigkeitenrecht) bestehen, der Stö-
53.3.2.2.1 Ausländer kommt beispielsweise in Betracht rung wirksam zu begegnen.
bei Vor 53.4 Rechtsstaatliche Grundsätze
– Rauschgiftdelikten (vgl. § 53 Nummer 2, Die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhält-
§ 54 Nummer 3), nismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sind
– Sexualdelikten, sexuellem Missbrauch von bei der Ausweisung zu berücksichtigen. In die
Kindern, Prüfung der genannten Grundsätze fließen die
Grundrechte und die sich aus ihnen ergebenden
– Raub oder raubähnlichen Delikten, Eigen-
Wertentscheidungen ein.
tums- und Vermögensdelikten wie Hehlerei,
Steuerhinterziehung, Schmuggel und Han- Vor 53.4.1 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
del mit unverzollten sowie unversteuerten
Vor 53.4.1.0 Die Ausweisung ist am Grundsatz der Ver-
Waren,
hältnismäßigkeit zu orientieren. Hiernach kann
– Waffendelikten, die Ausweisung nur dann verfügt werden, wenn
– Eidesdelikten, Urkundsdelikten, sie das geeignete, erforderliche und angemes-
sene Mittel zur Erreichung des Ausweisungs-
– Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr, zwecks ist. Die in Nummer 53.0.3 und Num-
Fahren ohne Fahrerlaubnis, mer 54.0.2 bis 54.0.4 dargelegten Einschrän-
– gravierenden Verstößen gegen das Aufent- kungen in Fällen der zwingenden Ausweisung
haltsrecht oder Arbeitserlaubnisrecht, und der Regelausweisung sind zu beachten.
– schwerwiegenden Körperverletzungsdelik- Vor 53.4.1.1 Geeignet ist die Ausweisung, wenn anzu-
ten (z. B. Messerstechereien). nehmen ist, dass sie den erstrebten Erfolg
Seite 1126 GMBl 2009 Nr. 42– 61

(Gefahrenabwehr) herbeiführt oder wenigstens Vor 53.5.0 Allgemeines


fördert. Die Geeignetheit der Ausweisung kann
Die Ausweisung darf nur verfügt werden, wenn
je nach den Umständen zur Erreichung des
ein gesetzlicher Ausweisungsgrund nach den
Ausweisungszwecks sowohl spezial- als auch
§§ 53 bis 55 vorliegt. Die Ausländerbehörde hat
generalpräventiv begründet werden. Der
bei der Ausweisung Einschränkungen nach
Zweck, den die Ausweisung gemäß § 55 Ab-
Europäischem Gemeinschaftsrecht (vgl. Arti-
satz 1 verfolgt, muss fortbestehen. Diese Vor-
kel 39 Absatz 3 und 46 Absatz 1 EGV) und
aussetzung ist stets gegeben, solange die einge-
völkerrechtliche Vereinbarungen (vgl. § 1 Ab-
tretene konkrete Beeinträchtigung fortdauert,
satz 1 und 2) zu prüfen und ggf. bei der Ent-
z. B. das strafbare Verhalten (illegaler Aufent-
scheidung zu berücksichtigen. Der aufenthalts-
halt, Passlosigkeit) noch nicht beendet ist, der
rechtliche Schutz, den die völkerrechtlichen
Drogenabhängige noch nicht zur Rehabilitation
Vereinbarungen vor der Ausweisung bieten,
bereit ist (vgl. § 55 Absatz 2 Nummer 4) oder
greift grundsätzlich jedoch nur dann ein, wenn
die Inanspruchnahme von Sozialhilfe noch
der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet
nicht entfallen ist (vgl. § 55 Absatz 2 Num-
rechtmäßig ist (vgl. § 50 Absatz 1).
mer 6). Die Ausweisung muss zur Erreichung
dieses Zwecks tauglich sein. Kann die Entfer- Vor 53.5.1 FreizügG/EU
nung des Ausländers aus dem Bundesgebiet zur
Gefahrenabwehr beitragen, erfüllt sie stets ih- Die Beendigung des Aufenthaltsrechts von
ren Zweck. freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern und
ihren freizügigkeitsberechtigten Familienange-
Vor 53.4.1.2 Erforderlich ist die Ausweisung immer dann, hörigen richtet sich abschließend und um-
wenn keine mildere Maßnahme zur Verfügung fassend nach dem FreizügG/EU. Auf die Frei-
steht, die in gleicher Weise wie die Aus- zügG/EU-VwV, insbesondere Nummer 6, wird
weisung zwecktauglich ist (z. B. Versagung/ Bezug genommen.
Verkürzung der Befristung des Aufenthalts-
Vor 53.5.2 Assoziationsratsbeschluss EWG-Türkei Num-
titels, politisches Betätigungsverbot, behörd-
mer 1/80 (ARB 1/80)
liche Verwarnungen, andere ordnungsrecht-
liche Sanktionen). Das Recht gemäß Artikel 6 ARB 1/80 besteht,
solange der türkische Staatsangehörige dem
Vor 53.4.1.3 Angemessen ist die Ausweisung, wenn sie regulären Arbeitsmarkt angehört. Dieses Auf-
keinen Nachteil herbeiführt, der erkennbar enthaltsrecht endet, wenn der Ausländer dem
außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg Arbeitsmarkt – z. B. in Folge dauerhafter Ar-
steht. Die Ausweisung muss daher unter Be- beitsunfähigkeit oder dem Erreichen des Ren-
rücksichtigung der für den Ausländer und tenalters – endgültig nicht mehr zur Verfügung
seine Familienangehörigen entstehenden er- steht. Das Aufenthaltsrecht endet überdies
heblichen Nachteile das noch angemessene i. d. R., wenn der türkische Arbeitnehmer seine
Mittel zur Zweckerreichung sein. Die Prüfung Beschäftigung freiwillig aufgibt; eine Aus-
erfordert eine Interessenabwägung zwischen nahme besteht insoweit nur, wenn er zuvor
den Gründen, aus denen die Ausweisung zur über vier Jahre lang eine ordnungsgemäße Be-
Wahrung des öffentlichen Interesses geboten schäftigung ausgeübt hat und die Aufgabe der
ist, auf der einen und dem Ausmaß und der Beschäftigung zu dem Zweck erfolgte, eine an-
Schwere des Eingriffs in die schutzwürdigen dere Beschäftigung zu suchen: dann besitzt er
Belange des Ausländers und seiner Familien- für einen angemessenen Zeitraum ein Aufent-
angehörigen (vgl. § 55 Absatz 3) auf der an- haltsrecht, um eine neue Beschäftigung zu su-
deren Seite. chen (EuGH, Urteil vom 23. Januar 1997,
Rs. C-171/95 – Tetik).
Vor 53.4.2 Grundsatz des Vertrauensschutzes
Das einmal erworbene Aufenthaltsrecht nach
Ein Vertrauenstatbestand kann in dem Um- Artikel 7 ARB 1/80 kann nach der Recht-
stand liegen, dass die Ausländerbehörde etwa sprechung des Europäischen Gerichtshofs nur
in Kenntnis einer rechtskräftigen strafge- aus zwei Gründen verloren gehen: Einerseits
richtlichen Verurteilung einen Aufenthaltstitel auf Grund schwerwiegender Gründe der öf-
vorbehaltlos erteilt oder verlängert hat. Allein fentlichen Sicherheit und Ordnung und an-
auf diese Verurteilung kann eine Ausweisung dererseits, wenn der Betroffene das Hoheitsge-
nicht gestützt werden. Diese Verurteilung ist biet für einen nicht unerheblichen Zeitraum
jedoch im Falle einer weiteren Verurteilung ohne berechtigten Grund verlässt.
oder des Eintritts anderer Ausweisungsgründe
zur Beurteilung der von dem Ausländer aus- Der Europäische Gerichtshof legt den in Arti-
gehenden Gefahren im Rahmen eines Aus- kel 14 Absatz 1 ARB 1/80 verwendeten Begriff
weisungsverfahrens beachtlich. Auf § 5 Ab- der öffentlichen Ordnung entsprechend der
satz 3 Satz 3 wird hingewiesen. Ausweisungsmaßstäbe für Personen, die nach
dem EG-Vertrag freizügigkeitsberechtigt sind,
Vor 53.5 Ausweisungsbefugnis/Besondere Auswei- aus (Artikel 39 Absatz 3 EGV i. V. m. der
sungsvoraussetzungen insbesondere nach Eu- Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom
ropäischem Gemeinschaftsrecht und völker- 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Son-
rechtlichen Vereinbarungen dervorschriften für die Einreise und den Auf-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1127

enthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen gründe i. S. v. Artikel 3 Absatz 3 Europäisches
der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Ge- Niederlassungsabkommen beschränkt. Zwi-
sundheit gerechtfertigt sind (ABl. L 56 S. 850) schen den schwerwiegenden Gründen i. S. d.
sowie Artikel 40 EGV), ohne bislang die § 56 Absatz 1 und den besonders schwer-
Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Par- wiegenden Gründen i. S. v. Artikel 3 Absatz 3
laments und des Rates vom 29. April 2004 über Europäisches Niederlassungsabkommen be-
das Recht der Unionsbürger und ihrer Fami- steht kein qualitativer Unterschied.
lienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der
Vor 53.5.4 Europäisches Fürsorgeabkommen vom
Mitgliedstaaten frei zu bewegen und auf-
11. Dezember 1953 (BGBl. 1956 II S. 564)
zuhalten, zur Änderung der Verordnung
(EWG) Nummer 1612/68 und zur Aufhebung Nach Artikel 6 Absatz a Europäisches Fürsor-
der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, geabkommen darf ein Vertragsstaat einen
72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/ Staatsangehörigen einer anderen Vertragspartei
35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/ (Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland,
96/EWG (ABl. EU L 229 S. 35, so genannte Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Nie-
Freizügigkeitsrichtlinie) direkt anzuwenden. derlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spa-
Der Europäische Gerichtshof fordert bezogen nien, Türkei, Vereinigtes Königreich), der in
auf den Einzelfall die Darlegung einer kon- seinem Gebiet erlaubt seinen gewöhnlichen
kreten, tatsächlichen und hinreichend schwe- Aufenthalt hat, nicht allein aus dem Grund der
ren, das Grundinteresse einer Gesellschaft be- Hilfsbedürftigkeit (Sozialhilfebezug oder Ob-
rührenden Gefährdung durch das persönliche dachlosigkeit) in den Herkunftsstaat rück-
Verhalten des Betroffenen. Allein das Vorliegen führen. Der Ausländer muss eine Nieder-
einer mehrjährigen Haftstrafe ohne eine auf die lassungserlaubnis besitzen und, falls er vor
Person bezogene Gefahrenprognose reicht Vollendung des 55. Lebensjahres nach
nicht aus. Daraus folgt, dass Ist- oder Regel- Deutschland gekommen ist, ununterbrochen
ausweisung selbst bei Vorliegen der Voraus- länger als fünf Jahre oder, falls er nach Errei-
setzungen nicht anwendbar sind. Es kann nur chung dieses Alters nach Deutschland ge-
eine – an den obigen Maßstäben vorzu- kommen ist, ununterbrochen seit mehr als zehn
nehmende – eingeschränkte Ermessensaus- Jahren hier leben. Im Übrigen ist eine Rück-
weisung erfolgen. Eine Ausweisung aus ge- führung (z. B. Ausweisung, nachträgliche Be-
neralpräventiven Gesichtspunkten kommt fristung der Aufenthaltstitel) nicht zulässig,
nicht in Betracht. wenn der Ausländer wegen seines Gesund-
heitszustandes nicht transportfähig ist oder
Vor 53.5.3 Europäisches Niederlassungsabkommen vom
wenn er enge Bindungen in Deutschland hat
13. Dezember 1955 (BGBl. 1959 II S. 998)
(Artikel 6 und 7 Europäisches Fürsorgeab-
Vor 53.5.3.1 Für die Staatsangehörigen von Belgien, Däne- kommen).
mark, Griechenland, Irland, Italien, Luxem- Vor 53.5.5 Darüber hinaus schließen Artikel 8 des
burg, der Niederlande, Norwegen, Schweden, deutsch-österreichischen Abkommens über
der Türkei und des Vereinigten Königreichs ist Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom
das Europäische Niederlassungsabkommen zu 17. Januar 1966 (BGBl. 1969 II S. 2, 1969 II
beachten. S. 1550) sowie Artikel 5 der deutsch-schwei-
zerischen Vereinbarung über die Fürsorge
Vor 53.5.3.2 Nach Artikel 3 Absatz 1 Europäisches Nieder-
für Hilfsbedürftige vom 14. Juli 1952 (BGBl.
lassungsabkommen stellen die Gefährdung der
1953 II S. 31, 1953 II S. 129) eine Ausweisung
Sicherheit des Staates und der Verstoß gegen die
wegen Hilfsbedürftigkeit aus, wenn sich der
öffentliche Ordnung oder die Sittlichkeit Aus-
begünstigte Ausländer länger als ein Jahr un-
weisungsgründe dar. Nach dieser Vorschrift ist
unterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf-
die Ausweisung grundsätzlich zulässig, wenn
hält.
sie im Einklang mit dem innerstaatlichen Aus-
länderrecht oder dem Europäischen Gemein- Vor 53.5.6 Konvention zum Schutze der Menschenrechte
schaftsrecht steht. und Grundfreiheiten vom 4. November 1950
(EMRK; BGBl. 1958 II S. 210)
Vor 53.5.3.3 Artikel 3 Absatz 3 Europäisches Niederlas-
sungsabkommen gewährt bei einem ununter- Vor 53.5.6.1 Artikel 8 Absatz 1 EMRK gewährleistet jeder-
brochenen rechtmäßigen Aufenthalt von min- mann die Achtung des Privat- und Familien-
destens zehn Jahren im Bundesgebiet – Kurz- lebens. Artikel 8 EMRK beinhaltet kein ab-
aufenthalte im Ausland während der solutes Ausweisungsverbot, sondern knüpft
Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel sind unter einen Eingriff an besondere Voraussetzungen
Berücksichtigung des § 51 Absatz 1 Nummer 6 (Artikel 8 Absatz 2 EMRK) sowie an eine Ver-
und 7 unschädlich – im Zeitpunkt des Wirk- hältnismäßigkeitsprüfung an. Absatz 2 dieser
samwerdens der Ausweisungsverfügung einen Vorschrift schützt vor Eingriffen einer öffentli-
erhöhten Ausweisungsschutz. Bei Angehörigen chen Behörde in die Ausübung dieses Rechts,
eines Vertragsstaates wird unter dieser Voraus- indem er solche Eingriffe unter Gesetzesvorbe-
setzung die Ausweisungsmöglichkeit auf halt stellt und auf das in einer demokratischen
Gründe der Sicherheit des Staates oder sonstige Gesellschaft zur Wahrung der nationalen oder
besonders schwerwiegende Ausweisungs- öffentlichen Sicherheit, des wirtschaftlichen
Seite 1128 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Wohles des Landes, zur Aufrechterhaltung der – von dem Ausländer schwerwiegende Ge-
Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum fahren, insbesondere aufgrund von Bezügen
Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zu Terrorismus und Extremismus ausgehen,
zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
– der Ausländer volljährig ist, er gelegentlich
Notwendige beschränkt.
im Heimatstaat war, die dortigen Ver-
Vor 53.5.6.2 Das Recht auf Familienleben umfasst den tat- hältnisse kennt und die Heimatsprache be-
sächlich praktizierten familiären Kontakt zwi- herrscht oder
schen nahen Verwandten einschließlich Ge- – sonstige Anhaltspunkte eine fortdauernde
schwistern und nichtehelichen Kindern. Ein- Integrationsunwilligkeit belegen.
schränkungen eines solchen Kontaktes infolge
von Haft sind unbeachtlich, wenn der Kontakt Vor 53.5.7 Übereinkommen über die Rechtsstellung der
bis zum Zeitpunkt der Inhaftierung bestanden Staatenlosen vom 28. September 1954 (BGBl.
hat. Volljährige Kinder können sich grundsätz- 1976 II S. 474)
lich hinsichtlich der Beziehung zu ihren Eltern
nicht auf das Recht auf Familienleben gemäß Nach Artikel 31 Absatz 1 des Übereinkom-
Artikel 8 Absatz 1 EMRK berufen. Das Recht mens über die Rechtsstellung der Staatenlosen
auf Achtung des Privatlebens umfasst die Sum- weisen die Vertragsstaaten keinen Staatenlosen
me der persönlichen, gesellschaftlichen und aus, der sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet
wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Pri- befindet, es sei denn aus Gründen der Staats-
vatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind sicherheit oder der öffentlichen Ordnung. Ent-
und denen angesichts der zentralen Bedeutung sprechende Gründe ergeben sich aus §§ 53
dieser Bindungen für die Entfaltung der Per- bis 55. Der Bezug von Sozialhilfe darf im Hin-
sönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender blick auf die Zusicherung nach Artikel 23 des
Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung Übereinkommens über die Rechtsstellung der
zukommt. Eine Ausweisung ist mit Artikel 8 Staatenlosen nicht zur Ausweisung eines Staa-
EMRK vereinbar, wenn sie eine Maßnahme tenlosen führen. Hierbei ist jedoch zu beachten,
darstellt, die in einer demokratischen Gesell- dass die Bundesrepublik Deutschland hinsicht-
schaft notwendig, d. h. durch ein herausragendes lich der Anwendung des Artikels 23 den Vor-
soziales Bedürfnis gerechtfertigt, und insbe- behalt geltend gemacht hat, diesen uneinge-
sondere in Bezug auf das verfolgte Ziel ver- schränkt nur auf Staatenlose anzuwenden, die
hältnismäßig ist. Eine Abwägung zwischen dem zugleich Flüchtlinge i. S. d. Genfer Flücht-
durch Absatz 1 geschützten Interesse des Aus- lingskonvention sind, im Übrigen jedoch nur in
länders an der Aufrechterhaltung seiner persön- einem nach Maßgabe innerstaatlicher Gesetze
lichen und insbesondere familiären Kontakte eingeschränktem Umfange (BGBl. 1976 II
und den nach Absatz 2 berücksichtigungsfä- S. 473).
higen Ausweisungsgründen muss ergeben, dass Vor 53.5.8 Zwischenstaatliche Vereinbarungen
die Ausweisungsgründe schwerer wiegen. Eine
Ausweisung zur Verhinderung strafbarer Nach § 1 Absatz 1 Satz 5 ist auch im Falle einer
Handlungen ist danach um so eher gerecht- Ausweisung zu prüfen, ob mit dem Heimatstaat
fertigt, je schwerwiegender die von dem Aus- des Ausländers zwischenstaatliche Vereinba-
länder bereits begangenen Straftaten und je we- rungen bestehen, die die Ausweisung von zu-
niger eng seine persönlichen und insbesondere sätzlichen Voraussetzungen abhängig machen.
familiären Bindungen sind. Hierbei sind auf der I. d. R. lassen entsprechende Niederlassungs-,
einen Seite Bindungen des Ausländers im Bun- Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsver-
desgebiet zu berücksichtigen, wie sie in § 55 träge eine Ausweisung aus Gründen der öf-
Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie § 56 zum fentlichen Sicherheit und Ordnung nach inner-
Ausdruck kommen. Bei Ausländern der so ge- staatlichem Recht zu (§§ 53 bis 55). Es handelt
nannten zweiten Generation (im frühen Kin- sich insbesondere um folgende zwischenstaat-
desalter eingereist oder im Bundesgebiet ge- liche Vereinbarungen:
boren) sind deren stärkere soziale Bindungen im
Bundesgebiet zu beachten. Ebenso zu berück- Vor 53.5.8.1 – Artikel 7 des Niederlassungsabkommens
sichtigen sind auf der anderen Seite die Art und zwischen dem Deutschen Reich und der
Schwere der begangenen Straftat sowie das son- Türkischen Republik vom 12. Januar 1927
stige, für die Gefahrenprognose relevante Ver- (RGBl. 1927 II S. 76 und S. 454; BGBl. 1952
halten des Ausländers. Die vom Europäischen II S. 608),
Gerichtshof für Menschenrechte zur Beurtei-
Vor 53.5.8.2 – Artikel 2 Absatz 2 des Niederlassungsab-
lung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in
kommens zwischen dem Deutschen Reich
Artikel 8 EMRK entwickelten Kriterien sind in
und dem Kaiserreich Persien (Iran) vom
die Einzelfallprüfung mit einzubeziehen.
17. Februar 1929 (RGBl. 1930 II S. 1002;
Vor 53.5.6.3 Eine Ausweisung kann auch im Hinblick auf BGBl. 1955 II S. 829),
Artikel 8 EMRK insbesondere dann in Betracht
Vor 53.5.8.3 – Artikel 2 Absatz 5 des Freundschafts-,
kommen, wenn
Handels- und Schifffahrtsvertrages zwi-
– der Ausländer schwerwiegende Straftaten, schen der Bundesrepublik Deutschland und
insbesondere Drogendelikte, begangen hat, den Vereinigten Staaten von Amerika vom
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1129

29. Oktober 1954 (BGBl. 1956 II S. 487, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung
1956 II S. 763), wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen
Interesse notwendig ist (§ 28 Absatz 2 Num-
Vor 53.5.8.4 – Artikel 2 des Freundschafts-, Handels- und mer 1 VwVfG). Eine solche Gefahr setzt vor-
Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundes- aus, dass durch eine vorherige Anhörung auch
republik Deutschland und der Dominikani- bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein
schen Republik vom 23. Dezember 1957 Zeitverlust eintreten würde, der mit hoher
(BGBl. 1959 II S. 1468, 1960 II S. 1874), Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der
Vor 53.5.8.5 – Nummer 6 der Übereinkunft zwischen der Zweck der Ausweisung nicht erreicht würde.
Regierung der Bundesrepublik Deutschland Bei in fremder Sprache abgefassten Schriftstük-
und der Regierung der Republik der Phil- ken soll die Behörde unverzüglich die Vorlage
ippinen über Einwanderungs- und Visa- einer Übersetzung verlangen (§ 23 Absatz 2
fragen vom 3. März 1964 (BAnz. Num- Satz 1 VwVfG).
mer 89 vom 15. Mai 1964).
Vor. 53.6.4 Personen, deren Rechte aus Artikel 6 GG und
Vor 53.6 Ausweisungsverfahren aus Artikel 8 EMRK betroffen sein könnten
(Ehegatte, Lebenspartner, Kinder) sollen zu
Vor 53.6.1 Die Entscheidung über die Ausweisung eines Beteiligten im Verfahren gemacht werden.
Ausländers trifft die Ausländerbehörde (§ 71
Absatz 1 Satz 1 und 2). § 72 Absatz 4 ist zu be- Vor 53.6.5 Beabsichtigt eine Ausländerbehörde, einen
achten. Ausländer, der im Besitz einer Erlaubnis zum
Daueraufenthalt-EG in einem anderen Mit-
Vor 53.6.2 Sobald die Ausländerbehörde Kenntnis vom gliedstaat ist und sich in Deutschland mit einem
Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach den Aufenthaltstitel nach § 38a aufhält, in ein Land
§§ 53 bis 55 erlangt (z. B. auf Grund einer Mit- außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie
teilung einer anderen Behörde nach § 87) oder 2003/109/EG des Rates vom 25. November
ihr begründete Anhaltspunkte für das Vorliegen 2003 betreffend die Rechtsstellung der lang-
eines Ausweisungsgrundes bekannt werden, fristig Aufenthaltsberechtigten Drittstaatsange-
muss sie von Amts wegen tätig werden (Amts- hörigen (ABl. EU 2004 Nummer L 16 S. 44; so
ermittlungsgrundsatz; vgl. §§ 79, 82). Die Aus- genannte Daueraufenthalt-Richtlinie) – d. h.
länderbehörde muss umgehend eine Aus- Drittstaaten wie Vereinigtes Königreich, Irland
weisung prüfen, ein Ausweisungsverfahren zü- und Dänemark – auszuweisen, ist vor der Ent-
gig einleiten und durchführen. Dies gilt auch, scheidung das Konsultationsverfahren nach
wenn von vornherein nur eine Ermessensaus- § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migra-
weisung in Betracht kommt. Sobald die Aus- tion und Flüchtlinge durchzuführen (vgl.
länderbehörde festgestellt hat, dass die gesetz- Nummer 91c.2). Bei einer Ausweisung inner-
lichen Ausweisungsvoraussetzungen gegeben halb des Geltungsbereichs der Daueraufent-
sind und welche sonstigen erheblichen be- oder haltsrichtlinie ist lediglich eine Mitteilung nach
entlastenden Umstände vorliegen, muss sie un- § 91c Absatz 3 über das Bundesamt erforderlich
verzüglich über die Ausweisung entscheiden. (siehe Nummer 91c.3).
Kommt eine Ausweisung nicht in Frage, hat die
Ausländerbehörde zu prüfen, ob sonstige Maß- Vor 53.6.6 Die Ausweisungsverfügung ist schriftlich zu
nahmen zu treffen sind (vgl. § 7 Absatz 2 erlassen (§ 77 Absatz 1 Satz 1) und zu be-
Satz 2, § 52, § 51 Absatz 1). gründen (§ 39 Absatz 1 VwVfG), d. h. alle ent-
scheidungserheblichen Erwägungen müssen er-
Vor 53.6.3 Eine Anhörung des Ausländers durch die Aus- kennbar sein. Im Hinblick auf § 58 Absatz 1
länderbehörde ist erforderlich, wenn es zur VwGO soll sie mit einer Rechtsbehelfsbe-
Aufklärung des Sachverhaltes notwendig ist lehrung versehen werden. Bei Ermessens-
oder wenn die Ausländerbehörde die Aus- ausweisungen kommt der Begründungspflicht
weisung beabsichtigt (§ 28 Absatz 1 VwVfG). besondere Bedeutung zu. Die Begründung ist
Dem Ausländer ist Gelegenheit zu geben, sich fehlerhaft, wenn die Ausländerbehörde von
zu den für die Entscheidung erheblichen Tat- einem unrichtigen oder unvollständigen Sach-
sachen binnen angemessener Frist zu äußern. verhalt ausgeht. Eine Verletzung der Begrün-
Im Rahmen der Anhörung sind ihm sowohl die dungspflicht ist unbeachtlich, wenn die Be-
Ausweisungsabsicht als auch die dafür maßge- gründung nachträglich im eventuell durch-
benden Gründe mitzuteilen. Da familiäre Be- zuführenden Widerspruchsverfahren bzw. im
ziehungen im Rahmen der Prüfung von Arti- verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt
kel 6 GG und Artikel 8 EMRK Bedeutung ha- wird. Sofern im konkreten Einzelfall mit dem
ben, kann in Fällen, in denen solche familiären Eintritt bestimmter weiterer für die Entschei-
Bindungen bestehen, auch eine Anhörung des dung erheblicher be- oder entlastender Um-
Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. in den Fällen, in stände zu rechnen ist, kann die Ausländer-
denen der Ausländer, der ausgewiesen werden behörde das Verfahren zunächst aussetzen und
soll, Vater eines in Deutschland lebenden Kin- die weitere Entwicklung abwarten.
des ist, der Mutter des Kindes (für sich und das
Kind) in Betracht kommen. Von der Anhörung Vor 53.6.7 Ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung
kann abgesehen werden, wenn sie nach den eines Aufenthaltstitels ist im Falle des Erlasses
Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, einer Ausweisungsverfügung abzulehnen (vgl.
Seite 1130 GMBl 2009 Nr. 42– 61

§ 11 Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 84 Absatz 2 Wirksamkeit der Ausweisung, die die Recht-


Satz 1). Beide Verfügungen sollen mit der Ab- mäßigkeit des Aufenthalts beendet und die
schiebungsandrohung verbunden werden. Die Sperrwirkung des § 11 Absatz 1 zur Folge hat,
in § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten unberührt (§ 84 Absatz 2 Satz 1). Die Aus-
Rechtsfolgewirkungen der Ausweisung sind auf länderbehörde hat im Hinblick auf die vom
Antrag i. d. R. zu befristen; die Frist beginnt mit Ausländer ausgehende Gefahr zu prüfen, ob die
der Ausreise (§ 11 Absatz 1 Satz 4). Auf das sofortige Vollziehung anzuordnen ist. Die Fest-
Antragserfordernis, die Rechtsfolgen der Aus- stellung eines Vollzugsinteresses erfordert in den
weisung (Wiedereinreiseverbot) und die Ein- Fällen des § 72 Absatz 4 die Zustimmung der
reiseverweigerung für das Schengen-Gebiet auf Staatsanwaltschaft. Das Vollzugsinteresse muss
Grund der Ausschreibung im SIS ist in der über das öffentliche Interesse am Erlass der
Ausweisungsverfügung hinzuweisen. Ausweisungsverfügung ersichtlich hinausge-
hen. Die sofortige Vollziehung setzt nach § 80
Vor 53.6.8.1 Gelangt die Ausländerbehörde zu dem Ergeb-
Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO voraus, dass
nis, von einer Ausweisung abzusehen, ist dies in
der Akte zu vermerken. Auf den zugrunde lie- – ein besonderes öffentliches Interesse daran
genden Sachverhalt allein kann eine spätere besteht, den Ausländer bereits vor einer
Ausweisung nicht mehr gestützt werden, es sei verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im
denn, in den Akten ist ein entsprechender Vor- Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßig-
behalt vermerkt. Allerdings wird er im Falle des keit seiner Ausweisung aus dem Bundesge-
späteren Eintritts eines Ausweisungsgrundes biet zu entfernen und
nochmals in die Entscheidungsfindung mit ein- – dieses öffentliche Interesse das schutz-
bezogen. würdige Interesse des Ausländers an seinem
Vor 53.6.8.2 In allen Fällen, in denen der Ausländer ange- weiteren Verbleiben bis zur Hauptsacheent-
hört worden ist und die Ausländerbehörde von scheidung überwiegt.
einer Ausweisung absieht, ist er darüber zu un- Vor 53.7.2 Das besondere öffentliche Interesse am soforti-
terrichten. gen Vollzug einer Ausweisung ist zu bejahen,
Vor 53.6.8.3 Hat die Ausländerbehörde von einer Aus- wenn die begründete Besorgnis besteht, dass die
weisung abgesehen, soll sie, soweit tunlich, den Gefahr sich schon im Zeitraum bis zur verwal-
Ausländer auf die möglichen Folgen bei Ver- tungsgerichtlichen Hauptsacheentscheidung
wirklichung eines Ausweisungsgrundes hin- verwirklichen wird. Von einem besonderen öf-
weisen (so genannte ausländerbehördliche Ver- fentlichen Interesse an der sofortigen Voll-
warnung). Bei dieser Verwarnung handelt es ziehung kann insbesondere dann ausgegangen
sich um einen bloßen Hinweis ohne Verwal- werden, wenn ein Ausweisungstatbestand nach
tungsaktqualität auf eine mögliche Reaktion der §§ 53, 54 erfüllt ist und Wiederholungsgefahr
Ausländerbehörde hinsichtlich eines bestim- besteht. Zu den schutzwürdigen Interessen des
mten künftigen Verhaltens des Ausländers. Ausländers, die hiergegen abzuwägen sind,
zählen z. B. die in Nummer 55.3 bis 55.3.2.5
Vor 53.6.9.1 Bei Ausländern, gegen die ein strafrechtliches genannten Hinweise zum Ausweisungsschutz
Ermittlungsverfahren eingeleitet oder gegen die und die Erschwerung der Rechtsverteidigung
öffentliche Klage erhoben worden ist, ist § 72 im Hauptsacheverfahren aus dem Ausland. In
Absatz 4 zu beachten (Einvernehmen der den Fällen des § 54 Nummer 5 und 5a ist die
Staatsanwaltschaft). Liegen der Ausländer- Anordnung der sofortigen Vollziehung einer
behörde Erkenntnisse über ein strafrechtliches Ausweisungsverfügung grundsätzlich zu dem
Ermittlungsverfahren vor, ohne dass sie über Zweck zulässig, die Folgen nach § 54a Absatz 1
entsprechende amtliche Unterlagen verfügt, hat Satz 1 und Absatz 2 eintreten zu lassen (vgl.
sie entsprechende Erkenntnisse bei den Straf- Nummer 54a.0.3). Wird der Erlass einer Aus-
verfolgungsbehörden einzuholen. weisung mit der Anordnung des Sofortvollzugs
verbunden, bedarf es stets einer auf den Einzel-
Vor 53.6.9.2 Liegt das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft
fall bezogenen abwägenden schriftlichen Be-
zur Ausweisung vor, darf mit der Ausweisung
gründung (§ 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO), war-
nur zugewartet werden, wenn diese aus-
um der Ausgewiesene unverzüglich die Bun-
schließlich wegen eines Ausweisungstatbe-
desrepublik Deutschland zu verlassen hat.
standes erfolgen kann, der eine rechtskräftige
strafgerichtliche Verurteilung voraussetzt, die Vor 53.7.3 Soll ein inhaftierter Ausländer zum Zeitpunkt
noch aussteht oder wenn von den Strafverfol- der Haftentlassung abgeschoben werden, sollte
gungsbehörden bzw. vom Strafgericht eine um- die sofortige Vollziehung der Ausreise gemäß
fassendere Sachaufklärung als von der Aus- § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO an-
länderbehörde im Ausweisungsverfahren er- geordnet werden, sofern die Haftentlassung
wartet werden kann. voraussichtlich vor Abschluss des Haupt-
Vor 53.7 Rechtsbehelfe – Sofortige Vollziehung sacheverfahrens über die Ausweisung erfolgen
wird.
Vor 53.7.1 Rechtsbehelfe gegen die Ausweisung haben
nach § 80 Absatz 1 VwGO aufschiebende Wir- Vor 53.8 Im Falle der Ausweisung ist im Pass, Pass- oder
kung. Widerspruch und Klage lassen jedoch un- Ausweisersatz des Ausländers zu vermerken:
beschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die „Ausgewiesen“.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1131

Von dem Vermerk kann abgesehen werden, entsprechenden Vordruck umgehend zu unter-
wenn die Ausreise dadurch erschwert würde. richten.
Ein Aufenthaltstitel ist ungültig zu stempeln.
Vor 53.10.3 Die Unterrichtung diplomatischer oder konsu-
Besitzt der Ausländer ein Schengen-Visum, ist
larischer Vertretungen kann im Einzelfall unter
das Kinegram der Visummarke zu entwerten;
Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Be-
der Ausstellungsstaat ist entsprechend § 52
stimmungen zweckmäßig sein, wenn eine Un-
Absatz 7 Satz 2 zu unterrichten. Diese Maß-
terstützung der Ausländerbehörde, etwa durch
nahmen sind unmittelbar nach Erlass der Aus-
Zahlung der Rückreisekosten an den zur Aus-
weisungsverfügung vorzunehmen. Soweit der
reise verpflichteten aber mittellosen Ausländer
Pass oder Passersatz nicht bereits in Verwah-
erwartet werden kann. Bei abgelehnten Asyl-
rung genommen worden ist (§ 50 Absatz 6),
bewerbern oder Ausländern, bei denen ein Ab-
wird deren Vorlage gemäß § 48 Absatz 1 an-
schiebungsverbot gemäß § 60 besteht, ist von
geordnet. Dem Ausländer soll auf Antrag be-
einer Unterrichtung der Vertretung des Hei-
scheinigt werden, dass die Ausreisepflicht nicht
matstaates abzusehen.
vollziehbar ist.
Vor 53.10.4 Wird eine Ausweisungsverfügung aufgehoben
Vor 53.9 Ist der Aufenthalt eines Ausländers unbekannt, (vgl. § 84 Absatz 2 Satz 3) oder die Wirkung der
gegen den eine Ausweisungsverfügung erlassen Ausweisung verkürzt oder verlängert, ist auch
werden soll, hat die Ausländerbehörde wegen dies den in Nummer Vor 53.10 genannten Stel-
der Ermittlung des Aufenthalts nach Maßgabe len umgehend mitzuteilen. Dies ist im vor-
des AZRG und der hierzu ergangenen Vor- liegenden Pass oder Passersatz entsprechend zu
schriften beim Bundesamt für Migration und vermerken.
Flüchtlinge – Ausländerzentralregister – anzu-
fragen und ihn ggf. zur Aufenthaltsermittlung Vor 53.11 Verhältnis von zwingender Ausweisung zur
auszuschreiben (vgl. § 50 Absatz 7 Satz 1). Eine Ausweisung im Regelfall
Ausweisungsverfügung gegen einen Ausländer, Bei der zwingenden Ausweisung und der Aus-
dessen Aufenthalt nicht festgestellt werden weisung im Regelfall hat die nach § 71 Absatz 1
kann und der keinen Bevollmächtigten bestellt zuständige Ausländerbehörde eine rechtlich
hat, soll öffentlich zugestellt werden (vgl. gebundene Entscheidung zu treffen, die der
Nummer Vor 53.2). uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung
Vor 53.10 Meldepflichten unterliegt. Im Falle der Herabstufung der
zwingenden Ausweisung zur Ausweisung im
Vor 53.10.1 Unbeschadet der Datenübermittlungspflichten Regelfall entfällt die zwingende Rechtsfolge der
nach dem AZRG und den hierzu ergangenen Ausweisung (§ 56 Absatz 1 Satz 4). Zum maß-
Vorschriften hat die Ausländerbehörde von geblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Über-
einer Ausweisungsverfügung zu unterrichten prüfung siehe Nummer Vor 53.3.1.2. Bei Aus-
(hinsichtlich der Abschiebung siehe Num- weisungen auf der Grundlage der §§ 53, 54 hat
mer 58. 0. 13): sich die Prüfung grundsätzlich auf das Vor-
liegen des Ausweisungstatbestands zu be-
Vor 53.10.1.1 – die für die Dateneingabe zuständige Po- schränken (vgl. aber Nummer 53.0.3 sowie
lizeidienststelle nach dem vorgeschrie- Nummer 54.0.2 bis 54.0.4).
benen Muster zum Zweck der Aus-
schreibung in INPOL (Zurückweisung/
Festnahme § 50 Absatz 7 Satz 2) bzw. im 53 Zu § 53 – Zwingende Ausweisung
SIS (Einreiseverweigerung gemäß Arti-
53.0 Allgemeines
kel 96 Absatz 3 SDÜ), sofern eine solche
Ausschreibung in INPOL bzw. SIS be- 53.0.1.1 Erfüllt der Ausländer die tatbestandlichen Vor-
absichtigt ist (zu den Voraussetzungen aussetzungen des § 53, hat ihn die Ausländer-
einer Ausschreibung vgl. Nummer 50.7), behörde auszuweisen (zwingende Auswei-
sung). In diesen Fällen besteht kein Aus-
Vor 53.10.1.2 – auf Ersuchen das Bundesamt für Migra- weisungsermessen; die Ausländerbehörde muss
tion und Flüchtlinge, wenn es sich um unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft des
einen Ausländer handelt, der einen strafgerichtlichen Urteils die Ausweisung ver-
Asylantrag gestellt hat. fügen. Die Vorschrift dient spezialpräventiven
Zwecken in Fällen der besonderen Gefähr-
Vor 53.10.2 Ist der Vollzug einer Ausweisung nicht mög-
lichkeit des Ausländers.
lich, weil die Abschiebung nach § 60a vorüber-
gehend ausgesetzt wird oder der Aufenthalt 53.0.1.2 Türkische Arbeitnehmer, die ein Aufenthalts-
gestattet ist (§ 55 AsylVfG), sind die Aus- recht nach dem ARB 1/80 haben, dürfen nur
schreibungen in INPOL und im SIS nicht zu noch unter eingeschränkten Voraussetzungen
veranlassen oder umgehend löschen zu lassen. aus Deutschland ausgewiesen werden. Die
Sofern eine Betretenserlaubnis nach § 11 Ab- Grundsätze zur Beendigung des Aufenthalts
satz 2 erteilt worden ist, hat die Ausländer- freizügigkeitsberechtigter EU-Bürger sind
behörde die zuständige Polizeidienststelle so- weitgehend auf die assoziationsberechtigten
wie INPOL durch Übersendung einer Aus- türkischen Staatsangehörigen zu übertragen.
fertigung der Betretenserlaubnis mit dem Erforderlich ist stets eine einzelfallbezogene
Seite 1132 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des – wegen einer Vorsatztat eine Einsatzstrafe
Assoziationsberechtigten ausgeht (vgl. im Ein- von mindestens drei Jahren ausgesprochen
zelnen Nummer Vor 53.5.2). worden ist,
– aus den für die Vorsatztaten verhängten
53.0.2 Eine vorsätzliche Straftat i. S. v. § 53 liegt immer
Einzelstrafen ausdrücklich eine gesonderte
dann vor, wenn der Ausländer vom Strafgericht
Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei
nicht wegen fahrlässigen Handelns verurteilt
Jahren gebildet worden ist oder
wurde (§ 15 StGB).
– nach den Strafzumessungserwägungen des
53.0.3 § 53 setzt rechtskräftige strafgerichtliche Ver- Gerichts, den Tatumständen oder den ver-
urteilungen voraus. Unabhängig von der Aus- letzten Straftatbeständen offensichtlich ist,
weisung beschränkt sich die Prüfung rechts- dass das Gericht auch allein wegen der Vor-
staatlicher Grundsätze (insbesondere des satztaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) im Hin- mindestens drei Jahren verhängt hätte.
blick auf das besondere öffentliche Interesse an
Bei Jugendstrafen gilt Nummer 53.2.1 Satz 5
der Ausweisung regelmäßig auf die Befristung
und 6 entsprechend.
der Wirkungen der Ausweisung (§ 11 Absatz 1
Satz 3). Die strikte Rechtsfolge des § 53 er- 53.1.2.1 Zur zwingenden Ausweisung nach § 53 Num-
fordert grundsätzlich keine Güter- und Inter- mer 1, 2. Alternative führen mehrere strafge-
essenabwägung, da die Ausweisungsvorschrift richtliche Verurteilungen wegen vorsätzlicher
die Schranken der Handlungsfreiheit des Aus- Straftaten zu mehreren Freiheits- oder Jugend-
länders setzt, die der Gesetzgeber zur Pflege strafen von zusammen mindestens drei Jahren,
und Förderung des sozialen Zusammenlebens wenn die Verurteilungen innerhalb eines Zeit-
im Interesse der öffentlichen Sicherheit in den raums von fünf Jahren vor der letzten Verur-
Grenzen des allgemein Zumutbaren zieht. In teilung erfolgt sind. Die Berücksichtigung
Bezug auf im Bundesgebiet geborene oder auf- mehrerer rechtskräftiger Verurteilungen ist je-
gewachsene Ausländer ist stets die Vereinbar- doch nur dann zulässig, wenn die strafge-
keit der Einzelfallentscheidung mit Artikel 6 richtliche Verurteilung nicht dem Verwer-
GG und Artikel 8 EMRK zu prüfen. tungsverbot des § 51 BZRG unterliegt.

53.1 Zwingende Ausweisung wegen schwerer und 53.1.2.2 Der Ausweisungstatbestand des § 53 Num-
besonders schwerer Kriminalität mer 1, 2. Alternative wird durch die Anord-
nung von Sicherungsverwahrung bei der letzten
53.1.1 Die rechtskräftige Verurteilung zu einer Frei- Verurteilung verschärft. Wurde bei der letzten
heits- oder Jugendstrafe von mindestens drei rechtskräftigen Verurteilung Sicherungs-
Jahren muss nach § 53 Nummer 1, 1. Al- verwahrung angeordnet und ist der Ausländer
ternative auf einem einzigen Urteil beruhen. vorher rechtskräftig zu Geld-, Freiheits- oder
Unerheblich ist, ob die Strafe wegen einer ein- Jugendstrafen verurteilt worden, ist der Aus-
zelnen Tat verhängt worden ist oder ob es sich weisungstatbestand unabhängig vom Strafmaß
um eine Gesamtstrafe oder Einheitsjugend- oder dem Bezugszeitraum von fünf Jahren
strafe für mehrere Taten (§§ 53 bis 55 StGB, ebenfalls erfüllt. Die Durchführung der an-
§ 31 f. JGG) von mindestens drei Jahren han- geordneten Sicherungsverwahrung hindert die
delt. Bei mehreren Verurteilungen, die zur Bil- Ausländerbehörde nicht, die Ausweisung un-
dung einer Gesamtstrafe oder Einheitsjugend- mittelbar nach der strafgerichtlichen Verur-
strafe geführt haben, ist es unerheblich, ob die teilung zu verfügen und bei der Strafvollstrek-
Vollstreckung einer dieser Strafen früher zur kungsbehörde eine Entscheidung gemäß § 456a
Bewährung ausgesetzt worden ist. Ist ein Er- Absatz 1 StPO herbeizuführen.
wachsener wegen in Tateinheit (§ 52 StGB) 53.2 Zwingende Ausweisung wegen rechtskräftiger
oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangener vor- strafgerichtlicher Verurteilung auf Grund von
sätzlicher und fährlässiger Straftaten verurteilt Straftaten nach dem BtMG bzw. §§ 125, 125a
worden, ist der Ausweisungsgrund des § 53 StGB (§ 53 Nummer 2)
Nummer 1, 1. Alternative nur erfüllt, wenn der
auf die Vorsatztaten entfallende Teil der Strafe 53.2.1 Die zwingende Ausweisung wegen einer vor-
mindestens drei Jahre beträgt. Dies ist bei in sätzlichen Straftat nach dem BtMG nach § 53
Tateinheit begangenen Vorsatz- und Fahr- Nummer 2, 1. Alternative setzt eine rechts-
lässigkeitsdelikten der Fall, wenn in den Ur- kräftige strafgerichtliche Verurteilung zu einer
teilsgründen ausdrücklich ausgesprochen oder Freiheitsstrafe nach Erwachsenenstrafrecht un-
nach den Tatumständen oder den verletzten abhängig vom Strafmaß oder zu einer Jugend-
Straftatbeständen offensichtlich ist, dass das strafe von mindestens zwei Jahren voraus, ohne
Gericht die Freiheitsstrafe von mindestens drei dass die Vollstreckung der Strafe zur Bewäh-
Jahren schon allein im Hinblick auf die Vor- rung ausgesetzt wurde. Für die Frage, ob es sich
satztaten verhängt hat. Ist wegen in Tatmehrheit um eine oder mehrere vorsätzliche Straftaten
begangener vorsätzlicher und fahrlässiger Taten handelt, ist die strafrechtliche Bewertung maß-
eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt worden, ist gebend. Danach kann eine vorsätzliche Straftat
der Ausweisungsgrund des § 53 Nummer 1, 1. auch dann vorliegen, wenn der Täter mehrere
Alternative erfüllt, wenn Handlungen begangen oder eine Tat mehrfach
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1133

begangen hat. Der Tatbestand ist auch dann er- 54 Zu § 54 – Ausweisung im Regelfall
füllt, wenn der Ausländer wegen mehrerer vor-
sätzlicher Straftaten nach dem BtMG zu einer 54.0.1 Die Ausweisung im Regelfall nach § 54 erfasst
Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die Voll- Fälle der Verurteilung zu bzw. der Begehung
streckung nicht zur Bewährung ausgesetzt bestimmter Straftaten, aber auch Handlungen
worden ist. Falls dem Ausländer neben Betäu- mit Bezug zu terroristischen bzw. extremisti-
bungsmitteldelikten andere Straftaten zur Last schen Bestrebungen.
gelegt wurden, derentwegen gemäß § 31 Ab- 54.0.2 Die Ausländerbehörde hat bei Vorliegen eines
satz 1 Satz 1 JGG nur einheitlich eine Jugend- Regelfalles kein Ermessen bei der Aus-
strafe erging, lässt sich das Strafmaß bezüglich weisungsentscheidung. Nur wenn ein Ausnah-
des Betäubungsmitteldelikts nicht feststellen. In mefall vorliegt, steht die Ausweisung im
solchen Fällen ist § 54 Nummer 1 oder Num- pflichtgemäßen Ermessen der Ausländer-
mer 3 zu prüfen.
behörde. Die Worte „in der Regel“ in § 54 be-
53.2.2 Die zwingende Ausweisung nach § 53 Num- ziehen sich auf Regelfälle, die sich nicht durch
mer 2 ist im Falle rechtskräftiger strafge- besondere Umstände von der Menge gleich-
richtlicher Verurteilungen zu einer Jugendstrafe liegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle
von mindestens zwei Jahren ohne Bewährung sind durch einen atypischen Geschehensablauf
oder zu einer Freiheitsstrafe nach Er- gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er
wachsenenstrafrecht ohne Bewährung auch jedenfalls das sonst für die Ausweisung im Re-
unter folgenden Voraussetzungen zu verfügen: gelfall ausschlaggebende Gewicht beseitigt. Bei
der Ermessensausübung ist auch der Regelfall-
– Verurteilung wegen Landfriedensbruchs tatbestand nach § 54 mit dem ihm zukom-
unter den in § 125a Satz 2 StGB genannten menden Gewicht in die Güter- und Interessen-
Voraussetzungen (§ 53 Nummer 2, 2. Al- abwägung einzubeziehen. Es kommt ihm aller-
ternative) oder dings nicht – wie im Regelfall – von vornherein
– Verurteilung wegen eines im Rahmen einer ein ausschlaggebendes Gewicht zu. Grundsätz-
verbotenen öffentlichen Versammlung oder lich kann in einem von der Regel abweichenden
eines verbotenen Aufzugs begangenen Fall sowohl eine Ermessensausweisung als auch
Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB ein Absehen von der Ausweisung in Betracht
(§ 53 Nummer 2, 3. Alternative). kommen. Sieht die Ausländerbehörde von einer
Ausweisung nach vorheriger Anhörung ab, er-
53.2.3 Eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur fordert dies einen Hinweis an den Ausländer
Bewährung i. S. v. § 53 Nummer 2 ist nur eine unter Androhung der Ausweisung im Falle
Maßnahme nach § 56 StGB bzw. § 21 JGG, einer weiteren Beeinträchtigung der öffentli-
nicht aber eine an geringere Voraussetzungen chen Sicherheit und Ordnung.
geknüpfte Aussetzung des Restes einer zeitigen
Freiheitsstrafe gemäß § 57 StGB bzw. § 88 54.0.3 Infolge der nach der Rechtsprechung des Euro-
JGG. Der die Strafaussetzung bei Jugendlichen päischen Gerichtshofs für Menschenrechte
regelnde § 21 JGG entspricht bis auf Absatz 3 sowie des Bundesverfassungsgerichts ge-
nahezu wortgleich § 56 StGB. Der Aus- wachsenen Bedeutung des Rechts auf Achtung
weisungstatbestand des § 53 Nummer 2 ist auch des Privatlebens liegt ein Ausnahmefall von der
erfüllt, wenn die Vollstreckung der Restfrei- Regelausweisung bereits dann vor, wenn durch
heits- oder Rest-Jugendstrafe zur Bewährung höherrangiges Recht oder Vorschriften der Eu-
ausgesetzt worden ist. Eine Verbüßung eines ropäischen Menschenrechtskonvention ange-
erheblichen Teils der Strafe beseitigt nicht die sichts schutzwürdiger Belange des Ausländers
bereits erfolgte schwere Störung der öffentli- eine Einzelfallwürdigung unter Berück-
chen Sicherheit und Ordnung. Wegen der un- sichtigung der Gesamtumstände des Falles ge-
terschiedlichen Gesetzeszwecke muss die Aus- boten ist. Bei der Gruppe im Bundesgebiet ge-
länderbehörde sich bei der Entscheidung über borener und aufgewachsener Ausländer bedarf
die Ausweisung nicht notwendig von demsel- es bei der Entscheidung über die Ausweisung
ben Gefahrenmaßstab leiten lassen, der für den einer individuellen Würdigung, inwieweit der
Strafrichter bei der Strafaussetzung maßgebend Ausländer im Bundesgebiet „verwurzelt“ ist
ist. und dies angesichts der konkreten Aus-
weisungsgründe bei Abwägung aller Umstände
53.3 Zwingende Ausweisung wegen rechtskräftiger des Einzelfalls einer Ausweisung entgegensteht.
strafgerichtlicher Verurteilung auf Grund Ein- Die Ausweisungsgründe sind mit dem Gewicht,
schleusens von Ausländern (§§ 96, 97) das in dem gestuften System der Aus-
weisungstatbestände zum Ausdruck kommt, in
Nach § 53 Nummer 3 hat die rechtskräftige die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Im
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen Zweifel ist von einem Ausnahmefall auszu-
Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 oder gehen oder zumindest hilfsweise nach Er-
§ 97 die zwingende Ausweisung zur Folge, messen zu entscheiden.
wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht
zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die 54.0.4 Bei der Prüfung, ob ein vom Regelfall ab-
Verurteilung zu einer Mindestfreiheitsstrafe ist weichender Ausnahmefall vorliegt, sind im
nicht Voraussetzung für die Ausweisung. Übrigen alle Umstände des Einzelfalls zu be-
Seite 1134 GMBl 2009 Nr. 42– 61

werten und zu gewichten. Zum Prüfungsum- BtMG grundsätzlich ein Absehen von der Be-
fang gehören etwa alle Umstände der strafge- strafung durch das Gericht in Betracht. Diese
richtlichen Verurteilungen und die sonstigen Handlungen können allerdings eine Er-
Verhältnisse des Ausländers, wie sie in § 55 messensausweisung nach § 55 Absatz 1 und 2
Absatz 3 näher umschrieben werden. Die Fest- Nummern 2, 4 begründen. Das Tauschen ver-
stellung besonderer Umstände i. S. d. § 57 Ab- schiedener Betäubungsmittel ist rechtlich als
satz 2 Nummer 2 StGB kann auf das Vorliegen unerlaubtes Veräußern, im Einzelfall als uner-
eines Ausnahmefalls hindeuten. In diesem Fall laubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
hat die Ausländerbehörde zu prüfen, ob den- einzustufen. Die bei Jugendlichen und Her-
noch eine Ausweisung im Ermessenswege er- anwachsenden mögliche Aussetzung der Rest-
forderlich ist. Zu berücksichtigen sind auch strafe zur Bewährung nach § 88 JGG steht der
Fälle, in denen der Ausländer nach den in Bezug Annahme einer Wiederholungsgefahr grund-
genommenen strafrechtlichen Vorschriften sätzlich nicht entgegen. Für eine Wieder-
straffrei bleiben könnte (vgl. § 29 Absatz 5 holungsgefahr in Bezug auf Drogendelikte
BtMG, § 125 Absatz 2 StGB). spricht auch der wiederholte erfolglose Ver-
such, sich einer der Rehabilitation dienenden
54.0.5 Auf nach ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte tür-
Behandlung zu unterziehen.
kische Staatsangehörige ist § 54 nicht anwend-
bar (siehe Nummer Vor 53.5.2). 54.1.3.1 Soweit ein Ausländer dem besonderen Aus-
weisungsschutz nach § 56 Absatz 1 bzw. § 56
54.1 Regelausweisung wegen der Verurteilung auf
Absatz 2 Satz 1 unterfällt, wird über die Aus-
Grund bzw. der Begehung bestimmter Straf-
weisung nach § 54 nach Ermessen entschieden
taten
(§ 56 Absatz 1 Satz 5; § 56 Absatz 2 Satz 1).
54.1.1 Hinsichtlich der Erfüllung des Ausweisungs- Dabei sind im Rahmen der Bewertung des öf-
tatbestandes des § 54 Nummer 1 im Falle einer fentlichen Interesses an der Ausweisung neben
Strafaussetzung wird auf Nummer 53.2.3 ver- der Erfüllung des Ausweisungsgrundes nach
wiesen. Die Ausländerbehörde ist hinsichtlich § 54 Nummer 3 und § 55 Absatz 3 folgende
der Feststellung des Strafmaßes und der Gesichtspunkte zu beachten:
Rechtskraft des Strafurteils an dessen Inhalt
bzw. an die entsprechenden gerichtlichen Ver- 54.1.3.1.1 – Die Ausweisung kann auf Grund des Han-
merke tatsächlich gebunden. Die Vorausset- deltreibens mit diesen Stoffen in nicht
zungen des § 54 Nummer 1 sind auch erfüllt, geringen Mengen schon bei einer einmaligen
wenn bei einer rechtskräftigen strafgerichtl- einschlägigen Bestrafung erfolgen, insbe-
ichen Verurteilung wegen einer oder mehrerer sondere in Fällen, in denen angesichts der
vorsätzlicher Straftaten eine Gesamtstrafe ge- vom Täter gezeigten erheblichen kriminel-
bildet wird, deren Vollstreckung nicht zur Be- len Energie eine Wiederholungsgefahr
währung ausgesetzt worden ist. Bei Jugend- besteht. Dies gilt auch bei Vorliegen
straftaten muss jedoch eine Verurteilung min- besonderer schutzwürdiger persönlicher
destens zwei Jahre Jugendstrafe betragen. Belange wie der ehelichen Lebensgemein-
schaft mit einem deutschen Staatsange-
54.1.2 Der Ausweisungsgrund des § 54 Nummer 2 hörigen und dem familiären Zusammen-
setzt eine rechtskräftige Verurteilung des Aus- leben mit einem gemeinsamen minder-
länders wegen Einschleusens von Ausländern jährigen Kind.
nach § 96 oder § 97 voraus. Sobald ein Aus-
länder gemäß § 96 oder § 97 rechtskräftig zu 54.1.3.1.2 – Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt ist neben der Art des Betäubungsmittels vor
wird, ist der zwingende Ausweisungsgrund des allem die Handelsmenge von Bedeutung.
§ 53 Nummer 3 erfüllt. Die Höhe der Frei- Einige Betäubungsmittel (z. B. Heroin) sind
heitsstrafe ist unerheblich. Bei mehreren geeignet, in folgenschwererer Weise in die
rechtskräftigen Verurteilungen innerhalb von körperliche Unversehrtheit einzugreifen als
fünf Jahren kann auch der zwingende Aus- andere Betäubungsmittel (z. B. Cannabis).
weisungsgrund des § 53 Nummer 1 erfüllt sein. Der Handel mit einer „nicht geringen“
Menge (im strafrechtlichen Sinne; ggf. mit
54.1.3 Der Ausweisungsgrund in § 54 Nummer 3 setzt der Strafverfolgungsbehörde zu klären)
keine strafgerichtliche Verurteilung voraus. Die führt, unabhängig von der Art des Betäu-
zwingende Ausweisung nach § 53 Nummer 2 bungsmittels, soweit keine Einstellung
und die Ausweisung im Regelfall wegen Betäu- durch die Staatsanwaltschaft erfolgt, regel-
bungsmitteldelikten unterscheiden sich darin, mäßig zu einer Ausweisung.
dass nach § 54 Nummer 3 weder eine rechts-
kräftige strafgerichtliche Verurteilung noch eine 54.1.3.1.3 – Besondere Bedeutung ist auch der Motiva-
Vorsatztat nach dem BtMG vorliegen muss. tion des Täters beizumessen. Handelte die-
§ 54 Nummer 3 erfasst nicht den unerlaubten ser aus Gewinnsucht mit Drogen, ist die
Besitz von Drogen und das unerlaubte Er- Ausweisung grundsätzlich geboten. Dage-
werben oder sich Verschaffen. Geschehen An- gen kann für ein Absehen von einer Aus-
bau, Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr oder weisung sprechen, wenn der Handel zur Fi-
Durchfuhr lediglich zum Eigenverbrauch in nanzierung der eigenen Sucht diente und der
geringer Menge, kommt gemäß § 29 Absatz 5 abhängige Täter sich einer der Rehabilita-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1135

tion dienenden Behandlung freiwillig un- ausgesetzt worden ist. Befindet sich der Aus-
terzieht oder diese bereits erfolgreich abge- länder in Untersuchungshaft oder Strafhaft,
schlossen hat. kann in Fällen, in denen kein besonderes Voll-
zugsinteresse besteht (z. B. Entlassungstermin
54.1.3.1.4 – Die Höhe des Strafmaßes ist ein Indiz für steht noch nicht fest), mit der Ausweisung zu-
die Gefährlichkeit des Täters. Maßgeblich gewartet werden, bis eine rechtskräftige straf-
ist, inwieweit die Verurteilung dem der gerichtliche Verurteilung vorliegt, die etwa eine
zwingenden Ausweisung zugrunde liegen- Ausweisung nach § 54 Nummer 1 erfordert.
den Strafmaß des § 53 nahe kommt. Dennoch ist dem Ausländer auch in diesen Fäl-
54.1.3.1.5 – Auch die im Strafurteil bzw. in der Ent- len unmittelbar nach Bekanntwerden ent-
scheidung der Strafvollstreckungskammer sprechender Ausweisungsgründe Gelegenheit
oder in vergleichbaren amtlichen Stellung- zu geben, sich zu der beabsichtigten Aus-
nahmen angestellten Sozialprognosen sind weisung zu äußern.
angemessen zu berücksichtigen. 54.2 Ausweisungstatbestände mit Bezug zu terro-
54.1.3.2 Bei der Prüfung des Tatbestandes des § 54 ristischen oder extremistischen Bestrebungen
Nummer 3 ist nicht zwingend darauf abzu- 54.2.1 Die Ausweisung im Regelfall nach § 54 Num-
stellen, ob das Strafverfahren bereits abge- mer 5 betrifft gewaltbereite Extremisten, Ter-
schlossen ist oder ob eine strafgerichtliche Ver- roristen oder Unterstützer von Terroristen.
urteilung bereits vorliegt. Wurde der Ausländer Dabei muss die von einem Ausländer aus-
wegen des der Ausweisungsentscheidung zu- gehende Gefahr entweder gegenwärtig be-
grunde liegenden Tatvorwurfs in Untersu- stehen oder für die Zukunft zu erwarten sein,
chungshaft genommen, bestehen grundsätzlich abgeschlossene Sachverhalte vor allem aus der
dringender Tatverdacht und die erhebliche weiter zurück liegenden Vergangenheit ohne
Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer das ihm gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben
vorgeworfene Betäubungsmitteldelikt be- außer Betracht. In der Vergangenheit liegende
gangen hat. An die strafprozessualen Sach- Tatsachen können aber als Indiz für eine Wie-
verhalte kann die Ausländerbehörde bei der derholungsgefahr verwertet werden. So genügt
Entscheidungsfindung anknüpfen. Die Aus- es etwa, wenn aufgrund des Vorverhaltens des
weisung kann daher bereits nach Erhebung der Ausländers damit gerechnet werden kann, dass
öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft dieser von terroristischen Gewalttätern als An-
erfolgen (vgl. § 72 Absatz 4). laufstelle oder Kontaktperson genutzt wird.
54.1.3.3 Auch eine noch nicht rechtskräftige strafge- Der Ausweisungsgrund besteht somit nicht,
richtliche Verurteilung wegen eines Betäu- wenn die Gefahrenprognose negativ ausfällt
bungsmitteldelikts kann nach Maßgabe des § 54 und daher eine Sicherheitsbeeinträchtigung
Nummer 3 zu einer Ausweisung im Regelfall nicht mehr zu erwarten ist. Ein strafbares oder
führen. Der Ausweisung können sowohl spe- strafbewehrtes Verhalten ist nicht erforderlich.
zial- als auch generalpräventive Erwägungen Aus den Gesamtumständen des Einzelfalls
zugrunde gelegt werden. müssen sich mit hinreichender Wahrschein-
lichkeit Folgerungen ableiten lassen, dass die
54.1.3.4 Bei den besonders gefährlichen und schwer zu vom Betroffenen vorgenommenen Handlungen
bekämpfenden Straftaten nach dem BtMG liegt dazu dienen, den Terrorismus zu unterstützen.
grundsätzlich ein besonders schwerwiegender Dabei ist zu berücksichtigen, dass einer ex-
Ausweisungsgrund im Sinne völkerrechtlicher tremistischen oder terroristischen Betätigung
Verträge vor (vgl. etwa Artikel 3 Absatz 3 Eu- i. d. R. eine intensive ideologische Radikalisie-
ropäisches Niederlassungsabkommen). Dabei rung zu Grunde liegt, die in aller Regel zu der
müssen die für die Ausweisung sprechenden Bereitschaft führt, künftig ähnliche Hand-
Gründe diese Maßnahme als unvermeidbar er- lungen vorzunehmen. Angesichts der vom in-
scheinen lassen, d. h. die maßgebenden Gründe ternationalen Terrorismus ausgehenden auße-
müssen so gewichtig sein, dass die Anwesenheit rordentlichen Gefahren ist die Eingriffs-
des Ausländers auch bei Anlegung strenger schwelle nicht zu hoch anzusetzen. Sofern der
Maßstäbe nicht länger hingenommen werden Ausländer aktuell einer terroristischen Vereini-
kann. gung angehört oder eine solche unterstützt, be-
gründet dies kraft Gesetzes die Vermutung, dass
54.1.4 Auch die Ausweisung nach § 54 Nummer 4 vom Ausländer eine gegenwärtige konkrete
setzt keine strafgerichtliche Verurteilung vor- Gefahr ausgeht. Eine konkrete Gefährdung ist
aus. Der Ausweisung sind insbesondere poli- nicht nachzuweisen. Zur Gefahrenprognose in
zeiliche Ermittlungsergebnisse oder eine An- diesen Fällen vgl. näher Nummer Vor 53.3.1.6.
klageschrift der Strafverfolgungsbehörde zu-
grunde zu legen (§ 86, § 87 Absatz 1). Die 54.2.1.1 Mit der Regelung in Nummer 5 werden Be-
Ausweisung kann auch vor Eintritt der Rechts- strebungen innerhalb und außerhalb des Bun-
kraft einer der in § 54 Nummer 1 genannten desgebietes agierender Tätergruppen erfasst.
entsprechenden strafgerichtlichen Verurteil- Schutzgut ist insbesondere die Fähigkeit des
ungen verfügt werden, ohne dass es bei der Staates, Beeinträchtigungen und Störungen sei-
Ausweisung im Regelfall darauf ankommt, ob ner Sicherheit nach innen und außen ab-
die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung zuwehren. Dazu gehört es auch, wenn aus-
Seite 1136 GMBl 2009 Nr. 42– 61

wärtige Konflikte auf deutschem Boden aus- wertende Gesamtbetrachtung entschieden wer-
getragen oder vorbereitet werden. Zudem ist den, ob ein Ausländer die Voraussetzungen er-
Deutschland auch im internationalen Rahmen füllt.
verpflichtet, Terroristen keinen sicheren Ruhe-
und Rückzugsraum zu bieten. Erfasst wird 54.2.1.2.2 Das dem Schein nach legitime, aber seinem
ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung Ausmaß nach umfassende Auftreten und Han-
von Gruppierungen, die Anschläge gegen Per- deln für eine Vereinigung, die den Terrorismus
sonen oder Sachen veranlassen, befürworten unterstützt, das so genannte legalistische Auf-
oder androhen, unabhängig davon, wo die An- treten, ist als Unterstützung der Vereinigung
schläge verübt werden. insgesamt, einschließlich ihrer terrorunter-
stützenden Aktivitäten zu werten. Die Durch-
54.2.1.2.1 Die Tatbestandsmerkmale „Unterstützen einer führung von Spendensammelaktionen oder die
Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus un- Unterstützung von Finanztransaktionen zu-
terstützt“ sind weit auszulegen. Tatbestands- gunsten der Vereinigung führt im Zweifel zur
mäßig ist jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Unterstützung der Vereinigung insgesamt, so
Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten dass ausreichende Anhaltspunkte vorliegen,
einer solchen Vereinigung auswirkt und damit dass § 54 Nummer 5 Anwendung finden kann.
ihr Gefährdungspotential stärkt. An einem Dabei ist zu beachten, dass terroristische Ver-
Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand einigungen niemals offen Gelder für den Terror
lediglich einzelne politische, humanitäre oder einwerben und zumeist die Verwirklichung ge-
sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch meinnütziger Ziele vorspiegeln.
die Unterstützung des Terrorismus befürwortet 54.2.1.3 Der Begriff des Terrorismus wird im Aufent-
und nur dies, etwa durch seine Teilnahme an haltsgesetz nicht definiert. Es ist aber weit-
erlaubten Veranstaltungen, in Wahrnehmung gehend geklärt, unter welchen Voraussetzungen
seines Grundrechts auf freie Meinungsäuße- die – völkerrechtlich geächtete – Verfolgung
rung nach außen vertritt. Dies gilt nach Auffas- politischer Ziele mit terroristischen Mitteln an-
sung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch zunehmen ist. Insoweit ist insbesondere auf die
nicht uneingeschränkt: Dienen solche Veran- Definition terroristischer Straftaten im Inter-
staltungen erkennbar dazu, nicht nur einzelne nationalen Übereinkommen zur Bekämpfung
Meinungen kundzutun, wie sie auch die Ver- der Finanzierung des Terrorismus vom 9. De-
einigung vertritt, sondern durch die auch mas- zember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923) und auf
senhafte Teilnahme jedenfalls auch diese Ver- die Definition terroristischer Straftaten auf Ge-
einigung selbst vorbehaltlos und unter Inkauf- meinschaftsebene im Beschluss des Rates
nahme des Anscheins der Billigung ihrer Nummer 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl.
terroristischen Bestrebungen (beispielsweise L 164 S. 3) in der jeweils geltenden Fassung zu
wegen des angekündigten Auftretens von verweisen. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet
Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts
die den Terrorismus unterstützt) zu fördern, des Rates Nr. 2001/931/GASP vom 27. De-
dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck zember 2001 über die Anwendung besonderer
potenziell gefährliches Unterstützen i. S. d. Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus
Vorschrift vor. Eine Unterstützung kann ferner (ABl. L 344 S. 93) enthaltene Auflistung von
dann in Betracht kommen, wenn durch zahl- Personen, Vereinigungen und Körperschaften,
reiche Beteiligungen an Demonstrationen und die an terroristischen Handlungen beteiligt sind
Veranstaltungen im Umfeld einer verbotenen in ihrer jeweils gültigen Fassung. Gleiches gilt
Vereinigung bei einer wertenden Gesamtschau für die auf Grund der UNSCR 1267 (1999) und
feststeht, dass der Ausländer auch als Nicht- 1333 (2000) erstellten Liste des Al Qaida/Ta-
mitglied in einer inneren Nähe und Ver- liban Sanctions Committee des VN-Sicher-
bundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die heitsrats zu Mitgliedern von Al-Qaida, den Ta-
er durch sein Engagement als ständiger (pas- liban sowie anderen mit ihnen verbündeten
siver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt und Personen, Gruppen, Unternehmen und Ein-
damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor richtungen (umgesetzt von der EU durch Ge-
allem unter Landsleuten) begünstigend beein- meinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2002/
flusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell 402/GASP vom 27. Mai 2002 betreffend re-
auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und da- striktive Maßnahmen gegen Osama bin Laden,
durch insgesamt zu einer Stärkung ihres laten- Mitglieder der Al-Qaida-Organisation und die
ten Gefahrenpotenzials beiträgt. Eine Unter- Taliban sowie andere mit ihnen verbündeten
stützungshandlung ist nur dann tatbestands- Personen, Gruppen, Unternehmen und Ein-
mäßig, wenn auch die eine Unterstützung der richtungen und zur Aufhebung der Gemein-
Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tä- samen Standpunkte 96/746/GASP, 1999/727/
tigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns GASP, 2001/154/GASP und 2001/77/GASP,
für den Ausländer erkennbar ist. Nicht er- ABl. L 139 S. 4) in der jeweils gültigen Fassung.
forderlich ist jedoch, dass ein bedingter Vorsatz
im strafrechtlichen Sinne vorliegt. Insgesamt 54.2.2 Der Tatbestand der Nummer 5a enthält mehrere
kann erst nach einer umfassenden und kon- Handlungsvarianten, die alle die Grundordnung
kreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens
und des Verhaltens des Ausländers durch eine betreffen, aber kein strafbares Verhalten vor-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1137

aussetzen. Für die Ausweisung genügt eine Ge- trächtigung der öffentlichen Sicherheit stellt
fahr, die sich aus dem Verbleib des Ausländers im dabei gleichzeitig eine Gefährdung der „inneren
Bundesgebiet ergibt. Reine Vermutungen oder Sicherheit“ des Staates dar.
eine entfernte Möglichkeit eines Schadensein-
tritts genügen nicht. Wegen des hohen Rangs des 54.2.2.2.1 Nur wenn die innere oder äußere Sicherheit des
gefährdeten Rechtsguts werden an den Wahr- Bundes und der Länder selbst, d. h. die Sicher-
scheinlichkeitsmaßstab für den Eintritt der Ge- heit ihrer Einrichtungen, der Amtsführung
fährdung nach Maßgabe des Verhältnismäßig- ihrer Organe und des friedlichen und freien
keitsprinzips keine hohen Anforderungen ge- Zusammenlebens der Bewohner, ferner die Si-
stellt. Die Ausländerbehörde hat im Rahmen cherheit lebenswichtiger Verkehrs- und Ver-
einer Güter- und Interessenabwägung zu prü- sorgungseinrichtungen gefährdet ist und diese
fen, ob der Ausweisung eine mildere Maßnahme Gefährdung die bloße Beeinträchtigung der öf-
vorzuziehen ist (z. B. nach § 47). fentlichen Sicherheit in beachtlichem Maße
übersteigt, liegt eine Gefährdung der Sicherheit
54.2.2.1 Eine „Gefährdung der freiheitlichen demo- der Bundesrepublik Deutschland vor. Die Si-
kratischen Grundordnung der Bundesrepublik cherheit der Bundesrepublik Deutschland kann
Deutschland“ ist insbesondere bei politischen auch gefährdet sein, wenn ihre Bevölkerung
oder politisch begründeten Tätigkeiten anzu- bzw. nichtstaatliche Einrichtungen, deren Be-
nehmen, die sich gegen grundlegende Verfas- einträchtigung erhebliche Schadensfolgen nach
sungsprinzipien richten. Zu den grundlegenden sich ziehen würde, durch Terrorakte oder an-
Prinzipien der freiheitlichen demokratischen dere erhebliche Straftaten bedroht werden (so
Grundordnung gehören insbesondere die genannte „weiche Ziele“, vgl. Nummer
Achtung vor den im Gesetz konkretisierten 58a.1.2.1). Es ist nicht erforderlich, dass das Si-
Menschenrechten, die Volkssouveränität, die cherheitsgefüge des Bundes oder Landes an sich
Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der umfassend beeinträchtigt wird. Es genügen
Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwal- auch erhebliche, sich aber überwiegend lokal
tung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das auswirkende Beeinträchtigungen, wie sie etwa
Mehrparteienprinzip und die Chancengleich- durch das Bestreben entstehen können, durch
heit für alle politischen Parteien mit dem Recht Gewaltakte oder erhebliche Sachbeschädi-
auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung gungen, wie etwa Brandstiftungen, Angehörige
einer Opposition. Eine Gefährdung liegt erst einzelner Bevölkerungsgruppen in ihrem Si-
dann vor, wenn eine auf Tatsachen gestützte, cherheitsgefühl und Vertrauen in die staatliche
nicht bloß entfernte Möglichkeit eines Scha- Gewährleistung ihrer Sicherheit erheblich zu
denseintritts besteht. Ein Schaden muss noch verunsichern und so zum Fortzug aus be-
nicht entstanden sein. Der möglicherweise ein- stimmten Gegenden oder Stadtteilen zu be-
tretende Schaden muss auch nicht die Durch- wegen.
setzung der freiheitlichen demokratischen
54.2.2.2.2 Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates
Grundordnung im gesamten oder in wesent-
werden vor allem durch die organisierte Krimi-
lichen Teilen des Bundesgebietes gefährden; es
nalität sowie durch extremistisch oder terrori-
genügen rein örtliche oder auf einzelne Verfas-
stisch motivierte Anschläge auf Staatsorgane
sungsprinzipien bezogene Beeinträchtigungen
gefährdet. Auch Vorbereitungs- und Unter-
von einiger Erheblichkeit. Das Verhalten des
stützungstätigkeiten, die ihrerseits noch nicht
Ausländers muss weder strafbar noch strafbe-
die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten ha-
wehrt sein. Es kann auch von einem Ort außer-
ben, können den Tatbestand der Gefährdung
halb Deutschlands ausgehen. Es ist daher im
erfüllen. Die objektive Gefährdung durch den
Interesse der Abwehr erheblicher Gefahren
Ausländer und seine Anwesenheit im Bundes-
möglich, sich noch nicht im Bundesgebiet auf-
gebiet genügen. Die Ausländerbehörde hat eine
haltende Ausländer auszuweisen.
auf Tatsachen gestützte Prognose zu treffen,
nach der ein bloßer Schadenseintritt nicht bloß
54.2.2.2 Der Ausweisungsgrund der „Gefährdung der
entfernt möglich erscheint. Bloße Vermutungen
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“
genügen nicht. Zur Gefahrenprognose vgl. nä-
umfasst sowohl die innere als auch die äußere
her Nummer Vor 53.3.1.6.
Sicherheit des Staates. Zur Wahrung der Si-
cherheit der Bundesrepublik Deutschland ist es 54.2.2.3 Der öffentliche Aufruf zur Gewaltanwendung,
erforderlich, dass sich der Staat nach innen und die Drohung mit Gewaltanwendung oder die
außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr Beteiligung an Gewalttätigkeiten bei der Ver-
setzen kann. So gefährdet etwa die Anwesenheit folgung politischer Ziele führen grundsätzlich
terroristischer Gewalttäter und ihrer Helfer die zu einer Ausweisung nach § 54 Nummer 5a.
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland; Durch die Verherrlichung der Anwendung von
gleiches gilt für die dauerhafte und nachhaltige Gewalt (z. B. Zeigen oder Anbieten von ge-
Unterstützung einer Vereinigung, die den Ter- waltverherrlichenden Transparenten im Rah-
rorismus unterstützt. Der Begriff der Sicherheit men von Demonstrationen) werden die
der Bundesrepublik Deutschland ist enger zu Rechtsordnung und deren Funktion gefährdet.
verstehen als der Begriff der öffentlichen Si-
cherheit i. S. v. § 55 Absatz 1. Nicht jede durch 54.3 § 54 Nummer 6 sanktioniert in wesentlichen
eine Gesetzesverletzung verursachte Beein- Punkten falsche oder unvollständige Angaben
Seite 1138 GMBl 2009 Nr. 42– 61

über Verbindungen zu Personen oder Organi- zu Personen oder Organisationen mit terrori-
sationen mit terroristischem Hintergrund im stischem Hintergrund ist es nicht erforderlich,
Wege der Regelausweisung. Gleiches gilt für dass der Ausländer tatsächlich mit diesen Per-
das Verheimlichen von früheren Aufenthalten sonen oder Organisationen zusammenwirkt.
in bestimmten anderen Staaten oder in der Ebenso wie § 54 Nummer 5 erfasst Nummer 6
Bundesrepublik Deutschland (etwa unter an- jede Art des Terrorismus, unabhängig davon, ob
deren Namen). es sich um nationalen oder internationalen Ter-
rorismus handelt.
54.3.0 Eine Befragung nach § 54 Nummer 6 steht im
Ermessen der Ausländerbehörde. Sie sollte je- 54.3.3.1 Dem Ausländer steht kein Aussageverweiger-
doch immer dann durchgeführt werden, wenn ungsrecht zu. Das strafrechtliche Prinzip, sich
Erkenntnisse aus einer Sicherheitsanfrage nach nicht selbst belasten zu müssen, findet im Rah-
§ 73 Absatz 2 dies nahe legen oder wenn son- men des Sicherheitsgesprächs keine Anwen-
stige sicherheitsrelevante Erkenntnisse vor- dung.
liegen und die Durchführung der Sicherheits-
54.3.3.2 Keine Angaben oder die Verweigerung von
befragung aus ausländerrechtlichen Gesichts-
Angaben sind unvollständigen Angaben gleich-
punkten sinnvoll erscheint (beispielsweise kann
zusetzen. Der Ausländer ist hierauf hinzu-
auf die Durchführung einer Sicherheits-
weisen und der Hinweis ist aktenkundig zu
befragung verzichtet werden, wenn aufenthalts-
machen.
beendende Maßnahmen bereits aufgrund der
vorliegenden Erkenntnisse möglich sind). Als 54.3.4 Die Offenbarung von Tatsachen i. S. v. Num-
Vorstufe für eine sich anschließende Sicher- mer 54.3 zu einem späteren Zeitpunkt lässt die
heitsbefragung oder auch zur Arbeitser- zuvor eingetretene Erfüllung des Tatbestandes
leichterung kann der Einsatz eines Fragebogens des § 54 Nummer 6 nicht wieder entfallen. Die
sinnvoll sein. Der Fragebogen kann die in der Regelung soll neben der Ermöglichung einer
jeweils geltenden Fassung der Verordnung (EG) umfassenden Ermittlung und Bewertung der
Nummer 2580/2001 des Rates vom 27. De- von dem einzelnen Ausländer ausgehenden
zember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der
Personen und Organisationen gerichtete re- Bundesrepublik Deutschland auch sicher-
striktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Ter- stellen, dass Ausländer angesichts der unter
rorismus (ABl. EG Nummer L 344/70 S. 1) auf- Nummer 54.3.1 genannten Risiken allgemein
geführten Organisationen enthalten. Der Aus- im Rahmen von Sicherheitsbefragungen mög-
länder kann nach Kontakten/Zugehörigkeiten lichst vollständige Angaben zu den genannten
zu einer dieser Organisationen befragt werden. Tatsachen machen. Würde die Möglichkeit er-
Daneben kann auch allgemein nach Zugehörig- öffnet, zunächst verheimlichte relevante Tat-
keit zu Parteien, Organisationen, Vereinigungen schen nachträglich ohne Konsequenzen zu of-
und Bewegungen, die (auch) politische Ziele fenbaren, liefe dieser Zweck leer.
verfolgen, oder dem Kontakt zu (näher be-
stimmten) Personen gefragt werden, wobei die 54.3.5 Eine Ausweisung auf der Grundlage des § 54
Verordnung (EG) Nummer 2580/2001 der Nummer 6 kommt nur dann in Betracht, wenn
Auswertung zu Grunde zu legen ist. der Ausländer in einer Befragung, die der Klä-
rung von Bedenken gegen die Einreise oder den
54.3.1 Falsche Angaben über frühere Aufenthalte in weiteren Aufenthalt dient, durch die Auslands-
Deutschland oder in bestimmten anderen Staa- vertretung oder die Ausländerbehörde vor der
ten, insbesondere in den durch die Verwal- Befragung ausdrücklich auf den sicherheits-
tungsvorschrift nach § 73 Absatz 4 bestimmten rechtlichen Aspekt der Befragung und die
Fällen (vgl. Nummer 73.4), deuten auf ein er- Rechtsfolgen falscher oder unrichtiger Angaben
hebliches Sicherheitsrisiko hin. Dies gilt na- hingewiesen worden ist (§ 54 Nummer 6
mentlich für Voraufenthalte unter anderem 2. Halbsatz).
Namen. Hintergrund der Regelung des § 54
Nummer 6 ist die Erfahrung, dass Terroristen 54.4 Auf Grund § 54 Nummer 7 werden auch Leiter
zum Teil legal nach Deutschland einreisen und unanfechtbar nach Artikel 9 Absatz 2 GG, § 3
sich hier rechtmäßig aufhalten. Bei der Gewäh- Absatz 1 Satz 1 VereinsG verbotener Vereine
rung von Einreisemöglichkeiten oder Aufent- ausgewiesen. Ausreichend ist die Stellung als
haltsrechten ist daher der Berücksichtigung von Vereinsleiter; ein sonstiges sicherheitsgefähr-
Voraufenthalten in von der Verwaltungsvor- dendes oder strafbares Verhalten ist nicht not-
schrift nach § 73 Absatz 4 umfassten Staaten wendig. Leiter eines Vereins ist grundsätzlich
oder des Reiseverkehrs zwischen diesen Staaten der Vorstand; wenn der Verein keinen Vorstand
und Deutschland erhebliches Gewicht zuzu- hat, die zur Vertretung berechtigten Mitglieder.
messen. Dementsprechend genügt bereits der Der Begriff des Vorstands ist weiter gefasst als
Nachweis solcher unrichtiger Angaben für eine im bürgerlich-rechtlichen Sinne und umfasst
Ausweisung im Regelfall. Ein darüber hinaus- auch Personen, die nicht förmlich als Vorstand
gehender Nachweis eines Kontaktes zum Ter- bestellt sind, aber an der tatsächlichen Leitung
rorismus ist nicht erforderlich. des Vereins teilhaben, d. h. für den Verein maß-
gebliche Funktionen ausüben. Hierzu zählen
54.3.2 Auch im Falle in wesentlichen Punkten falscher zum einen Personen, die geistig oder wirt-
oder unvollständiger Angaben über Kontakte schaftlich de facto eine maßgebliche Rolle im
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1139

Verein spielen (herausgehobene Mitglieder von Zwangsgeld führt regelmäßig nicht zum
ohne Funktionärsstatus, so genannte Rädels- Ziel, weil ein Verstoß gegen die räumliche
führer). Zum anderen kann es sich um Personen Beschränkung oder das Kommunikations-
handeln, die als Außenstehender, d. h. ohne mittelverbot unverzüglich unterbunden werden
Mitglied zu sein, das Vereinsgeschehen geistig muss. Insofern wird wegen der Gefahr des Un-
oder wirtschaftlich de facto maßgeblich beein- tertauchens nach Bescheiderlass regelmäßig der
flussen (so genannte Hintermänner). Diese unmittelbare Zwang das geeignete Zwangs-
Funktionen müssen zu einem Zeitpunkt aus- mittel sein.
geübt werden, zu dem der Verein bereits einen
gemäß Artikel 9 Absatz 2 GG, § 3 Absatz 1 54a.1 Meldepflicht
Satz 1 VereinsG zuwiderlaufenden Zweck hatte
bzw. eine entsprechende Tätigkeit entfaltete. 54a.1.1 Nach Absatz 1 Satz 1 besteht für Ausländer, ge-
Der bzw. die Leiter sind namentlich aus der gen die eine vollziehbare Ausweisungsver-
Adressierung der Verbotsverfügung ersichtlich, fügung nach § 54 Nummer 5, 5a oder eine voll-
ggf. i. V. m. der Verbotsbegründung. In Zwei- ziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a
felsfällen sollte die Verbotsbehörde um nähere ergangen ist, eine gesetzliche Meldepflicht.
Informationen gebeten werden. Leiter von I. d. R. hat sich der Betroffene persönlich bei der
Nachfolge- bzw. Ersatzorganisationen sind nur zuständigen polizeilichen Dienststelle ein-
dann vom Tatbestand erfasst, wenn eine Fest- zufinden. Die Ausländerbehörde kann ab-
stellungsverfügung i. S. v. § 8 Absatz 2 Satz 1 weichende Regelungen treffen, insbesondere
VereinsG vorliegt. bestimmen, dass sich der Ausländer mehr als
einmal wöchentlich bei der örtlich zuständigen
Polizeidienststelle zu melden hat. Dem Aus-
54a Zu § 54a – Überwachung ausgewiesener länder kann zusätzlich eine bestimmte Zeit-
Ausländer aus Gründen der inneren spanne (in Stunden) für die Meldung bei der Po-
Sicherheit lizeidienststelle vorgegeben werden. Ein Ab-
sehen von der Meldepflicht ist nur auf Grund
besonderer Umstände – etwa schwerer Krank-
54a.0 Allgemeines heit – in Betracht zu ziehen, die im Einzelfall
54a.0.1 § 54a dient der stärkeren Kontrolle gefährlicher, vom Ausländer plausibel darzulegen sind.
vollziehbar ausgewiesener bzw. mit einer Ab- 54a.1.2 Eine Meldepflicht kann auch beim Vorliegen
schiebungsanordnung nach § 58a belegter Aus- anderer Ausweisungsgründe angeordnet wer-
länder, die sich weiterhin im Bundesgebiet auf- den, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die
halten. Grund für den weiteren Aufenthalt in öffentliche Sicherheit und Ordnung erforder-
Deutschland können insbesondere rechtliche lich ist (§ 54a Absatz 1 Satz 2) und der Aus-
oder tatsächliche Abschiebungshindernisse sein. länder aufgrund dieser Ausweisungsgründe
54a.0.2 Der wiederholte Verstoß gegen Pflichten nach vollziehbar ausreisepflichtig ist. Andere als die
§ 54a ist gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 6a in Satz 1 genannten Ausweisungsgründe sind
strafbewehrt. die Ermessenausweisungsgründe des § 55, die
Regelausweisungsgründe des § 54 Nummer 1
54a.0.3 Die von der Behörde getroffenen Maßnahmen bis 4, 6 und 7 sowie die zwingenden Aus-
nach § 54a Absatz 3 und Absatz 4 sind kraft weisungsgründe des § 53.
Gesetzes (§ 54a Absatz 5 Satz 2) sofort voll-
54a.2 Aufenthaltsbeschränkung
ziehbar. § 54a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 trifft
für die Fälle der Ausweisung nach § 54 Num- 54a.2.1 Absatz 2 betrifft jeden Ausländer, der Melde-
mer 5 und Nummer 5a dagegen die Regelung, pflichten gemäß Absatz 1 unterliegt, unabhän-
dass die Meldepflicht und die Aufenthalts- gig davon, ob sie gesetzlich bestimmt sind oder
beschränkung zwar ebenfalls unmittelbar kraft von der Ausländerbehörde im Einzelfall an-
Gesetzes gelten, aber nur dann, wenn die Aus- geordnet wurden. Durch die Begrenzung auf
weisungsverfügung selbst vollziehbar ist. In den den Bezirk der Ausländerbehörde ist der Auf-
Fällen des § 54 Nummer 5 und Nummer 5a enthalt des Betroffenen stärker als nach § 61
kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung Absatz 1 Satz 1 eingeschränkt.
einer Ausweisungsverfügung auch allein zu dem
Zweck erfolgen, die Folgen nach § 54a Absatz 1 54a.2.2 Die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtung
Satz 1 und Absatz 2 eintreten zu lassen. Denn ist durch die Ausländerbehörde gesondert an-
auch ein Ausländer, der nach § 54 Nummer 5 zuordnen. Die Ausländerbehörde kann dem
und Nummer 5a ausgewiesen worden ist, aber Ausländer das Verlassen des beschränkten Auf-
wegen eines Abschiebungsverbots nicht abge- enthaltsbereichs erlauben (so genannte Verlas-
schoben werden kann, muss aus dringenden Si- senserlaubnis). Die Erlaubnis ist zu erteilen,
cherheitsgründen ebenfalls den Maßnahmen wenn hieran ein dringendes öffentliches Inter-
nach § 54a Absatz 1 und Absatz 2 unterworfen esse besteht, zwingende Gründe es erfordern
werden können (vgl. auch Nummer Vor 53.7.2). oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige
Härte bedeuten würde (§ 12 Absatz 5). Inso-
54a.0.4 Anordnungen nach § 54a sollten i. d. R. mit der weit ist ein strenger Maßstab anzulegen und zu
Androhung von Mitteln des Verwaltungs- bedenken, dass Gründe der persönlichen Le-
zwanges verbunden werden. Die Androhung bensführung bereits in der Ausweisung geprüft
Seite 1140 GMBl 2009 Nr. 42– 61

wurden und, soweit eine Prüfung erfolgt ist, 54a.3.4 Die jeweilige Hinweiserteilung ist aktenkundig
eine Verlassenserlaubnis grundsätzlich nicht zu machen, um den ggf. erforderlichen Tat-
begründen können. Im Rahmen der in Num- nachweis zu erleichtern.
mer 12.5.2.2 dargelegten Grundsätze sind daher
54a.3.5 Die Verpflichtung, in einer Gemeinschafts-
in erster Linie gesundheitliche bzw. dringende
unterkunft zu wohnen, zielt im Hinblick auf
familiäre Gründe (z. B. Besuch eines schwer-
ihre sicherheitsrechtliche Ausformung auf den
stkranken Familienangehörigen) für eine Ver-
körperlichen Aufenthalt des Betroffenen in der
lassenserlaubnis von Bedeutung. Der Ausländer
ihm zugewiesenen Wohnung ab. „Wohnen“
kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei
i. S. v. § 54a bedeutet zumindest häufige regel-
denen sein persönliches Erscheinen erforderlich
mäßige Aufenthalte in der zugewiesenen Un-
ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen (§ 12 Absatz 5
terkunft tagsüber im Rahmen der Bewegungs-
Satz 3). Auf Nummer 12.5.3 wird Bezug ge-
freiheit und ausnahmslos das Übernachten dort.
nommen.
Etwaige Ausnahmen hiervon unterliegen dem
Vorbehalt einer Erlaubnis durch die Ausländer-
54a.3 Wohnsitzbeschränkende Auflagen behörde unter bestimmten damit einhergehen-
54a.3.1.1 Nach Absatz 3 kann die Ausländerbehörde den den Bedingungen und Auflagen entsprechend
Wohnort des Ausländers oder die Unter- § 12 Absatz 4 (z. B. erweiterte Meldepflichten,
bringung in bestimmte Unterkünfte be- stark eingegrenzter Rahmen der Ausnah-
stimmen, um megenehmigung). Für Ausnahmen müssen aus
der Gesamtbetrachtung der Umstände heraus
– Aktivitäten des Ausländers, die zur Aus- gewichtige Gründe zur Antragsbegründung
weisung geführt haben (z. B. Unter- vorgebracht werden. Eine Antragstellung muss
stützungshandlungen für terroristische oder aufgrund der vorgenannten Gründe rechtzeitig
den Terrorismus unterstützende Ver- erfolgen, um entsprechende Vorlaufzeiten bei
einigungen), zu erschweren oder zu unter- den beteiligten Behörden zu gewährleisten.
binden und
– die Einhaltung vereinsrechtlicher oder son- 54a.4 Kommunikationsbeschränkungen
stiger gesetzlicher Auflagen und Verpflich-
tungen besser überwachen zu können. 54a.4.1 Absatz 4 ermöglicht die Unterbindung der
Durch die räumliche Trennung maßge- Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel
bender Funktionsträger eines verbotenen und -dienste, soweit Kommunikationsmittel
Vereins kann z. B. der Fortführung der verbleiben und die Beschränkung notwendig
durch den verbotenen Verein verfolgten ist, um schwere Gefahren für die innere Sicher-
Ziele begegnet werden. heit oder Leib und Leben Dritter abzuwehren.
Zu den nach Absatz 4 erfassten Kommunika-
54a.3.1.2 Die Anordnung liegt im Ermessen der Aus- tionsmitteln und -diensten gehören technische
länderbehörde und ist kraft Gesetzes sofort Kommunikationsmittel wie Telefon, Telegra-
vollziehbar (§ 54a Absatz 5 Satz 2). Für aus- phie, Satellitenfunk, Druckerzeugnisse in ver-
länderrechtliche Maßnahmen bleibt die Aus- schiedener Form (z. B. Buch, Zeitung, Flug-
länderbehörde weiterhin zuständig, auch wenn blatt, Plakat, Fotokopie), Rundfunk, Fernsehen
der Wohnort außerhalb ihres Bezirks liegt. und das Internet sowie die Anbieter ent-
sprechender Dienstleistungen.
54a.3.1.3 Der von der Ausländerbehörde bestimmte
Wohnort oder die Unterkunft kann auch in 54a.4.2 Die Anordnung liegt im Ermessen der Aus-
einem anderen Bundesland liegen, soweit dies länderbehörde und ist kraft Gesetzes sofort
im Einvernehmen mit dem anderen Land und vollziehbar (§ 54a Absatz 5 Satz 2). Bei der
der für den dortigen Wohnort zuständigen Anordnung eines Kommunikationsverbotes
Ausländerbehörde geschieht. wird empfohlen, für das Gerät, dessen Nutzung
gestattet wird, der Ausländerbehörde vorab
54a.3.2 Der Ausländer ist durch die zuständige Be-
dessen Telefon-, Karten- und Gerätenummer
hörde wiederholt – das erste Mal bereits im
(IMEI) mitzuteilen.
Rahmen der Anordnung – darauf hinzuweisen,
dass ein Verstoß gegen die auferlegte Ver-
pflichtung zur Wohnungsnahme nach wieder- 54.a.5 Ruhen der Verpflichtungen bei Haft
holter Belehrung gemäß § 95 Absatz 1 Num- Soweit die Haft eines ursprünglich mit Maß-
mer 6a strafbar sein kann. nahmen nach § 54a belegten Ausländers unter-
54a.3.3 Mit jedem Hinweis soll eine Frist zur Erfüllung brochen (z. B. während eines Freigangs) oder
der Verpflichtung gesetzt werden. Die Länge beendet wird, leben die Verpflichtungen nach
der Frist ist unter Berücksichtigung der kon- den Absätzen 1 bis 4 wieder auf.
kreten Umstände zu bemessen – z. B. an der
Verfügbarkeit einer der Verpflichtung ge-
nügenden Wohnung; die zweite Frist kann er- 55 Zu § 55 – Ermessensausweisung
heblich kürzer ausfallen als die erste, da der
55.0 Allgemeines
Ausländer bereits gewarnt ist und bereits aus-
reichend Zeit hatte, die erforderlichen Vorbe- 55.0.1 § 55 ist die zur Ausweisung auf Grund einer
reitungen zu treffen. Ermessensentscheidung ermächtigende Grund-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1141

norm. Sie dient gegenüber den §§ 53, 54 als Bereich (gesellschaftliche Normen), der nach
Auffangtatbestand. Absatz 1 hat general- den jeweils herrschenden Anschauungen zu den
klauselartigen Charakter, während in Absatz 2 unerlässlichen Voraussetzungen eines geord-
eine Konkretisierung durch bestimmte Aus- neten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens
weisungsgründe, die in Form von Regel- gehört.
beispielen („insbesondere“) gefasst sind, er-
55.1.1.2 Sonstige erhebliche Interessen
folgt. Eine ausschließlich auf § 55 Absatz 1 ge-
stützte Ausweisung ist möglich, kann aber nur Von den sonstigen erheblichen Interessen der
dann verfügt werden, wenn kein spezifischer Bundesrepublik Deutschland sind alle öffentli-
Ausweisungsgrund nach Absatz 2 und §§ 53, 54 chen Interessen umfasst, die wegen ihrer Be-
vorliegt. Eine lediglich vereinzelte und gering- deutung besonders schutzwürdig sind. Dazu
fügige Beeinträchtigung eines erheblichen öf- gehören wichtige gesamtwirtschaftliche sowie
fentlichen Interesses erfüllt noch nicht den entwicklungs- und außenpolitische Belange.
Ausweisungstatbestand des Absatzes 1. Ist Eine Beeinträchtigung sonstiger erheblicher
eines der Regelbeispiele des Absatzes 2 zwar Interessen der Bundesrepublik Deutschland
einschlägig, aber nicht erfüllt, kommt ein kann beispielsweise eine Gefährdung der wirt-
Rückgriff auf Absatz 1 nicht in Betracht, da im schaftlichen, sozialen oder sonstigen politi-
Übrigen die Wertungen des Gesetzgebers un- schen Interessen des staatlichen Gemeinwesens
terlaufen würden. Als Ausweisungstatbestände darstellen. Zu diesem Interessenbereich ge-
in Absatz 2 abschließend erfasst sind die Sach- hören besonders schützenswerte Bereiche wie
verhalte Gewerbsunzucht, Drogenkonsum, die Sicherung gesamtwirtschaftlicher Inter-
Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, wirt- essen, die deutschen Auslandsbeziehungen, die
schaftliche Unterstützungsbedürftigkeit und Vermeidung zwischenstaatlicher Konflikte so-
Inanspruchnahme von Erziehungshilfe. Sofern wie die äußere Sicherheit des Staates (siehe auch
die für diese Sachverhalte in Absatz 2 normier- Nummer 5.1.3.1). Eine erhebliche Beein-
ten Ausweisungsvoraussetzungen nicht vor- trächtigung ist anzunehmen, wenn die vom
liegen, ist ein Rückgriff auf den Ausweisungs- Ausländer ausgehende Gefahr ein Grund-
grundtatbestand des Absatzes 1 ebenfalls interesse der Gesellschaft berührt. Die Aus-
ausgeschlossen. So ist beispielsweise bei Inan- weisung wegen Gefährdung der Beziehungen
spruchnahme des von § 55 Absatz 2 Nummer 6 der Bundesrepublik Deutschland zum Ausland
nicht umfassten Arbeitslosengeldes II (Leistung bedarf der vorherigen Zustimmung der ober-
nach dem SGB II) eine Ausweisung nach § 55 sten Landesbehörde. Die oberste Landes-
Absatz 1 nicht möglich. behörde hat sich mit dem Bundesministerium
des Innern ins Benehmen zu setzen.
55.0.2 Die Ausweisung von Berechtigten nach dem
ARB 1/80 ist stets auf § 55 zu stützen, da sie nur 55.1.2 Gefahrenprognose
auf Grund einer einzelfallbezogenen Er-
messensentscheidung zulässig ist (vgl. Nummer Soweit eine Ausweisung allein auf eine Gefähr-
Vor 53.5.2). dung der öffentlichen Sicherheit nach § 55 Ab-
satz 1 gestützt wird, ist eine Gefahrenprognose
nach den im allgemeinen Polizei- und Ord-
55.1 Grundtatbestand
nungsrecht entwickelten Grundsätzen er-
55.1.1 Erhebliche Interessen der Bundesrepublik forderlich (vgl. Nummer Vor 53.3).
Deutschland
55.1.3 Ermessensausübung
55.1.1.1 Öffentliche Sicherheit und Ordnung
Die Ausweisung nach § 55 liegt im pflicht-
Die Begriffe öffentliche Sicherheit und Ord- gemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Bei
nung sind i. S. d. Polizei- und Ordnungsrechts der Ermessensausübung sind das schutz-
zu verstehen. würdige Interesse des Ausländers am weiteren
Verbleib in Deutschland und das öffentliche
Öffentliche Sicherheit ist die Unverletzlichkeit Interesse an der Ausweisung gegeneinander ab-
der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven zuwägen (Güter- und Interessenabwägung).
Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie Persönliche Lebensumstände sind – soweit
der Einrichtungen und Veranstaltungen des nicht nach § 55 Absatz 3 zu berücksichtigen –
Staates und der sonstigen Träger der Hoheits- nur im Rahmen des § 82 in die Entscheidung
gewalt. Eine Ausweisung nach § 55 Absatz 1 einzubeziehen oder wenn es für die Ausländer-
kommt etwa auch dann in Betracht, wenn ein behörde entsprechende konkrete Anhalts-
hinreichender Verdacht auf schwere Straftaten punkte gibt.
besteht, ohne dass es bislang zu einer strafge-
richtlichen Verurteilung gekommen wäre; al-
55.2 Einzelne Ausweisungsgründe
lerdings ist ein Rückgriff auf die Generalklausel
dann entbehrlich, wenn der entsprechende 55.2.0 Allgemeines
Verstoß gegen Rechtsvorschriften belegbar ist
i. S. v. § 55 Absatz 2 Nummer 2. Liegt ein Ausweisungsgrund nach § 55 Ab-
satz 2 vor, ist zu prüfen, ob ein Auswei-
Der Schutz der öffentlichen Ordnung umfasst sungsverfahren eingeleitet wird. Die Prüfung
den nicht durch Rechtsvorschriften geschützten umfasst auch die Frage, ob §§ 53, 54 vorrangig
Seite 1142 GMBl 2009 Nr. 42– 61

anzuwenden sind. Liegen Ausweisungsgründe ist damit nicht der Ausweisungstatbestand nach
nach § 55 Absatz 2 vor, hat dies nicht zwingend § 55 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a) erfüllt,
eine Ausweisungsverfügung zur Folge, sondern denn für die Erteilung des Einreisevisums oder
eröffnet lediglich das Ausweisungsermessen der Niederlassungserlaubnis ist im Wesent-
nach § 55. lichen der Arbeitsvertrag maßgeblich. Die Be-
hörden werden somit nicht durch falsche oder
55.2.1 Falsche oder unvollständige Angaben, fehlende unvollständige Angaben getäuscht. Voraus-
Mitwirkung setzung zur Erfüllung des Ausweisungsgrundes
55.2.1.0 Nach § 55 Absatz 2 Nummer 1 können für die ist neben der Täuschung des Arbeitgebers nicht,
Ermessensausweisung auch falsche Angaben im dass das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
Verfahren zur Erlangung eines Aufenthalts- Vielmehr steht es im Ermessen der Ausländer-
titels, eines Schengen-Visums, eines Pas- behörde, bei Fortbestand trotz Täuschung die
sersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von Niederlassungserlaubnis nicht zu widerrufen.
der Passpflicht oder der Aussetzung der Ab- 55.2.2 Verstoß gegen Rechtsvorschriften, gerichtliche
schiebung berücksichtigt werden. Durch Entscheidungen oder behördliche Verfügungen;
Falschangaben dokumentiert der Betroffene, Auslandsstraftaten
dass er nicht bereit ist, sich an die geltende
Rechtsordnung zu halten. Zu den Falschan- 55.2.2.1 Rechtsvorschriften sind sämtliche in Deutsch-
gaben gehören auch Angaben zum Bestehen land geltenden Rechtsnormen, also Gesetze,
bzw. zur Herstellung einer ehelichen Lebens- Rechtsverordnungen und Satzungen. Die ge-
gemeinschaft/-partnerschaft, die lediglich for- richtlichen Entscheidungen müssen zum Zeit-
mell zur Erlangung eines Aufenthaltstitels er- punkt der Zuwiderhandlung vollziehbar bzw.
folgt ist (vgl. aber auch Nummer 55.2.2.8). vollstreckbar sein. Verstöße gegen Ent-
scheidungen der Zivilgerichte stellen nur einen
55.2.1.1 Dasselbe gilt, wenn der Betroffene entgegen Ausweisungsgrund dar, wenn die Sanktion im
seinen Rechtspflichten an Maßnahmen der öffentlichen Interesse liegt (z. B. familien-
Ausländerbehörden bzw. der für die Durch- rechtliche Entscheidungen). Die behördlichen
führung des SDÜ zuständigen Behörden nicht Verfügungen müssen zum Zeitpunkt der Zu-
mitwirkt. Mitwirkungspflichten ergeben sich widerhandlung vollziehbar sein. Behördliche
z. B. aus § 48 Absatz 1 und 3, § 49 Absatz 10 Verfügungen sind auch Auflagen, Bedingungen
sowie aus § 82 Absatz 1. und sonstige Beschränkungen nach §§ 12, 14,
55.2.1.2 Dabei ist es gleichgültig, ob die Auskunfts- und 46, 47, 61.
Mitwirkungspflichten im Verfahren vor deut- 55.2.2.2 Auch ein vereinzelter Verstoß erfüllt den Tat-
schen Behörden oder Behörden anderer An- bestand der Ausweisung, wenn er nicht gering-
wenderstaaten des SDÜ verletzt wurden. Eine fügig ist, und auch geringfügige Verstöße er-
abweichende Handhabe wäre bereits deshalb füllen den Ausweisungstatbestand, wenn sie
widersprüchlich, weil die Behörden der anderen nicht vereinzelt sind. Als geringfügige Verstöße
Schengen-Staaten nach denselben Vorschriften i. S. v. § 55 Absatz 2 Nummer 2 kommen
und sogar unter Verwendung derselben An- grundsätzlich geringfügige Ordnungswidrig-
tragsvordrucke und Belehrungen ihre Ent- keiten i. S. v. § 56 Absatz 1 OWiG in Betracht
scheidung treffen wie deutsche Behörden. und Straftaten, die zu einer Einstellung wegen
55.2.1.3 Unerheblich ist, ob die Falschangaben im Er- Geringfügigkeit geführt haben. Geringfügig
gebnis zur Erlangung des erstrebten Doku- sind grundsätzlich nicht strafgerichtliche Ver-
ments geführt haben oder ob dieses auch unab- urteilungen, es sei denn, dass es sich um so ge-
hängig von den Falschangaben hätte erteilt nannte Bagatelldelikte oder unbedeutende
werden müssen. Voraussetzung für die Anwen- Straßenverkehrsdelikte handelt, bei denen der
dung dieses Ausweisungsgrundes ist jedoch, Grad des Verschuldens als gering einzustufen
dass der Ausländer durch die Ausländer- ist. Ordnungswidrigkeiten sind nicht gering-
behörde bzw. Auslandsvertretung auf die fügig, wenn sie ähnlich schwer wiegen wie eine
Rechtsfolgen falscher oder unrichtiger Angaben Straftat.
hingewiesen wurde. 55.2.2.3 Für die Beurteilung, ob ein geringfügiger Ver-
stoß vorliegt, ist u. a. folgendes maßgebend:
55.2.1.4 Der vorrangige Regelausweisungsgrund nach
§ 54 Nummer 6 ist zu beachten. 55.2.2.3.1 – Eine Straftat, die zu einer Verurteilung bis
zu 30 Tagessätzen geführt hat, ist gering-
55.2.1a Falsche oder unvollständige Angaben bei Ab-
fügig (siehe aber Nummer 55.2.2.2).
schluss eines Arbeitsvertrages
55.2.2.3.2 – Eine mit Strafe bedrohte Tat kann nach
Mit dem Ausweisungsgrund nach § 55 Absatz 2
Einstellung des Strafverfahrens als gering-
Nummer 1a wird eine Regelungslücke in § 55
fügig eingestuft werden, wenn der wegen
Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a) geschlossen,
dieser Tat festgesetzte Geldbetrag nicht
die bei der Erteilung einer Niederlassungs-
mehr als 500 Euro beträgt.
erlaubnis nach § 19 Absatz 2 Nummer 3 be-
standen hatte. Täuscht der Ausländer den Ar- 55.2.2.3.3 – Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem
beitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages Bußgeld von nicht mehr als 1.000 Euro ge-
über seine Qualifikation oder Berufserfahrung, ahndet werden kann, ist im Hinblick auf die
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1143

in § 87 Absatz 4 Satz 3 zum Ausdruck den der Generalprävention Anlass bestehen.


kommende gesetzgeberische Wertung selbst Ausländer, die eine Erwerbstätigkeit unerlaubt
dann als geringfügig anzusehen, wenn es ausüben, sind im Allgemeinen auszuweisen. In
sich um einen Wiederholungsfall handelt; in Fällen des Familiennachzugs ist jedoch das
diesem Fall kann jedoch eine Ausweisung Schutzgebot des Artikels 6 Absatz 1 GG zu
wegen eines nicht nur vereinzelten Ver- berücksichtigen, um dem auf die Einhaltung des
stoßes gegen Rechtsvorschriften in Betracht Visumverfahrens verwiesenen Ausländer eine
kommen. Wiedereinreise zu ermöglichen (vgl. § 5 Ab-
satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2). Wird auf
55.2.2.3.4 – Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer hö-
die Nachholung des Visumverfahrens ver-
heren Geldbuße als 1.000 Euro geahndet
zichtet, liegt kein beachtlicher Ausweisungs-
worden ist, wird i. d. R. nicht mehr als ge-
grund mehr vor, der der Erteilung eines Auf-
ringfügig anzusehen sein.
enthaltstitels entgegenstünde.
55.2.2.4 Für den Verstoß gegen Rechtsvorschriften, ge-
55.2.2.8 Ausländer, die schuldhaft unrichtige oder un-
richtliche Entscheidungen und behördliche
vollständige Angaben machen, die zur Er-
Verfügungen genügt die objektive Rechtswid-
teilung eines Aufenthaltstitels führen, erfüllen
rigkeit; es ist unerheblich, ob der Verstoß
einen Ausweisungsgrund nach § 55 Absatz 2
schuldhaft begangen wurde. Die Ausweisung
Nummer 2. Es handelt sich um einen strafbe-
wegen einer Straftat setzt keine Verurteilung
wehrten Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht
voraus. Artikel 6 Absatz 2 EMRK, wonach
(vgl. § 95 Absatz 2 Nummer 2), der regelmäßig
jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis
die privaten Interessen auf Aufrechterhaltung
zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als un-
der beruflichen und sozialen Existenz des Aus-
schuldig gilt, wird insoweit nicht verletzt. Nach
länders im Bundesgebiet verdrängt. Zu diesen
§ 55 Absatz 2 Nummer 2 kann im Einzelfall
Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht gehört
daher auch ausgewiesen werden, wer schuld-
auch das Vortäuschen einer ehelichen Lebens-
unfähig oder in seiner Schuldfähigkeit be-
gemeinschaft (siehe auch Nummer 7.2.2.3). In
schränkt ist.
diesen Fällen überwiegt regelmäßig das öffent-
55.2.2.5 § 55 Absatz 2 Nummer 2 setzt im Vergleich zu liche Interesse an der Vollziehung der Aus-
§ 53 und 54 Nummer 1 und 2 nicht zwingend weisung das Privatinteresse des Ausländers am
voraus, dass eine rechtskräftige Entscheidung Verbleib im Bundesgebiet (vgl. § 80 Absatz 2
des Strafgerichts oder der Bußgeldbehörde Satz 1 Nummer 4 VwGO). In Abgrenzung zu
vorliegt. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungs- § 55 Absatz 2 Nummer 1 ist ein Hinweis auf die
verfahren, die etwa wegen Einstellung nach Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger An-
§§ 153 ff. StPO nicht zu einer Verurteilung ge- gaben nicht erforderlich. § 54 Nummer 6 ist zu
führt haben, können einer Ausweisung nach beachten.
§ 55 Absatz 2 Nummer 2 zugrunde gelegt wer-
den. Das Einvernehmenserfordernis des § 72 55.2.2.9 Eine Ausweisung wegen einer im Ausland be-
Absatz 4 sowie § 79 Absatz 2 ist zu beachten. gangenen Straftat kommt nur in Betracht, wenn
Die Ausweisungsverfahren sind unverzüglich die Tat nach dem deutschen Strafrecht als vor-
einzuleiten und zügig durchzuführen, ein Zu- sätzliches Verbrechen oder vorsätzliches Ver-
warten bis zum Abschluss des Strafverfahrens gehen zu beurteilen ist. §§ 3 und 6 StGB sind
kommt i. d. R. nicht in Betracht. Auf Nummer nicht maßgeblich. In Betracht zu ziehen ist die
Vor 53.3.0.1 wird Bezug genommen. mit dem Aufenthalt des Ausländers im Bun-
desgebiet in Anbetracht der Straftatbegehung
55.2.2.6 Bei Ausländern, die im Besitz eines im Bundes- ausgehende Gefahr. Ist eine Verurteilung auf
gebiet nicht nur für einen Kurzaufenthalt er- Grund der Straftat im Ausland erfolgt, ist das
teilten oder verlängerten Aufenthaltstitels wa- Strafurteil daraufhin zu überprüfen, ob es im
ren, ist der fahrlässige Verstoß gegen die Auf- Hinblick auf die verfahrensmäßigen Be-
enthaltstitelpflicht (§ 98 Absatz 1) durch eine dingungen und die konkreten Gegebenheiten
bis zu drei Monate verspätete Beantragung der des Falles hinreichende Gewähr für die Rich-
Verlängerung kein Ausweisungsgrund i. S. d. tigkeit der tragenden Feststellungen bietet. Bei
§ 55 Absatz 2 Nummer 2. Ist durch Gesetz oder Strafurteilen der EU-Mitgliedstaaten kann
Verordnung eine Antragsfrist vorgesehen, wie hiervon grundsätzlich abgesehen werden. Be-
etwa in § 38 Absatz 1 Satz 2 oder in § 41 Ab- steht Anlass zu der Annahme, dass der Aus-
satz 3 AufenthV, darf der Ausländer diese Frist länder im Ausland eine Straftat begangen hat,
nutzen, so dass das Vorliegen eines Aus- soll die Ausländerbehörde, soweit es möglich
weisungsgrundes mangels Rechtsverstoßes von ist, bei dem ausländischen Staat einen Straf-
vornherein nicht in Betracht kommt. Ausländer registerauszug anfordern oder den Ausländer
mit einem längerfristigen rechtmäßigen Auf- auffordern, ein amtliches Führungszeugnis oder
enthalt erfüllen bei fahrlässigen Verstößen ge- Leumundszeugnis oder einen Auszug aus der
gen die Passpflicht im Allgemeinen keinen Strafliste seines Heimatstaates vorzulegen.
Ausweisungsgrund.
55.2.3 Gewerbsunzucht
55.2.2.7 Zu einer Ausweisung wegen Verstoßes gegen
die Visumpflicht kann unter Berücksichtigung Der Verstoß gegen eine für die Ausübung der
aller Umstände des Einzelfalls auch aus Grün- Prostitution geltende Rechtsvorschrift (Gesetz,
Seite 1144 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Verordnung, Satzung) oder behördliche Verfü- übertragbaren Krankheit leidet oder Überträger
gung (Verwaltungsakt) stellt einen Aus- einer solchen Krankheit ist. Der Ausländer muss
weisungsgrund nach § 55 Absatz 2 Nummer 3 durch sein Verhalten gegen behördlich angeord-
dar. Es muss sich um eine speziell auf die Aus- nete Schutzmaßnahmen verstoßen oder durch
übung der Prostitution bezogene Vorschrift sein Verhalten die Gefahr einer Übertragung der
handeln, so dass steuer-, gewerbe- und bau- entsprechenden Krankheit auf andere verur-
rechtliche Verstöße nicht unter § 55 Absatz 2 sachen. Er muss also die öffentliche Gesundheit
Nummer 3 fallen, allerdings unter § 55 Ab- gefährden, indem er die Gefahr einer vermeid-
satz 2 Nummer 2 fallen können, sofern die dort baren Übertragungsmöglichkeit eingeht oder
genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. entsprechende Schutzmöglichkeiten nicht ein-
Im Vergleich zu § 55 Absatz 2 Nummer 2 hält. Anlass zur Prüfung dieses Ausweisungs-
kommt es bei Nummer 3 nicht darauf an, ob es grundes besteht im Allgemeinen nur auf Grund
sich um einen geringfügigen oder vereinzelten einer entsprechenden Mitteilung der Gesund-
Verstoß handelt. Dennoch ist der Verstoß in die heitsverwaltung im Einzelfall (§ 87 Absatz 2).
Ermessensausübung nach dem Grundsatz der
55.2.5.2.1 Der Begriff der Obdachlosigkeit ist nicht be-
Verhältnismäßigkeit mit einzubeziehen (vgl.
reits erfüllt, wenn lediglich ein Wohnungs-
§ 55 Absatz 3). Im Anwendungsbereich des
mangel besteht oder nicht ausreichender
§ 55 Absatz 2 Nummer 3 kann es sich um Ver-
Wohnraum (§ 2 Absatz 4) vorhanden ist. Ob-
stöße gegen spezielle Vorschriften und Anord-
dachlos sind nur Personen ohne ausreichende
nungen zur Ausübung der Prostitution handeln
Unterkunft, die in Obdachlosen- oder son-
(z. B. Verstoß gegen eine Sperrbezirksver-
stigen Behelfsunterkünften oder in vergleich-
ordnung). In Fällen konkreter Anhaltspunkte
baren Unterkünften leben oder in Wohnungen
für Zwangsprostitution, Menschenhandel oder
eingewiesen sind sowie Nichtsesshafte, die
vergleichbare Straftaten gegen die sexuelle
überhaupt keine Unterkunft haben. Der Aus-
Selbstbestimmung kommt eine Ausweisung des
weisungsgrund erfordert nicht nur eine schon
Opfers nach § 55 Absatz 2 Nummer 3 regel-
eingetretene, sondern darüber hinaus eine län-
mäßig nicht in Betracht.
gerfristige Obdachlosigkeit.
55.2.4 Verbrauch von Betäubungsmitteln
55.2.5.2.2 Soweit nicht ohnehin Einschränkungen auf
55.2.4.1 § 55 Absatz 2 Nummer 4 regelt die Ausweisung Grund Europäischen Gemeinschaftsrechts und
wegen des Konsums von Heroin, Kokain und völkerrechtlicher Vereinbarungen gegen eine
vergleichbar gefährlichen Betäubungsmitteln. Ausweisung wegen längerfristiger Obdach-
§ 53 Nummer 2 und § 54 Nummer 3 bleiben losigkeit bestehen, kann sie auch aus anderen
unberührt. Bei Strafbarkeit nach §§ 29 ff. BtMG Gründen unverhältnismäßig sein. Von einer
ist Absatz 2 Nummer 2 zu beachten. Für die Unverhältnismäßigkeit kann ausgegangen wer-
Ausweisung wird neben dem Drogenkonsum den, wenn es sich um einen Ausländer handelt,
des Ausländers gefordert, dass dieser nicht zu der zusammen mit seinen Familienangehörigen
einer erforderlichen, seiner Rehabilitation die- seit langer Zeit in Deutschland lebt, beschäftigt
nenden Behandlung bereit ist oder sich dieser ist und folglich seine Existenzgrundlage und die
entzieht. Drogenkonsum kann auch eine Aus- seiner Ehefrau und minderjährigen Kinder ver-
weisung aus generalpräventiven Gründen lieren würde, wenn er mangels Aufenthaltstitel
rechtfertigen. Von einer Ausweisung wegen das Bundesgebiet verlassen müsste und ihm
Drogenkonsums ist regelmäßig abzusehen, unter Berücksichtigung seines Lebensalters im
wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, Heimatstaat der Aufbau einer neuen Existenz-
dass der Ausländer auf Grund einer er- grundlage nicht mehr ohne besondere Schwie-
forderlichen, seiner Rehabilitation dienenden rigkeiten möglich wäre.
Behandlung keine Drogen mehr gebrauchen
55.2.6 Inanspruchnahme von Leistungen nach
wird und sich dies etwa aus der Zurückstellung
SGB XII
der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG er-
gibt. Der Ausländer hat die für seine Person 55.2.6.1 Der Ausweisungsgrund liegt nur dann vor,
günstigen Gesichtspunkte vorzutragen und wenn Leistungen nach SGB XII tatsächlich in
hierbei die erforderlichen Gutachten vor- Anspruch genommen werden. Die Leistungen
zulegen (§ 82 Absatz 1). umfassen nach den Regelungen des SGB XII
55.2.4.2 Die Prüfung, ob der Ausweisungsgrund des – Hilfe zum Lebensunterhalt,
§ 55 Absatz 2 Nummer 4 vorliegt, erfolgt im – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-
Allgemeinen nur, wenn eine entsprechende minderung,
Mitteilung vorliegt. Für Sozialbehörden, Ärzte
und andere Einrichtungen bestehen spezielle – Hilfen zur Gesundheit,
Regelungen zu Offenbarungsbefugnissen und – Eingliederungshilfe für Menschen mit Be-
Auskunftspflichten (§ 88 Absatz 2 sowie § 71 hinderung,
Absatz 2 SGB X). – Hilfe zur Pflege,
55.2.5 Gesundheitsgefährdung, Obdachlosigkeit – Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer
55.2.5.1 Der Ausweisungsgrund setzt voraus, dass der Schwierigkeiten und
Ausländer an einer von Mensch zu Mensch – Hilfe in anderen Lebenslagen.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1145

Auf einen Anspruch oder eine Bedürftigkeit rechtmäßige Aufenthalt ist auch gegeben bei
kommt es nicht mehr an. Die Inanspruchnahme Vorliegen einer Aufenthaltsgestattung nach
sonstiger sozialer Leistungen ist bei der An- dem AsylVfG (§ 55 Absatz 1 AsylVfG) und bei
wendung des § 55 Absatz 2 Nummer 6 ohne der Befreiung vom Erfordernis des Aufent-
Belang, auch wenn diese nicht auf einer Bei- haltstitels (vgl. z. B. § 22 AufenthV). Der Aus-
tragszahlung beruhen (z. B. Arbeitslosengeld II, weisungsgrund ist erfüllt, wenn der Ausländer
Wohngeld etc.). die in § 55 Absatz 2 Nummer 7 genannten Lei-
stungen nicht nur beantragt hat, sondern auch
55.2.6.2 Der Ausweisungsgrund ist auch erfüllt, wenn erhält. Die Mitteilungspflichten der Jugend-
der Ausländer Leistungen nach SGB XII für ämter ergeben sich aus § 87 Absatz 2.
unterhaltsberechtigte Familienangehörige oder
sonstige Haushaltsangehörige in Anspruch 55.2.7.2 Bei minderjährigen Ausländern ist Auswei-
nimmt. Eine Beeinträchtigung fiskalischer In- sungsgrund nur die Gewährung von Hilfe zur
teressen der Bundesrepublik Deutschland ist in Erziehung außerhalb der eigenen Familie. Dies
diesen Fällen immer dann gegeben, wenn die sind nur die in den §§ 33 bis 35 SGB VIII be-
Familienangehörigen ihr Aufenthaltsrecht von zeichneten Maßnahmen. Der Ausweisungs-
dem des Ausländers ableiten. Ist ihr Aufent- grund liegt auch vor, wenn diese Hilfen auf
haltsrecht jedoch von der Rechtsstellung des Grund des § 12 Nummer 2 JGG gewährt wer-
Ausländers unabhängig, werden Interessen der den.
Bundesrepublik durch den Verbleib des Aus-
55.2.7.3 § 55 Absatz 2 Nummer 7 ergänzt § 55 Absatz 2
länders nicht berührt, so dass bei der gebotenen
Nummer 6. Beide Vorschriften schützen das
teleologischen Auslegung der Ausweisungs-
öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt von
grund des § 55 Absatz 2 Nummer 6 nicht ein-
Ausländern nicht aus öffentlichen Mitteln, die
schlägig ist.
nicht auf einer Beitragsleistung beruhen, fi-
55.2.6.3.1 Eine Ausweisung allein wegen Bezugs von So- nanzieren zu müssen. Deshalb erfüllen den
zialhilfe ist ausgeschlossen Ausweisungstatbestand des § 55 Absatz 2
Nummer 7 nur Jugendhilfeleistungen, die ma-
55.2.6.3.1.1 – nach Maßgabe der Artikel 6 und 7 des Eu- teriell Sozialhilfeleistungen entsprechen. Bei
ropäischen Fürsorgeabkommens, minderjährigen Ausländern liegt der Aus-
55.2.6.3.1.2 – nach Maßgabe des Deutsch-Schweizeri- weisungsgrund daher nur vor, wenn Hilfe nach
schen Fürsorgeabkommens, den §§ 33 bis 35 SGB VIII i. V. m. Leistungen
nach § 27 Absatz 3 oder §§ 39 und 40 SGB VIII
55.2.6.3.1.3 – nach Maßgabe des Deutsch-Österreichi- gewährt wird.
schen Fürsorgeabkommens,
55.2.7.4 Entsprechend beschränkt ist auch der Aus-
55.2.6.3.1.4 – nach Maßgabe des Artikels 3 Absatz 3 des weisungsgrund der Inanspruchnahme von Hilfe
Europäischen Niederlassungsabkommens, für junge Volljährige. Nur die Hilfen nach § 41
55.2.6.3.1.5 – bei heimatlosen Ausländern und Inhabern Absatz 2 i. V. m. § 27 Absatz 3 oder §§ 33
einer Niederlassungserlaubnis sowie bei In- bis 35, 39 und 40 SGB VIII, aber nicht die Hilfe
habern einer Aufenthaltserlaubnis, bei deren nach § 41 Absatz 2 i. V. m. §§ 28 bis 30
Verlängerung von der Sicherung des Le- SGB VIII und nicht die Nachbetreuung gemäß
bensunterhalts (§ 5 Absatz 1 Nummer 1) § 41 Absatz 3 SGB VIII unterfallen § 55 Ab-
abgesehen worden ist, satz 2 Nummer 7. Im Übrigen ist auch eine al-
lein auf § 55 Absatz 2 Nummer 7 gestützte
55.2.6.3.1.6 – bei subsidiär Schutzberechtigten nach der Ausweisung ausgeschlossen, soweit eine allein
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom auf § 55 Absatz 2 Nummer 6 gestützte Aus-
29. April 2004 über Mindestnormen für die weisung ausgeschlossen wäre (siehe Num-
Anerkennung und den Status von Dritt- mer 55.2.6.3.1).
staatsangehörigen oder Staatenlosen als
Flüchtlinge oder als Personen, die an- 55.2.7.5 Der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Voll-
derweitig internationalen Schutz benötigen, zeitpflege in einer anderen Familie als der Her-
und über den Inhalt des zu gewährenden kunftsfamilie setzt nicht voraus, dass die Her-
Schutzes (ABl. EU L 304 S. 12, so genannte kunftsfamilie, in die das Kind oder der Jugend-
Qualifikationsrichtlinie; § 60 Absatz 2, 3 liche möglichst zurückkehren soll, noch
und 7 Satz 1). vorhanden ist. Einem Waisenkind soll diese
Hilfe eine auf Dauer angelegte Lebensform
55.2.7 Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen bieten, insoweit sollte von einer Ausweisung
abgesehen werden.
55.2.7.1 Nach § 55 Absatz 2 Nummer 7 kann ein Aus-
länder ausgewiesen werden, der Hilfe zur Er- 55.2.8 Mit den beiden Tatbeständen nach Nummer 8
ziehung außerhalb der eigenen Familie oder sollen Störungen der öffentlichen Sicherheit
Hilfe für junge Volljährige nach dem SGB VIII und Ordnung durch Äußerungen und Hand-
erhält. Der Ausweisungsgrund der Inanspruch- lungen erfasst werden, die das friedliche
nahme von Jugendhilfe gilt nicht für minder- Zusammenleben in Deutschland gefährden.
jährige Ausländer, deren Eltern oder allein „Geistigen Brandstiftern“, die in der beschrie-
personensorgeberechtigter Elternteil sich benen Weise die Werteordnung des GG
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der missachten, soll möglichst wirksam und
Seite 1146 GMBl 2009 Nr. 42– 61

frühzeitig entgegengetreten werden. Zur halten vom Erlernen der deutschen Sprache.
Gefahrenprognose vgl. näher Nummer Vor Nicht genügend ist hingegen i. d. R. die Ableh-
53.3.1.6. nung einzelner Sozialkontakte, das Abhalten
vom Besuch einzelner Veranstaltungen auf-
55.2.8.1 Nummer 8 Buchstabe a) erfasst Handeln in der
grund moralischer Bedenken oder die unter-
Öffentlichkeit, in einer öffentlichen oder nicht-
lassene Zubilligung finanzieller Mittel der Fa-
öffentlichen Versammlung sowie das Verbreiten
milie über ein bestimmtes, aus Sicht des Aus-
von Texten in Papierform oder elektronischer
länders vertretbares Maß hinaus. Gewalt ist als
Form, z. B. im Internet.
physisch vermittelter Zwang zur Überwindung
55.2.8.1.1 Billigen heißt, eine in der Vergangenheit lie- eines geleisteten oder erwarteten Widerstands
gende Tat – auch die eigene – gutheißen. zu verstehen, wozu kein unmittelbarer oder
durch Waffen vermittelter Körperkontakt er-
55.2.8.1.2 Werben ist eine mit Mitteln der Propaganda forderlich ist, so dass etwa Einsperren genügt.
betriebene Tätigkeit, die auf Weckung oder Mit Gewalt droht, wer ein Verhalten in Aus-
Stärkung der Bereitschaft Dritter zur Förde- sicht stellt, das im Falle seiner Verwirklichung
rung einer Tat gerichtet ist. Da der Vorgang des als Gewalt im vorgenannten Sinne anzusehen
Werbens zukunftsgerichtet ist, muss dieser wäre. Auf die Gewaltanwendung muss der
nicht zwingend auf eine konkretisierte Tat fo- Ausländer Einfluss haben bzw. zu haben vor-
kussiert sein. Darüber hinaus ist unerheblich, geben und die Gewaltanwendung nach dem
ob ein Werbeerfolg eintritt oder ob das Handeln Inhalt seiner Äußerung tatsächlich für den Fall
auch nur zu dessen Herbeiführung geeignet ist. der Verwirklichung des unerwünschten Ver-
55.2.8.2.1 Hinsichtlich Nummer 8 Buchstabe b) sind die haltens wollen. Ein Handeln in verwerflicher
zu den Straftatbeständen der Volksverhetzung Weise liegt vor, wenn der Einsatz von Gewalt
(§ 130 StGB) und der Verleumdung (§ 187 oder die Drohung mit Gewalt zur Erreichung
StGB) entwickelten Grundsätze entsprechend des angestrebten Ziels verwerflich, d. h. sozial
anzuwenden. unvertretbar ist.

55.2.8.2.2 Zum Hass aufstacheln bedeutet, nachhaltig auf 55.2.9.1.3 Nummer 11 knüpft an einen besonders schwe-
Sinne und Gefühle anderer mit dem Ziel ein- ren Fall der Nötigung bzw. deren Versuch an
wirken, Hass i. S. v. Feindschaft, nicht bloßer (§ 240 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 StGB). Er-
Gegnerschaft, Ablehnung oder Verachtung zu fasst ist die Nötigung zur Eingehung der Ehe
erzeugen oder zu steigern. mit dem Täter selbst oder einem Dritten. Dass
55.2.8.3 Eine bloße Vermutung, ein „Hassprediger“ es sich um erhebliches strafbewehrtes Unrecht
könne entgegen seiner Einlassungen im Hin- handelt, ist bei der Ausweisungsentscheidung
tergrund weiter wirken, rechtfertigt keine An- ermessensreduzierend zu berücksichtigen.
ordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der
Ausweisung. 55.3 Bei der Ausweisungsentscheidung zu
berücksichtigende Gesichtspunkte
55.2.9 Nummer 9 bis 11 knüpfen an Handlungen an,
die in schwerwiegender Weise die Integration 55.3.0 Für den Fall des Vorliegens der Tatbestands-
anderer Personen, insbesondere Familienange- voraussetzungen des § 55 Absatz 1 oder 2 ist
höriger beeinträchtigen und damit einen be- eine Ausweisung nicht zwingend vorge-
sonders integrationsfeindlichen Charakter auf- schrieben, sondern in das von § 55 Absatz 3 ge-
weisen. leitete Ermessen gestellt. Die Ausländerbe-
55.2.9.1.1 Zur Verwirklichung des Tatbestands von hörde hat von Amts wegen nach Maßgabe der
Nummer 9 ist erforderlich, dass die Handlung jeweiligen Umstände abzuwägen, ob das
abstrakt geeignet ist, Hass zu erzeugen oder zu schutzwürdige persönliche Interesse des Aus-
verstärken und hierzu zielgerichtet und über länders i. S. v. § 55 Absatz 3 das öffentliche In-
einen längeren Zeitraum eingesetzt wird. teresse an der Ausweisung überwiegt. § 55 Ab-
satz 3 regelt, welche Umstände zugunsten des
55.2.9.1.2 Nummer 10 nimmt im Hinblick auf Tat- Ausländers bei der Ermessensentscheidung zu
handlung und Tatumstände (Verwerflichkeit) berücksichtigen sind.
Bezug auf § 240 StGB (Nötigung). Vorausge-
setzt werden Handlungen, die geeignet und in 55.3.1.1 Aufenthaltsdauer
ihrer Intensität ausreichend sind, andere Perso-
nen von der Teilhabe am wirtschaftlichen, kul- Bei der Aufenthaltsdauer sind Zeiten zu be-
turellen oder gesellschaftlichen Leben fern- rücksichtigen, in denen sich der Ausländer
zuhalten; eine nur unwesentliche Ein- rechtmäßig, d. h. auf Grund eines Aufenthalts-
schränkung der Teilhabe genügt nicht. Ein titels im Bundesgebiet aufgehalten hat. Eine
Strafurteil muss nicht vorliegen. Es genügt der Duldung genügt nicht, vgl. § 60a Absatz 3. Die
Ausschluss von der Teilhabe an einem der ge- Aufenthaltszeit während des Asylverfahrens ist
nannten Lebensbereiche. Beispiele sind das nur dann erheblich, wenn der Ausländer unan-
Abhalten vom Aufbau selbst gewählter persön- fechtbar anerkannt worden ist (vgl. § 55 Ab-
licher Kontakte, die Versagung eigener fi- satz 3 AsylVfG; dagegen § 26 Absatz 4). Die
nanzieller Mittel, etwa durch Verhinderung des Schutzwürdigkeit auf Grund der Aufenthalts-
Besitzes von Zahlungsmitteln, oder das Ab- dauer wird umso geringer, je länger der voll-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1147

jährige Ausländer sein Leben im Ausland ver- der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so
bracht hat. drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu
schützen, einwanderungspolitische Belange re-
55.3.1.2 Schutzwürdige Bindungen
gelmäßig zurück. Beschränken sich die persön-
Das Maß der Schutzwürdigkeit bestimmt sich lichen Beziehungen allerdings faktisch lediglich
einerseits nach Wertungen der deutschen auf die Erfüllung einer Unterhaltsverpflich-
Rechtsordnung; so sind grundrechtsrelevante tung, wird das öffentliche Interesse an der
Bindungen gewichtiger als andere rechtlich ge- Ausweisung dadurch grundsätzlich nicht ein-
schützte Interessen. Andererseits ist auch der geschränkt. Allerdings verbietet sich nach der
aufenthaltsrechtliche Status von Bedeutung; so Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
kann zu den schutzwürdigen Bindungen auch eine schematische Einordnung als schutz-
der Aufenthaltszweck zählen, der die Anwe- würdige Erziehungs-/Lebensgemeinschaft oder
senheit im Bundesgebiet erfordert (z. B. Er- als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne auf-
werbstätigkeit, Studium). Zur Beurteilung kann enthaltsrechtliche Schutzwirkungen und sind
der Grad der Eingliederung in das wirtschaft- die Bindungen zwischen Eltern und Kind nicht
liche und soziale Leben der Bundesrepublik nach rein quantitativen Gesichtspunkten zu
Deutschland herangezogen werden. Solange beurteilen. Es ist im Einzelfall festzustellen, ob
über den weiteren Aufenthalt noch nach Er- tatsächlich eine persönliche Verbundenheit be-
messen entschieden werden kann oder wenn für steht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu
den Ausländer ein Daueraufenthalt aus- seinem Wohl angewiesen ist (vgl. im Einzelnen
geschlossen ist (vgl. § 8 Absatz 2, § 24 Absatz 1, auch Nummer 28.1.5).
§ 26 Absatz 2), sind seine Bindungen im Bun-
55.3.1.2.1.3 Schutzwürdige persönliche Bindungen be-
desgebiet aufenthaltsrechtlich weniger schutz-
stehen auch zwischen Verlobten und den Part-
würdig als bei einem Ausländer, der einen ge-
nern nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Al-
setzlichen Anspruch hat (vgl. z. B. § 37 Ab-
lerdings wird solchen Bindungen i. d. R. ge-
satz 1, § 28 Absatz 1, § 30 Absatz 1, § 32
ringeres Gewicht zukommen als dem Bestehen
Absatz 1 und 2) oder der bereits eine Nieder-
einer familiären oder lebenspartnerschaftlichen
lassungserlaubnis besitzt.
Gemeinschaft. Eine Beeinträchtigung des
55.3.1.2.1 Maßgeblich sind zunächst die persönlichen Rechts auf Eheschließung ist zu verneinen,
Bindungen im Bundesgebiet. Bei der Beurtei- wenn der Zeitpunkt der beabsichtigten Ehe-
lung der Schutzwürdigkeit dieser Bindungen ist schließung ungewiss ist. Das Recht auf Ehe-
zu berücksichtigen, ob der Ausländer auch im schließung kann auch im Rahmen einer Be-
Heimatstaat noch familiäre oder sonstige per- tretenserlaubnis (§ 11 Absatz 2) verwirklicht
sönliche Anknüpfungspunkte hat. Ist der Aus- werden.
länder auf Grund persönlicher Anknüp-
55.3.1.2.2.1 Einem Ausländer, dem der Aufbau einer Exi-
fungspunkte in seiner Heimat mit den dortigen
stenzgrundlage in Deutschland aufenthalts-
Verhältnissen weitgehend vertraut oder hat er
rechtlich ermöglicht wurde und der in den hie-
dort einen bedeutenden Teil seines Lebens ver-
sigen Lebensverhältnissen verwurzelt ist, sich
bracht, ist das Ausweisungsermessen nicht we-
also seinem Heimatstaat weitgehend ent-
sentlich eingeschränkt.
fremdet hat, darf eine so geschaffene wirt-
55.3.1.2.1.1 Volljährigen ausländischen Kindern muss re- schaftliche und soziale Lebensgrundlage nur
gelmäßig nicht der Aufenthalt bei den Eltern im aus gewichtigen Gründen genommen werden.
Bundesgebiet ermöglicht werden. Dies gilt un- Dies gilt erst recht, wenn sich der Aufenthalt
abhängig davon, ob es im Einzelfall den Eltern des Ausländers rechtlich verfestigt hat (vgl. § 56
zumutbar wäre, in ihre Heimat zurück- Absatz 1 Nummer 1 bis 3). Zu berücksichtigen
zukehren, wenn sie mit dem volljährigen Kind sind auch aufenthalts- und beschäftigungs-
weiterhin zusammen leben wollen. Ausnahmen rechtliche Positionen, die sich aus Artikeln 6
kommen in Betracht, wenn keine schwer- und 7 ARB 1/80 ergeben. Zur Ausweisung as-
wiegenden Ausweisungsgründe vorliegen und soziationsberechtigter türkischer Staatsange-
der volljährige Ausländer aus besonderen, in höriger siehe Nummer Vor 53.5.2. Die auf
seiner Person liegenden Gründen auf ein Zu- Grund dieser Vorschrift erlangten Aufenthalt-
sammenleben mit seinen Eltern angewiesen ist sansprüche stehen unter dem Vorbehalt von
und diesen die gemeinsame Rückkehr in den Beschränkungen, die aus Gründen der öffentli-
Heimatstaat nicht zugemutet werden kann. chen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit ge-
rechtfertigt sind (vgl. Artikel 14 ARB 1/80).
55.3.1.2.1.2 Das Vorhandensein eines minderjährigen le- Das privatwirtschaftliche Interesse des Arbeit-
digen Kindes ist bei der Entscheidung über die gebers am Verbleib des Ausländers im Bundes-
Ausweisung auch dann zu berücksichtigen, gebiet oder Gläubigerinteressen schränken das
wenn die personensorgeberechtigten Eltern Ausweisungsermessen nicht ein.
nicht oder nicht mehr miteinander verheiratet
sind. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen 55.3.1.2.2.2 Neben dem schulischen und beruflichen Wer-
einem Ausländer und seinem Kind nur in der degang des Ausländers sind seine soziale In-
Bundesrepublik stattfinden, etwa weil das Kind tegration und besondere kulturelle und politi-
deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen sche Bindungen angemessen zu berücksich-
der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen tigen.
Seite 1148 GMBl 2009 Nr. 42– 61

55.3.2 Schutz von Familie und Lebenspartnerschaft mern 55.3.2.1, 55.3.2.2, 55.3.2.2.1, 55.3.2.2.2
und 55.3.2.4 sinngemäß anzuwenden.
55.3.2.1 Der Schutz von Ehe und Familie erstreckt sich
sowohl auf Ausländer als auch auf Deutsche in 55.3.3 Gründe für die Aussetzung der Abschiebung
familiärer Lebensgemeinschaft mit Ausländern. 55.3.3.1 Nach § 55 Absatz 3 Nummer 3 sind von der
Ehegatten und Familienangehörige einer rein Ausländerbehörde auch die in § 60a Absatz 2
ausländischen Familie genießen den Schutz bezeichneten Voraussetzungen für die Aus-
nach Artikel 6 Absatz 1 und 2 GG. Auf die setzung der Abschiebung zu berücksichtigen.
Wirkungen von Artikel 8 EMRK und die ent- Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung
sprechenden Ausführungen unter Nummer Vor eines Ausländers auszusetzen, solange die Ab-
53.5.6 wird hingewiesen. Das bedeutet aller- schiebung aus tatsächlichen und rechtlichen
dings nicht, dass ihnen eine getrennte Rückkehr Gründen unmöglich ist und keine Aufenthalts-
nicht zugemutet werden könnte, soweit sie ge- erlaubnis erteilt wird. Die Ausländerbehörde
meinsam in einen Heimatstaat zurückkehren entscheidet über das Vorliegen dieser Voraus-
können. Ihre persönliche Bindung an den Aus- setzungen auf der Grundlage der offenkundi-
gewiesenen ist in die Ausweisungsentscheidung gen, ihr bekannten und der vom Ausländer gel-
einzubeziehen (§ 55 Absatz 3 Nummer 2). Ein tend gemachten Umstände (vgl. § 79 Absatz 1,
Verbleib der nicht ausgewiesenen Familienan- § 82 Absatz 1).
gehörigen im Bundesgebiet erfordert ein Auf-
enthaltsrecht. 55.3.3.2 Zu berücksichtigen sind die in § 60a Absatz 2
genannten Voraussetzungen für die Aussetzung
55.3.2.2 Für den Ausländer günstige Belange und Um- der Abschiebung unbeschadet der Zuständig-
stände, deren Darlegung ihm obliegen (§ 82 keit des Bundesamts für Migration und Flücht-
Absatz 1), sind: linge. Das Vorliegen eines Grundes für die
Aussetzung der Abschiebung schließt die Aus-
55.3.2.2.1 – die Dauer der Ehe,
weisung nicht von vornherein generell aus. Die
55.3.2.2.2 – die Auswirkungen einer Trennung der Fa- Gründe für die Aussetzung der Abschiebung
milienmitglieder, wenn diesen z. B. die ge- müssen auf Abschiebungshindernissen be-
meinsame Rückkehr in den Heimatstaat ruhen, die eine Rückkehr in den Herkunftsstaat
wegen politischer Verfolgung nicht zuge- unzumutbar machen. Tatsächliche Abschie-
mutet werden kann, bungshindernisse (z. B. Passlosigkeit, Reiseun-
fähigkeit), insbesondere sofern diese der Aus-
55.3.2.2.3 – die Frage, ob eine Möglichkeit für ein spä- länder selbst zu vertreten hat oder die lediglich
teres Wiederanknüpfen der Eltern-Kind- vorübergehender Natur sind, stehen einer Aus-
Beziehungen besteht. weisung grundsätzlich nicht entgegen. In den
Fällen des § 60 Absatz 1 ist der besondere Aus-
55.3.2.3 Durch das Schutzgebot des Artikels 6 Absatz 1 weisungsschutz des § 56 Absatz 1 Satz 1 Num-
GG wird eine Ausweisung minderjähriger und mer 5 zu berücksichtigen. Soweit das Bundes-
heranwachsender Ausländer, deren Eltern sich amt für Migration und Flüchtlinge für die Fest-
im Bundesgebiet aufhalten, nicht untersagt. Bei stellung von Abschiebungsverboten nach § 60
der Ausweisung dieses Personenkreises ist je- Absatz 2 ff. zuständig ist und eine entsprechen-
doch die Schutzvorschrift des § 56 Absatz 2 zu de Entscheidung bereits vorliegt, werden bei
beachten. Die familiäre Lebensgemeinschaft mit der Entscheidung über die Ausweisung nur die
Deutschen unterliegt nach § 56 Absatz 1 Num- vom Bundesamt festgestellten Abschiebungs-
mer 4 einem erhöhten Ausweisungsschutz. verbote berücksichtigt (§ 42 AsylVfG).
55.3.2.4 Es ist möglich, dass ein Familienangehöriger in
Folge der Ausweisung das Bundesgebiet eben-
56 Zu § 56 – Besonderer Ausweisungsschutz
falls verlassen muss, weil sein Aufenthaltsrecht
den Bestand des Aufenthaltstitels des aus-
56.0 Allgemeines
gewiesenen Ausländers voraussetzt. Dies ist ge-
mäß § 56 Absatz 1 im Rahmen der Auswei- Der besondere Ausweisungsschutz nach § 56 ist
sungsentscheidung zu berücksichtigen. Soweit unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die
das Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen Ausweisung auf §§ 53, 54 oder 55 gestützt wird.
durch die Ausweisung nicht berührt wird, ist zu § 56 lässt die Schutzvorschriften des § 55 Ab-
berücksichtigen, dass er freiwillig das Bundes- satz 3 sowie völkervertragliche Schutz-
gebiet verlassen kann, wenn er die Familienein- bestimmungen, die einer Ausweisung ent-
heit mit dem Ausländer wahren oder weil er sei- gegenstehen können, unberührt (zu den Wir-
nen Lebensunterhalt sichern will. Hinsichtlich kungen von Artikel 8 EMRK vgl. Nummer Vor
der generalpräventiv motivierten Ausweisung 53.5.6). Die einer Ausweisung entgegen-
von Ausländern, die mit Deutschen in familiärer stehenden Belange des Ausländers sind von
Lebensgemeinschaft leben (Artikel 6 Absatz 1 Amts wegen zu berücksichtigen.
GG) oder freizügigkeitsberechtigt sind, wird auf
Nummer Vor 53.3.2.0 verwiesen. 56.1 Ausweisungsschutz
55.3.2.5 Auf Ausländer, die in einer lebenspartner- 56.1.0 Der Ausweisungsschutz des nach § 56 Absatz 1
schaftlichen Gemeinschaft leben, sind Num- begünstigten Personenkreises erschöpft sich
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1149

nicht nur in der Beschränkung der Zulässigkeit forderungen an die Feststellung einer Wie-
der Ausweisung auf schwerwiegende Gründe derholungsgefahr nicht zu hoch anzusetzen.
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, son-
dern bewirkt auch eine Herabstufung der 56.1.0.2.3 Schwerwiegende Gründe i. S. v. § 56 Absatz 1
Rechtsfolgen gemäß § 56 Absatz 1 Satz 4 und 5. sind i. d. R. bei zwingenden Ausweisungs-
Eine zwingende Ausweisung nach § 53 wird gründen nach § 53 und den Regelaus-
daher bei Ausländern, die nach § 56 Absatz 1 weisungsgründen nach § 54 Nummer 5, 5a und
begünstigt sind, zur Regelausweisung herabge- 7 gegeben (vgl. § 56 Absatz 1 Satz 3). Sie kön-
stuft. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach nen aber auch bei den anderen Regelaus-
§ 54 erfolgt eine Herabstufung zur Ermes- weisungsgründen nach § 54 vorliegen. Generell
sensausweisung. muss der Ausweisungsanlass ein besonderes
Gewicht haben, das sich aus den Umständen
56.1.0.1.1 Asylbewerber haben besonderen Auswei- der jeweils in Frage stehenden Verhaltens-
sungsschutz nach Maßgabe des § 56 Absatz 4, weisen des Betroffenen, bei Straftaten insbe-
nicht nach § 56 Absatz 1. Vor dem Abschluss sondere aus deren Art, Schwere und Häufigkeit
des Asylverfahrens dürfen diese grundsätzlich ergibt. Fälle schwerer und mittlerer Kriminali-
nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe der tät, insbesondere schwere Gewalttaten, können
öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus- einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund
gewiesen werden (§ 56 Absatz 4 Satz 2 Num- darstellen, jedoch nicht die mehr lästigen als
mer 1 i. V. m. Absatz 1 Satz 2 und 3). gefährlichen oder schädlichen Unkorrektheiten
56.1.0.1.2 Den in § 56 Absatz 1 genannten Personen sind des Alltags, Ordnungswidrigkeiten, Bagatel-
die heimatlosen Ausländer (§ 23 Absatz 1 lkriminalität und ganz allgemein die minder
HAuslG) gleichgestellt. bedeutsamen Verstöße gegen Strafgesetze. Dar-
über hinaus müssen Anhaltspunkte dafür be-
56.1.0.2 Die Ausweisung der nach § 56 Absatz 1 be- stehen, dass in Zukunft eine schwere Gefähr-
günstigten Ausländer ist nur aus schwer- dung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
wiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit durch neue Verfehlungen des Ausländers ernst-
und Ordnung zulässig. Die Auslegung dieses haft droht und damit von ihm eine bedeutsame
unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Aus- Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Bei
länderbehörde unterliegt uneingeschränkter den nach § 56 Absatz 1 geschützten Ausländern
gerichtlicher Nachprüfung. Er umfasst nicht ist eine Ausweisung aus generalpräventiven
nur Ausweisungsgründe nach §§ 53 und 54 Gründen nur in besonders schwerwiegenden
(siehe Nummer 56.1.0.2.3), sondern kann im Fällen zulässig. Eine Ausweisung aus general-
Einzelfall auch Ausweisungsgründe nach § 55 präventiven Gründen ist unter dem besonderen
(z. B. mittlere und schwere Kriminalität) um- Ausweisungsschutz des § 56 Absatz 1 aus-
fassen. nahmsweise nur dann zulässig, wenn die Straf-
tat besonders schwer wiegt und deshalb ein
56.1.0.2.1 Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Si-
dringendes Bedürfnis dafür besteht, durch die
cherheit und Ordnung liegen dann vor, wenn
Ausweisung andere Ausländer von Straftaten
das öffentliche Interesse an der Einhaltung von
ähnlicher Art und Schwere abzuhalten.
Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem
Schwerwiegende Gründe liegen insbesondere
vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers
dann vor, wenn der Ausländer durch wieder-
ein deutliches Übergewicht hat. Bei der Aus-
holtes strafbares Verhalten die öffentliche Si-
legung des Begriffs ist auf die besonderen Um-
cherheit und Ordnung erheblich beeinträchtigt.
stände des Einzelfalls, insbesondere auf das
Strafmaß, die Schwere des Eingriffs in ein 56.1.1 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 56
besonders geschütztes Rechtsgut, die daraus Absatz 1 Nummer 1 ist, dass der Ausländer im
erwachsenden Folgen und die Häufigkeit der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aus-
bisher begangenen Rechtsverstöße abzustellen. weisungsentscheidung im Besitz einer Nieder-
56.1.0.2.2 Die von § 56 Absatz 1 geforderte Qualifizie- lassungserlaubnis ist und sich seit mindestens
rung des Grundes der öffentlichen Sicherheit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufge-
und Ordnung als schwerwiegend kann sich halten hat. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt,
insbesondere ergeben wenn lediglich eine Niederlassungserlaubnis
beantragt wurde oder lediglich die Anspruchs-
– aus dem gleichzeitigen Zusammentreffen voraussetzungen für die Erteilung der Nieder-
mehrerer Ausweisungsgründe und son- lassungserlaubnis erfüllt sind. Die Wirkung der
stigen besonderen Begleitumständen, Ausweisung nach § 51 Absatz 1 Nummer 5
– aber auch aus der wiederholten Verwirkli- (Erlöschen des Aufenthaltstitels wegen Aus-
chung von Ausweisungsgründen, insbe- weisung) lässt den Ausweisungsschutz nach
sondere wiederholter Begehung nicht ge- § 56 Absatz 1 unberührt. Der Ausweisungs-
ringfügiger Straftaten. Bei gefährlichen oder schutz nach § 56 Absatz 1 Nummer 1 ist auch
nur schwer zu bekämpfenden Taten wie dann nicht gegeben, wenn der Ausländer zwar
etwa Betäubungsmittel- und Waffen- im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sich
delikten, politisch motivierter Kriminalität, aber weniger als fünf Jahre rechtmäßig im Bun-
Menschenhandel oder Beteiligung an der desgebiet aufgehalten hat. Diese Voraussetzung
organisierten Kriminalität sind die An- ist in den Fällen von Bedeutung, in denen der
Seite 1150 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Ausländer bereits innerhalb kurzer Zeit nach Zeitpunkt für die Prüfung ist grundsätzlich der
der Einreise eine Niederlassungserlaubnis er- Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung
hält (§ 19 Absatz 1, § 21 Absatz 4, § 23 Ab- (z. B. Wirksamwerden des Widerspruchs-
satz 2), kann aber auch in Fällen des § 26 Ab- bescheids).
satz 4 fehlen, weil die Zeiten der Aufenthalts-
56.1.4.1 Der erhöhte Ausweisungsschutz nach § 56 Ab-
gestattung und – gemäß § 102 Absatz 2 –
satz 1 Nummer 4 erstreckt sich auf die mit
Duldungszeiten angerechnet worden waren.
einem deutschen Familienangehörigen in fami-
56.1.1a § 56 Absatz 1 Nummer 1a erstreckt in Um- liärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebens-
setzung des Artikels 12 der Richtlinie 2003/ gemeinschaft (vgl. § 27 Absatz 1 und 2) leben-
109/EG des Rates vom 25. November 2003 be- den Ausländer. Es kommt weder auf den Auf-
treffend die Rechtsstellung der langfristig auf- enthaltsstatus des Ausländers an noch ist darauf
enthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen abzustellen, wie die Lebensgemeinschaft her-
(ABl. EU 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte gestellt worden ist. Zu den Familienange-
Daueraufenthalt-Richtlinie) den besonderen hörigen eines Deutschen zählen nicht die Ver-
Ausweisungsschutz auf Personen, die eine Er- wandten seines ausländischen Ehegatten, auch
laubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. wenn sie in seinem Haushalt aufgenommen
Dies entspricht dem Ausweisungsschutz, den sind.
Artikel 12 der Daueraufenthalt-Richtlinie vor-
56.1.4.2 Hinsichtlich des Bestehens einer familiären
sieht. Dabei ist Satz 2 des Erwägungsgrundes 8
oder lebenspartnerschaftlichen Lebensgemein-
der Daueraufenthalt-Richtlinie zu beachten,
schaft inhaftierter Ausländer wird auf die Aus-
wonach der Begriff der öffentlichen Sicherheit
führungen in Nummer 56.1.3 hingewiesen. Der
und Ordnung die Verurteilung wegen der Be-
Ausweisungsschutz erstreckt sich im Regelfall
gehung einer schwerwiegenden Straftat um-
nur auf Ausländer, die schon einmal – wenn
fassen kann. In den Fällen des § 53 liegt aber
auch unterbrochen etwa durch Haft – in dieser
eine solche Verurteilung – stets wegen einer
Lebensgemeinschaft gelebt haben. Die Aus-
schwerwiegenden Straftat – vor. Da es sich um
weisung muss daher in eine bereits bestehende
eine Regel-, nicht um eine Ist-Ausweisung
familiäre oder lebenspartnerschaftliche Le-
handelt, ist im Zusammenhang mit der not-
bensgemeinschaft eingreifen. Der Schutzgrund
wendigen Prüfung, ob eine Ausnahme vorliegt,
entfällt nicht, wenn sich der Ausländer gegen-
eine Einzelfallprüfung i. S. d. Artikels 12 der
über dem deutschen Staatsangehörigen strafbar
Richtlinie vorzunehmen.
gemacht hat, wohl aber, wenn die Lebens-
56.1.2 Unter § 56 Absatz 1 Nummer 2 fallen dieje- gemeinschaft nicht fortgesetzt werden soll.
nigen Ausländer, deren Aufenthalt durch Ge- 56.1.5.1 Von der Schutzvorschrift des § 56 Absatz 1
burt oder durch Einreise als Minderjähriger Nummer 5 werden folgende Ausländer erfasst:
begründet wurde und die eine Aufenthaltser-
laubnis besitzen und sich seit mindestens fünf 56.1.5.1.1 – Asylberechtigte i. S. v. Artikel 16a Absatz 1
Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. GG i. V. m. § 2 AsylVfG,
Gemeint ist ein ununterbrochener Aufenthalt 56.1.5.1.2 – Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft
im Bundesgebiet von mindestens fünf Jahren zuerkannt wurde (§ 3 Absatz 4 AsylVfG),
bis zum Ergehen der Ausweisungsverfügung.
Unerheblich ist, nach welcher Vorschrift die 56.1.5.1.3 – ausländische Flüchtlinge, für die Deutsch-
Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Der Aus- land die Verantwortung übernommen hat
weisungsschutz erstreckt sich nicht auf Aus- (Artikel 1 Abschnitt A Genfer Flücht-
länder, die zwar im Bundesgebiet geboren sind, lingskonvention, §§ 6 und 11 des Anhangs
jedoch als Minderjährige ausgereist sind (vgl. zur Genfer Flüchtlingskonvention, Euro-
§ 51 Absatz 1 Nummer 6 und 7) und nach päisches Übereinkommen zum Übergang
Vollendung des 18. Lebensjahres in das Bun- der Verantwortung für Flüchtlinge vom
desgebiet wieder eingereist sind. Soweit einem 16. Oktober 1980, BGBl. 1994 II S. 2645),
Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 37
56.1.5.1.4 – Ausländer, die einen Reiseausweis für
Absatz 1 bzw. Absatz 2 erteilt wurde, ist dies
Flüchtlinge besitzen, der von einer Behörde
i. S. v. Absatz 1 Nummer 2 zu berücksichtigen.
der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt
56.1.3 § 56 Absatz 1 Nummer 3 setzt neben dem Be- worden ist.
sitz einer Aufenthaltserlaubnis das rechtliche 56.1.5.2 Der Ausweisungsschutz des § 56 Absatz 1
und tatsächliche Bestehen einer ehelichen oder Nummer 5 erstreckt sich nicht auf Ehegatten
lebenspartnerschaftlichen Lebensgemeinschaft und Kinder des Ausländers, wenn diese nicht
mit einem der in Nummer 1 bis 2 dieser Vor- Familienasyl oder Familienflüchtlingsschutz
schrift genannten Ausländer voraus. Befindet nach § 26 AsylVfG genießen; § 55 Absatz 3
sich der Ausländer in Haft, ist darauf abzu- findet Anwendung.
stellen, ob die eheliche oder lebenspartner-
schaftliche Lebensgemeinschaft unmittelbar
56.2 Minderjährige und Heranwachsende
vor Beginn der Haft bestanden hat und kon-
krete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese 56.2.1.1 § 56 Absatz 2 Satz 1 stellt sicher, dass ein her-
Lebensgemeinschaft unmittelbar nach der anwachsender Ausländer der zweiten Genera-
Haftentlassung fortgesetzt wird. Maßgeblicher tion, dessen Aufenthalt sich im Bundesgebiet
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1151

rechtlich verfestigt hat, sowie ein minder- enthaltsgestattung rechtmäßig. Das alleinige
jähriger Ausländer, der eine Aufenthaltserlaub- Personensorgerecht muss sich beispielsweise
nis oder Niederlassungserlaubnis besitzt, ledig- aus einer familienrechtlichen Sorgerechtsent-
lich im Ermessenswege ausgewiesen werden scheidung ergeben. Auch eine ausländische
kann. Bei der Ermessensentscheidung ist zu Sorgerechtsentscheidung ist zu berücksichti-
beachten, dass eine Ausweisung i. d. R. dann gen, wenn sie nicht aus Sicht der deutschen
nicht verhältnismäßig ist, wenn der Ausländer Rechtsordnung gegen den Ordre public ver-
nur geringfügige Straftaten bzw. Jugendver- stößt. Der Ausweisungsschutz erfordert nicht
fehlungen begangen hat und er keinerlei kultu- eine familiäre Lebensgemeinschaft der Eltern
relle, sprachliche und soziale Kontakte im oder des personensorgeberechtigten Elternteils
Herkunftsland hat. Eine Ausweisung findet bei mit dem minderjährigen Ausländer. Geschützt
Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 53, 54 ist auch der bei einem Dritten oder in einer Ju-
nur nach Ermessen statt. Im Übrigen ist auch gendhilfeeinrichtung untergebrachte Minder-
eine Ausweisung nach § 55 möglich. jährige. Die Schutzwirkung des § 56 Absatz 2
Satz 2 entfällt, wenn der Ausländer das
56.2.1.2 Bei der Begriffsbestimmung des Heran- 18. Lebensjahr vollendet hat.
wachsenden wird an das Jugendstrafrecht an-
geknüpft, wonach Heranwachsender ist, wer im 56.2.3 § 56 Absatz 2 Satz 3 reduziert den besonderen
Zeitpunkt der Tat 18, aber noch nicht 21 Jahre Ausweisungsschutz nach § 56 Absatz 2 Satz 1
alt ist. Die Ausweisungsschutzvorschrift be- für Heranwachsende, falls diese wegen serien-
günstigt heranwachsende Ausländer, die zum mäßiger Begehung nicht unerheblicher vor-
Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entschei- sätzlicher Straftaten, schwerer Straftaten oder
dung der Ausländerbehörde das 21. Lebensjahr einer besonders schweren Straftat rechtskräftig
noch nicht vollendet haben. Weder der Zeit- verurteilt worden sind. Eine Herabstufung zur
punkt der Begehung der Straftat noch der Zeit- Ermessensausweisung ist bei Vorliegen von
punkt der rechtskräftigen strafgerichtlichen zwingenden und Regelausweisungsgründen
Verurteilung sind für die Beurteilung der Sach- nicht erforderlich, sofern dies nicht bei son-
und Rechtslage hinsichtlich der Ausweisung stiger Privilegierung nach § 56 Absatz 1 Satz 1
eines heranwachsenden Ausländers maßge- durch § 56 Absatz 1 Satz 5 geboten ist. Der
bend. neue Satz 3 knüpft an die in § 48 Absatz 2
Satz 1 AuslG vorgesehene Ausnahme vom be-
56.2.1.3 Das Tatbestandsmerkmal „im Bundesgebiet sonderen Ausweisungsschutz Minderjähriger
aufgewachsen“ erfüllt beispielsweise auch ein und Heranwachsender bei Serientaten bzw.
Ausländer, der zwar erst im Alter von zehn Straftaten mit erheblichem Unrechtsgehalt an.
Jahren in das Bundesgebiet eingereist ist, jedoch Für die Gruppe der im Bundesgebiet geborenen
vor Vollendung seines 18. Lebensjahres über und aufgewachsenen Ausländer wird auf die in
einen längeren Zeitraum, in den der über- Nummer 53.0.3 und 54.0.3 dargelegten Grund-
wiegende Teil der Schulzeit fällt, ununter- sätze hingewiesen.
brochen in Deutschland gelebt hat.
56.2.3.1 Die Ausweisung setzt in jedem Fall eine
56.2.2.1 § 56 Absatz 2 Satz 2 begünstigt Minderjährige, rechtskräftige Verurteilung voraus und wird
die im Bundesgebiet familiäre Anknüp- erst dann verfügt, wenn der Ausländerbehörde
fungspunkte haben. Die Ausweisung eines ein strafgerichtliches Urteil mit Rechtskraft-
minderjährigen Ausländers, dessen Eltern oder vermerk vorliegt (§ 87 Absatz 2 Satz 1 Num-
dessen allein sorgeberechtigter Elternteil sich mer 3).
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, ist nach
§ 56 Absatz 2 Satz 2 grundsätzlich aus- 56.2.3.2 Eine serienmäßige Begehung nicht unerheb-
geschlossen. Eine Ausweisung ist jedoch zuläs- licher vorsätzlicher Straftaten ist zu bejahen,
sig, wenn der minderjährige Ausländer die wenn es sich um Vorsatztaten handelt, die ab-
Voraussetzungen für eine zwingende Aus- strakt nicht ausschließlich mit Geldstrafe be-
weisung nach § 53 erfüllt. Die Ausweisung setzt droht sind, und diese Straftaten mehrfach, fort-
dem entsprechend eine rechtskräftige Verur- laufend, in einer annähernd regelmäßigen zeit-
teilung voraus und wird daher erst verfügt, lichen Reihenfolge begangen worden sind. Ob
wenn der Ausländerbehörde ein entsprechen- von einer Begehung schwerer Straftaten auszu-
des strafgerichtliches Urteil mit Rechts- gehen ist, beurteilt sich nach dem Unrechtsge-
kraftvermerk vorliegt (vgl. § 87 Absatz 2 Satz 1 halt der Tat; hierbei kommen Fälle mittlerer
Nummer 3). und schwerer Kriminalität in Betracht. Be-
sonders schwere Straftaten werden bei Mord,
56.2.2.2 Begünstigt sind durch § 56 Absatz 2 Satz 2 Totschlag, Menschenraub, schwerem Raub,
minderjährige Ausländer ohne Rücksicht auf Geiselnahme und besonders schwerer Brand-
ihren aufenthaltsrechtlichen Status. Der Schutz stiftung unter Würdigung der besonderen Um-
gilt selbst im Falle eines unerlaubten Aufent- stände des Einzelfalls regelmäßig vorliegen.
halts. Voraussetzung ist neben der Minderjäh-
rigkeit lediglich der rechtmäßige Aufenthalt 56.3 Fälle des vorübergehenden Schutzes
beider Elternteile oder eines allein personens-
orgeberechtigten Elternteils im Bundesgebiet. § 56 Absatz 3 dient der Umsetzung des Arti-
Der Aufenthalt ist bis zum Erlöschen der Auf- kels 28 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates
Seite 1152 GMBl 2009 Nr. 42– 61

vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Absatz 4 ist die Staatsanwaltschaft zu betei-
Gewährung vorübergehenden Schutzes im ligen.
Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen
56.4.3.2 Die Meldung an das Bundesamt für Migration
und Maßnahmen zur Förderung einer aus-
und Flüchtlinge wegen beschleunigter Durch-
gewogenen Verteilung der Belastungen, die mit
führung des Asylverfahrens kommt insbe-
der Aufnahme dieser Personen und den Folgen
sondere in Betracht, wenn ein Asylantragsteller
dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mit-
einer erheblichen Straftat, insbesondere eines
gliedstaaten (ABl. EG Nummer L 212 S. 12, so
Verbrechens oder eines besonders schweren
genannte Richtlinie zum vorübergehenden
Falls des Diebstahls oder der gewerbsmäßigen
Schutz). Da die Richtlinie die Ausstellung eines
Hehlerei, eines Betäubungsmitteldelikts, eines
Aufenthaltstitels verlangt, kann der Aufent-
Sexualdelikts, eines vorsätzlichen Delikts der
haltstitel auch nur in den Fällen durch Aus-
Körperverletzung oder terroristischer Aktivi-
weisung entzogen werden, in denen die Richt-
täten, Bestrebungen oder Unterstützungshand-
linie die Versagung des vorübergehenden
lungen verdächtig ist oder wenn er als Wieder-
Schutzes gestattet. Danach kann in Fällen, in
holungs- bzw. Mehrfachtäter in Erscheinung
denen der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis
getreten ist, wobei insoweit auch Straftaten der
nach § 24 oder nach § 29 Absatz 4 besitzt, eine
mittleren und leichten Kriminalität genügen.
Ausweisung nur dann erfolgen, wenn die Vor-
Eine Meldung entfällt dann, wenn bezüglich
aussetzungen des § 3 Absatz 2 AsylVfG oder
etwaiger Vortaten der Tatverdacht entfallen ist.
des § 60 Absatz 8 Satz 1 vorliegen.
Die Ausländerbehörde unterrichtet das Bun-
desamt über die Erledigung eines gemeldeten
56.4 Asylantragsteller strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
56.4.0 Asylantragsteller i. S. d. § 56 Absatz 4 sind
Ausländer, die einen Asylantrag i. S. d. § 13
AsylVfG gestellt haben. Danach liegt ein Asyl- 57 Zu § 57 – Zurückschiebung
antrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich 57.0 Allgemeines
oder auf andere Weise geäußerten Willen des
Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bun- 57.0.1 Die Zurückschiebung ist eine aufenthalts-
desgebiet Schutz vor politischer Verfolgung beendende Maßnahme. Sie hat grundsätzlich
sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder Vorrang vor der Abschiebung.
einer sonstigen Rückführung in einen Staat be-
57.0.2 Für die Festnahme, die Anordnung und
gehrt, in dem ihm die in § 60 Absatz 1 bezeich-
Durchführung der Zurückschiebung sind die
neten Gefahren drohen.
Ausländerbehörden, die Polizeien der Länder
56.4.1 Hat ein nach § 56 Absatz 4 begünstigter Aus- und an der Grenze die mit der polizeilichen
länder, über dessen Asylantrag noch nicht un- Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs
anfechtbar entschieden ist, einen Aus- beauftragten Behörden (Grenzbehörden) zu-
weisungstatbestand erfüllt, kann er unter der ständig (§ 71 Absatz 1, Absatz 3 Nummer 1
aufschiebenden Bedingung ausgewiesen wer- und Absatz 5).
den, dass das Asylverfahren ohne Anerkennung 57.0.3 Die Zuständigkeit für die Zurückschiebung
als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der umfasst unbeschadet landesrechtlicher Vor-
Flüchtlingseigenschaft abgeschlossen wird (§ 56 schriften über die Verwaltungsvollstreckung
Absatz 4 Satz 1).
57.0.3.1 – die Feststellung der Zurückschiebungs-
56.4.2 Von der Aufnahme dieser Bedingung in die voraussetzungen,
Ausweisungsverfügung wird abgesehen, wenn
57.0.3.2 – die Anordnung der Zurückschiebung,
56.4.2.1 – der Ausländer aus schwerwiegenden Grün-
den der öffentlichen Sicherheit und Ord- 57.0.3.3 – soweit erforderlich die Festnahme und die
nung i. S. v. § 56 Absatz 1 ausgewiesen wer- Beantragung von Haft nach § 62 Absatz 2,
den kann oder 57.0.3.4 – den tatsächlichen Vollzug der Zurück-
56.4.2.2 – eine nach den Vorschriften des AsylVfG er- schiebung, d. h. den Transport des Aus-
lassene Abschiebungsandrohung vor Ab- länders bis zur Grenze und über die Grenze
schluss des Asylverfahrens vollziehbar ge- hinaus bis zum ausländischen Zielort, ein-
worden ist. schließlich der den Vollzug sichernden
Maßnahmen (Begleitung des Ausländers,
56.4.3.1 Im Falle der Ausweisung eines Asylantragstel- Anwendung von Zwangsmitteln),
lers ist beim Bundesamt für Migration und
57.0.3.5 – den Erlass eines Leistungsbescheids (§ 67
Flüchtlinge auf eine bevorzugte und be-
Absatz 3) und das Verlangen einer Sicher-
schleunigte Behandlung des Asylverfahrens
heitsleistung (§ 66 Absatz 5).
hinzuwirken. Die Polizei unterrichtet die zu-
ständige Ausländerbehörde unverzüglich unter Wird die Zurückschiebung von einer Landes-
Angabe der gesetzlichen Vorschriften über ein behörde durchgeführt, bleibt die Grenzbehörde
von der Staatsanwaltschaft eingeleitetes Er- für die Rückführung zuständig (§ 71 Absatz 3
mittlungsverfahren gegen einen Asylantrag- Nummer 1). Die Ausländerbehörde oder die
steller (§ 87 Absatz 4). Im Hinblick auf § 72 Polizei des Landes kann den Ausländer daher
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1153

auch an der Grenze der Grenzbehörde zur 57.1.4.2 Besteht eine zwischenstaatliche Übernah-
Rückführung in einen anderen Staat übergeben. mevereinbarung, ist die Zurückschiebung für
die Dauer der Rückübernahmeverpflichtung
57.0.4 Unterbleibt die Zurückschiebung an der Gren- möglich, § 57 Absatz 1 Satz 2. Es gilt jedoch die
ze, weil gegen den Ausländer auf Grund eines Frist nach Satz 1, wenn die konkrete Übernah-
Strafverfahrens ein Haftbefehl erwirkt oder mevereinbarung eine kürzere Frist als sechs
vollstreckt werden soll, so geht die Zuständig- Monate vorsieht. Das Rückübernahmeab-
keit für die Zurückschiebung von der Grenz- kommen kommt dann insoweit nicht mehr zur
behörde auf die Ausländerbehörde über. Anwendung.
57.0.5 Die Zurückschiebung entfaltet die Sperrwir- 57.1.5 Ist ein Ausländer unerlaubt eingereist, ist un-
kung des § 11 Absatz 1. Der Ausländer darf verzüglich zu ermitteln, wo und wann er die
nicht in das Bundesgebiet einreisen und sich Grenze überschritten hat, damit diese Um-
dort aufhalten. Ihm darf auch bei Vorliegen stände im Falle der Zurückschiebung nach-
eines gesetzlichen Anspruchs kein Aufenthalts- weisbar sind. Ob der Staat, in den die Zurück-
titel erteilt werden. schiebung erfolgen soll, zur Übernahme ver-
pflichtet ist, richtet sich nach dem mit diesem
57.0.6 Soweit die Zurückschiebung von der Aus-
Staat bestehenden Übernahmeabkommen. Un-
länderbehörde angeordnet wird und landesge-
abhängig von bestehenden Übernahmeab-
setzliche Regelungen nach § 80 Absatz 2 Satz 1
kommen ist der Staat, dessen Staatsangehörig-
Nummer 3 VwGO nicht bestehen, ist § 80 Ab-
keit der Ausländer besitzt, völkerrechtlich zur
satz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO zu beachten.
Rückübernahme verpflichtet (siehe Nummer
Bei Tätigkeit von Polizeivollzugsbeamten gilt
15.0.5.2).
§ 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 VwGO.
57.1.6 Verweigert der Ausländer Angaben darüber,
57.1 Voraussetzung und Ziel der Zurück- seit wann er sich in Deutschland aufhält, und
schiebung liegen auch keine sonstigen Erkenntnisse dar-
über vor, kann davon ausgegangen werden, dass
57.1.0 Voraussetzung ist eine unerlaubte Einreise nach seit der unerlaubten Einreise noch keine sechs
§ 14; eine nicht den Voraussetzungen des § 13 Monate vergangen sind.
entsprechende Einreise genügt nicht. Dass dem
Ausländer durch die Grenzbehörde die Einreise 57.1.7 Die Soll-Vorschrift des § 57 Absatz 1 Satz 1
gestattet wird, kann einer Zurückschiebung schreibt vor, dass die Zurückschiebung i. d. R.
nicht entgegengehalten werden. zu erfolgen hat. Demzufolge ist es den Be-
hörden gestattet, den besonderen Umständen
57.1.1 Die Zurückschiebung setzt voraus, dass der des Einzelfalls Rechnung zu tragen und nur in
Ausländer gemäß § 58 Absatz 2 Satz 1 Num- Ausnahmefällen von der Zurückschiebung ab-
mer 1 vollziehbar ausreisepflichtig ist. zusehen. Einschränkungen können sich aus
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, aus
57.1.2 In den Fällen der unerlaubten Einreise gemäß humanitären Erwägungen, aber auch in Fällen
§ 14 Absatz 1 Nummer 2 und 3 ist die Aus- besonderen öffentlichen Interesses ergeben. In
reisepflicht stets vollziehbar (§ 58 Absatz 2 den Fällen, in denen an der Grenze Passersatz-
Satz 1 Nummer 1). Reist ein Ausländer, der im papiere oder Ausnahmevisa ausgestellt werden
Zeitpunkt der Einreise einen gültigen Aufent- könnten, ist im Allgemeinen eine Zurück-
haltstitel besitzt, lediglich deshalb unerlaubt schiebung nicht geboten. Wird der Ausländer
ein, weil er keinen gültigen Pass besitzt (§ 14 nicht zurückgeschoben, so teilt die Grenz-
Absatz 1 Nummer 1), ist er nicht gemäß § 50 behörde dies der für den Ort der Einreise zu-
Absatz 1 ausreisepflichtig und kann bis zum ständigen Ausländerbehörde mit, die über den
vollziehbaren Widerruf des Aufenthaltstitels aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers
(vgl. § 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder bis entscheidet.
zum Ablauf seiner Gültigkeitsdauer nicht zu-
rückgeschoben werden. 57.1.8 Besteht gegen den Ausländer der Verdacht einer
auslieferungsfähigen Auslandsstraftat, so ist
57.1.3 Bei einem Ausländer, der bis zur Ausweisung von der Zurückschiebung bis zur Entscheidung
oder Abschiebung nach Europäischem Ge- der Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen
meinschaftsrecht freizügigkeitsberechtigt war, Oberlandesgericht abzusehen, wenn ansonsten
ist der Tatbestand der unerlaubten Einreise die Auslieferung des Ausländers unmöglich
dann erfüllt, wenn er entgegen der gesetzlichen wäre (vgl. Nummer 35 RiVASt).
Wiedereinreisesperre (§ 7 Absatz 2 FreizügG/
EU) eingereist ist. 57.1.9 § 57 findet auf Asylbewerber nur nach Maßga-
be der §§ 18 f. und 71 Absatz 6 Satz 2 AsylVfG
57.1.4.1 Ausländer, die unerlaubt eingereist sind, kön- Anwendung.
nen – unbeschadet der in zwischenstaatlichen
Übernahmeabkommen festgelegten Fristen – 57.2 Zurückschiebung rückgeführter und
nicht mehr zurückgeschoben werden, wenn sie zurückgewiesener Ausländer
sich länger als sechs Monate unerlaubt in
Deutschland aufgehalten haben. In diesem Fall 57.2.1 Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig
ist nur die Abschiebung möglich. sind, können gemäß § 57 Absatz 2 zurück-
Seite 1154 GMBl 2009 Nr. 42– 61

geschoben werden, wenn sie von einem anderen Absatz 4 ausnahmsweise ohne vorherige rich-
Staat rückgeführt oder zurückgewiesen worden terliche Anordnung, ist der Ausländer unver-
sind. Der Staat, aus dem der Ausländer rück- züglich dem Richter zur Entscheidung über die
geführt oder von dem er zurückgewiesen wor- Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen
den ist, scheidet als Zielstaat aus. (vgl. Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 und 2 GG).
57.2.2 Ausreisepflichtig ist ein Ausländer, der einen 57.3.3 Für die Zurückschiebung findet § 60 Absatz 1
erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht bis 5 und 7 bis 9 entsprechende Anwendung
mehr besitzt (§ 50 Absatz 1). Die Vollziehbar- (siehe Nummer 15.4 und 62.3.4). Die Zurück-
keit bestimmt sich nach § 58 Absatz 2. Die Zu- schiebungshindernisse sind dann irrelevant,
rückschiebung setzt die Festsetzung einer Aus- wenn ein anderer Zielstaat als der Verfolgerstaat
reisefrist nicht zwingend voraus. Für den Fall, gewählt wird und sichergestellt ist, dass eine
dass von der Ausländerbehörde eine Ausreise- Weiterschiebung in den Verfolgerstaat nicht er-
frist nach § 50 Absatz 2 festgesetzt wurde, ist folgt.
sie erst dann zulässig, wenn diese Frist abge-
laufen ist.
58 Zu § 58 – Abschiebung
57.2.3 Die Zurückschiebung ist unzulässig, solange
der Ausländer noch eine Duldung besitzt. Die 58.0 Allgemeines und Verfahren
Zurückschiebung kommt nicht in Betracht,
58.0.0 Bei der Abschiebung handelt es sich um eine
wenn ein geduldeter Ausländer versucht, aus-
nicht an die Schriftform gebundene Maßnahme
zureisen, aber von dem anderen Staat zurück-
der Verwaltungsvollstreckung (unmittelbarer
gewiesen wird. Wird hingegen ein geduldeter
Zwang), die von der Ausländerbehörde (§ 71
Ausländer nach einer Ausreise nach Deutsch-
Absatz 1) oder dem Bundesamt für Migration
land rückgeführt, ist mit der Ausreise die Dul-
und Flüchtlinge angeordnet und von den Voll-
dung erloschen und steht einer Zurück-
streckungsbehörden der Länder (z. B. Aus-
schiebung nicht entgegen.
länderbehörden; Polizeien der Länder, § 71
Absatz 5) durchgeführt wird. Eine Zurück-
57.3 Zurückschiebungsverbote und -hindernisse schiebung nach § 57 hat grundsätzlich Vorrang
sowie Zurückschiebungshaft vor der Abschiebung. Für die Festnahme, die
57.3.1 Zum Zielstaat der Zurückschiebung wird auf Anordnung und Durchführung der Zurück-
Nummer 15.0.5 Bezug genommen. Ein Aus- schiebung sowie die Durchführung der Ab-
länder soll grundsätzlich nicht in einen Schen- schiebung sind auch die Polizeien der Länder
gen-Staat zurückgeschoben werden. Besteht zuständig (§ 71 Absatz 5). Die Befugnis zur
mit dem Schengen-Staat, der als Zielstaat der Festnahme regelt sich nach bundes- oder lan-
Zurückschiebung in Betracht kommt, ein desrechtlichen Vorschriften über die Ingewahr-
Übernahmeabkommen, kann hiervon abge- samnahme von Personen. Die Abschiebung ist
wichen werden (Artikel 23 Absatz 4 SDÜ, sie- unverzüglich einzuleiten. Kann eine Abschie-
he Nummer 50.1.9.7 und 59.2.1). Verfügt der bung nicht unverzüglich durchgeführt werden,
Ausländer über einen Aufenthaltstitel oder hat die Ausländerbehörde zu prüfen, ob die
über einen vorläufigen Aufenthaltstitel eines Voraussetzungen für Sicherungshaft (§ 62 Ab-
Schengen-Staates, soll er in diesen Staat zu- satz 2) vorliegen und dementsprechend ein
rückgeschoben werden (vgl. Artikel 23 Ab- Haftantrag beim zuständigen Amtsgericht zu
satz 2 SDÜ). stellen ist (vgl. §§ 416, 417 FamFG). Den Aus-
nahmefall der vorläufigen Ingewahrsamnahme
57.3.2 Für die sofortige Zurückschiebung ist keine ohne vorherige richterliche Anordnung regelt
Haft oder Ingewahrsamnahme erforderlich, § 62 Absatz 4. In diesem Fall ist der Ausländer
wenn keine Verzögerungen bei der Durch- unverzüglich dem Richter zur Entscheidung
führung auftreten und der Ausländer nicht in über die Anordnung der Sicherungshaft vor-
einem Gewahrsamsraum wegen Fluchtgefahr zuführen (siehe auch Nummer 58.1.5).
untergebracht werden muss. Die Anwendung
58.0.1 Die Durchführung der Abschiebung richtet
unmittelbaren Zwangs im Rahmen der Zu-
sich – soweit das Aufenthaltsgesetz nichts an-
rückschiebung stellt für sich allein noch keine
deres bestimmt – nach den landesrechtlichen
Freiheitsentziehung dar. Kann die Zurück-
Vorschriften über die Durchsetzung unmittel-
schiebung nicht unverzüglich erfolgen, ist Si-
baren Zwangs. Das in § 72 Absatz 4 vorge-
cherungshaft gemäß § 62 Absatz 2 beim zu-
schriebene Beteiligungserfordernis der Staats-
ständigen Amtsgericht zu beantragen, sofern
anwaltschaft ist zu beachten.
die Voraussetzungen hierfür (insbesondere
Fluchtgefahr) gegeben sind. Eine kurzfristig 58.0.2 Wird die Abschiebung von den Polizeien der
notwendige Freiheitsentziehung kann auch auf Länder oder einer anderen zuständigen Be-
die Befugnis zur Ingewahrsamnahme nach ord- hörde durchgeführt, übersendet die Ausländer-
nungsrechtlichen Vorschriften gestützt werden, behörde den Vollstreckungsauftrag, den Pass,
sofern dadurch die Begehung oder die Fort- Passersatz oder ein sonstiges Reisedokument
setzung der Begehung einer Straftat verhindert und sonstige Unterlagen, die für den Ausländer
werden soll. Erfolgt die (vorläufige) Ingewahr- bestimmt sind. Liegen die genannten Doku-
samnahme unter den Voraussetzungen des § 62 mente und Unterlagen bei der Grenzbehörde,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1155

ist dies im Vollstreckungsauftrag zu vermerken. druck kommende Wertentscheidung ange-


Ist die Abschiebung aus rechtlichen oder tat- messen zu berücksichtigen.
sächlichen Gründen unmöglich oder soll sie
nach § 60a Absatz 1 ausgesetzt werden, ist der 58.0.6.1 Dem Ausländer ist die Mitnahme von Gepäck
Vollstreckungsauftrag erst nach Wegfall des zu ermöglichen, das im Transportmittel ohne
Grundes für die Aussetzung der Abschiebung Verzögerung oder sonstige Beeinträchtigung
zu erteilen. der Abschiebung befördert werden kann und
durch dessen Mitnahme der Behörde keine zu-
58.0.3 Die für die Durchführung der Abschiebung sätzlichen Kosten entstehen. Die Mitnahme
zuständige Behörde kündigt der nach § 71 Ab- weiteren Gepäcks ist i. d. R. nur dann zu er-
satz 3 zuständigen Grenzbehörde die vorgese- möglichen, wenn der Ausländer für die zusätz-
hene Abschiebung rechtzeitig an und klärt im lichen Transportkosten aufkommt oder diese
Benehmen mit dieser Behörde die im Einzelfall Kosten durch eine Sicherheitsleistung (§ 66
erforderlichen organisatorischen Maßnahmen Absatz 5) gedeckt werden können.
(z. B. Bereitstellung von Begleitpersonal). Die
58.0.6.2 Lässt der Ausländer bei einer Abschiebung Ei-
für die Durchführung der Abschiebung zu-
gentum zurück, ist er auf die Möglichkeit einer
ständigen Behörden sind für die Bereitstellung
schriftlichen Erklärung hinzuweisen, durch die
von Begleitpersonal im Rahmen der Durch-
er einen Verfügungsberechtigten benennt, dem
führung der Abschiebung bis zur Ausreise des
er die Verantwortung für sein Eigentum über-
Ausländers aus dem Bundesgebiet auch dann
trägt und der ggf. die Verwertung seines Eigen-
zuständig, wenn für diesen Zweck eine Flug-
tums übernimmt. Auf Grund der Umstände des
reise im Inland etwa mit Zwischenlandung er-
Einzelfalls muss festgestellt werden, ob der
forderlich ist. Die Beförderung des Ausländers
Ausländer den Besitz der Sache in der Absicht
zum Überstellungsort richtet sich nach den je-
aufgegeben hat, auf das Eigentum zu verzich-
weiligen landesrechtlichen Bestimmungen. Die
ten. Die Verwertung des Eigentums zur Beglei-
Grenzbehörde bestätigt die Übernahme des
chung öffentlich-rechtlicher Forderungen (z. B.
Ausländers und seiner Papiere und teilt der
gemäß Leistungsbescheid nach § 67) ist in erster
Ausländerbehörde den Zeitpunkt der Über-
Linie in Betracht zu ziehen. Zuständig hierfür
stellung mit. Die Übernahme des Ausländers
ist die Behörde, die die Grundverfügung erlas-
und seiner Papiere kann auch durch Vermerk
sen hat.
auf einer Unterlage der Ausländerbehörde be-
stätigt werden, welche von dem Beamten, der 58.0.7 Erhebt der Ausländer während der Abschie-
den Ausländer der Grenzbehörde zuführt, vor- bung erhebliche Einwendungen, die die weitere
gelegt wird. Durchführung der Maßnahme aus gesundheit-
lichen Gründen als unverhältnismäßig und da-
58.0.4 Ausländer in Haft oder sonstigem öffentlichen mit rechtswidrig erscheinen lassen können, und
Gewahrsam sind aus der Haft oder dem öffent- konnten diese Umstände gegenüber der Aus-
lichen Gewahrsam abzuschieben (§ 59 Absatz 5 länderbehörde oder dem Gericht zuvor nicht
Satz 1). Die Möglichkeit nach § 456a StPO, geltend gemacht werden, wird die Ausländer-
(teilweise) von der Vollstreckung einer Frei- behörde zur Prüfung des Vorbringens gemäß
heitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer § 59 Absatz 4 unverzüglich unterrichtet. Ist ein
Maßregel der Besserung und Sicherung ab- der Rückführung entgegenstehender Vortrag
zusehen, ist zu beachten. Die für die Abschie- zum Gesundheitszustand zumindest be-
bung erforderlichen ausländerrechtlichen und achtlich, wird zur Überprüfung regelmäßig eine
verfahrensrechtlichen Maßnahmen sind so ergänzende ärztliche Stellungnahme notwendig
rechtzeitig einzuleiten, dass die Beantragung sein, wenn das beigebrachte ärztliche Zeugnis
von Abschiebungshaft im Anschluss an die nicht bereits die Reiseunfähigkeit mit allen
Strafhaft oder den öffentlichen Gewahrsam aus notwendigen Begründungen nachvollziehbar
rein organisatorischen Gründen nicht not- und ohne jeden Zweifel belegt. Ist danach aus
wendig wird (vgl. § 74 Absatz 2 Nummer 3 gesundheitlichen Gründen eine Fortsetzung des
AufenthV). Verwaltungsvollzugs unzulässig, besteht ein
tatsächliches Abschiebungshindernis, zu dessen
58.0.5 Bei der Abschiebung ist dem Schutz von Ehe Beachtung die Ausländerbehörden verpflichtet
und Familie, insbesondere der Familieneinheit, sind.
grundsätzlich dadurch Rechnung zu tragen,
dass die vollziehbar ausreisepflichtigen Fami- Die Pflicht zur Prüfung eines solchen Abschie-
lienangehörigen zusammen abgeschoben wer- bungshindernisses ist nur auf den Vorgang der
den. Der Schutz von Ehe und Familie gebietet Abschiebung beschränkt und kann ggf. Vor-
es aber nicht, von der Abschiebung eines Fami- kehrungen erfordern, die den Übergang in eine
lienangehörigen nur deshalb abzusehen, weil ärztliche Versorgung im Zielstaat ermöglichen,
andere Familienmitglieder, die ausreisepflichtig nicht aber solche, die auf eine dauernde ärzt-
sind, aber nicht abgeschoben werden können, liche Versorgung im Zielstaat gerichtet sind.
nicht freiwillig ausreisen, obwohl ihnen das Eine PTBS–Problematik, die bereits im asyl-
möglich wäre. Bei Asylantragstellern ist § 43 oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren bewertet
Absatz 3 AsylVfG zu beachten. Bei sonstigen wurde, spielt – ausgenommen in einer Ex-
Ausländern ist die in dieser Norm zum Aus- azerbationsphase (akute Verschlechterung,
Seite 1156 GMBl 2009 Nr. 42– 61

akuter Ausbruch) – für die Flugreisetaug- 58. 0. 12 Ist der Ausländer anwaltlich vertreten, wird
lichkeit keine Rolle. Begleiterkrankungen kön- sein Bevollmächtigter über die durchgeführte
nen aber eine (Flug-) Reisefähigkeitsbe- Abschiebung grundsätzlich von der Ausländer-
scheinigung erforderlich machen. Ist der Aus- behörde unterrichtet.
länder reiseunfähig, ist die Durchführung der
Abschiebung zu unterbrechen, bei vorüberge- 58. 0. 13.1 Unbeschadet der Datenübermittlungspflichten
hender Reiseunfähigkeit ist die Beantragung nach dem AZRG und den hierzu ergangenen
von Abschiebungshaft zu prüfen. Vorschriften hat die Ausländerbehörde von
einer vollzogenen Abschiebung zu unterrichten
58.0.8 Sucht der Ausländer im Rahmen der Durch- (siehe Nummer Vor 53.10 hinsichtlich der Aus-
führung der Abschiebung um Asyl nach, finden weisung):
§§ 19 bzw. 71 AsylVfG Anwendung. In den
58. 0. 13.1.1 – die für die Dateneingabe zuständige Poli-
Fällen des § 71 Absatz 5 Satz 1 AsylVfG darf
zeidienststelle zum Zweck der Ausschrei-
die Abschiebung erst nach Mitteilung des Bun-
bung in INPOL (Zurückweisung, Fest-
desamtes für Migration und Flüchtlinge, dass
nahme) und im SIS (Einreiseverweigerung,
die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3
Artikel 96 Absatz 3 SDÜ) nach dem vorge-
VwVfG nicht vorliegen, durchgeführt werden.
schriebenen Muster (§ 50 Absatz 7 Satz 2),
Dies gilt nicht, wenn der Ausländer in einen si-
sofern eine solche Ausschreibung in INPOL
cheren Drittstaat abgeschoben werden soll (§ 71
bzw. im SIS beabsichtigt ist (zu den Vor-
Absatz 5 Satz 2 AsylVfG, § 26a Absatz 2
aussetzungen einer Ausschreibung vgl.
AsylVfG mit Anlage I). Befindet der Ausländer
Nummer 50.7) und
sich in Haft, sind zusätzlich § 14 Absatz 3 und
§ 71 Absatz 8 AsylVfG zu beachten, vgl. 58. 0. 13.1.2 – auf Ersuchen das Bundesamt für Migration
Nummer 62.0.3.3. und Flüchtlinge nach Maßgabe daten-
schutzrechtlicher Bestimmungen, wenn es
58.0.9 Scheitert die Abschiebung an der Abwesenheit sich um einen Ausländer handelt, der einen
des Ausländers, sind die dafür maßgebenden Asylantrag gestellt hat.
Umstände in der Ausländerakte zu vermerken.
Die Beantragung von Abschiebungshaft ist zu 58. 0. 13.2 Liegen bei einem Ausländer, dessen Aufent-
prüfen (vgl. § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3). halt unbekannt ist, die Voraussetzungen für
die zwangsweise Durchsetzung der voll-
58. 0. 10 Stehen der Überstellung eines abzuschiebenden ziehbaren Ausreisepflicht (siehe auch § 80b
Ausländers an die nach § 71 Absatz 3 zu- Absatz 1 VwGO) und für die Anordnung von
ständige Grenzbehörde in einem anderen Land Abschiebungshaft nach § 62 vor, stehen folg-
Hindernisse entgegen, die nicht alsbald besei- lich auch Abschiebungsverbote nach § 60
tigt werden können, ist der Ausländer auf Er- nicht entgegen, kann die Ausländerbehörde
suchen der für die Abschiebung zuständigen den Ausländer nach Ablauf der Ausreisefrist
Ausländerbehörde von der Ausländerbehörde gemäß § 50 Absatz 7 Satz 1 zur Aufenthalts-
zu übernehmen, in deren Bezirk der Über- ermittlung und Festnahme ausschreiben (vgl.
stellungsort liegt. Diese Behörde hat die etwa Nummer 50.7). In diesem Fall hat sie die für
erforderlichen vorläufigen Maßnahmen zur Si- die Dateneingabe zuständige Polizeidienst-
cherung der Abschiebung (Beantragung von stelle zum Zweck der Ausschreibung in IN-
Abschiebungshaft beim zuständigen Amtsge- POL (Aufenthaltsermittlung, Festnahme) nach
richt, Festnahme zur Überführung in den Ge- dem vorgeschriebenen Muster zu unterrichten.
wahrsam) zu treffen. Erweisen sich die Hin- Die Ausschreibung soll insbesondere erfolgen,
dernisse, die der Überstellung entgegenstehen, wenn sich der Ausländer bereits einmal der
als voraussichtlich von Dauer, ist die Entschei- Abschiebung entzogen hat oder nach Ablauf
dung über weitere Maßnahmen der für die Ab- der Ausreisefrist die Grenzübertrittsbe-
schiebung zuständigen Ausländerbehörde zu scheinigung nicht vorliegt. Der Mitteilung an
überlassen. Wenn feststeht, dass die Abschie- die für die Dateneingabe zuständige Polizei-
bung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu dienststelle ist ein kurz gefasster Schriftsatz
vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei beizufügen, der die Gründe für die beabsich-
Monate durchgeführt werden kann, ist die Si- tigte Abschiebung enthält.
cherungshaft unzulässig, vgl. § 62 Absatz 2
Satz 4. 58. 0. 14 Wird der Ausländer unter den Vorausset-
zungen des § 62 Absatz 4 ausnahmsweise
58. 0. 11 Bestehen bei der Überstellung des Ausländers ohne vorherige richterliche Anordnung in
an die nach § 71 Absatz 3 zuständige Grenz- vorläufigen Gewahrsam genommen, hat die
behörde am Flughafen berechtigte Zweifel, ob zuständige Vollstreckungsbehörde (siehe
die Abschiebung auf dem Luftweg durch- Nummer 62.0.3.0) umgehend Abschiebungs-
geführt werden kann, haben sich die Vollstrek- haft gemäß § 62 Absatz 2 zu beantragen und
kungsbeamten des Landes für den Fall des den Ausländer unverzüglich dem Richter zur
Scheiterns der Abschiebung zum Zwecke der Entscheidung über die Anordnung der Si-
Rückführung des Ausländers an den bisherigen cherungshaft vorzuführen. Auf die Möglich-
Aufenthaltsort bis zum Abflug des Flugzeugs keit des Eilantrages nach § 427 FamFG wird
bereitzuhalten. hingewiesen.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1157

58.1 Voraussetzungen für die Abschiebung EG des Rates vom 25. November 2003 über die
Unterstützung bei der Durchbeförderung im
58.1.0 Die Abschiebung setzt voraus, dass
Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf
– der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig dem Luftweg [ABl. EU Nummer L 321 S. 26,
ist, so genannte Durchbeförderungsrichtlinie]).
– einer der in § 58 Absatz 1 und 2 genannten Dabei ist es unerheblich, ob der Ausländer auf
Abschiebungsgründe vorliegt, dem Landweg oder auf dem Luftweg mit Zwi-
schenlandung auf einem Flughafen des in Be-
– die Abschiebungsandrohung nach § 59 Ab-
tracht kommenden Staates abgeschoben werden
satz 1 vollziehbar oder ausnahmsweise ver-
soll. Bei welcher Behörde die Durchbeför-
zichtbar ist oder
derungsbewilligung einzuholen ist, ergibt sich
– eine nach § 50 Absatz 2 oder § 59 Absatz 1 aus den jeweiligen Abkommen und Durch-
gesetzte oder verlängerte Ausreisefrist ab- führungsprotokollen gemäß der vom Bundes-
gelaufen und eine Ausreise des Ausländers ministerium des Innern erstellten Liste (siehe
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist Nummer 58.1.2).
nicht erfolgt ist (siehe Nummer 50.4).
58.1.4 Bei Abschiebungen auf dem Luftweg mit Zwi-
Bei Abschiebungen im Zusammenhang mit den schenlandung in Staaten, mit denen kein Über-
durch das SDÜ geregelten Aufenthalten ist er- nahmeabkommen besteht, sind i. d. R. die für
gänzend Artikel 23 Absatz 3 bis 5 SDÜ zu be- die Überwachung der Weiterreise zuständigen
achten. ausländischen Stellen über die Grenzbehörden,
58.1.1 Wenn alle Voraussetzungen vorliegen, darf die in besonderen Fällen über die deutschen Aus-
Abschiebung nur bei Vorliegen eines Aus- landsvertretungen wenigstens zwei Tage vorher
setzungsgrundes gemäß § 60 Absatz 1 bis 5, 7, zu unterrichten. Hiervon ist abzusehen, wenn
§ 60a oder beim Vorliegen einer richterlichen die Zwischenlandung in außereuropäischen
Anordnung (§ 80 Absatz 5, § 80b, § 123 Staaten erfolgt oder wenn zu erwarten ist, dass
VwGO) ausgesetzt werden. Gelegenheit zur der Ausländer auch ohne Überwachung bei der
freiwilligen Ausreise besteht bis zum Ablauf Zwischenlandung weiterreist.
der Ausreisefrist. Die freiwillige Ausreise hat 58.1.5 Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der nach § 58
Vorrang vor der Abschiebung. Soweit von einer Absatz 1 abzuschieben ist, kann zur Vorberei-
Abschiebung abgesehen wird, setzt dies eine tung und Sicherung der Abschiebung von den
Aussetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 71 Absatz 1, 3 und 5 zuständigen Be-
oder Verlängerung der Ausreisefrist voraus hörden auf richterliche Anordnung zum Zwek-
(siehe Nummer 50.2.3). Der Nachweis, dass ke der Abschiebung festgenommen und bis zur
ein Ausländer innerhalb der Ausreisefrist Durchführung der Abschiebung in Sicherungs-
ausgereist ist, ergibt sich auch aus der haft festgehalten werden, sofern die Voraus-
Grenzübertrittsbescheinigung (siehe Nummer setzungen hierfür gegeben sind (vgl. Num-
50.4.1.1 ff.). mer 62.2). In den in § 62 Absatz 4 bezeichneten
58.1.2 Vor der Abschiebung hat die Ausländer- Ausnahmefällen kann der Ausländer von den
behörde sicherzustellen, dass die für die für die Beantragung von Haft zuständigen Be-
Abschiebung erforderlichen Grenzübertritts- hörden vorläufig in Gewahrsam genommen
papiere, Visa, Übernahmeerklärungen, Durch- werden.
beförderungsbewilligungen und sonst erfor-
58.1.6 Können die für eine Abschiebung erforder-
derlichen Unterlagen vorhanden sind. Ist die
lichen ausländischen Grenzübertrittspapiere
Abschiebung eines Ausländers von einer
nicht beschafft werden oder ist davon auszu-
Übernahmeerklärung eines anderen Staates
gehen, dass der Aufnahmestaat ein ent-
abhängig, richtet sich das Einholen dieser Er-
sprechendes Dokument akzeptiert, kann dem
klärung nach der zwischen der Bundes-
Ausländer ein Reiseausweis (§ 6 Satz 1 Num-
republik Deutschland und dem Zielstaat an-
mer 3 AufenthV) oder ein Standardreisedo-
wendbaren Übernahmevereinbarung (vgl. § 57
kument für die Rückführung (§ 4 Absatz 1
Absatz 1 Satz 2). Das Bundesministerium des
Nummer 7 AufenthV) ausgestellt werden,
Innern führt eine Liste über die bestehenden
wenn dadurch die Abschiebung ermöglicht
bilateralen und multilateralen Rückübernah-
wird. Dies setzt voraus, dass der Zielstaat die
meabkommen.
Einreise mit dem Reiseausweis bzw. dem Stan-
58.1.3 Ist für die Durchbeförderung eines Ausländers dardreisedokument gestattet. Im Zweifelsfall ist
durch einen dritten Staat eine Durchbeför- im Benehmen mit den Grenzbehörden zu klä-
derungsbewilligung erforderlich, gilt Num- ren, ob Erfahrungen hierüber vorliegen. Die
mer 58.1.2 für das Einholen der Durchbeför- Gültigkeitsdauer ist auf die für die Durch-
derungsbewilligung entsprechend. Eine ent- führung der Abschiebung erforderliche Zeit zu
sprechende Bewilligung ist stets erforderlich, beschränken. Der Reiseausweis darf die Gül-
wenn die Durchbeförderung durch einen Staat tigkeitsdauer von einem Monat nicht über-
erfolgen soll, mit dem die Bundesrepublik schreiten (§ 8 Absatz 2 Satz 1 AufenthV). Der
Deutschland ein Übernahmeabkommen ge- Geltungsbereich des Reisedokuments ist auf die
schlossen hat oder der Mitgliedstaat der Euro- Durchreisestaaten und den Zielstaat zu be-
päischen Union ist (vgl. Richtlinie 2003/110/ schränken (§ 9 Absatz 1 AufenthV).
Seite 1158 GMBl 2009 Nr. 42– 61

58.1.7 Wird die Abschiebung eines Ausländers voll- begründet wurde, vom Vollstreckungsmit-
zogen, soll von der Grenzbehörde im Pass oder gliedstaat unter Anerkennung der Rück-
Passersatz des Ausländers vermerkt werden: führungsentscheidung des Entscheidungs-
„Abgeschoben“, soweit generell oder im Ein- mitgliedstaates in sein Heimat- bzw. Her-
zelfall nichts anderes angeordnet wird. kunftsland abgeschoben werden kann.
58.2.1.3.2 Nationale Kontaktstelle nach der Entscheidung
58.2 Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht
2004/191/EG des Rates vom 23. Februar 2004
58.2.1.0 § 58 Absatz 2 Satz 1 regelt die Fälle, in denen zur Festlegung der Kriterien und praktischen
die Ausreisepflicht kraft Gesetzes mit ihrer Einzelheiten zum Ausgleich finanzieller Un-
Entstehung vollziehbar ist. In diesen Fällen gibt gleichgewichte aufgrund der Anwendung der
es unbeschadet der Möglichkeit des vorläufigen Richtlinie 2001/40/EG über die gegenseitige
Rechtsschutzes (§ 80 Absatz 5, § 123 Absatz 1 Anerkennung von Entscheidungen über die
VwGO) gegen die Abschiebungsandrohung Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl.
oder Abschiebung keinen Rechtsbehelf mit EU Nummer L 60 S. 55), die eine Übermittlung
aufschiebender Wirkung, d. h. mit einer die ge- der einschlägigen Daten an die anderen Mit-
setzliche Vollziehbarkeit beendenden Wirkung. gliedstaaten vornimmt, ist das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge. Ihr kommt insbe-
58.2.1.1 Von § 58 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 sind die in
sondere die Aufgabe zu, den Ausgleich der fi-
§ 14 Absatz 1 abschließend geregelten Fälle der nanziellen Aufwendungen des Vollstreckungs-
unerlaubten Einreise umfasst. Ein Antrag auf mitgliedstaates durch den Entscheidungsmit-
Erteilung eines Aufenthaltstitels lässt in diesen gliedstaat zu gewährleisten. Die Entscheidung
Fällen die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht darüber, ob die Richtlinie Anwendung findet
unberührt (siehe § 81 Absatz 3). Num- und ob die rechtlichen Voraussetzungen vor-
mer 57.1.2 ist zu beachten. liegen, treffen die Ausländerbehörden.
58.2.1.2 In den Fällen des § 58 Absatz 2 Satz 1 Num-
58.2.2.1 Nach § 58 Absatz 2 Satz 2 tritt die Vollzieh-
mer 2 entfällt die Vollziehbarkeit der Ausreise-
barkeit der Ausreisepflicht mit der Vollzieh-
pflicht, wenn der Aufenthalt nach § 81 Absatz 3
barkeit der Versagung des Aufenthaltstitels
bzw. Absatz 4 als erlaubt bzw. fortbestehend
oder des sonstigen Verwaltungsaktes, durch den
gilt. Bei Versagung des Aufenthaltstitels wird
der Ausländer nach § 50 Absatz 1 ausreise-
der Ausländer wieder nach § 58 Absatz 2 Satz 2
pflichtig wird, ein. Die Versagung von Aufent-
ausreisepflichtig. Hinsichtlich abgelehnter
haltstiteln ist nach § 84 Absatz 1 sofort voll-
Asylbewerber gilt § 43 AsylVfG.
ziehbar. Im Übrigen bestimmt sich die Voll-
58.2.1.3 Nach § 58 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 ist die ziehbarkeit des Verwaltungsaktes nach der
Ausreisepflicht vollziehbar, wenn der Aus- VwGO (§ 80 Absatz 2 und § 80b Absatz 1
länder auf Grund einer Rückführungsent- VwGO).
scheidung gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/
40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die 58.2.2.2 Die Ausreisepflicht kann gleichzeitig auf meh-
gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen reren Rechtsgrundlagen beruhen, z. B. im Falle
über die Rückführung von Drittstaatsange- der Ausweisung eines unerlaubt eingereisten
hörigen (ABl. EG Nummer L 149 S. 34) aus- Ausländers. Die auf der unerlaubten Einreise
reisepflichtig wird, sofern diese von der zu- beruhende Ausreisepflicht ist dann gemäß § 58
ständigen Behörde anerkannt wird. Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 vollziehbar, aber
die auf der Ausweisung beruhende Ausreise-
58.2.1.3.1 Die Richtlinie sieht vor, dass mit ihr die Aner- pflicht nur nach § 58 Absatz 2 Satz 2, wenn die
kennung von Rückführungsentscheidungen Ausweisung vollziehbar ist. Sofern die Voll-
eines Mitgliedstaates (Entscheidungsmitglied- ziehbarkeit der Ausweisung infolge Wider-
staat) durch den Mitgliedstaat ermöglicht wer- spruchs oder Klage entfällt, bleibt die Voll-
den soll, in dessen Hoheitsgebiet sich ein ziehbarkeit der Ausreisepflicht nach § 58 Ab-
Drittstaatsangehöriger aufhält (Vollstre- satz 2 Satz 1 Nummer 1 bestehen. Dasselbe
ckungsmitgliedstaat). Dies soll dazu führen, gilt, wenn die Ausländerbehörde die sofortige
dass ein Drittstaatsangehöriger, dessen Rück- Vollziehung der Ausweisung angeordnet, das
führungsentscheidung mit Verwaltungsgericht aber nach § 80 Absatz 5
VwGO die aufschiebende Wirkung wieder
58.2.1.3.1.1 – einer schwerwiegenden und akuten Gefahr
hergestellt hat. Die richterliche Anordnung
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
steht in diesem Fall der zwangsweisen Aufent-
oder die nationale Sicherheit (d. h. Verur-
haltsbeendigung nicht entgegen, weil sie sich
teilung wegen einer Straftat, die mit einer
nur auf die Ausweisung beschränkt. Im vor-
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
läufigen Rechtsschutzverfahren kann jedoch
bedroht ist oder begründeter Verdacht, dass
ungeachtet der vollziehbaren Ausreisepflicht
der Drittstaatsangehörige schwere Straftaten
nach § 58 Absatz 2 die aufschiebende Wirkung
begangen hat oder solche im Hoheitsgebiet
des Rechtsbehelfs angeordnet bzw. wieder-
eines Mitgliedstaates plant) oder mit
hergestellt, d. h. die Vollziehbarkeit der Ab-
58.2.1.3.1.2 – einem Verstoß gegen die innerstaatlichen schiebungsandrohung oder der Abschiebung
Rechtsvorschriften über die Einreise oder ausgesetzt werden, weil etwa ein Abschie-
den Aufenthalt von Ausländern bungsverbot vorliegt.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1159

58.3 Überwachungsbedürftigkeit der Ausreise von ihm selbst oder von einem Dritten bei-
gebracht werden können, ist hierfür unerheb-
58.3.1 Die Ausländerbehörde hat zu prüfen, ob Anlass
lich.
zu Zweifeln an der Möglichkeit oder der Be-
reitschaft zur freiwilligen Erfüllung der Aus- 58.3.3.5 Passlosigkeit (Absatz 3 Nummer 5) führt ohne
reisepflicht besteht (z. B. durch Befragen des Rücksicht auf ihre konkreten Umstände zur
Ausländers über den Reiseweg und durch Vor- Überwachungsbedürftigkeit der Ausreise.
lage von Flugtickets). Gesichtspunkte, dass eine Nach dem Gesetzeszweck ist allerdings nicht
freiwillige Ausreise gesichert erscheint, hat der von einem Abschiebungsgrund auszugehen,
Ausländer darzutun (§ 82 Absatz 1). Die frei- wenn die Passlosigkeit auf Grund Erfolg ver-
willige Ausreise ist insbesondere dann nicht als sprechender Bemühungen des Ausländers (Be-
gesichert anzusehen, wenn der Ausländer zu antragung eines neuen Passes, mit dessen bal-
erkennen gibt, dass er der Verpflichtung zur diger Ausstellung zu rechnen ist) in absehbarer
Ausreise nicht nachkommen und sich einer Zeit beseitigt werden wird.
Festnahme oder sonstigen Sicherungsmaß-
nahme zum Zwecke der Abschiebung entzie- 58.3.3.6 Die in § 58 Absatz 3 Nummer 6 bezeichnete
hen wird. Anhaltspunkte, aus denen sich ergibt, Täuschung oder Verweigerung von Angaben
dass die freiwillige Ausreise eines Ausländers muss – obgleich nicht notwendig im Zusam-
nicht gesichert erscheint oder dass die Über- menhang mit der aktuellen Ausreisepflicht ste-
wachung der Ausreise gleichwohl erforderlich hend – den nachvollziehbaren Rückschluss er-
ist, sollen aktenkundig gemacht werden. Erklärt lauben, der Ausländer werde seiner Ausreise-
ein Ausländer in Anbetracht der drohenden pflicht nicht nachkommen.
Abschiebungshaft, doch freiwillig ausreisen zu 58.3.3.7 Zu § 58 – Absatz 3 Nummer 7 wird Bezug ge-
wollen, rechtfertigt dies allein noch nicht die nommen auf Nummer 58.3.1. Besteht keine
Annahme, dass die Ausreise gesichert ist. Viel- Veranlassung zu der Annahme, dass das Rück-
mehr sind zur Beurteilung der Ausreisebereit- kehrverfahren dadurch gefährdet wird, ist die
schaft alle Umstände des Einzelfalls zu würdi- freiwillige Ausreise der Abschiebung vorzuzie-
gen. hen. Hat der Ausländer eindeutig zu erkennen
58.3.2 Abschiebungsgründe der öffentlichen Sicher- gegeben, er werde nicht ausreisen, ist die nach-
heit und Ordnung i. S. d. § 58 Absatz 1, die folgende Erklärung des Gegenteils i. d. R. un-
nicht von § 58 Absatz 3 erfasst sind, liegen etwa beachtlich. Ausreichend sind im Übrigen tat-
vor, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, dass der sächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich der
Ausländer während der Reise mit Strafe be- Ausländer der Ausreisepflicht entziehen wird,
drohte Handlungen begehen wird. Entspre- etwa das objektiv feststellbare Abbrechen so-
chendes gilt, wenn der Ausländer an einer nach zialer oder wirtschaftlicher Bindungen. Das
§§ 6 und 7 IfSG meldepflichtigen übertragbaren Beschreiten des Rechtswegs ist rechtmäßig und
Krankheit oder einer Geisteskrankheit leidet. begründet deshalb keine Überwachungsbe-
Die Überwachung der Ausreise kann auch zum dürftigkeit.
Schutz des Ausländers erforderlich werden.
58.3.3 § 58 Absatz 3 konkretisiert die in § 58 Absatz 1 58a Zu § 58a – Abschiebungsanordnung
generell benannten Überwachungsgründe bei-
spielhaft („insbesondere“). 58a.0 Allgemeines
58.3.3.1 Absatz 3 Nummer 1 geht von einer Über- 58a.0.1 In der Anwendungspraxis hatte sich gezeigt,
wachungsbedürftigkeit der Ausreise unabhän- dass die früheren Rechtsvorschriften zur Aus-
gig vom Haft- bzw. Gewahrsamsgrund aus, so- weisung und Abschiebung von Ausländern mit
lange eine richterliche Anordnung vorliegt. Po- Schwierigkeiten verbunden waren, die bei be-
lizeilicher Gewahrsam ist demnach nicht sonderen Gefahrenlagen einer aus Gründen der
ausreichend. öffentlichen Sicherheit gebotenen effektiven
und schnellen Verfahrensweise entgegenstan-
58.3.3.2 Ein Antrag auf Fristverlängerung nach § 50
den. Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten
Absatz 2 Satz 3 ist im Rahmen der Prüfung von
ist mit der Abschiebungsanordnung ein In-
Absatz 3 Nummer 2 (Nichterfüllung der Aus-
strument geschaffen worden, durch das in die-
reisepflicht innerhalb einer dem Ausländer ge-
sen Fällen an Stelle der Ausländerbehörden
setzten Ausreisefrist) zu beachten.
durch die obersten Landes- und Bundes-
58.3.3.3 Eine Ausweisung nach § 53 oder § 54 führt bei behörden eine Abschiebung gefährlicher aus-
Vorliegen der weiteren Abschiebungsvoraus- ländischer Personen unmittelbar angeordnet
setzungen in jedem Fall zur Abschiebung werden kann, ohne zuvor eine Ausweisung und
(Absatz 3 Nummer 3), unabhängig davon, ob Abschiebungsandrohung verfügen zu müssen.
bei der Ausweisung besonderer Ausweisungs- Der Rechtsschutz wird auf eine Instanz vor
schutz nach § 56 zur Anwendung gelangt ist. dem Bundesverwaltungsgericht verkürzt. Die
Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar.
58.3.3.4 Ob Mittellosigkeit i. S. v. § 58 Absatz 3 Num-
mer 4 gegeben ist, ist danach zu beurteilen, ob 58a.0.2 Die Abschiebungsanordnung soll in Einzel-
der Ausländer tatsächlich zur Abdeckung der fällen von herausragender Bedeutung zur An-
Ausreisekosten in der Lage ist. Ob die Kosten wendung kommen, in denen vor allem auch die
Seite 1160 GMBl 2009 Nr. 42– 61

aktuelle nationale und internationale Sicher- gebiet zu erzeugen, als auch solche, die der
heitslage einzubeziehen sind. Die erforderliche Vorbereitung terroristischer Anschläge in an-
globale Lagebetrachtung lässt es angezeigt er- deren Staaten dienen. Als Tätigkeiten, die eine
scheinen, dass die Abschiebungsanordnung terroristische Gefahr begründen können, kom-
durch die oberste Landesbehörde oder das men insbesondere die in § 54 Nummer 5 ge-
Bundesministerium des Innern erlassen wird. nannten Handlungen in Betracht. Allerdings
kommt, anders als beim Ausweisungstatbe-
58a.1 Voraussetzungen der Abschiebungsan- stand des § 54 Nummer 5, diese Tatbestands-
ordnung alternative auch außerhalb terroristischer
Strukturen, die ein auf längere Dauer angelegtes
58a.1.1 Der Ausnahmecharakter dieser Regelung und Zusammenwirken von mehr als zwei Personen
die tatbestandlich in Absatz 1 geforderte be- erfordern, zum Tragen. Damit werden auch
sondere Gefahrenlage (besondere Gefahr für Einzeltäter erfasst.
die Sicherheit der Bundesrepublik Deutsch-
land) rechtfertigen es, auf eine Ausweisung und 58a.1.3 Es wird nicht auf den strafprozessual geprägten
Abschiebungsandrohung zu verzichten und Begriff des „Verdachts“ abgestellt, sondern auf
eine zur Gefahrenabwehr dringend gebotene eine tatsachengestützte Gefahrenprognose,
Abschiebung unmittelbar festzusetzen. Damit wodurch der anordnenden obersten Landes-
kommt auch der besondere Ausweisungsschutz und Bundesbehörde eine Einschätzungs-
nicht zum Tragen; besondere Belange des be- prärogative hinsichtlich des Wahrscheinlich-
troffenen Ausländers sind jedoch auf Grund des keitsurteils zukommt. Hierbei kommt der si-
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen cherheitsbehördlichen Lageeinschätzung be-
der Ausübung des Ermessens zu beachten. sondere Bedeutung zu. Aktivitäten des
Ausländers sind in Gesamtschau mit seiner ge-
58a.1.2.1 Der Begriff der Gefahr für die Sicherheit der nerellen Einbindung in gefahrenrelevante
Bundesrepublik Deutschland bezieht sich auf Strukturen, aber auch mit Erfahrungswerten
die innere und äußere Sicherheit des Staates der Sicherheitsbehörden in vergleichbaren Fäl-
(vgl. Nummer 54.2.2.2). Er ist nicht auf den len zu sehen.
Schutz staatlicher Funktionen beschränkt. Der
58a.1.4 Mit Erlass der Abschiebungsanordnung erlischt
Schutzbereich umfasst das ordnungsgemäße
zugleich der Aufenthaltstitel (§ 51), die Auf-
Funktionieren staatlicher Einrichtungen, je-
enthaltsgestattung (§ 67 AsylVfG) oder Dul-
doch können auch nichtstaatliche Einrich-
dung. Hierdurch wird die Voraussetzung dafür
tungen und allgemein zugängliche Plätze, deren
geschaffen, dass der Betroffene auf richterliche
Gefährdung erhebliche Schadensfolgen (Per-
Anordnung in Abschiebungshaft (Sicherungs-
sonen- und/oder Sachschäden) nach sich ziehen
haft) genommen werden kann (vgl. Num-
könnte, vom Schutzbereich umfasst sein. Dies
mer 62.2.1.2). Durch das Erlöschen des Auf-
betrifft insbesondere so genannte „weiche“
enthaltstitels wird zugleich sichergestellt, dass
Ziele wie etwa Krankenhäuser, Bahnhöfe, Züge,
mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung
Wohnanlagen, für den Gottesdienst bestimmte
eine erneute (legale) Einreise nicht mehr mög-
Einrichtungen oder andere Versammlungs-
lich ist. Eine Befristung der Abschiebungs-
stätten, Industrieunternehmen, Fußballstadien
wirkungen ist nach § 11 Absatz 1 Satz 5 aus-
oder sonstige Austragungsorte von Großveran-
geschlossen. Ausnahmen hiervon können nach
staltungen.
§ 11 Absatz 1 Satz 6 nur im Einzelfall zuge-
58a.1.2.2 Das Merkmal der „besonderen Gefahr für die lassen werden.
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ ist
58a.1.5 Die Abschiebungsanordnung wird grundsätz-
nicht notwendigerweise in der besonderen
lich in Landeskompetenz durch die jeweils zu-
zeitlichen Nähe oder Wahrscheinlichkeit des
ständigen Innenministerien der Länder wahr-
Schadenseintritts zu sehen, sondern knüpft ins-
genommen (siehe aber Nummer 58a.2).
besondere an die Wichtigkeit des bedrohten
Rechtsgutes an. Ziel ist es, Gefahren, die im 58a.1.6 Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der
Hinblick auf die Dimension möglicher Schäden Abschiebungsanordnung ist nicht erforderlich.
herausragend sind, möglichst schnell und ef-
fektiv zu begegnen. 58a.2 Abschiebungsanordnung des Bundes-
ministeriums des Innern
58a.1.2.3 Neben der Gefahr für die Sicherheit der Bun-
desrepublik Deutschland ist als Tatbestands- Nach Absatz 2 kann das Bundesministerium
alternative eine terroristische Gefahr genannt. des Innern die Zuständigkeit im Einzelfall an
Erfasst sind damit alle Gefahrenlagen, die durch sich ziehen. Dies kommt vor allem in Betracht,
Handlungen, wie sie in Artikel 1 des Rahmen- wenn nach Einschätzung des Bundesminis-
beschlusses des Rates Nr. 2002/475/JI vom teriums des Innern eine länderübergreifende
13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung Gefahrenlage besteht, die möglichen Adressa-
(ABl. Nummer L 164 S. 3) in seiner jeweils gel- ten einer Abschiebungsanordnung länderüber-
tenden Fassung beschrieben sind, hervor- greifend agieren, besondere Erkenntnisse der
gerufen werden können. Hierunter fallen so- Sicherheitsbehörden auf Bundesebene vor-
wohl terroristische Bestrebungen, die geeignet handen sind oder der Fall außenpolitische Be-
sind, eine beachtliche Gefahrenlage im Bundes- deutung hat.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1161

58a.3 Prüfung des Vorliegens von Abschiebungs- landesrechtliche Vorschriften zu beachten. Auf
verboten die Belehrungspflichten nach §§ 58 f. VwGO
wird hingewiesen.
58a.3.1 Nach Absatz 3 ist von der über die Abschie-
bungsanordnung entscheidenden Behörde zu 58a.4.2 Soweit die Abschiebungsanordnung nicht un-
prüfen, ob aktuell ein Abschiebungsverbot be- mittelbar vollzogen werden kann, etwa weil
steht; ist dies der Fall, so kann eine Abschie- gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch ge-
bung nicht vollzogen werden. Damit wird si- nommen wird oder eine Verbringung außerhalb
chergestellt, dass niemand durch die Abschie- des Bundesgebietes aus tatsächlichen Gründen
bung einer besonderen Gefährdung der eigenen nicht unmittelbar erfolgen kann (z. B. wegen
Person ausgesetzt wird. Auch wenn gesetzlich fehlender Transportverbindungen oder Auf-
keine formelle Beteiligung des Bundesamtes für nahmebereitschaft des Herkunftsstaates), ist
Migration und Flüchtlinge vorgesehen ist (vgl. der Betroffene zur Sicherung der Abschiebung
§ 72 Absatz 2), empfiehlt es sich, bei der Prü- auf richterliche Anordnung grundsätzlich in
fung der zielstaatsbezogenen Abschiebungs- Abschiebungshaft zu nehmen (zwingender
verbote das Bundesamt einzubeziehen. Haftgrund), vgl. § 62 Absatz 2 Nummer 1a.
Hierdurch soll verhindert werden, dass der
58a.3.2 In Anlehnung an das Auslieferungsverfahren Adressat einer Abschiebungsanordnung in An-
steht eine bestandskräftige Asyl- oder Flücht- sehung der bevorstehenden Abschiebung
lingsanerkennung (vgl. auch § 4 Satz 2 „untertaucht“. Von der Anordnung der Ab-
AsylVfG) oder die Feststellung eines Abschie- schiebungshaft kann abgesehen werden, wenn
bungsverbotes der Entscheidung über eine Ab- der Ausländer glaubhaft machen kann, dass er
schiebungsanordnung nicht entgegen (Durch- sich der Abschiebung nicht entziehen werde
brechung der Bindungswirkung). Durch die (vgl. § 62 Absatz 2 Satz 3). Sie ist unzulässig,
tatbestandsmäßig vorgegebene Prüfung von wenn die Abschiebung aus vom Ausländer
§ 60 Absatz 1 bis 8, dessen gerichtliche Über- nicht zu vertretenden Gründen nicht innerhalb
prüfung durch die Verfahrensausgestaltung in der nächsten drei Monate durchgeführt werden
Absatz 3 und Absatz 4 sichergestellt ist, wird kann (vgl. § 62 Absatz 2 Satz 4). Nach § 62 Ab-
jedoch gewährleistet, dass eine Abschiebung satz 3 ist die Sicherungshaft auf sechs Monate
nicht erfolgt, wenn der Betroffene aktuell beschränkt und kann nur in Fällen, in denen der
schutzbedürftig ist. Mit dieser Regelung soll Ausländer seine Abschiebung verhindert, um
erreicht werden, dass vor Erlass einer Abschie- höchstens 12 Monate auf bis zu höchstens 18
bungsanordnung nicht erst noch ein zeitauf- Monate verlängert werden.
wändiges Widerrufsverfahren durchgeführt
werden muss, wenn beispielsweise die Voraus- 58a.4.3 Personen, die nicht in Abschiebungshaft ge-
setzungen für eine Flüchtlingsanerkennung nommen werden dürfen oder über die zeit-
nicht mehr gegeben sind. Allerdings befreit die lichen Grenzen der Sicherungshaft hinaus nicht
fehlende Bindungswirkung die anordnende Be- abgeschoben werden können, sollen über Maß-
hörde nicht davon, in anderen Verfahren ge- nahmen nach § 54a einer besonderen Über-
troffene Feststellungen zu berücksichtigen und wachung zugeführt werden.
sich mit ihnen auseinanderzusetzen, soweit sie 58a.4.4 Der Rechtsschutz (Eilschutz und Haupt-
von den dort getroffenen Feststellungen abwei- sacheverfahren) wird in Fällen der Abschie-
chen will. bungsanordnung zur Verfahrensbeschleuni-
gung auf einen Rechtszug vor dem Bundes-
58a.4 Verfahren verwaltungsgericht beschränkt, § 50 Nummer 3
VwGO.
58a.4.0 Durch die besondere Verfahrensausgestaltung
in Absatz 4, die sich an § 18a AsylVfG orien-
tiert, wird den Grundsätzen eines fairen Ver- 59 Zu § 59 – Androhung der Abschiebung
fahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs
Rechnung getragen. Insbesondere wird sicher- 59.0 Allgemeines und Verfahren
gestellt, dass der betroffene Adressat einer Ab-
schiebungsanordnung gerichtlichen Eilrechts- 59.0.1 Die Androhung der Abschiebung als Maß-
schutz tatsächlich erlangen kann und vorher nahme des Verwaltungsvollstreckungsrechts
eine Abschiebung nicht erfolgen darf. Dabei geht der Abschiebung (vgl. § 58 Absatz 1) re-
sollte von den Vollstreckungsorganen sicherge- gelmäßig voraus. Sie kann mit dem Rechts-
stellt werden, dass eine Liste mit Rechts- behelf des Widerspruchs, oder, sofern das gel-
anwälten für eine mögliche Prozessvertretung tende Landesrecht kein Widerspruchsverfahren
vor dem Bundesverwaltungsgericht ausge- vorsieht, durch Klage angefochten werden. Ob
händigt wird. der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat,
richtet sich nach dem Verwaltungsvollstrek-
58a.4.1 § 58a Absatz 4 sieht den schriftlichen Erlass kungsrecht der Länder (vgl. § 80 Absatz 2
und die Begründung der Abschiebungsan- Satz 2, § 80b VwGO). Gegen die Androhung
ordnung nicht zwingend vor. Gleichwohl soll der Abschiebung oder Abschiebungsan-
die Entscheidung i. d. R. schriftlich ergehen und ordnung durch das Bundesamt für Migration
begründet werden. Jenseits dessen sind § 37 und Flüchtlinge findet kein Widerspruch statt
Absatz 2 Satz 2 VwVfG und entsprechende (vgl. § 11 AsylVfG).
Seite 1162 GMBl 2009 Nr. 42– 61

59.0.2 Die nach § 59 Absatz 1 an die Schriftform ge- halb der Ausreisefrist zu regeln (siehe Num-
bundene Abschiebungsandrohung muss den mer 50.2.2).
Formerfordernissen der §§ 37, 39 VwVfG bzw.
59.1.1.1 Die sich aus der Fristsetzung ergebenden
entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen
Pflichten des Ausländers regelt § 50 Absatz 2.
entsprechen.
Die Fristsetzung liegt im Ermessen der Behörde
59.0.3 Voraussetzung für den Erlass einer Abschie- (siehe Nummer 50.2.2 und 59.1.1.2). Sie ist
bungsandrohung ist die vollziehbare Ausreise- durch § 50 Absatz 2 Satz 2 und 3 begrenzt, wo-
pflicht des Ausländers (§ 58 Absatz 1, 2). Der nach die Ausreisefrist spätestens sechs Monate
Erlass eines die Ausreisepflicht begründenden nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der
Verwaltungsakts ist nicht zwingende Voraus- Ausreisepflicht endet, wenn sie im Einzelfall
setzung, wenn die vollziehbare Ausreisepflicht nicht wegen Vorliegens einer besonderen Härte
kraft Gesetzes besteht (§ 58 Absatz 2 Satz 1). befristet verlängert wird. Gesetzlich festgelegte
Die Androhung der Abschiebung ist nicht da- Fristen ergeben sich aus spezialgesetzlichen
von abhängig, ob die Abschiebung später Vorschriften (§ 50 Absatz 2a: mindestens ein
durchgeführt werden kann (vgl. § 59 Absatz 3). Monat; § 36 Absatz 1 AsylVfG: eine Woche;
§ 38 Absatz 1 AsylVfG: ein Monat; § 38 Ab-
59.0.4 Nach Wirksamwerden der Abschiebungsan- satz 2 AsylVfG: eine Woche).
drohung können zugunsten des Ausländers
eingetretene Umstände von der Ausländer- 59.1.1.2 Der Beginn der Frist muss sich auf einen Zeit-
behörde berücksichtigt werden, ohne die rahmen erstrecken, in dem der Ausländer ge-
Rechtmäßigkeit der Androhung zu berühren mäß § 50 Absatz 1 ausreisepflichtig ist. Die
(vgl. § 59 Absatz 3 Satz 1). Nach dem Eintritt Ausreisefrist ist so zu bestimmen, dass sie erst
der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandro- nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist endet. Eine
hung ist jedoch der Prüfungsrahmen der Aus- kürzere Frist kann bestimmt werden, wenn der
länderbehörde gemäß § 59 Absatz 4 Satz 1 be- Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat
schränkt. Ist rechtskräftig entschieden, dass die (§ 84 Absatz 1) oder die sofortige Vollziehbar-
Abschiebung zulässig ist, kommt eine Aus- keit der Maßnahme, die die Ausreisepflicht be-
setzung der Abschiebung nur noch unter einem gründet, angeordnet worden ist (§ 80 Absatz 2
in der Abschiebungsandrohung ausgespro- Satz 1 Nummer 4 VwGO). Es ist aber sicher-
chenen Vorbehalt in Betracht. zustellen, dass der Ausländer vorläufigen
Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Endet
59.0.5 Wird die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsan- die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs
drohung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80b Absatz 1 VwGO, richtet sich das
gemäß § 80 Absatz 5 VwGO inhaltlich bestä- weitere Verfahren nach § 50 Absatz 3. Die Stel-
tigt, ist die Abschiebung eines Ausländers zu- lung eines Zulassungsantrags nach § 124a
lässig. VwGO hemmt die Vollziehbarkeit nicht.
59.0.6 Eine Abschiebungsandrohung wird gegen- 59.1.1.3 Eine Begründung der Ausreisefrist erübrigt
standslos, wenn die Ausreisepflicht des Aus- sich, wenn dem Ausländer zur Ausreise eine
länders entfällt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Frist von mindestens einem Monat zur Verfü-
Aufenthalt des Ausländers auf Grund Asylan- gung steht und besondere Umstände, die eine
tragstellung gestattet ist (§ 55 AsylVfG). Bei Fristverlängerung gebieten, nicht ersichtlich
einem Asylfolgeantrag gilt dies erst, wenn ein sind. Eine unterlassene oder fehlerhafte Frist-
weiteres Asylverfahren durchgeführt wird (vgl. setzung kann nachträglich durch die Fest-
§ 71 Absatz 5 Satz 1 AsylVfG). setzung einer neuen Ausreisefrist geheilt wer-
den. Die Fristsetzung ist im Pass oder Passer-
59.0.7 Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt
satz des Ausländers einzutragen.
hat, darf die Abschiebung nicht abweichend
von den Vorschriften des AsylVfG (§§ 34, 34a 59.1.1.4 Die Ausreisefrist ist grundsätzlich durch An-
AsylVfG) angedroht werden. Lediglich in den gabe eines Wochen- oder Monatszeitrahmens
Fällen des § 60 Absatz 8 kann einem Ausländer, zu bestimmen. Für den Beginn der Frist ist re-
der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend gelmäßig auf den Zeitpunkt des Wirksamwer-
von den Vorschriften des AsylVfG die Ab- dens der Verfügung (Bekanntgabe des Verwal-
schiebung angedroht und diese durchgeführt tungsakts) abzustellen. Das Vorliegen von Ab-
werden (vgl. § 60 Absatz 9). Abschiebungsver- schiebungsverboten oder Duldungsgründen hat
bote nach § 60 Absatz 2 bis 5 und 7 bleiben un- keinen Einfluss auf die Fristsetzung (§ 59 Ab-
berührt. satz 3 Satz 1).
59.1.1.5 Soweit sich der Ausländer als Besucher oder
59.1 Abschiebungsandrohung Tourist nicht länger als sechs Monate im Bun-
59.1.1.0 Die Abschiebung ist grundsätzlich unter Frist- desgebiet aufgehalten hat, genügt eine Aus-
setzung anzudrohen, damit der Ausländer sie reisefrist von einer Woche. Die Frist ist eben-
durch rechtzeitige, freiwillige Ausreise ver- falls eng zu bemessen, wenn
meiden kann. Außerdem soll er die Möglichkeit – der Ausländer unerlaubt eingereist ist (§ 14
erhalten, Rechtsbehelfe einzulegen, bestehende Absatz 1) und die Voraussetzungen für eine
Abschiebungsverbote (§ 60) geltend zu machen Zurückschiebung (vgl. § 57 Absatz 1) nicht
und seine persönlichen Angelegenheiten inner- mehr vorliegen,
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1163

– die Rückkehrberechtigung innerhalb von 59.1.2.2 Wird von der Androhung und Fristsetzung ab-
vier Monaten ungültig wird, gesehen, sind die maßgebenden Gründe in der
– die in einem Übernahmeabkommen be- Ausländerakte zu vermerken. Ergeht eine
stimmte Frist ansonsten nicht eingehalten schriftliche Abschiebungsanordnung zum Zeit-
werden kann. punkt der Abschiebung, sind die Gründe in der
Anordnung anzugeben.
59.1.1.6 Eine Abschiebungsandrohung nach § 59 Ab-
satz 1 durch die Ausländerbehörde ist nicht er- 59.1.2.3 Ein Mangel der fehlenden Androhung kann
forderlich, wenn das Bundesamt für Migration dadurch geheilt werden, dass sie nachträglich
und Flüchtlinge die Abschiebung nach Asyl- verfügt wird, solange dem Ausländer die Mög-
verfahrensrecht angedroht oder angeordnet hat lichkeit verbleibt, noch vor der Abschiebung
und eine kurzfristige Beendigung des Aufent- seiner Ausreisepflicht freiwillig nachzukom-
halts zu erwarten ist. men.

59.1.1.7 Grundsätzlich muss die Abschiebung nur ein- 59.1.2.4 In Fällen des § 58 Absatz 3 Nummer 1 bedarf es
mal angedroht werden. Einer erneuten Ab- keiner Fristsetzung (§ 59 Absatz 5 Satz 1). Die
schiebungsandrohung bedarf es nur im Falle der Abschiebung soll allerdings mindestens eine
unanfechtbaren Aufhebung der Abschiebungs- Woche vorher angekündigt werden (§ 59 Ab-
androhung auf Grund eines Rechtsbehelfs. Die satz 5 Satz 2).
Abschiebungsandrohung erledigt sich durch die 59.1.2.5 § 60 Absatz 10 erfordert ausnahmslos, dass die
freiwillige Ausreise des Ausländers in einen Abschiebung in den Fällen des § 60 Absatz 1
Staat, in den er einreisen darf. vor der Ausreise angedroht und eine Ausreise-
59.1.2.1 Von der Androhung und Fristsetzung kann nur frist gesetzt wird (siehe auch § 34 AsylVfG).
in atypischen Fällen abgesehen werden. Dies ist 59.1.3 Die Ausweisung eines Ausländers wird nicht
je nach Lage des Einzelfalls gegeben, wenn eine mit einer Abschiebungsandrohung verbunden,
sofortige Ausreise im öffentlichen Interesse wenn
dringend geboten ist und auch die Abschie-
bungsandrohung allein nicht zur Wahrung der 59.1.3.1 – bereits eine von einer Ausländerbehörde
Interessen des Ausländers oder aber im be- oder vom Bundesamt für Migration und
hördenseitigen Interesse aus verfahrens- Flüchtlinge erlassene vollziehbare Abschie-
rechtlichen Gesichtspunkten erforderlich ist. bungsandrohung vorliegt oder
Dies kann der Fall sein, wenn
59.1.3.2 – das Bundesamt für Migration und Flücht-
59.1.2.1.1 – die sofortige Entfernung des Ausländers zur linge für den Erlass der Abschiebungsan-
Vermeidung von Störungen der öffentlichen drohung zuständig ist und kein Fall des § 60
Sicherheit oder aus Gründen der öffentli- Absatz 8 vorliegt.
chen Gesundheit dringend geboten er-
scheint, 59.2 Zielstaat
59.1.2.1.2 – Grund zu der Annahme besteht, dass der 59.2.1 Grundsätzlich soll der Ausländer in seinen
Ausländer während einer ihm gewährten Herkunftsstaat abgeschoben werden, der im
Ausreisefrist mit Strafe bedrohte Hand- Bescheid konkret zu bezeichnen ist. Ein an-
lungen begehen oder sich der Abschiebung derer Zielstaat kommt in Betracht, wenn die
entziehen wird, Abschiebung dahin möglich ist (z. B. auf
59.1.2.1.3 – der Ausländer einen Pass, Passersatz oder Grund eines Übernahmeabkommens; vgl. Ar-
einen Sichtvermerk eines anderen Staates tikel 23 Absatz 3 und 4 SDÜ) oder der Aus-
mit demnächst ablaufender Gültigkeits- länder in einem Drittstaat ein Aufenthalts-
dauer besitzt und zu befürchten ist, dass bei recht hat und die Abschiebung dorthin
Fristsetzung die Abschiebung wegen Ab- zweckmäßiger zu bewirken ist als in den
laufs der Gültigkeitsdauer unmöglich wäre Herkunftsstaat. Sofern der Zielstaat nicht ab-
oder erschwert würde, schließend bestimmt werden kann, soll in der
Abschiebungsandrohung der Herkunftsstaat
59.1.2.1.4 – die auswärtigen Belange oder die Sicherheit bezeichnet werden, damit die Wirkung des
der Bundesrepublik Deutschland die sofor- § 59 Absatz 4 Satz 1 eintritt. Für die Auswahl
tige Entfernung des Ausländers dringend und Bezeichnung des Zielstaates ist die
gebieten, Staatsangehörigkeit des Ausländers grund-
59.1.2.1.5 – der Ausländer ohne erforderliches Visum sätzlich nicht maßgebend. Es ist davon aus-
eingereist ist und konkrete Anhaltspunkte zugehen, dass der Ausländer in einen anderen
dafür vorliegen, dass er sich auch künftig Staat ausreisen darf, wenn dieser den Aus-
über die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften länder mit Heimreisedokumenten versehen
und Anordnungen der Ausländerbehörde hat und diese noch gültig sind. Ist die Staats-
hinwegsetzen wird, angehörigkeit des Ausländers ungeklärt und
auch ein aufnahmebereiter Drittstaat nicht
59.1.2.1.6 – die Frist zur Rückübernahme durch einen erkennbar, liegen besondere Umstände vor,
anderen Staat abläuft und nicht verlängert die ein Absehen von der Zielstaatsbezeich-
werden kann. nung rechtfertigen.
Seite 1164 GMBl 2009 Nr. 42– 61

59.2.2 Die Abschiebungsandrohung soll den Zielstaat das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu
bezeichnen und folgenden Hinweis (kein Ver- prüfen. Die Abschiebungsandrohung soll ohne
waltungsakt) enthalten: Rücksicht auf eine etwaige tatsächliche Un-
möglichkeit der Abschiebung (z. B. wegen
„Auf Grund dieser Androhung können Sie
Staatenlosigkeit, Passlosigkeit) erlassen werden.
auch in einen anderen Staat abgeschoben
werden, in den Sie einreisen dürfen oder
der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist.“ 59.4 Darlegung und Ausschluss von
Abschiebungsverboten
Neben dem Zielstaat müssen die anderen Staa-
ten namentlich nicht genannt werden. Hin- 59.4.1 § 59 Absatz 4 Satz 1 1. Halbsatz betrifft nur
sichtlich des Hinweises auf andere für die Ab- Umstände, die der Abschiebung in denjenigen
schiebung in Betracht kommende Staaten ist es Staat entgegenstehen, der in der Androhung
nicht erforderlich, Abschiebungsverbote, die genannt ist (§ 59 Absatz 2). Diese Umstände
eine Aussetzung der Abschiebung rechtfertigen darf die Ausländerbehörde nicht mehr berück-
könnten, bereits bei der Androhung der Ab- sichtigen, wenn diese bereits vor Eintritt der
schiebung zu prüfen. § 60 Absatz 10 erfordert Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung
für die dort bezeichneten Fälle, dass in der An- hätten vorgebracht werden können. Dieses
drohung die Staaten zu bezeichnen sind, in die Verwertungsverbot gilt nicht nur für die Voll-
der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. streckung der Abschiebung, sondern auch für
Bei Staatenlosen ist ein Zielstaat nur dann an- die Entscheidung über die Aussetzung der Ab-
zugeben, wenn die tatsächliche Möglichkeit der schiebung. Macht der Ausländer vom Bundes-
Abschiebung in einen bestimmten Staat besteht amt für Migration und Flüchtlinge zu prüfende
und daher auch ein Abschiebeversuch nach Verfolgungsgründe geltend, ist er auf das Ver-
Rücksprache mit den zuständigen Behörden fahren nach dem AsylVfG zu verweisen (vgl.
dieses Staates unternommen werden kann. Der Nummer 60.0.4.1).
Hinweis muss vor der tatsächlichen Abschie-
59.4.2 § 59 Absatz 4 Satz 1 2. Halbsatz betrifft son-
bung konkretisiert werden; die Zuständigkeit
stige Umstände, die der Abschiebung in den
für eine solche nachträgliche Bezeichnung des
genannten Zielstaat entgegenstehen. Das sind
Zielstaats liegt bei vom Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge erlassenen Abschiebungs- 59.4.2.1 – Umstände, die nach Eintritt der Unanfecht-
androhungen ausschließlich dort. barkeit der Abschiebungsandrohung einge-
treten sind und
59.3 Vorliegen von Abschiebungsverboten
59.4.2.2 – Umstände, die vor oder nach dem Eintritt
59.3.1 Dem Erlass der Abschiebungsandrohung steht der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsan-
das Vorliegen von Abschiebungsverboten nicht drohung eingetreten sind und die der Ab-
entgegen. Im Hinblick auf § 59 Absatz 3 Satz 2 schiebung grundsätzlich (z. B. Artikel 8
(Pflicht zur Bezeichnung von Staaten, in die EMRK) entgegenstehen.
eine Abschiebung nicht zulässig ist) ist vor Er-
lass der Abschiebungsandrohung zu prüfen, ob 59.5 Abschiebung aus der Haft oder aus
ein Abschiebungsverbot nach § 60 vorliegt. Bei öffentlichem Gewahrsam
dieser Prüfung ist die Ausländerbehörde an
Entscheidungen des Bundesamts für Migration Auf Nummer 59.1.2.4 wird Bezug genommen.
und Flüchtlinge über den Asylantrag und das
Vorliegen von Abschiebungsverboten ge-
bunden (§§ 4, 42 AsylVfG). Diesem obliegt 60 Zu § 60 – Verbot der Abschiebung
nach Stellung eines Asylantrags abschließend
die Entscheidung darüber, ob ein Abschie- 60.0 Allgemeines und Verfahren
bungsverbot nach § 60 Absatz 2 bis 5 oder Ab-
satz 7 vorliegt (§ 24 Absatz 2 AsylVfG); dies 60.0.1.0 § 60 Absatz 1 regelt das Abschiebungsverbot
gilt auch für die Entscheidung, ob nach § 60 für Flüchtlinge nach der Genfer Flücht-
Absatz 7 bei Vorliegen der gesetzlichen Vor- lingskonvention. Die Vorschrift legt die Vor-
aussetzungen von der Abschiebung abgesehen aussetzungen der Flüchtlingseigenschaft fest.
wird. Die Ausländerbehörde entscheidet aller- Sie entspricht Artikel 33 Absatz 1 der Genfer
dings selbst über den späteren Eintritt oder Flüchtlingskonvention. Sie beinhaltet kein ge-
Wegfall des Abschiebungsverbots nach § 60 nerelles Verbot jeder Abschiebung eines
Absatz 4, ohne dass es einer Aufhebung der Flüchtlings, sondern nur eine Beschränkung
Entscheidung des Bundesamtes bedarf (§ 42 hinsichtlich der Zielstaaten. Die Schutzwirkung
Satz 2 AsylVfG). Liegen der Ausländerbehörde gilt auch für Drittstaaten, in denen die Gefahr
keine konkreten Anhaltspunkte für Abschie- der Abschiebung des Ausländers in einen Ver-
bungsverbote vor, obliegt es dem Ausländer, folgerstaat (Kettenabschiebung) besteht. § 60
entsprechende Umstände geltend zu machen Absatz 1 entfaltet keine Schutzwirkung in den
(§ 82 Absatz 1). Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 (Artikel 33 Ab-
satz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) bzw.
59.3.2 Im Übrigen besteht keine rechtliche Verpflich- Satz 2 (Artikel 1 F der Genfer Flüchtlings-
tung, vor Erlass der Abschiebungsandrohung konvention).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1165

60.0.1.1 Das Abschiebungsverbot gilt für Verfolgte sondere im Hinblick darauf maßgebend, ob
i. S. d. Artikels 33 der Genfer Flüchtlingskon- dem Ausländer
vention, unabhängig davon, ob ihnen die
Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Absatz 4 60.0.3.2.1 – nach unanfechtbarer Anerkennung als
AsylVfG zuerkannt worden ist oder nicht (de- Asylberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis
klaratorische Wirkung der Zuerkennung der nach § 25 Absatz 1 zu erteilen ist,
Flüchtlingseigenschaft). 60.0.3.2.2 – nach unanfechtbarer Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft eine Aufenthaltser-
60.0.1.2 § 60 Absatz 1 regelt ausschließlich das Ab-
laubnis gemäß § 25 Absatz 2 zu erteilen ist,
schiebungsverbot. Ob dem Verfolgten daneben
weitere Rechte zustehen, hängt maßgeblich von 60.0.3.2.3 – und danach ein Reiseausweis für Flüchtlinge
der förmlichen Zuerkennung der Flüchtlingsei- nach Artikel 28 Absatz 1 Genfer Flücht-
genschaft nach § 3 Absatz 4 AsylVfG ab. lingskonvention auszustellen ist.
60.0.1.3 § 60 Absatz 1 gilt auch für Asylberechtigte nach 60.0.3.3 Die vollziehbare Ablehnung eines Asylantrages
Artikel 16a Absatz 1 Satz 1 GG, ebenso für hat zur Folge, dass die nach § 58 Absatz 2 Satz 2
Ausländer, die nach Maßgabe des § 26 AsylVfG vollziehbare Ausreisepflicht gemäß §§ 58, 59
Familienasyl oder Familienflüchtlingsschutz durchzusetzen ist, wenn der Ausländer der
erhalten haben. Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommt.
60.0.2 § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 umfassen Gefahren, 60.0.3.4 Hinsichtlich der Unterrichtung des Bundes-
die dem Ausländer im Zielstaat drohen (so ge- amtes für Migration und Flüchtlinge über eine
nannte zielstaatsbezogene Abschiebungsver- Ausweisung wird auf Nummer 56.4.3.1 und
bote). Diese sind zu unterscheiden von Ge- 56.4.3.2 verwiesen. Zur Ausstellung eines Rei-
fahren, die allein durch die Abschiebung als seausweises für ausländische Flüchtlinge siehe
solche oder durch ein sonstiges Verlassen des Nummer 3.3.4.
Bundesgebiets und nicht durch die spezifischen
Verhältnisse im Zielstaat eintreten (so genannte 60.0.3.5 Die Entscheidung des Bundesamtes kann ge-
inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse). mäß § 60 Absatz 1 Satz 7 nur nach den Vor-
Beispiele für inlandsbezogene Vollstreckungs- schriften des AsylVfG angefochten werden.
hindernisse sind die Trennung der Familie 60.0.4 Verfahren zu § 60 Absatz 2 bis 5 und 7
durch Abschiebung eines Teils der Familienan-
gehörigen oder abschiebungsbedingte Gefahren 60.0.4.1 Soweit es sich nicht um Asylantragsteller han-
für die körperliche Unversehrtheit (vgl. Num- delt, ist von der Ausländerbehörde (§ 71 Ab-
mer 60a.2.1.1.2.1 und 60a.2.1.1.2.2). Dies gilt satz 1) das Vorliegen von Abschiebungsver-
unabhängig davon, ob ein Asylantrag gestellt boten nach § 60 Absatz 2 bis 5 und 7 zu prüfen.
wurde oder eine negative Entscheidung des Art und Umfang der Prüfung richten sich nach
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dem Vorbringen des Ausländers und sonstigen
über Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 2 konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen
bis 5 und 7 vorliegt. § 60 Absatz 4 enthält ein eines Abschiebungsverbots. Während des
Abschiebungsverbot bei einem Ausliefe- Asylverfahrens und nach seinem Abschluss ist
rungsersuchen oder einem mit der Ankündi- die Prüfung von Abschiebungsverboten nach
gung eines Auslieferungsersuchens verbun- § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 durch die Ausländer-
denen Festnahmeersuchen eines anderen Staa- behörde ausgeschlossen (vgl. § 24 Absatz 2
tes. AsylVfG). Soll die Abschiebung auf der
Grundlage einer vom Bundesamt erlassenen
60.0.3 Verfahren zu § 60 Absatz 1 Abschiebungsandrohung erfolgen, darf die
60.0.3.1 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländerbehörde nur noch das Vorliegen des
entscheidet auf Antrag (§§ 5, 13 AsylVfG) über Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 4 prü-
die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fen (§ 42 Satz 2 AsylVfG). Macht der Aus-
(§ 3 Absatz 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Absatz 1 länder, nachdem das Bundesamt bzw. das Ver-
Satz 6). Die Entscheidung umfasst auch die waltungsgericht über den späteren Eintritt eines
Sachverhalte, in denen trotz bestehender Ver- Abschiebungsverbotes nach § 60 Absatz 2 bis 5
folgung die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzu- oder Absatz 7 entschieden hat, wegen Ände-
erkennen ist (§ 3 Absatz 2 und 3 AsylVfG, § 60 rung der Sachlage erneut zielstaatsbezogene
Absatz 8). Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 2, 3, 5
oder Absatz 7 geltend, so verweist ihn die Aus-
60.0.3.2 Die Entscheidung des Bundesamtes über den länderbehörde an das Bundesamt. Zum Vor-
Asylantrag und das Vorliegen von Abschie- bringen eines Asylgesuchs siehe Num-
bungsverboten ist für die Ausländerbehörde mer 58.0.8. Eine entsprechende Prüfung er-
verbindlich (§§ 4, 42 AsylVfG). Dies gilt nicht übrigt sich, wenn der Ausländer in einen
für das Verfahren nach § 58a (siehe Num- Drittstaat, der zu seiner Übernahme ver-
mer 58a.3). Für die in § 60 Absatz 1 Satz 2 pflichtet ist, abgeschoben werden kann. § 60
(Nummer 60.1.1.1) genannten ausländischen Absatz 2, 3, 5 und 7 verbietet die Abschiebung
Flüchtlinge gilt das Abschiebungsverbot des nur in den Staat, in dem dem Ausländer die ge-
§ 60 Absatz 1 Satz 1. Die asylrechtliche Ent- nannte Gefahr droht, ebenso die Abschiebung
scheidung ist für die Ausländerbehörde insbe- in einen Drittstaat, in dem eine Weiter-
Seite 1166 GMBl 2009 Nr. 42– 61

schiebung in den Verfolgerstaat droht (Ket- Bundesamtes hinsichtlich des Wiederaufgrei-


tenabschiebung). fens des Verfahrens. In diesen Fällen hat die
Ausländerbehörde § 59 Absatz 4 zu berück-
60.0.4.2 Die Ausländerbehörde entscheidet nach § 79 sichtigen, wenn kein Asylfolgeantrag oder kein
Absatz 1 auf der Grundlage der ihr vor- Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu
liegenden und im Bundesgebiet zugänglichen § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7 gestellt wird.
Erkenntnisse und, soweit es im Einzelfall er- Das Bundesamt prüft auch im Falle der Rück-
forderlich ist, der den deutschen Auslands- nahme eines Asylantrags, ob Abschiebungsver-
vertretungen zugänglichen Erkenntnisse. Sie bote gemäß § 60 Absatz 2 bis 5 oder Absatz 7
entscheidet nur nach vorheriger Beteiligung des vorliegen (§ 32 AsylVfG).
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
(§ 72 Absatz 2). 60.0.4.6 Das Bundesamt unterrichtet die Ausländer-
behörde über den Widerruf eines Abschie-
60.0.4.3 Die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung wird bungsverbots nach § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Ab-
begrenzt durch §§ 82, 59 Absatz 4. § 59 Ab- satz 7 (vgl. auch § 40 AsylVfG).
satz 4 Satz 1, 1. Halbsatz schließt für die Aus-
länderbehörde die Berücksichtigung von Um- 60.0.4.7.1 Mit § 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2 werden die
ständen zwingend aus, die vor Eintritt der Un- Bestimmungen zum subsidiären Schutz in der
anfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung im Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April
Zielstaat eingetreten sind. Es liegt in der Mit- 2004 über Mindestnormen für die Anerken-
wirkungspflicht des Ausländers, Umstände, die nung und den Status von Drittstaatsange-
ausschließlich den persönlichen Lebensbereich hörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder
betreffen, geltend zu machen. Von der Aus- als Personen, die anderweitig internationalen
länderbehörde können insbesondere Lagebe- Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu
richte und Stellungnahmen des Auswärtigen gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 S. 12, so
Amtes oder – in Fällen des § 60 Absatz 4 – der genannte Qualifikationsrichtlinie) in das deut-
zuständigen Justizbehörde eingeholt werden. In sche Recht übertragen. Die allgemeinen Be-
Fällen des § 60 Absatz 3 kann auch beim Bun- stimmungen der Richtlinie zum internationalen
deskriminalamt Auskunft erbeten werden, ob Schutz (Kapitel II) gelten auch für den sub-
dort Erkenntnisse über ein in der betreffenden sidiären Schutz (§ 60 Absatz 11, siehe nachfol-
Angelegenheit veranlasstes internationales gend Nummer 60.11.0). Damit sind die Richt-
Fahndungsersuchen vorliegen. linienbestimmungen z. B. über die nichts-
taatliche Verfolgung auch im Rahmen der
60.0.4.4 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Prüfung von Abschiebungsverboten zu be-
ist nach Asylantragstellung des Ausländers für achten.
die Entscheidung zuständig, ob ein Abschie-
bungsverbot nach § 60 Absatz 2 bis 5 oder Ab- 60.0.4.7.2 Zwischen den europarechtlichen (§ 60 Ab-
satz 7 vorliegt (§ 5 Absatz 1 Satz 2 AsylVfG, satz 2, 3 und 7 Satz 2 in Bezug auf das Her-
§ 24 Absatz 2AsylVfG, § 31 Absatz 3 Satz 1 kunftsland) und den nationalen subsidiären
AsylVfG). Im Verfahren nach § 18a AsylVfG Schutzbestimmungen (§ 60 Absatz 5) und 7
wirkt sich die Feststellung des Bundesamtes in Satz 1 sowie § 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2 in
Bezug auf das Vorliegen eines Abschiebungs- Bezug auf Länder, die nicht zugleich das Her-
verbots i. S. v. § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7 kunftsland des Antragstellers darstellen) ist klar
auf die von der Grenzbehörde verfügte Ein- zu unterscheiden, da die beiden Kategorien
reiseverweigerung aus (§ 18a Absatz 3 zum Teil unterschiedliche Rechtsfolgen nach
AsylVfG), wenn nicht ein zur Aufnahme ver- sich ziehen. Während bei subsidiärer Schutz-
pflichteter verfolgungssicherer Staat oder ein gewährung auf der Basis nationaler Schutz-
sicherer Drittstaat (§ 26a AsylVfG) für die Ab- bestimmungen nur eine Aufenthaltserlaubnis
schiebung in Betracht kommt. gewährt werden soll (§ 25 Absatz 3 Satz 1), be-
steht bei Anwendung der europarechtlichen
60.0.4.5 Ist nach Maßgabe des AsylVfG das Bundesamt Bestimmungen ein Anspruch auf die Aufent-
für die Entscheidung über das Vorliegen von haltserlaubnis (Artikel 24 Absatz 2 der Qualifi-
Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 2 bis 5 kationsrichtlinie). Ebenso finden bei richt-
und 7 zuständig, ist die Ausländerbehörde an linienkonformer Auslegung die Ausschluss-
die Entscheidung des Bundesamtes für Migra- gründe des § 25 Absatz 3 Satz 2 1. und 2.
tion und Flüchtlinge oder des Verwaltungsge- Alternative („mögliche und zumutbare Aus-
richtes gebunden (§ 42 Satz 1 AsylVfG). Dies reise“, „wiederholter oder gröblicher Verstoß
gilt auch bei einer nachträglichen Änderung der gegen Mitwirkungspflichten“) bei den europa-
Verhältnisse (Ausnahme § 60 Absatz 4, § 42 rechtlichen subsidiären Schutzbestimmungen
Satz 2 AsylVfG), da es Sache des Bundesamtes keine Anwendung. Die europarechtlichen sub-
ist, einer solchen Änderung durch eine neue sidiären Schutzbestimmungen sind, da sie wei-
Entscheidung Rechnung zu tragen (vgl. § 73 tergehende Rechte vermitteln, vorrangig vor
Absatz 3 AsylVfG). Wird gegenüber der Aus- den nationalen Bestimmungen zu prüfen.
länderbehörde geltend gemacht, eine vom Bun-
desamt zu § 60 Absatz 2, 3, 5 oder Absatz 7 ge- 60.0.4.8 Bei einer länderübergreifenden Bedeutung des
troffene Feststellung sei zu ändern, verweist die Falles, etwa wegen Bezügen zum internatio-
Ausländerbehörde auf die Zuständigkeit des nalen Terrorismus, ist im Rahmen der Fest-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1167

stellung zielstaatsbezogener Abschiebungsver- 60.1.3 § 60 Absatz 1 Satz 4 ist an den Wortlaut des
bote auch zu prüfen, ob über das Bundes- Artikels 6 der Qualifikationsrichtlinie an-
ministerium des Innern die Möglichkeit der gelehnt. Hierdurch wird klargestellt, dass die
Einholung diplomatischer Zusicherungen des Voraussetzungen des Satzes 1 auch bei nichts-
Zielstaats besteht und ob damit eine Gefähr- taatlicher Verfolgung vorliegen können.
dung ausgeschlossen werden kann (vgl. hierzu
60.1.4 § 60 Absatz 1 Satz 3 und § 60 Absatz 1 Satz 4
insbesondere Nummer 60.2.1 und 60.2.2).
gehen den Richtlinienbestimmungen über die
60.0.4.9 In den Fällen des § 60 Absatz 2, 3, 5 oder geschlechtsspezifische bzw. nichtstaatliche
Absatz 7 soll dem Ausländer gemäß § 25 Ab- Verfolgung insoweit vor, als Erstere günstigere
satz 3 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wer- Regelungen (geschlechtsspezifische Verfol-
den, sofern nicht einer der dort genannten gung) bzw. spezifischere Regelungen (nichts-
Ausschlussgründe vorliegt. Bei der Entschei- taatliche Verfolgung) enthalten. Die Richt-
dung über das Vorliegen von Ausschluss- linienbestimmungen sind daher nur ergänzend
gründen nach § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe anzuwenden.
a) bis d) ist das Bundesamt für Migration und 60.1.5 Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach
Flüchtlinge zu beteiligen (§ 72 Absatz 2). Wird Satz 1 vorliegt, ist Artikel 4 Absatz 4 sowie die
die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, ist dem Artikel 7 bis 10 der Qualifikationsrichtlinie an-
Ausländer nach § 60a Absatz 4 eine Be- zuwenden (§ 60 Absatz 1 Satz 5).
scheinigung über die Aussetzung der Ab-
schiebung zu erteilen.
60.2 Gefahr der Folter oder der unmenschlichen
oder erniedrigenden Behandlung oder
60.1 Flüchtlingsrechtliche Verfolgung Bestrafung (§ 60 Absatz 2)
60.1.1.1 Nach § 60 Absatz 1 Satz 2 ist das Abschie- 60.2.1 § 60 Absatz 2 umfasst Artikel 15 Buchstabe b)
bungsverbot auf folgende förmlich anerkannte der Qualifikationsrichtlinie. Die Vorschrift
Flüchtlinge anwendbar, ohne dass Verfol- setzt eine individuell-konkrete Gefahr der Fol-
gungsgründe erneut geprüft werden müssten: ter oder unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung oder Bestrafung voraus. Die Re-
60.1.1.1.1 – Asylberechtigte nach Artikel 16a Absatz 1 gelung schützt vor schweren Menschen-
GG, rechtsverletzungen im Abschiebungszielstaat,
60.1.1.1.2 – Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft wobei es im Einzelnen auf die Dauer, Schwere
nach § 3 Absatz 4 AsylVfG unanfechtbar und Art des drohenden Eingriffs ankommt. Als
zuerkannt wurde, schwere Menschenrechtsverletzungen kommen
besonders entwürdigende oder in die körper-
60.1.1.1.3 – Ausländer, die aus einem anderen Grund im liche Integrität eingreifende Bestrafungen in
Bundesgebiet die Rechtsstellung aus- Betracht, z. B. Auspeitschungen oder Amputa-
ländischer Flüchtlinge genießen, und tionsstrafen. Nicht jede Beeinträchtigung der
körperlichen Integrität ist Folter oder un-
60.1.1.1.4 – die sonstigen im Ausland als Flüchtlinge menschliche oder erniedrigende Behandlung
i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention aner- oder Bestrafung in diesem Sinne (z. B. Ohr-
kannten Ausländer. feige). Der Eingriff kann sowohl von staatlichen
wie von nichtstaatlichen Stellen ausgehen (vgl.
60.1.1.2 Bei den im Ausland anerkannten Flüchtlingen
§ 60 Absatz 11 i. V. m. Artikel 6 der Qualifika-
ist maßgeblich, dass sie sich gegenüber der
tionsrichtlinie).
Ausländerbehörde mit einem gültigen aus-
ländischen Reiseausweis für Flüchtlinge aus- 60.2.2 Werden Menschenrechtsverletzungen aus den
gewiesen haben. Bestehen im Einzelfall Zweifel in § 60 Absatz 1 Satz 1 genannten Gründen
an der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, (Rasse, Religion usw.) geltend gemacht, sind
kommt eine Rückfrage beim Hohen Flücht- diese im Rahmen des Asylverfahrens zu prüfen.
lingskommissar oder beim Bundesamt für Mi- In Zweifelsfällen (vgl. Nummer 60.1.2) ist im-
gration und Flüchtlinge in Betracht. mer auf die Möglichkeit der Asylantragstellung
beim Bundesamt hinzuweisen.
60.1.2 Durch § 60 Absatz 1 Satz 3 wird klargestellt,
dass der Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit 60.2.3 Soweit vom Zielstaat eine diplomatische Zu-
zu einer bestimmten sozialen Gruppe gegeben sicherung des Inhalts erlangt werden kann, dem
sein kann, wenn die Verfolgungshandlung allein Betreffenden werde bei Rückkehr keine Be-
an das Geschlecht anknüpft, wie z. B. in Fällen handlung i. S. v. § 60 Absatz 2 drohen, kann dies
drohender Genitalverstümmelung oder in Fäl- der ursprünglichen Annahme einer beachtli-
len schwerer häuslicher Gewalt. Gemeinsames chen Gefahr i. S. v. § 60 Absatz 2 entgegen-
Merkmal einer bestimmten sozialen Gruppe stehen. Dabei muss gewährleistet sein, dass sich
kann auch die sexuelle Ausrichtung sein (vgl. die zuständigen Stellen des Zielstaats an die
Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d) Satz 2 der Zusicherung halten.
Qualifikationsrichtlinie). Relevant als Verfol-
60.2.4 Zu den weiteren Tatbestandsmerkmalen siehe
gungshandlung ist nur die Bedrohung des Le-
Nummer 60.11.
bens, der körperlichen Unversehrtheit oder der
Freiheit. 60.2.5 Im Übrigen siehe Nummer 60.0.4.7.2.
Seite 1168 GMBl 2009 Nr. 42– 61

60.3 Gefahr der Todesstrafe dafür vorgesehenen Frist übersandt worden


sind. Gleiches gilt, wenn eine Auslieferung al-
60.3.1 § 60 Absatz 3 setzt Artikel 15 Buchstabe a) der
lein aus Gründen unterbleibt, die vor allem
Qualifikationsrichtlinie in das deutsche Recht
zwischenstaatlichen Belangen dienen (vgl. z. B.
um. Für die Schutzgewährung nach dieser Vor-
§§ 3, 5 und 11 IRG).
schrift ist eine drohende Verhängung oder
Vollstreckung der Todesstrafe erforderlich. Die 60.4.3 Eine Abschiebung kann trotz laufenden Aus-
drohende Verhängung der Todesstrafe ist auch lieferungsverfahrens stattfinden, wenn die für
dann ausreichend, wenn die Vollstreckung der die Bewilligung der Auslieferung zuständige
Todesstrafe offen oder nicht wahrscheinlich ist. Behörde (§ 74 IRG, § 60 Absatz 4) zustimmt.
Dieser Weg kann sich in den Fällen empfehlen,
Die Todesstrafe kann i. d. R. nur von Staaten
in denen die Abschiebung das einfachere und
verhängt oder vollstreckt werden. Im Einzelfall
schnellere Verfahren zur Aufenthaltsbeendi-
kommt eine Verhängung oder Vollstreckung
gung darstellt.
der Todesstrafe auch bei tatsächlicher Herr-
schaftsmacht in Betracht. Dies setzt aber
Strukturen voraus, die mit einem Staatsgefüge 60.5 Abschiebungsverbote nach der Europäischen
vergleichbar sind. Vor allem ist die Existenz Menschenrechtskonvention (EMRK)
eines funktionierenden, nicht notwendiger- 60.5.1 Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5
weise rechtsstaatlichen Rechtssystems er- i. V. m. den Bestimmungen der EMRK liegt vor,
forderlich. Die Gefahr der Todesstrafe kann wenn der Abschiebung ein Hindernis ent-
zudem nur in einem Staat oder Herrschafts- gegensteht, das sich aus einem Schutztatbestand
gefüge bestehen, der die Todesstrafe in seiner dieser Konvention ergibt. Dabei handelt es sich
Rechtsordnung verankert hat. um Rechtsgutsgefährdungen, die in dem für die
60.3.2 Im Rahmen der Feststellung eines Abschie- Abschiebung in Betracht kommenden Zielstaat
bungsverbots nach Absatz 3 ist ggf. zu prüfen, drohen (so genannte zielstaatsbezogene Ab-
ob nicht die Möglichkeit besteht, durch eine schiebungsverbote).
entsprechende diplomatische Zusicherung die 60.5.2 Nach Artikel 3 EMRK darf niemand der Folter
Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder unmenschlicher oder erniedrigender Be-
auszuschließen. strafung oder Behandlung unterworfen werden.
60.3.3 Zu den weiteren Tatbestandsmerkmalen siehe Die Vorschrift stimmt im Grundsatz mit § 60
Nummer 60.11. Absatz 2 überein, soweit es um die Art und
Schwere der erforderlichen Eingriffshand-
60.3.4 Im Übrigen siehe Nummer 60.0.4.7.2. lungen geht. Danach ist ein zielgerichteter Ein-
griff erforderlich, der zugleich eine schwere
60.4 Auslieferungsersuchen Menschenrechtsverletzung darstellt. Zu be-
achten ist dabei aber, dass – anders als bei § 60
60.4.1 Bei der Auslieferung handelt es sich um die Absatz 2 – die Qualifikationsrichtlinie auf Ar-
Verbringung des Ausländers in die Hoheits- tikel 3 EMRK nicht anwendbar ist (vgl. § 60
gewalt eines anderen Staates auf dessen Er- Absatz 11). Vielmehr erfolgt die Anwendung
suchen. § 60 Absatz 4 geht davon aus, dass bis von § 60 Absatz 5 i. V. m. Artikel 3 EMRK nach
zur Entscheidung über die Auslieferung eine wie vor nach Maßgabe der Rechtsprechung
Abschiebung des Ausländers nur mit Zustim- des Bundesverwaltungsgerichts. Nach dieser
mung der für die Auslieferung zuständigen Rechtsprechung ist die Vorschrift nur im Falle
Stelle stattfinden kann. Zur Prüfung des in § 60 staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Ein-
Absatz 4 genannten Abschiebungsverbots kann griffshandlungen anwendbar. Insoweit besteht
sich die Ausländerbehörde darauf beschränken, ein wesentlicher Unterschied zu § 60 Absatz 2.
ob ihr eine Mitteilung nach § 87 Absatz 4 Satz 2
zugegangen ist oder der Ausländer ent- 60.5.3 Für die Beurteilung, ob stichhaltige Gründe für
sprechende Nachweise vorlegt (§ 82 Absatz 1). eine dem Artikel 3 EMRK zuwiderlaufenden
Die Ausländerbehörde wird über den Antritt Behandlung vorliegen, sind sowohl die all-
der Auslieferungshaft und den Entlassungster- gemeine Lage im Zielstaat wie auch die persön-
min unterrichtet (§ 74 Absatz 2 Nummer 1 und lichen Umstände beachtlich. Die Vorschrift
3 AufenthV). schützt nicht vor:
60.4.2 Wird das Auslieferungsersuchen abgelehnt, so 60.5.3.1 – den allgemeinen Folgen von Naturkata-
ist zu prüfen, ob die Gründe, die zu einer Ab- strophen, Bürgerkriegen, anderen be-
lehnung geführt haben, auch einer Abschiebung waffneten Konflikten oder sonstigen all-
entgegenstehen. Dies ist häufig der Fall, wenn gemeinen Missständen im Zielstaat (vgl. § 60
die Auslieferung wegen Fehlens eines rechts- Absatz 7 Satz 2 und 3) sowie
staatlichen Verfahrens im Herkunftsland, we-
60.5.3.2 – sonstigen nicht auf einer Eingriffshandlung
gen der Gefahr einer politischen Verfolgung
beruhenden Gefahren (z. B. im Herkunfts-
oder wegen drohender Todesstrafe verweigert
staat nicht behandelbare Krankheiten).
worden ist. Dies ist dagegen nicht der Fall,
wenn die Auslieferung nur aus formalen Grün- 60.5.4 Im Übrigen kann eine Beeinträchtigung anderer
den abgelehnt worden ist, zum Beispiel, weil die als in Artikel 3 EMRK verbürgter, von allen
Auslieferungsunterlagen nicht innerhalb der Vertragsstaaten als grundlegend anerkannter
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1169

Menschenrechtsgarantien ein Abschiebungs- eine unmenschliche oder erniedrigende Bestra-


verbot nach § 60 Absatz 5 auslösen, wenn diese fung darstellt (§ 60 Absatz 2), z. B. wenn es sich
Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern be- um Körperstrafen – wie etwa die Amputation
droht sind. Dies ist nur in krassen Fällen anzu- von Gliedmaßen nach der Scharia – handelt.
nehmen, d. h. wenn die drohenden Beeinträch- Eine unmenschliche oder erniedrigende Bestra-
tigungen von ihrer Schwere her dem vergleich- fung kann im Einzelfall auch vorliegen, wenn
bar sind, was wegen menschenunwürdiger die Strafe grob unverhältnismäßig ist, weil zwi-
Behandlung zu einem Abschiebungsverbot schen begangener Tat und drohender Strafe ein
nach Artikel 3 EMRK führt. Bei der Abschie- drastisches Missverhältnis besteht. Erwartet
bung in einen anderen Vertragsstaat der EMRK den Ausländer im Zielstaat eine wesentlich
ist als weitere Einschränkung zu beachten, dass härtere Bestrafung als dies dort in vergleich-
ein Abschiebungsverbot nur dann angenom- baren Fällen der Fall ist, kann dies nach den
men werden kann, wenn dem Ausländer nach Umständen des Einzelfalles ein Indiz dafür
seiner Abschiebung schwere und irreparable sein, dass die Bestrafung nicht oder nicht allein
Misshandlungen drohen und effektiver Rechts- der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern
schutz – auch durch den Europäischen Ge- politischen Zwecken dient. In diesen Fällen ist
richtshof für Menschenrechte – nicht oder nicht zu prüfen, ob nicht eine asyl- oder flüchtlings-
rechtzeitig zu erreichen ist. rechtlich relevante Bestrafung vorliegt, für de-
ren Beurteilung das Bundesamt für Migration
60.5.5 Die Auswirkung aufenthaltsbeendender Maß- und Flüchtlinge zuständig ist.
nahmen auf das Recht auf Familien- und Pri-
vatleben nach Artikel 8 EMRK ist als inlands- 60.6.3 In Fällen, in denen eine Bestrafung droht, weil
bezogenes Vollstreckungshindernis im Rahmen der Ausländer sich dem Wehrdienst entzogen
von § 60a Absatz 2 von der Ausländerbehörde, hat, um nicht an der Begehung von Kriegs-
nicht aber als zielstaatsbezogenes Abschie- verbrechen, Verbrechen gegen die Mensch-
bungsverbot zu beachten. lichkeit i. S. d. internationalen Vertragswerke
oder anderer in Artikel 12 Absatz 2 Qualifika-
60.5.6 Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Ab-
tionsrichtlinie aufgeführten Handlungen teil-
satz 5 i. V. m. Artikel 6 EMRK (Garantie auf ein
nehmen zu müssen, ist Artikel 9 Absatz 2
faires Verfahren) kommt nur in Betracht, wenn
Buchstabe e) der Qualifikationsrichtlinie zu
dem Betroffenen im Abschiebungszielstaat Be-
beachten. Nach der Wertung dieser Vorschrift
einträchtigungen drohen, die einen äußersten
kann eine Bestrafung in diesen Fällen auch eine
menschenrechtlichen Mindeststandard unter-
flüchtlingsrelevante Verfolgung sein, da nie-
schreiten und in einen absolut geschützten
mand dazu verpflichtet werden darf, schwere
menschenrechtlichen Kernbereich eingreifen.
Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Der
Auch der Europäische Gerichtshof für Men-
gleiche Grundsatz gilt auch für die subsidiäre
schenrechte hat ein Abschiebungsverbot auf
Schutzgewährung. Daher ist darauf zu achten,
Grund von Artikel 6 EMRK nur ausnahms-
dass die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen
weise in Fällen für denkbar gehalten, in denen
Wehrdienstentziehung aus den o. g. Gründen
der Betroffene im Abschiebungszielstaat eine
nicht mit einer Bestrafung im herkömmlichen
offenkundige Verweigerung eines fairen Pro-
Sinne (§ 60 Absatz 6) gleichgesetzt wird.
zesses erfahren musste oder hierfür ein Risiko
besteht.
60.7 Humanitäre Abschiebungsverbote und
Abschiebungsverbot im Rahmen bewaffneter
60.6 Gefahr der Strafverfolgung und Bestrafung
Konflikte
in einem anderen Staat
60.7.1.1 § 60 Absatz 7 Satz 1 setzt eine individuell-kon-
60.6.1 Die Ahndung kriminellen Unrechts in einem
krete Gefahr in einem anderen Staat voraus.
anderen Staat begründet i. d. R. noch kein Ab-
Begünstigt sind nur Ausländer, die von einem
schiebungsverbot. Eine Abschiebung ist regel-
Einzelschicksal betroffen sind.
mäßig nicht ausgeschlossen, wenn ein Aus-
länder 60.7.1.2 Nach § 60 Absatz 7 Satz 1 ist die Abschiebung
in der Regel verboten. Soweit das Bundesamt
60.6.1.1 – der allgemeinen Gefahr der Strafverfolgung
für Migration und Flüchtlinge für die Fest-
und Bestrafung (z. B. wegen Steuerhint-
stellung dieses Abschiebungsverbotes zuständig
erziehung) in einem anderen Staat oder
ist, prüft es auch, ob ein atypischer Fall vorliegt,
60.6.1.2 – der konkreten Gefahr einer nach der in dem ausnahmsweise abgeschoben werden
Rechtsordnung eines anderen Staates ge- kann.
setzmäßigen Bestrafung ausgesetzt ist.
60.7.1.3 § 60 Absatz 7 Satz 1 erfasst zielstaatsbezogene
60.6.2 Eine drohende Bestrafung in einem anderen Gefahren, die nicht bereits unter § 60 Absatz 2,
Staat begründet dann ein Abschiebungsverbot, 3 oder Absatz 5 fallen und die einzelne Aus-
wenn damit zugleich die Voraussetzungen von länder konkret und in individualisierbarer
§ 60 Absatz 2, 3 oder Absatz 5 erfüllt werden. Weise betreffen. Im Unterschied zu § 60 Ab-
Dies ist der Fall bei drohender Verhängung oder satz 2, 3 und 5 setzt § 60 Absatz 7 Satz 1 keine
Vollstreckung der Todesstrafe (§ 60 Absatz 3) Eingriffshandlungen voraus. Z. B. kann auch
oder wenn die Bestrafung als solche Folter oder die Gefahr einer wesentlichen Gesundheits-
Seite 1170 GMBl 2009 Nr. 42– 61

verschlechterung ein Abschiebungsverbot nach die ärztliche Behandlung die Krankheitssym-


§ 60 Absatz 7 Satz 1 begründen, falls diese we- ptome soweit abklingen und andererseits sich
gen der spezifischen Verhältnisse im Her- die Umstände im Herkunftsland so verändern
kunftsland besteht und ihr nicht durch ent- können, dass eine Rückkehr zu einem späteren
sprechende Behandlungsmöglichkeiten be- Zeipunkt ohne die zunächst befürchteten ge-
gegnet werden kann; ebenso können extreme sundheitlichen Gefährdungen vertretbar sein
existenzielle Notlagen zu einem Abschie- kann. Bei der Verlängerung der Aufenthaltser-
bungsverbot führen. Zu beachten ist allerdings laubnis ist daher stets § 26 Absatz 2 zu be-
die Sperrwirkung von § 60 Absatz 7 Satz 3 (vgl. achten. Vor der Erteilung und vor jeder Ver-
Nummer 60.7.3.1). längerung der Aufenthaltserlaubnis ist das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu
60.7.1.3.1 Die Gefahr, dass sich die Krankheit eines aus- beteiligen.
reisepflichtigen Ausländers in seinem Heimat-
staat verschlimmert, weil die Behandlungs- 60.7.1.3.4 Wird eine Erkrankung mitgeteilt, die nicht zur
möglichkeiten dort unzureichend sind, kann ein Feststellung eines Abschiebungsverbots nach
Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 7 Satz 1 § 60 Absatz 7 Satz 1 aus gesundheitlichen
darstellen. Erheblich ist die Gefahr, wenn sich Gründen geführt hat, ist anhand der vor-
der Gesundheitszustand aufgrund des rück- gelegten ärztlichen Atteste und gegebenenfalls
führungsbedingten Abbruchs einer notwendi- ergänzenden Stellungnahmen lediglich zu be-
gen und (auch in Anspruch genommenen) urteilen, ob die Abschiebung ggf. mit ärztlicher
medizinischen Behandlung wegen einer unzu- oder anderweitiger Begleitung durchgeführt
reichenden oder nicht zugänglichen Behand- werden kann oder ein tatsächliches krank-
lungsmöglichkeit im Heimatland wesentlich heitsbedingtes Hindernis dem Vollzug der
oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wür- Abschiebung entgegensteht (vgl. Num-
de. Auch insoweit ist die Sperrwirkung des mer 60a.2.1.1.2.2).
Absatzes 7 Satz 3 (vgl. Nummer 60.7.3) zu be-
rücksichtigen. 60.7.2.1 § 60 Absatz 7 Satz 2 setzt Artikel 15 Buchstabe
c) der Qualifikationsrichtlinie in das deutsche
60.7.1.3.2 Die in § 59 Absatz 4 festgelegte Verpflichtung Recht um. Er regelt die Schutzgewährung we-
bzw. eröffnete Möglichkeit, in bestimmten Fäl- gen Gefahren im Zusammenhang mit inter-
len Umstände, die einer Abschiebung ent- nationalen oder internen bewaffneten Kon-
gegenstehen könnten, unberücksichtigt zu las- flikten. Liegen die Voraussetzungen vor, dann
sen, kann bei verfassungskonformer Auslegung besteht ein Abschiebungsverbot. Bei der Aus-
für Fälle schwerster Gesundheitsgefährdung bis legung der Vorschrift ist § 60 Absatz 11 zu be-
hin zur Lebensgefahr keine Anwendung finden. achten. Darüber hinaus ist auf die künftige
Es obliegt aber den Betroffenen, durch ein Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
ärztliches Attest oder eine ärztliche Stellung- richts und des Europäischen Gerichtshofes zu
nahme des behandelnden Arztes die bestehen- achten.
den Erkrankungen, die zu einem Abschie-
bungsverbot führen können, zur Überzeugung 60.7.2.2 Die Vorschrift setzt das Bestehen eines inter-
der Ausländerbehörde zu belegen. Welche An- nationalen oder innerstaatlichen bewaffneten
forderungen an derartige Bescheinigungen zu Konflikts voraus. Als internationaler Konflikt
stellen sind, ergibt sich zunächst aus der Art der wird eine bewaffnete Auseinandersetzung zwi-
geltend gemachten Erkrankung. Für die Ent- schen zwei oder mehreren Staaten bezeichnet.
scheidungserheblichkeit vorgelegter Atteste Der Begriff innerstaatlicher Konflikt entspricht
oder Stellungnahmen ist die inhaltliche Nach- dem Begriff nicht-internationaler Konflikt und
vollziehbarkeit von Bedeutung. Um zu aus- setzt eine bewaffnete Auseinandersetzung zwi-
sagekräftigen ärztlichen Stellungnahmen zu schen einem Staat und organisierten be-
kommen, ist es oftmals unerlässlich, konkrete waffneten Gruppen oder zwischen organisier-
Fragen zu formulieren, insbesondere hinsicht- ten Gruppen voraus. Die Auslegung der Be-
lich der voraussichtlichen Dauer der Erkrank- griffe internationaler und innerstaatlicher
ung und der Art und Dauer einer möglichen bewaffneter Konflikt erfolgt in Anlehnung an
Therapie. völkerrechtliche Grundsätze. Innerstaatliche
Konflikte setzen ein bestimmtes Maß an Inten-
60.7.1.3.3 Gegebenenfalls ist eine Überprüfung durch sität und Dauerhaftigkeit voraus. Typische Bei-
einen unabhängigen Gutachter erforderlich. Als spiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen
Gutachter kommen in der Regel nur appro- und Guerillakämpfe. Innere Unruhen und
bierte Ärzte (u. a. Amtsärzte), Psycho- Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auf-
therapeuten, Fachärzte für Psychiatrie und tretende Gewalttaten und andere ähnliche
Psychotherapie, Rechtspsychologen und foren- Handlungen zählen noch nicht dazu. Für die
sische Psychiater in Betracht. Gutachter und Feststellung, ob ein innerstaatlicher be-
behandelnder Arzt oder Psychologe dürfen waffneter Konflikt vorliegt, findet kriminelle
nicht identisch sein. Der Betroffene muss sein Gewalt keine Berücksichtigung, zumindest
Einverständnis zu der Begutachtung erklären. dann nicht, wenn sie von am Konflikt unbe-
Die Anerkennung eines Abschiebungsverbots teiligten Dritten unter Ausnutzung der Kon-
aus gesundheitlichen Gründen begründet noch fliktsituation verübt wird (siehe auch Num-
kein Daueraufenthaltsrecht, da einerseits durch mer 25.3.8.1.0). Der innerstaatliche Konflikt
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1171

muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet er- z. B. allgemeine Gefahren im Zusammenhang
strecken. Es genügt, wenn die Kampfhand- mit Hungersnöten oder Naturkatastrophen
lungen auf eine bestimmte Region beschränkt (§ 60 Absatz 7 Satz 3). In diesen Fällen obliegt
sind. Soweit es sich um regional begrenzte es den obersten Landesbehörden, durch den
Konflikte handelt, ist immer das Bestehen einer Erlass einer gruppenbezogenen Abschie-
internen Schutzmöglichkeit in anderen Lan- bungsstoppregelung nach § 60a Absatz 1
desteilen zu prüfen. Schutz zu gewähren. Ist ein Ausländer auf
Grund einer allgemeinen Gefahrenlage ge-
60.7.2.3 Die Vorschrift schützt nur die Zivilbevölke-
fährdet und wurde wegen dieser Gefahr kein
rung, nicht aber Angehörige der Streitkräfte der
Abschiebungsstopp erlassen, ist § 60 Absatz 7
Konfliktparteien oder Personen, die in son-
verfassungskonform (Artikel 1 Absatz 1, Arti-
stiger Weise aktiv an den Kämpfen beteiligt
kel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 GG) auszulegen.
sind.
Danach liegt bei einer extremen Gefährdung
60.7.2.4 Für die Anwendung des § 60 Absatz 7 Satz 2 des Ausländers, wenn dieser gleichsam sehen-
reicht nicht schon das Bestehen eines be- den Auges dem Tode oder schweren Men-
waffneten Konflikts aus. Ein innerstaatlicher schenrechtsverletzungen ausgesetzt werden
bewaffneter Konflikt hat normalerweise nicht würde, ein Abschiebungsverbot vor, die
eine solche Gefahrendichte, dass alle Be- Sperrwirkung des § 60 Absatz 7 Satz 3 greift
wohner des betroffenen Gebietes ernsthaft nicht ein.
persönlich betroffen sind. Vielmehr handelt es 60.7.3.2 Hinsichtlich § 60 Absatz 7 Satz 2 greift die
sich um eine Ausnahmesituation mit einer be- Sperrwirkung des Satzes 3 bei richtlinien-
sonders dichten Gefahrenlage. Erforderlich ist, konformer Auslegung der Norm nicht.
dass die den Konflikt kennzeichnende Gewalt
ein so hohes Niveau erreicht, dass ein Ange-
60.8 Ausschluss des Abschiebungsschutzes nach
höriger der Zivilbevölkerung bei einer Rück-
§ 60 Absatz 1
kehr in das betreffende Land oder die be-
treffende Region allein durch seine Anwesen- Absatz 8 enthält Ausnahmen vom flüchtlings-
heit in diesem Gebiet an Leib oder Leben rechtlichen Abschiebungsschutz. Das Bundes-
gefährdet ist (vgl. EuGH, Urteil vom amt für Migration und Flüchtlinge prüft im
17. Februar 2009, Rs. C-465/07 – Elgafaji, Rn Rahmen des Asylverfahrens das Vorliegen der
35 ff.). Grundsätzlich ist die erforderliche Voraussetzungen von Absatz 8. § 60 Absatz 8
Verfolgungsdichte mit der Verfolgungsdichte lässt die Abschiebungsverbote nach § 60 Ab-
vergleichbar, wie sie bei einer Gruppenverfol- satz 2 bis 5 und 7 unberührt.
gung vorliegen muss. Nicht erforderlich sind
dagegen spezifische, gegen den Antragsteller 60.9 Abschiebung bei möglicher politischer
gerichtete Eingriffshandlungen. Liegen Letz- Verfolgung
tere vor, reicht in der Regel ein geringerer
Grad an Gewalt für die Anwendung von § 60 Das flüchtlingsrechtliche Abschiebungsverbot
Absatz 7 Satz 2. Derartige individuelle ge- und die insoweit geltende Ausnahmeregelung
fahrerhöhende Momente können sich z. B. aus nach § 60 Absatz 8 gelten auch für Asylbe-
der Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen werber. Absatz 9 enthält daher eine Ausnahme
oder religiösen Gruppen oder zu bestimmten von dem Grundsatz, dass ein Asylantragsteller
Berufsgruppen ergeben. Allgemeine Lebens- nicht abgeschoben werden darf. § 60 Absatz 2
gefahren, die lediglich Folge des bewaffneten bis 5 und Absatz 7 bleiben unberührt. Hin-
Konflikts sind – etwa eine dadurch bedingte sichtlich der Ausweisung von Asylantragstel-
Verschlechterung der Versorgungslager –, sind lern wird auf Nummer 56.4, hinsichtlich der
hingegen bei der Bemessung der Ge- Abschiebungsanordnung auf Nummer 58a.3
fahrendichte nicht einzubeziehen. verwiesen.

60.7.2.5 Geschützte Rechtsgüter sind das Leben und die 60.10 Abschiebung
körperliche Unversehrtheit. § 60 Absatz 7
Satz 2 findet daher regelmäßig keine Anwen- 60.10.1 Liegen die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8
dung bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, vor, kann sich der Ausländer nicht auf flücht-
z. B. bei Internierungen durch die Kon- lingsrechtlichen Abschiebungsschutz berufen.
fliktparteien. Soweit Internierungen allerdings Die Ausländerbehörde hat aber vor der Ab-
mit einer erniedrigenden oder unmenschlichen schiebung von Amts wegen zu prüfen, ob
Behandlung einhergehen, können die Voraus- Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 2 bis 5
setzungen für ein Abschiebungsverbot nach oder Absatz 7 vorliegen. Diese Prüfung ob-
§ 60 Absatz 2 vorliegen. liegt dem Bundesamt, wenn ein Asylverfahren
durchgeführt wird oder wurde. Die Aus-
60.7.2.6 Im Übrigen siehe Nummer 60.0.4.7.2. länderbehörde ist in diesem Fall an die Ent-
scheidung des Bundesamtes gebunden (§ 42
60.7.3.1 § 60 Absatz 7 Satz 1 findet auch bei Vorliegen
AsylVfG).
einer konkreten und individualisierbaren Ge-
fahr grundsätzlich keine Anwendung, wenn 60.10.2 In der Abschiebungsandrohung sind die Staaten
die Gefahr eine Vielzahl von Personen im zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht ab-
Herkunftsland in gleicher Weise betrifft, so geschoben werden darf.
Seite 1172 GMBl 2009 Nr. 42– 61

60.11 Verweis auf die Bestimmungen der Richtlinie des Staatsgebiets beherrschen, ist kein aus-
2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 schließlich quantitativer Maßstab anzu-
(ABl. EU Nummer L 304 S. 12, so genannte legen. Es muss nicht der flächenmäßig
Qualifikationsrichtlinie) überwiegende Teil des Staatsgebiets be-
herrscht werden, vielmehr genügt es, wenn
60.11.0 § 60 Absatz 11 verweist auf einzelne Be-
über ein größeres Gebiet die effektive Ge-
stimmungen in der Qualifikationsrichtlinie, die
bietskontrolle ausgeübt wird.
bei der Prüfung der Abschiebungsverbote nach
§ 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2 zu beachten sind. 60.11.3.1.3 – von nichtstaatlichen Akteuren, sofern staat-
Zu den in Bezug genommenen Richtlinienbe- liche oder quasistaatliche Stellen oder inter-
stimmungen im Einzelnen: nationale Organisationen erwiesenermaßen
60.11.1 Gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie indi- nicht in der Lage oder nicht Willens sind,
zieren einmal erlittene Eingriffe, die die Vor- Schutz zu gewähren.
aussetzungen von § 60 Absatz 2, 3 oder Ab-
Als nichtstaatliche „Verfolger“ kommen
satz 7 Satz 2 erfüllen, eine weiterhin bestehende
grundsätzlich auch Einzelpersonen im Be-
Gefährdung des Betroffenen. Für die Annahme
tracht. In diesen Fällen ist sorgfältig zu prü-
einer Gefährdung genügt die Glaubhaftma-
fen, ob Schutzmöglichkeiten im Herkunfts-
chung der behaupteten Eingriffe durch den
land, etwa durch den Staat oder auf Grund
Antragsteller. Die in der Vergangenheit er-
einer inländischen Fluchtalternative vor-
folgten Eingriffshandlungen entfalten jedoch
handen sind. An das Vorhandensein einer
keine Indizwirkung im Hinblick auf eine zu-
Schutzmöglichkeit sind keine erhöhten Be-
künftige Gefährdung, wenn sich zwischenzeit-
weisanforderungen zu stellen. Es ist nicht
lich die Bedingungen grundsätzlich geändert
erforderlich, dass der Vollbeweis über die
haben, z. B. weil die frühere Gefahr aufgrund
Schutzmöglichkeit im Herkunftsland er-
eines Regimewechsels nicht mehr besteht. Für
bracht wird; vielmehr reicht es aus, wenn
den Wegfall der Gefahr trägt die Ausländer-
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ange-
behörde bzw. das Bundesamt die Beweislast.
nommen werden kann, dass ein derartiger
Eine Indizwirkung der früheren Eingriffs-
Schutz besteht. Die Einbeziehung inter-
handlung besteht auch dann nicht, wenn die
nationaler Organisationen trägt dem Ge-
frühere Gefahr weggefallen und gleichzeitig
danken Rechnung, dass etwa auch im Rah-
eine neue, von der früheren unabhängige Ge-
men friedensstiftender Aktionen der Völ-
fahr entstanden ist. In diesen Fällen muss der
kergemeinschaft Schutz gewährt werden
Antragsteller glaubhaft machen, dass ihm mit
kann.
beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, 60.11.3.2 Die Anwendung von § 60 Absatz 2, 3 und 7
die Todesstrafe oder eine erhebliche in- Satz 2 setzt immer einen Gefährdungsakteur im
dividuelle Gefahr i. S. v. § 60 Absatz 7 Satz 2 obigen Sinne voraus. Fehlt es daran, kommt
droht. eine Schutzgewährung nach diesen Vorschriften
60.11.2 Artikel 5 Absatz 1 und 2 der Richtlinie stellt nicht in Betracht, so etwa wenn die Gefährdung
klar, dass auch Ereignisse, die nach dem Ver- auf Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen
lassen des Herkunftslandes eingetreten sind, beruht. In diesen Fällen kann Abschiebungs-
zur Schutzgewährung nach § 60 Absatz 2, 3 schutz nur über § 60 Absatz 7 Satz 1 erlangt
und 7 Satz 2 führen können. Es kann sich dabei werden.
um Ereignisse im Zielstaat oder außerhalb da-
60.11.4.0 Artikel 7 der Richtlinie legt fest, wer im Ziel-
von handeln, die den Ausländer bei seiner
staat dafür in Betracht kommt, Schutz zu ge-
Rückkehr in den Zielstaat gefährden würden,
währen (Artikel 7 Absatz 1) und welche Vor-
z. B. nach Verlassen des Herkunftslandes ent-
aussetzungen erfüllt sein müssen, damit von
flammter Bürgerkrieg.
einem wirksamen Schutz im Zielstaat aus-
60.11.3.1 Artikel 6 der Richtlinie benennt abschließend gegangen werden kann (Artikel 7 Absatz 2).
die möglichen Verursacher einer Gefährdung. Liegen die Voraussetzungen nach Artikel 7 vor,
Eine Gefährdung kann danach ausgehen: ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 2,
3 und 7 Satz 2 ausgeschlossen. Dies ist immer
60.11.3.1.1 – vom Staat. Dazu zählen staatliche Stellen bezogen auf den Einzelfall zu prüfen.
oder andere Stellen, deren Handeln dem
Staat zurechenbar ist. 60.11.4.1 Zum Kreis derer, die im Zielstaat Schutz ge-
währen können, gehören neben dem Staat auch
60.11.3.1.2 – von Parteien und Organisationen, die das
Parteien und Organisationen einschließlich in-
Staatsgebiet oder einen wesentlichen Teil
ternationaler Organisationen, sofern sie den
davon beherrschen.
Staat oder einen wesentlichen Teil davon be-
Darunter fallen Parteien und Organisatio- herrschen. Nichtstaatliche Akteure, die nicht
nen mit staatsähnlicher Herrschaftsmacht zugleich über quasistaatliche Macht verfügen,
(quasistaatliche Herrschaftsstrukturen), die kommen nicht als Schutzakteure in Betracht.
sie in einem wesentlichen Teil des Staatsge- Dies gilt insbesondere auch für Einzelpersonen.
biets ausüben. Für die Frage, ob Parteien Hinreichender Schutz ist daher dann nicht ge-
oder Organisationen einen wesentlichen Teil geben, wenn er nur durch z. B. Familienange-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1173

hörige oder Leibwächter sichergestellt werden vor, wenn die Rückkehr oder Rückführung z. B.
könnte. wegen fehlender Verkehrsverbindungen oder
fehlender Dokumente nicht möglich ist.
60.11.4.2.1 Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie stellt klar, dass
Schutz durch den Staat oder die fraglichen Or-
ganisationen nur dann gewährleistet ist, wenn 60a Zu § 60a – Vorübergehende Aussetzung der
diese in geeigneter Weise gegen mögliche Abschiebung (Duldung)
Bedrohungen vorgehen, z. B. durch geeignete
Rechtsvorschriften, Strafverfolgungsmaßnah- 60a.1 Anordnung der Aussetzung von
men oder präventive Schutzmaßnahmen. Die Abschiebungen durch die oberste
zu erwartenden Schutzmaßnahmen müssen ef- Landesbehörde
fektiv und für den Bedrohten auch zugänglich
sein. Eine absolute Schutzgarantie ist aber nicht 60a.1.0 § 60a Absatz 1 Satz 1 ermächtigt die oberste
Voraussetzung. Landesbehörde, die Abschiebung bestimmter
Ausländergruppen für die Dauer von längstens
60.11.4.2.2 Hinsichtlich der Frage, ob internationale Or- sechs Monaten auszusetzen. Ziel der Regelung
ganisationen einen Staat oder wesentliche Teile ist es, den obersten Landesbehörden eine all-
davon beherrschen, sind die in den (künftigen) gemeine Schutzgewährung für bestimmte Aus-
einschlägigen Rechtsakten des Rates der Euro- ländergruppen ohne Rücksicht auf das Vor-
päischen Gemeinschaften aufgestellten Leit- liegen einer individuellen Gefährdung zu er-
linien zu beachten. möglichen, um humanitären Schutz in
besonderen Lagen bieten zu können.
60.11.5.0 Artikel 8 der Richtlinie schließt die Schutz-
gewährung nach § 60 Absatz 2, 3 und 7 Satz 2 60a.1.1.1 Für entsprechende Entscheidungen sind neben
aus, wenn an einem Ort im Herkunftsland humanitären Kriterien außen- und innen-
Schutz gefunden werden kann (interne Schutz- politische Erwägungen ausschlaggebend. Es
möglichkeit). handelt sich um eine politische Entscheidung,
die einer gerichtlichen Überprüfung allenfalls
60.11.5.1 Nach Absatz 1 setzt die interne Schutz-
im Hinblick auf Willkür oder andere zwin-
möglichkeit voraus, dass am Zufluchtsort keine
gende verfassungsrechtliche Gesichtspunkte
Gefährdung durch die in Artikel 6 genannten
zugänglich ist. Bei der Bestimmung des er-
Akteure droht und von dem Ausländer ver-
fassten Personenkreises ist die oberste Landes-
nünftigerweise erwartet werden kann, dass er
behörde dem entsprechend frei, eine Ein-
sich in diesem Landesteil aufhält. Dies setzt
grenzung nach persönlichen und sachlichen
auch voraus, dass der Ausländer am Zu-
Kriterien (z. B. Zugehörigkeit zu einer be-
fluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage
stimmten Bevölkerungsgruppe, regionale Her-
vorfindet, d. h. es muss zumindest das Exi-
kunft, aber auch Ausschlussgründe wie z. B.
stenzminimum gewährleistet sein. Fehlt es an
Straffälligkeit) vorzunehmen.
einer Existenzgrundlage, ist eine interne
Schutzmöglichkeit nicht gegeben. Dies gilt 60a.1.1.2 Bei einer Entscheidung nach § 60a Absatz 1
auch, wenn im Herkunftsgebiet die Lebens- sind vor allem Gefahren nach § 60 Absatz 7
verhältnisse gleichermaßen schlecht oder Satz 1 oder Satz 2 zu berücksichtigen, denen die
schlechter sind. Darüber hinaus ist auch er- Bevölkerung oder eine bestimmte Bevölke-
forderlich, dass das Zufluchtsgebiet für den rungsgruppe im Herkunftsstaat allgemein aus-
Ausländer erreichbar ist. gesetzt ist und die deshalb kein zielstaats-
bezogenes Abschiebungshindernis im jewei-
60.11.5.2 Absatz 2 legt die Prüfkriterien für die Tatbe-
ligen Einzelfall zu begründen vermögen, vgl.
standsvoraussetzungen nach Absatz 1 fest. Für
§ 60 Absatz 7 Satz 3. Zur Vereinfachung des
die Frage, ob der Ausländer vor Verfolgung si-
Verfahrens kann aber eine entsprechende Re-
cher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage
gelung auch dann erlassen werden, wenn die
besteht, kommt es danach allein auf die all-
erfassten Personengruppen ganz oder teilweise
gemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet
als Einzelpersonen einen Anspruch auf Ab-
und die persönlichen Umstände des Ausländers
schiebungsschutz wegen Vorliegens in-
an. Die Voraussetzungen für den internen
dividueller Abschiebungshindernisse hätten.
Schutz müssen im Zeitpunkt der Entscheidung
über den Schutzantrag vorliegen. Dies gilt auch 60a.1.2 Eine Aussetzungsanordnung begründet keine
für die Frage der Erreichbarkeit des Zu- unmittelbaren Rechtsansprüche auf Erteilung
fluchtsortes. Eine interne Schutzmöglichkeit einer Duldung. Es handelt sich um eine intern
liegt daher auch dann vor, wenn sie zwar im ermessensbindende Entscheidung. Es besteht
Zeitpunkt der Ausreise noch nicht bestanden lediglich Anspruch auf Gleichbehandlung nach
hat oder nicht erreichbar war, diese Voraus- Maßgabe der von der obersten Landesbehörde
setzungen aber im Zeitpunkt der Entscheidung gebilligten praktischen Anwendung der An-
gegeben sind. ordnung innerhalb des Bundeslandes.
60.11.5.3 Nach Absatz 3 stehen praktische Hindernisse 60a.1.3.1 Bei einem über sechs Monate hinausgehenden
für eine Rückkehr in das Herkunftsland der Zeitraum gelten im Wege der Rechtsgrund-
Annahme einer internen Schutzmöglichkeit verweisung die Voraussetzungen für die Auf-
nicht entgegen. Praktische Hindernisse liegen enthaltsgewährung durch die obersten Landes-
Seite 1174 GMBl 2009 Nr. 42– 61

behörden nach § 23 Absatz 1 (vgl. Num- bei Entscheidung über die Aufenthaltsbe-
mer 23.1). Dies bedeutet, dass im Interesse der endigung Berücksichtigung fanden, nach Maß-
Bundeseinheitlichkeit bei Überschreiten der gabe des § 59 Absatz 4 unberücksichtigt blei-
Sechs-Monats-Grenze Einvernehmen mit dem ben. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Er-
Bundesministerium des Innern herbeizuführen teilung einer Betretenserlaubnis zur Wahrung
ist (vgl. § 23 Absatz 1 Satz 3), d. h. es ist eine der Interessen des Ausländers ausreichend ist.
politische Verständigung über die Schutz-
gewährung zwischen Bund und Ländern er- 60a.2.0.3 Gegen die Versagung der Duldung findet nach
forderlich. Nicht nur eine Verlängerung über § 83 Absatz 2 kein Widerspruch statt. § 83 Ab-
sechs Monate hinaus löst das Einvernehmens- satz 2 findet jedoch in den Fällen des Widerrufs
erfordernis aus, sondern auch die mehrmalige keine Anwendung; der Widerspruch gegen den
allgemeine Aussetzung der Abschiebung, wenn Widerruf einer Duldung hat aufschiebende
die Zeiträume zusammen sechs Monate über- Wirkung.
schreiten. Eine Anordnung jenseits der Sechs- 60a.2.1 Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtli-
Monats-Grenze ohne Einvernehmen des Bun- chen oder tatsächlichen Gründen, § 60a Ab-
desministeriums des Innern ist nur dann mög- satz 2 Satz 1
lich, wenn diese eine andere Personengruppe
begünstigt. Eine Änderung der Begründung bei 60a.2.1.1 Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtli-
Beibehaltung der ursprünglichen Rechtsfolgen chen Gründen
macht die Zustimmung des Bundesminis- 60a.2.1.1.1 Eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus
teriums des Innern nicht entbehrlich. Das Bun- rechtlichen Gründen kommt z. B. in Betracht,
desministerium des Innern soll über die Er- wenn
teilung des für die Verlängerung erforderlichen
Einvernehmens inhaltlich entscheiden, wenn elf 60a.2.1.1.1.1 – ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot
Bundesländer dies beantragen. nach § 60 Absatz 1 oder Absatz 2 bis 5 oder
Absatz 7 besteht,
60a.1.3.2 Auch bei erstmaliger Anordnung eines Ab-
schiebungsstopps soll ein Bundesland im Inter- 60a.2.1.1.1.2 – ein inlandsbezogenes Vollstreckungshin-
esse der Bundeseinheitlichkeit die Regelung dernis besteht,
nach § 60a Absatz 1 nur nach Konsultation mit
60a.2.1.1.1.3 – die Staatsanwaltschaft oder die Zeugen-
dem Bundesministerium des Innern und den
schutzdienststelle ein nach § 72 Absatz 4
Innenministerien/-senatsverwaltungen der üb-
erforderliches Einvernehmen zur Abschie-
rigen Länder anwenden.
bung noch nicht erteilt oder verweigert hat,
60a.1.3.3 Auf Grund der Rechtsgrundverweisung auf 60a.2.1.1.1.4 – die Abschiebung durch richterliche Anord-
§ 23 Absatz 1 kann bei einem über sechs Mo- nung ausgesetzt ist.
nate hinausgehenden Abschiebungsstopp die
Vollzugsaussetzung von der Abgabe einer Ver- 60a.2.1.1.2 Zu den unter Nummer 60a.2.1.1.1.2 genannten
pflichtungserklärung nach § 68 abhängig ge- inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen
macht werden (§ 23 Absatz 1 Satz 2). gehören etwa:
60a.2.1.1.2.1 – unzumutbare Beeinträchtigungen des
60a.2 Gesetzliche Duldungsgründe Rechts auf Wahrung des Ehe- und Fami-
60a.2.0.1 Ein Anspruch auf eine Duldung besteht, wenn lienlebens im Bundesgebiet mit dort aufent-
eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsäch- haltsberechtigten Familienangehörigen. Die
lichen Gründen nicht möglich ist (§ 60a Ab- Trennung minderjähriger Kinder von beiden
satz 2 Satz 1). Gleiches gilt, wenn die vorüber- personensorgeberechtigten Eltern ist z. B.
gehende Anwesenheit des Ausländers im Bun- i. d. R. mit Artikel 6 GG/Artikel 8 EMRK
desgebiet für ein Strafverfahren wegen eines nicht vereinbar. Bei im Bundesgebiet ge-
Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder borenen oder seit frühester Kindheit in
dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, Deutschland lebenden Ausländern (so ge-
weil ohne seine Angaben die Erforschung des nannte Ausländer der zweiten Generation)
Sachverhalts erschwert wäre (§ 60a Absatz 2 kann die Abschiebung im Einzelfall unver-
Satz 2). Darüber hinaus kann eine Duldung im hältnismäßig sein, wenn praktisch keine
Ermessenswege erteilt und erneuert werden, Bindungen mehr zum Staat der formellen
wenn dringende humanitäre oder persönliche Staatsangehörigkeit bestehen und der Be-
Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen troffene die dortige Sprache nicht spricht.
eine vorübergehende weitere Anwesenheit des Hier ist die Rechtsprechung des Euro-
Ausländers im Bundesgebiet erfordern (§ 60a päischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Absatz 2 Satz 3). zu den Anforderungen an die Verhält-
nismäßigkeit entsprechender Eingriffe zu
60a.2.0.2 Vorrangig zu prüfen ist, ob die Erteilung eines beachten. Artikel 6 GG/Artikel 8 EMRK
Aufenthaltstitels, insbesondere nach § 25, in stehen jedoch der Abschiebung eines Ehe-
Betracht kommt. Gleichermaßen müssen bei gatten nicht schon deshalb entgegen, weil
Prüfung der Voraussetzungen einer Duldung über den Asylantrag des anderen Ehegatten
Umstände, die bereits im Rahmen des Verfah- noch nicht rechtskräftig entschieden ist (vgl.
rens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. jedoch § 43 Absatz 3 AsylVfG). Ein Dul-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1175

dungsanspruch kann sich im Einzelfall etwa 60a.2.2.0 Satz 2 trifft eine allgemeine Regelung dahin-
auch aus einer unmittelbar bevorstehenden gehend, dass vollziehbar ausreisepflichtigen
Ehe mit einem Deutschen oder aufenthalts- Zeugen von Verbrechen, die für ein Straf-
berechtigten ausländischen Staatsange- verfahren benötigt werden, zwingend eine
hörigen (siehe Nummer 28, 30.0.6) ergeben Duldung zu erteilen ist.
oder aus dem Umstand, dass eine Aus-
60a.2.2.1 Bei Opfern von Menschenhandel ist vorrangig
länderin ein Kind erwartet, das qua Geburt
die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25
deutscher Staatsangehöriger ist.
Absatz 4a zu prüfen.
60a.2.1.1.2.2 – (vorübergehende) abschiebungsbedingte Ge- 60a.2.2.2 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen wird auf
fahren für die körperliche Unversehrtheit des Nummer 25.4a.2.1 verwiesen.
Ausländers. Vorrangig ist jedoch zu prüfen, ob
dem nicht durch entsprechende Vorkehrungen 60a.2.3 Ermessensduldung, § 60a Absatz 2 Satz 3
im Rahmen der Abschiebung Rechnung ge- 60a.2.3.0 § 60a Absatz 2 Satz 3 soll den Ausländerbehör-
tragen werden kann. den die Möglichkeit geben, die Abschiebung
60a.2.1.1.3 Demgegenüber stellen Anträge auf Ausstellung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen auszu-
eines Vertriebenenausweises oder auf Einbür- setzen, deren Aufenthaltszweck sich nicht zu
gerung kein rechtliches Abschiebungsverbot einem rechtlichen Abschiebungshindernis nach
dar. Absatz 2 Satz 1 verdichtet hat und in deren Fall
tatsächliche Abschiebungshindernisse nicht
60a.2.1.2 Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsäch- vorliegen, deren vorübergehender Aufenthalt
lichen Gründen, § 60a Absatz 2 Satz 1 jedoch aus dringenden humanitären oder per-
Eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus tat- sönlichen Gründen bzw. erheblichen öffentli-
sächlichen Gründen ist von Verzögerungen zu chen Interessen geboten ist. Damit soll Härten
unterscheiden, die sich aus verwaltungs- begegnet werden, die in der Praxis dadurch
organisatorischen Gründen bei Vorbereitung entstehen können, dass § 25 Absatz 4 Satz 1
der Abschiebung ergeben. Eine Duldung aus nicht auf vollziehbar ausreisepflichtige Aus-
tatsächlichen Gründen kommt z. B. in Betracht länder anwendbar ist.

60a.2.1.2.1 – wegen Reiseunfähigkeit im Krankheitsfall, 60a.2.3.1 Zur Beurteilung, ob dringende humanitäre oder
persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche
60a.2.1.2.2 – im Falle fortdauernder Passlosigkeit, wenn Interessen eine Anwesenheit des Ausländers im
nach den Erfahrungen der Ausländer- Bundesgebiet erfordern, wird auf die in Num-
behörde eine Abschiebung ohne Pass oder mer 25.4.1.4 bis 25.4.1.7, 25.4.2.4.1 bis 25.4.2.4.4
deutschen Passersatz nicht möglich ist oder dargelegten Grundsätze Bezug genommen.
ein Abschiebungsversuch gescheitert ist,
60a.2.1.2.3 – wenn die Verkehrswege für eine Abschie- 60a.2a Duldung wegen gescheiterter Zurück-
bung unterbrochen sind, schiebung/Abschiebung und Rückübernah-
mepflicht, § 60a Absatz 2a
60a.2.1.2.4 – wenn die sonstigen erforderlichen Papiere
(z. B. Durchbeförderungsbewilligung, Visa) 60a.2a.0 Zwischenstaatliche Vereinbarungen sowie die
nicht vorliegen oder das geeignete Ver- Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom
kehrsmittel noch nicht zur Verfügung 25. November 2003 über die Unterstützung bei
steht, der Durchbeförderung im Rahmen von Rück-
führungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU
60a.2.1.2.5 – wenn es sich um einen Staatenlosen oder Nummer L 321 S. 26, so genannte Durch-
einen anderen Ausländer handelt, dessen beförderungsrichtlinie) sehen vor, dass die Bun-
Aufnahme der Herkunftsstaat, z. B. nach desrepublik Deutschland im Falle gescheiterter
einem erfolglosen Abschiebungsversuch, Abschiebungen zur Rückübernahme ver-
verweigert hat (vgl. aber vorrangig § 60a pflichtet ist. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels
Absatz 2a). kommt auf Grund der fortbestehenden Aus-
60a.2.1.3 Unbeschadet der Ausführungen zu Num- reiseverpflichtung nicht in Betracht. Absatz 2a
mer 60a.2.1.1 und 60a.2.1.2 haben die Aus- sieht daher zur kurzfristigen Statusregelung die
länderbehörden, soweit in Individualbeschwer- Erteilung einer Duldung für eine Woche vor.
deverfahren vorläufige Maßnahmen des Euro- 60a.2a.1 Für die Aussetzung der Abschiebung nach
päischen Gerichtshofs für Menschenrechte § 60a Absatz 2a sind die mit der polizeilichen
gemäß Artikel 39 seiner Verfahrensordnung, Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs
des Menschenrechtsausschusses der Vereinten beauftragten Behörden zuständig, § 71 Ab-
Nationen gemäß Artikel 92 seiner Verfahrens- satz 3 Nummer 2.
ordnung oder des Anti-Folter-Ausschusses der
60a.2a.2 Liegt eine Anordnung von Abschiebungshaft
Vereinten Nationen gemäß Artikel 108 Ab-
nach § 62 vor, ist keine Duldung zu erteilen,
satz 9 seiner Verfahrensordnung ergangen sind,
§ 60a Absatz 2a Satz 1. Allein auf Grund der
die obersten Landesbehörden zu befassen.
gescheiterten Abschiebung darf die Duldung
60a.2.2 Aussetzung der Abschiebung bei Zeugen von nicht verlängert werden, § 60a Absatz 2a Satz 2.
Verbrechen, die für ein Strafverfahren benötigt Die Verlängerung der Duldung durch die zu-
werden, § 60a Absatz 2 Satz 2 ständige Ausländerbehörde auf Grund eines
Seite 1176 GMBl 2009 Nr. 42– 61

anderen Tatbestandes als § 60a Absatz 2a Satz 1 länders zu erschweren und die Erfüllung der
ist hingegen möglich. Ausreisepflicht besser zu überwachen. Die
Vorschrift orientiert sich an § 56 AsylVfG.
60a.2a.3 Die Einreise ist zuzulassen, § 60a Absatz 2a
Hierdurch sollen vollziehbar Ausreisepflichtige
Satz 3.
gegenüber Asylbewerbern nicht besser gestellt
werden.
60a.3 Fortbestehen der Ausreisepflicht
61.1.1.1 Der Aufenthalt des vollziehbar ausreise-
Die Duldung gibt dem Ausländer kein Aufent- pflichtigen Ausländers ist kraft Gesetzes auf das
haltsrecht, der Aufenthalt bleibt vielmehr un- Gebiet des Landes beschränkt. Eine engere Be-
rechtmäßig und die Pflicht zur unverzüglichen schränkung des Aufenthalts, insbesondere auf
Ausreise besteht fort. Durch die Duldung wird den Bezirk der Ausländerbehörde, kann über
die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht § 61 Absatz 1 Satz 2 erfolgen. Eine länderüber-
berührt (vgl. § 58 Absatz 1, § 59 Absatz 3). Sie greifende Änderung der räumlichen Beschrän-
bezweckt auch, den Ausländer trotz der ihm kung – insbesondere wenn diese mit einer Ver-
obliegenden vollziehbaren Ausreisepflicht vor legung des Wohnortes verbunden ist – oder eine
der Strafbarkeit zu bewahren (vgl. § 95 Absatz 1 sonstige Änderung durch eine andere Aus-
Nummer 2). Bei dem Aufenthalt auf der länderbehörde, die die Maßnahme nicht an-
Grundlage einer Duldung handelt es sich nicht geordnet hat, ist unbeschadet landesrechtlicher
um einen ordnungsgemäßen Aufenthalt im völ- Zuständigkeitsregelungen nur im Einverneh-
kerrechtlichen Sinne und nicht um einen Auf- men mit den beteiligten Ausländerbehörden der
enthaltstitel i. S. d. Verordnung (EG) Num- betreffenden Länder zulässig. Der Umzug in
mer 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 ein anderes Bundesland darf nur im Ein-
zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur vernehmen mit der Ausländerbehörde des be-
Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prü- troffenen Landes ermöglicht werden.
fung eines von einem Drittstaatsangehörigen in
einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zu- 61.1.1.2 Eine Änderung der räumlichen Beschränkung
ständig ist (ABl. EU Nummer L 50, S. 1). kann aus dringenden familiären Gründen in
Betracht kommen (z. B. Hilfsbedürftigkeit,
60a.4 Bescheinigung minderjährige Kinder).

Für die Bescheinigung über die Aussetzung der Vor einer Änderung der räumlichen Beschrän-
Abschiebung ist das in den Anlagen D2a, D2b kungen oder Erteilung einer Duldung aus fa-
zur AufenthV abgedruckte Muster zu ver- miliären Gründen ist vorrangig zu prüfen, ob
wenden. die familiäre Lebensgemeinschaft im Ausland
(d. h. insbesondere in einem der Herkunfts-
60a.5 Abschiebung nach Erlöschen der Duldung staaten der Ehepartner) hergestellt werden
kann. Solange eine Aufenthaltsbeendigung aus-
Die Abschiebung des Ausländers nach Erlö- schließlich aus Gründen nicht möglich ist, die
schen der Duldung (Ablauf der Geltungsdauer, selbst zu vertreten sind (z. B. Identitätsver-
vollziehbarer Widerruf) setzt eine vollziehbare schleierung, Verhinderung der Beschaffung von
Abschiebungsandrohung voraus. Durch die Heimreisedokumenten), ist von einer Ände-
Erteilung einer Duldung entfällt die Abschie- rung der räumlichen Beschränkungen bzw. der
bungsandrohung nicht (§ 59 Absatz 3). Nach Erteilung einer Duldung abzusehen.
Erlöschen der Duldung muss daher die Ab-
schiebung nicht erneut angedroht werden. 61.1.2 Nach § 61 Absatz 1 Satz 2 liegt die Anordnung
Ebenso wenig braucht vor der Abschiebung weiterer Bedingungen und Auflagen im Er-
eine Ausreisefrist gesetzt zu werden (vgl. auch messen der Behörde. Der Ausländer kann durch
§ 50 Absatz 3). Bei der in § 60a Absatz 5 Satz 4 Auflage etwa verpflichtet werden, in einer be-
genannten Frist von einem Monat für die An- stimmten Gemeinde oder in einer bestimmten
kündigung der Abschiebung handelt es sich um Unterkunft zu wohnen. Aber auch weitere
eine Mindestfrist, die bis zum Erlöschen der Maßnahmen (z. B. Melde- und Anzeige-
Duldung durch Widerruf reicht. Gleiches gilt pflichten) sind zulässig, soweit diese der Über-
im Fall der Erneuerung der Duldung für mehr wachung, Kontrolle und Ausreiseförderung
als ein Jahr. Der Zeitraum kann auch durch vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer die-
mehrere nacheinander erteilte ununterbrochene nen.
Duldungen erreicht werden. Die Ankündi- 61.1.3 § 61 Absatz 1 Satz 3 sieht eine Lockerung der
gungspflicht gilt nicht für das anstehende Er- räumlichen Beschränkung nach Absatz 1 Satz 1
löschen durch Ablauf der Geltungsdauer. vor, damit Geduldete den ihnen eingeräumten
gleichrangigen Arbeitsmarktzugang zur Auf-
nahme einer Beschäftigung auch überregional
61 Zu § 61 – Räumliche Beschränkung nutzen können. Das Einvernehmen der Aus-
länderbehörde des durch die Lockerung be-
61.1 Räumliche Beschränkung und
troffenen Landes ist erforderlich, wenn hier-
Nebenbestimmungen
durch (mangels Residenzpflicht gemäß Satz 2)
61.1.1 § 61 Absatz 1 ermöglicht es, das Untertauchen die Verlegung des Wohnortes in das Gebiet des
eines vollziehbar ausreisepflichtigen Aus- anderen Landes ermöglicht ist.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1177

61.1.4 Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer andauert. Eine Freiheitsentziehung ohne vor-
das vorübergehende Verlassen des Landes oder herige richterliche Anordnung ist nur in ge-
des Aufenthaltsorts der räumlichen Beschrän- setzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig.
kung erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich
wenn hieran ein dringendes öffentliches Inter- herbeizuführen (Artikel 104 Absatz 2 Satz 2
esse besteht, zwingende Gründe es erfordern GG). Eine vorläufige Ingewahrsamnahme zur
oder die Versagung eine unbillige Härte be- Sicherung der Haftanordnung ist in § 62 Ab-
deuten würde (§ 12 Absatz 5, vgl. Num- satz 4 geregelt (Nummer 62.4).
mer 12.5.2.2 f.).
62.0.1 Die Beantragung von Abschiebungshaft ist
61.1.5 Verstöße gegen eine räumliche Beschränkung nach § 62 sowohl zur Vorbereitung der Aus-
sind bußgeldbewehrt (§ 98 Absatz 3 Nummer 2 weisung (Absatz 1) als auch zur Sicherung der
und 4) und bei wiederholtem Verstoß strafbe- Abschiebung (Absatz 2) möglich. In jedem Fall
wehrt (§ 95 Absatz 1 Nummer 7). Auf Num- darf Abschiebungshaft nur beantragt und an-
mer 95.1.7.4 wird hingewiesen. geordnet werden, wenn die Abschiebung ohne
die Inhaftierung wesentlich erschwert oder
61.1a Räumliche Beschränkung in Fällen des § 60a vereitelt würde.
Absatz 2a
62.0.2 Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen im Rah-
Bei Erteilung einer Duldung nach § 60a Ab- men der Abschiebung ist zu berücksichtigen,
satz 2a ist der Aufenthalt auf den Bezirk der dass das aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 GG ab-
zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im In- zuleitende Beschleunigungsgebot die Behörden
land zu beschränken (§ 61 Absatz 1a Satz 1). verpflichtet, die Abschiebung eines in Abschie-
Soweit der zuständigen Grenzbehörde (§ 71 bungshaft befindlichen Ausländers mit größt-
Absatz 3 Nummer 2) die zuletzt zuständige möglicher Schnelligkeit zu betreiben. Verzöge-
Ausländerbehörde nicht bekannt ist, da diese rungen des Verfahrens von behördlicher Seite
zunächst nicht feststellbar oder nicht vor- können einen Haftantrag gegenstandslos
handen ist, ist das Verfahren nach § 15a an- machen bzw. zur Unzulässigkeit der Haft-
wendbar (§ 61 Absatz 1a Satz 3). fortdauer führen. Abschiebungshaft ist nur
solange zulässig, wie sinnvolle Maßnahmen zur
61.2 Ausreiseeinrichtungen Vorbereitung der Abschiebung getroffen wer-
den können.
Die Vorschrift ermöglicht es den Ländern aus-
drücklich, Ausreiseeinrichtungen zu schaffen. 62.0.3 Das Verfahren über die Anordnung der
Soweit sie hiervon Gebrauch machen, können Abschiebungshaft richtet sich gemäß § 106 Ab-
sie vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer auf satz 2 Satz 1 nach dem FamFG. Sachlich
Grund der Ermächtigung in Absatz 1 ver- zuständig für die Anordnung der Abschie-
pflichten, darin zu wohnen. Ausreiseein- bungshaft ist das Amtsgericht (§ 23a Absatz 1
richtungen dienen als offene Einrichtung der Nummer 2 GVG). Örtlich zuständig nach
Unterbringung von Personen, die keine oder § 416 Satz 1 FamFG ist das Amtsgericht, in
unzutreffende Angaben zu ihrer Identität und dessen Bezirk der Ausländer seinen gewöhn-
Staatsangehörigkeit machen und/oder die Mit- lichen Aufenthalt hat. Fehlt es an einem ge-
wirkung bei der Beschaffung von Heimreise- wöhnlichen Aufenthalt, ist das Amtsgericht
dokumenten verweigern. Die Unterbringung zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis für
in einer zentralen Gemeinschaftsunterkunft die Freiheitsentziehung entsteht (z. B. Ort der
ermöglicht eine intensive, auf eine Lebens- Festnahme; § 416 Satz. 1 FamFG). In Eilfällen
perspektive außerhalb des Bundesgebiets ge- ist auch das Amtsgericht einstweilen zuständig,
richtete psycho-soziale Betreuung; sie stellt in dessen Bezirk das Bedürfnis der Anordnung
gegenüber der Abschiebungshaft ein milderes entsteht (§ 50 Absatz 2 FamFG). Für die An-
Mittel dar. Die intensive Betreuung soll zur ordnung von Abschiebungshaft als so genannte
Förderung der Bereitschaft zur freiwilligen Überhaft ist das Amtsgericht zuständig, in des-
Ausreise oder zur notwendigen Mitwirkung bei sen Bezirk die Haftanstalt ist (§ 416 Satz 2
der Beschaffung von Heimreisedokumenten FamFG).
beitragen. Darüber hinaus ist die gezielte Bera-
62.0.3.0 Zuständig für die Festnahme des Ausländers
tung über die bestehenden Programme zur
sowie für die Beantragung der Abschiebungs-
Förderung der freiwilligen Rückkehr möglich.
haft (§ 417 Absatz 1 FamFG) sind – unbe-
schadet des Verwaltungsvollstreckungsrechts
der Länder – die Ausländerbehörden (§ 71 Ab-
62 Zu § 62 – Abschiebungshaft
satz 1 – zur örtlichen Zuständigkeit vgl. Num-
62.0 Allgemeines und Verfahren mer 71.1.2), daneben die Polizeien der Länder
(§ 71 Absatz 5) sowie die mit der Kontrolle des
62.0.0 Ein Ausländer darf grundsätzlich nicht ohne grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten
richterliche Entscheidung in Abschiebungshaft Behörden (§ 71 Absatz 3 Nummer 1). Zur Fra-
genommen werden (vgl. Artikel 104 Absatz 2 ge der Zuständigkeit der Polizeien der Länder
Satz 1 GG, § 62 Absatz 2). Dies gilt auch dann, für die Festnahme des Ausländers wird auf die
wenn eine Freiheitsentziehung nur kurzfristig Nummer 71.5 verwiesen. In unaufschiebbaren
Seite 1178 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Fällen ist die Ausländerbehörde eines anderen dung des Haftantrags sind zudem folgende Ge-
Landes für die Beantragung der Haft zuständig, sichtspunkte maßgebend:
in deren Bezirk sich die Notwendigkeit der
Maßnahme ergibt. 62.0.3.2.1 – dass der Ausländer die Voraussetzungen für
eine Abschiebung nach § 58 erfüllt und ggf.
62.0.3.1 Ein Antrag auf Vorbereitungshaft nach § 62 bereits eine Abschiebungsandrohung oder
Absatz 1 ist nur zu stellen, wenn nach der Sach- Abschiebungsanordnung nach § 34a
und Rechtslage der Erlass einer Ausweisungs- AsylVfG ergangen ist,
verfügung erforderlich ist (siehe Nummer 62.1)
und die Haft verhältnismäßig ist. § 72 Absatz 4 62.0.3.2.2 – aus welchem Grund eine Abschiebung ge-
ist zu beachten. Ist von vornherein abzusehen, boten erscheint (§ 58),
dass eine Ausweisung nicht innerhalb von sechs 62.0.3.2.3 – dass einer Abschiebung keine Abschie-
Wochen ergehen kann, sind in dem Haftantrag bungsverbote (§ 60) oder nicht nur kurz-
die besonderen, von der Ausländerbehörde fristige andere Hindernisse entgegenstehen,
nicht zu vertretenden Umstände darzulegen, der Ausländer voraussichtlich innerhalb der
die ausnahmsweise eine Überschreitung der für nächsten drei Monate reisefähig ist und
den Regelfall vorgesehenen Höchstdauer der
Vorbereitungshaft rechtfertigen. Befindet sich 62.0.3.2.4 – weshalb die Haft zur Sicherung der Ab-
der Ausländer bereits in Vorbereitungshaft we- schiebung erforderlich ist (Haftgründe, vgl.
gen beabsichtigter Ausweisung und wurde die § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 5; § 62
Ausweisung danach verfügt (vgl. § 62 Absatz 1 Absatz 2 Satz 2).
Satz 3), ist nach Ablauf der angeordneten Haft-
62.0.3.3 Solange der Aufenthalt des Ausländers gestattet
dauer unter den Voraussetzungen des § 62 Ab-
ist (§ 55 AsylVfG), darf er außer in den Fällen
satz 2 Sicherungshaft zu beantragen. Eine Vor-
des § 14 Absatz 3 AsylVfG nicht in Haft ge-
bereitungshaft wird auf die Gesamtdauer der
nommen werden. Wird durch die Asylfolgean-
Sicherungshaft angerechnet (§ 62 Absatz 3
tragstellung lediglich ein vorübergehendes
Satz 3).
Vollstreckungshindernis bewirkt (§ 71 Absatz 4
Mit dem Antrag der Ausländerbehörde auf i. V. m. § 36 Absatz 3 Satz 8 AsylVfG) und wird
Vorbereitungshaft beim zuständigen Amtsge- ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt,
richt (§ 416 FamFG) soll die Akte des Aus- steht dies der Anordnung der Abschiebungshaft
länders vorgelegt werden (§ 417 Absatz 2 Satz 3 nicht entgegen (vgl. § 71 Absatz 8 AsylVfG,
FamFG). Für die Zulässigkeit ist der Antrag zu § 71a Absatz 2 Satz 3 AsylVfG). Die Verlänge-
begründen und hat Tatsachen zu den in § 417 rungsvorschrift des § 62 Absatz 3 Satz 2 gilt
Absatz 2 Satz 2 FamFG aufgeführten Voraus- auch für Asylfolgeantragsteller.
setzungen für die Anordnung der Haft zu ent-
62.0.3.4 Befindet sich der Ausländer in Sicherungshaft,
halten. Zudem sind darzulegen:
stellt ein anhängiges Verfahren auf vorläufigen
62.0.3.1.1 – die Gründe, die einer sofortigen Entschei- Rechtsschutz nach § 80 Absatz 5 VwGO oder
dung über die Ausweisung entgegenstehen, nach § 123 VwGO kein entgegenstehendes
dauerndes Hindernis dar. Wird dem Ausländer
62.0.3.1.2 – dass die Abschiebung ohne Inhaftnahme
auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung
wesentlich erschwert oder vereitelt würde
vorläufiger Rechtsschutz gewährt, wird er bis
und
zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens auf
62.0.3.1.3 – die Gründe für die beantragte Dauer der Anordnung der Ausländerbehörde aus der Haft
Haft. entlassen. In dem in § 80b Absatz 1 Satz 1 2.
Halbsatz VwGO genannten Zeitpunkt ist das
62.0.3.2 Sicherungshaft darf nur beantragt werden, Vorliegen von Haftgründen erneut zu prüfen.
wenn der Ausländer vollziehbar ausreisepflich-
tig ist, eine Ausreisefrist abgelaufen ist (§ 50 62.0.3.5 Die Befugnis, einen Ausländer auf Grund son-
Absatz 2) und keine Anhaltspunkte dafür vor- stiger gesetzlicher Bestimmungen vorläufig
liegen, dass er ausgereist ist. Bereits bei der An- festzunehmen (z. B. § 127 StPO) oder in Ge-
tragstellung ist zu prüfen, ob die beabsichtigte wahrsam (z. B. § 39 BPolG) zu nehmen, bleibt
Maßnahme mit dem Grundsatz der Ver- unberührt. Befindet sich der Ausländer bereits
hältnismäßigkeit vereinbar ist (§ 62 Absatz 2 im öffentlichen Gewahrsam, ist der Haftantrag
Sätze 3 und 4). Die Erforderlichkeit der Siche- unverzüglich zu stellen (vgl. § 428 Absatz 1
rungshaft setzt das Vorliegen von Haftgründen FamFG). Ordnet der Haftrichter des nach § 416
voraus (§ 62 Absatz 2 Satz 1 und 2). Satz 2 FamFG zuständigen Amtsgerichts Ab-
schiebungshaft an, geht der Gewahrsam in Ab-
Mit dem Antrag der Ausländerbehörde auf Si- schiebungshaft über.
cherungshaft beim zuständigen Amtsgericht
(§ 416 FamFG) soll die Akte des Ausländers 62.0.3.6 Die beantragte Dauer der Haft ist zu begrün-
vorgelegt werden (§ 417 Absatz 2 Satz 3 den. Die Ausländerbehörde hat Haft- und
FamFG). Als Voraussetzung für die Zulässig- Haftverlängerungsanträge so rechtzeitig zu
keit ist der Antrag zu begründen und hat Tat- stellen, dass die mündliche Anhörung des Aus-
sachen zu den in § 417 Absatz 2 Satz 2 FamFG länders vor der zu treffenden Entscheidung des
aufgeführten Voraussetzungen für die Anord- Haftrichters durchgeführt werden kann. Aus-
nung der Haft zu enthalten. Für die Begrün- nahmen sind zulässig, wenn die Voraussetzun-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1179

gen des § 420 Absatz 2 FamFG (Nachteile für Bei Familien mit minderjährigen Kindern soll
die Gesundheit des Anzuhörenden oder das i. d. R. nur Abschiebungshaft für einen Eltern-
Vorhandensein einer übertragbaren Krankheit) teil beantragt werden.
erfüllt sind; bei Gefahr im Verzug kann das
62.0.6 Für Ausgang, Beurlaubung, Freigang aus der
Gericht ohne Anhörung des Ausländers eine
Abschiebungshaft oder Unterbringung im of-
einstweilige Freiheitsentziehung anordnen
fenen Vollzug ist nach dem Gesetzeszweck kein
(§ 427 Absatz 2 FamFG). Hiervon ist auch Ge-
Raum.
brauch zu machen, wenn nach einer ange-
kündigten Überstellung nach Deutschland be- 62.0.7 Zur Anordnung von Abschiebungshaft gegen
absichtigt ist, den Ausländer unmittelbar in Unionsbürger siehe Nummer 7.1.4.2 und 7.2.4
Haft zu nehmen. Bei der Beantragung einer VwV-FreizügG/EU.
Verlängerung der Abschiebungshaft soll die
Akte des Ausländers vorgelegt werden. Für die 62.1 Vorbereitungshaft
Zulässigkeit des Antrages gelten die Voraus-
setzungen für die erstmalige Anordnung nach 62.1.1 Vorbereitungshaft ist nur dann zulässig, wenn
§§ 425 Absatz 3, 417 Absatz 2 FamFG entspre- nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlung
chend (siehe Nummer 62.0.3.2). Zudem ist zu der Erlass einer Ausweisungsverfügung recht-
begründen: lich möglich und mit hoher Wahrscheinlichkeit
zu erwarten ist, über die erforderliche Aus-
62.0.3.6.1 – welche Maßnahmen bisher zur Vorberei- weisung jedoch nicht sofort entschieden wer-
tung der Abschiebung getroffen wurden den kann. Vorbereitungshaft ist insbesondere
(mit Datum und konkreter Bezeichnung), dann zulässig, wenn die Ausweisung innerhalb
von sechs Wochen nach Antritt der Haft verfügt
62.0.3.6.2 – aus welchen Gründen die Abschiebung
und die Abschiebung in dieser Zeit durch-
während der bisherigen Haftdauer nicht
geführt werden kann. Außerdem ist erforder-
möglich war und
lich, dass die Abschiebung des Ausländers, die
62.0.3.6.3 – wann mit der Abschiebung voraussichtlich auf Grund der beabsichtigten Ausweisung
zu rechnen ist. vollzogen werden soll, rechtlich und tatsächlich
möglich ist und ohne die Vorbereitungshaft
62.0.4 Die Abschiebungshaft vollziehen die nach wesentlich erschwert oder vereitelt würde. Im
Landesrecht zuständigen Behörden (§ 422 Ab- Haftantrag sind die hierfür maßgebenden kon-
satz 3 FamFG). Diese Zuständigkeitsregelung kreten Umstände anzugeben (Nummer
lässt die Zuständigkeit des Amtsgerichts für die 62.0.3.1). Die unmittelbar bevorstehende Ent-
gerichtliche Anordnung der Freiheitsentzie- lassung des Ausländers aus der Untersu-
hung und die Entscheidung über die Fortdauer chungshaft kann für die Beantragung von Vor-
der Abschiebungshaft auf dem ordentlichen bereitungshaft Anlass geben.
Rechtsweg unberührt (§ 417 Absatz 1, § 425
Absatz 3 FamFG). Die Zuständigkeit der or- 62.1.2 Bei Wegfall einer der gesetzlichen Voraus-
dentlichen Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch setzungen ist von Amts wegen unverzüglich zu
auf die Frage, ob die Anordnung der Freiheits- beantragen, die Haft aufzuheben.
entziehung für sofort wirksam erklärt oder 62.1.3 Eine über die Sechs-Wochen-Frist des § 62 Ab-
ausgesetzt werden soll (§§ 422 Absatz 2, 424 satz 1 Satz 2 hinausgehende Dauer der Vorbe-
FamFG). Zum Vollzug der Abschiebungshaft reitungshaft ist in atypischen Fallkonstellatio-
durch die Ausländerbehörde gehört daher nicht nen denkbar, z. B. wenn der Erlass einer Aus-
die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der weisungsverfügung durch vom Ausländer zu
eine Freiheitsentziehung anordnenden Ent- vertretende Umstände hinausgezögert wird.
scheidung bzw. die Anordnung einer einst-
weiligen Freiheitsentziehung durch das Amts-
62.2 Sicherungshaft
gericht gemäß § 427 FamFG als Grundlage für
die Vollstreckung der Abschiebungshaft. Zur 62.2.0.0 Bei der Sicherungshaft handelt es sich um eine
Haftdauer siehe Nummer 62.3. Maßnahme zur Sicherung der Abschiebung. Sie
dient weder der Vorbereitung oder Durch-
62.0.5 Minderjährige, die das 16. Lebensjahr noch
führung eines Strafverfahrens, der Strafvoll-
nicht und Ausländer, die das 65. Lebensjahr
streckung noch stellt sie eine Beugemaßnahme
vollendet haben, sowie Schwangere bzw. Müt-
oder eine Ersatzfreiheitsstrafe dar.
ter innerhalb der gesetzlichen Mutterschutz-
vorschriften sollen grundsätzlich nicht in Ab- 62.2.0.1 § 62 Absatz 2 Satz 1 und 2 regelt abschließend,
schiebungshaft genommen werden. Halten sich aus welchen Gründen ein Ausländer zur Siche-
die Eltern des minderjährigen Ausländers nicht rung der Abschiebung auf richterliche Anord-
im Bundesgebiet auf, hat die Ausländerbehörde nung in Haft zu nehmen ist. Die Haft zur Si-
mit dem zuständigen Jugendamt wegen der cherung der Abschiebung ist grundsätzlich er-
Unterbringung des Ausländers bis zur Ab- forderlich, wenn einer oder mehrere der in § 62
schiebung Kontakt aufzunehmen (vgl. § 42 Absatz 2 Satz 1 genannten Haftgründe vor-
Absatz 1 Satz 2 SGB VIII). Minderjährige liegen und die Rechtsvoraussetzungen für eine
Ausländer, deren Asylantrag abgelehnt wurde, Abschiebung erfüllt sind (§ 58). Macht der
sollen bis zur Abschiebung regelmäßig in der Ausländer glaubhaft (z. B. durch Vorlage von
bisherigen Unterkunft untergebracht werden. Flugtickets), dass er sich einer Abschiebung
Seite 1180 GMBl 2009 Nr. 42– 61

nicht entziehen will, ist allein die Erfüllung der weigern ist (vgl. § 18 Absatz 2 AsylVfG), findet
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 62 Ab- § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Anwendung.
satz 2 Satz 1 Nummer 1 nicht ausreichend, um Wird jedoch der Aufenthalt im Bundesgebiet
die Sicherungshaft anzuordnen (§ 62 Absatz 2 nach den Vorschriften des AsylVfG gestattet,
Satz 3). Gleiches muss für sämtliche Haft- entfällt mit Ausnahme der in § 14 Absatz 3
gründe gelten, wenn er sich der Abschiebung AsylVfG genannten Fälle der Haftgrund wegen
offensichtlich nicht entziehen will. Dies ist etwa unerlaubter Einreise. Ausgenommen von dem
dann der Fall, wenn ein mit dem deutschen Be- Haftgrund sind auch Ausländer, die einen
hördenaufbau nicht vertrauter Ausländer sei- Asylfolgeantrag gestellt haben, wenn nach § 71
nen Aufenthaltsortwechsel zwar der zustän- Absatz 1 AsylVfG ein weiteres Asylverfahren
digen Meldebehörde, nicht aber (entsprechend durchgeführt wird (vgl. auch § 71a Absatz 2
§ 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2) der Aus- Satz 3 AsylVfG).
länderbehörde angezeigt hat oder wenn er je-
62.2.1.2 Kann eine nach § 58a erlassene Abschiebungs-
denfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über
anordnung auf Grund bestehender Abschie-
den Haftantrag seine ordnungsbehördliche An-
bungsverbote nach § 60 Absatz 1 bis 8 (§ 58a
meldung veranlasst hat und zusätzliche Um-
Absatz 3) oder auf Grund eingelegter Rechts-
stände gegen die Notwendigkeit einer Siche-
behelfe (§ 58a Absatz 4) nicht sofort (d. h. nur
rung der Abschiebung durch Haftanordnung
vorübergehend nicht) vollzogen werden, ist der
sprechen. Ist die Abschiebung auf andere Weise
Sicherungshaftgrund des § 62 Absatz 2 Satz 1
gesichert oder ist mit hinreichender Sicherheit
Nummer 1a erfüllt.
zu erwarten, dass eine Abschiebung nicht mehr
erforderlich sein wird, erübrigt sich die Bean- 62.2.1.3 Kommt der Ausländer der Anzeigepflicht nach
tragung von Sicherungshaft selbst dann, wenn § 50 Absatz 5 nicht nach, kann er den Haft-
einer der Haftgründe des § 62 Absatz 2 Satz 1 grund des § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 er-
Nummer 2 bis 5 vorliegt. füllen. Dieser Sicherungshaftgrund setzt die
Unerreichbarkeit des Ausländers infolge eines
62.2.0.2 Liegt ein Haftgrund gemäß § 62 Absatz 2 Satz 1
unangemeldeten Wechsels des Aufenthaltsortes
vor, so ist Haftantrag nur dann zu stellen, wenn
nach Ablauf der Ausreisefrist voraus. Der
auch die tatsächliche Möglichkeit besteht, dass
Haftgrund entfällt, wenn der Ausländer im
die Abschiebung innerhalb angemessener Zeit
Zeitpunkt der Entscheidung über den Haft-
durchgeführt werden kann. Sicherungshaft darf
antrag seine ordnungsgemäße Anmeldung ver-
nicht beantragt werden, wenn feststeht, dass die
anlasst hat und zusätzliche Umstände gegen die
Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer
Notwendigkeit einer Sicherung der Abschie-
nicht zu vertreten hat (z. B. Reiseunfähigkeit
bung durch Anordnung der Haft sprechen
wegen stationärer Krankenhausbehandlung),
(Nummer 62.2.0.1). Die Sicherungshaft aus den
innerhalb der nächsten drei Monate nicht
genannten Gründen muss in unmittelbarem
durchgeführt werden kann (§ 62 Absatz 2
Zusammenhang mit der Abschiebung stehen.
Satz 4).
Liegt der Haftgrund vor und ist der Ausländer
62.2.1.1.1 Gemäß § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ergibt wegen unbekannten Aufenthalts tatsächlich
sich der Sicherungshaftgrund aus der vollzieh- nicht erreichbar, kann die Haftanordnung ohne
baren Ausreisepflicht auf Grund einer uner- vorherige persönliche Anhörung erfolgen. Die-
laubten Einreise. Die vollziehbare Ausreise- se ist unverzüglich nach seinem Ergreifen
pflicht muss sich unmittelbar aus einer uner- nachzuholen.
laubten Einreise gemäß § 14 Absatz 1 ergeben.
62.2.1.4 Der Abschiebungshaftgrund des § 62 Absatz 2
Dies ist nicht der Fall, wenn der Aufenthalt
Satz 1 Nummer 3 kommt insbesondere bei ab-
zwischenzeitlich rechtmäßig war und andere
gelehnten Asylantragstellern, die in einer Auf-
Umstände als die unerlaubte Einreise zu einer
nahmeeinrichtung wohnen müssen (vgl. § 47
vollziehbaren Ausreisepflicht geführt haben.
AsylVfG), zum Tragen. Vorausgesetzt wird,
Ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels
dass dem Ausländer ein bestimmter, konkreter
berührt die vollziehbare Ausreisepflicht auf
Abschiebungstermin und -ort zwar angekün-
Grund unerlaubter Einreise jedoch nicht (§ 81
digt, er dort aus einem von ihm zu vertretenden
Absatz 3 Satz 1). Durch Aussetzung der voll-
Grund jedoch nicht angetroffen wurde. Die
ziehbaren Ausreisepflicht (§ 80 Absatz 5
Beweislast für ein unverschuldetes Nicht-
VwGO) entfällt der Haftgrund. Der Haftgrund
erscheinen liegt bei dem Ausländer (§ 82 Ab-
entfällt auch, wenn der Ausländer glaubhaft
satz 1).
macht (z. B. Bereitstellung einer Sicherheits-
leistung nach § 66 Absatz 5, Vorlage von Flug- 62.2.1.5 § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 erfasst nicht in
tickets oder Rückfahrkarten), dass er sich der Nummer 1 bis 3 genannte Haftgründe, die eine
Abschiebung nicht entziehen will (§ 62 Ab- Abschiebung verhindert haben (Auffangtatbe-
satz 2 Satz 3). Beachtlich sind jedoch ent- stand). Die für das Verhalten des Ausländers
sprechende Absichten des Ausländers nur dann, maßgeblichen Gründe sind i. d. R. unerheblich.
wenn er diese tatsächlich verwirklichen kann Das Ausschöpfen rechtlicher Möglichkeiten
(z. B. Einwanderung in einen Drittstaat). gegen die Abschiebung ist kein Haftgrund.
62.2.1.1.2 Auf Asylsuchende, denen die Einreise in be- 62.2.1.6 § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 enthält eine
stimmten Fällen von Gesetzes wegen zu ver- Generalklausel, auf Grund derer Sicherungshaft
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1181

anzuordnen ist, wenn mit hinreichender Wahr- 62.2.1.6.3 Bemüht sich der in Sicherungshaft befindliche
scheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Ab- Ausländer nicht um die Beschaffung eines gül-
schiebung ohne die Inhaftnahme des Auslän- tigen Heimreisedokuments und waren entspre-
ders nicht durchgeführt werden kann. Sofern chende Bemühungen der Ausländerbehörde
eine Ausreisefrist gesetzt wurde, ist für das bislang erfolglos, wird die Verlängerung der
Vorliegen des Haftgrundes deren Ablauf (vgl. Haft beantragt.
§ 50 Absatz 2) maßgeblich. Die Anwendung
62.2.2 Die Ermessenvorschrift des § 62 Absatz 2
des § 62 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 setzt den
Satz 2 stellt neben den zwingenden Vor-
begründeten Verdacht voraus, dass sich der
schriften des Satzes 1 eine eigene Rechtsgrund-
Ausländer der Abschiebung entziehen will.
lage für die Anordnung von Sicherungshaft für
Diese Voraussetzung ist nicht bereits dann er-
die Dauer von längstens zwei Wochen dar (so
füllt, wenn der Ausländer keine festen sozialen
genannte „kleine Sicherungshaft“). Anzeichen
Bindungen im Bundesgebiet besitzt, keine ver-
dafür, dass der Ausländer sich der Abschiebung
wandtschaftlichen Beziehungen im Bundesge-
entziehen will, sind nicht ausschlaggebend.
biet hat oder mittellos (§ 58 Absatz 3 Num-
Abschiebungsgründe müssen weiterhin vor-
mer 4) ist. Die bloße Weigerung zur freiwilligen
liegen. Voraussetzung ist, dass die Ausreisefrist
Ausreise ist allein als Haftgrund nicht aus-
abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschie-
reichend. Vielmehr müssen konkrete Umstände
bung bereits bis zum Ablauf von zwei Wochen
den Verdacht begründen, dass der Ausländer
durchgeführt werden kann. Im Zeitpunkt der
die Absicht hat, sich der Abschiebung zu ent-
Antragstellung muss feststehen, dass die Ab-
ziehen. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür
schiebung aus der Sicherungshaft heraus oder
vor, dass sich der Ausländer voraussichtlich in
unmittelbar nach ihrem Ablauf durchgeführt
einer Weise der Abschiebung entziehen will, die
werden kann.
bereits durch die Anwendung unmittelbaren
Zwangs überwunden werden kann, ist die An- 62.2.3 Auf Nummer 62.2.1.1.1 wird Bezug genom-
ordnung von Sicherungshaft unzulässig. men.
62.2.1.6.1 Die Durchführbarkeit der Abschiebung ist in- 62.2.4 Auf Nummer 62.2.0.2 und 62.3.0 wird Bezug
frage gestellt, wenn die Gefahr besteht, dass sich genommen.
der Ausländer dem Zugriff entziehen will.
62.2.5.0 Gescheitert i. S. d. Satzes 5 ist eine Abschiebung
Hierfür können z. B. folgende Gesichtspunkte
dann, wenn sie objektiv in absehbarer Zeit nicht
sprechen:
durchführbar ist. Dies ist in Konstellationen, in
62.2.1.6.1.1 – der Ausländer verheimlicht, dass er zur denen eine Abschiebung nach den objektiven
Ausreise notwendige Heimreisedokumente Umständen zeitnah nachgeholt werden kann,
besitzt, etwa bei einer Flugverschiebung oder einem
Flugausfall, nicht der Fall. Ein neuer Haftbe-
62.2.1.6.1.2 – der Ausländer ist mit einem ge- oder ver- schluss muss nicht erwirkt werden, soweit die
fälschten Pass oder Passersatz eingereist Abschiebung innerhalb der Anordnungsfrist
oder eingeschleust worden und macht über nachgeholt werden kann.
seine Identität keine oder unzutreffende
Angaben, 62.2.5.1 Nach § 62 Absatz 2 Satz 5 gilt die Anordnung
von Sicherungshaft trotz Zweckverfehlung
62.2.1.6.1.3 – der Ausländer hielt sich verborgen oder ist (Scheitern der Abschiebung) in Fällen fort, in
z. B. aus einem Hafturlaub nicht zurück- denen der Ausländer das Scheitern (siehe
gekehrt, Nummer 62.2.5.0) der Abschiebung und damit
die Zweckverfehlung der Maßnahme selbst
62.2.1.6.1.4 – der Ausländer hat gegen aufenthalts-
herbeigeführt hat. Ein neuer Haftbeschluss
rechtliche Vorschriften (z. B. räumliche
muss bis zum Ablauf der Anordnungsfrist nicht
Aufenthaltsbeschränkung, Ausreise entge-
erwirkt werden.
gen § 50 Absatz 4) verstoßen und die Art der
Verstöße legt die Schlussfolgerung nahe, 62.2.5.2 Zu vertreten hat der Ausländer alle Handlungen
dass er sich künftig der Abschiebung zu oder Unterlassungen aus seiner Einflusssphäre,
entziehen versuchen wird. die für die Zweckverfehlung der Maßnahme
ursächlich sind. Dies kann z. B. ein Verhalten
62.2.1.6.2 Auch die mangelnde Mitwirkung an der Aus- des Ausländers im Zuge des Rückführungs-
stellung oder der Verlängerung der Gültig- fluges sein, das dazu führt, dass der Flug abge-
keitsdauer eines Heimreisedokuments oder Be- brochen werden muss.
antragung eines erforderlichen Transitvisums
kann jedenfalls dann einen Haftgrund dar-
62.3 Dauer der Sicherungshaft
stellen, wenn entsprechende behördliche Be-
mühungen deswegen ohne Erfolg sind und aus 62.3.0 Bei der Beantragung von Sicherungshaft ist zu
den Umständen des Einzelfalls geschlossen berücksichtigen, dass im Regelfall die Dauer
werden kann, der Ausländer wolle einer von drei Monaten Haft nicht überschritten
Abschiebung aktiv entgegenwirken. Der werden soll und eine Haftdauer von sechs Mo-
Ausländer ist vorher auf seine Mitwirkungs- naten nicht ohne weiteres als verhältnismäßig
pflichten (§§ 48, 82 sowie § 56 AufenthV) hin- angesehen werden darf. Die Verlängerung der
zuweisen. Sicherungshaft um bis zu zwölf Monate ist zu-
Seite 1182 GMBl 2009 Nr. 42– 61

lässig, wenn es der Ausländer zu vertreten hat, eine besondere, auf die Notwendigkeit der
dass die Ausländerbehörde einen längeren Haftverlängerung abhebende Begründungs-
Zeitraum für die Durchführung der Abschie- pflicht.
bung benötigt (z. B. der Ausländer vernichtet
den Pass oder weigert sich, an der Beschaffung 62.3.1.1 Sicherungshaft kann auch bei wiederholter
eines Passes mitzuwirken). Steht jedoch die Haftanordnung grundsätzlich nur bis zu ins-
Unmöglichkeit der Abschiebung aus Gründen, gesamt sechs Monaten angeordnet werden. Soll
die der Ausländer nicht zu vertreten hat, inner- die Dauer der Sicherungshaft länger als drei -
halb der nächsten drei Monate fest, ist Siche- Monate andauern, sind bei der Beantragung von
rungshaft gemäß § 62 Absatz 2 Satz 4 un- Sicherungshaft bis zu sechs Monaten besondere
zulässig. Ist die Abschiebung gescheitert und Anforderungen an die Begründungspflicht hin-
hat dies der Ausländer zu vertreten (z. B. weil er sichtlich der Erforderlichkeit zu stellen.
den Abflug wegen Randalierens im Flugzeug 62.3.1.2 Eine auf sechs Monate zu begrenzende Haftan-
vereitelt hat), bleibt die Anordnung von Siche- ordnung erfüllt ihren gesetzlichen Sicherungs-
rungshaft nach Absatz 2 Satz 1 bis zum ur- zweck nicht, wenn von vornherein damit zu
sprünglich vorgesehenen Ende der Anord- rechnen ist, dass die Abschiebung erst nach
nungsfrist aufrechterhalten (§ 62 Absatz 2 Ablauf von sechs Monaten durchführbar sein
Satz 5, vgl. Nummer 62.2.5.0). wird und die für die Verzögerung maßgebenden
62.3.0.1 Die Ausländerbehörde ist während der Dauer Umstände nicht in einem dem Ausländer zu-
der Haft zur Prüfung verpflichtet, ob die Vor- rechenbaren Verhalten liegen, vgl. § 62 Absatz 2
aussetzungen für die Aufrechterhaltung der Satz 4. Der Ausländer hat Umstände zu ver-
Sicherungshaft weiter vorliegen oder auf Grund treten, die sowohl zum Entstehen des Abschie-
nachträglich eingetretener Umstände entfallen bungshindernisses geführt haben als auch zum
sind. Dazu zählen beispielsweise die Mit- Wegfall des Hindernisses führen können. Dem
wirkung des Ausländers an der Passbeschaf- Ausländer können hinsichtlich der Festsetzung
fung, das Ergehen einer verwaltungsgericht- oder Verlängerung einer über drei Monate hin-
lichen Entscheidung im vorläufigen Rechts- ausgehenden Haftdauer auch solche Umstände
schutzverfahren (vgl. § 80 Absatz 5 VwGO, zum Nachteil gereichen, die dazu geführt ha-
§ 80b Absatz 3 VwGO oder § 123 VwGO), die ben, dass ein Abschiebungshindernis überhaupt
Erteilung einer Bescheinigung über die Aufent- erst eingetreten ist (z. B. Vernichtung der gülti-
haltsgestattung oder die längerfristige oder gen Reisedokumente). Es ist unerheblich, ob
dauerhafte Undurchführbarkeit der Abschie- der Ausländer durch sein Verhalten nach Ein-
bung (z. B. Vorliegen eines Abschiebungsver- tritt eines Abschiebungshindernisses zu einer
bots bzw. Abschiebungsstopps i. S. v. § 60 Ab- Verzögerung der Abschiebung zurechenbar
satz 1 bis 5 und 7, § 60a Absatz 1). beiträgt oder ob schon das Hindernis selbst von
ihm in zu vertretender Weise mit herbeigeführt
62.3.0.2 Die Freiheitsentziehung muss zu jedem Zeit- worden ist. Dies ist jedoch zu verneinen, wenn
punkt ihrer Dauer von der gesetzlichen Er- die Ausländerbehörde nicht alle aussichts-
mächtigung gedeckt sein. Daher ist es ausge- reichen Anstrengungen unternommen hat, um
schlossen, die Fortdauer der Abschiebungshaft etwa Passersatzpapiere zu beschaffen, damit der
wegen des Zeitaufwandes für Verwaltungsvor- Vollzug der Sicherungshaft auf eine möglichst
gänge zu beantragen bzw. anzuordnen, mit de- kurze Zeit beschränkt werden kann.
nen ein anderer Zweck als derjenige verfolgt
wird, der die Haft dem Grunde nach rechtfertigt. 62.3.2 Eine Verlängerung der Sicherungshaft um bis
zu zwölf Monate auf die Höchstdauer von
62.3.0.3 In Fällen, in denen sich der Ausländer längere 18 Monaten ist nur dann zulässig, wenn der
Zeit in Strafhaft befindet, ist die Ausländer- Ausländer seine Abschiebung verhindert (§ 62
behörde gemäß § 59 Absatz 5 gehalten, wäh- Absatz 3 Satz 2) und ihm dies zurechenbar ist
rend dieser Zeit die Abschiebung so vorzube- (z. B. mangelnde Mitwirkung bei der Beschaf-
reiten, dass sie unmittelbar im Anschluss an die fung von Reisedokumenten; Verstoß gegen die
Strafhaft durchgeführt werden kann. Siche- Passvorlagepflicht nach § 48 Absatz 1; Weige-
rungshaft kann ausnahmsweise im Anschluss an rung, sich der Auslandsvertretung des Heimat-
die Strafhaft oder Untersuchungshaft nach staates vorzustellen). Es muss feststehen, dass
Maßgabe des § 62 Absatz 2 Satz 1 oder 2 an- der Ausländer ihm zumutbare Handlungen
geordnet werden. Voraussetzung ist jedoch, pflichtwidrig unterlässt bzw. seinen Pflichten
dass die Abschiebung aus von der Ausländer- widersprechend handelt. Das Verhalten des
behörde nicht zu vertretenden Gründen (z. B. Ausländers muss zudem weiter ursächlich für
wegen fehlender Flugverbindungen) aus- die Nichtdurchführbarkeit der Abschiebung
nahmsweise nicht bis zum Ende der Strafhaft bleiben. Eine Verlängerung der Sicherungshaft
durchgeführt werden kann. Die Anordnung um bis zu zwölf Monate ist unter den gleichen
von Sicherungshaft entspricht dem Gebot der Voraussetzungen zulässig, wenn der Ausländer
Verhältnismäßigkeit, wenn von der Ausländer- einen Asylfolgeantrag gestellt hat. Eine Ver-
behörde mit der in solchen Fällen gebotenen hinderung der Abschiebung i. S. v. § 62 Absatz 3
Beschleunigung zuvor vergeblich versucht Satz 2 liegt nicht vor, wenn der Ausländer
wurde, die Abschiebung aus der Strafhaft her- Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft (siehe
aus zu ermöglichen. Die Ausländerbehörde hat Nummer 62.2.1.5).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1183

62.3.3 Die Ausländerbehörde hat während der Dauer gelung, der zufolge der Ausländer ohne
der Sicherungshaft kontinuierlich zu prüfen, ob vorherige richterliche Anordnung vorläufig
die Haftgründe fortbestehen und Maßnahmen in Gewahrsam genommen werden kann.
in den Akten zu vermerken. Sie hat den Vollzug Der Ausländer ist unverzüglichen dem
der Abschiebungshaft unverzüglich bis zu einer Richter zur Entscheidung über die Anord-
Woche auszusetzen (§ 424 Absatz 1 Satz 3 nung der Sicherungshaft vorzuführen.
FamFG) und deren Aufhebung unverzüglich
62.4.3.2 – Während einer Vorsprache bei der Aus-
zu beantragen, wenn die für deren Anordnung
länderbehörde stellt sich heraus, dass der
maßgebenden Gründe entfallen sind (§ 426
vollziehbar Ausreisepflichtige untertauchen
Absatz 2 FamFG).
will.
62.3.4 § 62 findet auf Ausländer entsprechende An-
62.4.3.3 – Die Voraussetzungen für eine Anordnung
wendung, die zurückgeschoben werden (vgl.
von Sicherungshaft sind der Ausländer-
§ 57 Absatz 3). Für die Stellung des Haft-
behörde bekannt, der Ausländer erscheint
antrags, für den Vollzug der Haft sowie für den
dort zufällig vor Stellung des Haftantrags.
Erlass eines Leistungsbescheids sind die für die
Zurückschiebung zuständigen Behörden bzw. 62.4.3.4 – Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Aus-
die Polizeien der Länder zuständig (§ 71 Ab- länder unbekannten Aufenthalts (vgl. § 62
satz 3 Nummer 1, Absatz 5). Für die Zurück- Absatz 2 Satz 1 Nummer 2) wird von der
weisung gilt § 15 Absatz 5 (vgl. Nummer 15.5). Polizei aufgegriffen.
Für die Beantragung der Haft im Falle der Zu-
rückschiebung kann außerdem von Bedeutung
sein, ob der Ausländer gegen aufenthalts- 63 Zu § 63 – Pflichten der Beförderungsunter-
rechtliche oder melderechtliche Vorschriften nehmer
verstoßen hat, er sich seit der Einreise ver-
borgen hielt, sich ohne Heimreisedokumente 63.1 Kontroll- und Sicherungspflichten
im Bundesgebiet aufhält, unzutreffende An- 63.1.1 Die Vorschrift untersagt es Beförderungsunter-
gaben über seine Person gemacht oder Straf- nehmern, Ausländer ohne die erforderlichen
taten begangen hat. Reisedokumente in das Bundesgebiet zu beför-
dern. Das Verbot gilt sowohl für Beförderungen
62.4 Vorläufige Ingewahrsamnahme ohne vor- auf dem Luft- und Seeweg als auch für Be-
herige richterliche Anordnung zur Sicher- förderungen auf dem Landweg mit Ausnahme
stellung der Sicherungshaft des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs.
62.4.1 Absatz 4 soll die richterliche Vorführung zur Das Beförderungsverbot muss nicht angeordnet
Anordnung von Sicherungshaft von vollziehbar werden. Aus dem gesetzlichen Verbot, Aus-
ausreisepflichtigen Ausländern sicherstellen, länder nicht in das Bundesgebiet zu befördern,
wenn der Ausländer vorläufig in Gewahrsam wenn sie nicht im Besitz eines erforderlichen
genommen worden ist, weil der dringende Ver- Passes oder eines erforderlichen Visums sind,
dacht des Vorliegens von Haftgründen nach das sie auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit be-
§ 62 Absatz 2 Satz 1 besteht, die vorherige nötigen, ergibt sich zugleich die Pflicht des Be-
richterliche Entscheidung über die Anordnung förderungsunternehmers, Pass und Visum aus-
von Sicherungshaft den Umständen nach nicht reichend zu kontrollieren. Durch die Kontroll-
eingeholt werden kann und die Gefahr der pflicht soll sichergestellt werden, dass der
Vereitelung der Haftanordnung besteht. Die Ausländer die für den Grenzübertritt nach § 13
Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen er-
Eine konkret geplante Festnahme bedarf regel- füllt. Eine Kontrollpflicht ist auch in Annex 9
mäßig einer vorherigen richterlichen Anord- zum ICAO–Übereinkommen festgelegt.
nung; Absatz 4 ist in diesen Fällen nicht an- 63.1.2 Ausländer, die im Rahmen des freien Dienstlei-
wendbar. stungsverkehrs nach Europäischem Gemein-
schaftsrecht in das Bundesgebiet einreisen und
62.4.2 Die Ausschreibung eines Ausländers zur Fest-
sich darin aufhalten, unterliegen nicht dem Be-
nahme (vgl. Nummer 50.7) ist für die Behörde,
förderungsverbot. Ein auf Grund seiner Staats-
die den Ausländer aufgreift, nicht bindend; sie
angehörigkeit visumpflichtiger Ausländer, der
muss die Voraussetzungen für die vorläufige
Inhaber eines von einer anderen Vertragspartei
Ingewahrsamnahme eigenverantwortlich prü-
ausgestellten Aufenthaltstitels und daher nach
fen. Die Ausschreibung zur Festnahme lässt
Artikel 21 SDÜ begünstigt ist, unterliegt eben-
aber erkennen, dass die ausschreibende Behörde
falls nicht dem Beförderungsverbot.
zum Zeitpunkt der Ausschreibung das Vor-
liegen von Haftgründen bejaht hat. 63.1.3.1 Die Kontrollpflicht nach § 63 Absatz 1 fordert
von dem Beförderungsunternehmer, vor dem
62.4.3 Die vorläufige Festnahme ist beispielsweise in
Transport zu prüfen, ob der Ausländer im Be-
folgenden Fallkonstellationen vorstellbar:
sitz der erforderlichen Dokumente ist. Dem
62.4.3.1 – Die Polizeibehörden überprüfen die Perso- Beförderungsunternehmer kann das Verbot
nalien eines vollziehbar ausreisepflichtigen insbesondere dann entgegengehalten werden,
Ausländers zur Nachtzeit. Hier gewähr- wenn er bei Beachtung der im Verkehr er-
leistet Absatz 4 eine bundeseinheitliche Re- forderlichen Sorgfalt hätte erkennen können,
Seite 1184 GMBl 2009 Nr. 42– 61

dass der Ausländer die nach § 63 Absatz 1 er- beachtet werden, kann das Bundesministerium
forderlichen Dokumente nicht besitzt. Ein des Innern im Einvernehmen mit dem Bundes-
Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist stets ministerium für Verkehr, Bau- und Stadtent-
darin zu sehen, dass er den Ausländer trans- wicklung untersagen, Ausländer entgegen dem
portiert hat, ohne selbst eigene konkrete Fest- gesetzlichen Beförderungsverbot in das Bun-
stellungen über das Vorliegen der Transport- desgebiet zu befördern. Anstelle des Bundes-
voraussetzungen zu treffen bzw. durch den ministeriums des Innern kann die von ihm be-
Fahrer oder das sonstige Begleitpersonal treffen stimmte Stelle die Untersagungsverfügung er-
zu lassen. Ein Transportunternehmer lässt die lassen. Die gesetzliche Regelung umfasst auch
erforderliche Sorgfalt außer Acht, wenn er sich den Erlass der auf die Untersagungsverfügung
bei Beginn oder während des Transports ledig- folgenden Zwangsgeldandrohung. Die vom
lich auf die Behauptung des Ausländers verlässt, Bundesministerium des Innern benannte Stelle
er sei im Besitz der erforderlichen Dokumente. ist das Bundespolizeipräsidium (§ 58 Absatz 1
Das gilt auch, wenn sich der Beförderungs- BPolG i. V. m. § 1 Absatz 3 Nummer 1 Buch-
unternehmer lediglich mit der Vorlage der stabe b) BPolZV).
Flugtickets und Fahrausweise begnügt, aus de-
nen keine verlässlichen Schlüsse über den Besitz 63.2.2 Ein Verstoß gegen das Beförderungsverbot liegt
der erforderlichen Reisedokumente gezogen schon bei einzelnen objektiv unerlaubten Be-
werden können. förderungen vor, sofern hierdurch keine ob-
jektiv unzumutbaren Anforderungen an das
63.1.3.2 Ein Luftfahrtunternehmen hat die Kontrolle Beförderungsunternehmen gestellt werden.
nicht nur beim Einchecken, sondern auch un- Nicht notwendig ist für den Tatbestand des
mittelbar am Flugzeugeinstieg vorzunehmen. Zuwiderhandelns ein subjektives Verschulden
Damit soll verhindert werden, dass zwischen des Beförderungsunternehmens.
dem Einchecken und Betreten des Flugzeugs
63.2.3 Im Rahmen der Ermessensausübung ist zu be-
Manipulationen an oder mit den Einreise-
rücksichtigen, ob der Beförderungsunterneh-
dokumenten stattfinden oder diese von Schleu-
mer durch zumutbare Kontrollmaßnahmen die
sern wieder eingezogen werden, um sie an-
unerlaubte Beförderung hätte vermeiden kön-
derweitig zu verwenden. Die Kontrollpflicht
nen. Unvermeidbar sind zum Beispiel Doku-
schließt auch Transitreisende ein, die während
mentenfälschungen, die von einem interessier-
eines Zwischenstopps auf dem Flug nach
ten Laien nicht erkannt werden können.
Deutschland an Bord verbleiben, um zu ver-
hindern, dass sie ohne erforderliche Einreise- 63.2.4 Eine Abmahnung ist nicht erforderlich. Statt-
dokumente den Flug nach Deutschland fortset- dessen ist die Untersagungsverfügung (das Be-
zen. Für die Beförderung auf dem Land- und förderungsverbot) mit einer Anhörung nach
Seeweg sowie im Binnenschiffsverkehr gilt § 28 VwVfG verbunden.
Entsprechendes.
63.2.5 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwal-
63.1.4 Nach pflichtgemäßem Ermessen kann von tungsgerichts liegt ein mehrstufiges Vollstrek-
Sanktionsmaßnahmen gegen das Beförderungs- kungsverfahren vor, das sich in drei bis vier
unternehmen abgesehen werden, wenn das vom Stufen gliedert. Handelt der Beförderungs-
Ausländer mitgeführte ge- oder verfälschte unternehmer entgegen dem gesetzlichen Be-
Grenzübertrittsdokument wegen der Qualität förderungsverbot des § 63 Absatz 1, kann eine
der vorgenommenen Manipulationen durch Untersagungsverfügung nach § 63 Absatz 2
den Beförderungsunternehmer nicht als solches Satz 1, 1. Alternative ergehen (Stufe 1) und für
erkannt werden kann. Von einem Beförde- den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld
rungsverbot kann daher in den Fällen abge- nach § 63 Absatz 2 Satz 1, 2. Alternative ange-
sehen werden, in denen der Ausländer Reise- droht werden (Stufe 2). Die Stufen 1 und 2
dokumente besitzt, die sich nach der Einreise können zwar miteinander verbunden werden,
als Fälschungen herausstellen, die der Beförde- jedoch sieht das Bundesverwaltungsgericht vor
rungsunternehmer jedoch nicht erkennen der Verhängung der zweiten Stufe zwingend
konnte. eine Ermessensausübung (Erforderlichkeits-
prüfung) sowie die Prüfung der aktuellen Be-
63.2 Untersagung der Beförderung und förderungszahlen vor. Die Festsetzung des
Zwangsgeld Zwangsgeldes richtet sich nach § 63 Absatz 3
(3. Stufe). Ihr folgt ggf. die Beitreibung des
63.2.0 Sowohl das Beförderungsverbot als auch die Zwangsgeldes als 4. Stufe.
Androhung, Festsetzung und Vollstreckung
von Zwangsgeldern soll dazu dienen, den Be- 63.2.6 Widerspruch und Anfechtungsklage haben
förderungsunternehmer zur Kontrolle der Ein- nach § 63 Absatz 2 Satz 2 keine aufschiebende
haltung der Pass- und Visumpflicht in jedem Wirkung. Dies gilt auch hinsichtlich der Fest-
Einzelfall anzuhalten. setzung des Zwangsgeldes.

63.2.1 Verstößt der Beförderungsunternehmer gegen 63.3 Höhe des Zwangsgeldes


das gesetzliche Beförderungsverbot (§ 63 Ab-
satz 1) oder liegen Anhaltspunkte dafür vor, 63.3.1 Das Zwangsgeld wird für jeden Ausländer fest-
dass die sich daraus ergebenden Pflichten nicht gesetzt, der entgegen einer Verfügung nach § 63
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1185

Absatz 2 befördert wird. Die Erhebung und 64.1.1.2 Erfasst sind auch Ausländer, denen im Transit
Beitreibung des Zwangsgeldes erfolgt durch das die Einreise verweigert wurde; damit wird Ar-
Bundespolizeipräsidium und richtet sich nach tikel 26 Absatz 1 Buchstabe a) SDÜ sowie der
VwVG. Der Höchstbetrag des Zwangsgeldes Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni
wurde in Umsetzung des Artikel 4 Absatz 1 2001 zur Ergänzung der Regelungen nach Ar-
Buchstabe a) der Richtlinie 2001/51/EG des tikel 26 des Übereinkommens zur Durchfüh-
Rates vom 28. Juni 2001 zur Ergänzung der rung des Übereinkommens von Schengen vom
Regelungen nach Artikel 26 des Übereinkom- 14. Juni 1985 (ABl. EG Nummer L 187 S. 45)
mens zur Durchführung des Übereinkommens Rechnung getragen.
von Schengen vom 14. Juni 1985 (ABl. EG
64.1.2 Bei dem Beförderungsunternehmer i. S. v. § 64
Nummer L 187 S. 45) mit 5 000 Euro festge-
Absatz 1 handelt es sich um einen deutschen
setzt.
oder ausländischen Gewerbetreibenden im In-
63.3.2 Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des oder Ausland, der Personentransporte oder
Vollstreckungsverfahrens ist das Bundespoli- Gütertransporte durchführt und hierbei auch
zeipräsidium für sämtliche Verwaltungsakte im Ausländer auf dem Luft-, See- oder Landweg
Rahmen des § 63 zuständig. mit einem entsprechenden Transportmittel
(z. B. Flugzeug, Schiff, Bus, Pkw) an die deut-
63.3.3 Die Ausnutzung des gesetzlich vorgesehenen
sche Grenze befördert bzw. ihnen auf diesem
Spielraums bei der Zwangsgeldfestsetzung
Wege die Anwesenheit im Transitbereich deut-
ermöglicht es, auf das Beförderungsverhalten
scher Flughäfen ermöglicht. Im Luftverkehr ist
der Unternehmen individuell angemessen zu
in erster Linie die Fluggesellschaft, die den
reagieren. Hierbei kann berücksichtigt wer-
Ausländer tatsächlich transportiert hat, Be-
den, dass der in Absatz 3 vorgesehene Min-
förderungsunternehmer und zum Rücktran-
destbetrag von 1 000 Euro hinter dem in der
sport verpflichtet.
Richtlinie 2001/51/EG fakultativ angegebe-
nen Mindestbetrag von 3 000 Euro zurück- 64.1.3.1 Der Beförderungsunternehmer ist verpflichtet,
bleibt. im Rahmen der Zurückweisung den Ausländer
mit einem zugelassenen Transportfahrzeug auf
63.4 Vereinbarungen mit Beförderungs- seine Kosten in den Zielstaat zu befördern.
unternehmen
64.1.3.2 Die Inanspruchnahme eines Beförderungs-
63.4.1 § 63 Absatz 4 enthält eine gesetzliche Grund- unternehmers im Rahmen der gesetzlichen
lage zum Abschluss von individuellen Verein- Rückbeförderungspflicht setzt voraus, dass sei-
barungen („Memoranda of Understanding“) ne Verantwortlichkeit mittels geeigneter Be-
mit den Beförderungsunternehmen zur Um- weismittel hinreichend dargelegt werden kann
setzung der Kontrollpflicht. Zuständige Be- (z. B. Aussage des Ausländers, Fahr- oder
hörde ist das Bundesministerium des Innern, Flugschein, dienstliche Erklärung). Etwaige
das wiederum das Bundespolizeipräsidium be- besondere privatrechtliche Regelungen zwi-
auftragt hat. schen Beförderungsunternehmen zur Verant-
63.4.2 Es entspricht einem erheblichen praktischen wortlichkeit für die Einhaltung gesetzlicher
Bedürfnis, mit den Beförderungsunternehmen oder behördlicher Verpflichtungen bleiben
weitergehende individuelle Vereinbarungen zu grundsätzlich außer Betracht.
treffen. In diesen Memoranda of Understanding 64.1.4 Die Rückbeförderungspflicht nach § 64 Ab-
können Bemühungen der Beförderungsunter- satz 1 besteht unabhängig vom Grund der
nehmen um verbesserte Kontrollen honoriert Zurückweisung. Es ist unerheblich, ob der
werden, etwa in Form einer Toleranzquote, bei Unternehmer oder der Ausländer die Zurück-
deren Einhaltung keine Zwangsgelder erhoben weisung verschuldet und sich deswegen straf-
werden. Weitere Inhalte solcher Vereinba- bar gemacht hat oder ob der Beförderungs-
rungen können Regelungen über Schulungen unternehmer die Kontrollpflicht nach § 63
des Personals, Gate-Überprüfungen oder den Absatz 1 verletzt hat. Mangelndes Verschulden
Informationsaustausch sein. schließt die Rückbeförderungspflicht nicht
aus. Die Rückbeförderungspflicht besteht
auch für den Fall einer Zurückweisungsent-
64 Zu § 64 – Rückbeförderungspflicht der scheidung im Wege des Ermessens nach § 15
Beförderungsunternehmer Absatz 2 oder 3.
64.1 Rückbeförderung nach Zurückweisung 64.1.5 Das Vorhandensein eines Transportvertrags,
seine vertragliche Ausgestaltung und rechtliche
64.1.1 Die Rückbeförderungspflicht knüpft an die
Beurteilung (z. B. Nichtigkeit des Vertrags we-
Zurückweisung i. S. v. § 15 an, für die nach § 71
gen Sittenwidrigkeit) sind für das Bestehen der
Absatz 3 Nummer 1 die Grenzbehörde sachlich
Rückbeförderungspflicht unerheblich. Ebenso
zuständig ist.
wenig ist der Umstand erheblich, dass es sich
64.1.1.1 Die Rückbeförderungspflicht erstreckt sich bei dem Ausländer um einen so genannten
auch auf die Fälle der Zurückweisung wegen blinden Passagier handelt, für den der Beförde-
Einreiseverweigerung nach § 18 Absatz 2 und rungsunternehmer keine Verantwortung tragen
§ 18a Absatz 3 Satz 1 AsylVfG. will.
Seite 1186 GMBl 2009 Nr. 42– 61

64.1.6.1 Der Beförderungsunternehmer hat die Rück- amtliche Begleitung trägt in jedem Fall der Be-
beförderung nach Aufforderung der Grenz- förderungsunternehmer (§ 67 Absatz 1 Num-
behörde unverzüglich durchzuführen. Ihm ist mer 3). Eine amtliche Begleitung kommt insbe-
grundsätzlich Gelegenheit zur eigenen Durch- sondere in Betracht, wenn dies im Falle einer
führung zu geben. Die Grenzbehörde setzt Ersatzvornahme der andere Beförderungs-
hierfür eine Frist in der Aufforderung fest. Der unternehmer verlangt.
Beförderungsunternehmer hat die Möglichkeit,
64.1.8 Kann die Rückbeförderung nicht sofort durch-
die Beförderung auf seine Kosten durch einen
geführt werden, kann die Rückbeförderungs-
anderen Beförderungsunternehmer durchfüh-
verpflichtung durch Sicherheitsleistung nach
ren zu lassen, wenn dadurch der Vollzug einer
§ 66 Absatz 5 oder eine verbindliche Erklärung
unverzüglichen Zurückweisung nicht gefährdet
zur Rückbeförderung (Garantieerklärung) er-
wird.
füllt werden. Dies kann auch in Form einer
64.1.6.2 Der Beförderungsunternehmer kann nicht ver- selbstschuldnerischen Bürgschaft erfolgen, die
langen, dass der Rücktransport mit eigenen etwaige Ersatzvornahmekosten sowie die Ko-
Transportmitteln erfolgt, wenn ihm selbst eine sten für eine erforderliche amtliche Begleitung
unverzügliche Rückbeförderung nicht möglich einschließt. Sicherheitsleistung, Garantieerklä-
ist. In Fällen, in denen ein Beförderungsunter- rung oder Bürgschaft des Beförderungsunter-
nehmer den Transport auf dem Landweg durch- nehmers sind nachvollziehbar zu dokumen-
geführt hat und für die Rückbeförderung des tieren und vorzuhalten (z. B. in der Kostenakte
Ausländers die erforderlichen Durchreisesicht- bei der Grenzbehörde, in der Ausländerakte bei
vermerke nicht vorhanden sind, kommt eine der Ausländerbehörde).
Zurückweisung auf dem Luftwege in Betracht.
64.2 Rückbeförderung in sonstigen Fällen
64.1.6.3.1 Eine Ersatzvornahme kommt insbesondere
dann in Betracht, wenn 64.2.1 Die Rückbeförderungspflicht besteht in den
Fällen des § 64 Absatz 2 nach der Einreise des
– der Rücktransport durch den Beförde-
Ausländers für die Dauer von drei Jahren fort.
rungsunternehmer nach den Umständen des
Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Ein-
Einzelfalls nicht unverzüglich durchgeführt
reise des Ausländers erfolgt ist. Aufenthalts-
werden kann (auf Grund der Besonder-
zeiten im Transitbereich eines Flughafens oder
heiten des Verkehrsträgers) oder
in einem Seehafen sowie im Rahmen des Flug-
– sich der Beförderungsunternehmer weigert, hafenverfahrens gemäß § 18a AsylVfG sind auf
seinen Verpflichtungen nachzukommen. die Drei-Jahres-Frist nicht anzurechnen, da der
Ausländer in diesen Fällen noch nicht eingereist
Bei der Ersatzvornahme handelt es sich um eine
ist.
Maßnahme, die nur gegen den Beförderungs-
unternehmer gerichtet ist. Die Durchführung Bei einer Rückbeförderung innerhalb der Drei-
der Ersatzvornahme richtet sich nach dem Jahres-Frist sollte auf die abgegebene Garantie-
VwVG. Die Art und Weise der Durchführung erklärung zurückgegriffen werden, um die
bestimmt die Grenzbehörde nach pflicht- Rückbeförderungskosten zu decken.
gemäßem Ermessen.
64.2.2 Die Pflicht zur Rückbeförderung erlischt, wenn
64.1.6.3.2 Der Beförderungsunternehmer haftet neben dem Ausländer ein Aufenthaltstitel nach dem
dem Ausländer für die Kosten einer Ersatzvor- Aufenthaltsgesetz erteilt wird. Die Ausstellung
nahme, wenn er nicht in der Lage ist, ein für den einer Bescheinigung über die Aufenthalts-
Transport zugelassenes Fahrzeug unverzüglich gestattung oder die Bescheinigung der Aus-
bereitzustellen (§ 66 Absatz 3 Satz 1). setzung der Abschiebung führen jedoch nicht
zum Wegfall der Rückbeförderungspflicht.
64.1.7 Die für die Rückführung zuständige Grenz-
behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Er-
64.3 Bestimmung des Zielstaates
messen auf Grundlage einer Gefahrenprognose,
ob und in welchem Umfang eine Begleitung des 64.3.1 Nach § 64 Absatz 3 kommt als Zielstaat der
Ausländers erforderlich ist. Im Fall einer spä- Rückbeförderung der Staat in Betracht,
teren Rückführung (vgl. § 64 Absatz 2) hat die – der das Reisedokument ausgestellt hat,
Grenzbehörde entsprechende Erkenntnisse der
Ausländerbehörde in diese Erwägungen ein- – aus dem der Ausländer befördert wurde
zubeziehen und aktenkundig zu machen (z. B. oder
Ausweisung des Ausländers wegen Gewalt- – in den die Einreise gewährleistet ist.
taten). Ist eine Sicherheitsbegleitung des Aus-
Die Grenzbehörde bestimmt den Zielstaat nach
länders erforderlich, soll der Beförderungs-
pflichtgemäßem Ermessen. Zu prüfen ist, ob
unternehmer diese grundsätzlich selbst ge-
der Zielstaat zur Aufnahme des Ausländers
währleisten und auf seine Kosten durchführen
verpflichtet oder bereit ist, und ob Zurück-
(§ 67 Absatz 2 Nummer 3). Ist dem Beförde-
weisungsverbote entsprechend § 60 Absatz 1
rungsunternehmer die Sicherheitsbegleitung
bis 3, 5 oder 7 bestehen (§ 15 Absatz 4).
nicht selbst möglich, erfolgt die erforderliche
Sicherheitsbegleitung durch die Grenzbehörde 64.3.2 Bei der Ermessensentscheidung, in welchen
selbst oder in deren Auftrag. Die Kosten für die Staat der Ausländer zurückgewiesen werden
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1187

soll, sind in erster Linie die Interessen 65.5.2 Die Kosten für die Verpflegung, Versorgung
Deutschlands und der Schengen-Staaten be- einschließlich medizinischer Leistungen, Un-
deutsam. Die Auswahl erfolgt unter dem Ge- terbringung und Betreuung von Asylsuchenden
sichtspunkt einer effektiven Zurückweisung. sind durch die zuständigen Landesbehörden
Dabei können auch die Belange des Ausländers nach dem AsylbLG i. V. m. der jeweils gültigen
und der Beförderungsunternehmer angemessen VO AsylbLG zu tragen. Des Weiteren haben
berücksichtigt werden. Kann die Rückbeför- die Landesbehörden entstehende Kosten für
derung nur über einen Flughafen eines Schen- den Transport des Ausländers von der Grenz-
gen-Staates erfolgen, ist die Grenzbehörde des übergangsstelle zur Aufnahmeeinrichtung zu
betreffenden Schengen-Staates rechtzeitig zu tragen.
unterrichten.
65.5.3 Entsprechend der Rechtsprechung des Bundes-
64.3.3 Von der Inanspruchnahme eines Beförderungs- gerichtshofs gilt diese Kostenpflicht der zu-
unternehmers und der Bestimmung eines Ziel- ständigen Landesbehörde auch für Asylsu-
staats kann abgesehen werden, wenn der Aus- chende vor der Einreise auf einem Flughafen
länder unverzüglich in einen Staat weiterreisen (z. B. im Rahmen des Verfahrens gemäß § 18a
will, in den er einreisen darf, und er die Kosten AsylVfG).
für die Weiterreise aus eigenen Mitteln be-
65.5.4 Kosten des Asylverfahrens sind nicht von
streitet (siehe Nummer 50.4). Die Weiterreise
einem Kostenschuldner einzufordern.
ist zu überwachen (z. B. Grenzübertrittsbe-
scheinigung).
66 Zu § 66 – Kostenschuldner; Sicherheits-
leistung
65 Zu § 65 – Pflichten der Flughafen-
unternehmer 66.1 Kostentragungspflicht des Ausländers
65.1 Die vom Flughafenunternehmer bereitzustel- 66.1.1 Einforderbar sind Kosten der Durchsetzung
lenden Unterkünfte müssen für eine zeitlich einer räumlichen Beschränkung sowie Kosten
begrenzte Unterbringung geeignet sein, deren der Abschiebung, Zurückschiebung und Zu-
Dauer sich nach der Verfahrensdauer für die rückweisung. Bei den in § 66 Absatz 1 genann-
Entscheidung über die Einreise und deren ten Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung
Vollzug bestimmt. Die Verpflichtung zur Un- oder Zurückweisung handelt es sich um spe-
terbringung besteht bis zum Vollzug der Ent- zielle Aufwendungen, die mit der Aufenthalts-
scheidung der Grenzbehörde über die Einreise. beendigung des Ausländers verbunden sind.
Untergebracht werden insbesondere Ausländer, Die im Folgenden dargestellte Aufzählung der
über deren Einreise im Rahmen des § 18a Kostenschuldner ist nicht abschließend. Außer
AsylVfG entschieden wird. den explizit in § 66 genannten Kostenschuld-
65.2 In der Unterkunft müssen Schlafgelegenheiten nern können ggf. im Rahmen der Veran-
und Hygieneeinrichtungen vorhanden sowie lasserhaftung weitere Kostenschuldner her-
Verpflegung, ärztliche und sonstige Versorgung angezogen werden.
möglich sein. Die Unterkunft muss eine nach 66.1.2 I.S.d. § 66 Absatz 1 ist der Kostenschuldner
Geschlechtern getrennte Unterbringung er- aber zunächst grundsätzlich der Ausländer.
möglichen. Sie muss für den Aufenthalt von Wird eine kostenpflichtige Maßnahme im Wege
Familien mit Kindern und unbegleiteten Min- der Amtshilfe durchgeführt, hat die ersuchende
derjährigen geeignet sein. Behörde der Amtshilfe leistenden Behörde die
dieser nach § 8 VwVfG bzw. Landesrecht zu-
65.3 Die bereitzustellenden baulichen Anlagen
stehenden Kosten zu erstatten (siehe Num-
müssen so gestaltet sein, dass Ausländer die
mer 71.1.6, 67.1.4 und 67.3.0.1).
Unterkunft nicht unentdeckt verlassen können,
und die Überwachung der Ausländer durch die
Grenzbehörde unterstützt werden kann. 66.2 Haftung des Verpflichtungsschuldners

65.4 Für die Abwehr von Gefahren für die öffent- 66.2.1.1 Die Erteilung oder Verlängerung eines Aufent-
liche Sicherheit und Ordnung in der Unter- haltstitels kann an die Bedingung geknüpft
kunft sind die Polizeien der Länder nach Poli- werden, dass ein Dritter die erforderlichen
zeirecht zuständig. Ausreisekosten oder den Unterhalt des Aus-
länders für einen bestimmten Zeitraum zu tra-
65.5.1 Für die Kosten der Unterbringung, Verpfle- gen bereit ist. Dies ist auch bei der Erteilung
gung und sonstigen Versorgung des Ausländers, von Aufenthaltserlaubnissen im Rahmen des
die von seiner Ankunft auf dem Flughafen bis § 23 Absatz 1 möglich. Die Verpflichtung, die
zum Vollzug der Entscheidung über die Ein- Ausreisekosten zu tragen, soll schriftlich abge-
reise entstehen, haftet im Fall der Zurück- geben und i. d. R. mit der Verpflichtung nach
weisung der Ausländer. Neben dem Ausländer § 68, die Kosten für den Lebensunterhalt eines
haftet der Beförderungsunternehmer, der den Ausländers zu tragen, verbunden werden
Ausländer auf den deutschen Flughafen trans- (Verpflichtungserklärung). Die Verpflichtungs-
portiert hat (§ 66 Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 67 erklärung ist gegenüber der nach § 71 Absatz 1
Absatz 2 Nummer 2). oder 2 zuständigen Behörde unter Verwendung
Seite 1188 GMBl 2009 Nr. 42– 61

des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks ab- des Ausländers Kosten entstehen. In diesem
zugeben. Sie ist bei der Einreise auf Verlangen Fall hat der Ausländer die Kosten zu tragen.
der Grenzbehörde vorzulegen.
66.4.1 Als Arbeitgeber i. S. d. § 66 Absatz 4 Satz 1 ist
66.2.1.2 Wenn ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung jede Person zu verstehen, die einen Ausländer
eines Aufenthaltstitels besteht, darf keine Ver- unerlaubt beschäftigt hat, unabhängig von
pflichtung verlangt werden, die Ausreisekosten Umfang und Ausgestaltung des Beschäfti-
zu tragen; eine Sicherheitsleistung kommt in- gungsverhältnisses. Es kommt also für die Kos-
soweit ebenfalls nicht in Betracht. tenhaftung nicht auf ein arbeitsrechtlich wirk-
sames Beschäftigungsverhältnis an. Nach den
66.2.2 Im Fall des § 66 Absatz 2 haften der Ausländer Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes ist eine
und der Verpflichtungsschuldner gleichrangig Erwerbstätigkeit nicht erlaubt, wenn der Aus-
als Gesamtschuldner (gesamtschuldnerische länder den erforderlichen Aufenthaltstitel nicht
Haftung i. S. d. § 421 BGB). Die gemäß § 71 besitzt oder er einem Verbot oder einer Be-
zuständige Behörde hat insoweit ein Auswahl- schränkung der Aufnahme einer Erwerbstätig-
ermessen, welchen Kostenschuldner sie in An- keit unterliegt.
spruch nehmen will. Die Behörde ist nicht ver-
pflichtet, alle in Betracht kommenden Kosten- 66.4.2 Der Arbeitgeber kann hingegen nicht zur Er-
schuldner zu ermitteln (siehe hierzu stattung der Rückführungskosten herangezo-
Nummer 67.3). gen werden, wenn er sich vor der Arbeitsauf-
nahme eines Ausländers und in der Folge des
Beschäftigungsverhältnisses unter Beachtung
66.3 Haftung des Beförderungsunternehmers
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt davon
66.3.1 Der Beförderungsunternehmer, der den Trans- vergewissert hat, dass der Ausländer beschäftigt
port an die Grenze oder in das Bundesgebiet werden darf. Das Verlassen auf bloße Behaup-
durchgeführt hat, haftet in den Fällen des § 66 tungen des Ausländers oder die Vorlage der
Absatz 3 gleichrangig neben dem Ausländer Lohnsteuerkarte oder des Sozialversicherungs-
und dem Verpflichtungsschuldner (siehe Num- nachweises reichen hierfür nicht aus.
mer 66.2.2). Grundsätzlich handelt es sich um 66.4.3 Die Haftung nach § 66 Absatz 4 Satz 2 setzt
eine rein verschuldensunabhängige Haftung voraus, dass eine strafbare Handlung nach § 96
(anders bei der Haftung des Arbeitgebers, vgl. begangen worden ist. Eine strafgerichtliche
Nummer 66.4.2). Verurteilung muss nicht vorliegen.
66.3.2 Bei der Haftung des Beförderungsunterneh- 66.4.4 Der Arbeitgeber und der Straftäter haften vor-
mers wird zwischen der auf bestimmte Kosten rangig, d. h. ein sonstiger Kostenschuldner ist
beschränkten Haftung nach § 66 Absatz 3 nur für die Kosten in Anspruch zu nehmen, die
Satz 1 und der unbeschränkten Haftung nach nicht von dem vorrangig haftenden Arbeitgeber
§ 66 Absatz 3 Satz 2 unterschieden: die unbe- oder Straftäter i. S. d. § 96 beigetrieben werden
schränkte Haftung nach Satz 2 trifft den können. Die vorrangige Kostenhaftung ist auch
Beförderungsunternehmer, der schuldhaft ge- bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung des
gen ein Beförderungsverbot (Untersagungs- Ausländers gemäß § 66 Absatz 5 Satz 2 zu be-
verfügung) verstoßen hat. § 66 Absatz 3 Satz 1 rücksichtigen.
beschränkt die Kostenhaftung des Beförde-
rungsunternehmers auf den im § 67 Absatz 2 66.4.5 Falls mehrere Arbeitgeber eines nicht erlaubt
dargestellten Umfang. Nur in diesem be- beschäftigten Ausländers als Gesamtschuldner
schränkten Umfang besteht auch eine Gesamt- haften, entscheidet die zuständige Behörde nach
schuld mit anderen Kostenschuldnern. pflichtgemäßem Ermessen, wen sie als Kosten-
schuldner durch Leistungsbescheid in An-
66.3.3 Die nach § 66 Absatz 3 Satz 1 auf bestimmte spruch nimmt. Die Behörde ist nicht ver-
Kosten beschränkte Haftung des Beförde- pflichtet, alle in Betracht kommenden Kosten-
rungsunternehmers lässt die Haftung weiterer schuldner zu ermitteln. Diese Haftung gilt auch
Kostenschuldner für die Gesamtkosten unbe- in Bezug auf Straftäter i. S. v. § 96.
rührt.
66.5 Sicherheitsleistung
66.4 Haftung des Arbeitgebers bei unerlaubter
Beschäftigung und Haftung des Schleusers 66.5.1 Eine Sicherheitsleistung kann von der gemäß
§ 71 zuständigen Behörde von jedem Kosten-
66.4.0 Die in § 66 Absatz 4 genannten Kosten- schuldner verlangt werden. Bei der Erhebung
schuldner haften unabhängig davon, ob die Zu- ist im Rahmen der Ermessensausübung der
widerhandlung strafrechtlich oder als Ord- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berück-
nungswidrigkeit geahndet wurde. Die in § 66 sichtigen, d. h. es muss ein echtes Sicherungs-
Absatz 4 genannten Kostenschuldner haften al- bedürfnis festgestellt werden. Dies kann z. B.
lerdings nur für Kosten der Abschiebung oder der Fall sein, wenn eine Beitreibung der Rück-
Zurückschiebung. Die Haftung umfasst nicht führungskosten nach Vollzug der Abschiebung/
die Kosten der Zurückweisung, auch wenn ein Zurückschiebung des Ausländers wahrschein-
Versuch der illegalen Einschleusung scheitert lich nicht gewährleistet ist. Die Sicherheits-
(vgl. § 96 Absatz 3) und für eine Inhaftierung leistung kann aus Geldmitteln (z. B. selbst-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1189

schuldnerische Bankbürgschaft) und Sach- 66.5.4.2 Die Sicherheitsleistung ist in dem zu erlasse-
werten bestehen. nden Leistungsbescheid zu berücksichtigen.
Übersteigt die Sicherheitsleistung die im Lei-
66.5.1.1 Durch die Abgabe einer Garantieerklärung sei- stungsbescheid gemäß § 67 Absatz 3 Satz 1
tens der jeweiligen Luftverkehrsgesellschaft festzusetzenden tatsächlichen Kosten, erhält
anstelle einer Sicherheitsleistung wird das Ver- der Sicherungsgeber den Restbetrag zurück.
fahren für die Beteiligten vereinfacht. Aus der Das Vollstreckungsverfahren sowie die Erstat-
Weigerung, eine Garantieerklärung abzugeben, tung des Restbetrags richten sich nach dem für
kann jedoch nicht auf ein generelles Siche- die zuständige Behörde maßgebenden Verwal-
rungsbedürfnis geschlossen werden. tungsvollstreckungsrecht.
66.5.5 Die Beschlagnahme nach § 66 Absatz 5 Satz 3
66.5.1.2 Die Sicherheitsleistung des in § 66 Absatz 2 ge-
setzt keine Schriftform voraus. Dem Ausländer
nannten Kostenschuldners kann bereits vor der
Einreise des Ausländers in das Bundesgebiet ist eine Empfangsbescheinigung über die be-
schlagnahmten Sachen zu erteilen.
verlangt werden. Sie kann sowohl bei der deut-
schen Auslandsvertretung als auch bei der 66.5.6 Überbrückungsgeld, das ein Ausländer im
Ausländerbehörde hinterlegt werden. Die Hin- Vollzug der Jugendstrafe, Freiheitsstrafe oder
terlegung einer Sicherheitsleistung ist in den der freiheitsentziehenden Maßregeln der Bes-
Akten zu vermerken. Eine Mehrfertigung des serung und Sicherung gemäß § 51 Absatz 1
Aktenvermerks kann dem Ausländer auf Ver- StVollzG anspart, und unpfändbares Eigengeld
langen ausgehändigt werden. Wird die Sicher- nach § 51 Absatz 4 Satz 2 StVollzG darf nicht
heitsleistung im Rahmen einer Verpflichtung als Sicherheitsleistung einbehalten werden.
nach § 66 Absatz 2 und § 68 Absatz 1 hinter-
legt, ist dies auf der Verpflichtungserklärung zu
vermerken. Die Sicherheitsleistung darf nur 67 Zu § 67 – Umfang der Kostenhaftung
dann ausbezahlt werden, wenn vorher akten-
kundig festgestellt wurde, dass Kosten gemäß 67.0 Allgemeines
§§ 66 und 67 nicht angefallen sind. 67.0.1 § 67 regelt den Umfang der Haftung der ge-
nannten Kostenschuldner i. S. d. § 66. Bei den
66.5.2 Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung Kosten i. S. v. § 67 handelt es sich um spezielle
des Ausländers nach § 66 Absatz 5 Satz 2 ist in Aufwendungen, die bei der Vollstreckung der
§ 77 keine Schriftform vorgeschrieben. Eine Abschiebung (§ 58), Zurückschiebung (§ 57),
mündliche Anordnung der Sicherheitsleistung Zurückweisung (§ 15) oder Durchsetzung einer
reicht aus, wenn umgehend ein Leistungs- räumlichen Beschränkung (§ 61) entstanden
bescheid erlassen wird oder wenn die sofortige sind.
Vollstreckung geboten ist. Wird die Sicher-
heitsleistung ohne vorherige Vollstreckungs- 67.0.2 Zu den Kosten i. S. v. § 67 gehören nicht
anordnung und Fristsetzung vollstreckt, erhält Gebühren und Auslagen i. S. v. § 69, Kosten für
der Ausländer eine Empfangsbestätigung über den Lebensunterhalt i. S. v. § 68 Absatz 1
die Höhe bzw. den Umfang der Sicherheits- außerhalb der genannten Vollstreckungsmaß-
leistung. Die Sicherheitsleistung kann aus nahmen, Kosten eines strafrechtlichen Ermitt-
Geldmitteln und Sachwerten bestehen. lungsverfahrens und Kosten der Untersu-
chungs- und Strafhaft.
66.5.3 Die für den Erlass des Leistungsbescheids zu-
67.0.3 Kostengläubiger ist, unbeschadet landesrecht-
ständige Behörde entscheidet über die Anord-
licher Zuständigkeitsregelungen, der Verwal-
nung einer Sicherheitsleistung dem Grunde und
tungsträger der Behörde, die die Maßnahme
der Höhe nach. Sie hat die mit der Vollstrek-
angeordnet hat. Die anordnende Behörde hat
kung der Sicherheitsleistung betrauten Be-
die Kosten für eine von ihr angeforderte Un-
diensteten (z. B. Vollstreckungsbeamte) zu un-
terstützung durch andere Behörden vollständig
terrichten und diese erforderlichenfalls mit der
zu berechnen (beispielsweise eine Ausländer-
Bekanntgabe der Anordnung zu betrauen. Be-
behörde die Kosten für die von ihr herangezo-
sitzt der Ausländer bei der Abschiebung, Zu-
gene Landespolizei und die Bundespolizei),
rückschiebung oder Zurückweisung Geldmittel
nachdem ein Kosteneinzelnachweis durch die
und Sachwerte in beachtlichem Umfang und
unterstützende Behörde vorgelegt wurde. Sie
hat er vorher öffentliche Mittel in Anspruch
hat gegenüber dem Kostenschuldner den
genommen, die nicht auf einer Beitragsleistung
Nachweis zu erbringen, welche Kosten durch
beruhen, ist der Leistungsträger unverzüglich
die Vollstreckungsmaßnahme entstanden sind
zu unterrichten und diesem unter Umständen
(Kosteneinzelnachweis). Hinsichtlich der Zu-
Amtshilfe zu leisten. Besteht der Verdacht auf
ständigkeit für die Kostenerfassung siehe
Straftaten, ist im Benehmen mit der Staats-
Nummer 71.1.6.
anwaltschaft eine Klärung über das weitere
Verfahren herbeizuführen. 67.0.4 Gegenüber dem Kostengläubiger sind zunächst
alle entstandenen Kosten ohne Rücksicht auf
66.5.4.1 Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich die tatsächliche Leistungsfähigkeit geltend zu
nach dem voraussichtlichen Umfang der Kos- machen. Der Grundsatz der Verhältnismä-
tenhaftung (§ 67 Absatz 1 und 2). ßigkeit ist nach Bestands- bzw. Rechtskraft des
Seite 1190 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Leistungsbescheides dahingehend zu berück- 67.1.3 Zu den Kosten i. S. v. § 67 Absatz 1 Nummer 3


sichtigen, dass dem Betroffenen gemäß den gehören alle durch eine erforderliche Be-
einschlägigen haushaltsrechtlichen Regelungen gleitung des Ausländers entstandenen Kosten.
Stundungen oder Ratenzahlungen ermöglicht
werden können oder eine Niederschlagung ge- 67.1.4 Kosten der Abschiebung, die der Ausländer-
prüft wird. behörde eines anderen Bundeslandes/der
Grenzbehörde/der Landespolizei auf Grund
von Amtshilfe zustehen, sind dieser Behörde zu
67.1 Umfang der Kostenhaftung
erstatten (siehe Nummer 66.1). Der Umfang
Die Vorschrift bestimmt abschließend den der erstattungsfähigen Kosten darf nicht über
Umfang der zu erstattenden Kostenhaftung. Es die Höhe der Kosten hinausgehen, die durch
können die Kosten in ihrer tatsächlichen Höhe Leistungsbescheid gemäß § 67 Absatz 3 er-
geltend gemacht werden, sofern sie nachge- hoben werden können.
wiesen sind.
67.1.1 Die erstattungsfähigen Kosten umfassen: 67.2 Umfang der Haftung des Beförderun-
gsunternehmers
– die Beförderungs- und sonstigen Reise-
kosten (z. B. Kosten für Unterkunft und In den Fällen des § 66 Absatz 3 Satz 1 haften Be-
Verpflegung oder für die Mitnahme der förderungsunternehmer lediglich in dem in § 67
persönlichen Habe, nicht jedoch von Um- Absatz 2 genannten Umfang. Zu den Verwal-
zugsgut) für den Ausländer nach § 67 Ab- tungskosten gehören nur diejenigen Aufwen-
satz 1 Nummer 1, dungen, die im unmittelbaren Zusammenhang
mit den in § 66 Absatz 1, § 67 Absatz 1 genann-
– die Verwaltungskosten nach § 67 Absatz 1
ten Maßnahmen stehen, und diejenigen, die von
Nummer 2,
der Ankunft des Ausländers an der Grenzüber-
– sowie die Kosten für das Begleitpersonal gangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung
(z. B. Polizeivollzugsbeamte, Ärzte und über die Einreise entstehen (also auch z. B.
amtlich angeordnete Sicherheitsbegleitung Übersetzungskosten). In den Fällen des § 66
im Auftrag der zuständigen Behörde, u. a. Absatz 3 Satz 2 besteht eine solche Begrenzung
durch Sicherheitsbegleiter des Zielstaates, nicht.
Private als sonstige Fachkräfte) ein-
schließlich der Personalkosten nach § 67
67.3 Kostenerhebung durch Leistungsbescheid
Absatz 1 Nummer 3,
soweit diese mit der Abschiebung, Zurück- 67.3.0.1 Die sachliche Zuständigkeit für den Erlass eines
weisung bzw. Zurückschiebung oder der Leistungsbescheids i. S. v. § 67 Absatz 3 Satz 1
Durchsetzung der räumlichen Beschränkung in richtet sich nach § 71 (siehe Nummer 71.3.4.2
einem direkten inneren sachlichen Zusammen- und 71.5.1.1). Wird eine Abschiebung im Wege
hang stehen und hierfür erforderlich sind. der Amtshilfe durchgeführt, ist die um Amts-
Hierzu zählen auch Handlungen zur Vorberei- hilfe ersuchende Behörde sachlich zuständig.
tung dieser Maßnahmen und auch Kosten fehl- Sie hat der Amtshilfe leistenden Behörde die
geschlagener Abschiebungs-, Zurückweisungs- dieser zustehenden Kosten zu erstatten (siehe
und Zurückschiebungsversuche. Nummer 66.1). Kostenrechtlich werden die
Maßnahmen Abschiebung, Zurückschiebung
67.1.2 Zu den Kosten i. S. v. § 67 Absatz 1 Nummer 2 oder Zurückweisung jeweils als Einheit be-
gehören im Einzelnen nachgewiesene, durch trachtet, so dass zur Bestimmung der Zustän-
die Vollstreckungsmaßnahme verursachte Auf- digkeit für den Erlass eines Leistungsbescheids
wendungen. Dazu gehören insbesondere die Sachherrschaft über das „Ob“ der Durch-
führung entscheidend ist. Das bedeutet, dass die
67.1.2.1 – Kosten für Heimreisedokumente und die Behörde, die für die Entscheidung über eine
Fertigung von Lichtbildern sowie sonstige aufenthaltsbeendende Maßnahme dem Grunde
Kosten, die z. B. für Maßnahmen zur Be- nach zuständig ist, anschließend auch für die
schaffung von Heimreisedokumenten einer Beitreibung der hierbei insgesamt entstandenen
ausländischen Vertretung zu erstatten sind, Kosten zuständig ist.
Barmittel für Verpflegung, Unterkunft und
Weiterreise sowie Kosten für die Vorfüh- 67.3.0.2 Nach der Aufgabenverteilung des § 71 können,
rung des Ausländers bei einer ausländischen unbeschadet landesrechtlicher Zuständigkeits-
Auslandsvertretung zur Beschaffung eines regelungen, folgende Behörden für den Erlass
Heimreisedokumentes, des Bescheids zuständig sein:
67.1.2.2 – Kosten für Dolmetscher- und Überset- 67.3.0.2.1 – die Ausländerbehörde für die Erhebung von
zungstätigkeiten, Kosten, die im Zusammenhang mit einer
67.1.2.3 – Kosten der Abschiebungshaft oder Abschiebung oder der Zurückschiebung bei
allen beteiligten Behörden entstanden sind,
67.1.2.4 – Kosten ärztlicher Gutachten zur Frage der einschließlich der Kosten für die Auslands-
(Abschiebungs-)Haftfähigkeit bzw. Flug- begleitung in ihrem Aufgabenbereich (§ 71
reisetauglichkeit. Absatz 1),
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1191

67.3.0.2.2 – die Grenzbehörde für die Erhebung von kung im Leistungsbescheid erfolgt auf Grund
Kosten der Zurückweisung vor der Ein- der Kosteneinzelnachweise der an der Vorbe-
reise und der Zurückschiebung an der reitung, Sicherung oder Durchführung der in
Grenze einschließlich der Kosten für die § 66 Absatz 1 genannten Maßnahmen be-
Auslandsbegleitung in diesen Fällen (§ 71 teiligten Behörden. Diese Behörden haben der
Absatz 3 Nummer 1), soweit diese Maß- für den Erlass des Leistungsbescheids zu-
nahmen eigenständig (d. h. ohne Beteili- ständigen Behörde die ihnen tatsächlich ent-
gung der Ausländerbehörde) durchgeführt standenen Gesamtkosten i. S. v. § 67 Absatz 1
werden, und 2 unverzüglich mitzuteilen. Die Kostener-
stattung unter den beteiligten Behörden gegen-
67.3.0.2.3 – die Polizeien der Länder für die Er-
über der Behörde, die den Leistungsbescheid
hebung von Kosten der Zurückschiebung
erlassen hat, richtet sich nach dem Verwal-
und Abschiebung in ihrem Aufgabenbe-
tungsverfahrensrecht und landesrechtlichen
reich (§ 71 Absatz 5), soweit diese Maß-
Regelungen. Der Erstattungsanspruch kann je-
nahmen eigenständig (d. h. ohne Beteili-
doch erst befriedigt werden, wenn der Kosten-
gung der Ausländerbehörde) durchgeführt
schuldner die Kosten beglichen hat. Werden die
werden.
Kosten in Form monatlicher Ratenzahlung ge-
67.3.1.1 Die Kosten werden von Amts wegen durch stundet (§ 59 BHO), sind die jeweiligen/pro-
Leistungsbescheid beim Kostenschuldner er- zentualen Beträge an die beteiligten Behörden
hoben. Soweit mehrere Kostenschuldner ne- weiterzuleiten.
beneinander (gesamtschuldnerisch) haften, hat
67.3.2.2.2 Der für den Erlass des Leistungsbescheids zu-
die den Leistungsbescheid erstellende Behörde
ständigen Behörde obliegt es im Interesse eines
ein Auswahlermessen, welchen Kostenschuld-
umfassenden Kostenersatzes zur Deckung des
ner sie in Anspruch nimmt. Die Anordnung
Verwaltungsaufwands, die Mitteilungspflichten
und Vollstreckung einer Sicherheitsleistung
der an der Abschiebung, Zurückschiebung oder
machen den Erlass eines Leistungsbescheids
Zurückweisung beteiligten Behörden zur Fest-
nicht entbehrlich.
stellung der Kosten nach § 67 Absatz 1 und 2
67.3.1.2 Die Zuständigkeit umfasst die Befugnis der für die erbrachten Leistungen (z. B. Personal-
Behörde, den Kostenschuldner nach Maßgabe und Sachkosten) zu überwachen.
des § 66 Absatz 1 bis 4 zu bestimmen. Hierbei
67.3.2.3 Deckt eine Sicherheitsleistung oder Teilzahlung
hat sie zu berücksichtigen, dass der Vorrang
die Gesamtkosten nicht, sind die vorhandenen
anderer Kostenschuldner gemäß § 66 Absatz 4
Mittel, unbeschadet landesrechtlicher Rege-
Satz 3 entfällt, wenn bei diesen eine Bei-
lungen, unter den beteiligten Behörden im Ver-
treibung der Kosten erfolglos sein wird. Hal-
hältnis der von ihnen nachgewiesenen Kosten
ten sich die anderen Kostenschuldner etwa im
aufzuteilen.
Ausland auf und können dort Bei-
treibungsmaßnahmen nicht durchgeführt wer- 67.3.3 Die Kosteneinzelnachweise der an der Maß-
den, haftet der Ausländer neben den anderen nahme beteiligten Behörden (z. B. Grenz-
Kostenschuldnern gleichrangig für die Ge- behörde nach § 71 Absatz 3 Nummer 1, Poli-
samtkosten. Haften für die Kosten mehrere zeien der Länder nach § 71 Absatz 5, Justiz-
Personen gleichrangig (§ 66 Absatz 1, 2 und behörden in Fällen des § 67 Absatz 1
3), ist jede von ihnen verpflichtet, die gesamte Nummer 2) sind in die Akten der nach § 71
Leistung zu begleichen. Die Behörde hat je- zuständigen Behörde aufzunehmen. Der Um-
doch eine Auswahlentscheidung zu treffen, stand, dass Kosten nach § 67 Absatz 1 und 2
welcher Kostenschuldner in Anspruch ge- durch den Kostenschuldner nicht beglichen
nommen werden soll. Es besteht keine Ver- worden sind, ist in den Ausländerakten an be-
pflichtung der Behörde, hierfür zunächst alle sonders ersichtlicher Stelle zu vermerken. Au-
in Betracht kommenden Kostenschuldner zu ßerdem sollen im Ausländerzentralregister
ermitteln. Unter Berücksichtigung des Zwecks Suchvermerke (§ 5 Absatz 1 AZRG) und Ein-
der Norm könnte der Kostenschuldner in reisebedenken (§ 2 Absatz 2 Nummer 4
Anspruch genommen werden, bei dem die AZRG) gespeichert werden.
Beitreibung der Kosten am aussichtsreichsten
67.3.4 Hat die zuständige Behörde den Erlass eines
erscheint. Die Leistung darf nur einmal ver-
Leistungsbescheids vorläufig zurückgestellt,
einnahmt werden.
sind die dafür maßgebenden Gründe in den
67.3.2.1 In dem schriftlich zu erlassenden Kosten- Akten zu vermerken.
bescheid sind die Kosten dem Grunde und
67.3.5 Die Behörde, die den Leistungsbescheid er-
der Höhe nach zu bezeichnen (vgl. § 39
lassen hat, hat auch über ggf. weitere vorzu-
VwVfG). Es sind die wesentlichen tatsäch-
nehmende Maßnahmen, wie die Entscheidung
lichen und rechtlichen Gründe für die Not-
über die Stundung der Forderung oder die Ein-
wendigkeit einer Sicherheitsbegleitung mit-
leitung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen
zuteilen.
den Kostenschuldner zu befinden. Das Be-
67.3.2.2.1 Die Festsetzung der Gesamtkosten der Ab- nehmen mit den weiteren beteiligten Behörden,
schiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung deren Kosten im Leistungsbescheid mit erfasst
oder Durchsetzung der räumlichen Beschrän- sind, ist ggf. herzustellen.
Seite 1192 GMBl 2009 Nr. 42– 61

68 Zu § 68 – Haftung für Lebensunterhalt 68.1.1.2 Die Verpflichtung nach § 68 Absatz 1 umfasst


nicht die Ausreisekosten nach §§ 66 und 67. Die
68.0 Allgemeines Verpflichtungserklärung soll daher regelmäßig
mit einer entsprechenden Verpflichtung zur
68.0.1 Eine Verpflichtungserklärung nach § 68 Ab-
Übernahme dieser Kosten verbunden werden.
satz 1 kann nur dann verlangt werden, wenn der
Auf das „Bundeseinheitliche Merkblatt zur
Ausländer selbst nicht in der Lage ist, den Le-
Verwendung des bundeseinheitlichen Formu-
bensunterhalt nach Maßgabe der jeweiligen
lars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i. V. m.
rechtlichen Voraussetzungen zu bestreiten. Sie
§ 66 und § 67 AufenthG“ in der jeweils gültigen
darf insbesondere als Voraussetzung für die Er-
Fassung sowie auf das bundeseinheitliche For-
teilung oder Verlängerung eines Aufenthalts-
mular für Verpflichtungserklärungen wird hin-
titels gefordert werden (zum Vordruck siehe
gewiesen.
Nummer 68.2.1.1.1), wenn
68.1.1.3 Die Dauer der Verpflichtung soll sich vom Be-
68.0.1.1 – die Sicherung des Lebensunterhalts des
ginn bis zur Beendigung des Aufenthalts des
Ausländers durch den Dritten zwingende
Ausländers oder bis zur Erteilung eines Auf-
Erteilungsvoraussetzung ist (z. B. Unter-
enthaltstitels für einen anderen Aufenthalts-
haltsverpflichtung nach § 37 Absatz 1
zweck erstrecken. Ein Aufenthaltszweck-
Nummer 2, 2. Alternative) oder
wechsel in diesem Sinne liegt auch dann vor,
68.0.1.2 – der gesicherte Lebensunterhalt ohne Inan- wenn der Ausländer den Arbeitgeber, der die
spruchnahme öffentlicher Mittel zwingende Verpflichtungserklärung abgegeben hat, wech-
Erteilungsvoraussetzung ist (§ 5 Absatz 1 selt. Dies gilt insbesondere in Fällen des Wech-
Nummer 1) und im konkreten Fall diese sels der Gasteltern bei Au-Pairs; hier ist von der
Voraussetzung auf Grund der Verpflichtung nach Umzug örtlich zuständigen Ausländer-
des Dritten vorliegen würde. behörde eine (erneute) Verpflichtungserklärung
zu verlangen.
68.0.2 Eine Verpflichtungserklärung kann von natür-
lichen und juristischen Personen (z. B. Unter- 68.1.2 Prüfungsmaßstab
nehmen, karitativen Verbänden) abgegeben
68.1.2.1 Die Verpflichtung des Dritten erfüllt nur dann
werden. Auf die Möglichkeit der Abgabe einer
die Voraussetzungen des gesicherten Lebens-
Verpflichtungserklärung im Zusammenhang
unterhalts, wenn er die übernommene Ver-
mit der Entscheidung über die Aufenthalts-
pflichtung aus eigenem Einkommen oder son-
gewährung aus humanitären Gründen durch
stigen eigenen Mitteln im Bundesgebiet erfüllen
oberste Landesbehörden (§ 23 Absatz 1 Satz 2)
kann.
wird hingewiesen.
68.1.2.2 Ist der Ausländerbehörde oder der Auslands-
68.0.3 Die Verpflichtungserklärung ist gegenüber der vertretung nicht bekannt, ob der Dritte die
Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertre- übernommene Verpflichtung erfüllen kann,
tung abzugeben. muss sie sich von ihm grundsätzlich aus-
68.0.4 Die Grenzbehörde kann verlangen, dass eine reichende Nachweise erbringen lassen (z. B.
bestehende Verpflichtungserklärung bei der Wohnraum-, Einkommens- und Versiche-
Einreise vorgelegt wird (Artikel 13 Absatz 1, rungsnachweise). Der Dritte ist jedoch hierzu
Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c) Schengener gesetzlich nicht verpflichtet (Freiwilligkeit).
Grenzkodex). Bei nicht ausreichend nachge- Sinn und Zweck des Instruments der Ver-
wiesenen finanziellen Mitteln können die Ein- pflichtungserklärung ist es, sicherzustellen, dass
reisegestattung und die Erteilung eines Aus- die öffentliche Hand für die ihr entstehenden
nahmevisums gemäß § 14 Absatz 2 von der Kosten beim Verpflichtungsgeber Regress neh-
Abgabe einer Verpflichtungserklärung ab- men kann. Daher ist nur dann die Bonität eines
hängig gemacht werden. Verpflichtungsgebers zu bestätigen, wenn der
ausreichende Nachweis über die finanzielle
68.1 Verpflichtungserklärung Leistungsfähigkeit (Bonität) des Verpflich-
tungsgebers geführt wurde oder der Ver-
68.1.1 Verpflichtungsumfang pflichtungsgeber der Ausländerbehörde bzw.
der Auslandsvertretung als zahlungsfähig be-
68.1.1.1 Zum Lebensunterhalt i. S. v. § 68 Absatz 1 zählt
kannt ist. Ist auf dem Vordruck „Verpflich-
außer Ernährung, Wohnung, Bekleidung und
tungserklärung“ nicht ausdrücklich bestätigt,
anderen Grundbedürfnissen des täglichen Le-
dass die Bonität festgestellt oder glaubhaft ge-
bens insbesondere auch die Versorgung im
macht worden ist, ist die Verpflichtungser-
Krankheitsfalle (z. B. Arztbesuch, Medikamen-
klärung unbeachtlich. Eine Verpflichtungser-
te, Krankenhausaufenthalt) und bei Pflege-
klärung, die nicht innerhalb eines Zeitraums
bedürftigkeit (z. B. Aufnahme in die eigene
von sechs Monaten nach der Bestätigung vor-
Wohnung, anderweitige Beschaffung von
gelegt wird, ist von der Auslandsvertretung re-
Wohnraum, Abschluss entsprechender Ver-
gelmäßig nicht zu berücksichtigen.
sicherungen). Aus der Verpflichtung nach § 68
Absatz 1 lässt sich ein Anspruch des Ausländers Die Überprüfung der Bonität wird durch die
auf Sicherstellung des Lebensunterhalts nicht Behörde, d. h. Ausländerbehörde oder Aus-
herleiten. landsvertretung durchgeführt, die die Ver-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1193

pflichtungserklärung entgegennimmt. Der 68.1.2.6 Die Verpflichtungserklärung eines Ausländers,


Nachweis einer ausreichenden Bonität kann bei der sich im Bundesgebiet aufhält, aber keinen
Unternehmen insbesondere durch Kontrolle Aufenthaltstitel besitzt, ist regelmäßig keine
der in zentralen Datenbanken gespeicherten ausreichende Sicherung des Lebensunterhalts.
Unternehmensdaten und Jahresendabrechnun- Besitzt der Dritte lediglich einen befristeten
gen im elektronischen Unternehmensregister Aufenthaltstitel, kann die Verpflichtungserklä-
unter www.unternehmensregister.de geführt rung nur herangezogen werden, wenn der beab-
werden. Im Übrigen wird hinsichtlich der Prü- sichtigte Aufenthalt des Ausländers den der
fung bei juristischen Personen als Verpflich- Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels
tungsgeber auf das „Bundeseinheitliche Mer- nicht übersteigt. Der Besitz eines befristeten
kblatt zur Verwendung des bundeseinheitlichen Aufenthaltstitels genügt zudem nur dann, wenn
Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 die Ausländerbehörde davon ausgehen kann,
i. V. m. § 66 und § 67 AufenthG“ in der jeweils dass der Dritte für die vorgesehene Aufenthalts-
gültigen Fassung verwiesen. Zur Bonitäts- dauer des Ausländers im Bundesgebiet bleibt.
prüfung wird ergänzend auf Nummer 2.3.1
verwiesen. 68.1.2.7 Besondere Anforderungen an die Leistungsfä-
higkeit des Dritten sind zu stellen, wenn er in
68.1.2.3 Der Prüfungsmaßstab ist neben der Leistungs- früheren Fällen eine Verpflichtungserklärung
fähigkeit des Dritten insbesondere an dem nicht erfüllt oder er sich wegen unrichtiger An-
Aufenthaltsgrund bzw. -zweck, den der Aus- gaben gemäß § 95 Absatz 2 Nummer 2 strafbar
länder angibt, der angestrebten Aufenthalts- gemacht hat. Entsprechende Nachweise sind
dauer, der zeitlichen Beschränkung der Ver- erforderlich, wenn der Ausländer während
pflichtungserklärung sowie der Aufenthalts- eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet öf-
verfestigung des Dritten im Bundesgebiet fentliche Mittel in Anspruch genommen hat
auszurichten. Bei einem langfristigen Aufent- oder an seiner Rückkehrbereitschaft berechtigte
halt ist eine Glaubhaftmachung der Bonität re- Zweifel bestehen.
gelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr muss eine
umfassende Offenlegung der Einkommen- 68.2 Verfahren
ssituation erfolgen, um feststellen zu können,
ob der Regelbedarf für die Person, zugunsten 68.2.1.1.1 Für die Abgabe der Verpflichtungserklärung ist
derer die Erklärung abgegeben wird, dauerhaft das vorgeschriebene bundeseinheitliche For-
gesichert ist. Darüber hinaus dürfen keine mular in der jeweils geltenden Fassung zu ver-
Zweifel an der Leistungsbereitschaft des Ver- wenden. Vor der Abgabe der Verpflichtungser-
pflichtungsgebers bestehen (siehe auch Num- klärung ist der Dritte auf die Freiwilligkeit sei-
mer 2.3.4.2). ner Angaben und Nachweise, auf den Umfang
und die Dauer der eingegangenen Verpflich-
68.1.2.4 Bei einem auf Dauer angelegten Aufenthalt im tungen hinzuweisen und nachweisbar zu be-
Bundesgebiet haben der Dritte oder der Aus- lehren, dass unrichtige und unvollständige An-
länder insbesondere nachzuweisen, dass für die gaben strafbar sein können (vgl. § 95 Absatz 2
Dauer des Aufenthalts des Ausländers aus- Nummer 2). Angaben über die Einkommens-,
reichende Kranken- und Pflegeversicherungen Vermögens- und Wohnverhältnisse des Dritten
bestehen. Sie müssen auf Grund ihrer fi- (Einlader), die im Rahmen der Verpflichtungs-
nanziellen Verhältnisse in der Lage sein, die an- erklärung erforderlich sind, dürfen dem Aus-
fallenden Versicherungsbeiträge regelmäßig zu länder (Eingeladenen) nicht zugänglich ge-
leisten. macht werden. Die Unterschrift des ver-
68.1.2.5 Will im Zusammenhang mit der Erteilung eines pflichteten Dritten ist amtlich zu beglaubigen.
Visums für einen Kurzaufenthalt ohne Er- 68.2.1.1.2 Auf das „Bundeseinheitliche Merkblatt zur
werbstätigkeit bis zu drei Monaten ein Dritter Verwendung des bundeseinheitlichen Formu-
eine Verpflichtungserklärung abgeben und ha- lars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i. V. m.
ben die für die Entgegennahme der Erklärung § 66 und § 67 AufenthG“ in der jeweils gültigen
zuständigen Behörden auf Grund vorhandener Fassung wird verwiesen.
Erkenntnisse keine begründeten Zweifel an sei-
ner finanziellen Leistungsfähigkeit (z. B. lang- 68.2.1.2.1 Die Verpflichtungserklärung eines Dritten, der
währender verfestigter Aufenthalt, unverän- im Bundesgebiet lebt, ist grundsätzlich gegen-
derte Einkommensverhältnisse seit der letzten über der für den vorgesehenen Aufenthaltsort
Verpflichtungserklärung), ist die finanzielle im Bundesgebiet zuständigen Ausländer-
Leistungsfähigkeit regelmäßig glaubhaft ge- behörde abzugeben. Sofern der Dritte in dem
macht. In diesen Fällen der Kurzaufenthalte ist Bezirk einer anderen Ausländerbehörde seinen
eine Abklärung der Wohnraumverhältnisse des gewöhnlichen Aufenthalt hat, nimmt diese die
Verpflichtungsgebers grundsätzlich nicht er- Verpflichtungserklärung und die erforderlichen
forderlich. Die Auslandsvertretung hat in die- Nachweise im Wege der Amtshilfe entgegen
sen Fällen die Feststellungen der Ausländer- und leitet sie unverzüglich der zuständigen
behörde (Bestätigung der Unterschrift, Ausländerbehörde zu. Die Verpflichtung des
Glaubhaftmachung bzw. Nachweis der Lei- Dritten erfüllt nur dann die Voraussetzungen
stungsfähigkeit) bei der Entscheidung zu be- des gesicherten Lebensunterhalts, wenn er die
rücksichtigen. übernommene Verpflichtung aus eigenem Ein-
Seite 1194 GMBl 2009 Nr. 42– 61

kommen oder sonstigen Mitteln im Bundesge- Auslandsvertretung (§ 71 Absatz 2) der zu-


biet erfüllen kann, da eine Vollstreckung nur im ständigen Ausländerbehörde unverzüglich mit-
Inland erfolgen kann. Eine Vollstreckung im zuteilen. Auf Grund der entsprechenden Mit-
Ausland ist im Erstattungsfall grundsätzlich teilung kann sie ihrer Unterrichtungs- und
nicht möglich. Die Ausländerbehörde hat sich Auskunftspflicht nach § 68 Absatz 4 im Leis-
von der Bonität des Verpflichtungsgebers zu tungsfall nachkommen und der Verpflich-
überzeugen. Auf Nummer 68.1.2.2 wird hinge- tungsgeber kann haftbar gemacht werden.
wiesen. Die Realisierung des öffentlich-recht-
lichen Erstattungsanspruchs erfolgt nach den 68.4 Unterrichtungs- und Auskunftspflicht der
Vorschriften des VwVG. Ausländerbehörde
68.2.1.2.2 Die Verpflichtungserklärung eines Dritten, der Nach § 68 Absatz 4 besteht eine Unterrich-
im Ausland lebt, nimmt die für den gewöhn- tungs- und Auskunftspflicht der Ausländer-
lichen Aufenthalt des sich Verpflichtenden behörde gegenüber dem Leistungsträger, dem
zuständige Auslandsvertretung entgegen (siehe auf Anforderung, bei Kenntnis von Soziallei-
Nummer 68.1.2). Die Mehrfertigung der stungsbezug von Amts wegen, die Mehr-
Verpflichtungserklärung (mit Originalunter- fertigung der Verpflichtungserklärung über-
schriften) ist zu den Akten der Ausländerbe- sandt wird. Die Ausländerbehörde hat zudem
hörde oder der Auslandsvertretung zu nehmen. zu prüfen, ob wegen der Inanspruchnahme öf-
fentlicher Mittel eine für die Erteilung, die
68.2.1.3 Ist die Verpflichtungserklärung zur Vorlage in
Verlängerung oder die Bestimmung der Gel-
einem Visumverfahren bestimmt und ist sie ge-
tungsdauer des Aufenthaltstitels wesentliche
genüber der Ausländerbehörde abgegeben
Voraussetzung entfallen ist und ob aufenthalts-
worden, hat der Ausländer das Original der
rechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind (z. B.
Verpflichtungserklärung bei der zuständigen
Ausweisung, nachträgliche zeitliche Beschrän-
Auslandsvertretung mit dem Visumantrag vor-
kung des Aufenthaltstitels oder des genehmi-
zulegen. Wird das Visum erteilt, händigt die
gungsfreien Aufenthalts).
Auslandsvertretung dem Ausländer das Origi-
nal der Verpflichtungserklärung zum Zwecke
der Vorlage bei der Grenzbehörde im Rahmen
69 Zu § 69 – Gebühren
des Grenzübertritts aus.
68.2.2 Die Forderung auf Grund einer Verpflicht- 69.1 Erhebung von Gebühren und Auslagen für
ungserklärung ist nach Maßgabe des VwVG ausländerrechtliche Amtshandlungen
vollstreckbar. Danach hat grundsätzlich ein Für Amtshandlungen nach dem Aufenthalts-
Leistungsbescheid durch den Leistungsträger gesetz und den zur Durchführung dieses Ge-
zu ergehen (§ 3 Absatz 2 Buchstabe a) VwVG), setzes erlassenen Rechtsverordnungen werden
dem dann die Anordnung der Vollstreckung Gebühren und Auslagen (Kosten) i. S. d.
folgt, wobei allerdings weder Bestandskraft VwKostG nach Maßgabe von § 69 i. V. m.
noch Sofortvollzug des Leistungsbescheids für §§ 44 ff. AufenthV erhoben. Dies gilt nicht für
die nachfolgende Einleitung der Vollstreckung Amtshandlungen der Arbeitsverwaltung nach
durch Vollstreckungsanordnung erforderlich §§ 39 bis 42. Kosten i. S. v. § 69 Absatz 1 können
sind (vgl. § 3 Absatz 2 Buchstabe c) VwVG). nicht nach landesrechtlichen Vorschriften er-
Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwal- hoben werden. Bei den Gebühren für aus-
tung und das Gebot, bei Aufstellung und Voll- länderrechtliche Amtshandlungen handelt es
zug des Haushaltsplans die Grundsätze der sich um öffentliche Kosten i. S. v. § 80 Absatz 2
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten Satz 1 Nummer 1 VwGO. Die Kosten nach § 69
(vgl. § 6 Absatz 1 HGrG), verlangen von der Absatz 1 werden erforderlichenfalls im Verwal-
Verwaltung, die ihr zustehenden Forderungen tungsvollstreckungsverfahren beigetrieben.
regelmäßig durchzusetzen. Somit ist der Ver-
pflichtete i. d. R. (etwa bei privaten Besuchs- 69.2 Anwendung des VwKostG
aufenthalten) durch Leistungsbescheid zur Er-
stattung heranzuziehen, ohne dass Raum für Nicht belegt
Ermessenserwägungen besteht. Bei atypischen
Gegebenheiten ist demgegenüber im Wege des 69.3 Höchstsätze
Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang
Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber
der Anspruch geltend gemacht werden soll.
die Bemessung der Gebührentatbestände und
68.2.3 Die Geltendmachung des (öffentlich-rechtli- der Gebührensätze bis zu den gesetzlichen
chen) Erstattungsanspruchs obliegt nicht der Höchstgrenzen überlassen. Durch die §§ 44 bis
Ausländerbehörde, sondern dem Leistungs- 51 AufenthV werden die ausländerrechtlichen
träger, der dem Ausländer Leistungen gewährt. Gebührentatbestände abschließend bestimmt.

68.3 Unterrichtungspflicht der Auslands- 69.4 Zuschläge für Amtshandlungen


vertretung
Nach § 69 Absatz 4 können für bestimmte ge-
Wird im Visumverfahren eine Verpflichtungs- bührenpflichtige Amtshandlungen Zuschläge
erklärung abgegeben, ist dies von der deutschen erhoben werden.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1195

69.5 Bearbeitungsgebühren – schriftliche Zahlungsaufforderung,


Die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr für – Zahlungsaufschub,
gebührenpflichtige Amtshandlungen i. S. v. § 69 – Stundung (vgl. § 19 VwKostG),
Absatz 5 ist in § 49 AufenthV geregelt. Die Be-
arbeitungsgebühr kann bereits vor Erlass des – Aussetzen der Vollziehung,
gebührenpflichtigen Verwaltungsakts bei An- – Sicherheitsleistung (vgl. § 66 Absatz 5
tragstellung erhoben werden (Vorschusszah- Satz 1, § 16 VwKostG),
lung). Ist ein Antragsteller von der Gebühr für – eine Vollstreckungsmaßnahme in Bezug auf
die von ihm beantragte Amtshandlung befreit die Einziehung des Betrags,
(§ 52 Absatz 1 bis 3, § 53 Absatz 1, 1. Halbsatz
und § 49 AufenthV), entfällt für ihn insoweit – Vollstreckungsaufschub,
auch die Bearbeitungsgebühr. Soweit eine Er- – Anmeldung im Insolvenzverfahren,
messensentscheidung über Befreiungen bzw.
– Ermittlungen des Kostengläubigers über
Ermäßigungen möglich ist, gilt dasselbe für die
Wohnsitz und Aufenthalt des Kosten-
Bearbeitungsgebühr.
schuldners oder
69.6 Widerspruchsgebühren – Aufenthalt des Kostenschuldners im Aus-
land oder weil sein Aufenthalt wegen Ver-
69.6.1 Die Festsetzung der Widerspruchsgebühr er- nachlässigung einer gesetzlichen Melde-
folgt im Widerspruchsbescheid. oder Anzeigepflicht nicht festgestellt wer-
69.6.2 Wird die Widerspruchsgebühr nach § 69 Ab- den kann (§ 70 Absatz 2).
satz 6 als Vorschuss erhoben, sollte in die
70.2.2 Hält sich der Kostenschuldner nicht im Bun-
Grundverfügung ein entsprechender Hinweis
desgebiet auf und ist dessen Anschrift im Aus-
aufgenommen werden.
land bekannt, besteht die Möglichkeit, ihm den
Leistungsbescheid nach Bundes- bzw. Landes-
70 Zu § 70 – Verjährung recht im Ausland zuzustellen. Kann der Auf-
enthalt des Kostenschuldners nicht festgestellt
70.1 Verjährungsfrist werden, kommt hilfsweise eine öffentliche Zu-
stellung des Leistungsbescheids in Betracht. Die
§ 70 Absatz 1 enthält eine allgemeine Verjäh-
Kosten und Gebühren nach §§ 66 und 69 sind
rungsregelung, wonach die Ansprüche auf die in
zur Bezahlung geltend zu machen, wenn der
§ 67 Absatz 1 und 2 genannten Kosten (siehe
Ausländer einen Visumantrag stellt oder in das
Nummer 67.1) sechs Jahre nach Fälligkeit ver-
Bundesgebiet wieder eingereist ist.
jähren. Dabei handelt es sich um Kosten im Zu-
sammenhang mit einer Abschiebung (§ 58), Zu-
rückschiebung (§ 57), Zurückweisung (§ 15) 71 Zu § 71 – Zuständigkeit
oder die Durchsetzung einer räumlichen Be-
schränkung (§ 12 Absatz 3, § 61 Absatz 1, § 71 71.1 Zuständigkeit der Ausländerbehörden
Absatz 5). Für Gebühren und Auslagen gelten
die allgemeinen Regeln über die Verjährung von 71.1.1 Sachliche Zuständigkeit
Verwaltungskosten (§ 20 VwKostG). In diesen 71.1.1.0 Die Ausländerbehörden sind generell zuständig
Fällen verjährt der Anspruch auf Zahlung von für alle aufenthalts- und passrechtlichen Maß-
Kosten nach § 20 Absatz 1 Satz 1 VwKostG nach nahmen nach dem Aufenthaltsgesetz und den
drei Jahren, spätestens mit dem Ablauf des vier- hierzu ergangenen Vorschriften sowie nach
ten Jahres nach der Entstehung. Die Verjährung ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen
von Ansprüchen beginnt mit dem Ablauf des Gesetzen i. S. v. § 1 Absatz 1 und den hierzu je-
Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig ge- weils ergangenen Vorschriften (§ 71 Absatz 1).
worden ist. Die Fälligkeit der Kostenschuld für
Gebühren und Auslagen richtet sich nach § 17 71.1.1.1 Zu den aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen ge-
VwKostG. Die Zahlungsverjährung für Ge- hören auch die Zurückschiebung, die Abschie-
bühren und Auslagen wird durch die Aussetzung bung einschließlich deren Vorbereitung (z. B.
der Vollziehung gemäß § 20 Absatz 3 VwKostG Beschaffung von Heimreisedokumenten, Flug-
unterbrochen. tickets, Festlegung des Reiseweges), Sicherung
(z. B. Festnahme des Ausländers) und Durch-
70.2 Verjährungsunterbrechung führung sowie das Verbot der Ausreise und die
Durchsetzung der Verlassenspflicht. Die Zu-
70.2.1 Die Regelung der Verjährungsunterbrechung
ständigkeit der Ausländerbehörde für diese
nach § 70 Absatz 2 erfasst Ansprüche nach § 66
Maßnahmen lässt die vollstreckungsrechtlichen
und § 69. Für Gebühren und Auslagen nach
Vorschriften der Länder unberührt (zur Kos-
§ 69 gelten die allgemeinen Regeln über die
tenerhebung vgl. § 67 Absatz 3).
Verjährungsdauer von Verwaltungskosten (§ 20
VwKostG). Außer den in § 70 Absatz 2 ge- 71.1.1.2 Für die Zurückschiebung besteht eine gleich-
nannten Gründen gelten für die Unterbrechung wertige Zuständigkeit zwischen den Aus-
der Verjährung die Gründe nach § 20 Absatz 3 länderbehörden, den Grenzbehörden und den
VwKostG. Danach wird die Verjährung unter- Polizeien der Länder (§ 71 Absatz 1, Absatz 3
brochen durch Nummer 1 und Absatz 5). Die Grenzbehörden
Seite 1196 GMBl 2009 Nr. 42– 61

sind für die Zurückschiebung an der Grenze 71.1.2.3 Nimmt ein Ausländer seinen gewöhnlichen
zuständig. Die Polizeien der Länder sind neben Aufenthalt erlaubt im Bezirk einer anderen
den Ausländerbehörden für die Zurück- Ausländerbehörde und geht dadurch die Zu-
schiebung originär zuständig. § 71 Absatz 5 er- ständigkeit auf die andere Ausländerbehörde
fordert grundsätzlich keine Beteiligung oder über, erstreckt sich der Zuständigkeitswechsel
Mitwirkung der Ausländerbehörde (siehe auch auf bereits anhängige Verwaltungsver-
Nummer 71.5.6), eine Unterrichtung der Aus- fahren, es sei denn, die Entscheidung der zuerst
länderbehörde ist jedoch sinnvoll. Im Einzelfall zuständigen Ausländerbehörde ist bereits er-
ist die Behörde zuständig, bei deren Aufgaben- gangen (siehe Nummer 71.1.3).
erfüllung eine Zurückschiebung geboten ist.
71.1.2.4 In Fällen, in denen der Ausländer (z. B. Grenz-
71.1.1.3 Die Zuständigkeit für passrechtliche Maßnah- arbeitnehmer) keinen gewöhnlichen Aufenthalt
men umfasst insbesondere die Ausstellung, im Bundesgebiet mehr besitzt, sich aber wei-
Verlängerung und Einziehung von deutschen terhin in dem Land seines früheren gewöhn-
Passersatzpapieren gemäß § 4 AufenthV (z. B. lichen Aufenthalts aufhält, bestimmt sich die
Reiseausweis für Ausländer, Notreiseausweis, örtliche Zuständigkeit nach den Vorschriften
Reiseausweis für Flüchtlinge, Reiseausweis für dieses Landes.
Staatenlose). Zu den ausweisrechtlichen Maß- 71.1.2.5 Wird ein Aufenthalt entgegen einer räumlichen
nahmen gehören die Ausstellung und Ein- Beschränkung oder einer Wohnsitzauflage be-
ziehung des Ausweisersatzes (§ 48 Absatz 2) gründet, beschränkt sich die Zuständigkeit der
und der Bescheinigung über die Aufenthalts- für den Ort des Aufenthalts zuständigen Aus-
gestattung, sofern der Asylsuchende nicht länderbehörde auf die Durchsetzung unauf-
(mehr) verpflichtet ist, in einer Aufnahmeein- schiebbarer Maßnahmen. Unaufschiebbare
richtung zu wohnen (§ 63 Absatz 3 AsylVfG). Maßnahmen, für die sich nach Landesrecht eine
so genannte Eilzuständigkeit ergeben kann,
71.1.1.4 Die Ausländerbehörden können auch für Maß- sind insbesondere
nahmen und Entscheidungen nach ausländer-
rechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen – die Zurückschiebung und die Abschiebung,
i. S. v. § 1 Absatz 1 zuständig sein (z. B. SDÜ, wenn sie anderenfalls vereitelt oder wesent-
§ 19 AsylVfG; zur Zuständigkeit des Bundes- lich erschwert würden,
amts für Migration und Flüchtlinge vgl. § 5 – die Beantragung von Abschiebungshaft
Absatz 1 Satz 2 AsylVfG). (§ 62), soweit dies von der zuständigen
Ausländerbehörde nicht oder nicht recht-
71.1.1.5 Durch Landesrecht wird bestimmt, welche Be- zeitig erfolgen kann,
hörden Ausländerbehörden i. S. v. § 71 Absatz 1
– die Einbehaltung des Passes (§ 48 Absatz 1)
sind.
sowie
71.1.2 Örtliche Zuständigkeit – die Durchsetzung der räumlichen Be-
schränkung.
71.1.2.1 Die örtliche Zuständigkeit der Ausländer-
behörden wird durch Landesrecht bestimmt 71.1.2.6 Die Befugnis zur Ingewahrsamnahme des Aus-
(z. B. LVwVfG; besondere Zuständigkeitsver- länders mit dem Ziel der Beantragung von Ab-
ordnung; Regelung in den Polizeigesetzen der schiebungs- oder Zurückschiebungshaft richtet
Länder), soweit Bundesrecht keine besonderen sich nach § 62 Absatz 4 (vgl. Nummer 58.0.0
Regelungen enthält (z. B. § 51 Absatz 2 Satz 3). und 62.4). Die Befugnis zur Durchsetzung der
Einzelne Aufgaben können nach Landesrecht räumlichen Beschränkung durch Behörden der
auf eine oder mehrere bestimmte Ausländer- Länder richtet sich nach Landesrecht.
behörden übertragen werden (§ 71 Absatz 1 71.1.2.7 Die Zuständigkeit der Ausländerbehörden nach
Satz 2). § 71 Absatz 1 umfasst auch die Prüfung, ob
insbesondere bei unaufschiebbaren Maßnah-
71.1.2.2 Stellt das Landesrecht hinsichtlich der örtlichen
men eine andere Ausländerbehörde mit der
Zuständigkeit der Ausländerbehörden auf den
Aufgabenerledigung im Wege der Amtshilfe
gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers als
betraut wird. Bei dieser Prüfung sind im Rah-
Tatbestandsmerkmal ab, ist für die Bestimmung
men der Abschiebung neben den verfahrens-
des gewöhnlichen Aufenthaltsorts maßgebend,
rechtlichen Vorschriften über die Amtshilfe
wo der Ausländer sich unter Umständen auf-
folgende Gesichtspunkte maßgebend:
hält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort
oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend 71.1.2.7.1 – Soweit die Abschiebung voraussichtlich in-
verweilt. Auf den Willen zur ständigen Nieder- nerhalb von längstens zwei Wochen (vgl.
lassung kommt es nicht an. Im Allgemeinen hat § 62 Absatz 2 Satz 2) vollzogen werden
der Ausländer dort seinen gewöhnlichen Auf- kann, würde eine Rückführung des Aus-
enthalt, wo er seine alleinige Wohnung oder länders in den Bezirk der nach Landesrecht
Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne hat. örtlich zuständigen Ausländerbehörde zu
Der Begriff der Hauptwohnung im melde- einer vermeidbaren Verzögerung führen.
rechtlichen Sinne ist jedoch nicht mit dem Be- Deshalb hat in diesen Fällen die Ausländer-
griff des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen behörde des Aufgriffsortes die weiteren im
deckungsgleich. Bundesgebiet zur Sicherung der Abschie-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1197

bung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. zuständige Aufnahmeeinrichtung zu verbrin-


Dazu gehören die Beantragung und der gen. Sofern das Asylverfahren innerhalb der
Vollzug der Abschiebungshaft und die Haftzeit unanfechtbar abgeschlossen wird,
Überführung des Ausländers bis zur wird der Ausländer nach seiner Entlassung an
Grenzbehörde. Die Buchung des Beförde- die zuständige Ausländerbehörde verwiesen,
rungsmittels für die Abschiebung ist keine die den Ausländer aufgegriffen und in Haft ge-
unaufschiebbare Maßnahme. Insoweit wird bracht hat bzw. in deren Zuständigkeitsbereich
die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes die Festnahme erfolgte.
stets im Wege der Amtshilfe tätig.
71.1.2.8.3 § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG weist unabhängig
71.1.2.7.2 – Soweit auf Antrag der Ausländerbehörde von einer landesrechtlichen Zuständigkeitsre-
des Aufgriffsortes die Abschiebungshaft an- gelung auch der Ausländerbehörde Aufgaben
geordnet und länger als eine Woche voll- zu, in deren Bezirk sich der Asylfolgeantrag-
streckt wird und weitere Maßnahmen zur steller aufhält. Diese Vorschrift gilt nur für
Beendigung des Aufenthalts erforderlich Ausländer, die einen Asylfolgeantrag gestellt
sind, veranlasst diese Behörde insbesondere haben und deren Aufenthaltsbeendigung ohne
dann die Durchführung der Abschiebung, erneute Abschiebungsandrohung oder -anord-
wenn nur sie gegenüber den Vollstrek- nung zulässig ist. Die Zuständigkeit der Be-
kungsbeamten nach Landesrecht den Voll- hörde des Aufgriffsortes ist beschränkt auf
streckungsauftrag erteilen kann. Maßnahmen zur Sicherung und Durchführung
der Aufenthaltsbeendigung oder der Durch-
71.1.2.7.3 – Sobald sich herausstellt, dass die Abschie- setzung der Verlassenspflicht nach § 12 Ab-
bung voraussichtlich nicht innerhalb von satz 3 (siehe Nummer 71.1.4.4).
drei Monaten durchgeführt werden kann,
endet grundsätzlich eine Amtshilfepflicht 71.1.2.8.4 Die Zuständigkeit erstreckt sich nicht auf die
zur Abschiebung. Der Ausländer kann der Erteilung einer Duldung und die Beförderung
zuständigen Ausländerbehörde rücküber- des Ausländers von der Grenzübergangsstelle
stellt werden; die Modalitäten sind zwischen zum Zielort der Abschiebung im Ausland; in-
der örtlich zuständigen Ausländerbehörde soweit wird auch die nach § 71 Absatz 7 Satz 2
und der die Amtshilfe leistenden Aus- AsylVfG zuständige Ausländerbehörde in
länderbehörde zu klären. Die Länder Berlin, Amtshilfe für die nach Nummer 71.1.2.8.1
Bremen und Hamburg (Stadtstaaten) kön- Satz 1 zuständige Behörde auf Grund einer
nen von dieser Möglichkeit Gebrauch ma- Kostenübernahmeerklärung tätig.
chen, wenn die Sicherungshaft (§ 62 Ab-
71.1.2.8.5 Die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes (§ 71
satz 2) bereits vier Wochen dauert. Es ist je-
Absatz 7 Satz 2 AsylVfG) kann sich ihrer Zu-
doch sicherzustellen, dass die Abschiebung
ständigkeit durch Überstellung an die im übri-
nicht vereitelt, erschwert oder verzögert
gen zuständige Ausländerbehörde begeben; von
wird.
dieser Möglichkeit kann grundsätzlich jedoch
71.1.2.8.1 Für Asylantragsteller ist nach Maßgabe des nur unter denselben Voraussetzungen Ge-
AsylVfG die Ausländerbehörde zuständig, in brauch gemacht werden, unter denen außerhalb
deren Bezirk der Ausländer zu wohnen ver- der Fälle des § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG die
pflichtet ist. Die Zuständigkeit für die Durch- Ausländerbehörde des Aufgriffsortes die
setzung der Verlassenspflicht richtet sich bei Amtshilfe ablehnen kann (siehe Nummer
Asylbewerbern nach § 59 Absatz 3 AsylVfG. 71.1.2.7.3).
Durch die Ausweisung eines Ausländers wird
71.1.3 Zuständigkeit bei Ortswechsel
unbeschadet landesrechtlicher Vorschriften
nicht die Zuständigkeit zur Vollstreckung einer 71.1.3.1 Geht die Zuständigkeit nach einem ordnungs-
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäßen Ortswechsel des Ausländers auf eine
oder von einer anderen Ausländerbehörde er- andere Ausländerbehörde über, hat diese Aus-
lassenen, von der Ausweisung unabhängigen länderbehörde über den Antrag auf einen Auf-
Abschiebungsandrohung begründet. enthaltstitel zu entscheiden, der bei der früher
zuständigen Ausländerbehörde gestellt und
71.1.2.8.2 Stellt der Ausländer während der Abschie- über den noch nicht entschieden worden ist.
bungshaft einen Asylerstantrag oder wird auf Die nunmehr zuständige Ausländerbehörde hat
Grund eines Asylfolgeantrages ein weiteres die Ausländerakte bei der früher zuständigen
Asylverfahren durchgeführt, ist der Ausländer Ausländerbehörde nach amtlichem Muster an-
mit Ausnahme der in § 14 Absatz 3 AsylVfG zufordern. Der Ausländer ist von der Aus-
genannten Fälle aus der Abschiebungshaft zu länderbehörde des Zuzugsorts über den Wech-
entlassen und an die zuständige Aufnahmeein- sel der Zuständigkeit zu unterrichten.
richtung weiterzuleiten (siehe Nummer 50.1.2.1
Satz 2, 5. Spiegelstrich und § 19 Absatz 1 71.1.3.2 Beantragt der Ausländer einen Aufenthaltstitel
AsylVfG). Solange das Asylverfahren (ein- und ist danach sein neuer Aufenthaltsort nicht
schließlich des verwaltungsgerichtlichen Ver- feststellbar, ist der Antrag auch wegen feh-
fahrens) nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, lenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen.
hat die Behörde des Aufgriffsorts den Aus- Erfolgt ein Wechsel der Zuständigkeit erst nach
länder nach der Haftentlassung in die jeweils Ablehnung eines Antrags auf Erteilung eines
Seite 1198 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Aufenthaltstitels und ist eine Entscheidung in Absatz 2) sowie für alle erforderlichen unauf-
der Widerspruchssache noch nicht getroffen schiebbaren Maßnahmen zuständig (Fest-
worden, kommt eine von der bisherigen Ent- nahme, Beantragung der Haft zur Sicherung der
scheidung abweichende Entscheidung durch Zurückschiebung). Kommen die in § 71 Ab-
die neu zuständige Ausländerbehörde nur im satz 3 Nummer 1 genannten Maßnahmen nicht
Einvernehmen mit der bisher zuständigen Aus- in Betracht, gilt:
länderbehörde in Betracht (z. B. nach Änderung
der Sach- und Rechtslage). 71.1.4.5.1 – Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach
den landesrechtlichen Vorschriften, die für
71.1.3.3 Ob eine Zuwiderhandlung gegen eine räum- die Ausländerbehörde gelten, in deren Be-
liche Beschränkung des Aufenthalts Aus- zirk der Ausländer aufgegriffen oder über-
wirkungen auf die örtliche Zuständigkeit hat, stellt wird.
richtet sich nach den landesrechtlichen Rege-
lungen. Der Ausländer unterliegt in diesen Fäl- 71.1.4.5.2 – Sofern die Zuständigkeit der während des
len der Verlassenspflicht nach § 12 Absatz 3 früheren Aufenthalts im Bundesgebiet zu-
bzw. § 59 AsylVfG mit dem Ziel der Rückkehr ständigen Ausländerbehörde in den Fällen
in den Bereich der räumlichen Beschränkung des § 50 Absatz 4 fortbesteht, werden an-
des Aufenthalts. dere Ausländerbehörden (z. B. des Auf-
griffs-, Überstellungs- oder Haftorts) nur im
71.1.4 Zuständigkeit im Falle der zwischenzeitlichen
Wege der Amtshilfe tätig (siehe Num-
Ausreise
mer 71.1.2.5).
71.1.4.1 Grundsätzlich endet die Zuständigkeit der
Ausländerbehörde, wenn der Ausländer seine 71.1.4.5.3 – Wird durch die Grenzbehörde Haft zur Si-
Ausreisepflicht erfüllt hat (§ 50 Absatz 1) oder cherung der Zurückschiebung beantragt, ist
in den Fällen des § 51 Absatz 1 Nummer 6 und in den Fällen einer Asylfolgeantragstellung
7. Hinsichtlich eines Wiedereinreisebegehrens die Ausländerbehörde, deren Bezirk den
richtet sich die Zuständigkeit nach § 71 Ab- Haftort umfasst, nach der Inhaftierung des
satz 2. Ausländers gemäß § 71 Absatz 7 Satz 2
AsylVfG auch zuständige Behörde. Eine
71.1.4.2 Bei unerlaubter Wiedereinreise (§ 14 Absatz 1) Zuständigkeit der Ausländerbehörde des
nach einem früheren Aufenthalt im Bundesge- Aufgriffs- bzw. Überstellungsorts nach § 71
biet sind für die Zurückschiebung neben der Absatz 7 Satz 2 AsylVfG wird nur be-
Grenzbehörde (§ 71 Absatz 3) auch die Aus- gründet, wenn der Ausländer sich im Zeit-
länderbehörden (z. B. Ausländerbehörde des punkt der Folgeantragstellung in deren Be-
Aufgriffsortes) und die Polizeien der Länder zirk aufhält. Die nach § 71 Absatz 7 Satz 2
nach Landesrecht örtlich zuständig. In diesem AsylVfG auch zuständige Behörde kann
Fall ist unerheblich, welche Ausländerbehörde sich ihrer Zuständigkeit nur unter den Vor-
vor der Ausreise des Ausländers aus dem Bun- aussetzungen entledigen, unter denen hin-
desgebiet zuständig war. sichtlich der weiteren Durchführung der
Aufenthaltsbeendigung die Amtshilfe abge-
71.1.4.3 Die Ausschreibung eines abgeschobenen Aus-
lehnt werden kann (siehe Nummer
länders im INPOL und SIS begründet unbe-
71.1.2.7.3).
schadet landesrechtlicher Regelungen keine
Zuständigkeit der ausschreibenden Ausländer- 71.1.4.6.1 Ein erfolgloser Ausreiseversuch (d. h. der Aus-
behörde für Maßnahmen gegen den Ausländer länder ist nicht in der Lage, der Ausreisepflicht
im Falle seiner unerlaubten Wiedereinreise. nachzukommen, weil er bei der Einreise in
71.1.4.4 Eine Zuständigkeit der während des früheren einen anderen Staat an der Grenze zurück-
Aufenthalts des Ausländers zuständigen Aus- gewiesen und etwa der Grenzbehörde überstellt
länderbehörde besteht fort in den Fällen des wird) führt zu keiner Beendigung oder Unter-
§ 71 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG. Die Ausländer- brechung des Aufenthalts im Bundesgebiet und
behörde des Aufgriffsortes (§ 71 Absatz 7 damit unbeschadet landesrechtlicher Vorschrif-
Satz 2 AsylVfG) kann sich in diesen Fällen ihrer ten auch zu keiner Änderung der bisherigen
Zuständigkeit nur entledigen, wenn aus be- Zuständigkeit.
sonderen Gründen (z. B. wegen einer Anhö-
71.1.4.6.2 Wird der Ausländer nach erfolglosem Aus-
rung bei der zuständigen Außenstelle des Bun-
reiseversuch durch die Grenzbehörde aufge-
desamtes) eine Überstellung erforderlich ist; im
griffen, ist diese für die in § 71 Absatz 3 Num-
Übrigen kann sie sich ihrer Zuständigkeit nur
mer 1 genannten Maßnahmen zuständig. Die
unter den Voraussetzungen begeben, unter de-
örtliche Zuständigkeit für die Abschiebung
nen die Amtshilfe hinsichtlich der weiteren
richtet sich nach den landesrechtlichen Vor-
Durchführung der Aufenthaltsbeendigung
schriften, die bis zum Scheitern des Ausreise-
nicht in Betracht kommt (siehe Nummer
versuchs Anwendung gefunden haben. Ist die
71.1.2.7.3).
Ausländerbehörde des Aufgriffsortes danach
71.1.4.5 In den Fällen des Aufgriffs durch die Grenz- nicht zuständig, kann diese lediglich im Wege
behörde sowie der Rücküberstellung an die der Amtshilfe mit weiteren unaufschiebbaren
Grenzbehörde durch andere Staaten ist die Maßnahmen betraut werden (siehe Nummer
Grenzbehörde für die Zurückschiebung (§ 57 71.1.2.5 ff.).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1199

71.1.5 Zuständigkeit in Fällen eines Auslandsauf- der Auslandsvertretung ist nur für Ausländer
enthalts gegeben, die sich im Ausland aufhalten. Die
Zuständigkeit der Auslandsvertretung entfällt
71.1.5.1 Für die Bestimmung der Wiedereinreisefrist
daher, wenn der Ausländer in das Bundesgebiet
nach der Ausreise nach § 51 Absatz 1 Num-
zum Zweck der Aufenthaltsnahme eingereist
mer 7 ist grundsätzlich die Ausländerbehörde
ist. Für die Erteilung von Schengen-Visa sind
zuständig, in deren Bezirk der Ausländer zu-
neben den deutschen Auslandsvertretungen
letzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
auch die Auslandsvertretungen der Schengener
Fehlt es an einem gewöhnlichen Aufenthalt, ist
Vertragsstaaten nach Maßgabe des SDÜ zu-
die Ausländerbehörde zuständig, die den Auf-
ständig. Für die Verlängerung eines Visums
enthaltstitel zuletzt erteilt oder verlängert hat.
nach der Einreise des Ausländers ist die Aus-
71.1.5.2 Für die Befristungsentscheidung nach § 11 Ab- länderbehörde zuständig (§ 6 Absatz 3). Unter-
satz 1 Satz 3 ist, sofern eine Ausweisung verfügt hält die Bundesrepublik Deutschland in einem
worden ist, grundsätzlich die Ausländer- Staat keine oder keine zur Visumerteilung er-
behörde zuständig, die diese Maßnahme er- mächtigte Auslandsvertretung oder kann die
lassen hat (vgl. Nummer 11.1.3.2.1). Ist keine zuständige Auslandsvertretung vorübergehend
Ausweisung, jedoch – ggf. mehrfach – eine Ab- keine Visa erteilen, richtet sich die Zuständig-
schiebung oder Zurückschiebung erfolgt, ist die keit für die Visumerteilung zu kurzfristigen
Behörde zuständig, die zuletzt die Abschiebung Aufenthalten nach der Vertretungsregelung der
oder Zurückschiebung veranlasst hat. Schengen-Staaten.
71.1.5.3 Für die Erteilung der Betretenserlaubnis (§ 11 71.2.2 Das Visum kann mit Ermächtigung der zu-
Absatz 2) ist die Ausländerbehörde zuständig, ständigen Auslandsvertretung oder des Aus-
in deren Bezirk sich der Ausländer aufhalten wärtigen Amtes ausnahmsweise auch von einer
will. Nach § 72 Absatz 1 Satz 2 ist die Aus- anderen als der für den gewöhnlichen Aufent-
länderbehörde, die den Ausländer ausgewiesen, haltsort des Ausländers zuständigen Auslands-
zurückgeschoben oder abgeschoben hat, in der vertretung erteilt werden.
Regel zu beteiligen (vgl. Nummer 72.1.1 f.).
71.2.3 Die Zuständigkeit der Auslandsvertretungen
71.1.5.4 Für Seeleute, die sich nicht im Bundesgebiet gemäß Nummer 71.2.1 umfasst auch Anord-
aufhalten, ist die Ausländerbehörde zuständig, nungen nach § 47, die Rücknahme und den
in deren Bezirk die Reederei ihren Sitz hat, die Widerruf eines Visums, die Feststellung, dass
sie beschäftigt. Für Maßnahmen und Ent- ein Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Num-
scheidungen gegenüber Seeleuten ohne ge- mer 6 oder 7 erloschen ist, sowie die Fest-
wöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ist die stellung und Bescheinigung, dass ein Ausländer
Ausländerbehörde des von dem Schiff ange- für die Einreise und den Aufenthalt vom Er-
laufenen Hafens zuständig. fordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist.
71.1.6 Zuständigkeit für die Kostenerfassung 71.2.4 Belastende Verwaltungsakte der deutschen
Die Behörde, die im Wege der Amtshilfe oder Auslandsvertretungen sind nach § 68 Absatz 1
nach § 71 Absatz 7 Satz 2 AsylVfG für die Si- Satz 2 Nummer 1 VwGO nicht mit dem Wi-
cherung und Durchführung der Abschiebung derspruch angreifbar (vgl. § 52 Nummer 2
eines Ausländers tätig wird, hat alle von einem Satz 4 VwGO hinsichtlich der örtlichen Zu-
privaten Kostenschuldner (§ 66 Absatz 1 bis 4) ständigkeit des Verwaltungsgerichts im Klage-
zu tragenden Kosten zu erfassen und diese Ko- verfahren).
stenaufstellung der für die Maßnahme örtlich
zuständigen Ausländerbehörde zuzuleiten. 71.3 Zuständigkeit der mit der polizeilichen Kon-
Diese Ausländerbehörde fertigt eine Gesamt- trolle des grenzüberschreitenden Verkehrs
aufstellung über alle Kosten, die der Kosten- betrauten Behörden
schuldner nach § 67 Absatz 1 und 2 zu erstatten
71.3.0 Die ausländerrechtliche Zuständigkeit der mit
hat. Die Amtshilfe umfasst auch die Anordnung
der polizeilichen Kontrolle des grenzüber-
einer Sicherheitsleistung (§ 66 Absatz 5). Der
schreitenden Verkehrs betrauten Behörden
Leistungsbescheid (§ 67 Absatz 3) wird – so-
(Grenzbehörden) regelt § 71 Absatz 3 Num-
weit erforderlich – von der für die Maßnahme
mer 1 bis 8 und Absatz 4. Dies umfasst auch die
zuständigen Ausländerbehörde erlassen (vgl.
Eintragung von Kontrollstempeln in den Pass
auch Nummer 67.3.2.2.1 bis 67.3.3).
oder Passersatz.

71.2 Zuständigkeit der deutschen Auslands- 71.3.1.1 Für die Zurückweisung ist ausschließlich die
vertretungen Grenzbehörde zuständig (Absatz 3 Nummer 1;
siehe Nummer 15.0.1).
71.2.1 Über die Erteilung eines Visums (nationales
Visum, Schengen-Visum) entscheiden die vom 71.3.1.2.1 Die Grenzbehörde ist nach Absatz 3 Num-
Auswärtigen Amt zur Visumerteilung er- mer 1 für die Zurückschiebung von Ausländern
mächtigten diplomatischen oder berufskonsul- zuständig, die beim oder nach dem unerlaubten
arischen Vertretungen (Auslandsvertretungen), Grenzübertritt an der Grenze, d. h. im (Bin-
in deren Amtsbezirk der Ausländer seinen ge- nen-) Grenzraum sowie auf einem als Grenz-
wöhnlichen Aufenthalt hat. Die Zuständigkeit übergangsstelle zugelassenen oder nicht zuge-
Seite 1200 GMBl 2009 Nr. 42– 61

lassenen Flughafen bzw. Flug- oder Landeplatz, Maßnahmen erforderlich ist, siehe Num-
See- oder Binnenhafen aufgegriffen werden mer 62.3.4, 15.5 und 57.3.2.
(siehe Nummer 57.0.2; zur Zurückschiebung
71.3.2.1 Die Grenzbehörde ist nach § 71 Absatz 3
durch die Polizeien der Länder vgl. Num-
Nummer 2, § 14 Absatz 2 zuständig für die Er-
mer 71.5.1.1 f.). Die Grenzbehörde kann das
teilung von Ausnahme-Visa in Form von
Verfahren an die örtlich zuständige Ausländer-
Schengen-Visa und von nationalen Visa sowie
behörde abgeben, wenn die Zurückschiebung
für die Erteilung eines Passersatzes. Gleiches
nicht innerhalb von einer Woche nach Beendi-
gilt nach § 71 Absatz 3 Nummer 2 für die Aus-
gung der Zurückschiebungshaft durchgeführt
setzung der Abschiebung nach § 60a Absatz 2a
werden kann. Soweit die Zuständigkeit einer
(vgl. Nummer 60a.2a.1).
Ausländerbehörde nach Nummer 71.1.2.1 nicht
besteht, ist die Ausländerbehörde zuständig, in 71.3.2.2 Die Grenzbehörde hat einen Ausländer, dem
deren Bezirk der Ausländer aufgegriffen wurde. ein Visum oder Passersatz an der Grenze ver-
sagt wird, auf die Möglichkeit einer Antrag-
71.3.1.2.2 Die Grenzbehörde ist auch zuständig für die stellung bei der zuständigen Auslands-
Zurückschiebung von Ausländern, die in das vertretung hinzuweisen (§ 83 Absatz 1 Satz 2).
Bundesgebiet bereits eingereist sind, sich da- Hinsichtlich der Formerfordernisse wird auf
nach weiter fortbewegen und in einem anderen § 77 Absatz 2 verwiesen.
Grenzraum oder auf einem als Grenzüber-
gangsstelle zugelassenen oder nicht zuge- 71.3.3 Die Grenzbehörde ist zuständig für den Wi-
lassenen Flughafen bzw. Flug- oder Landeplatz, derruf eines Visums
See- oder Binnenhafen angetroffen werden
71.3.3.1 – auf Ersuchen einer deutschen Auslands-
(z. B. Einreise über die deutsch-französische
vertretung oder einer Auslandsvertretung
Grenze und Aufgriff des Ausländers an der
eines anderen Schengen-Staates oder der für
deutsch-dänischen Grenze). Bei Asylbewer-
den künftigen Aufenthaltsort zuständigen
bern gelten §§ 18, 18a AsylVfG.
Ausländerbehörde, die der Erteilung des
71.3.1.2.3 Die Grenzbehörde, die eine Zurückschiebung (nationalen) Visums zugestimmt hat. Soll ein
angeordnet hat, ist nach Absatz 3 Nummer 1 Visum nach § 71 Absatz 3 Nummer 3
für die Befristungsentscheidung nach § 11 Ab- Buchstabe b) auf Ersuchen einer Auslands-
satz 1 Satz 3 zuständig. Die Ausländerbehörde, vertretung, die das Visum erteilt hat, wider-
deren Zuständigkeit bestand oder besteht (in rufen werden, so übermittelt die Auslands-
deren Bezirk sich der Ausländer aufhalten will), vertretung ihren Widerrufsbescheid an das
ist zu beteiligen (vgl. Nummer 11.1.3.2.2). Bundespolizeipräsidium, damit die deut-
schen Grenzbehörden in Vollzugshilfe die
71.3.1.3.1 Die Rückführung i. S. v. Absatz 3 Nummer 1 ist Bekanntgabe und die weiteren erforderli-
die Begleitung eines Ausländers über die Gren- chen Umsetzungsmaßnahmen vornehmen
ze hinaus bis zum Zielort und Überstellung an können. Im Übrigen bleibt es den Grenz-
die Grenzbehörde des Zielstaates aus Anlass der behörden unbenommen, alle sonstigen
Zurückweisung, Zurückschiebung oder Ab- durch Auslandsvertretungen übermittelten
schiebung bzw. die Übernahme von Aus- Erkenntnisse und Informationen in eigene
ländern, die von einem anderen Staat nach Entscheidungen einfließen zu lassen und
Deutschland rückgeführt werden (siehe Num- über den Widerruf eines Visums nach
mer 57.2). Zur Rückführung gehört auch die so pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
genannte Weiterschiebung (Durchbeförderung)
71.3.3.2 – in den Fällen des § 52 Absatz 1 Nummer 3
des Ausländers, der von einem anderen Staat
auch ohne Ersuchen der ausstellenden Be-
durch Deutschland in einen Drittstaat ab- oder
hörde, wenn der Ausländer zugleich gemäß
zurückgeschoben wird.
§ 15 zurückgewiesen wird (z. B. auf Grund
71.3.1.3.2 Die Rückführung obliegt den Grenzbehörden, einer Ausschreibung zum Zweck der Ein-
soweit nicht die für die aufenthaltsbeendende reiseverhinderung nach § 50 Absatz 7 oder
Maßnahme zuständige Behörde die Rück- Einreiseverweigerung nach Artikel 96 Ab-
führung mit eigenen Kräften durchführt (siehe satz 3 SDÜ).
Nummer 57.0.3 und 71.1.1.1). Die Zuständig- 71.3.4.1 Für die Anordnung eines Ausreiseverbots ist
keit der Behörde, die die Zurückschiebung oder grundsätzlich die Ausländerbehörde zuständig.
Abschiebung angeordnet hat, endet nicht mit Die Grenzbehörde ist dann zuständig, wenn
der Überstellung des Ausländers an die Grenz- dies zur Verhinderung der Ausreise an der
behörde. Die Grenzbehörde ist jedoch für die Grenze erforderlich ist (siehe Nummer 46.2.4).
ordnungsgemäße Durchführung der Maß-
nahme verantwortlich. Scheitert eine Rück- 71.3.4.2 Die Zuständigkeit der Grenzbehörde für die
führung, regelt die für die Zurückschiebung Zurückweisung oder Zurückschiebung umfasst
oder Abschiebung zuständige Behörde das auch die Geltendmachung der Kosten nach
weitere Verfahren. Maßgabe des § 67 Absatz 3 durch einen Leis-
tungsbescheid. Für die Anordnung einer Si-
71.3.1.4 Hinsichtlich der Festnahme und Beantragung cherheitsleistung gilt § 66 Absatz 5. Die Sicher-
von Haft, soweit es i. S. v. Absatz 3 Nummer 1 heitsleistung kann auch die Kosten der Ab-
zur Vorbereitung und Sicherung vorstehender schiebung umfassen (siehe Nummer 66.5.4.1 f.).
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1201

71.3.5 Die Grenzbehörde ist für die Prüfung zustän- Nummer 71.1.1.2), wenn aus Anlass ihrer Auf-
dig, ob die in §§ 63 bis 65 genannten Pflichten gabenwahrnehmung ein unerlaubt eingereister
eingehalten werden. Die Grenzbehörde ist auch Ausländer aufgegriffen wird (z. B. anlässlich
für die Androhung, Anordnung und Bei- einer Personen- bzw. Verkehrskontrolle oder
treibung von Zwangsgeld gegen Beförderungs- einer Razzia). Die Zuständigkeit umfasst auch
unternehmer und die damit verbundenen Maß- die Vorbereitung, Sicherung und Durchführung
nahmen zuständig. der Zurückschiebung (z. B. Beschaffung von
Heimreisedokumenten, Vorführung des Aus-
71.3.6 Nicht belegt.
länders bei der Auslandsvertretung, Buchung
71.3.7 Entsprechend den Erfordernissen der Praxis ist der Heimreise, Erlass eines Leistungsbescheids,
die Zuständigkeit für die Beschaffung von Transport zur Grenze, zur Justizvollzugsanstalt
Heimreisedokumenten für Ausländer einzelner oder zum Flughafen). Zur Kostenerhebung sie-
Staaten beim Bundespolizeipräsidium konzen- he Nummer 71.5.4.1 und 67.3.0.2.3.
triert. 71.5.1.2 Nach Wegfall der Grenzkontrollen an den Bin-
71.3.8 Durch Nummer 8 wird klargestellt, dass die nengrenzen der Schengen-Staaten kommt der
Grenzbehörden die durch Artikel 11 Anhang Kontrolle von Ausländern im Inland im Hin-
VIII Schengener Grenzkodex vorgesehenen blick auf die unerlaubte Einreise und den uner-
Bescheinigungen über die Einreise erteilen dür- laubten Aufenthalt eine besondere Bedeutung
fen. Diese Bescheinigungen sind bei fehlendem zu. Diese umfasst die Eintragung von Kon-
Einreisekontrollstempel zu erteilen, wenn Ort trollstempeln in den Pass oder Passersatz. Eine
und Zeit der Einreise über eine Schengen-Au- Zurückschiebung durch die Polizeien der Län-
ßengrenze nachgewiesen werden. Die Zustän- der kommt danach insbesondere in Betracht,
digkeit der Ausländerbehörden nach § 71 Ab- wenn sie anlässlich einer Personenkontrolle
satz 1 bleibt unberührt. feststellen, dass ein Ausländer
71.5.1.2.1 – ohne erforderliches Visum unerlaubt einge-
71.4 Erkennungsdienstliche Maßnahmen reist ist (§ 14 Absatz 1 Nummer 2) oder
Die Zuständigkeit der Ausländerbehörden, der 71.5.1.2.2 – mit einem nationalen Aufenthaltstitel eines
Grenzbehörde und der Polizeien der Länder Schengen-Staates für einen Kurzaufenthalt
umfasst unbeschadet asylrechtlicher Vor- eingereist ist, er jedoch zum Zeitpunkt der
schriften die Durchführung der auf Grund aus- Einreise die weiteren Voraussetzungen nach
weisrechtlicher Pflichten im Einzelfall ange- Artikel 21 SDÜ nicht erfüllt, insbesondere
zeigten Maßnahmen nach § 48 und der er- weil er von einer deutschen Behörde (z. B.
kennungsdienstlichen Maßnahmen in ihrem § 11 Absatz 1 i. V. m. Artikel 96 Absatz 3
Tätigkeitsbereich nach § 49 Absatz 2 bis 9. Für SDÜ) oder einer Behörde eines anderen
erkennungsdienstliche Maßnahmen im Rahmen Schengen-Staates (Artikel 96 Absatz 3
der Verteilung nach § 15a sind auch die nach SDÜ) im SIS zur Einreiseverweigerung aus-
§ 15a Absatz 1 Satz 5 von den Ländern be- geschrieben worden ist.
stimmten Stellen zuständig. Für erkennungs-
dienstliche Maßnahmen bei der Beantragung 71.5.2.1 Die Polizeien der Länder sind unbeschadet
eines nationalen Visums (§ 6 Absatz 4) sind die landesrechtlicher Vorschriften im Rahmen der
ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Abschiebung nur für die Durchführung dieser
Maßnahme (Vollstreckung als Realakt) zustän-
71.5 Zuständigkeit der Polizeien der Länder dig. Für eine Androhung, Ankündigung oder
Anordnung der Abschiebung bleibt die Aus-
71.5.0 Auch die Polizeien der Länder sind zuständig länderbehörde zuständig. Die Vollstreckungs-
für die behörde erteilt nach Maßgabe landesrechtlicher
– Zurückschiebung (§ 57), Vorschriften den Polizeien der Länder den
Vollstreckungsauftrag. Insoweit erfüllen die
– Durchführung der Abschiebung (§ 58), Polizeien der Länder die Funktion der Voll-
– Durchsetzung der Verlassenspflicht nach streckungsbeamten.
§ 12 Absatz 3,
71.5.2.2 Zur Durchführung der Abschiebung gehören
– Festnahme und Beantragung von Haft zum Maßnahmen des Vollzugs einschließlich der
Zweck der Vorbereitung und Sicherung der Anwendung von Zwangsmitteln, insbesondere
Zurückschiebung oder Abschiebung (siehe die Überstellung des Ausländers von dem von
Nummer 62.0.3.0). der Ausländerbehörde angegebenen Ort zur
Grenzbehörde (z. B. Grenzübergangsstelle,
Soweit die Länder keine Regelungen bezüglich
Flughafen) und das Festhalten des Ausländers
der Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der
während der Überstellung (freiheitsbeschrän-
parallelen Zuständigkeit von Ausländerbehörde
kende Maßnahme), aber auch Sicherungs- und
und Polizei getroffen haben, gelten die nach-
Vorbereitungsmaßnahmen wie die Beschaffung
folgenden Vorschriften.
von Heimreisedokumenten, die Vorführung des
71.5.1.1 Neben den Ausländerbehörden und der Ausländers bei der Auslandsvertretung zum
Grenzbehörde sind die Polizeien der Länder für Zwecke der Ausstellung von Heimreisedoku-
die Zurückschiebung originär zuständig (siehe menten (§ 82 Absatz 4), die Anordnung der
Seite 1202 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Passvorlage und die vorübergehende Ein- 71a Zu § 71 a – Zuständigkeit und Unterrichtung


behaltung des Passes, Passersatzes oder Aus-
Für die Verfolgung der Bußgeldtatbestände in
weisersatzes (§ 48 Absatz 1), die Anordnung
§ 98 Absatz 2a und Absatz 3 Nummer 1 liegt
einer Sicherheitsleistung (§ 66 Absatz 5) und
die Zuständigkeit bei den Behörden der Zoll-
das Durchsuchen des Ausländers und seiner
verwaltung. Diese Regelung ist eine Konse-
Sachen nach Maßgabe landesrechtlicher Vor-
quenz aus der Befugnis der Behörden der Zoll-
schriften.
verwaltung in § 2 Absatz 1 Nummer 4 Buch-
71.5.3 Die Polizeien der Länder sind originär für die stabe b) SchwarzArbG, zu prüfen, ob
Festnahme und Beantragung von Abschie- Ausländer entgegen § 4 Absatz 3 Satz 1 und 2
bungs- und Zurückschiebungshaft zuständig. mit entgeltlichen Dienst- oder Werkleistungen
beauftragt worden sind. Weiterhin sind die Be-
71.5.3.1 Die Festnahme richtet sich nach bundes- oder hörden der Zollverwaltung nach § 11 Schwarz-
landesrechtlichen Vorschriften über die Inge- ArbG befugt, strafrechtliche Ermittlungen im
wahrsamnahme von Personen (Ordnungs- bzw. Zusammenhang mit der Beauftragung von
Polizeirecht; vgl. aber § 62 Absatz 4 sowie Ausländern mit Dienst- oder Werkleistungen
Nummer 58.0.0 und 62.4). Sie kommt insbe- bzw. der selbstständigen Erwerbstätigkeit von
sondere zur Sicherung der Zurückschiebung Ausländern ohne entsprechenden Aufenthalts-
oder Abschiebung in Betracht. titel durchzuführen.
71.5.3.2 Die Festnahme eines nach § 50 Absatz 7 zur
Festnahme ausgeschriebenen Ausländers, ist
72 Zu § 72 – Beteiligungserfordernisse
nach Maßgabe des § 62 Absatz 4 zulässig (vgl.
Nummer 62.4). Der festgenommene Ausländer 72.1 Betretenserlaubnis
ist unverzüglich einem Richter zur Entschei-
dung über die Anordnung der Sicherungshaft 72.1.1 Die Beteiligung an der Erteilung einer Be-
vorzuführen. tretenserlaubnis nach § 11 Absatz 2 ist gemäß
§ 72 Absatz 1 Satz 1 erforderlich, wenn eine an-
71.5.4.1 Die Zuständigkeit der Polizeien der Länder für dere Ausländerbehörde als die für den vorgese-
die Abschiebung und Zurückschiebung umfasst henen Aufenthaltsort zuständige Ausländer-
auch die Geltendmachung der Kosten nach behörde für die Erteilung einer Betretenser-
Maßgabe des § 67 Absatz 3 durch einen Leis- laubnis nach Landesrecht örtlich zuständig ist.
tungsbescheid. Im Falle einer Zurückschiebung durch die
Grenzbehörden oder die Polizei der Länder ist
71.5.4.2 Die Landespolizeibehörde, die eine Zurück-
die Stelle, die die Zurückschiebung angeordnet
schiebung angeordnet hat, ist auch für die Be-
hat, zu beteiligen. Der Erteilung eines Visums an
fristungsentscheidung nach § 11 Absatz 1
einen Ausländer, dem eine Betretenserlaubnis
Satz 3 zuständig. Die Ausländerbehörde, deren
erteilt worden ist, stimmt nach § 31 Absatz 1
Zuständigkeit bestand oder besteht (in deren
AufenthV die für den vorgesehenen Aufent-
Bezirk sich der Ausländer aufhalten will), ist zu
haltsort zuständige Ausländerbehörde zu.
beteiligen (vgl. Nummer 11.1.3.2.1).
72.1.2 Von der Beteiligung der Ausländerbehörde, die
71.5.5 Die Polizeien der Länder sind für die Durch- den Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben
setzung der räumlichen Beschränkung zustän- hat, kann abgesehen werden, wenn Einreise und
dig, wenn sie aus Anlass ihrer originären Aufenthalt des Ausländers im öffentlichen In-
Aufgabenwahrnehmung einen Ausländer teresse liegen (z. B. Zeugenvernehmung).
aufgreifen, der sich in einem Teil des Bundes-
gebiets aufhält, in dem er sich nicht aufhalten
72.2 Beteiligung des Bundesamtes für Migration
darf.
und Flüchtlinge
71.5.6 Die Ausländerbehörden haben die Polizeien 72.2.1 § 72 Absatz 2 verpflichtet die Ausländer-
der Länder auf Ersuchen, insbesondere in un- behörden, bei Entscheidungen über das Vor-
aufschiebbaren Fällen, fachlich zu unterstützen, liegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungs-
auch wenn diese im Rahmen ihrer eigenen Zu- verboten nach § 60 Absatz 2 bis 5 und 7 sowie
ständigkeit tätig werden. über das Vorliegen eines Ausschlusstatbestands
nach § 25 Absatz 3 Satz 2 Buchstabe a) bis d)
71.6 Anerkennung ausländischer Pässe und Pas- eine Stellungnahme des Bundesamtes für Mi-
sersatzpapiere gration und Flüchtlinge einzuholen. Damit
wird das Einfließen der besonderen Sach- und
Ein ausländischer Pass oder Passersatz wird
Rechtskunde des Bundesamtes in diesen Berei-
ausschließlich vom Bundesministerium des In-
chen sichergestellt. Es handelt sich jeweils um
nern im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt
nicht selbstständig anfechtbare verwaltungs-
anerkannt (vgl. im Einzelnen Nummer 3.1.6 ff.).
interne Stellungnahmen. Hinweise zum Vollzug
Das Bundesministerium des Innern hat bislang
des § 72 Absatz 2 stellt das Bundesamt auf sei-
nicht von der in Absatz 6 normierten Er-
ner Website www.bamf.de bereit.
mächtigung Gebrauch gemacht, die Zuständig-
keit der Pass(ersatz)anerkennung auf eine von 72.2.2 Soweit sich im Asylverfahren Hinweise auf
ihm bestimmte Stelle zu übertragen. mögliche Ausschlussgründe nach § 25 Absatz 3
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1203

Satz 2 Buchstabe a) bis d) ergeben, weist das – die Abschiebungsandrohung und Bestim-
Bundesamt die Ausländerbehörden darauf hin mung einer Ausreisefrist.
(vgl. § 24 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe b)
72.3.1.6 Wird durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels
AsylVfG).
eine Maßnahme i. S. v. § 72 Absatz 3 Satz 1 ge-
72.2.3 Befürchtet ein Ausländer aufgrund einer Zeu- ändert oder aufgehoben, besteht das Beteili-
genaussage in einem Strafverfahren Verfolgung gungserfordernis ebenfalls.
und beruft er sich infolgedessen auf ein ziel-
staatsbezogenes Abschiebungsverbot, sollen die 72.4 Strafrechtliche Verfahren
Erkenntnisse der zuständigen Ermittlungs-
72.4.1 § 72 Absatz 4 soll verhindern, dass durch die
behörde in die Gefährdungsprognose ein-
ausländerrechtlichen Maßnahmen der Aus-
bezogen werden.
weisung und Abschiebung die Strafverfolgung
wesentlich erschwert oder vereitelt wird. Die
72.3 Änderung und Aufhebung von Maßnahmen Ausländerbehörde hat daher das Einvernehmen
72.3.1.1 Das Beteiligungserfordernis nach § 72 Absatz 3 der Staatsanwaltschaft einzuholen, wenn ihr
besteht nur, wenn der Ausländer aufenthalts- insbesondere auf Grund der Mitteilung nach
titelpflichtig ist, einen Aufenthaltstitel jedoch § 87 Absatz 4 bekannt ist, dass ein straf-
nicht besitzt. § 72 Absatz 3 Satz 1 findet dem- rechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet
nach keine Anwendung, solange der Ausländer worden ist.
vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist 72.4.2 Von der Einholung des Einvernehmens kann im
oder der Ausländer noch einen Aufenthaltstitel Einzelfall abgesehen werden, soweit die Staats-
besitzt. anwaltschaft für bestimmte Fallgruppen, z. B.
72.3.1.2 Das Beteiligungserfordernis nach § 72 Absatz 3 bei Ermittlungen wegen einer Straftat nach
dient der Vermeidung widersprüchlichen Ver- § 95, generell ihr Einvernehmen erteilt hat.
waltungshandelns. Es besteht daher nur für 72.4.3 Das Beteiligungserfordernis der Strafverfol-
Maßnahmen, die von einer anderen Ausländer- gungsbehörden nach § 72 Absatz 4 bezieht sich
behörde angeordnet sind, nicht jedoch für ge- nicht auf die Zurückweisung (§ 15), die Zu-
setzliche Beschränkungen. Die räumliche Be- rückschiebung (§ 57) oder die Entscheidung
schränkung nach § 61 Absatz 1 ist daher über den Aufenthaltstitel (§ 79 Absatz 2).
grundsätzlich unabänderbar. Dies schließt je-
doch einen Länder- bzw. Ortswechsel im Ein- 72.5 Nichtanwendung von § 45 SGB VIII
vernehmen der beteiligten Länder bzw. der
örtlich zuständigen Ausländerbehörde grund- Nach § 45 SGB VIII bedarf der Träger einer
sätzlich nicht aus. Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche
ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut
72.3.1.3 Auch die erstmalige Befristung einer Wieder- werden oder Unterkunft erhalten, für den Be-
einreisesperre nach § 11 Absatz 1 Satz 3 durch trieb der Einrichtung einer besonderen Er-
eine andere Behörde als diejenige Behörde, die laubnis. Absatz 5 schließt die Anwendung von
die aufenthaltsbeendende Maßnahme verfügt § 45 SGB VIII in Bezug auf Ausreiseein-
hat, bedarf in sinngemäßer Anwendung von richtungen (vgl. § 61 Absatz 2) oder Ein-
§ 72 Absatz 3 des Einvernehmens (vgl. Num- richtungen aus, in denen Ausländer, denen eine
mer 11.1.3.2.1). Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt
72.3.1.4 Das Beteiligungserfordernis erstreckt sich auch 5 erteilt wird, untergebracht werden.
auf Nebenbestimmungen i. S. v. § 51 Absatz 6.
Außerdem besteht es für Ausländer, die eine 72.6 Beteiligung der zuständigen Strafverfol-
Aufenthaltsgestattung nach § 55 Absatz 1 gungsbehörden sowie des Strafgerichtes bei
AsylVfG besitzen, sich aber außerhalb des Be- Entscheidungen betreffend Aufenthaltstitel
zirks nach § 56 AsylVfG aufhalten. Das Be- nach § 25 Absatz 4a bzw. Ausreisefristen
teiligungserfordernis besteht nicht für Aus- nach § 50 Absatz 2a
länderbehörden, auf deren Bezirk die Aufent- 72.6.0.1 Diese Vorschrift regelt die notwendige Beteili-
haltsgestattung beschränkt ist (§ 56 Absatz 1 gung der zuständigen Strafverfolgungsbehör-
Satz 1 AsylVfG), da es sich hierbei um eine ge- den sowie des Strafgerichtes vor einer Ent-
setzliche Beschränkung und keine Anordnung scheidung über die Erteilung, Verlängerung
einer Ausländerbehörde handelt (vgl. Num- oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach
mer 72.3.1.2). § 25 Absatz 4a und die Festlegung, Aufhebung
72.3.1.5 Sonstige Maßnahmen i. S. v. § 72 Absatz 3 oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 50
Satz 1 sind insbesondere Absatz 2a.

– die Rücknahme und der Widerruf des Auf- 72.6.0.2 Einerseits sind die Ausländerbehörden auf In-
enthaltstitels, formationen der Strafverfolgungsbehörden
oder der Strafgerichte angewiesen, um einen
– nachträgliche zeitliche Beschränkungen des Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 4a zu erteilen
Aufenthaltstitels oder des genehmigungs- oder zu verlängern bzw. eine Ausreisefrist nach
freien Aufenthalts nach Ablauf der Frist, § 50 Absatz 2a festzusetzen. Andererseits soll
– die Ausweisung und durch diese Regelung sichergestellt werden,
Seite 1204 GMBl 2009 Nr. 42– 61

dass der Widerruf des Aufenthaltstitels bzw. die Absatz 1 genannten Stellen. Das Verfahren nach
Aufhebung oder Verkürzung der Ausreisefrist § 73 Absatz 1 regelt zum einen das Beteili-
nicht ungeachtet des mit den Regelungen nach gungsverfahren der genannten Behörden für bei
§ 25 Absatz 4a und § 50 Absatz 2a bezweckten deutschen Auslandsvertretungen gestellte Vi-
Ziels – der Erleichterung des Strafverfahrens sumanträge. Es konkretisiert zum anderen das
gegen die Täter der in § 25 Absatz 4a Satz 1 ge- schengenweite Konsultationsverfahren nach
nannten Straftaten – erfolgt. Sie ist daher bei Artikel 17 SDÜ für Visumanträge, die bei
Entscheidungen der Ausländerbehörde nach Konsulaten der anderen Schengen-Staaten ge-
§ 25 Absatz 4a, § 50 Absatz 2a und § 52 Ab- stellt werden, da die Beteiligung der nationalen
satz 5 zu beachten. Sicherheitsbehörden nach dem in § 73 vorgese-
henen Verfahren geregelt wird.
72.6.1 Es handelt sich um eine zwingende Verfah-
rensvorschrift. Ausgenommen sind nach Ab- 73.1.2 Bei welchen Staatsangehörigen oder Personen-
satz 6 letzter Halbsatz nur die Fälle des § 87 gruppen die Auslandsvertretungen personen-
Absatz 5 Nummer 1, in denen die nach § 72 bezogene Daten aus dem Visumantrag über-
Absatz 6 zu beteiligenden Behörden der Aus- mitteln müssen, wird unter Berücksichtigung
länderbehörde selbst die für den Widerruf der der aktuellen Sicherheitslage gemäß Absatz 4
Aufenthaltserlaubnis bzw. die Aufhebung oder durch das Bundesministerium des Innern ein-
Verkürzung der Fristsetzung notwendigen In- vernehmlich mit dem Auswärtigen Amt durch
formationen mitgeteilt haben. eine allgemeine Verwaltungsvorschrift fest-
72.6.2 Ist der Ausländerbehörde nicht bekannt, ob gelegt. In anderen Fällen kann eine Anfrage
wegen des in Frage kommenden Sachverhalts nach Entscheidung im Einzelfall erfolgen.
bereits ein Strafverfahren eingeleitet ist, be-
teiligt sie die für den Aufenthaltsort des Aus- 73.1.3 Die in Absatz 1 Satz 4 genannten Behörden
länders zuständige Polizeibehörde. Da § 25 übermitteln vor der Ausstellung eines Aus-
Absatz 4a und § 52 Absatz 5 voraussetzen, dass nahme-Visums die erhobenen Daten entspre-
die Ausländerbehörde geprüft hat, ob die chend den nach Absatz 4 festgelegten Fällen an
Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht die die Sicherheitsbehörden und Nachrichten-
vorübergehende Anwesenheit des Ausländers dienste.
für sachgerecht erachten, ist der in § 72 Ab-
satz 6 Satz 2 geregelte Fall nur im Zusammen- 73.1.4 Damit die Auslandsvertretung Wissen der Si-
hang mit der Bestimmung der Ausreisefrist cherheitsbehörden und Nachrichtendienste zu
möglich. In dieser frühen Phase sind i. d. R. Versagungsgründen oder Sicherheitsbedenken
noch kein Strafgericht und teilweise auch noch bei der Entscheidung über einen Visumantrag
keine sachleitende Staatsanwaltschaft bekannt, berücksichtigen kann, ist die Überprüfung im
so dass die Einbindung der Polizei zielführend Rahmen des Konsultationsverfahrens nicht
ist. Sollte bereits die Staatsanwaltschaft oder ein mehr auf die Versagungsgründe i. S. d. § 5 Ab-
Strafgericht mit dem Fall befasst sein, weist die satz 4 beschränkt, sondern wurde auch auf
Polizei darauf hin, so dass nach § 72 Absatz 6 sonstige Sicherheitsbedenken erstreckt. Sons-
Satz 1 diese Stellen zu beteiligen sind. tige Sicherheitsbedenken liegen bei sicherheits-
relevanten Erkenntnissen vor, die zwar nicht
einen Regelausweisungsgrund nach § 54 Num-
mer 5 oder Nummer 5a, aber dennoch den
73 Zu § 73 – Sonstige Beteiligungserfordernisse
Verdacht begründen, dass eine schwerwiegende
im Visumverfahren und bei der Erteilung
Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegen
von Aufenthaltstiteln
könnte. Beim Vorliegen von Gründen, bei de-
73.1 Beteiligung der Sicherheitsbehörden im nen eine Ausweisung zwingend (§ 53) oder in
Visumverfahren der Regel (§ 54) zu verfügen ist, sind Sicher-
heitsbedenken grundsätzlich zu bejahen. Dar-
73.1.1 § 73 Absatz 1 enthält in Bezug auf bestimmte über hinaus können Sicherheitsbedenken auch
Staaten eine Rechtsgrundlage für die Übermitt- bei sicherheitsrelevanten Erkenntnissen oder
lung der im Visumverfahren von der Auslands- Erkenntnissen über Bezüge zu extremistischen
vertretung erhobenen personenbezogenen Da- oder terroristischen Organisationen vorliegen,
ten des Visumantragstellers, des Einladers und die zwar keinen Regelausweisungsgrund nach
von Personen, die durch Abgabe einer Ver- § 54 Nummer 5 oder 5a begründen, aber den-
pflichtungserklärung oder in anderer Weise die noch eine sicherheitsrelevante Gefährdung oder
Sicherung des Lebensunterhaltes garantieren Beeinträchtigung der Interessen der Bundes-
oder zu sonstigen Referenzpersonen. Die republik Deutschland darstellen (vgl. § 5 Ab-
Übermittlung erfolgt zur Feststellung von Ver- satz 1 Nummer 3). Nach § 73 Absatz 3 Satz 1
sagungsgründen nach § 5 Absatz 4 oder zur übermittelte Versagungsgründe oder Sicher-
Prüfung von sonstigen Sicherheitsbedenken. heitsbedenken der Sicherheitsbehörden und
Um zu gewährleisten, dass sicherheitsrelevantes Nachrichtendienste müssen im Rahmen der
Wissen aller Sicherheitsbehörden und Nach- Ermessensentscheidung bei der Erteilung von
richtendienste für diese Feststellung zur Verfü- Schengen-Visa und bei der Erteilung von na-
gung stehen kann, bezieht sich die Anfragebe- tionalen Visa von der Auslandsvertretung be-
fugnis der Auslandsvertretung auf alle in § 73 rücksichtigt werden.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1205

73.1.5 Der Kreis der Personen, von denen personen- Absatz 2 aufgeführten Stellen für die Fest-
bezogene Daten im Rahmen der sicherheits- stellung des Versagungsgrundes nach § 5 Ab-
behördlichen Überprüfung des Visumantrags- satz 4 Satz 1 und zur Prüfung von sonstigen Si-
tellers übermittelt werden, umfasst neben der cherheitsbedenken heranzuziehen.
visumantragstellenden Person Einlader und
Personen, die durch Abgabe einer Ver- 73.2.1 Das Verfahren nach § 73 Absatz 2 ist in der
pflichtungserklärung oder in anderer Weise für Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 73
die Sicherung des Lebensunterhalts garantieren, Absatz 2 und 3 Satz 1 vom 25. August 2008
sowie sonstige Referenzpersonen im Inland. (GMBl 2008, S. 943) geregelt. Ergänzende Re-
gelungen der Länder sind zu beachten.
– Einlader sind Personen, die im eigenen Na-
men oder für eine Organisation eine Ein-
ladung des Antragstellers in das Bundesge- 73.3 Rückmeldung und Nachberichtspflicht
biet zur Verwendung im Visaverfahren aus-
gesprochen haben. 73.3.0 Absatz 3 enthält die Regelungen zur Rück-
übermittlung der Sicherheitsbehörden und
– Verpflichtungsgeber sind Personen, die sich
Nachrichtendienste an die anfragende Stelle,
im eigenen Namen oder für eine Organisa-
d. h. Auslandsvertretung, Ausländerbehörde
tion nach § 68 Absatz 1 oder durch Abgabe
und – in den Fällen des § 73 Absatz 1 Satz 3 –
einer Erklärung zur Verwendung im Visa-
die Bundespolizei.
verfahren in sonstiger Weise verpflichtet
haben, die Kosten für den Lebensunterhalt 73.3.1 Absatz 3 Satz 1 enthält die Verpflichtung der
des Antragstellers während des Aufenthalts Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste,
im Bundesgebiet zu tragen oder nach § 66 unverzüglich mitzuteilen, ob Versagungsgrün-
Absatz 2 für die Ausreisekosten des Aus- de i. S. d. § 5 Absatz 4 Satz 1 oder Sicherheits-
länders aufzukommen. Dazu gehören auch bedenken vorliegen. Die Mitteilung, ob Be-
die Personen, die eine Sicherheitsleistung denken vorliegen, erfolgt im Verfahren nach
auf ein Sperrkonto in Deutschland ein- Absatz 1 und 2 automatisiert mit den jeweils
zahlen, oder Personen, die eine Bankbürg- vorgesehenen Rückmeldekürzeln. Im Fall der
schaft bei einem Geldinstitut im Bundes- Mitteilung, dass Versagungsgründe oder son-
gebiet hinterlegen. Personen, die eine stige Sicherheitsbedenken vorliegen, kann die
Verpflichtungserklärung abgeben oder anfragende Stelle mit der Sicherheitsbehörde,
Sperrkonten einrichten, müssen nicht zwin- die mitgeteilt hat, ob sonstige Sicherheits-
gend identisch mit dem Einlader sein. bedenken vorliegen, Kontakt aufnehmen, um
– Sonstige Referenzpersonen sind Personen, im Einzelfall im gesonderten Informationsaus-
die den vom Antragsteller angegebenen tausch die näheren Angaben zu den zugrunde
Zweck des Aufenthalts im Bundesgebiet zur liegenden Versagungsgründen oder Sicherheits-
Verwendung im Visaverfahren im eigenen bedenken der Sicherheitsbehörden zu erfahren.
Namen oder für eine Person bestätigt haben. Für das Verfahren nach Absatz 3 wird auf § 3
der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 73
Im Hinblick auf die Feststellung sonstiger Si- Absatz 2 und 3 Satz 1 verwiesen. Ergänzende
cherheitsbedenken können die Erkenntisse zu Regelungen der Länder sind zu beachten.
Einladern und Referenzpersonen im Rahmen
von § 5 Absatz 1 Nummer 3 berücksichtigt 73.3.2 Durch das Richtlinienumsetzungsgesetz wurde
werden. ergänzend in Satz 2 die so genannte Nachbe-
73.1.6 Die nach § 73 Absatz 1 zuständige Stelle für die richtspflicht der Behörden eingeführt. Die
Übermittlung der im Visumverfahren erhobe- Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden
nen Daten an die genannten Sicherheits- übermitteln den Sicherheitsbehörden und
behörden ist durch Rechtsverordnung gemäß Nachrichtendiensten die Gültigkeit der ertei-
§ 99 Absatz 3 i. V. m. § 30a AufenthV bestimmt. lten und verlängerten Aufenthaltstitel. Werden
Das Verfahren nach § 73 Absatz 1 ist in der den Sicherheitsbehörden und Nachrichten-
Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 73 diensten während des Gültigkeitszeitraums des
Absatz 1 und § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Aufenthaltstitels, d. h. nach Absatz 1 im Falle
AufenthV [VS-NfD]) geregelt. der Anfrage durch die Auslandsvertretung bei
Visumerteilung, und nach Absatz 2 bei Anfrage
durch die Ausländerbehörde in den dort vorge-
73.2 Beteiligung der Sicherheitsbehörden durch
sehenen Fällen Versagungsgründe oder Sicher-
die Ausländerbehörden
heitsbedenken bekannt, teilen sie diese der
73.2.0 § 73 Absatz 2 enthält eine entsprechende Auslandsvertretung oder der Ausländerbehör-
Rechtsgrundlage für Anfragen der Ausländer- de unter Nutzung der Verfahren nach Absatz 1
behörden vor der Erteilung oder Verlängerung und 2 im Rahmen der technischen Möglich-
eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung oder keiten unverzüglich mit. Werden entsprechende
Aufenthaltsgestattung bei den genannten Bun- Informationen nach Visumerteilung bzw.
des- und Landesbehörden. Ebenso wie vor der Durchführung der ausländerrechtlichen Maß-
Visumerteilung muss auch vor dieser aufent- nahme bekannt, können die Informationen ggf.
haltsrechtlich wichtigen Entscheidung die zu Widerruf und Annullierung des Visums oder
Möglichkeit gegeben sein, das Wissen der in zur Ausweisung führen.
Seite 1206 GMBl 2009 Nr. 42– 61

73.3.3 Zur Erfüllung ihrer Nachberichtspflicht können leinigen Zuständigkeit der Ausländerbehörden
die in Absatz 1 genannten Behörden die An- der Länder liegt (siehe auch § 71), die in Ab-
gaben zu dem betreffenden Antrag für den Gül- satz 1 vorgesehenen Maßnahmen von den Aus-
tigkeitszeitraum speichern. Die Speicherbefug- länderbehörden nur unter Beteiligung des Bun-
nis ergibt sich aus Satz 3. Durch ausdrückliche desministeriums des Innern vorgenommen
Regelung einer Nachberichtspflicht wird zu- werden dürfen. Voraussetzung ist, dass sich der
gleich klargestellt, dass kraft dieser Aufgaben- Bund entsprechende Maßnahmen schon bei der
zuweisung die übermittelten Daten nach Satz 2 Visumerteilung vorbehalten hat. In diesem Fall
für den Gültigkeitszeitraum des Aufenthalts- regelt die für die Visumerteilung zuständige
titels gespeichert werden dürfen. Die Auslands- Auslandsvertretung in einer Nebenbestimmung
vertretungen bzw. Ausländerbehörden infor- zu dem erteilten Visum, dass und in welcher
mieren die in Absatz 1 und 2 genannten Be- Form das Bundesministerium des Innern oder
hörden, für welchen Zeitraum die Visa erteilt eine von ihm bestimmte Stelle bei den bezeich-
bzw. ausländerrechtlichen Maßnahmen ge- neten Maßnahmen zu beteiligen ist. Dabei liegt
troffen wurden. Die Bestimmung ist zugleich die Entscheidungshoheit, ob eine solche Ne-
die Rechtsgrundlage für die weitere Speicherung benbestimmung vorzusehen ist, beim Bundes-
und Nutzung der im Rahmen der Anfrage über- ministerium des Innern. Voraussetzung ist, dass
mittelten Daten durch diese Stellen, wenn das im die Regelung zur Wahrung politischer Inter-
Rahmen ihrer übrigen gesetzlichen Aufgaben- essen des Bundes dient. Die Ausländerbehörde
erfüllung erforderlich ist. Für die Dauer der kann die ausländerrechtliche Maßnahme in
Speicherung gelten insoweit die für die jeweilige diesem Falle nur im Benehmen (Nichtbe-
Stelle verbindlichen allgemeinen Löschungs- anstandung nach Anhörung) oder im Einver-
fristen. Eine Übermittlung dieser Daten an nehmen (das ausdrückliche Zustimmung vor-
Dritte ist im Rahmen bereits bestehender Über- aussetzt) entscheiden und muss in jedem Fall
mittlungsregelungen ebenfalls zulässig. mit dem Bundesministerium des Innern Kon-
takt aufnehmen.
73.3.4 Bei vorzeitiger Beendigung der Nachberichts-
pflicht, z. B. durch Widerruf und Annullierung
des Visums oder Aufenthaltstitels, aufenthalts- 74.2 Weisungsbefugnis
beendenden Maßnahmen, Fortzug ins Ausland Die Vorschrift ermächtigt die Bundesregierung
oder Tod des Antragstellers teilen die Aus- zur Erteilung von Einzelweisungen an die Län-
landsvertretungen oder Ausländerbehörden derbehörden (Artikel 84 Absatz 5 Satz 1 GG).
dies den in Absatz 1 und 2 genannten Behörden Die Weisungen werden grundsätzlich gegen-
unter Nutzung der Verfahren nach Absatz 1 über der obersten Landesbehörde ausgespro-
und 2 über das Bundesverwaltungsamt mit. chen und werden nur in Dringlichkeitsfällen
direkt gegenüber der Ausländerbehörde bei
73.4 Ermächtigung zum Erlass einer nachrichtlicher Beteiligung der obersten Lan-
Verwaltungsvorschrift desbehörde ergehen. Die Vorschrift ist dem
Einzelfall vorbehalten.
§ 73 Absatz 4 enthält die rechtliche Grundlage
für den Erlass einer Allgemeinen Verwaltungs-
vorschrift i. S. d. Artikels 84 Absatz 2 GG, die 74a Zu § 74a – Durchbeförderung von
es ermöglicht, Kriterien für die informationelle Ausländern
Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen mit
den Sicherheitsbehörden und Nachrichten- 74a.0 Allgemeines
diensten festzulegen und dadurch die Über-
prüfungen auf relevante Fallkonstellationen zu 74a.0.1 Bei einer Durchbeförderung handelt es sich um
beschränken. Die Verpflichtung zur Beteiligung die Beförderung eines ausländischen Staatsan-
der Sicherheitsbehörden kann dabei neben dem gehörigen im Rahmen einer Rückführungs-
Merkmal „Herkunftsstaat“ auch an andere und maßnahme eines anderen Staates durch bzw.
weitere Merkmale anknüpfen. Die Festlegung über das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik
der Kriterien durch eine Allgemeine Verwal- Deutschland. Durchbeförderungen erfolgen auf
tungsvorschrift stellt sicher, dass auf eine ver- Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarun-
änderte Sicherheitslage unverzüglich reagiert gen, i. d. R. sind dies Rückübernahme- oder
werden kann. Durchbeförderungsabkommen und Rechtsvor-
schriften der Europäischen Gemeinschaft, ins-
besondere die Richtlinie 2003/110/EG des Ra-
74 Zu § 74 – Beteiligung des Bundes; tes vom 25. November 2003 über die Unter-
Weisungsbefugnis stützung bei der Durchbeförderung im Rahmen
von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luft-
74.1 Beteiligung des Bundes weg (ABl. EU Nummer L 321 S. 26, so ge-
nannte Durchbeförderungsrichtlinie). Durch-
Die Regelung sieht vor, dass unter Abweichung beförderungen jenseits dieser Grundlagen sind
von der gesetzlichen Kompetenzverteilung, nicht statthaft.
wonach die Entscheidung über die Verlänge-
rung eines Visums im Inland oder die Erteilung 74a.0.2 Mit der Vorschrift wird die Durchbeförde-
eines Aufenthaltstitels grundsätzlich in der al- rungsrichtlinie umgesetzt. Zweck der Regelung
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1207

ist es, das Verfahren über die Unterstützung 75 Zu § 75 – Aufgaben


zwischen den zuständigen nationalen Behörden
Nicht belegt.
bei unbegleiteten und begleiteten Rück-
führungen auf dem Luftweg über Flughäfen der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union fest-
76 Zu § 76 – (weggefallen)
zulegen. Außerdem wird das Verfahren der
Durchbeförderung auf dem Landweg geregelt. Nicht belegt.
Die die Durchbeförderung regelnden zwi-
schenstaatlichen Vereinbarungen unterliegen
nicht dem Schrifterfordernis. I.d.R. handelt es 77 Zu § 77 – Schriftform; Ausnahme von
sich jedoch um förmliche Rückübernahme- Formerfordernissen
oder Durchbeförderungsabkommen.
77.0 Allgemeines
74a.1 Durchbeförderungen auf dem Luftweg in Soweit das Aufenthaltsgesetz keine besonderen
Anwendung der Durchbeförderungsricht- Verfahrensvorschriften enthält, richtet sich das
linie Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungs-
verfahrensrecht, das für die in § 71 genannten
Nur wenn aus vertretbaren praktischen Grün- Behörden gilt. Für die Behörden des Bundes
den für die Rückführung kein Direktflug in den findet das VwVfG Anwendung. Der Rechtsweg
Zielstaat genutzt werden kann, kann der Mit- gegen Entscheidungen der in § 71 genannten
gliedstaat einen entsprechenden schriftlichen Behörden richtet sich nach der VwGO, sofern
Antrag auf Durchbeförderung über einen deut- nicht Verfahrensregelungen des Landesrechts
schen Flughafen stellen. Dieser Antrag soll anzuwenden sind.
mindestens zwei Tage vor der geplanten Rück-
führung vorliegen. Der Wechsel des Flughafens 77.1 Schriftformerfordernis
innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist
nicht zulässig. Die Entscheidung über den An- 77.1.0.1 § 77 Absatz 1 Satz 1 und 2 schreibt nicht ab-
trag ist dem anfragenden Staat grundsätzlich schließend vor, welche Verwaltungsakte an die
binnen zwei Tagen nach Eingang des Antrages Schriftform gebunden sind. Nach § 59 Absatz 1
mitzuteilen. Das zu nutzende Antragsformular soll z. B. die Androhung der Abschiebung
ist als Anhang Bestandteil der Richtlinie. schriftlich verfügt werden. Demgegenüber sind
die Ankündigung und Durchsetzung der Ab-
schiebung, die Zurückschiebung und die Zu-
74a.2 Durchbeförderungen (Land/Luft) auf Grund
rückweisung sowie die Anordnung einer Si-
zwischenstaatlicher Vereinbarungen
cherheitsleistung nicht an die Schriftform ge-
Insbesondere neuere Rückübernahmeabkom- bunden.
men enthalten Regelungen für die Durch- 77.1.0.2 Außer in den in § 77 Absatz 1 genannten Fällen
beförderung. Inhaltlich orientieren sich diese an sollen i. d. R. folgende Entscheidungen schrift-
der Durchbeförderungsrichtlinie. lich ergehen:
– die Rücknahme eines Aufenthaltstitels nach
74a.3 Durchbeförderungen von gemeinschafts- § 51 Absatz 1 Nummer 3 i. V. m. § 48
rechtlich begünstigten Personen VwVfG,
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ge- – eine Anordnung nach § 63 Absatz 2 und
meinschaftsrechtlich begünstigten Personen das Absatz 3,
Recht auf Freizügigkeit für einzelne Mit- – der nach § 67 Absatz 3 zu erlassende Leis-
gliedstaaten entzogen werden. I. d. R. betreibt tungsbescheid,
dieser Staat die Rückführung in das Heimat-
– die Erteilung und Verlängerung eines Auf-
land. Da diese Personen in der Bundesrepublik
enthaltstitels i. S. v. § 4 nach dem amtlich
Deutschland grundsätzlich die Freizügigkeits-
vorgeschriebenen Muster in der jeweils gel-
voraussetzungen erfüllen, ist ein hoheitliches
tenden Fassung,
Tätigwerden zur Unterstützung der Durch-
beförderung nicht zulässig. – ein Ausreiseverbot nach § 46 Absatz 2,
– die Erhebung von Verwaltungsgebühren
74a.4 Zuständige Behörden (z. B. Ausstellung einer Quittung) und
– die Abschiebungsanordnung gemäß § 58a
Zentrale Behörde i. S. d. Artikels 4 Absatz 5 der
(vgl. Nummer 58a.4.1)
Durchbeförderungsrichtlinie ist gemäß § 1 Ab-
satz 3 Nummer 1 Buchstabe b) der BPolZV das 77.1.0.3 Bei den Vordrucken über die Ausstellung amt-
Bundespolizeipräsidium. Auch im Rahmen der licher Urkunden (z. B. Aufenthaltstitel ein-
meisten Rückübernahme- bzw. Durchbeförde- schließlich Visa, Reisedokumente, Duldungs-
rungsabkommen nimmt das Bundespolizei- bescheinigungen, Bescheinigungen über die
präsidium eine zentrale Funktion für die Bean- Aufenthaltsgestattung) handelt es sich wie beim
tragung und die Bearbeitung von Anträgen auf Dienstsiegel um sicherungsbedürftige Gegen-
Durchbeförderungen wahr. stände, die nach den einschlägigen Sicherungs-
Seite 1208 GMBl 2009 Nr. 42– 61

vorschriften für Bundes- und Landesbehörden 77.1.4.2 Nach § 77 Absatz 1 Satz 3 ist einem Verwal-
aufzubewahren sind. tungsakt, mit dem eine Aufenthaltserlaubnis,
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Er-
77.1.0.4 Für die Schriftform gilt nach § 23 Absatz 1
laubnis zum Daueraufenthalt-EG versagt wird,
VwVfG die Amtssprache Deutsch.
eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen. Arti-
77.1.1 Beschränkungen der Aufenthaltstitel, die bei kel 20 Absatz 1 Satz 3 der Richtlinie 2003/109/
der Erteilung oder Verlängerung bzw. Er- EG des Rates vom 25. November 2003 betref-
neuerung verfügt werden, werden in den Pass fend die Rechtsstellung der langfristig aufent-
oder Passersatz des Ausländers eingetragen haltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl.
(auch Stempelabdruck). Auch nachträgliche EU 2004 Nummer L 16 S. 44, so genannte
Beschränkungen sind in den Pass oder Passer- Daueraufenthalt-Richtlinie), Artikel 18 Ab-
satz aufzunehmen. Die Eintragung ist akten- satz 3 der Richtlinie 2004/114/EG des Rates
kundig zu machen. vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen
für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen
77.1.2.1 Die in § 77 Absatz 1 genannten Verfügungen zwecks Absolvierung eines Studiums oder
sind unter Würdigung des entscheidungserheb- Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer
lichen Sachverhalts nach Darlegung der Sach- unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder
und Rechtslage zu begründen (vgl. § 39 Ab- einem Freiwilligendienst (ABl. EU Nummer L
satz 1 VwVfG). Bedingungen und Auflagen, 375 S. 12, so genannte Studentenrichtlinie) und
mit denen ein Aufenthaltstitel bei seiner Er- Artikel 15 Absatz 3 Satz 2 der Richtlinie 2005/
teilung oder Verlängerung versehen wird, be- 71/EG des Rates vom 12. Oktober 2005 über
dürfen keiner Begründung, wenn sie in diesen ein besonderes Zulassungsverfahren für Dritt-
Verwaltungsvorschriften vorgesehen sind und staatsangehörige zum Zweck der wissen-
sich mit dem Aufenthaltsbegehren des Aus- schaftlichen Forschung (ABl. EU Nummer L
länders decken. 289 S. 15, so genannte Forscherrichtlinie) sehen
77.1.2.2 Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eine Verpflichtung zur Aufnahme einer
bedarf keiner Begründung, wenn sie sich un- Rechtsbehelfsbelehrung vor. Da kein Grund
mittelbar aus einer gesetzlichen Vorschrift er- ersichtlich ist, diese Verpflichtung auf Aufent-
gibt (§ 61). Die nachträgliche Anordnung von haltstitel nach den drei vorgenannten Richtli-
Auflagen oder räumlichen Beschränkungen be- nien zu beschränken, und um unzutreffende
darf der Begründung (§ 12). Umkehrschlüsse zu vermeiden, bezieht sich die
Regelung generell und ungeachtet des Aufent-
77.1.3.1 Für den Ausländer muss aus dem Verwaltungs- haltszwecks auf die Versagung einer Aufent-
akt ersichtlich sein, welcher Sachverhalt des haltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis und
Aufenthaltsrechts geregelt wird (z. B. Aus- einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG. In
weisung wegen strafgerichtlicher Verurteilung), Ergänzung zu § 59 VwGO, der eine Belehr-
welche Verpflichtung ihm auferlegt wird (z. B. ungspflicht nur für Verwaltungsakte von Bun-
freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht) und desbehörden vorsieht, wird in Umsetzung der
welche Rechtsfolgen ein Verstoß hat (z. B. Ab- vorgenannten Richtlinien die ausdrückliche
schiebung nach Ablauf der Ausreisefrist). Pflicht zur Einfügung einer Rechtsbehelfsbe-
77.1.3.2 Bei einer Ermessensentscheidung muss ersicht- lehrung auch auf die Ausländerbehörden er-
lich sein, welche Überlegungen die Behörde bei streckt, welche Landesbehörden sind. Die Vor-
der Abwägung der für und gegen den Aufent- schrift bezieht sich, ohne andere verwandte
halt des Ausländers sprechenden Gesichts- Regelungen (wie etwa § 73 Absatz 3 VwGO
punkte angestellt hat. Der Grundsatz der Ver- oder landesrechtliche Bestimmungen) zu be-
hältnismäßigkeit erfordert eine Güter- und In- rühren, nur auf die Aufenthaltserlaubnis,
teressenabwägung im Einzelfall, bei der die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum
öffentlichen Belange einschließlich der Grund- Daueraufenthalt-EG. Im Übrigen sind Um-
rechte und der von ihnen geschützten Wert- kehrschlüsse auf Aufhebungen von Aufent-
ordnung sowie das persönliche Interesse des haltserlaubnissen und Niederlassungserlaub-
Ausländers und seiner Familienangehörigen am nissen sowie Entscheidungen nach § 77
Verbleib im Bundesgebiet gegeneinander ab- Absatz 1 Satz 1 und 2 unzulässig. Ein Umkehr-
zuwägen sind (vgl. z. B. § 55 Absatz 3). schluss, wonach in anderen Fällen eine Rechts-
behelfsbelehrung nicht erteilt werden soll oder
77.1.4.1 Dem schriftlichen Verwaltungsakt ist eine braucht, kann auf Grund der Regelung nicht
Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen, wenn be- erfolgen.
sondere Bestimmungen des Bundesrechts (§ 59
VwGO) oder des Landesrechts dies vor- 77.2 Ausnahmen
schreiben. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist
auch dann, wenn Rechtsvorschriften sie nicht An der Grenze können das Ausnahmevisum
erfordern, im Allgemeinen zweckmäßig, weil und das Ausnahmetransitvisum sowie Passer-
dadurch die Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt satz- und andere Papiere (Notreiseausweis,
wird (§ 58 VwGO). Bei Beschränkungen zum Passierschein) ohne Einhaltung der Schriftform
Aufenthaltstitel, die bei Erteilung oder Ver- und ohne Begründung und Rechtsbehelfsbe-
längerung verfügt werden, wird grundsätzlich lehrung durch die Grenzbehörde versagt wer-
keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt. den. Bei der Versagung oder einer Beschrän-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1209

kung des Visums oder eines Passersatzes unter- teilung oder Verlängerung eines Aufenthalts-
liegt die Auslandsvertretung nicht der Be- titels beantragt hat. Während der Aussetzung
gründungs- und Rechtsbehelfsbelehrungs- des Verfahrens richtet sich der aufenthalts-
pflicht. Der grundrechtliche Schutz nach Arti- rechtliche Status des Ausländers, der sich
kel 6 GG führt dessen ungeachtet zu einem rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nach § 81
Begründungserfordernis im Fall der Versagung Absatz 3 bzw. 4. Im Falle eines Vaterschafts-
eines nationalen Visums zum Familiennachzug anfechtungsverfahrens (siehe hierzu Num-
von Ehegatten und Kindern. mer 27.1a.1.3) kommt für die Betroffenen, die
sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf-
halten, die Erteilung einer Duldung gemäß
78 Zu § 78 – Vordrucke für Aufenthaltstitel, § 60a Absatz 2 in Betracht.
Ausweisersatz und Bescheinigungen
79.2.2.1 Durch die Unterrichtungspflichten nach § 87
Nicht belegt. Absatz 2 Satz 1, Absatz 4 Satz 1 sowie Absatz 6
wird sichergestellt, dass die Ausländerbehörde
Kenntnis über ein bevorstehendes Vater-
79 Zu § 79 – Entscheidung über den Aufenthalt schaftsanfechtungsverfahren bzw. ein anhän-
giges Straf- oder Bußgeldverfahren erhält.
79.1 Entscheidungsgrundlage
79.2.2.2 Hat die Ausländerbehörde durch eine Unter-
79.1.1 Unbeschadet der Mitwirkungspflicht des Aus-
richtung nach § 87 Absatz 2 Satz 1 oder an-
länders (§ 82 Absatz 1 und 2) begrenzt § 79 Ab-
derweitig Kenntnis von konkreten Tatsachen,
satz 1 Satz 1 die Sachverhaltsermittlungspflicht
die die Annahme rechtfertigen, dass die Vor-
und nicht den entscheidungserheblichen Sach-
aussetzungen für das behördliche Vaterschafts-
verhalt auf Umstände, die im Bundesgebiet vor-
anfechtungsrecht vorliegen (§ 1600 Absatz 1
liegen. Das heißt, im Ausland vorliegende Um-
Nummer 5, Absatz 3 BGB), hat sie diese der
stände, die für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen
anfechtungsberechtigten Behörde mitzuteilen
von Bedeutung sind, sind bei der Entscheidung
(§ 90 Absatz 5, siehe hierzu Nummer 90.5). Die
nur zu berücksichtigen, wenn sie offenkundig,
Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertretung
bekannt oder der Ausländerbehörde im Bundes-
hat das ausländerrechtliche Verfahren ab Ein-
gebiet nachgewiesen sind (z. B. auch Lagebe-
gang einer Mitteilung nach § 87 Absatz 6 oder
richte des Auswärtigen Amtes; siehe hierzu
ab Abgabe ihrer Mitteilung nach § 90 Absatz 5
Nummer 79.1.2). Demgegenüber liegt es in der
auszusetzen. Hierdurch wird die Entscheidung
Mitwirkungspflicht des Ausländers nach § 82
der anfechtungsberechtigten Behörde bzw. – im
Absatz 1 und 2, diejenigen Umstände geltend zu
Fall der Klageerhebung – des Familiengerichts
machen, die ausschließlich seinen persönlichen
über die zivilrechtliche Wirksamkeit einer Va-
Lebensbereich betreffen. Die Sachverhalts-
terschaftsanerkennung im ausländerrechtlichen
ermittlungspflicht ist in den Fällen des § 59 Ab-
Verfahren berücksichtigt. § 87 Absatz 6 sieht
satz 4 Satz 1 eingeschränkt, wenn die Abschie-
vor, dass die Ausländerbehörde bzw. Auslands-
bungsandrohung unanfechtbar geworden ist.
vertretung Mitteilung über den Ausgang des
79.1.2 § 79 Absatz 1 Satz 2 erweitert die Sachverhalts- Vaterschaftsanfechtungsverfahrens erhält.
ermittlungspflicht, soweit es im Einzelfall er-
forderlich ist, auf die den Bundesbehörden im 79.2.3 Die Entscheidung über den Aufenthaltstitel ist
Ausland zugänglichen Erkenntnisse. Die Aus- nicht auszusetzen, wenn
länderbehörde kann unmittelbar Anfragen an 79.2.3.1 – eine Ausweisung nach §§ 53 ff. verfügt wer-
das Bundeskriminalamt und die deutschen den kann (z. B. Vorliegen nicht nur gering-
Auslandsvertretungen richten. Das Bundeskri- fügiger oder vereinzelter Verstöße), insbe-
minalamt kann sich hierbei Daten von inter- sondere in den Fällen der §§ 53, 54 oder bei
nationalen Einrichtungen zunutze machen Wiederholungsgefahr,
(z. B. Interpol). Soweit im Einzelfall in Betracht
kommt, dass sonstigen Bundesbehörden ent- 79.2.3.2 – die Ausländerbehörde in Fällen, in denen
scheidungserhebliche Erkenntnisse zugänglich ein Ausweisungsgrund für die Versagung
sind, ist die Anfrage auf dem Dienstweg über des Aufenthaltstitels maßgebend ist, das
die oberste Landesbehörde an das Bundes- Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach
ministerium des Innern zu richten. In die Ent- dem Ergebnis eigener Ermittlungen aus-
scheidungsfindung sind auch die Lageberichte schließen kann,
des Auswärtigen Amtes über die allgemeine
79.2.3.3 – der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung
politische Lage, eine etwaige Verfolgung oder
des Aufenthaltstitels bereits aus anderen
Menschenrechtsverletzungen im Herkunfts-
Gründen zu versagen ist,
staat des Ausländers einzubeziehen.
79.2.3.4 – die Ausländerbehörde dem Antrag des
79.2 Aussetzung der Entscheidung Ausländers auch im Falle der Verurteilung
oder der Verhängung eines Bußgeldes ent-
79.2.1 Eine Aussetzung der Entscheidung über den sprechen will oder
Aufenthaltstitel bis zum Abschluss eines Straf-,
Bußgeld- oder Vaterschaftsanfechtungsverfah- 79.2.3.5 – ein Fall des § 5 Absatz 3 Satz 3 vorliegt
rens setzt voraus, dass der Ausländer die Er- (siehe hierzu Nummer 5.3.3).
Seite 1210 GMBl 2009 Nr. 42– 61

79.2.4 Der Ausländer ist im Falle der Erteilung oder tungsakt dem gesetzlichen Vertreter des Aus-
Verlängerung eines Aufenthaltstitels bei einer länders bekannt zu geben.
nach § 5 Absatz 3 Satz 3 vorbehaltenen Aus-
weisung schriftlich darauf hinzuweisen, dass er 80.3 Minderjährigkeit und Geschäftsfähigkeit
insbesondere im Falle einer strafgerichtlichen
Verurteilung, die den entscheidungserheblichen Bei der Anwendung des Aufenthaltsgesetzes
Sachverhalt zu seinen Ungunsten wesentlich sind die Vorschriften des BGB dafür maßge-
ändert, mit einer Ausweisung rechnen muss. bend, ob ein Ausländer als minderjährig oder
volljährig anzusehen ist. Die Handlungs- und
Geschäftsfähigkeit eines nach dem Recht des
80 Zu § 80 – Handlungsfähigkeit Minder- Heimatstaates volljährigen Ausländers wird
jähriger durch § 80 Absatz 3 Satz 1 nicht eingeschränkt.
Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt, dass unab-
80.1 Handlungsfähigkeit minderjähriger Aus- hängig von den Vorschriften des BGB ein nach
länder dem Heimatrecht geschäftsfähiger Ausländer
bei der Anwendung des Aufenthaltsgesetzes als
Mit Vollendung des 16. Lebensjahres kann der geschäfts- und handlungsfähig anzusehen ist.
minderjährige Ausländer ohne Mitwirkung sei- Demzufolge kann ein Ausländer unter
nes gesetzlichen Vertreters alle erforderlichen 16 Jahren abweichend von § 80 Absatz 1 in
Anträge stellen und Verfahrenshandlungen ausländerrechtlichen Angelegenheiten hand-
vornehmen. Soweit er keinen Bevollmächtigten lungsfähig sein, wenn er nach dem Recht des
hat, sind ihm alle Verfügungen bekannt zu ge- Heimatstaates volljährig und geschäftsfähig ist.
ben bzw. zuzustellen. Die Handlungsfähigkeit
minderjähriger Asylbewerber richtet sich nach 80.4 Verpflichtung zur Antragstellung
§ 12 AsylVfG. Im Übrigen soll dem Minder-
jährigen Gelegenheit zur Äußerung gegeben 80.4.1 Die gesetzliche Verpflichtung nach § 80 Ab-
werden. satz 4 schließt eine entsprechende Vertretungs-
macht ein. Das heißt, die von der verpflichteten
80.2 Besondere aufenthaltsrechtliche Person gestellten Anträge können ihr gegen-
Maßnahmen über wirksam abgelehnt und bekannt gegeben
werden; sie ist befugt, das Rechtsbehelfsver-
80.2.1 Die Abschiebung Minderjähriger darf ohne fahren durchzuführen. Die Versagung des Auf-
Beteiligung des gesetzlichen Vertreters (man- enthaltstitels kann mit der Androhung der Ab-
gels Anwesenheit oder Erreichbarkeit im Bun- schiebung nach § 80 Absatz 2 Satz 2 verbunden
desgebiet) nur angeordnet und durchgeführt werden.
werden, wenn der Minderjährige kraft Gesetzes
vollziehbar ausreisepflichtig ist oder ein die 80.4.2 Die Verpflichtung einer sonstigen Person an-
vollziehbare Ausreisepflicht begründender stelle des gesetzlichen Vertreters besteht, wenn
Verwaltungsakt wirksam erlassen worden ist. sich der gesetzliche Vertreter nicht im Bundes-
gebiet aufhält oder dessen Aufenthaltsort im
80.2.2 In den in § 80 Absatz 2 nicht genannten Fällen Bundesgebiet unbekannt ist. Die Verpflichtung
können Verwaltungsakte nur gegenüber dem der sonstigen Personen setzt nicht eine Über-
gesetzlichen Vertreter wirksam erlassen wer- tragung der Personensorge oder eine Vollmacht
den. Ausländer, die das 16. Lebensjahr noch des gesetzlichen Vertreters voraus. Es genügt
nicht vollendet haben und die unter elterlicher die tatsächliche Betreuung, beispielsweise die
Sorge oder Vormundschaft stehen, erhalten für Aufnahme des Minderjährigen im eigenen
Angelegenheiten, an deren Besorgung die El- Haushalt.
tern oder der Vormund verhindert sind, einen
80.4.3 Bei Eheleuten, von denen ein Ehegatte das
Pfleger (§ 1909 Absatz 1 Satz 1 BGB). Die
16. Lebensjahr nicht vollendet hat, hat der an-
Ausländerbehörde hat in einem solchen Fall im
dere Ehegatte die Pflichten nach § 80 Absatz 4
Benehmen mit dem zuständigen Jugendamt die
zu erfüllen.
Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu
veranlassen. Die Jugendämter sind nach § 42 80.4.4 Die Nichterfüllung der Pflicht nach § 80 Ab-
Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB VIII berechtigt satz 4 kann als Ordnungswidrigkeit nach § 98
und verpflichtet, unbegleitete Minderjährige in Absatz 3 Nummer 6 geahndet werden.
Obhut zu nehmen und, sofern die Personens-
orge- oder Erziehungsberechtigten nicht er-
reichbar sind, nach § 42 Absatz 3 Satz 3 SGB 81 Zu § 81 – Beantragung des Aufenthaltstitels
VIII unverzüglich die Bestellung eines Vor-
munds oder Pflegers zu veranlassen. Die Aus- 81.1 Antragserfordernis
länderbehörde stellt den hierzu erforderlichen
Kontakt mit dem zuständigen Jugendamt her. 81.1.1 Absatz 1 regelt ausdrücklich das grundsätzliche
(„soweit nicht anderes bestimmt ist“, vgl. hin-
80.2.3 Eine Unkenntnis der Behörde von der Hand- gegen § 33 Satz 1) Antragserfordernis als Vo-
lungsunfähigkeit des Ausländers führt nicht zur raussetzung für die Erteilung eines Aufent-
Wirksamkeit der Bekanntgabe des Verwal- haltstitels. Die Antragstellung ist nach dem
tungsaktes. In solchen Fällen ist der Verwal- Gesetz nicht an eine besondere Form (z. B.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1211

Formularvordrucke) gebunden. Sie setzt we- Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 Satz 1


nigstens ein erkennbares Begehren auf die Er- im Bundesgebiet aufhält, ist dies dem Bundes-
teilung eines Aufenthaltstitels zu einem be- amt für Migration und Flüchtlinge nach § 14a
stimmten Aufenthalt im Bundesgebiet voraus; Absatz 2 AsylVfG unverzüglich anzuzeigen.
die Bezugnahme auf eine bestimmte Rechts- Die Anzeigepflicht obliegt auch der Auslän-
grundlage ist hierbei nicht erforderlich. Wegen derbehörde.
der nach § 82 bestehenden Darlegungsobli-
egenheit des Antragstellers wird die Antrag- 81.3 Erlaubnis- und Duldungsfiktion
stellung dessen ungeachtet regelmäßig in
schriftlicher Form unter Angabe der entschei- 81.3.0 Absatz 3 bestimmt Fiktionsfolgen für den Fall
dungserheblichen Umstände und Beifügung der erstmaligen Beantragung eines Aufent-
von antragsbegründenden Unterlagen erfolgen. haltstitels im Bundesgebiet. Erfasst werden hier
nur Fälle eines zum Zeitpunkt der Antrag-
81.1.2 Der Antrag ist durch den Ausländer selbst zu stellung rechtmäßigen – nicht nur geduldeten –
stellen, der hierzu eine Vollmacht erteilen kann. Aufenthalts im Bundesgebiet. Ob der Aufent-
Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine halt ohne Aufenthaltstitel zum Zeitpunkt der
Vollmacht schriftlich nachzuweisen (§ 14 Ab- Antragstellung rechtmäßig ist, ist nach all-
satz 1 Satz 3 VwVfG); von dieser Vorlagemög- gemeinen Kriterien festzustellen. Es handelt
lichkeit sollte die Ausländerbehörde Gebrauch sich vor allem um die Fälle, in denen zunächst
machen. Ehegatten sind ohne besondere Voll- eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufent-
macht nicht berechtigt, den anderen Ehegatten haltstitels gegeben war (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 1;
zu vertreten; etwaiges abweichendes aus- Artikel 20 Absatz 1 SDÜ i. V. m. Artikel 1 Ab-
ländisches Recht ist unerheblich, da sich das satz 2 und Anhang II der Verordnung (EG)
Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Nummer 539/2001 des Rates vom 15. März
nicht nach ausländischem Zivilrecht, sondern 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer,
nur nach deutschem Verwaltungsverfahrens- deren Staatsangehörige beim Überschreiten der
recht richtet. Dies ist zur Verhinderung von Außengrenzen im Besitz eines Visums sein
Zwangsehen insbesondere bei Anträgen auf müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren
Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Fami- Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit
liennachzug zu beachten. Zur Fristwahrung im sind (ABl. EG Nummer L 81 S. 1; §§ 15 bis 30
Rahmen des § 29 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 ist AufenthV). Hinsichtlich der Fiktionsfolgen ist
es ausreichend, wenn der in Deutschland le- danach zu unterscheiden, ob der Antrag recht-
bende Stammberechtigte den Antrag auch ohne zeitig oder verspätet gestellt worden ist.
schriftlichen Nachweis der Vollmacht stellt. Die
Übereinstimmung der Unterschrift auf einem 81.3.1 Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, gilt der
schriftlichen Antrag mit der Unterschrift im Aufenthalt des Ausländers bis zur Entschei-
Pass oder Passersatz ist, sofern der Antrag nicht dung der Ausländerbehörde als erlaubt (Er-
persönlich durch den Antragsteller abgegeben laubnisfiktion). Die Ausübung einer Erwerbs-
wird, regelmäßig zu prüfen. tätigkeit ist in dieser Zeit ausgeschlossen (vgl.
§ 4 Absatz 3) mit Ausnahme von türkischen
Staatsangehörigen, die nach den Vorschriften
81.2 Antrag nach Einreise oder Geburt im
des ARB 1/80 zur Ausübung einer Erwerbstä-
Bundesgebiet
tigkeit berechtigt sind.
81.2.0 In Absatz 2 werden Fälle geregelt, in denen
81.3.2 Verspätet gestellt ist ein Antrag auf Erteilung
durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass der
eines Aufenthaltstitels dann, wenn der Aufent-
Aufenthaltstitel innerhalb einer bestimmten
halt im Zeitpunkt der Antragstellung nicht
Frist nach der Einreise eingeholt werden kann.
mehr rechtmäßig war. Ab Antragstellung bis
81.2.1 Die Fälle, in denen ein Aufenthaltstitel nach der zur Entscheidung über den Antrag gilt dann die
Einreise eingeholt werden kann, sind in §§ 39 Abschiebung des Betroffenen als ausgesetzt
bis 41 AufenthV bestimmt. Eine Fristbestim- (Duldungsfiktion; Rechtsfolgenverweis auf
mung enthält § 41 Absatz 3 AufenthV; in allen § 60a). Bei Ausreise aus dem Bundesgebiet er-
übrigen Fällen gilt das Erfordernis der unver- lischt die Duldungsfiktion und lebt auch bei
züglichen Antragstellung. Sofern die Antrags- einer erneuten Einreise nicht wieder auf. Auf
frist noch nicht abgelaufen ist, ist der Aufent- Nummer 38. 1. 10 wird Bezug genommen.
halt erlaubt.
81.3.3 Von Absatz 3 nicht erfasst sind Ausländer, die
81.2.2 Auf die Antragsfrist von sechs Monaten für im unerlaubt eingereist sind (z. B. Negativstaater
Bundesgebiet geborene Kinder und die sich ohne Visum) oder auf Grund eines voll-
daraus ergebende Verpflichtung zur recht- ziehbaren Verwaltungsaktes ausreisepflichtig
zeitigen Antragstellung sollte grundsätzlich in sind, weil in diesen Fällen kein rechtmäßiger
geeigneter Form hingewiesen werden (vgl. § 82 Aufenthalt vorliegt. Ihnen kann keine Fik-
Absatz 3 Satz 1). § 33 ist vorrangig zu beachten. tionsbescheinigung ausgestellt werden, selbst
wenn eine Ausnahmeentscheidung nach § 5
81.2.3 Wird ein Kind in Deutschland geboren, von
Absatz 2 Satz 2 in Betracht kommt.
dem ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung
besitzt oder sich nach Abschluss seines Asyl- 81.3.4 Fälle, in denen nach Ablehnung eines Antrags
verfahrens ohne Aufenthaltstitel oder mit einer vor der Ausreise ein weiterer, den früheren bloß
Seite 1212 GMBl 2009 Nr. 42– 61

wiederholender Antrag gestellt wird, fallen enthaltstitels (z. B. einer Niederlassungserlaub-


nicht unter den Schutzbereich der Regelung nis) gilt der bisherige Aufenthaltstitel mit allen
und können unter dem Gesichtspunkt des sich daran anschließenden Wirkungen ein-
Rechtsmissbrauchs die erwünschte Rechtsfolge schließlich der Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit
nicht auslösen. Bei einem bloß wiederholenden bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als
Antrag tritt daher keine Fiktionsfolge ein und fortbestehend, wenn der Antrag rechtzeitig –
kommt die Ausstellung einer Fiktionsbe- d. h. vor Ablauf der Geltungsdauer des be-
scheinigung nicht in Betracht. Dies gilt auch in stehenden Aufenthaltstitels – gestellt wird. Eine
den Fällen des Absatzes 4. Erlaubnisfiktion wäre in diesen Fällen nicht
ausreichend, da damit insbesondere die Frage
81.3.5 Türkische Staatsangehörige, die nach den Vor- der Berechtigung zur Ausübung einer Er-
schriften des ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht werbstätigkeit offen bliebe. Sonderregelungen,
besitzen, genießen dieses Aufenthaltsrecht kraft die diese Frage im sozialrechtlichen Bereich
Assoziationsrechts, so dass eine Erlaubnisfik- punktuell klären müssten, werden hierdurch
tion begrifflich nicht in Betracht kommt. Sofern entbehrlich. Vielmehr ist die Frage damit für
sie einen deklaratorischen Aufenthaltstitel nach das gesamte Sozialrecht geklärt. Die Fiktions-
§ 4 Absatz 5 beantragen, ist ihnen – soweit bescheinigung nach Absatz 4 ermöglicht Reisen
nicht Absatz 4 einschlägig ist – auf Wunsch eine im Schengenraum und die Wiedereinreise nach
Fiktionsbescheinigung nach Absatz 3 Satz 1 zu Deutschland (siehe im Einzelnen Num-
erteilen, damit sie in der Lage sind, ihr Aufent- mer 81.5.3).
haltsrecht vorläufig nachzuweisen. Dies gilt
nicht, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem 81.4.1.2 In den Fällen, in denen der Antrag zwar recht-
ARB 1/80 zum Zeitpunkt der Antragstellung zeitig gestellt wird, die Voraussetzungen für
noch genauerer Überprüfung bedarf; die vor- eine Verlängerung des Aufenthaltstitels offen-
übergehende Folge einer verspäteten Antrag- kundig nicht vorliegen oder der Aufenthaltstitel
stellung – die dann angezeigte vorsorgliche aufgrund einer rechtlichen Regelung nicht ver-
Anwendung des Absatzes 3 Satz 2 – muss bei längert werden kann (z. B. zeitlicher Ablauf bei
unklarer Rechtslage der betroffene türkische Au-pair-Aufenthalten, Spezialitätenköchen) ist
Staatsangehörige tragen. der Antrag unverzüglich abzulehnen. Der Ver-
81.3.6 Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 benötigen Ausländer längerungsantrag zu einem nicht verlänge-
für die Einreise in das Bundesgebiet grundsätz- rungsfähigen Aufenthaltstitel ist als rechtsmiss-
lich einen Aufenthaltstitel. Die Fiktionsbe- bräuchliche Antragstellung zu werten, die allein
scheinigung, die nach Absatz 3 erteilt wird, er- dem Zweck dient, die Fortgeltungsfiktion über
setzt keinen Aufenthaltstitel, sondern bewirkt den ursprünglichen Geltungszeitraum des Auf-
nur die Fiktion der Rechtmäßigkeit des Auf- enthaltstitels hinaus mit der Folge auszulösen,
enthalts. Dies kommt durch die unter- dass eine Erwerbstätigkeit über eine zeitliche
schiedlichen Formulierungen der Absätze 3 Höchstgrenze hinaus ausgeübt werden kann.
und 4 zum Ausdruck. Anders als die Fiktions- Eine Fiktionsbescheinigung, etwa mit der Auf-
bescheinigung, die nach Absatz 4 erteilt wird, lage „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“, ist in
ermöglicht die Fiktionsbescheinigung nach diesen Fällen nicht zu erteilen.
Absatz 3 daher keine Einreise in das Bundesge-
biet. Vorschriften, wonach die Einreise ohne 81.4.2.1 Wird der Antrag erst nach Ablauf der Gel-
Aufenthaltstitel aus anderen Gründen zulässig tungsdauer des bestehenden Aufenthaltstitels
ist (etwa Artikel 20 oder 21 SDÜ, Artikel 1 gestellt, treten keine Fiktionswirkungen ein. In
Absatz 2 der Verordnung (EG) Nummer 539/ diesem Fall ist der Aufenthalt des Betroffenen
2001; §§ 16 bis 30 sowie 41 AufenthV), bleiben unerlaubt. Der Aufenthaltstitel ist mit Ablauf
unberührt. Um den Unterschied zu verdeutli- seiner Geltungsdauer gemäß § 51 Absatz 1
chen, sollte auf dem Trägervordruck von Fik- Nummer 1 erloschen. Der Ausländer ist gemäß
tionsbescheinigungen, die nach Absatz 3 aus- § 50 Absatz 1 zur Ausreise verpflichtet. Eine
gestellt werden, der Vermerk „Gilt nicht für Beschäftigung ist nicht erlaubt. Dies ergibt sich
Auslandsreisen“ aufgenommen werden. auch aus § 4 Absatz 3, wonach die Ausübung
einer Beschäftigung nur zulässig ist, wenn der
Betroffene im Besitz eines Aufenthaltstitels ist
81.4 Fortgeltungsfiktion und dieser die Erwerbstätigkeit gestattet.
81.4.0 In Absatz 4 wird eine Sonderregelung für die
Fälle getroffen, in denen der Betroffene bereits 81.4.2.2 Die ursprünglich im Entwurf des Zuwande-
einen Aufenthaltstitel besitzt. Hiervon erfasst rungsgesetzes vorgesehene großzügige Re-
sind auch Fälle, in denen der Betroffene ein na- gelung, die auch eine Fiktionswirkung in Fällen
tionales Visum besitzt. Für alle auf Grundlage verspäteter Antragstellung vorsah, ist im Laufe
der Altfallregelung nach § 104a erteilten und des parlamentarischen Gesetzgebungsverfah-
verlängerten Aufenthaltstitel findet die Fort- rens gestrichen worden. Damit wollte der Ge-
geltungsfiktion des Absatzes 4 keine Anwen- setzgeber ausdrücklich festschreiben, dass es zu
dung (§ 104a Absatz 5 Satz 5). den Obliegenheiten der sich rechtmäßig in
Deutschland aufhaltenden Ausländer gehört,
81.4.1.1 In Fällen der Verlängerung eines Aufenthalts- rechtzeitig eine Verlängerung ihres Aufent-
titels oder der Beantragung eines anderen Auf- haltstitels zu beantragen.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1213

81.4.2.3 Eine rigorose Handhabung auch in Fällen, in eines Ungültigkeitsvermerks nicht bereit, kann
denen die verspätete Antragstellung aus bloßer dies durch Ordnungsverfügung nach § 46 Ab-
Nachlässigkeit und nur mit einer kurzen Zeit- satz 1 angeordnet werden (vgl. dazu auch die
überschreitung erfolgt, kann jedoch im Einzel- Hinweise unter Nummer 46.1.4.6).
fall zu übermäßigen, vom Gesetzgeber nicht
81.5.3 Die nach Absatz 4 ausgestellten Fiktionsbe-
intendierten Folgen führen. Dem säumigen
scheinigungen berechtigen anders als die nach
Antragsteller kann daher in entsprechender
Absatz 3 ausgestellten Bescheinigungen in Ver-
Anwendung des § 81 Absatz 5 eine Fiktionsbe-
bindung mit einem anerkannten und gültigen
scheinigung mit der Rechtsfolge des § 81 Ab-
Pass oder Passersatz zur Einreise in das Bun-
satz 4 (vgl. Nummer 81.4.1.1) ausgestellt wer-
desgebiet und nach Artikel 21 SDÜ zu Reisen
den, sofern er zum Zeitpunkt der Antrag-
innerhalb des Schengen-Raums. Voraussetzung
stellung die Frist nur geringfügig überschritten
ist neben der Verwendung des durch die Auf-
hat, die Fristüberschreitung lediglich auf Fahr-
enthV vorgeschriebenen amtlichen Vordrucks,
lässigkeit zurückzuführen ist und nach summa-
dass auf Seite 3 des Trägervordrucks das dritte
rischer Prüfung zu erwarten ist, dass ihm der
Ankreuzfeld angekreuzt ist. Ein- und Aus-
Aufenthalt nach ordnungsgemäßer Prüfung
reisekontrollstempel sind im Pass oder Passer-
weiter erlaubt wird. Er hat dazu Tatsachen vor-
satz, nicht aber auf der Fiktionsbescheinigung
zutragen und glaubhaft zu machen, die belegen,
anzubringen.
warum ihm eine rechtzeitige Antragstellung
nicht möglich war oder die Fristüberschreitung 81.5.4 Mit der Stellung eines Asylantrags erlöschen die
lediglich auf Fahrlässigkeit beruhte (§ 82 Ab- in § 81 Absatz 3 und 4 bezeichneten Wirkun-
satz 1). Der Antrag gilt dann als rechtzeitig ge- gen; hat der Ausländer hingegen einen Aufent-
stellt. haltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von
mehr als sechs Monaten besessen und dessen
81.5 Fiktionsbescheinigung Verlängerung beantragt, bleiben die Wirkungen
des § 81 Absatz 4 erhalten (vgl. § 55 Absatz 2
81.5.0 Für die Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 AsylVfG). Wenn ein Ausländer während eines
wurde auf Grundlage der Ermächtigungsnorm laufenden Asylverfahrens erstmalig einen Auf-
in § 78 Absatz 7 in der AufenthV ein bundes- enthaltstitel beantragt, treten die Wirkungen
weites Vordruckmuster eingeführt (vgl. § 58 nach § 81 Absatz 3 nicht ein.
Nummer 3 AufenthV), das zwingend zu ver-
wenden ist. Die Verwendung anderer Modelle
ist rechtswidrig. Der amtliche Vordruck besteht 82 Zu § 82 Mitwirkung des Ausländers
nach Anlage D3 zur AufenthV aus einem
sechsseitigen Grundvordruck und dem in die- 82.1 Besondere Mitwirkungspflichten
sem Grundvordruck auf Seite 5 aufzubringen-
den Klebeetikett. Ein Einkleben der Fiktions- 82.1.1 Aus § 82 Absatz 1 ergeben sich besondere Dar-
bescheinigung in einen Pass oder Passersatz ist legungs- und Nachweisobliegenheiten des
unzulässig, weil nach allgemeinen zwischen- Ausländers. Die Vorschrift geht dem allge-
staatlichen Gepflogenheiten Vermerke über meinen Grundsatz nach § 24 Absatz 1 VwVfG
Anträge (mit Ausnahme von Visumanträgen) in vor. Die Darlegungslast liegt beim Ausländer.
Pässen oder Passersatzpapieren nicht erfolgen. Zu den Obliegenheiten des Ausländers gehört
etwa die unverzügliche Geltendmachung von
81.5.1 Die Fiktionsbescheinigung ist nach dem zu- Reiseunfähigkeit oder sonstiger persönlicher
grunde liegenden Sicherheitskonzept maximal Lebensumstände, die der Behörde nicht be-
zweimal verlängerbar. Sollte eine weitere Ver- kannt sind. Die Interessen des Ausländers und
längerung erforderlich werden, ist eine neue die für ihn günstigen Umstände sind nur dann
Fiktionsbescheinigung auszustellen. von Amts wegen zu ermitteln, soweit ein öf-
fentliches Interesse an ihnen besteht. Der Aus-
81.5.2 Nach Bescheidung des Antrags entfällt die ge-
länder ist in allen Fällen gehalten, nach seinen
setzliche Fiktionswirkung (vgl. § 81 Absatz 3).
Möglichkeiten bei der Aufklärung des Sach-
Rechtsbehelfe haben hierauf keine Auswirkung
verhaltes mitzuwirken. Die Nachprüfbarkeit
(vgl. aber § 84 Absatz 2 Satz 2). Soweit die Fik-
muss im Bundesgebiet gegeben sein. Wider-
tionsbescheinigung auf Grund der vorgenom-
sprüchliche Angaben führen dazu, dass keine
menen Befristung noch gültig ist, ist sie bei
der Sachdarstellungen als glaubhaft gemacht
Ausstellung/Verlängerung des Aufenthaltstitels
angesehen werden kann. Die Ausländerbehörde
bzw. der Bescheinigung über die Aussetzung
ist grundsätzlich nicht verpflichtet, im Ausland
der Abschiebung unter Beifügung einer Da-
gelegene Sachverhalte aufzuklären, die persön-
tumsangabe ungültig zu stempeln. Eine Ein-
liche Verhältnisse des Ausländers betreffen. Zur
behaltung sollte unterbleiben, wenn der Aus-
Mitwirkungspflicht gehört auch, dass der Aus-
länder ein späteres Interesse daran haben kann,
länder fremdsprachige Schriftstücke in deut-
die bis dahin bestehende Fiktionswirkung und
scher Übersetzung vorlegt (vgl. § 23 VwVfG).
damit Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nachzu-
weisen. Kommt keine dieser Maßnahmen in 82.1.2 Zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Aus-
Betracht, ist der Ausländer also vollziehbar länders gehört, dass er nachprüfbare tatsäch-
ausreisepflichtig und zur Vorlage der Fiktions- liche Angaben macht und hierzu geeignete Be-
bescheinigung zum Zweck der Anbringung weismittel beibringt (Urkunden; sonstige Do-
Seite 1214 GMBl 2009 Nr. 42– 61

kumente; Sachverständigenauskünfte, z. B. beigebrachte Nachweise nach Ablauf der Frist


ärztliches Attest; anwaltlicher Urkundenüber- dürfen nur dann nicht mehr berücksichtigt wer-
prüfungsbericht; zum Nachweis der Abstam- den, wenn der Ausländer auf die Folgen einer
mung durch ein freiwilliges DNA-Gutachten Fristversäumung hingewiesen wurde. Die nach
vgl. Nummer 27.0.5). Die Mitwirkungsoblie- Ablauf der Frist geltend gemachten Umstände
genheit des Antragstellers besteht auch bei An- und beigebrachten Nachweise sollen im All-
hörungen. gemeinen nur dann in das Verfahren einbezogen
werden, wenn die Entscheidung dadurch nicht
82.1.3 Satz 3 dient der Umsetzung von Artikel 18
verzögert wird. Diese Präklusion gilt nur für eine
Absatz 2 der Richtlinie 2004/114/EG des Rates
Verwaltungsinstanz. Die Widerspruchsbehörde
vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen
hat aber ihrerseits die Möglichkeit, den Aus-
für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen
länder mit seinem Vortrag zu präkludieren (vgl.
zwecks Absolvierung eines Studiums oder
Nummer 82.2).
Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer
unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder
einem Freiwilligendienst (ABl. EU Nummer L 82.4 Zwangsweise Vorführung
375 S. 12, so genannte Studentenrichtlinie) und 82.4.1 Die Anordnung des persönlichen Erscheinens
von Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 2005/71/ im Wege des Ermessens unter den Voraus-
EG des Rates vom 12. Oktober 2005 über ein setzungen des § 82 Absatz 4 dient insbesondere
besonderes Zulassungsverfahren für Dritt- der Wahrung und Durchsetzung der Passvor-
staatsangehörige zum Zweck der wissen- lagepflicht nach § 48. Die Anordnung bedarf
schaftlichen Forschung (ABl. EU Nummer L nicht der Schriftform. Sie kann mündlich er-
289 S. 15, so genannte Forscherrichtlinie) hin- folgen, wenn sie unaufschiebbar ist. Einer An-
sichtlich der Verpflichtung der Behörde, auf die hörung bedarf es nicht unter den Voraus-
Unvollständigkeit von Anträgen hinzuweisen. setzungen landesverwaltungsverfahrensrecht-
Um eine Ungleichbehandlung von Ausländern licher Regelungen (z. B. § 28 Absatz 2
zu verhindern, sind diese Regelungen nicht auf Nummer 1 oder Absatz 3 VwVfG). Die Aus-
den persönlichen Anwendungsbereich der vor- länderbehörden können auf Grund der gesetz-
genannten Richtlinien beschränkt, sondern fin- lichen Klarstellung auch ermächtigte Vertreter
den auf alle Ausländer Anwendung. der jeweiligen vermuteten Herkunftsstaaten
einladen, die dann den betroffenen Ausländer
82.2 Widerspruchsverfahren identifizieren.
Für die Geltendmachung von Interessen des 82.4.2.1 Ein hinreichender Verhinderungsgrund liegt
Ausländers im Widerspruchsverfahren gilt § 82 z. B. im Fall einer dringenden ärztlichen Be-
Absatz 1 entsprechend. Setzt die Wider- handlung oder bei vorübergehender Hand-
spruchsbehörde keine Frist nach § 82 Absatz 1 lungsunfähigkeit des Ausländers (§ 80) bis zum
Satz 2 bzw. Absatz 3, hat der Ausländer zu- Wegfall des Verhinderungsgrundes vor; insoweit
mindest bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist kann die für das persönliche Erscheinen gesetzte
Gelegenheit, den Widerspruch zu begründen. Frist verlängert werden. Die Verpflichtung, eine
Bis zur Zustellung des Widerspruchsbescheids ärztliche Untersuchung zur Feststellung der
sind Belange des Ausländers und für ihn gün- Reisefähigkeit zu dulden, dient der Durch-
stige Umstände berücksichtigungsfähig, wenn setzung der Ausreiseverpflichtung. Der Arzt ist
keine kürzere Frist gemäß § 82 Absatz 1 Satz 2 über den Zweck der Untersuchung, die an sie zu
gesetzt wird. Soweit die Auslandsvertretungen stellenden Anforderungen und die möglichen
ein nicht-förmliches Remonstrationsverfahren Rechtsfolgen des Untersuchungsergebnisses
durchführen, gilt dies sinngemäß. zeitgleich mit der Bitte, die Untersuchung
durchzuführen, zu unterrichten.
82.3 Hinweispflicht 82.4.2.2 Die zwangsweise Durchsetzung der Anord-
nung richtet sich gemäß Absatz 4 Satz 3 nach
Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach § 82
§ 40 Absatz 1 und 2, §§ 41 und 42 Absatz 1
Absatz 1 und seine wesentlichen Rechte und
Satz 1 und 3 BPolG. Aus der Verweisung auf
Pflichten nach dem Aufenthaltsgesetz und auf
die Vorschriften der BPolG folgt keine Zustän-
die Möglichkeit, dass das Einreise- und Aufent-
digkeit der Bundespolizei für entsprechende
haltsverbot nach § 11 Absatz 1 auf Antrag be-
Maßnahmen.
fristet werden kann (vgl. hierzu Num-
mer 11.1.3.3), hingewiesen werden. Die Vor- 82.4.2.3 Plant die Ausländerbehörde zur Durchsetzung
schrift trägt dem Umstand Rechnung, dass die einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 die
Adressaten des Aufenthaltsgesetzes häufig aus zwangsweise Vorführung eines Ausländers vor
sprachlichen und sozialen Gründen, mangelnder dessen Auslandsvertretung, ist eine richterliche
Vertrautheit mit der deutschen Behörden- Entscheidung zuvor herbeizuführen, wenn die
organisation sowie der Komplexität der Rechts- Vorführung nach ihrer organisatorischen Aus-
materie Schwierigkeiten haben, ihre Rechte und gestaltung durch die Ausländerbehörde mit
Pflichten zu überblicken. Bei der Fristsetzung einer Freiheitsentziehung verbunden ist. Dabei
nach § 82 Absatz 1 Satz 2 ist der Ausländer nach beschränkt sich die Verweisung in § 82 Absatz 4
Absatz 3 auf die Folgen einer Fristversäumung Satz 3 auf § 40 Absatz 1 BPolG nicht auf solche
hinzuweisen. Geltend gemachte Umstände und Fälle, in denen der Ausländer bereits fest-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1215

gehalten wird. Vielmehr muss die Vorschrift im mer 3 VwGO. Danach ist die aufschiebende
Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vor- Wirkung von Widerspruch und Klage nur gegen
gaben in Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 GG da- die Versagung des Aufenthaltstitels, gegen die
hingehend ausgelegt werden, dass nicht nur Auflage nach § 61 Absatz 1 Satz 2, in einer
Spontanmaßnahmen erfasst werden. Die Frei- Ausreiseeinrichtung zu wohnen, gegen die Än-
heitsentziehung setzt grundsätzlich eine vor- derung oder Aufhebung einer die Ausübung
herige richterliche Anordnung voraus. einer Beschäftigung betreffenden Neben-
bestimmung, gegen den Widerruf oder die
82.5 Mitwirkungspflichten bei Ausstellung von Rücknahme der Anerkennung von For-
Dokumenten nach einheitlichem Vordruck- schungseinrichtungen für den Abschluss von
muster Aufnahmevereinbarungen nach § 20 sowie ge-
gen den Widerruf eines Schengen-Visums nach
Absatz 5 ergänzt die allgemeinen Mitwirk- § 52 Absatz 7 ausgeschlossen. Gegen die Ver-
ungspflichten des § 82 um die spezielle gesetz- sagung eines Visums durch die Auslands-
liche Mitwirkungspflicht auf Verlangen der zu- vertretungen als Teil der einheitlichen obersten
ständigen Behörden bei der Erhebung von Bundesbehörde Auswärtiges Amt (§ 2 GAD)
Lichtbildern bzw. Fingerabdrücken im Zusam- findet gemäß § 68 Absatz 1 Nummer 1 VwGO
menhang mit der Ausstellung eines ausländer- kein Widerspruchsverfahren statt. Der Antrag-
rechtlichen Dokuments nach einem einheit- steller kann außer im Fall des § 83 Absatz 1 ge-
lichen Vordruckmuster (vgl. §§ 59, 60 Auf- gebenenfalls nicht-förmliche Gegenvorstellung
enthV). Aufgrund der Verordnung (EG) (Remonstration) erheben. Ob Rechtsmittel ge-
Nummer 380/2008 des Rates vom 18. April gen Entscheidungen nach dem AsylVfG auf-
2008 zur Änderung der Verordnung (EG) schiebende Wirkung haben, richtet sich nach
Nummer 1030/2002 zur einheitlichen Gestal- § 75 AsylVfG.
tung des Aufenthaltstitels für Drittstaaten-
angehörige (ABl. EG Nummer L 1 S. 115 vom 84.1.2 Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß
29. April 2008) werden nach Ablauf der Voll- § 58 Absatz 2 Satz 2 entfällt, wenn das Verwal-
zugsfristen künftig eigenständige Aufenthalts- tungsgericht die aufschiebende Wirkung von
titel in Kartenform (mit Ausnahme von Visa) Widerspruch und Klage gegen die Versagung
mit einem Speicher- und Verarbeitungsmedium, des Aufenthaltstitels im Verfahren auf vor-
das ein Lichtbild und zwei Fingerabdrücke läufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Absatz 5
enthält, ausgestellt. Die allgemeine Erhebungs- VwGO angeordnet hat. Die aufschiebende
grundlage des § 86 für alle anderen personen- Wirkung von Widerspruch und Klage endet je-
bezogenen Daten bleibt unberührt. doch in den Fällen des § 80b Absatz 1 VwGO.
Durch die Aussetzung wird die Ausreisefrist
unterbrochen (§ 50 Absatz 3).
83 Zu § 83 – Beschränkung der Anfechtbarkeit
84.1.3 Die Wirkung von Widerspruch und Klage ge-
83.1 Ausschluss von Rechtsbehelfen mäß § 84 Absatz 1 gilt unabhängig davon, ob
neben der Versagung des Aufenthaltstitels eine
§ 83 schließt einen Rechtsbehelf gegen die Ver- Ausweisung verfügt wird, gegen die Wider-
sagung eines Visums zu touristischen Zwecken spruch und Klage aufschiebende Wirkung ha-
sowie eines Visums oder eines Passersatzpapiers ben. Dem steht nicht entgegen, dass die Versa-
(§ 4 AufenthV) an der Grenze aus. Zugleich gung gemäß § 11 Absatz 2 Satz 2 lediglich auf
besteht die Hinweispflicht nach § 83 Satz 2, den die Ausweisung gestützt wird.
Ausländer auf den gesetzlich vorgeschriebenen
Einreiseweg (§ 5 Absatz 2 Nummer 1) und die 84.1.4 Ist die Vollziehung der Versagung eines Auf-
Einhaltung der Passpflicht (§ 3) zu verweisen. enthaltstitels durch die Behörde ausgesetzt oder
die aufschiebende Wirkung durch das Verwal-
83.2 Ausschluss des Widerspruchsverfahrens tungsgericht angeordnet worden, entfällt da-
durch nur die Vollziehbarkeit der Ausreise-
Gegen die Versagung der Aussetzung der Ab- pflicht. Der Ausländer bleibt in diesem Fall
schiebung ist das Widerspruchsverfahren aus- weiterhin ausreisepflichtig, sein Aufenthalt ist
geschlossen. Die Aussetzung der Abschiebung daher nicht mehr rechtmäßig (vgl. § 84 Absatz 2
kann daher nur im verwaltungsgerichtlichen Satz 1). Die Anordnung der aufschiebenden
Verfahren erstritten werden. Der Ausschluss des Wirkung von Widerspruch und Klage nach
Widerspruchsverfahrens gilt nicht hinsichtlich Versagung des Aufenthaltstitels lässt daher die
der Androhung und Änderung von Neben- Wirkungen des § 81 Absatz 3 nicht mehr auf-
bestimmungen zur Duldung (vgl. § 61 Absatz 1). leben.

84 Zu § 84 – Wirkungen von Widerspruch und 84.2 Wirksamkeit der die Ausreisepflicht be-
Klage gründenden Verwaltungsakte
84.2.1 Widerspruch und Klage gegen die in § 84 Ab-
84.1 Ausschluss der aufschiebenden Wirkung
satz 2 Satz 1 genannten Verwaltungsakte hem-
84.1.1 Bei § 84 Absatz 1 handelt es sich um eine Be- men zwar durch ihre aufschiebende Wirkung
stimmung i. S. v. § 80 Absatz 2 Satz 1 Num- die Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwal-
Seite 1216 GMBl 2009 Nr. 42– 61

tungsaktes gemäß § 80 Absatz 1 VwGO, die 85 Zu § 85 – Berechnung von Aufenthaltszeiten


aufschiebende Wirkung lässt jedoch die aus-
länderrechtliche Wirksamkeit der Maßnahme 85.0 Durch die Möglichkeit, Unterbrechungen der
unberührt. Die aufschiebende Wirkung dieser Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem
Rechtsbehelfe hat daher lediglich zur Folge, Jahr unberücksichtigt zu lassen, sollen Un-
dass die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht mit billigkeiten vermieden werden, die sich im Üb-
Ausnahme der in § 80b Absatz 1 VwGO ge- rigen bei geringfügigen formalen Nachlässig-
nannten Fälle entfällt. Lediglich durch die An- keiten des Ausländers (Beispiele siehe Num-
ordnung der sofortigen Vollziehung des Ver- mer 85.4) ergeben würden.
waltungsaktes gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 85.1 Soweit gesetzlich (z. B. in § 104b Nummer 2)
Nummer 4 VwGO, der die Rechtmäßigkeit des gefordert wird, dass ein rechtmäßiger Auf-
Aufenthalts beendet, kann die Vollziehbarkeit enthalt ununterbrochen vorliegen muss (nicht
der Ausreisepflicht gemäß § 58 Absatz 2 Satz 2 nur ein rechtmäßiger Aufenthalt von be-
bewirkt werden. Der Aufenthalt bleibt auch stimmter Dauer, vgl. etwa § 37 Absatz 1 und
dann weiterhin unerlaubt, wenn im Falle der 5), hat diese Vorschrift Vorrang und verdrängt
Versagung des Aufenthaltstitels das Verwal- § 85.
tungsgericht die aufschiebende Wirkung von
Widerspruch und Klage angeordnet hat. 85.2 § 9b ist bei Prüfung der Voraussetzungen nach
§ 9a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 vorrangig zu
84.2.2.1 Mit der Bekanntgabe einer Ausweisungsver- beachten.
fügung oder eines sonstigen die Rechtmäßigkeit
des Aufenthalts beendenden Verwaltungsaktes 85.3 Eine Unterbrechung i. S. v. § 85 erfordert Zeiten
(Versagung in den Fällen des § 81 Absatz 3 unrechtmäßigen Aufenthalts, die zwischen sol-
Satz 1 und des § 81 Absatz 4, Widerruf und chen rechtmäßigen Aufenthalts liegen. Die Zeit
Rücknahme des Aufenthaltstitels, nachträgliche der Unterbrechung selbst wird nicht auf den
zeitliche Beschränkung des rechtmäßigen Auf- rechtmäßigen Aufenthalt angerechnet. Denkbar
enthalts oder des Aufenthaltstitels) wird der sind auch mehrere Unterbrechungen von je-
Aufenthalt des Ausländers unerlaubt, ohne dass weils bis zu einem Jahr.
es darauf ankommt, ob der Verwaltungsakt
85.4 Die Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des
vollziehbar ist. Der Wegfall der Rechtmäßigkeit
Aufenthaltes kann insbesondere auf nicht
des Aufenthalts bedeutet, dass ein Familien-
rechtzeitigem Antrag auf Verlängerung des
nachzug zu dem Ausländer ausgeschlossen ist
Aufenthaltstitels oder auf einem Ungültig-
(vgl. § 29 Absatz 1 Nummer 1) und der Aus-
werden des Passes beruhen.
länder während des Rechtsbehelfsverfahrens
nicht in die Aufenthaltsverfestigung hinein- 85.5 Über die Unbeachtlichkeit der Unterbrechung
wachsen kann. Solange das Aufenthaltsrecht eines rechtmäßigen Aufenthalts nach § 85 hat
des Ausländers auf diese Weise umstritten ist, die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem
liegt keine ordnungsgemäße Beschäftigung Ermessen zu entscheiden. Hierbei können
i. S. v. Artikel 6 Absatz 1 ARB 1/80 vor. Gründe und – z. B. bei mehrfachen Unter-
brechungen (siehe Nummer 85.3) – insbe-
84.2.2.2 Die Ausweisung (§ 51 Absatz 1 Nummer 5)
sondere Anzahl und Gesamtdauer der Unter-
oder die nachträgliche zeitliche Beschränkung
brechungen Berücksichtigung finden. Insbe-
des Aufenthaltstitels haben bis zur Unanfecht-
sondere bei Bagatellunterbrechungen, bei
barkeit der Entscheidung zur Folge, dass der
denen die Behörde von Ordnungswidrigkeits-
Ausländer nicht mehr den ihm erteilten Auf-
verfahren abgesehen hat, ist dem Betreffenden
enthaltstitel besitzt, er gemäß § 50 Absatz 1 zur
die Unterbrechung des Aufenthaltes in aller
Ausreise verpflichtet ist und für ihn bis zum
Regel nicht mehr entgegenzuhalten.
Abschluss des Verfahrens eine rechtliche Ver-
festigung nicht möglich ist.
84.2.2.3 Die Sperrwirkung des § 11 Absatz 1 Satz 2 tritt 86 Zu § 86 – Erhebung personenbezogener
ungeachtet dessen ein, ob der Rechtsbehelf ge- Daten
gen die Ausweisung oder Abschiebung auf-
schiebende Wirkung hat. 86.0 Allgemeines
84.2.2.4 Zu den Auswirkungen des § 84 Absatz 2 Satz 2 86.0.1 Anwendungsbereich der §§ 86 bis 91e
auf die Berechtigung zur Ausübung einer Er-
86.0.1.1 Die §§ 86 bis 91e enthalten für die Durch-
werbstätigkeit vgl. Nummer 4.3.1.2.
führung des Ausländerrechts bereichsspezi-
84.2.3 Nach § 84 Absatz 2 Satz 3 wird im Falle der fische Regelungen zur Erhebung, Verarbeitung
Aufhebung des aufenthaltsbeendenden Ver- und Nutzung personenbezogener Daten, so-
waltungsaktes der Aufenthalt rückwirkend weit keine speziellen Regelungen Anwendung
wieder rechtmäßig. Die Aufhebung bewirkt, finden. Regelungen, die die §§ 86 bis 91e ver-
dass der frühere Rechtszustand wieder eintritt. drängen, sind z. B. für den Verkehr mit dem
Der Antrag des Ausländers auf Erteilung eines Ausländerzentralregister die Vorschriften des
Aufenthaltstitels, über den erneut zu ent- AZRG (insbesondere die §§ 6, 15 und 32
scheiden ist, entfaltet nach der wirksamen Auf- AZRG) oder für das Asylverfahren die §§ 7
hebung die in § 81 genannten Wirkungen. und 8 AsylVfG.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1217

86.0.1.2 Soweit die §§ 86 bis 91e keine abschließenden 86.1.3.1 Es dürfen nur die für die Aufgabenerfüllung
Regelungen enthalten und auch keine anderen erforderlichen Daten erhoben werden. Dies
bereichsspezifischen Bundes- bzw. Landes- sind Daten, deren Kenntnis für eine beab-
regelungen einschlägig sind (z. B. auch §§ 12, 13 sichtigte ausländerrechtliche Entscheidung
und 18–22 EGGVG), haben die Behörden des oder Maßnahme benötigt wird. Die Erhebung
Bundes das BDSG und die Behörden der Län- von Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder
der die Datenschutzgesetze der Länder zu be- noch nicht bestimmbaren Zwecken ist un-
achten. Dies gilt insbesondere für die all- zulässig. Die Datenerhebung kann bei der An-
gemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen hörung zu der beabsichtigten Entscheidung
über die Berichtigung, Löschung und Sperrung stattfinden.
von Daten sowie die Unterrichtung und das
86.1.3.2 Entscheidungen oder Maßnahmen in diesem
Auskunftsrecht des Betroffenen, die ergänzend
Sinne sind insbesondere:
heranzuziehen sind (z. B. § 20 BDSG).
– die Erteilung oder Verlängerung eines Auf-
86.0.2 Allgemeines zu § 86 enthaltstitels (§§ 4 bis 38a),
– Entscheidungen über die Begründung und
§ 86 regelt die Erhebung personenbezogener
Durchsetzung der Ausreisepflicht und alle
Daten von Ausländern durch die mit der
in diesem Zusammenhang erforderlichen
Durchführung des Aufenthaltsgesetzes be-
Maßnahmen (§§ 50 bis 62),
trauten Stellen (§ 71, vor allem die Ausländer-
behörden und Auslandsvertretungen). § 86 – die räumliche Beschränkung eines Aufent-
schafft für die berechtigten Stellen die Befugnis haltstitels oder einer Duldung, die Anord-
zur Datenerhebung. Über diesen Grundtatbe- nung von Auflagen, Bedingungen oder son-
stand der Datenerhebung hinaus finden die Er- stigen Nebenbestimmungen,
hebungsvorschriften des BDSG und der Da- – die Zurückweisung an der Grenze (§ 15),
tenschutzgesetze der Länder Anwendung, so-
– die Zurückschiebung nach unerlaubter Ein-
weit keine bereichsspezifischen Regelungen in
reise (§ 57),
anderen Gesetzen einschlägig sind. § 86 be-
gründet für andere Stellen kein Recht zur – die Ausstellung eines Passersatzes (§§ 4 ff.
Übermittlung von Daten. Dieses muss sich aus AufenthV) oder eines Ausweisersatzes (§ 48
anderen Vorschriften ergeben, z. B. für öffent- Absatz 2),
liche Stellen aus § 87 oder für nicht-öffentliche – die Durchsetzung der Verlassenspflicht
Stellen aus § 28 Absatz 2 und 3 BDSG. (§ 12 Absatz 3),
– die Passvorlageanordnung (§ 48 Absatz 1)
86.1 Datenerhebung oder
– die Identitätsfeststellung und -sicherung
86.1.1 Erheben von Daten i. S. d. § 86 Satz 1 ist das
(§ 49).
Beschaffen von Daten über Betroffene (§ 3 Ab-
satz 3 BDSG). Daneben gelten bereichs-
spezifische Regelungen in anderen Gesetzen 86.2 Erhebung von Daten i. S. d. § 3 Absatz 9
und – soweit diese nicht einschlägig sind – die BDSG
weitgehend inhaltsgleichen Erhebungsvor- Die so genannten „sensitiven Daten“ nach § 86
schriften des BDSG bzw. die Datenschutz- Satz 1, § 3 Absatz 9 BDSG sind Angaben über
gesetze der Länder. Betroffene sind bestimmte die rassische und ethnische Herkunft, politische
oder bestimmbare natürliche Personen (vgl. § 3 Meinungen, religiöse oder philosophische
Absatz 1 BDSG). Erhebungsberechtigt sind die Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit,
in § 71 bezeichneten Behörden. Gesundheit oder Sexualleben. Einzelfälle, in
denen die Erhebung dieser Daten ausnahms-
86.1.2 Personenbezogene Daten sind Einzelangaben weise zulässig sein kann, können etwa Ent-
über persönliche oder sachliche Verhältnisse scheidungen über die Gewährung von Aufent-
eines Betroffenen (§ 3 Absatz 1 BDSG). Dazu haltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären
zählen insbesondere Name(n), Geburtsdatum oder politischen Gründen oder die Aussetzung
und -ort, Familienstand, Staatsangehörigkeit, einer Abschiebung oder das Absehen von einer
Anschriften, tatsächlicher und gewöhnlicher Ausweisung aus diesen Gründen sein.
Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Arbeitgeber,
Einkommens- und Vermögensverhältnisse,
Wohnraumverhältnisse, Familienstand und 87 Zu § 87 – Übermittlungen an Ausländer-
Verwandtschaftsverhältnisse, Personalien und behörden
Aufenthaltstitel von Familienangehörigen,
Mitgliedschaft in Vereinen und sonstigen Or-
87.0 Anwendungsbereich
ganisationen, Voraufenthalte im Bundesgebiet,
Passbesitz und Rückkehrberechtigung, Vor- 87.0.1 Während § 86 die Erhebung personenbe-
strafen im In- oder Ausland. Zu den personen- zogener Daten regelt, enthält § 87 Bestim-
bezogenen Daten gehören auch die im Einzel- mungen über die Übermittlung von Daten an
fall erforderlichen Ergebnisse einer er- die mit der Durchführung des Aufenthalts-
kennungsdienstlichen Behandlung. gesetzes betrauten Behörden, wobei zwischen
Seite 1218 GMBl 2009 Nr. 42– 61

der Datenübermittlung auf Ersuchen (Ab- – die Polizeien des Bundes und der Länder
satz 1) und der Verpflichtung zur Datenüber- sowie die Ordnungsbehörden,
mittlung ohne vorangegangenes Ersuchen – die Strafverfolgungs-, Strafvollstreckungs-
(Absatz 2 und 4) unterschieden wird. § 87 Ab- und Strafvollzugsbehörden,
satz 3 trifft eine Sonderregelung für die Migra-
tionsbeauftragte. Alle Übermittlungen werden – die Gerichte,
durch § 88 begrenzt (besondere gesetzliche – die Auslandsvertretungen,
Verwendungsregelungen). Die für die über- – das Bundesamt für Migration und Flücht-
mittelnden Stellen geltenden bereichsspezif- linge,
ischen Regelungen sind stets zu beachten.
– die für die Verfolgung und Ahndung von
87.0.2 Bei den Mitteilungen nach § 87 Absatz 1 und Ordnungswidrigkeiten zuständigen Be-
Unterrichtungen nach § 87 Absatz 2 handelt es hörden,
sich um Übermittlungen personenbezogener
– die Meldebehörden,
Daten i. S. d. § 3 Absatz 4 Satz 2 Nummer 3
Buchstabe a) BDSG (siehe Nummer 86.1.2). – die Vertriebenenbehörde(n), wenn die Aus-
stellung einer Bescheinigung nach § 15
87.0.3 Die Verpflichtung zur Mitteilung an die in § 87 BVFG abgelehnt wird oder die entspre-
Absatz 1 bezeichneten Behörden und zur Un- chende Bescheinigung zurückgenommen
terrichtung der Ausländerbehörden nach § 87 wird,
Absatz 2 besteht nur für öffentliche Stellen.
– das Bundesverwaltungsamt, wenn ein Auf-
Vorschriften in anderen Gesetzen oder Rechts-
nahmebescheid nach der Einreise zurück-
verordnungen, die öffentliche und nicht-öf-
genommen worden ist,
fentliche Stellen (zu den Begriffen siehe § 2
BDSG) zur Übermittlung von Daten ver- – die Standesämter,
pflichten, bleiben unberührt. – die Finanzämter,
87.0.4 Vor einer Übermittlung von Daten ist stets der – die Bundesagentur für Arbeit,
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. – die Träger der Sozialhilfe,
Das durch Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1
Absatz 1 GG gewährleistete Recht auf infor- – die Träger der Grundsicherung für Arbeit-
mationelle Selbstbestimmung darf nur soweit suchende,
eingeschränkt werden, wie es zum Schutz öf- – die für die Durchführung des AsylbLG zu-
fentlicher Interessen und unter Berück- ständigen Behörden und Kostenträger,
sichtigung entgegenstehender schutzwürdiger – die Jugendämter und
Interessen des Betroffenen erforderlich ist.
– öffentliche Stellen in den Bereichen Erzie-
87.0.5 Es sind nur die Daten zu übermitteln, die der hung, Bildung und Wissenschaft.
mitteilungspflichtigen Stelle bereits zur Er-
füllung ihrer Aufgaben zur Kenntnis gelangt 87.1.1.2 Öffentliche Auskunfts- und Beratungsstellen
sind. § 87 begründet keine Pflicht und keine sind nicht mitteilungspflichtig, soweit nicht be-
Befugnis zur Datenerhebung, um einem Er- sondere Vorschriften eine Mitteilungspflicht
suchen der Ausländerbehörde nachkommen zu vorsehen. Das gilt auch für Beratungen vor
können. Einleitung eines Verwaltungsverfahrens (z. B.
vor Antragstellung). Ob eine öffentliche Stelle
87.0.6 Unzulässig erhobene oder gespeicherte Daten beratend tätig wird, bestimmt sich nach dem
dürfen nicht übermittelt werden. Inhalt der ihr obliegenden Aufgaben. Die Mit-
teilungspflicht derjenigen Stellen, zu deren
87.1 Mitteilungen auf Ersuchen Aufgaben auch die Beratung gehört, bestimmt
sich danach, ob sie die Kenntnis bei oder im
87.1.0 Das Ersuchen ist zulässig, wenn die Kenntnis
Zusammenhang mit der Beratung oder bei der
der Daten zur Erfüllung der Aufgaben der in
Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben er-
§ 86 Satz 1 genannten ersuchenden Stellen er-
langt hat.
forderlich ist und die Daten gemäß § 4 Absatz 2
Satz 2 BDSG oder den einschlägigen Daten- 87.1.1.3 Für öffentliche Stellen in den Bereichen Erzie-
schutzbestimmungen der Länder ohne Mit- hung, Bildung und Wissenschaft (insbesondere
wirkung des Betroffenen erhoben werden dür- Schulen, Hochschulen) besteht eine Mittei-
fen. Ein Ersuchen ist unabhängig davon zuläs- lungspflicht auf Ersuchen, soweit sie Daten im
sig, ob eine öffentliche Stelle bereits nach § 87 Rahmen eines Anmeldeverfahrens oder eines
Absatz 2 und 4 verpflichtet ist, Daten an die Verfahrens zur Entscheidung über die Auf-
zuständige Ausländerbehörde zu übermitteln nahme, Einschreibung oder Zulassung erheben
oder solche bereits übermittelt hat. und für die ersuchende Stelle die Kenntnis die-
ser Daten für die Erfüllung der Aufgaben i. S. v.
87.1.1.1 Zur Mitteilung auf Ersuchen sind alle öffentli-
§ 86 Satz 1 erforderlich ist.
chen Stellen (vgl. § 2 BDSG) verpflichtet, auch
wenn sie keine ausländerrechtlichen Aufgaben 87.1.1.4 Öffentliche Stellen im Sozialbereich (Agen-
ausführen. Die Verpflichtung zur Mitteilung turen für Arbeit, Träger der Sozialhilfe und Ju-
betrifft insbesondere folgende öffentliche Stel- gendämter) sind insbesondere zur Mitteilung
len: auf Ersuchen verpflichtet, wenn sie über die
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1219

Gewährung von Leistungen, die Erteilung von welche der in § 71 Absatz 2 Nummer 1 Buch-
Erlaubnissen oder die Aufnahme in soziale und staben a) bis d) SGB X genannten ausländer-
medizinische Einrichtungen entscheiden. rechtlichen Entscheidungen die Auskunft be-
nötigt wird. Eine „Entscheidung über den Auf-
87.1.1.5 Für Stellen i. S. d. § 12 i. V. m. §§ 18 bis 29 SGB I
enthalt“ im Sinne dieser Bestimmungen ist die
(Leistungsträger der Sozialleistungen) ist für die
Entscheidung über Erteilung und Verlängerung
Übermittlung personenbezogener Daten § 71
eines Aufenthaltstitels, über eine aufenthalts-
Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB X maßgebend.
beendende Maßnahme (nachträgliche zeitliche
Zu beachten sind die Einschränkungen der Beschränkung, Widerruf und Rücknahme der
Übermittlungsbefugnis nach § 71 Absatz 2 Aufenthaltstitel, Ausweisung) sowie über die
Satz 2 SGB X (Daten über die Gesundheit eines Erteilung und Erneuerung einer Duldung.
Ausländers) und die zusätzlichen Ein-
87.1.4.1 Die Verantwortung für die Zulässigkeit der
schränkungen nach § 76 Absatz 1 SGB X
Übermittlung bestimmt sich vorrangig nach
(schutzwürdige Sozialdaten).
den jeweils einschlägigen bereichsspezifischen
Zu beachten ist ferner die Übermittlungssperre, Vorschriften (z. B. § 67d Absatz 2 SGB X), im
die sich gemäß § 88 Absatz 2 i. V. m. § 203 Ab- Übrigen nach allgemeinem Datenschutzrecht.
satz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6 und Absatz 3 StGB Soweit öffentliche Stellen des Bundes Daten auf
aus der ärztlichen Schweigepflicht ergibt. Sie Ersuchen übermitteln, ist bei Fehlen einer be-
wird ausschließlich in den in § 88 Absatz 2 reichsspezifischen Vorschrift § 15 Absatz 2
Nummer 1 und 2 genannten Fällen durch- Satz 2 bis 4 BDSG maßgebend. Erfolgt die
brochen (vgl. auch Nummer 88.2.3 und Übermittlung auf Ersuchen der Ausländer-
88.2.4.0). behörde, so hat diese die Erforderlichkeit des
Ersuchens zu beurteilen. Die übermittelnde
87.1.2 Bekannt gewordene Umstände sind Sach- Stelle prüft insoweit nur, ob das Ersuchen im
verhalte, die der öffentlichen Stelle zur Er- Rahmen der Aufgaben der Ausländerbehörde
füllung ihrer Aufgaben rechtmäßig zur Kennt- liegt, es sei denn, dass ein besonderer Anlass zur
nis gelangt sind. Was „zur Erfüllung ihrer Prüfung der Rechtmäßigkeit der Übermittlung
Aufgaben“ gehört, bestimmt sich nach Landes- nach dem Aufenthaltsgesetz besteht. Das ist der
recht. Hat ein Bediensteter der öffentlichen Fall, wenn sie begründete Zweifel am Vorliegen
Stelle lediglich bei Gelegenheit der Wahr- der Voraussetzungen einer Erhebung ohne
nehmung seiner Aufgaben Kenntnis von einem Mitwirkung des Betroffenen hat (siehe Num-
Sachverhalt erlangt, ist dieser der öffentlichen mer 87.1.0). Im Übrigen prüft die übermitteln-
Stelle nicht bekannt geworden und es besteht de Stelle, ob die Voraussetzungen von eigenen
für sie keine Mitteilungspflicht. Maßgebend für speziellen Befugnisnormen vorliegen und ge-
die Abgrenzung sind die dem jeweiligen Be- setzliche oder verfassungsrechtliche Gründe
diensteten übertragenen Aufgaben. Der Sach- der Übermittlung entgegenstehen.
verhalt muss nachweisbar sein. Vermutungen
oder Gerüchte reichen nicht aus. 87.1.4.2 Vertritt die übermittelnde Stelle die Auffassung,
dass sie die Daten nicht übermitteln darf oder
87.1.3.1 Die Ausländerbehörde hat in ihrem Ersuchen das Ersuchen nicht die vorgeschriebenen An-
anzugeben: gaben enthält (siehe die Nummer 87.1.3.1 und
– die Personalien, die zur Identifizierung des 87.1.3.2), so hat sie ihre Auffassung der Aus-
Betroffenen erforderlich sind, länderbehörde unter Angabe der maßgeblichen
– Aktenzeichen der ersuchten Stelle, soweit Gründe unverzüglich mitzuteilen. Ist zwischen
bekannt, der Ausländerbehörde und der übermittelnden
Stelle streitig, ob die Übermittlung rechtmäßig
– welche Daten sie benötigt, ist, so ist die Auffassung jeder Seite insoweit
– für welche Aufgabenerfüllung sie die Daten maßgebend, als sie die Verantwortung für die
benötigt, wobei in eindeutigen Fällen die Rechtmäßigkeit der Übermittlung trägt (vgl.
Angabe der Rechtsvorschrift ausreicht, und Nummer 87.1.4.1). Im Zweifel ist die Entschei-
dung der gemeinsamen Aufsichtsbehörde her-
– aus welchen Gründen die Daten ohne Mit-
beizuführen. Fehlt eine derartige gemeinsame
wirkung des Betroffenen erhoben werden.
Aufsichtsbehörde, hat die Ausländerbehörde
Ein fernmündliches Übermittlungsersuchen ist die Entscheidung der obersten Landesbehörde
nur dann zulässig, wenn die mit einem schrift- herbeizuführen.
lichen Übermittlungsersuchen verbundene
87.1.5.1 Haben öffentliche Stellen der Ausländer-
zeitliche Verzögerung aus dringenden Gründen
behörde bereits nach § 87 Absatz 1 Mitteilung
nicht zu vertreten ist. Die Gründe sind akten-
gemacht oder haben sie diese nach Absatz 2 und
kundig zu machen. In die Ausländerakte ist die
4 unterrichtet, sind weitergehende Datenüber-
Begründung des Ersuchens und im Falle eines
mittlungen zur Vorbereitung von Entschei-
fernmündlichen Ersuchens ein Hinweis aufzu-
dungen und Maßnahmen auf Ersuchen der
nehmen, für welche Aufgabenerfüllung die an-
Ausländerbehörde nach § 87 Absatz 1 unter
geforderten Daten benötigt werden.
Berücksichtigung der für die datenübermitt-
87.1.3.2 Bei einem Ersuchen nach § 71 Absatz 2 Num- lungspflichtigen Stellen geltenden speziellen
mer 1 SGB X ist darüber hinaus anzugeben, für Regelungen zulässig (siehe Nummer 87.1.0).
Seite 1220 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Das gilt insbesondere im Fall von Mitteilungen 87.2.0.2.1 Die in § 87 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4
nach § 87 Absatz 4 Satz 1 und 2, wenn die zu- aufgeführten Sachverhalte sind grundsätzlich
ständige Ausländerbehörde die für die Einlei- von allen öffentlichen Stellen (siehe Definition
tung und Durchführung eines Straf- oder Buß- in § 2 BDSG) bei Kenntniserlangung unver-
geldverfahrens zuständigen Stellen (z. B. züglich mitzuteilen. Fallen die einen Aus-
Staatsanwaltschaften) um die Übermittlung be- weisungsgrund gemäß § 87 Absatz 2 Satz 1
stimmter zusätzlicher Daten ersucht (z. B. An- Nummer 3 begründenden Daten hingegen bei
klageschrift), die für eine sachgerechte Er- einer öffentlichen Stelle regelmäßig deshalb an,
füllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Dazu weil die öffentliche Stelle insoweit fachlich zu-
kann auch die Einsichtnahme in bzw. die ständig ist, sind diese Daten vorrangig von der
Übersendung von Strafakten gehören. fachlich zuständigen Stelle weiterzuleiten. So ist
z. B. auf jeden Fall der Träger der Sozialhilfe
87.1.5.2 Liegt der zuständigen Ausländerbehörde eine verpflichtet, den Bezug von Sozialhilfe mitzu-
Mitteilung nach § 87 Absatz 4 Satz 1 vor, hat sie teilen. Die Mitteilungspflicht von Amts wegen
unverzüglich zu prüfen, ob sie unabhängig vom besteht unabhängig davon, ob ein Ersuchen
Ausgang des Straf- oder Bußgeldverfahrens tä- nach § 87 Absatz 1 gestellt ist. Sie entfällt, wenn
tig werden muss. Ersuchen auf weitergehende feststeht oder kein ernsthafter Zweifel besteht,
Datenübermittlungen kommen regelmäßig in dass der Sachverhalt der Ausländerbehörde be-
Fällen in Betracht, in denen die Prüfung von reits bekannt ist, oder wenn die Polizeibehörde
Ausweisungsgründen nach § 54 Nummer 3 bis in den Fällen des § 87 Absatz 2 Satz 1, 2. Halb-
5 (z. B. Rauschgiftkriminalität, Versammlungs- satz unterrichtet wurde.
kriminalität oder Terrorismusverdacht) und
§ 55 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 erforderlich er- 87.2.0.2.2 Eine Ausnahme gilt (im Fall der Kenntnis-
scheint. erlangung i. S. v. § 87 Absatz 2, nicht jedoch im
Fall eines Übermittlungsersuchens i. S. v. § 87
87.1.5.3 § 87 Absatz 1 kann auch in Fällen miss- Absatz 1) für die Unterrichtungspflicht des Ju-
bräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zur gendamtes zur Mitteilung nach Nummer 4
Anwendung kommen. Wesentliches Tatbe- (§ 87 Absatz 2 Satz 1 letzter Halbsatz). Für das
standsmerkmal für die Erteilung des Aufent- Jugendamt kann die Mitteilungspflicht nach
haltstitels ist z. B. im Fall der ausländischen Nummer 4 in Konflikt insbesondere mit seinem
Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit des Auftrag aus dem SGB VIII treten, Eltern in
Kindes, die durch die Vaterschaftsanerkennung Angelegenheiten ihrer Kinder Hilfe und Un-
vermittelt wird. Die Ausländerbehörde kann terstützung anzubieten. § 87 Absatz 2 Satz 1
hier insbesondere die Stelle, die die Vater- letzter Halbsatz sieht daher – entsprechend der
schaftsanerkennung und die Zustimmung der Regelung des § 87 Absatz 3 für die Beauftragte
Mutter beurkundet hat, um Mitteilung etwaiger der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
Anhaltspunkte für einen Missbrauch ersuchen. und Integration – vor, dass das Jugendamt zur
Solche Anhaltspunkte können sich etwa daraus Mitteilung nur verpflichtet ist, soweit dadurch
ergeben, dass der anerkennende Vater bereits die Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht ge-
mehrfach Kinder verschiedener ausländischer fährdet wird. Eine Gefährdung der Aufgaben-
Mütter anerkannt hat oder der Urkundsbeamte erfüllung des Jugendamts wird i. d. R. insbe-
von Dritten über eine Geldzahlung anlässlich sondere dann anzunehmen sein, wenn zwischen
der Vaterschaftsanerkennung unterrichtet wird. dem Jugendamt und den betroffenen Eltern ein
Neben den beurkundenden Stellen können über die Beurkundung der Vaterschaft hinaus-
auch die Einwohnermeldeämter über sach- gehendes Hilfeverhältnis besteht. Insbesondere
dienliche Informationen verfügen. So ist die in diesen Fällen kann § 27 Absatz 1a Nummer 1
Meldung eines gemeinsamen Wohnsitzes ein zur Anwendung kommen (siehe hierzu auch
Indiz für eine sozial-familiäre Beziehung, wäh- Nummer 27.1a.1.3).
rend das Getrenntleben Anlass für weitere
Sachverhaltsermittlung sein kann. 87.2.0.3 Unterrichtungspflichtig ist eine öffentliche
Stelle nur, wenn sie Kenntnis von den in § 87
87.1.5.4 § 87 Absatz 1 kann auch in Fällen besonderer
Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten
Integrationsbedürftigkeit zur Anwendung
Sachverhalten hat.
kommen (vgl. § 4 Absatz 3 IntV). Wegen der
Einzelheiten wird auf Nummer 87.2.5 ver- 87.2.0.4 Eine Unterrichtungspflicht besteht für jede öf-
wiesen. Zu den Aufgaben der Ausländer- fentliche Stelle, die Kenntnis von dem Sachver-
behörden gehört es, Ausländer, die in be- halt zur Erfüllung der ihr obliegenden Auf-
sonderer Weise integrationsbedürftig sind, zur gaben erlangt. Der Sachverhalt ist zu kon-
Teilnahme am Integrationskurs aufzufordern kretisieren. Die Angaben sind auf das
und hierdurch eine Teilnahmepflicht zu be- notwendige Maß zu beschränken. Eine Kennt-
gründen (§ 44a Absatz 1 Satz 1 Nummer 3). nisnahme bei Gelegenheit der Aufgabenwahr-
nehmung genügt nicht (siehe Nummer 87.1.2).
87.2 Unterrichtung ohne Ersuchen
87.2.0.5 Ob eine Mitteilung zulässig und erforderlich
87.2.0.1 Die Gerichte und Staatsanwaltschaften wenden ist, beurteilt die öffentliche Stelle, die die Un-
bei Mitteilungen in Strafsachen über Ausländer terrichtung vornehmen müsste, ggf. im Be-
Nummer 42 MiStra an. nehmen mit der nach § 71 zuständigen Behörde.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1221

Ob ausländerrechtliche Maßnahmen wegen sind i. d. R. aus seinem Pass oder Passersatz er-
eines mitgeteilten Sachverhalts gerechtfertigt sichtlich. Gesondert davon können Aufent-
sind, entscheidet die Ausländerbehörde. haltstitel oder die Bescheinigung über die Aus-
setzung der Abschiebung (Duldung) in Form
87.2.0.6 Die Übermittlungspflicht nach § 87 Absatz 2
eines Ausweisersatzes nach § 48 Absatz 2 erteilt
Satz 1 Nummer 3 ist nicht nur auf den Zweck
werden (siehe Nummer 48).
beschränkt, der Ausländerbehörde die Aus-
weisung zu ermöglichen. Ausweisungsgründe, 87.2.1.4.2 Legt ein Ausländer einem Standesbeamten
die für sich allein eine Ausweisung im Einzelfall – z. B. bei der Anmeldung der Eheschließung –
nicht rechtfertigen, können als Versagungs- einen Pass vor, der weder einen Aufenthaltstitel
gründe bei anstehenden Maßnahmen oder bei noch eine Duldung enthält, greift die Über-
Zusammentreffen mit anderen Umständen ent- mittlungspflicht nach § 87 Absatz 2 Nummer 1.
scheidungserhebliche Bedeutung erlangen. Da Die unverzügliche Information der Ausländer-
die Kenntnis von Ausweisungsgründen danach behörde ist in diesen Fällen von besonderer
für sämtliche Entscheidungen über den Auf- Bedeutung, um diese in die Lage zu versetzen,
enthalt erforderlich ist, ordnet § 87 Absatz 2 ggf. eine kurzfristige Einziehung des Passes
Satz 1 Nummer 3 ihre Übermittlung an und vorzunehmen (vgl. § 50 Absatz 6) oder mit dem
beschränkt diese nicht auf Sachverhalte, die eine Standesbeamten zu vereinbaren, dass dieser der
Ausweisung rechtfertigen. Die Übermittlungs- Ausländerbehörde eine Ablichtung des Passes
pflicht ist insbesondere nicht nach Maßgabe des übermittelt.
§ 56 eingeschränkt.
87.2.1.5 Von einer Unterrichtung ist nur abzusehen,
87.2.0.7 Die Daten sind an die nach jeweiligem Landes- wenn der öffentlichen Stelle bekannt ist oder
recht örtlich zuständige Ausländerbehörde zu für sie kein ernsthafter Zweifel besteht, dass die
übermitteln. Ausländerbehörde oder die zuständige Polizei-
behörde bereits über die Anschrift, den ge-
87.2.1 Unterrichtung über illegalen Aufenthalt wöhnlichen und den tatsächlichen derzeitigen
87.2.1.1 Zur Unterrichtung nach § 87 Absatz 2 Num- und künftigen Aufenthalt des Ausländers un-
mer 1 verpflichtet sind insbesondere: terrichtet ist.
– die Polizeien des Bundes und der Länder 87.2.1.6 Neben den Personalien sind, soweit bekannt,
sowie die Ordnungsbehörden, die in Nummer 87.2.1.4 bezeichneten Angaben
– die Vertriebenenbehörden, wenn ein Antrag zu übermitteln. Über die Identifizierung der
nach § 15 BVFG abgelehnt wird oder der Person und die aufenthaltsrechtlichen Ver-
entsprechende Bescheid zurückgenommen hältnisse hinaus sind weitere Angaben nur auf
oder widerrufen wird, Ersuchen zu übermitteln (§ 87 Absatz 1).
– die öffentlichen Schulen, Hochschulen, 87.2.2 Unterrichtung über den Verstoß gegen eine
räumliche Beschränkung
– die Standesämter,
– die Bundesagentur für Arbeit, 87.2.2.1 Zur Unterrichtung nach § 87 Absatz 2 Num-
mer 2 verpflichtet sind insbesondere:
– die Träger der Grundsicherung für Arbeit-
suchende, – die Polizeien des Bundes und der Länder
sowie die Ordnungsbehörden,
– die Träger der Sozialhilfe und
– die Standesämter,
– die Jugendämter.
– die öffentlichen Schulen und Hochschulen,
87.2.1.2 Einen Aufenthaltstitel benötigen nicht (siehe – die Träger der Sozialhilfe,
Nummer 4.1):
– die Jugendämter,
– heimatlose Ausländer, die als solche durch
– die Bundesagentur für Arbeit und
ihren Pass ausgewiesen sind,
– die Träger der Grundsicherung für Arbeit-
– Ausländer, auf die das Aufenthaltsgesetz suchende.
keine Anwendung findet (§ 1 Absatz 2),
87.2.2.2 Kraft Gesetzes besteht eine räumliche Be-
– Ausländer, die nach Kapitel 2, Abschnitt 2
schränkung bei:
der AufenthV vom Erfordernis eines Auf-
enthaltstitels befreit sind, sowie – einem vollziehbar ausreisepflichtigen Aus-
länder nach § 61 Absatz 1 Satz 1 auf das
– Ausländer, die eine Aufenthaltsgestattung
Gebiet des Landes, zu dem die Ausländer-
nach dem AsylVfG besitzen.
behörde gehört,
87.2.1.3 Maßgeblich ist grundsätzlich der Sachverhalt, – einem Ausländer, gegen den eine voll-
wie er der öffentlichen Stelle bekannt ist. Liegt ziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54
hiernach kein Befreiungstatbestand vor, hat die Nummer 5, 5a oder eine vollziehbare Ab-
öffentliche Stelle Kenntnis, dass der Ausländer schiebungsanordnung nach § 58a besteht
einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht be- (§ 54a Absatz 2) auf den Bezirk der Aus-
sitzt. länderbehörde,
87.2.1.4.1 Daten über den Aufenthalt und die aufent- – einer Aufenthaltsgestattung nach § 56 Ab-
haltsrechtlichen Verhältnisse des Ausländers satz 1 und 2 AsylVfG auf den Bezirk der
Seite 1222 GMBl 2009 Nr. 42– 61

zuständigen Ausländerbehörde oder der 87.2.3.3 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num-


Ausländerbehörde, in deren Bezirk der mer 2
Ausländer Aufenthalt zu nehmen hat (un-
87.2.3.3.1 Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe
beschadet der in § 58 AsylVfG genannten
nach § 55 Absatz 2 Nummer 2 (siehe Num-
Ausnahmen).
mer 55.2.2) verpflichtet ist jeweils die öffent-
87.2.2.3 Eine räumliche Beschränkung kann auch auf- liche Stelle (Gericht oder Behörde), die von
grund einer Auflage gegeben sein (§ 12 Ab- einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder
satz 2 und 4, § 61 Absatz 1 Satz 2). von einer außerhalb des Bundesgebietes be-
gangenen Straftat, die im Bundesgebiet als vor-
87.2.2.4 Eine im Einzelfall mit dem Aufenthaltstitel sätzliche Straftat anzusehen ist, Kenntnis er-
verbundene räumliche Beschränkung ergibt langt hat.
sich aus einer entsprechenden Eintragung in
dem Aufenthaltstitel oder im Pass des Aus- 87.2.3.3.2 Eine Unterrichtungspflicht besteht nach § 87
länders. Eine gesetzliche oder im Einzelfall an- Absatz 2 Nummer 3z. B. i. V. m. § 95 Absatz 1
geordnete räumliche Beschränkung ist aus der Nummer 1 bis 3 dann, wenn ein Ausländer sich
Bescheinigung über die vorübergehende Aus- ohne Pass, Passersatz oder Ausweisersatz im
setzung der Abschiebung (Duldung) bzw. aus Bundesgebiet aufhält.
der Bescheinigung über die Aufenthalts- 87.2.3.3.3 Bei einem vereinzelten oder geringfügigen Ver-
gestattung ersichtlich. stoß gegen Vorschriften des Ordnungswidrig-
87.2.2.5 Eine Unterrichtungspflicht besteht nach dieser keitenrechts unterbleibt eine Mitteilung nach
Vorschrift auch, wenn die Stelle erstmalig er- § 87 Absatz 2 Nummer 3. Zur Frage, wann ein
fährt, dass ein Ausländer mehrmals gegen eine Verstoß als geringfügig anzusehen ist, siehe
räumliche Beschränkung verstoßen hat. Nummer 55.2.2.3.

87.2.2.6 Nummer 87.2.1.5 und 87.2.1.6 gelten entspre- 87.2.3.4 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num-
chend. mer 3
Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe
87.2.3 Unterrichtung über sonstige Ausweisungs-
nach § 55 Absatz 2 Nummer 3 (siehe Num-
gründe
mer 55.2.3) verpflichtet sind insbesondere die
87.2.3.0 Sonstige Ausweisungsgründe nach § 87 Ab- Polizei-, Ordnungs- und Gesundheitsbehör-
satz 2 Nummer 3 sind alle in den §§ 53, 54 und den. Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich
55 genannten Ausweisungsgründe. Eine Unter- nur auf einen Verstoß gegen geltende Rechts-
richtungspflicht ist gegeben, wenn die öffent- vorschriften oder behördliche Verfügungen,
liche Stelle im Zusammenhang mit der Er- nicht auf Ergebnisse ärztlicher Untersuchungen
füllung ihrer Aufgaben Kenntnis von einem oder Beratungen.
solchen Ausweisungsgrund erlangt. Num-
87.2.3.5 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num-
mer 87.2.1.5 und 87.2.1.6 gelten entsprechend.
mer 4
87.2.3.1 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 1 87.2.3.5.1 Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe
Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Nummer 4 (siehe Num-
nach § 55 Absatz 1 (siehe Nummer 55.1) ver- mer 55.2.4) verpflichtet sind insbesondere:
pflichtet sind insbesondere: – die Polizeien des Bundes und der Länder,
– die Grenzbehörden sowie die Polizei- und – die Staatsanwaltschaften,
Ordnungsbehörden, soweit es um eine Be- – die Gerichte,
einträchtigung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung geht, – die Gesundheitsbehörden und
– die öffentlichen Rehabilitationseinrichtun-
– die Verfassungsschutzbehörden des Bundes
gen.
und der Länder, das Bundeskriminalamt, die
Landeskriminalämter, soweit sonstige er- 87.2.3.5.2 Eine Unterrichtungspflicht besteht auch dann,
hebliche Interessen der Bundesrepublik wenn die öffentliche Stelle die Kenntnis durch
Deutschland beeinträchtigt sind. eine der in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6
und Absatz 3 StGB genannten Personen erlangt
87.2.3.2 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num-
hat und die Voraussetzungen des § 88 Absatz 2
mer 1
Nummer 2 bzw. § 71 Absatz 2 Satz 2 Num-
Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe mer 2 SGB X vorliegen (siehe Nummer 88.2).
nach § 55 Absatz 2 Nummer 1 (siehe Num- 87.2.3.6 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num-
mer 55.2.1) verpflichtet sind insbesondere: mer 5
– die Polizeien des Bundes und der Länder
87.2.3.6.1 Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe
(z. B. Bundeskriminalamt, Landeskriminal-
nach § 55 Absatz 2 Nummer 5 (siehe Num-
ämter),
mer 55.2.5) verpflichtet sind insbesondere:
– die Staatsanwaltschaften, – die Polizeien des Bundes und der Länder
– die Verfassungsschutzbehörden des Bundes sowie die Ordnungsbehörden, die Staats-
und der Länder. anwaltschaften, die Gerichte, die Gesund-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1223

heitsbehörden sowie die öffentlichen Reha- fallen (vgl. hierzu Nummer 55.2.7.1 bis
bilitationseinrichtungen bei einer Gefähr- 55.2.7.4).
dung der öffentlichen Gesundheit durch das
87.2.3.8.3 Eine Unterrichtung unterbleibt, wenn der
Verhalten des Ausländers und
Minderjährige bzw. der junge Volljährige eine
– die Polizeien des Bundes und der Länder, Niederlassungserlaubnis oder ein Daueraufent-
die Ordnungsbehörden, die Wohnungs- haltsrecht nach dem FreizügG/EU besitzt.
ämter und die Träger der Sozialhilfe bei
einer längerfristigen Obdachlosigkeit (siehe 87.2.3.8.4 Das Jugendamt übermittelt neben den Perso-
Nummer 55.2.5.2.1). nalien die erforderlichen Daten über:
– Art und Umfang, Zeitpunkt, Beginn und
87.2.3.6.2 Eine Unterrichtungspflicht besteht auch, wenn Einstellung der Leistung,
die öffentliche Stelle die Kenntnis durch eine
der in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6 und – wesentliche Änderungen, sofern laufende
Absatz 3 StGB genannten Personen erlangt hat Hilfe gewährt wird, und
und die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 2 – den Grund der Hilfeleistung.
Nummer 1 bzw. § 71 Absatz 2 Satz 2 Num-
mer 1 SGB X vorliegen (siehe Nummer 88.2). Hinsichtlich des Umfangs der Hilfe genügt die
Angabe des voraussichtlichen Betrages. Num-
87.2.3.7 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num- mer 87.2.3.7.2 Satz 3 gilt entsprechend.
mer 6
87.2.3.9 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num-
87.2.3.7.1 Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe mer 8 bis 11
nach § 55 Absatz 2 Nummer 6 (siehe Num-
Zur Unterrichtung über die Ausweisungs-
mer 55.2.6) verpflichtet ist der im Einzelfall
gründe nach § 55 Absatz 2 Nummer 8 bis 11
zuständige Träger der Sozialhilfe. Dieser hat die
(siehe Nummer 55.2.8 und 55.2.9) sind dieje-
Ausländerbehörden unverzüglich zu unter-
nigen öffentlichen Stellen verpflichtet, die den
richten, wenn der Ausländer für sich, seine Fa-
dort genannten Sachverhalt feststellen.
milienangehörigen oder für sonstige Haushalt-
sangehörigen Sozialhilfe in Anspruch nimmt 87.2. 3. 10 Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54
(vgl. auch § 27 Absatz 3; § 31 Absatz 2 Satz 3;
§ 35 Absatz 3 Nummer 3). Unterrichtungspflichtig über Ausweisungs-
gründe nach §§ 53 und 54 (siehe Nummer 53
87.2.3.7.2 Der Träger der Sozialhilfe übermittelt neben und 54) sind insbesondere:
den Personalien die erforderlichen Daten über: – die Gerichte und die Staatsanwaltschaften in
– Art, Umfang, Beginn und Einstellung der den Fällen des § 53 und § 54 Nummer 1 und
Sozialhilfeleistung, 2 und
– wesentliche Änderungen, sofern laufende – in den Fällen des § 54 Nummer 3 bis 7 die-
Hilfe gewährt wird, und jenige Stelle, die den dort genannten Sach-
verhalt feststellt.
– den Grund der Hilfeleistung (z. B. Unter-
haltspflichtverletzung). Wird eine rechtskräftige Verurteilung i. S. d.
§ 53 oder § 54 Nummer 1 und 2 (z. B. im Wie-
Zum Umfang der Sozialhilfe genügt die Angabe deraufnahmeverfahren) aufgehoben, so hat in-
der voraussichtlichen Leistung. Erforderlich soweit eine Unterrichtung zu erfolgen (vgl. § 20
sind diejenigen Daten, die die Ausländer- EGGVG).
behörde benötigt, um das ihr eingeräumte Er-
messen sachgerecht ausüben zu können. 87.2.4 Die Unterrichtungspflicht nach § 87 Absatz 2
Satz 1 Nummer 4 hinsichtlich einer miss-
87.2.3.8 Ausweisungsgründe nach § 55 Absatz 2 Num- bräuchlichen Vaterschaftsanerkennung ergänzt
mer 7 die Mitteilungspflicht aus § 87 Absatz 1 (siehe
87.2.3.8.1 Zur Unterrichtung über Ausweisungsgründe hierzu Nummer 87.1.5.3). Die Mitteilungs-
nach § 55 Absatz 2 Nummer 7 (siehe Num- pflicht auf Ersuchen der Ausländerbehörde
mer 55.2.7) verpflichtet ist das Jugendamt, das nach § 87 Absatz 1 reicht jedoch nicht in allen
im Einzelfall für die Hilfeleistung nach dem Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerken-
SGB VIII örtlich und sachlich zuständig ist. nungen aus. Insbesondere gibt es Fälle, in denen
Jugendämter haben die Ausländerbehörden zu die Ausländerbehörde eine Person, die ohne die
unterrichten, wenn der Ausländer Hilfe zur missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung aus-
Erziehung außerhalb der eigenen Familie oder reisepflichtig wäre, gar nicht im Blick hat. Dies
Hilfe für junge Volljährige nach SGB VIII er- gilt etwa für Ausländer, die einen Aufenthalts-
hält und sich die personensorgeberechtigten titel nicht beantragt haben oder denen er ver-
Elternteile nicht rechtmäßig im Bundesgebiet weigert wurde. Es gibt auch keine Gewähr da-
aufhalten. Bei der Unterrichtung sind die Vor- für, dass die Betroffenen hier nach erfolgter
schriften des SGB VIII zu beachten. Vaterschaftsanerkennung alsbald die Auslän-
derbehörde aufsuchen, um einen Aufenthalts-
87.2.3.8.2 Eine Unterrichtung über die Gewährung von titel zu beantragen. Ebenfalls nicht im Blick der
Hilfen nach dem SGB VIII erfolgt nur dann, Ausländerbehörden werden häufig die Fälle
wenn diese § 55 Absatz 2 Nummer 7 unter- sein, in denen die Ausländerbehörde eine Auf-
Seite 1224 GMBl 2009 Nr. 42– 61

enthaltserlaubnis, die durch eine missbräuch- i. S. d. nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsver-


liche Vaterschaftsanerkennung ermöglicht ordnung. Die Worte „im Zusammenhang mit
wurde, vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Er- der Erfüllung ihrer Aufgaben“ stellen klar, dass
gänzung des Rechts auf Anfechtung der Vater- die öffentlichen Stellen nicht verpflichtet sind,
schaft vom 13. März 2008 (BGBl. 2008 I S. 13) eigenständige Ermittlungen anzustellen, son-
am 1. Juni 2008 erteilt hat. Die Aufenthaltser- dern nur die Kenntnisse übermitteln sollen, die
laubnis nach § 28 Absatz 1 Nummer 3 wird sie bereits im Zusammenhang mit der Erfüllung
i. d. R. für drei Jahre erteilt. Innerhalb dieses ihrer bestehenden Aufgaben erlangt haben. So-
Zeitraums besteht für die Ausländerbehörde bald die Ausländerbehörde von einer be-
grundsätzlich kein Anlass, sich mit dem Vor- sonderen Integrationsbedürftigkeit Kenntnis
gang des Ausländers zu befassen, so dass bei ihr erlangt, hat sie zu prüfen, ob der Ausländer
keine konkreten Verdachtsmomente auftreten über einfache Sprachkenntnisse verfügt. Sofern
können. Dies gilt erst Recht für die Fälle, in der Ausländer nicht über einfache Sprach-
denen die Ausländerbehörde eine Nieder- kenntnisse verfügt, ist er nach § 44a Absatz 1
lassungserlaubnis erteilt hat. Nach § 28 Ab- Satz 1 Nummer 3 zur Teilnahme am Sprachkurs
satz 2 ist einem Ausländer, der sich auf den Fa- zu verpflichten.
miliennachzug zu Deutschen, etwa nach § 28
Absatz 1 Nummer 3 beruft, i. d. R. bereits nach 87.2.5.1 Von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit
drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis zu er- kann ausgegangen werden, wenn auf Grund
teilen. Die neue Mitteilungspflicht von öffent- fehlender sprachlicher Kompetenzen keine
lichen Stellen bei konkreten Tatsachen nach Kontakte in das soziale Umfeld (Arbeit, Schule,
§ 87 Absatz 2 Nummer 4 ist außerdem geeignet Kindergarten) bestehen. Als Regelbeispiel hier-
zu vermeiden, dass die Ausländerbehörden im für nennt § 4 Absatz 4 IntV einen Ausländer,
Hinblick auf das neu geschaffene öffentliche der sich als Inhaber der Personensorge für ein in
Anfechtungsrecht gleichsam „auf Verdacht“ in Deutschland lebendes minderjähriges Kind
allen Fällen von Vaterschaftsanerkennungen nicht auf einfache Art in deutscher Sprache
mit Auslandsbezug von ihrem nach § 87 Ab- mündlich verständigen kann. Der Bezug so-
satz 1 bestehenden Recht auf Auskunfts- zialer Transferleistungen, wie Sozialhilfe nach
ersuchen Gebrauch machen müssen, um dem SGB XII, kann ein weiterer Anhaltspunkt
Kenntnis von möglichen Missbrauchsfällen er- für eine besondere Integrationsbedürftigkeit
langen zu können. Die Auslandsvertretungen sein. Die Unterrichtungspflicht ergänzt die
teilen ihnen bekannt gewordene Anfechtungs- Mitteilungspflicht auf Ersuchen der Aus-
tatsachen nach § 90 Absatz 5 unmittelbar der länderbehörde nach Absatz 1, die in Fällen be-
anfechtungsberechtigten Behörde mit. Insoweit sonderer Integrationsbedürftigkeit ebenfalls
findet § 87 Absatz 2 keine Anwendung; dies zur Anwendung kommen kann (siehe hierzu
schließt im Einzelfall eine fakultative Benach- Nummer 87.1.5.4). Die Mitteilungspflicht auf
richtigung der bereits nach § 31 AufenthV be- Ersuchen der Ausländerbehörde nach § 87 Ab-
teiligten Ausländerbehörde durch die Aus- satz 1 reicht jedoch nicht in allen Fällen be-
landsvertretung nicht aus. Durch die Formulie- sonderer Integrationsbedürftigkeit aus, da die
rung „konkrete Tatsachen“ wird sichergestellt, Ausländerbehörde auf die Mitteilung anderer
dass bloße Vermutungen oder Hypothesen öffentlicher Stellen angewiesen sein kann. Dies
nicht mitteilungsfähig sind. Mitteilungsfähig gilt insbesondere für Fälle von besonders in-
sind hingegen konkret erwiesene Tatsachen, die tegrationsbedürftigen Ausländern, die die Aus-
eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung länderbehörde gar nicht im Blick hat, weil die
indizieren. Geht eine Mitteilung nach § 87 Ab- betreffenden Ausländer langfristige Aufent-
satz 2 Satz 1 Nummer 4 bei der Ausländer- haltserlaubnisse oder Niederlassungserlaub-
behörde ein, hat die Ausländerbehörde sie im nisse haben und somit kein Anlass und keine
Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit zu über- Gelegenheit für die Ausländerbehörde besteht,
prüfen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der sich mit den Vorgängen zu befassen. Die Re-
aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des be- gelung ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet, damit
hördlichen Anfechtungsrechts (Schaffung der die öffentlichen Stellen ausnahmsweise in aty-
rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte pischen Fällen, in denen sie durch die Unter-
Einreise oder den erlaubten Aufenthalt i. S. d. richtung in einen Konflikt mit ihrem gesetz-
§ 1600 Absatz 3 BGB). Gelangt die Ausländer- lichen Auftrag treten würden, von einer Unter-
behörde ebenfalls zu dem Ergebnis, dass kon- richtung absehen können. Hierbei ist jedoch
krete Anfechtungstatsachen vorliegen, muss sie stets zu berücksichtigen, dass die Regelung
diese nach § 90 Absatz 5 der anfechtungsbe- nicht nur der Integration der besonders in-
rechtigten Behörde mitteilen. tegrationsbedürftigen Ausländer dient, sondern
auch der Integration der Kinder solcher Aus-
87.2.5 Unterrichtungspflicht bei besonderer Integra- länder. Deren Integration ist zweifelhaft, wenn
tionsbedürftigkeit die Eltern besonders integrationsbedürftig
bleiben.
87.2.5.0 Nach Absatz 2 Satz 2 sollen öffentliche Stellen
die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich 87.2.6 Die Vorschrift in § 87 Absatz 2 Satz 3 schafft
unterrichten, wenn sie Kenntnis erlangen von eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage für
einer besonderen Integrationsbedürftigkeit die Übermittlung von personenbezogenen Da-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1225

ten, die für die Durchsetzung der Ausreise- 87.4.1.2.1 Die Unterrichtungspflicht entsteht bei Einlei-
pflicht gegenüber vollziehbar ausreisepflich- tung eines Strafverfahrens. Dies ist der Fall,
tigen Ausländern notwendig sind, durch die wenn ein Ermittlungsverfahren förmlich einge-
Auslandsvertretung an die zuständige Auslän- leitet bzw. wenn Maßnahmen getroffen werden,
derbehörde. die erkennbar darauf abzielen, gegen einen
Verdächtigen wegen einer Straftat vorzugehen.
87.3 Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten Eine frühzeitige Unterrichtung der Ausländer-
der Beauftragten der Bundesregierung für behörden ist erforderlich, um ausländer-
Migration, Flüchtlinge und Integration rechtliche Entscheidungen möglichst rasch
vorbereiten und Statusverbesserungen bzw.
Die Erfüllung der eigenen Aufgaben der Be- -verfestigungen bei Ausländern, die die öffent-
auftragten der Bundesregierung für Migration, liche Sicherheit gefährden, effektiv verhindern
Flüchtlinge und Integration wird dann gefähr- zu können. Diese Gesichtspunkte sind bei
det, wenn das Vertrauen in ihre Amtsführung Überlegungen der Strafverfolgungsbehörden,
oder in die Bedeutung oder Wirksamkeit ihres aus ermittlungstaktischen Erwägungen vorerst
Amtes beeinträchtigt wird. Das gilt für Aus- von einer Informationsübermittlung an die
länderbeauftragte und Ausländerbeiräte der Ausländerbehörden abzusehen, zu berück-
Länder und der Gemeinden entsprechend, sichtigen.
wenn die Landesregierung dies durch eine
Rechtsverordnung nach § 87 Absatz 3 Satz 2 87.4.1.2.2 Die Unterrichtung über die Einleitung eines
bestimmt hat. Verfahrens umfasst die Mitteilung:
– der Personalien des Ausländers (Familien-
87.4 Unterrichtung über Straf- und Bußgeld-
namen, Geburtsnamen, Vornamen, Tag und
verfahren
Ort mit Angabe des Staates der Geburt,
87.4.1 Unterrichtung über Strafverfahren Staatsangehörigkeiten, Anschrift),
87.4.1.0 Unterrichtungspflichtig über die Einleitung – des Aktenzeichens, soweit vorhanden, und
und Durchführung eines Strafverfahrens ge-
– die Angabe der maßgeblichen gesetzlichen
genüber der zuständigen Ausländerbehörde
Vorschriften.
können nach § 87 Absatz 4 Satz 1 sein:
– die Polizeien des Bundes und der Länder, 87.4.1.2.3 Über die Einleitung eines Strafverfahrens ist
die mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit auch im Hinblick auf § 72 Absatz 4 und § 79
und illegalen Beschäftigung betrauten Be- Absatz 2 die Ausländerbehörde unverzüglich
hörden der Zollverwaltung, soweit sie als zu unterrichten.
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft
87.4.1.3 Die Unterrichtung über die Verfahrenserledi-
tätig werden,
gung umfasst jede das Verfahren endgültig oder
– die Staatsanwaltschaften, – außer in den Fällen des § 153a StPO – vor-
– die für Steuerstrafsachen zuständigen Fi- läufig abschließende Entscheidung mit Begrün-
nanzbehörden bis zur Erhebung der öffent- dung, insbesondere:
lichen Klage oder einer ihr gesetzlich
– die Einstellungsverfügung (Absehen von
gleichgestellten Verfahrenshandlung (z. B.
Strafverfolgung),
§ 414 Absatz 2 Satz 1 und § 418 Absatz 3
Satz 1 StPO, § 76 Satz 2 JGG), – den nicht mehr anfechtbaren Beschluss, der
– die Gerichte und die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt,

– die Vollstreckungsleiter (Jugendrichter) als – die vorläufige oder endgültige Einstellung


Vollstreckungsbehörden nach der Rechts- des Verfahrens durch gerichtlichen Be-
kraft der Entscheidung in Strafsachen gegen schluss und
Jugendliche und Heranwachsende (§§ 82, – die rechtskräftige Entscheidung (z. B. Urteil,
110 JGG). Strafbefehl).
Die in § 87 Absatz 4 vorgesehene Unter-
Die Unterrichtung erfolgt durch Übersendung
richtung ist aktenkundig zu machen.
des Urteils, Beschlusses oder Strafbefehls. Hin-
87.4.1.1.1 Ist die Ausländerbehörde nicht von einer an- sichtlich der Übermittlung von Daten anderer
deren Stelle über die Einleitung eines straf- Personen ist § 18 EGGVG zu beachten.
rechtlichen Ermittlungsverfahrens unterrichtet
worden, obliegt ihre Unterrichtung der Staats- 87.4.1.4 Ist die Ausländerbehörde unterrichtet worden,
anwaltschaft. ist sie auch über Aufhebung oder Aussetzung
dieser Entscheidung bzw. über die Wiederauf-
87.4.1.1.2 Die für eine Steuerstrafsache zuständige Fi- nahme des Verfahrens zu unterrichten (vgl. § 20
nanzbehörde unterrichtet unverzüglich über: EGGVG).
– die Einleitung eines strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahrens gegen einen Ausländer und 87.4.1.5 Bei Datenübermittlungen sind die §§ 12 und
18–22 EGGVG zu beachten.
– die Verfahrenserledigung (jede das Verfah-
ren abschließende Entscheidung). 87.4.2 Unterrichtung über Ordnungswidrigkeiten
Seite 1226 GMBl 2009 Nr. 42– 61

87.4.2.1 Unterrichtungspflichtig sind vertretungen verpflichtet. Die Ausländer-


– die für die Verfolgung und Ahndung von behörden und Auslandsvertretungen haben im
Ordnungswidrigkeiten zuständigen Ver- Falle eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens
waltungsbehörden, das Verfahren über die Erteilung oder Ver-
längerung eines Aufenthaltstitels auszusetzen
– die Staatsanwaltschaften und (siehe hierzu Nummer 79.2.1 f.).
– die Gerichte,
soweit es sich um eine Ordnungswidrigkeit
88 Zu § 88 – Übermittlungen bei besonderen ge-
handelt, die nicht nach § 87 Absatz 4 Satz 3
setzlichen Verwendungsregelungen
vom Anwendungsbereich des § 87 Absatz 4
Satz 1 ausgenommen ist (mit einer Geldbuße
von bis zu 1000 Euro zu ahndende Ordnungs- 88.0 Anwendungsbereich
widrigkeiten sowie Zuwiderhandlungen nach § 88 regelt Fälle, in denen besondere gesetzliche
§ 24 StVG bzw. fahrlässige Zuwiderhandlungen Verwendungsregelungen einer Datenübermit-
nach § 24a StVG). tlung nach § 87 entgegenstehen (Absatz 1), und
87.4.2.2.0 Die Unterrichtung erfolgt unverzüglich nach Ausnahmefälle, in denen Daten unter be-
Einleitung bzw. nach Abschluss des Bußgeld- stimmten Voraussetzungen übermittelt werden
verfahrens. dürfen (Absatz 2 und 3). Nach Absatz 4 gilt
Entsprechendes auch für Datenübermittlungen
87.4.2.2.1 Die Unterrichtung über die Einleitung eines durch die mit der Durchführung des Aufent-
Verfahrens umfasst die Mitteilung: haltsgesetzes betrauten Stellen (siehe insoweit
– der Personalien des Ausländers, soweit be- § 90) sowie durch nicht-öffentliche Stellen.
kannt (Familiennamen, Geburtsnamen,
Vornamen, Tag und Ort mit Angabe des 88.1 Besondere gesetzliche Verwendungsrege-
Staates der Geburt, Staatsangehörigkeiten, lungen
Anschrift),
Besondere Verwendungsregelungen, die einer
– des Aktenzeichens, soweit vorhanden, und Übermittlung nach § 87 entgegenstehen, kön-
– der Angabe der maßgeblichen gesetzlichen nen insbesondere sein § 203 StGB, § 35 SGB I
Vorschriften. i. V. m. §§ 67 ff. SGB X, § 65 SGB VIII, § 30
AO, § 138 BauGB, § 23 f. BVerfSchG (und ent-
Die Unterrichtung über den Abschluss des
sprechende Regelungen der Landesverfas-
Bußgeldverfahrens erfolgt durch Übersendung
sungsschutzgesetze), §§ 4, 7 G 10, § 21 SÜG
der das Verfahren abschließenden Entschei-
oder § 16 BStatG.
dung.
87.4.2.2.2 Hinsichtlich der Übermittlung von Daten an- 88.2 Übermittlung von Daten, die von einer der in
derer Personen ist § 49a OWiG i. V. m. § 18 § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6 und Ab-
EGGVG zu beachten. satz 3 StGB genannten Personen zugänglich
gemacht worden sind
87.5 Mitteilungen der nach § 72 Absatz 6 zu be-
teiligenden Stellen von Amts wegen 88.2.1 Die Vorschrift wendet sich insbesondere an die
Gesundheitsbehörden und erfasst nur Fälle, in
Diese Mitteilungspflicht ist das Gegenstück zur denen die Stelle nicht selbst der Geheimhal-
Unterrichtungspflicht nach § 90 Absatz 4 sowie tungspflicht des § 203 StGB unterliegt. Die von
zur Beteiligungspflicht nach § 72 Absatz 6. einer der in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6
Nach § 87 Absatz 5 sind die in § 72 Absatz 6 und Absatz 3 StGB genannten Personen einer
genannten Stellen verpflichtet, von Amts wegen öffentlichen Stelle zugänglich gemachten Daten
der zuständigen Ausländerbehörde unterliegen einem grundsätzlichen Übermitt-
87.5.1 – nach Nummer 1 die Informationen mitzu- lungsverbot. Sie dürfen nur nach Maßgabe die-
teilen, die einen Widerruf einer Aufent- ser Vorschrift an die Ausländerbehörde über-
haltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a gemäß mittelt werden.
§ 52 Absatz 5 sowie die Aufhebung oder 88.2.2 Liegen die Voraussetzungen des § 88 Absatz 2
Verkürzung einer Fristsetzung nach § 50 Nummer 1 und 2 für eine Datenübermittlung
Absatz 2a Satz 2 rechtfertigen und vor, ist die öffentliche Stelle nach Maßgabe des
87.5.2 – nach Nummer 2 Angaben zur zuständigen § 87 verpflichtet, die Daten zu übermitteln.
Stelle oder zum Übergang der Zuständigkeit 88.2.3 Bei den in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 bis 6
mitzuteilen. und Absatz 3 StGB genannten Personen han-
delt es sich:
87.6 Unterrichtung über eine Vaterschafts-
– nach Absatz 1 Nummer 1 StGB um Ärzte,
anfechtungsklage
Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker oder An-
Nach § 87 Absatz 6 sind die zur Anfechtung gehörige eines anderen Heilberufs, der für
einer Vaterschaft berechtigten Behörden und die Berufsausübung oder die Führung der
die Familiengerichte zur Unterrichtung gegen- Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte
über den Ausländerbehörden und Auslands- Ausbildung erfordert (z. B. medizinisch-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1227

technische Assistenten, Hebammen) sowie worden ist, aus denen sich die Anforderung des
die berufsmäßig tätigen Gehilfen dieser Be- Geheimhaltens ergibt. Sonst bekannt geworden
rufsgruppen, insbesondere auch das mit der ist ein Geheimnis, wenn die genannte Person es
Abrechnung befasste Verwaltungspersonal auf andere Weise erfahren hat.
öffentlicher Krankenhäuser,
88.2.4.3 In der Eigenschaft als Angehöriger einer Be-
– nach Absatz 1 Nummer 2 StGB um Berufs- rufsgruppe ist ein Geheimnis anvertraut oder
psychologen mit staatlich anerkannter wis- sonst bekannt geworden, wenn personenbe-
senschaftlicher Abschlussprüfung, zogene Daten im Zusammenhang mit der Aus-
– nach Absatz 1 Nummer 4 StGB um Ehe- übung der beruflichen Tätigkeit oder im Hin-
und Familien-, Erziehungs- oder Jugend- blick auf diese zur Kenntnis (z. B. auch zwecks
berater sowie Berater für Suchtfragen in der Kostenabrechnung öffentlicher Krankenhäuser
Beratungsstelle, die von einer Behörde oder (vgl. Nummer 88.2.3) gebracht sind. Ent-
Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öf- sprechendes gilt für die in § 203 StGB genann-
fentlichen Rechts anerkannt ist, ten anderweitigen Eigenschaften.
– nach Absatz 4a StGB um Mitglieder oder 88.2.5 Zugänglich gemacht sind Daten, die eine der in
Beauftragte einer anerkannten Beratungs- Nummer 88.2.3 bezeichneten Personen der öf-
stelle nach den §§ 3 und 8 SchKG, fentlichen Stelle zielgerichtet zur Kenntnis ge-
– nach Absatz 1 Nummer 5 StGB um staatlich bracht hat. Dasselbe gilt, wenn Daten einer öf-
anerkannte Sozialarbeiter oder staatlich an- fentlichen Stelle bei Zuständigkeitswechsel von
erkannte Sozialpädagogen, der bisher zuständigen Stelle zur Kenntnis ge-
langt sind.
– nach Absatz 1 Nummer 6 StGB um Ange-
hörige eines Unternehmens der privaten 88.2.6.1 Zum Begriff „Gefährdung der öffentlichen Ge-
Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung sundheit“ siehe Nummer 55.2.5.1. Besondere
oder einer privatärztlichen Verrechnungs- Schutzmaßnahmen sind alle Maßnahmen, die
stelle, objektiv geeignet sind, eine Gefährdung der öf-
– nach Absatz 3 Satz 2 StGB um berufsmäßig fentlichen Gesundheit auszuschließen. Ein
tätige Gehilfen und Personen der o. g. Per- Ausschluss der Gefährdung ist anzunehmen,
sonen, die bei ihnen zur Vorbereitung auf wenn mit an Sicherheit grenzender Wahr-
den Beruf tätig sind, und scheinlichkeit keine gesundheitliche Beein-
trächtigung der Bevölkerung im größeren Um-
– nach Absatz 3 Satz 3 StGB um den vorge- fang eintritt.
nannten zur Wahrung des Geheimnisses
Verpflichteten nach deren Tod gleich- 88.2.6.2 Für Stellen, für die das SGB X gilt, enthält § 71
gestellte Personen, die das Geheimnis von Absatz 2 Satz 2 SGB X eine spezielle Regelung
dem Verstorbenen oder aus dessen Nachlass mit Einschränkungen, die denen in Absatz 2
erlangt haben. Nummer 1 und 2 entsprechen.

88.2.4.0 Die personenbezogenen Daten (siehe Num-


88.3 Übermittlung von Daten, die dem Steuer-
mer 86.1.2) müssen den in Nummer 88.2.3 ge-
geheimnis unterliegen
nannten Personen als Geheimnis in ihrer Ei-
genschaft als Angehöriger ihrer Berufsgruppe 88.3.0 Die Vorschrift wendet sich in erster Linie an
anvertraut oder sonst bekannt geworden sein. Finanzbehörden.
Die Übermittlungspflicht des § 87 Absatz 2 be- 88.3.1 Für personenbezogene Daten, die nach § 30
steht für Aufgabenträger der öffentlichen Ver- AO dem Steuergeheimnis unterliegen, besteht
waltung aufgrund des Verweises von § 203 Ab- ein grundsätzliches Übermittlungsverbot. Sie
satz 2 Satz 2, 2. Halbsatz StGB auf § 88 Ab- dürfen nur nach Maßgabe des § 88 Absatz 3 an
satz 2 lediglich in den dort unter Nummern 1 die Ausländer- und Grenzbehörden übermittelt
und 2 aufgeführten Ausnahmefällen, eine werden.
Übermittlung im Übrigen ist aber untersagt.
Die geltende Rechtslage zur „ärztlichen 88.3.2 Liegen die Voraussetzungen für eine Daten-
Schweigepflicht“ umfasst demnach grundsätz- übermittlung nach § 88 Absatz 3 vor, ist die öf-
lich auch den so genannten „verlängerten Ge- fentliche Stelle nach Maßgabe des § 87 ver-
heimnisschutz“. pflichtet, die Daten zu übermitteln.

88.2.4.1 Bei einem Geheimnis handelt es sich um Tat- 88.3.3 Personenbezogene Daten (siehe Nummer
sachen, die nur einem beschränkten Personen- 86.1.2), die nach § 30 AO dem Steuergeheimnis
kreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung unterliegen, sind solche, die einem Amtsträger
derjenige, den sie betreffen, ein von seinem bekannt geworden sind:
Standpunkt aus sachlich begründetes Interesse – in einem Verwaltungsverfahren, einem
hat oder bei eigener Kenntnis der Tatsache ha- Rechnungsprüfungsverfahren oder einem
ben würde. gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
88.2.4.2 Anvertraut ist ein Geheimnis, wenn es einer der – in einem Strafverfahren wegen einer Steuer-
genannten Personen mündlich, schriftlich oder straftat oder einem Bußgeldverfahren wegen
auf sonstige Weise unter Umständen mitgeteilt einer Steuerordnungswidrigkeit oder
Seite 1228 GMBl 2009 Nr. 42– 61

– aus anderem Anlass durch Mitteilung einer 89.1 Amtshilfe des Bundeskriminalamtes und
Finanzbehörde oder durch die gesetzlich Speicherung der Daten
vorgeschriebene Vorlage eines Steuer-
89.1.1 Die Amtshilfe des Bundeskriminalamtes bei der
bescheides oder einer Bescheinigung über
Auswertung besteht darin, dass es die ihm
die bei der Besteuerung getroffenen Fest-
übermittelten Daten mit bereits vorliegenden
stellungen.
Daten vergleicht, um, je nach Anlass der Maß-
88.3.4 Eine Übermittlung hat zu erfolgen, wenn der nahme, die Identität, das Lebensalter oder die
Ausländer gegen Vorschriften des Steuerrechts Staatsangehörigkeit einer Person festzustellen.
einschließlich des Zollrechts, Monopolrechts, Die Amtshilfe umfasst neben dieser Fest-
Außenwirtschaftsrechts oder gegen Einfuhr-, stellung auch jeweils die Verpflichtung, das Er-
Ausfuhr-, Durchfuhr- oder Verbringungsver- gebnis der Auswertung an die ersuchende Stelle
bote oder -beschränkungen verstößt und wegen zu übermitteln.
dieses Verstoßes ein strafrechtliches Ermitt-
89.1.2 Übermittlung und Auswertung der nach
lungsverfahren eingeleitet oder eine Geldbuße
§ 49 Absatz 3 gewonnenen Daten (siehe Num-
von mindestens 500 Euro wegen dieses Ver-
mer 49.3) sind zur Feststellung der Identität,
stoßes verhängt worden ist.
des Lebensalters oder der Staatsangehörigkeit
88.3.5 Zur Unterrichtung über die Einleitung eines durch das Bundeskriminalamt nur zulässig,
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens siehe wenn die ersuchende Stelle diese Feststellungen
Nummer 87.4.1.1.1 und 87.4.1.1.2. Eine Geld- nicht selbst treffen kann.
buße ist verhängt, wenn der Bescheid dem Be- 89.1.3 Um Amtshilfe dürfen die in § 71 Absatz 4 und –
troffenen zugegangen ist. Rechtsmittel müssen aufgrund der Vorgaben des § 49 Absatz 1 – auch
nicht ausgeschöpft sein. Hält die Finanzbe- die in §§ 15 bis 20 AZRG genannten Behörden
hörde auf einen zulässigen Einspruch des Be- ersuchen.
troffenen weitere Ermittlungen oder Erklä-
rungen für sachdienlich (§ 69 Absatz 2 Satz 2 89.1.4.0 Bei der Übermittlung der Daten an das Bun-
und 3 OWiG i. V. m. § 410 Absatz 1 AO), so deskriminalamt sind das BDSG bzw. die daten-
kann sie bis zur Klärung des Sachverhalts die schutzrechtlichen Regelungen in Landes-
Übermittlung zurückstellen. Sieht sie davon ab, gesetzen zu beachten.
so hat sie die maßgebenden Gründe aktenkun-
89.1.4.1 Mit den nach § 49 gewonnenen Daten oder den
dig zu machen.
Daten nach § 73 übermittelt die ersuchende
88.3.6 Für den Fall, dass ein Ausreiseverbot nach § 46 Stelle die bisher bekannten Personalien und den
Absatz 2 Satz 1 erlassen werden soll, können Anlass für die Maßnahme.
nach § 88 Absatz 3 Satz 2 auch die mit der po-
89.1.4.2 Das Bundeskriminalamt übermittelt das Aus-
lizeilichen Kontrolle des grenzüberschreiten-
wertungsergebnis an die Stelle, die die Maß-
den Verkehrs betrauten Behörden unterrichtet
nahme angeordnet hat.
werden.
89.1.5.1 Das Bundeskriminalamt ist nach Absatz 1 Satz 2
88.4 Übermittlung von Daten durch die mit der verpflichtet, die Daten nach § 49 Absatz 3 bis 5
Ausführung des Aufenthaltsgesetzes be- (vor allem Fingerabdruckdaten) getrennt von
trauten Behörden und durch nicht-öffent- anderen erkennungsdienstlichen Daten zu spei-
liche Stellen chern. Mit der getrennten Speicherung (logische
Trennung der Fingerabdruckdaten mit be-
Die Einschränkungen des § 88 Absatz 1 bis 3 sonderen Zugangsberechtigungen) ist sicherzu-
sind auch dann zu beachten, wenn die mit der stellen, dass die nach § 49 Absatz 3 bis 5 ge-
Ausführung dieses Gesetzes betrauten Be- wonnenen Daten nur für ausländerrechtliche
hörden und nichtöffentliche Stellen personen- Zwecke und für Zwecke nach Absatz 2 genutzt
bezogene Daten übermitteln. werden können. Unterlagen in Papierform (z. B.
Fingerabdruckblätter) sind außerhalb der Akte
über die betreffende Person zu führen. Die im
89 Zu § 89 – Verfahren bei identitätsüber- Zusammenhang mit der Durchführung der EU-
prüfenden, -feststellenden und -sichernden RODAC-Verordnung anfallenden Daten (vgl.
Maßnahmen § 49 Absatz 8 und 9) werden vom Bundes-
kriminalamt auf der Grundlage des § 5 AsylZBV
89.0 Anwendungsbereich oder des BKAG verarbeitet.

§ 89 enthält spezielle Vorschriften für die 89.1.5.2 Die Sprachaufzeichnungen nach § 49 Absatz 7
Behandlung biometrischer Daten, die nach verbleiben bei der Behörde, die sie angefertigt hat.
§ 49 erhoben worden sind. Absatz 1 Satz 1 89.1.5.3 Die Speicherung der nach § 73 übermittelten
verpflichtet das Bundeskriminalamt zur Daten richtet sich nach § 73 Absatz 3 Satz 3.
Auswertung dieser Daten im Wege der
Amtshilfe. Absatz 1 Satz 2 und 3 regeln die
89.2 Nutzung der Daten zu anderen Zwecken
Speicherung, Absatz 2 die anderweitige Nut-
zung und Absatz 3 und 4 die Löschung der 89.2.1 Über die in § 49 genannten Zwecke hinaus ist
Daten. die Nutzung der Daten nach Absatz 2 Satz 1
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1229

auch zur Strafverfolgung und zur polizeilichen Rahmen eines Strafverfahrens oder zur Abwehr
Gefahrenabwehr zulässig. Eine Verwendung zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und
weiteren Zwecken ist nicht zulässig. Innerhalb Ordnung benötigt werden.
dieser Aufgabenbereiche dürfen sie allein zum
Zweck der Feststellung der Identität und zur
Zuordnung von Beweismitteln verwendet wer- 89a Zu § 89a – Verfahrensvorschriften für die
den. Fundpapier-Datenbank
89.2.2.1 Überlassung der Daten i. S. v. Absatz 2 Satz 2 89a.0 Allgemeines
bedeutet Zugänglichmachung zum Zwecke der
Nutzung. Die Daten dürfen den zuständigen Die Vorschrift regelt das Verfahren des Ab-
Behörden nur für den Zeitraum überlassen gleichs der nach § 49b gespeicherten Daten
werden, der notwendig ist, um die Feststellung eines Ausländers.
der Identität bzw. die Zuordnung von Beweis-
mitteln durchzuführen. Danach sind die Daten, 89a.1 Voraussetzungen für den Abgleich
soweit diese nicht dort als Beweismittel in Er- Absatz 1 regelt, wann ein Abgleich mit der
mittlungs- oder Strafverfahren Verwendung Fundpapier-Datenbank durchzuführen ist. Das
finden, unverzüglich an das Bundeskriminalamt Bundesverwaltungsamt gleicht die nach § 49
zurückzugeben. Das Bundeskriminalamt hat erhobenen Daten auf Ersuchen der Behörde,
darauf zu achten, dass die Rückgabe erfolgt. Es die die Daten zuvor erhoben hat, mit den in der
hat erforderlichenfalls nachzufragen, welche Fundpapier-Datenbank nach den § 49a und 49b
Gründe es für den weiteren Verbleib der Daten gespeicherten Daten ab, wenn Zweifel an der
bei den zuständigen Behörden gibt. Identität oder Staatsangehörigkeit des Aus-
89.2.2.2 Für die Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 1 sind länders bestehen. Behörden, die zur Stellung
die Polizei- und Ordnungsbehörden, Staats- eines Ersuchens um Datenabgleich berechtigt
anwaltschaften, die für Steuerstrafsachen zu- sind, sind die gemäß § 71 Absatz 4 für die iden-
ständigen Finanzbehörden, die für Strafsachen titätsfeststellenden Maßnahmen nach § 49 zu-
zuständigen Zolldienststellen und die Gerichte ständigen Stellen, insbesondere die Ausländer-
zuständig. behörden, die mit der polizeilichen Kontrolle
des grenzüberschreitenden Verkehrs beauf-
89.3 Löschung der Daten tragten Behörden sowie die Polizeien der Län-
der.
89.3.1 Die nach § 49 Absatz 1 zum Zwecke der Iden-
titätsprüfung erhobenen Daten sind von allen 89a.2 Zu übermittelnde Daten
Behörden unmittelbar nach Beendigung der
Prüfung der Echtheit des Dokuments oder der Absatz 2 bestimmt, welche Daten für ein Aus-
Identität des Inhabers zu löschen. kunftsersuchen zu übermitteln sind. Ein Ab-
gleich darf nur dann erfolgen, wenn Zweifel an
89.3.2 Die nach § 49 Absatz 3 bis 5 oder 7 erhobenen der Richtigkeit der vom Ausländer angegebe-
Daten sind grundsätzlich mit Fristablauf zu nen Personalien bestehen. Da in diesem Fall die
vernichten. Über die Vernichtung ist eine Nie- bloße Suche mit den alphanumerischen Perso-
derschrift zu fertigen. Liegen die Vorausset- nalien keinen Erfolg verspricht, ist das Licht-
zungen von § 89 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bild und ggf. der Fingerabdruck zu übermitteln,
vor, bleiben mögliche längere Aufbewahrungs- weil diese biometrischen Merkmale weitgehend
fristen nach Nummer 2 bis 4 unberücksichtigt. unveränderlich sind. Diese Daten können zur
Einschränkung des Suchbereichs um weitere
89.3.3 Die letzte Ausreise i. S. d. Absatzes 3 Satz 2
geeignete Daten, die sich aus § 49b Nummer 1
Nummer 2 kann vor oder nach Entstehen einer
(etwa Geschlecht oder Augenfarbe) ergeben,
Ausreisepflicht erfolgt sein. Unerheblich ist, ob
ergänzt werden.
die Ausreise freiwillig oder aufgrund einer Ab-
schiebung erfolgt ist. Unter den Begriff „letzte
versuchte unerlaubte Einreise“ fällt auch die 89a.3 Datenübermittlung
erstmalige versuchte unerlaubte Einreise (siehe Absatz 3 regelt die Datenübermittlung nach
Nummer 14.1). § 49b an die ersuchende Stelle für den Fall, dass
89.3.4 Die Frist beginnt mit jeder versuchten uner- die übermittelten Daten des Ausländers mit den
laubten Einreise erneut. gespeicherten Daten des Inhabers des Fundpa-
piers übereinstimmen.
89.3.5 Die nach § 73 übermittelten Daten sind zu lö-
schen, sobald diese zur Erfüllung der gesetz- 89a.4 Verfahren bei Zweifeln an der Identität
lichen Aufgaben der speichernden Behörde
nicht mehr erforderlich sind (siehe Num- Absatz 4 regelt das Verfahren der Datenüber-
mer 73.3.3). mittlung in den Fällen, in denen die Identität
des Ausländers nicht eindeutig festgestellt wer-
den kann. Da bei einem elektronischen Licht-
89.4 Ausnahmen von den Löschungsfristen
bildabgleich damit gerechnet werden muss, dass
Die Unterlagen sind über den Fristablauf hin- mehrere Treffer mit Bildern, die der gesuchten
aus zu speichern, soweit und solange sie im Person ähnlich sind, erzielt werden, sind in
Seite 1230 GMBl 2009 Nr. 42– 61

diesem Fall die Daten ähnlicher Personen zu speicherten Daten unverzüglich, d. h. ohne
übermitteln, um der anfragenden Stelle die schuldhaftes Zögern, zu löschen, sobald der
Möglichkeit zu geben, anhand der zusätzlichen Speicherungszweck wegfällt. Eine Zwecker-
Daten eine erfolgreiche Identifikation des pass- reichung liegt etwa vor, wenn das Fundpapier
losen Ausländers vor Ort durchzuführen. Nach einem Ausländer erfolgreich zugeordnet wer-
Abschluss der Prüfung sind die übermittelten den konnte.
Daten, bei denen festgestellt worden ist, dass sie
89a.7.2 Sofern Daten von Dokumenten gespeichert
nicht zu dem zu identifizierenden Ausländer
werden, die nach Inbetriebnahme der Fund-
gehören, wieder zu löschen.
papier-Datenbank durch öffentliche Stellen
übersandt werden und bei diesen bereits gela-
89a.5 Form der Datenübermittlung gert waren, berechnet sich die Löschfrist ab
Absatz 5 regelt die Form der Datenüber- dem Fundzeitpunkt. Dokumente, deren Fund-
mittlung. Satz 1 bestimmt, dass die Übermitt- zeitpunkt mehr als zehn Jahre zurückliegt,
lung des Abgleichersuchens, insbesondere der werden nicht in die Fundpapier-Datenbank
Lichtbilder, durch Datenfernübertragung er- aufgenommen. Dokumente, bei denen der
folgen soll. Dabei soll insbesondere das AZR-/ Fundzeitpunkt nicht feststellbar ist, werden
Visa-Online-Portal genutzt werden. Satz 2 er- nicht in die Fundpapier-Datenbank aufgenom-
möglicht grundsätzlich die künftige Ein- men, wenn ihre Gültigkeitsdauer zum Zeit-
richtung des automatisierten Datenabrufs nach punkt des Eingangs beim Bundesverwaltungs-
Maßgabe von § 10 Absatz 2 bis 4 BDSG für die amt seit mehr als zehn Jahren abgelaufen ist.
öffentlichen Stellen, die eine Vielzahl von Iden-
titätsfeststellungen in kurzer Zeit durchführen 89a.8 Gewährleistung von Datenschutz und Da-
müssen. tensicherheit
Absatz 8 verweist auf die Regelungen zur Ge-
89a.6 Weitere Nutzung der Fundpapier-Datenbank währleistung von Datenschutz und Daten-
89a.6.0 Absatz 6 regelt die weitere Nutzung der Fund- sicherheit. Insbesondere sind §§ 9, 12 ff. BDSG
papier-Datenbank. Der Abgleich erfolgt durch zu beachten.
das Bundesverwaltungsamt auf Ersuchen der
jeweils zuständigen Behörde.
90 Zu § 90 – Übermittlungen durch Ausländer-
89a.6.1 Nummer 1 sieht den Abgleich der Daten zur behörden
Feststellung der Identität und Staatsangehörig-
keit im Asylverfahren vor. Zuständig sind die 90.0 Anwendungsbereich
Behörden, denen nach § 16 Absatz 2 AsylVfG
die Feststellung der Identität von Asylsu- 90.0.1 § 90 verpflichtet in Absatz 1 und 3 die mit der
chenden obliegt. Hierzu zählen das Bundesamt Ausführung des Aufenthaltsgesetzes betrauten
für Migration und Flüchtlinge, aber auch die Behörden, verschiedene Stellen über bestimmte,
mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüber- einen Ausländer betreffende Sachverhalte zu
schreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten. Nach beiden Absätzen ist die
(Grenzbehörden), Ausländerbehörden und die Übermittlung von Daten zulässig. Gemäß Ab-
Polizeien der Länder, sofern der Ausländer dort satz 2 sind die mit der Durchführung des Auf-
um Asyl nachsucht, sowie die Aufnahmeein- enthaltsgesetzes betrauten Behörden verpflich-
richtung, bei der sich der Ausländer meldet. tet, mit der Bundesagentur für Arbeit und wei-
teren Behörden bei der Verfolgung und
89a.6.2 Nummer 2 sieht die Nutzung zur Feststellung Ahndung von Verstößen gegen das Aufent-
der Identität oder der Zuordnung von Beweis- haltsgesetz zusammenzuarbeiten.
mitteln im Bereich der Strafverfolgung und
Gefahrenabwehr vor. Zuständig sind die Poli- 90.0.2 Die Übermittlung von Daten durch die mit der
zeien des Bundes und der Länder (z. B. das Ausführung des Aufenthaltsgesetzes betrauten
Bundeskriminalamt und die Landeskriminal- Behörden an andere als die in § 90 genannten
ämter), die Zollfahndungsämter oder die Stellen richtet sich – soweit vorhanden – nach
Staatsanwaltschaften. Die Erhebung der Daten, bereichsspezifischen Bundes- oder Landes-
die mit der Fundpapier-Datenbank abgeglichen regelungen, ergänzend nach den Vorschriften
werden sollen, regelt sich nach der für die je- des BDSG bzw. der Datenschutzgesetze der
weilige Stelle geltenden Rechtsgrundlage (etwa Länder. Sie ist nur insoweit zulässig, als sie zur
§ 16 Absatz 1 AsylVfG für das Bundesamt für Erfüllung der Aufgaben des Dritten, an den
Migration und Flüchtlinge). übermittelt wird, erforderlich ist.

89a.6.3 Satz 2 stellt klar, dass auch für diese Stellen das 90.0.3. Auf den durch das Terrorismusbekämpfungs-
Abgleichverfahren nach Absatz 2 bis 5 erfolgt. gesetz neu in § 18 BVerfSchG eingefügten Ab-
satz 1a Satz 1 wird besonders hingewiesen. Die
Vorschrift verpflichtet u. a. die Ausländer-
89a.7 Löschung
behörden, von sich aus ihnen bekannt gewor-
89a.7.1 Die nach § 49b zu speichernden Daten sind dene Informationen einschließlich personenbe-
zehn Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung zogener Daten über Bestrebungen oder Tätig-
zu löschen. Vor diesem Zeitpunkt sind die ge- keiten nach § 3 Absatz 1 BVerfSchG der
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1231

Verfassungsschutzbehörde des Landes zu über- tigkeiten bezieht, sofern der Aufenthaltstitel


mitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür keine abweichenden Aussagen enthält.
vorliegen, dass die Übermittlung für die Er-
füllung der Aufgaben der Verfassungsschutz- Soweit der Aufenthaltstitel die Erwerbstätig-
behörde erforderlich ist. keit ohne Einschränkungen erlaubt, darf jede
Beschäftigung ausgeübt werden. Enthält der
Aufenthaltstitel Einschränkungen hinsichtlich
90.1 Unterrichtungspflichten der Beschäftigung, darf nur die im Aufenthalts-
90.1.0.1 Zur Unterrichtung verpflichtet sind nach § 90 titel angegebene Beschäftigung ausgeübt wer-
Absatz 1 die mit der Ausführung des Aufent- den.
haltsgesetzes betrauten Behörden. Die Unter- 90.1.1.3 Keines Aufenthaltstitels, der die Beschäftigung
richtung stellt eine Übermittlung personen- erlaubt, bedürfen jedoch die Ausländer, denen
bezogener Daten i. S. d. § 3 Absatz 4 Satz 2 nach dem Gemeinschaftsrecht Freizügigkeit
Nummer 3 Buchstabe a) BDSG dar (siehe innerhalb der Europäischen Union gewährt
Nummer 86.1.2). wird. Soweit Übergangsregelungen zum Bei-
90.1.0.2 Konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall sind ge- tritt zur EU für Arbeitnehmer aus beige-
geben, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, tretenen Staaten anzuwenden sind, ist Num-
dass ein Ausländer einen der unter § 90 Ab- mer 39.6 zu beachten.
satz 1 Nummer 1 bis 3 genannten Verstöße be- 90.1.2 Unterrichtung bei Verstößen gegen die Mit-
gangen hat. wirkungspflichten gegenüber der Bundesagen-
90.1.0.3 Die Daten sind an die jeweils zuständigen So- tur für Arbeit und anderen Dienststellen bei
zialleistungsträger, insbesondere die Bundes- Sozialleistungen sowie gegen die Meldepflicht
agentur für Arbeit zu übermitteln. nach dem AsylbLG

90.1.1 Unterrichtung bei Beschäftigungen oder Tätig- 90.1.2.0 Nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB I
keit ohne erforderlichen Aufenthaltstitel hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt
oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen,
90.1.1.1 Der Aufenthaltstitel muss erkennen lassen, dass die für die Leistung erheblich sind oder über die
die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt ist. im Zusammenhang mit der Leistung Erklä-
Die Begriffsbestimmung der Beschäftigung rungen abgegeben worden sind, unverzüglich
richtet sich nach § 2 Absatz 2 i. V. m. § 7 SGB mitzuteilen.
IV. Danach ist Beschäftigung jegliche nicht-
selbständige Arbeit, insbesondere in einem Ar- 90.1.2.1 Eine Mitwirkungspflicht des Ausländers ge-
beitsverhältnis. Von der Erforderlichkeit eines genüber den in § 90 Absatz 1 Nummer 2 ge-
Aufenthaltstitels, der zur Beschäftigung be- nannten Leistungsträgern besteht bei Ände-
rechtigt, ist daher regelmäßig auszugehen, wenn rungen in den Verhältnissen, die für die Leis-
der Ausländer ein Arbeitsverhältnis aufge- tung erheblich sind. Es handelt sich um
nommen hat oder sonst eine nichtselbständige Sachverhalte, die für die Gewährung, Höhe und
Tätigkeit ausübt, für die ein Entgelt vereinbart den Fortbestand der Leistung von Bedeutung
oder zumindest üblich ist. Eine Geringfügig- sind (z. B. Wegfall der Berücksichtigungsfähig-
keitsgrenze besteht nicht. Als Beschäftigung keit von Kindern bei Leistungen wegen Ar-
gilt außerdem der Erwerb beruflicher Kennt- beitslosigkeit, Änderung der Einkommens-
nisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rah- verhältnisse bei Arbeitslosenhilfe).
men betrieblicher Berufsbildung. Auch für ein 90.1.2.2 Eine Mitwirkungspflicht des Ausländers ist
Berufsausbildungsverhältnis, Praktikum oder darüber hinaus bei Änderungen in den Ver-
ein Volontariat, soweit es mit einer vertragli- hältnissen gegeben, über die im Zusammenhang
chen Verpflichtung zur Arbeitsleistung ver- mit der Leistung Erklärungen abgegeben wor-
bunden ist, ist ein Aufenthaltstitel, der die Be- den sind. Es handelt sich dabei um Sachverhalte,
schäftigung erlaubt, erforderlich. die erheblich von dem abweichen, was der Lei-
90.1.1.2 Auch in den Fällen, in denen eine Beschäftigung stungsempfänger dem Leistungsträger mit-
nicht der Zustimmung der Bundesagentur für geteilt hatte, und die für die Gewährung der
Arbeit bedarf (§§ 2 bis 15 BeschV), muss der Leistungen, deren Höhe und deren Fortbestand
Aufenthaltstitel erkennen lassen, dass die zu- von Bedeutung sind.
stimmungsfreie Beschäftigung erlaubt ist. 90.1.2.3 Eine Meldepflicht besteht schließlich für Leis-
Nach § 16 BeschV gelten einige Tätigkeiten tungsberechtigte nach dem AsylbLG. Nach
unter bestimmten Voraussetzungen nicht als § 8a AsylbLG haben sie die Aufnahmen einer
Beschäftigung. Gemäß § 17 Absatz 2 Satz 1 und selbständigen oder unselbständigen Erwerbstä-
3 AufenthV ist für entsprechende selbständige tigkeit binnen drei Tagen der nach § 10
Tätigkeiten kein Aufenthaltstitel nach § 4 er- AsylbLG zuständigen Behörde anzuzeigen.
forderlich. Hierzu stellt § 59 Absatz 5 Auf- 90.1.3 Unterrichtungen bei Verstößen gegen Vor-
enthV klar, dass eine Eintragung im Aufent- schriften des SchwarzArbG
haltstitel, wonach die Ausübung einer Er-
werbstätigkeit nicht gestattet ist, sich nicht auf Die Unterrichtungspflicht nach § 90 Absatz 1
die in § 17 Absatz 2 AufenthV genannten Tä- Nummer 3 erstreckt sich auf die in § 6 Absatz 3
Seite 1232 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Nummer 1 bis 4 SchwarzArbG bezeichneten – vorhandene Unterlagen (ggf. in Kopie) be-


Verstöße, also auf Verstöße gegen: züglich des Verstoßes (beispielsweise Ge-
– das SchwarzArbG, sprächsvermerke, Erklärungen des Arbeit-
nehmers, Anzeige, Bericht über eine durch-
– das AÜG, geführte Außenprüfung).
– Bestimmungen des SGB IV und VII zur
Zahlung von Beiträgen und 90.2 Zusammenarbeit der Behörden
– die Steuergesetze. 90.2.1 Die mit der Ausführung des Aufenthalts-
gesetzes betrauten Behörden arbeiten insbe-
Erforderlich sind konkrete Anhaltspunkte für sondere mit der Bundesagentur für Arbeit und
diese Verstöße. Es müssen also tatsächliche den Behörden der Zollverwaltung zusammen
Umstände vorliegen, die für einen derartigen
sowie mit:
Verstoß sprechen; bloße Vermutungen reichen
nicht aus. – den Finanzbehörden,
– der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
90.1.4 Unterrichtung der mit der Bekämpfung der
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen,
Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung be-
trauten Behörden der Zollverwaltung – den Einzugsstellen (§ 28i SGB IV),

Die Ausländerbehörden unterrichten die mit – den Trägern der Rentenversicherung,


der Bekämpfung der Schwarzarbeit und ille- – den Trägern der Unfallversicherung,
galen Beschäftigung beauftragten Behörden der – den Trägern der Sozialhilfe,
Zollverwaltung zeitnah, wenn sich bei der Vor-
sprache eines ausländischen Staatsangehörigen, – den nach dem AsylbLG zuständigen Be-
durch Hinweise, im Rahmen von Außen- hörden,
diensttätigkeit oder auf sonstige Weise An- – dem Bundesamt für Güterverkehr,
haltspunkte ergeben für – den für den Arbeitsschutz zuständigen
– die Beschäftigung oder Tätigkeit von Aus- Landesbehörden,
ländern ohne erforderlichen Aufenthaltstitel – den Polizeivollzugsbehörden der Länder auf
nach § 4 oder Arbeitsgenehmigung-EU Ersuchen im Einzelfall und
nach § 284 SGB III,
– den nach Landesrecht für die Verfolgung
– die Beschäftigung oder Tätigkeit von Aus- und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
ländern zu ungünstigeren Bedingungen als nach dem SchwarzArbG zuständigen Be-
vergleichbare deutsche Arbeitnehmer, hörden.
– die Ausübung einer selbständigen oder un- 90.2.2 Die Zusammenarbeit besteht in der gegen-
selbständigen Tätigkeit unter gleichzeitigem seitigen Unterrichtung und in der Amtshilfe,
Bezug von Sozialleistungen nach dem SGB die sich nach den dafür geltenden Vorschriften
II oder III (z. B. Arbeitslosengeld, Arbeits- richtet. Darüber hinaus sollen die Behörden
losengeld II) ohne erforderliche Anzeige der gemeinsame Maßnahmen zur gezielten Über-
Tätigkeit an die zuständige Behörde (bei- prüfung verdächtiger Sachverhalte durchführen
spielsweise Bundesagentur für Arbeit, und ihre Ermittlungen koordinieren.
Arge),
– den unerlaubten Verleih oder Entleih aus- 90.3 Datenübermittlungen an die für die Durch-
ländischer Arbeitnehmer, führung des AsylbLG zuständigen Behörden
– das Vorenthalten von Beiträgen zur Kran- 90.3.0 Die Vorschrift enthält die Rechtsgrundlage für
ken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenver- Datenübermittlungen an die für die Gewährung
sicherung oder von Leistungen nach dem AsylbLG zustän-
– die Beschäftigung von Ausländern unter digen Behörden.
Missachtung der Mindestarbeitsbedingun- 90.3.1 Zur Mitteilung nach § 90 Absatz 3 verpflichtet
gen nach Maßgabe des AEntG (z. B. Ge- sind die nach § 71 mit der Ausführung des
währung des Mindestlohns, Gewährung von Aufenthaltsgesetzes betrauten Behörden, d. h.
bezahltem Urlaub). in erster Linie die Ausländerbehörden. Die
Sie übersenden den Hauptzollämtern zu diesem Mitteilung stellt eine Übermittlung personen-
Zweck insbesondere bezogener Daten i. S. d. § 3 Absatz 4 Satz 2
Nummer 3 Buchstabe a) BDSG dar (siehe
– die Personalien des Arbeitnehmers und des Nummer 86.1.2).
Arbeitgebers sowie der in Betracht kom-
menden Zeugen, 90.3.2 Umstände und Maßnahmen, deren Kenntnis
für die Leistung an Leistungsberechtigte nach
– den Aufenthaltstitel in Kopie, dem AsylbLG erforderlich ist, sind im Hinblick
– vorhandene Informationen bezüglich des auf die in den §§ 1 ff. AsylbLG geregelte Leis-
Verstoßes (beispielsweise Angaben über tungsberechtigung alle Entscheidungen, Maß-
Art, Ort und Zeiten der Beschäftigung) so- nahmen und Ereignisse, die den ausländer-
wie rechtlichen Status des Betroffenen bestimmen
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1233

oder verändern oder Einfluss auf Art und Um- Vater ist und zwischen ihm und dem Kind auch
fang der Leistungen haben (z. B. Wechsel von keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder
Duldung zu einem Aufenthaltstitel, Vollzieh- im Zeitpunkt der Anerkennung oder des Todes
barkeit der Ausreisepflicht, Mehrfachbezug des Anerkennenden bestanden hat und durch
von Leistungen). Mitzuteilen sind außerdem die die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen
bekannt gewordenen Erteilungen von Zustim- für die erlaubte Einreise oder den erlaubten
mungen zur Aufnahme einer Beschäftigung an Aufenthalt eines Kindes oder eines Elternteiles
Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG sowie geschaffen werden (können) (§ 1600 Absatz 1
Angaben über deren Erlöschen, Widerruf oder Nummer 5, Absatz 3 BGB).
Rücknahme, sobald die mitteilungspflichtige
Stelle durch eine entsprechende Unterrichtung 90.5.2.1 Eine sozial-familiäre Beziehung besteht, wenn
seitens der Bundesagentur für Arbeit hiervon der Anerkennende für das Kind zum maßgeb-
Kenntnis erlangt. lichen Zeitpunkt tatsächliche Verantwortung
trägt bzw. getragen hat (siehe Legaldefinition in
90.3.3 Adressat der Mitteilung und damit Empfänger § 1600 Absatz 4 Satz 1 BGB). Es kann bereits
der zu übermittelnden Daten ist die nach § 10 zum Zeitpunkt der Geburt eine sozial-familiäre
AsylbLG für den Betroffenen zuständige Be- Beziehung bestehen, insbesondere wenn
hörde. Die Zuständigkeit im Einzelnen richtet der Anerkennende hinreichend intensiv an
sich nach Landesrecht. Sie liegt in aller Regel Schwangerschaft und Geburt Anteil genommen
bei den Trägern der Sozialhilfe. und den Kontakt zum Kind in seine Lebens-
planung aufgenommen hat. Lebt der Aner-
90.4 Unterrichtung der nach § 72 Absatz 6 zu be- kennende mit dem Kind bereits längere Zeit in
teiligenden Stellen häuslicher Gemeinschaft zusammen, spricht
bereits die Regelvermutung des § 1600 Absatz 4
Diese Regelung ergänzt die neu eingefügten
Satz 2 BGB für die Übernahme tatsächlicher
§ 72 Absatz 6 und § 87 Absatz 5. Sie bildet die
Verantwortung und damit für eine sozial-fami-
Rechtsgrundlage für die Mitteilung der Aus-
liäre Beziehung. Die Übernahme tatsächlicher
länderbehörde an die Staatsanwaltschaften und
Verantwortung kann sich aber auch aus der
Strafgerichte, ob eine der in den Nummern 1 bis
Wahrnehmung weiterer typischer Elternrechte
3 vorgesehenen aufenthaltsrechtlichen Maß-
und -pflichten ergeben: Dazu zählen z. B. der
nahmen getroffen wurde. Der Zuständigkeits-
regelmäßige Umgang mit dem Kind, seine Be-
übergang der Ausländerbehörde nach Num-
treuung und Erziehung sowie die Leistung von
mer 3 ist den Staatsanwaltschaften und Strafge-
Unterhalt. Die für eine sozial-familiäre Bezie-
richten mitzuteilen, damit deren Mitteilungen
hung erforderliche Übernahme tatsächlicher
auch bei einem Zuständigkeitsübergang im
Verantwortung ist auch in Fällen möglich, in
Rahmen des Strafverfahrens die richtige Be-
denen ein Elternteil sich im Ausland befindet
hörde erreichen. Die Mitteilung muss durch die
und im Visumverfahren ein Aufenthaltsrecht
Behörde erfolgen, auf die die Zuständigkeit
aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung gel-
übergegangen ist, damit diese ihre Erreichbar-
tend macht. Eine verantwortungsvoll gelebte
keiten und ein neues Aktenzeichen mitteilen
und dem Schutzzweck des Artikels 6 GG ent-
kann, dem die Mitteilungen zuzuordnen sind.
sprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft lässt
sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten
90.5 Unterrichtung hinsichtlich Anfechtung der und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder
Vaterschaft genauem Inhalt der einzelnen Betreuungs-
90.5.1 Absatz 5 verpflichtet die Ausländerbehörden handlungen bestimmen. Die Entwicklung eines
und Auslandsvertretungen zur Unterrichtung Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare
der nach Landesrecht bestimmten anfechtungs- Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch
berechtigten Behörde, wenn sie Kenntnis er- durch die geistige und emotionale Ausein-
langen von konkreten Tatsachen, die die An- andersetzung geprägt.
nahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen
90.5.2.2 Weitere Voraussetzung für das behördliche Va-
für ein behördliches Anfechtungsrecht einer
terschaftsanfechtungsrecht (§ 1600 Absatz 1
Vaterschaftsanerkennung vorliegen (siehe hier-
Nummer 5, Absatz 3 BGB) ist, dass durch die
zu auch Nummer 27.0.5 und 27.1a.1.3).
Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für
Nicht ausreichend ist ein Verdacht auf der die erlaubte Einreise oder den erlaubten Auf-
Grundlage bloßer Vermutungen oder Hypo- enthalt eines Kindes oder eines Elternteiles
thesen. Für die Erhebung einer Anfechtungs- entstanden sind bzw. entstehen könnten. Dies
klage vor dem Familiengericht genügt jedoch kommt insbesondere in den folgenden Fall-
ein Anfangsverdacht. In der Mitteilung an die konstellationen in Betracht:
anfechtungsberechtigte Behörde sollen die
– Ein deutscher Mann erkennt die Vaterschaft
konkreten Umstände, aus denen die Auslands-
für das Kind einer unverheirateten aus-
vertretungen den Verdacht eines ausländer-
ländischen Mutter an. Als Kind eines deut-
rechtlichen Missbrauchs schöpfen, dargelegt
schen Staatsangehörigen erwirbt das Kind
und wesentliche Unterlagen beigefügt werden.
mit der wirksamen Vaterschaftsaner-
90.5.2 Die Anfechtung der Vaterschaft setzt voraus, kennung die deutsche Staatsangehörigkeit
dass der Anerkennende nicht der biologische (§ 4 Absatz 1 StAG). Für die Mutter des
Seite 1234 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Kindes erfüllt sich durch die deutsche sondere die regionale Aufgliederung der Daten
Staatsangehörigkeit des Kindes ein Teil des nach Bundesländern. Die Gründe liegen im
Tatbestands des § 28 Absatz 1 Satz 1 Num- Wesentlichen in den unterschiedlichen Be-
mer 3. richtswegen beider Statistiken sowie der unter-
schiedlichen Verarbeitung der so genannten
– Ein ausländischer Mann mit gesichertem
Bewegungsfälle (Geburten und Sterbefälle, Zu-
Aufenthaltsstatus erkennt die Vaterschaft
und Fortzüge, Staatsangehörigkeitswechsel).
für das Kind einer unverheirateten Aus-
länderin an. Liegen die Voraussetzungen des 90a.0.2 § 90a schließt eine Lücke in den bestehenden
§ 4 Absatz 3 StAG vor, wird das Kind durch Verpflichtungen zur gegenseitigen Unterrich-
die Anerkennung deutscher Staatsange- tung der Meldebehörden und der Ausländer-
höriger. Für die Mutter des Kindes erfüllt behörden. Vor Inkrafttreten der Vorschrift wa-
sich durch die deutsche Staatsangehörigkeit ren nur die Meldebehörden verpflichtet, die
des Kindes ein Teil des Tatbestands des § 28 Ausländerbehörden über den Aufenthalt von
Absatz 1 Satz 1 Nummer 3. Ausländern zu informieren (§ 72 AufenthV),
– Ein ausländischer Mann ohne gesicherten während die Ausländerbehörden bislang nur
Aufenthaltsstatus erkennt die Vaterschaft verpflichtet waren, die Meldebehörden bei
für das Kind einer Deutschen oder das Kind konkreten Anhaltspunkten für die Unrichtig-
einer Ausländerin mit verfestigtem Aufent- keit oder Unvollständigkeit übermittelter Da-
halt an. Ist das Kind deutscher Staatsbürger ten zu unterrichten (§ 4a Absatz 3 MRRG).
gemäß § 4 Absatz 1 oder Absatz 3 StAG, 90a.0.3 Die Regelung in § 90a geht über die Regelung
erfüllt sich durch seine deutsche Staatsange- des § 4a Absatz 3 MRRG hinaus, da es nicht
hörigkeit ein Teil des Tatbestands des § 28 darauf ankommt, bei konkreten Anlässen un-
Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, wodurch recht- richtige oder unvollständige Daten von den
liche Voraussetzungen für die „erlaubte Ausländerbehörden an die Meldebehörden zu
Einreise“ oder den „erlaubten Aufenthalt“ übermitteln. Stattdessen wird eine eigene Un-
des die Vaterschaft Anerkennenden ge- terrichtungsverpflichtung der Ausländerbehör-
schaffen werden. In diesem Fall ist für die den bei melderechtlich relevanten Vorgängen
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorran- gegenüber den Meldebehörden festgeschrieben.
gig zu ermitteln, ob der Vater die Perso-
nensorge i. S. d. § 28 Absatz 1 Satz 1 Num- 90a.1 Mitteilungspflicht der Ausländerbehörden
mer 3 ausübt. Ist dies nicht der Fall ist die
Aufenthaltserlaubnis bereits aus diesem 90a.1.1 Absatz 1 Satz 1 entspricht der Mitteilungs-
Grund abzulehnen. Dennoch ist die anfech- pflicht in § 4a Absatz 3 MRRG. Die Aus-
tungsberechtigte Behörde zu unterrichten, länderbehörden sind zu einer Mitteilung an die
da die Voraussetzungen für die Vater- zuständige Meldebehörde verpflichtet, wenn sie
schaftsanfechtung nach § 1600 Absatz 3 Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder Un-
BGB vorliegen. Hintergrund hierfür ist, vollständigkeit des Melderegisters haben.
dass anderenfalls dem Anerkennenden bis 90a.1.2.1 Erfahren Ausländerbehörden von den in Ab-
zur Volljährigkeit des Kindes die Möglich- satz 1 Satz 2 aufgeführten melderechtlich rele-
keit offen stünde, wiederholt einen Antrag vanten Vorgängen, so sind sie zur Mitteilung an
auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum die Meldebehörde verpflichtet. Weitere An-
Familiennachzug zu stellen. Dies könnte haltspunkte für die Unrichtigkeit des Meldere-
zudem das Vortäuschen der nach § 28 Ab- gisters sind in diesem Fall nicht erforderlich.
satz 1 Satz 1 Nummer 3 erforderlichen Per-
sonensorge provozieren. 90a.1.2.2 Die Regelung unterscheidet zwei melde-
rechtliche relevante Vorgänge: Nach Nummer 1
– Durch eine Vaterschaftsanerkennung kön-
ist der Aufenthalt eines Ausländers im Bundes-
nen auch die Voraussetzungen für eine Auf-
gebiet mitzuteilen, wenn dieser nicht gemeldet
enthaltserlaubnis nach § 33 (Geburt eines
ist. Nach Nummer 2 ist die dauerhafte Ausreise
Kindes im Bundesgebiet) geschaffen wer-
aus dem Bundesgebiet meldepflichtig.
den.
90a.2 Zu übermittelnde Daten
90a Zu § 90a – Mitteilungen der Ausländer- Absatz 2 enthält die bei Mitteilungen nach Ab-
behörden an die Meldebehörden satz 1 zu übermittelnden Daten. Es handelt sich
um eine Sollvorschrift, d. h., die aufgeführten
90a.0 Allgemeines Angaben sind zu übermitteln, wenn nicht be-
sondere Umstände gegen eine solche Mitteilung
90a.0.1 Zwischen den Zahlen der amtlichen Statistiken
sprechen.
über die ausländische Bevölkerung aus der
Ausländerstatistik, die aus dem Ausländer-
zentralregister erstellt wird, und der Bevölke-
90b Zu § 90b – Datenabgleich zwischen Aus-
rungsfortschreibung, die auf Angaben aus den
länder- und Meldebehörden
Melderegistern der Meldebehörden und von
den Standesämtern beruht, bestehen seit Jahren 90b.0 Die Vorschrift regelt den für eine umfassende
erhebliche Abweichungen. Dies betrifft insbe- Datenpflege notwendigen gegenseitigen Da-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1235

tenaustausch zwischen Ausländer- und Melde- 91.1.2 Ein gesetzliches Verwertungsverbot i. S. d. § 91


behörden, um Differenzen zwischen den Da- Absatz 1 Satz 2 ergibt sich insbesondere aus
tenbeständen zu erkennen und zu bereinigen. § 51 BZRG.
Damit geht die Regelung über § 4a Absatz 3
MRRG hinaus, da es hier zunächst um das Er- 91.1.3 Das Vernichten von Unterlagen umfasst auch
kennen von falschen oder unvollständigen Da- die Löschung der entsprechenden nach der
ten geht. AufenthV zu speichernden Daten (§ 68 Ab-
satz 2 AufenthV). Soweit die in der Ausländer-
90b.1 Der Datenaustausch hat anlassunabhängig datei A aufgenommenen Daten im Falle des
jährlich zu erfolgen. Zum Umfang der zu über- „Untertauchens“ des Ausländers gemäß § 67
mittelnden Daten vgl. § 90a Absatz 2. Daten Absatz 1 Nummer 2 AufenthV in die Aus-
dürfen nur übermittelt werden, soweit ein länderdatei B übernommen werden, sind die
übereinstimmender örtlicher Zuständigkeitsbe- Daten aus der Ausländerdatei B entsprechend
reich gegeben ist. Dies ist von der über- § 68 Absatz 2 Satz 1 AufenthV zu löschen. Die
mittelnden Stelle zu überprüfen. Löschung erfolgt mit Ablauf des 90. Lebens-
90b.2 Ein automatisierter Datenabgleich ist zulässig. jahres (siehe Nummer 91.1.1).
90b.3 Die übermittelten Daten unterliegen einer 91.1.4 Ist die Behörde, die die Abschiebung oder Zu-
strikten Zweckbindung. Sie dürfen aus- rückschiebung veranlasst hat, nicht die Be-
schließlich zur Durchführung des Datenab- hörde, die die Ausweisung verfügt hat, ist die
gleichs und zur Datenpflege verwendet werden. Akte an die Behörde zurückzugeben, die die
Soweit die übermittelten Daten in den eigenen Ausweisung verfügt hat. Dieser obliegt die
Datenbestand übernommen werden, kann die Vernichtung der Unterlagen über Ausweisung,
empfangende Stelle die Daten als eigene Daten Zurückschiebung und Abschiebung.
unter den normalen Verarbeitungsvoraus-
setzungen verwenden. Soweit die übermittelten
Daten nicht übernommen werden, besteht das 91.2 Vernichtung von Mitteilungen nach § 87
Verwendungsverbot. In diesem Fall sind die
Daten unverzüglich zurückzugeben oder zu 91.2.1 Die Behörde, der die Mitteilung zuständig-
vernichten. keitshalber übersandt worden ist, hat unver-
züglich zu prüfen, ob die Daten für die
anstehende ausländerrechtliche Entscheidung
91 Zu § 91 – Speicherung und Löschung perso- noch erheblich sind oder für eine spätere aus-
nenbezogener Daten länderrechtliche Entscheidung noch erheblich
werden können. Sie trifft die Entscheidung, ob
91.0 Anwendungsbereich diese Voraussetzungen gegeben sind. Die Prü-
fung der Entscheidungserheblichkeit und die
§ 91 trifft bereichsspezifische Regelungen über Vernichtung der Mitteilungen sind aktenkundig
die Löschung bzw. Vernichtung von Daten zu machen. Die Vernichtung unterbleibt, so-
(Absatz 1 und 2) und schließt die Anwendung weit die Mitteilungen für ein bereits einge-
bestimmter Vorschriften des allgemeinen Da- leitetes datenschutzrechtliches Kontrollverfah-
tenschutzrechts aus (Absatz 3). ren benötigt werden. Im Fall der Zurück-
stellung der Löschung hat die Behörde zu
91.1 Vernichtung von Unterlagen über Aus- prüfen, ob die weitere Speicherung unter Be-
weisung, Zurückschiebung und Abschiebung rücksichtigung der Lage des Betroffenen ver-
hältnismäßig ist.
91.1.1 Die Frist für die Vernichtung der zu den Aus-
länderakten gehörenden Unterlagen über Aus-
91.2.2 Die Vorschriften des § 91 Absatz 2 und der
weisung, Zurückschiebung und Abschiebung
Nummer 91.2.1 gelten entsprechend für perso-
beginnt erst mit Ablauf der Sperrwirkung, die
nenbezogene Daten, die nach § 87 Absatz 2 bis
nach § 11 Absatz 1 Satz 2 als Folge der Aus-
4 oder den auf Grund von § 99 Absatz 1 Num-
weisung, Zurückschiebung und Abschiebung
mer 14 erlassenen Rechtsverordnungen ohne
eintritt und die nach § 11 Absatz 1 Satz 3 i. d. R.
Ersuchen übermittelt worden sind. Ohne Be-
auf Antrag befristet wird. Ist die Sperrwirkung
deutung ist in diesem Zusammenhang, ob die
nicht befristet, ist § 91 Absatz 1 nicht anzu-
Übermittlung aus Versehen oder aus Un-
wenden. In diesem Fall sind die Unterlagen
kenntnis der Sachverhalts- oder Rechtslage er-
spätestens fünf Jahre nach dem Tod des Be-
folgt ist.
troffenen oder spätestens mit Ablauf seines
90. Lebensjahres zu vernichten. Um eine frist-
gerechte und vollständige Vernichtung zu ge- 91.3 Ausschluss des datenschutzrechtlichen
währleisten, empfiehlt es sich, die Vorgänge Widerspruchs
über Ausweisung, Zurückschiebung und Ab-
schiebung in einer Teilakte der Ausländerakte Gegen die Nutzung der Daten eines Ausländers
gesondert zu führen. Unterlagen, die Angaben zu ausländerrechtlichen Zwecken findet kein
für die Erhebung von Kosten enthalten, unter- Widerspruch nach § 20 Absatz 5 BDSG oder
liegen bis zur Begleichung nicht der Vernich- entsprechenden Vorschriften der Datenschutz-
tung. gesetze der Länder statt.
Seite 1236 GMBl 2009 Nr. 42– 61

91a Zu § 91a – Register zum vorübergehenden – die übermittelten Daten unrichtig werden
Schutz oder sich ihre Unrichtigkeit herausstellt und
keine Korrektur im automatisierten Ver-
91a.1 Registerführende Stelle und Registerinhalt fahren erfolgt bzw. erfolgen kann,
Das Register wird vom Bundesamt für Migra- – die Daten zur Aufgabenerfüllung nicht
tion und Flüchtlinge geführt. Die Aufnahme in mehr benötigt werden oder
das Register knüpft an die Beantragung einer – der Betroffene die Richtigkeit der Daten
Aufenthaltserlaubnis oder eines Visums zum bestreitet und keine Klärung herbeigeführt
vorübergehenden Schutz nach § 24 Absatz 1 an werden kann.
(siehe unten Nummer 91a.3).
91a.4.2 Die Registerbehörde stellt programmtechnisch
sicher, dass die zu speichernden Daten zuvor
91a.2 Zu übermittelnde Daten
auf ihre Schlüssigkeit und Vollständigkeit
91a.2.1 Die exakten Daten, die für das Register zu er- (Pflichtangaben) geprüft werden und ge-
heben und zu übermitteln sind, bestimmen sich speicherte Daten durch die Verarbeitung nicht
– entsprechend den Vorgaben des Gesetzes – ungewollt gelöscht oder geändert werden. Stellt
nach der vom Bundesamt für Migration und die Registerbehörde bei der Prüfung Fehler fest,
Flüchtlinge erstellten Eingabemaske für das teilt sie diese der übermittelnden Stelle mit. Die
automatisierte Verfahren bzw. nach einem die- übermittelnde Stelle ist verpflichtet, diese Feh-
ser Maske entsprechenden Formblatt. lermeldung unverzüglich zu bearbeiten und die
zutreffenden Daten erneut an die Register-
91a.2.2 Da zu den übermittlungspflichtigen Daten nach behörde zu übermitteln.
§ 91a Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c) auch
die Angaben zur Entscheidung über den Antrag 91a.4.3 Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen
gehören, ist diese Entscheidung – ggf. in einem sind berechtigt und verpflichtet, die von ihnen
zweiten Schritt – an das Register zu übermit- übermittelten Daten auf Richtigkeit und Ak-
teln. tualität zu prüfen, soweit dazu Anlass besteht
(Datenpflege), entweder durch Direktzugriff
91a.3 Datenübermittlung an die Registerbehörde auf das Register (im automatisierten Verfahren)
oder durch entsprechende Ersuchen an die Re-
Die Verpflichtung zur Datenübermittlung an gisterbehörde (in schriftlicher oder elektro-
das Bundesamt entsteht für eine Auslands- nischer Form).
vertretung oder eine Ausländerbehörde mit
dem Zeitpunkt, in dem dort ein Visum zur 91a.4.4 Bei einem Wechsel der Zuständigkeit gelten
Inanspruchnahme vorübergehenden Schutzes Nummer 91a.4.1 und 91a.4.3 entsprechend für
oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Ab- die Stelle, auf die die Zuständigkeit über-
satz 1 beantragt wird. Dabei setzt die Stellung gegangen ist.
eines solchen Antrags voraus, dass überhaupt 91a.4.5 Die Registerbehörde hat als speichernde Stelle
ein Beschluss des Rates der Europäischen Aufzeichnungen zu fertigen, aus denen sich die
Union gemäß der Richtlinie 2001/55/EG des übermittelten Daten, die übermittelnde Stelle,
Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen die für die Übermittlung verantwortliche Per-
für die Gewährung vorübergehenden Schutzes son und der Übermittlungszeitpunkt ergeben
im Falle eines Massenzustroms von Vertriebe- müssen.
nen und Maßnahmen zur Förderung einer aus-
gewogenen Verteilung der Belastungen, die mit 91a.4.6 Diese Aufzeichnungen dürfen nur für Aus-
der Aufnahme dieser Personen und den Fol- künfte an den Betroffenen (vgl. § 34 AZRG),
gen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die für die Unterrichtung über die Berichtigung,
Mitgliedstaaten (ABl. EU 2001 Nummer L 212 Löschung oder Sperrung von Daten (vgl. § 38
S. 12, so genannte Richtlinie zum vorüber- AZRG), für Zwecke der Datenschutzkontrolle,
gehenden Schutz) gefasst worden ist. der Datensicherung oder zur Sicherstellung
eines ordnungsgemäßen Betriebes der Daten-
verarbeitungsanlage verwendet werden. Sie sind
91a.4 Verantwortung für Registerinhalt, Daten-
durch geeignete Maßnahmen gegen unberech-
pflege, Aufzeichnungspflicht bei Speicherung
tigten Zugriff zu sichern und werden am Ende
91a.4.0 Die Vorschriften des AZRG über die Verant- des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstel-
wortung für den Registerinhalt und die Daten- lung folgt, vernichtet, sofern sie nicht für ein
pflege (§ 8 AZRG) sowie über die Aufzeich- bereits eingeleitetes Kontrollverfahren benötigt
nungspflicht bei Speicherung (§ 9 AZRG) gel- werden.
ten entsprechend.
91a.5 Datenübermittlung durch die Register-
91a.4.1 Die Ausländerbehörden und Auslandsvertre-
behörde
tungen sind gegenüber der Registerstelle für die
Zulässigkeit der Übermittlung sowie für die 91a.5.1 Die im Register gespeicherten Daten können –
Richtigkeit und Aktualität der von ihnen über- auf entsprechendes Ersuchen – von der Regis-
mittelten bzw. von ihnen erfassten Daten ver- terbehörde an Ausländerbehörden, Auslands-
antwortlich. Sie haben die Registerstelle unver- vertretungen sowie andere Organisations-
züglich zu unterrichten, wenn: einheiten des Bundesamtes für Migration und
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1237

Flüchtlinge, einschließlich der beim Bundesamt 91a.7.1.2 In den Fällen des automatisierten Verfahrens
eingerichteten nationalen Kontaktstelle, über- erfolgt die Erfassung der Daten für das Register
mittelt werden. direkt durch die eingebende berechtigte Stelle,
insbesondere durch die Ausländerbehörden.
91a.5.2 Eine Übermittlung erfolgt ausschließlich zu
Der Zugang wird dabei durch Benutzernamen
folgenden Zwecken:
und Passwort geschützt. Erfolgt eine elektro-
– Erfüllung von ausländer- und asylrecht- nische oder schriftliche Übermittlung, nimmt
lichen Aufgaben im Zusammenhang mit der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Aufenthaltsgewährung, die Erfassung im Register anhand der über-
– Verteilung der aufgenommenen Ausländer mittelten Daten selbst vor.
im Bundesgebiet,
91a.7.1.3 Für die Fälle, in denen das automatisierte Ver-
– Wohnsitzverlegung aufgenommener Aus- fahren keine Anwendung findet, stellt das Bun-
länder in andere Mitgliedstaaten der Euro- desamt den mit der Datenerhebung befassten
päischen Union, Stellen ein Formblatt zur Verfügung. Die Da-
– Familienzusammenführung oder tensätze für das Register werden (außer beim
automatisierten Verfahren) ausschließlich unter
– Förderung der freiwilligen Rückkehr.
Nutzung dieses Formblatts an die Registerstelle
91a.5.3 Ein Ersuchen um Datenübermittlung hat beim Bundesamt übermittelt.
grundsätzlich in schriftlicher (auch elektro-
nischer) Form an die Registerstelle zu erfolgen 91a.7.1.4 Die Änderung oder Ergänzung von Daten im
(vgl. Nummer 91a.7.1.1). Im Ersuchen ist der Register verläuft analog zur Ersterfassung von
Grund für die Datenübermittlung anzugeben Datensätzen.
(z. B. Familienzusammenführung). 91a.7.1.5 Die Übermittlung von Daten aus dem Register
91a.5.4 Die Antwort der Registerbehörde erfolgt eben- nach Nummer 91a.5.1 erfolgt ebenfalls auf den
falls in schriftlicher (auch elektronischer) Form. unter Nummer 91a.7.1.1 genannten Übermitt-
lungswegen.
91a.6 Aufzeichnungspflicht bei Datenüber-
91a.7.2.0 Im Rahmen des automatisierten Datenabruf-
mittlung
verfahrens wird die Möglichkeit geschaffen,
91a.6.0 Hinsichtlich der Protokollierung der Daten- den berechtigten Stellen, insbesondere den
übermittlungen findet § 13 AZRG entspre- Ausländerbehörden, den Zugriff auf vorher ge-
chende Anwendung. nehmigte Datenfelder zu erteilen. Die Au-
thentifizierung erfolgt dabei über Benutzer-
91a.6.1 Die Registerbehörde führt über die von ihr auf namen und Passwort. Für das automatisierte
Grund von Datenübermittlungsersuchen vor- Abrufverfahren gilt § 22 Absatz 2 bis 4 des
genommenen Abrufe aus dem Register Auf- AZRG entsprechend.
zeichnungen, in denen der Zweck, die bei der
Durchführung des Abrufs verwendeten Daten, 91a.7.2.1 Das automatisierte Abrufverfahren darf nur
die übermittelten Daten, der Tag und die Uhr- eingerichtet werden, soweit es wegen der Viel-
zeit sowie die Bezeichnung der ersuchenden zahl der Übermittlungsersuchen oder der be-
Stellen und die abrufende und verantwortliche sonderen Eilbedürftigkeit unter Berücksich-
Person erfasst werden. tigung der schutzwürdigen Interessen der Be-
troffenen angemessen ist und die beteiligten
91a.6.2 Diese Aufzeichnungen dürfen nur für Aus-
Stellen die zur Datensicherung nach § 9 BDSG
künfte an den Betroffenen (vgl. § 34 AZRG),
erforderlichen technischen und organisatori-
für die Unterrichtung über die Berichtigung,
schen Maßnahmen getroffen haben.
Löschung oder Sperrung von Daten (vgl. § 38
AZRG) oder zur datenschutzrechtlichen Kon- Im Fall einer Aufnahmeaktion im Zusammen-
trolle der Zulässigkeit der Abrufe verwendet hang mit einer Massenflucht nach § 24 Absatz 1
werden. Sie sind durch geeignete Maßnahmen dürfte im Hinblick auf die Zwecke des
gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Registers (insbesondere Familienzusammen-
Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer führung) auch unter Berücksichtigung der
Erstellung folgt, zu vernichten, sofern sie nicht schutzwürdigen Interessen des Betroffenen eine
für ein bereits eingeleitetes Kontrollverfahren das automatisierte Verfahren rechtfertigende
benötigt werden. Eilbedürftigkeit gegeben sein.

91a.7 Verfahren der Datenübermittlung, automa- 91a.7.2.2 Bei jedem Abruf von Daten im automatisierten
tisiertes Verfahren Verfahren hat die Registerbehörde Aufzeich-
nungen über den Abruf zu erstellen. Die Auf-
91a.7.1.1 Die Übermittlung von Daten nach Nummer zeichnungen müssen die in Nummer 91a.6.1
91a.2 erfolgt genannten Angaben enthalten.
– im automatisierten Verfahren als Direkt-
eingabe in das Register, 91a.7.2.3 Für die Verwendung dieser Aufzeichnungen
sowie deren Sicherung gegen unberechtigten
– in elektronischer Form per E-Mail oder Zugriff und Löschung gelten die Ausführungen
– in schriftlicher Form. zu Nummer 91a.6.2 entsprechend.
Seite 1238 GMBl 2009 Nr. 42– 61

91a.7.2.4 Die Verantwortung für die Zulässigkeit des – sonstige ausländische oder über- und zwi-
einzelnen Abrufs trägt die abrufende Stelle. Die schenstaatliche Stellen, wenn bei diesen
Registerbehörde überprüft die Zulässigkeit der Stellen ein angemessenes Datenschutzni-
Abrufe nur, wenn dazu Anlass besteht. Abrufe veau nach Maßgabe des § 4b Absatz 3
von Daten aus dem Register im automatisierten BDSG (Übermittlung personenbezogener
Verfahren dürfen nur von Bediensteten vorge- Daten ins Ausland sowie an über- und zwi-
nommen werden, die vom Leiter ihrer Behörde schenstaatliche Stellen) gewährleistet ist.
hierzu besonders ermächtigt sind.
91b.2 Die Bestimmungen zur Aufzeichnungspflicht
91a.7.2.5 Die Registerbehörde hat sicherzustellen, dass bei der Übermittlung von Daten nach Num-
im automatisierten Verfahren Daten nur abge- mer 91a.6 gelten für die nationale Kontaktstelle
rufen werden können, wenn die abrufende entsprechend.
Stelle einen Verwendungszweck angibt, der ihr
den Abruf der Daten erlaubt.
91c Zu § 91c – Innergemeinschaftliche Auskünfte
91a.8 Löschung und Sperrung von Daten, Aus- zur Durchführung der Richtlinie 2003/109/
kunft an den Betroffenen EG (Daueraufenthalt-Richtlinie)

91a.8.1 Die Daten sind von der Registerbehörde späte- 91c.0 Allgemeines
stens zwei Jahre nach Beendigung des vorüber-
91c.0.1 Entsprechend seiner Überschrift regelt § 91c
gehenden Schutzes des Ausländers zu löschen.
die Mitteilungspflichten, die zur Durchführung
Für die Beendigung des vorübergehenden
der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom
Schutzes sind insbesondere die Artikel 4 und 6
25. November 2003 betreffend die Rechts-
der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz
stellung der langfristig aufenthaltsberechtigten
maßgebend.
Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Num-
91a.8.2 Hinsichtlich der Sperrung der Daten gilt § 37 mer L 16 S. 44, so genannte Daueraufenthalt-
AZRG entsprechend. Richtlinie), insbesondere zur Umsetzung seiner
Artikel 19 Absatz 2 Satz 3, Artikel 22 Absatz 2
91a.8.3 Auskünfte an den Betroffenen über die zu sei- Satz 2, Absatz 3 Unterabsatz 2 und 3 Satz 2,
ner Person gespeicherten Daten werden aus- Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 25 Ab-
schließlich von der Registerbehörde vorge- satz 1 notwendig sind.
nommen. Die Auskünfte, auch soweit sie sich
auf Herkunft oder Empfänger der Daten be- 91c.0.2 Es bestehen folgende Mitteilungs- und Konsul-
ziehen, werden auf Antrag erteilt. Der Antrag tationspflichten:
muss die Grundpersonalien (Name, Vornamen, 91c.0.2.1. – Absatz 1 regelt die Mitteilungspflichten
Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort, Ge- Deutschlands (Zweitstaat) gegenüber dem
schlecht, Staatsangehörigkeiten) enthalten. Die anderen Mitgliedstaat (Erststaat) in den Fäl-
Registerbehörde bestimmt das Verfahren, ins- len der Erteilung und der Verlängerung des
besondere die Form der Auskunftserteilung Aufenthaltstitels nach § 38a oder der Er-
nach pflichtgemäßem Ermessen. teilung einer Erlaubnis zum Daueraufent-
Eine Auskunftserteilung der Registerbehörde halt-EG.
unterbleibt, soweit mindestens eines der Krite- 91c.0.2.2 – Absatz 2 regelt die Konsultationspflicht
rien nach § 34 Absatz 2 AZRG vorliegt und Deutschlands (Zweitstaat) gegenüber dem
deswegen das Interesse des Betroffenen an der anderen Mitgliedstaat (Erststaat) in den Fäl-
Auskunftserteilung zurücktreten muss. len, in denen nach § 51 Absatz 8 eine
Abschiebung in ein Land außerhalb
des Geltungsbereichs der Daueraufenthalt-
91b Zu § 91b – Datenübermittlung durch das Richtlinie (Drittstaaten sowie Vereinigtes
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Königreich, Irland und Dänemark) beab-
nationale Kontaktstelle sichtigt ist.
91b.1 Die nationale Kontaktstelle ist eine getrennt 91c.0.2.3 – Absatz 3 regelt die Mitteilungspflicht
von der Registerbehörde beim Bundesamt für Deutschlands (Zweitstaat) gegenüber dem
Migration und Flüchtlinge eingerichtete Ar- anderen Mitgliedstaat (Erststaat) in den Fäl-
beitseinheit. Sie ist für die Übermittlung der len der Androhung und des Vollzugs der
Registerdaten zum Zweck der Verlegung des Abschiebung, Zurückschiebung und der
Wohnsitzes aufgenommener Ausländer in an- Abschiebungsanordnung.
dere Mitgliedstaaten der Europäischen Union
oder zur Familienzusammenführung zuständig. 91c.0.2.4 – Absatz 5 regelt die Mitteilungspflicht
Die Datenübermittlung durch die nationale Deutschlands (Erststaat) gegenüber dem
Kontaktstelle erfolgt an folgende Stellen: anderen Mitgliedstaat (Zweitstaat), wenn
der andere Mitgliedstaat (Zweitstaat)
– nationale Kontaktstellen anderer Mitglied-
Deutschland (Erststaat) wegen der beab-
staaten der Europäischen Union,
sichtigten Abschiebung in ein Land außer-
– Organe und Einrichtungen der Euro- halb des Geltungsbereichs der Daueraufent-
päischen Gemeinschaften, halt-Richtlinie konsultiert.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1239

91c.0.2.5 – Absatz 6 regelt die Mitteilungspflicht des Daueraufenthalt-Richtlinie veranlassen. Dem


Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Mitgliedstaat, der dem Ausländer die Rechts-
an die Ausländerbehörden der Länder in stellung eines langfristig Aufenthaltsberech-
den Fällen, in denen der andere Mitglied- tigten verliehen hat, ist hier vor einer solchen
staat (Zweitstaat) den Aufenthaltstitel erteilt Entscheidung wegen der weit reichenden Kon-
oder verlängert (Absatz 6 Nummer 2) bzw. sequenzen der beabsichtigten Maßnahme Gele-
aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen genheit zur Stellungnahme zu geben. Ihm wird
den Ausländer bevorstehen oder ergriffen damit insbesondere die Möglichkeit gegeben zu
worden sind (Absatz 6 Nummer 1). prüfen, ob er selbst dem Ausländer die Rechts-
stellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter
91c.0.3 Darüber hinaus wird in Absatz 1 in Ergänzung
entzieht.
zu § 75 Nummer 5 die Funktion des Bundes-
amtes als nationale Kontaktstelle i. S. d. Dauer- 91c.2.2 Um dem anderen Mitgliedstaat eine Beurtei-
aufenthalt-Richtlinie hervorgehoben. lung zu ermöglichen, sind die wesentlichen tat-
sächlichen und rechtlichen Umstände zu über-
91c.1 Deutschland erteilt/verlängert Aufenthalts- mitteln, die mit der vorgesehenen Entscheidung
titel im Zusammenhang stehen.
91c.1.1 § 91c Absatz 1 regelt die Mitteilungspflichten
bei Erteilung oder Verlängerung eines Aufent- 91c.3 Aufenthaltsbeendende Maßnahmen in
haltstitels nach § 9a oder § 38a an den Mit- Deutschland
gliedstaat, in dem der Ausländer langfristig 91c.3.1 § 91c Absatz 3 setzt Artikel 22 Absatz 2 Satz 2
aufenthaltsberechtigt ist oder war. Hiermit wird Daueraufenthalt-Richtlinie um. Soweit das
Artikel 19 Absatz 2 Satz 3 sowie Artikel 23 Ende des Aufenthalts eines Ausländers, der
Absatz 1 Satz 2 der Daueraufenthalt-Richtlinie einen Aufenthaltstitel nach § 38a besitzt, wegen
umgesetzt. Androhung der Abschiebung, Zurückschie-
91c.1.2 Nach Absatz 1 Satz 2 teilen die Ausländer- bung oder Erlass einer Abschiebungsan-
behörden dem Bundesamt für Migration und ordnung bevorsteht bzw. durch Vollzug dieser
Flüchtlinge unverzüglich Entscheidungen nach Maßnahmen bereits eingetreten ist, ist die Mit-
Satz 1 mit, so dass die Mitteilung an den be- teilungspflicht nach § 91c Absatz 3 zu be-
troffenen anderen Mitgliedstaat durch das achten.
Bundesamt erfolgen kann. 91c.3.2 Die Mitteilung an den anderen Mitgliedstaat
91c.1.3 Durch Satz 3 des Absatzes 1 wird die Kom- erfolgt durch das Bundesamt für Migration
munikation zwischen den Ausländerbehörden und Flüchtlinge, das hierzu von der Aus-
und der nationalen Kontaktstelle erleichtert. Da länderbehörde über die bevorstehende bzw.
die Ausländerbehörden die Erteilung oder Ver- vollzogene Aufenthaltsbeendigung unter-
längerung eines entsprechenden Aufenthalts- richtet werden muss. Die für den anderen
titels ohnehin an das Ausländerzentralregister Mitgliedstaat erheblichen Angaben sind in
melden müssen, besteht die Möglichkeit, mit Absatz 3 Satz 2 aufgeführt. Dem anderen
der AZR-Meldung zugleich auch die Mitteilung Mitgliedstaat kann damit auch im Wortlaut die
an die nationale Kontaktstelle vorzunehmen. aufenthaltsrechtliche Entscheidung der deut-
Daher wurde eine Rechtsgrundlage dafür ge- schen Behörde mitgeteilt werden, damit der
schaffen, damit das Ausländerzentralregister andere Mitgliedstaat bei bevorstehender Ab-
die wesentlichen von der nationalen Kontakt- schiebung in das eigene Gebiet in die Lage
stelle benötigten Daten automatisiert an diese versetzt wird zu prüfen, ob er dem Be-
weiterleiten darf. Auf diese Weise wird der Ar- troffenen weiterhin noch ein Aufenthaltsrecht
beitsaufwand für die Ausländerbehörden ver- gewährt. Satz 3 verpflichtet die Ausländer-
mindert, weil die entsprechenden Daten nicht behörden, dem Bundesamt für Migration und
zweimal gemeldet werden müssen. Flüchtlinge die für die Mitteilung erforder-
lichen Angaben zu übermitteln.
91c.2 Deutschland will in ein Land außerhalb des
Geltungsbereichs der Daueraufenthalt- 91c.4 Übermittlung der Personalien bei Absatz 1
Richtlinie abschieben bis 3
91c.2.1 § 91c Absatz 2 setzt Artikel 22 Absatz 3 Un- Absatz 4 regelt für die Mitteilungen nach Ab-
terabsatz 2 und 3 Satz 2 Daueraufenthalt- satz 1 bis 3, dass jeweils die Personalien des
Richtlinie um. Hier will eine deutsche Aus- Ausländers anzugeben sind, damit der Emp-
länderbehörde gegen einen Ausländer, der eine fängermitgliedstaat der jeweiligen Mitteilung
Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG in dem die betreffende Person identifizieren kann. Im
anderen Mitgliedstaat besitzt und sich in Hinblick auf Artikel 22 Absatz 2 Daueraufent-
Deutschland mit einem Aufenthaltstitel nach halt-Richtlinie, der auf Artikel 22 Absatz 1
§ 38a aufhält, nach § 51 Absatz 8 aufenthalts- Daueraufenthalt-Richtlinie Bezug nimmt, sind
beendende Maßnahmen (Aufhebung der Auf- in den dort erfassten Fällen auch die Perso-
enthaltserlaubnis, Ausweisung, Abschiebungs- nalien der betroffenen Familienangehörigen zu
anordnung) ergreifen und die Abschiebung in übermitteln, die in Artikel 22 Absatz 1 Dauer-
ein Land außerhalb des Geltungsbereichs der aufenthalt-Richtlinie ebenfalls genannt sind.
Seite 1240 GMBl 2009 Nr. 42– 61

91c.5 Anderer Mitgliedstaat leitet aufenthalts- spiegelbildlichen Mitteilungspflicht auch § 91c


beendende Maßnahmen ein Absatz 1) mit.
91c.5.1 In der Absatz 5 zugrunde liegenden Fall-
gestaltung beabsichtigt der andere Mitglied- 91d Zu § 91d – Innergemeinschaftliche Auskünfte
staat, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen zur Durchführung der Richtlinie 2004/114/
einen in Deutschland mit einer Erlaubnis zum EG (Studentenrichtlinie)
Daueraufenthalt-EG aufhältigen Ausländer zu
ergreifen und die Abschiebung in ein Land au- 91d.0 Allgemeines
ßerhalb des Geltungsbereichs der Daueraufent-
halt-Richtlinie zu veranlassen. § 91d regelt Mitteilungspflichten zwischen den
zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten, die
91c.5.2 Die Vorschrift regelt daher die Mitteilungs- Studenten die Wahrnehmung der Mobilitätsre-
pflichten des Bundesamtes für Migration und gelungen nach Artikel 8 der Richtlinie 2004/
Flüchtlinge gegenüber der zuständigen Stelle 114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über
des konsultierenden anderen Mitgliedstaates, die Bedingungen für die Zulassung von Dritt-
der die Rückführungen betreiben will (Beteili- staatsangehörigen zwecks Absolvierung eines
gungsverfahren anderer Mitgliedstaaten, spie- Studiums oder zur Teilnahme an einem Schü-
gelbildlich zu der Konsultationspflicht nach leraustausch, einer unbezahlten Ausbil-
§ 91c Absatz 2). dungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst
(ABl. EU Nummer L 375 S. 12, so genannte
91c.5.3 Zudem konkretisiert die Vorschrift die Daten,
Studentenrichtlinie) erleichtern. Das Bundes-
die die deutsche Ausländerbehörde über das
amt für Migration und Flüchtlinge nimmt
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem
hierzu eine zentrale Funktion beim innerge-
anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
meinschaftlichen Datenaustausch wahr. § 91d
übermittelt, um dort eine sachgerechte Ent-
setzt Artikel 8 Absatz 3 der Studentenrichtlinie
scheidung über die Aufenthaltsbeendigung und
um, der vorsieht, dass die zuständigen Be-
zur Auswahl des Zielstaats einer Rückfüh-
hörden des ersten Mitgliedstaates, in dem der
rungsmaßnahme treffen zu können. Die zu
Student zugelassen wurde, auf Antrag der zu-
übermittelnden Daten dienen sowohl dem an-
ständigen Behörde des zweiten Mitgliedstaates,
lassbezogenen Abgleich der ausländerrecht-
in dem der Student einen Teil seines begon-
lichen Bestandsdaten (Satz 2 Nummer 1 und 2)
nenen Studiums fortsetzen möchte, sach-
als auch der sachgerechten Vorbereitung der
dienliche Informationen über den Aufenthalt
Entscheidung des konsultierenden Mitglied-
des Studenten in seinem Hoheitsgebiet erteilt.
staates, ob er tatsächlich eine Abschiebung in
Auskunftserteilungen und Auskunftsersuchen
ein Land außerhalb des Geltungsbereichs der
kommen nur in den Fällen in Betracht, in denen
Daueraufenthalt-Richtlinie veranlasst.
Studenten einen Teil des Studiums in einem
91c.5.4 Absatz 5 dient damit der Umsetzung des Arti- zweiten Mitgliedstaat absolvieren.
kels 22 Absatz 3, Unterabsatz 2 und 3 Satz 2
Daueraufenthalt-Richtlinie. 91d.1 Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat nach
Studienzulassung in Deutschland
91c.6 Mitteilungspflichten des Bundesamtes für 91d.1.0 Absatz 1 regelt den Fall, dass ein Student, der in
Migration und Flüchtlinge gegenüber den Deutschland bereits zum Studium zugelassen
Ausländerbehörden worden ist, dieses nunmehr in einem zweiten
91c.6.0 Anders als Absatz 1 bis 5 regelt Absatz 6 Mit- Mitgliedstaat fortsetzen will. Auf Ersuchen der
teilungspflichten des Bundesamtes gegenüber zuständigen Behörden des zweiten Mit-
den Ausländerbehörden der Länder. Er schafft gliedstaates erteilt das Bundesamt für Migration
die Grundlage dafür, dass die zuständige Aus- und Flüchtlinge als nationale Kontaktstelle die
länderbehörde von den durch die Richtlinie erforderlichen Auskünfte.
vorgesehenen Mitteilungen im Rahmen von 91d.1.1 Als zu übermittelnde Daten sind neben den zur
Beteiligungsverfahren anderer Mitgliedstaaten Identifizierung dienenden Personalien (Satz 2
durch das Bundesamt Kenntnis erhält. Nummer 1, Familiennamen(n), Geburtsname,
91c.6.1 In Absatz 6 Nummer 1 teilt der andere Mit- Vorname(n), früher geführte Namen, Geburts-
gliedstaat mit, dass gegen den Ausländer, der datum, Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehö-
sich in Deutschland mit einer Erlaubnis zum rigkeit und Wohnanschrift im Inland sowie
Daueraufenthalt-EG aufhält, aufenthalts- zum vorgelegten Identitäts- und Reisedoku-
beendende Maßnahmen bevorstehen bzw. be- ment Art, Nummer, ausstellende Behörde,
reits durchgeführt worden sind (siehe zur spie- Ausstellungsdatum und Ablauf der Gültigkeit),
gelbildlichen Mitteilungspflicht auch § 91c Ab- den Angaben zum Aufenthaltsstatus (Satz 2
satz 3). Nummer 2, Art des Aufenthaltstitels, ausstel-
lende Behörde, Nummer, Ausstellungsdatum,
91c.6.2 In Absatz 6 Nummer 2 teilt der andere Mit- Ablauf der Gültigkeit) Angaben zu straf-
gliedstaat die Erteilung einer Erlaubnis zum rechtlichen Ermittlungsverfahren genannt
Daueraufenthalt-EG bzw. die Erteilung bzw. (Satz 2 Nummer 3), die dazu führen können,
Verlängerung eines Aufenthaltstitels (siehe zur dass der zweite Mitgliedstaat aus Gründen der
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1241

öffentlichen Sicherheit einen Aufenthalt in sei- Vorbemerkung zu den §§ 95 bis 98


nem Hoheitsgebiet ablehnt, sowie andere An-
gaben, die in dem Ersuchen genannt sind und Vor 95.0 Allgemeine Vorbemerkungen
die im Ausländerzentralregister gespeichert
Vor 95.0.1 Die §§ 95 bis 98 enthalten die Straf- und Buß-
oder in der Ausländer- oder Visumakte ent-
geldvorschriften des Aufenthaltsgesetzes. Da-
halten sind (Satz 2 Nummer 4).
neben sind Straf- und Bußgeldvorschriften im
91d.1.2 Soweit zur Erteilung der Auskunft der Daten- AsylVfG (§§ 84 bis 86 AsylVfG), im Schwarz-
bestand des Ausländerzentralregisters nicht ArbG (§§ 10, 11 SchwarzArbG), im SGB III
ausreicht, kann das Bundesamt für Migration (§ 404 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 3 und
und Flüchtlinge nach Satz 3 von den Aus- Nummer 4 SGB III), im AÜG (§§ 15, 16 AÜG)
länderbehörden oder – wenn die Erteilung von sowie im FreizügG/EU (§§ 9, 10 FreizügG/EU
Visa betroffen ist – den Auslandsvertretungen und § 11 Absatz 1 Satz 1 FreizügG/EU i. V. m.
nähere Auskünfte verlangen. Dies kann etwa § 95 Absatz 1 Nummer 4 und 8, Absatz 2
erforderlich sein, wenn die zuständige Behörde Nummer 2, Absatz 4, §§ 96, 97 und 98 Absatz 2
des anderen Mitgliedstaates Angaben benötigt, Nummer 2, Absatz 2a und 3 Nummer 3, Ab-
die nur in der Ausländer- oder Visumakte, nicht satz 4 und 5) zu beachten.
aber im Ausländerzentralregister gespeichert
Vor 95.0.2 Die aufenthaltsrechtlichen Straf- und Bußgeld-
sind, wie etwa zu Auskünften, die der Aus-
vorschriften sollen die Einhaltung der aus-
länder bei der Beantragung des deutschen Auf-
länderrechtlichen Vorschriften gewährleisten.
enthaltstitels gegeben hat.
Sie dienen unter anderem der Aufrechter-
haltung der öffentlichen Sicherheit und knüp-
91d.2 Studienfortsetzung in Deutschland fen insbesondere an den Besitz eines Aufent-
haltstitels und eines Passes oder Passersatzes
91d.2.1 Absatz 2 regelt spiegelbildlich zum Absatz 1
sowie die ordnungsrechtlichen Vorschriften des
den Fall, dass ein Student bereits in einem Mit-
Aufenthaltsgesetzes an.
gliedstaat zum Studium zugelassen worden ist
und dieses nunmehr in Deutschland fortsetzen Vor 95.1 Anwendbarkeit des Aufenthaltsgesetzes
will. Die Auskunftsersuchen der deutschen
Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden Vor 95.1.1 Das aufenthaltsrechtliche Nebenstrafrecht
an andere Mitgliedstaaten der Europäischen kann nur dann Anwendung finden, wenn das
Union sind über das Bundesamt für Migration Aufenthaltsrecht einschlägig ist. Dies bestimmt
und Flüchtlinge vorzunehmen. sich maßgeblich nach § 1 sowie nach dem je-
weiligen Straftatbestand.
91d.2.2 Die in Satz 2 Nummer 1 genannten Daten die-
nen der näheren Identifikation des Ausländers; Vor 95.1.2 Soweit tatbestandlich an ein Verhalten des
die Daten zum Aufenthaltstitel und zum Iden- Ausländers angeknüpft wird, kommen als Täter
titäts- und Reisedokument (Satz 2 Nummer 2) nur Nicht-Deutsche (§ 2 Absatz 1) in Betracht,
sollen es ermöglichen, routinemäßig Fäl- die nicht unter die Ausnahmen des § 1 Absatz 2
schungen von Aufenthaltstiteln aufzudecken, fallen. Damit sind u. a. Unionsbürger sowie
indem der andere Mitgliedstaat die übermittel- weitere nach dem FreizügG/EU Begünstigte
ten Daten mit den dort gespeicherten Daten ausgenommen. Auf diese sind die §§ 95 ff. je-
abgleichen kann. Durch die in Satz 2 Num- doch gemäß § 11 Absatz 1 Satz 1 FreizügG/EU
mer 3 vorgesehene Angabe zum Gegenstand teilweise anwendbar.
und Ort des Antrages wird der Anlass der An-
frage näher bestimmt. In besonderen Fällen Vor 95.1.3 Gleichwohl kann jedermann (z. B. jeder Deut-
kann die Auslandsvertretung oder Ausländer- sche, Unionsbürger) i. V. m. §§ 26, 27 StGB der
behörde auch gezielte Auskünfte vom anderen Teilnahme strafbar sein. Zu den Einzelheiten
Mitgliedstaat anfordern, etwa, wenn Anhalts- siehe Nummer 96.1. ff.
punkte für das Vorliegen von Versagungs-
Vor 95.1.4 Handlungen von Personen, die im Rahmen ih-
gründen vorhanden sind und der andere Mit-
res Berufes oder ihres sozial anerkannten Eh-
gliedstaat hierzu möglicherweise spezifische
renamtes tätig werden (insbesondere Apo-
Auskünfte erteilen könnte.
theker, Ärzte, Hebammen, Angehörige von
Pflegeberufen, Psychiater, Seelsorger, Lehrer,
Sozialarbeiter, Richter oder Rechtsanwälte),
91e Zu § 91e – Gemeinsame Vorschriften für das
werden regelmäßig keine Beteiligung leisten,
Register zum vorübergehenden Schutz und
soweit die Handlungen sich objektiv auf die
zu innergemeinschaftlichen Datenübermitt-
Erfüllung ihrer rechtlich festgelegten bzw.
lungen
anerkannten berufs-/ehrenamtsspezifischen
Nicht belegt. Pflichten beschränken. Zum Rahmen dieser
Aufgaben kann auch die soziale Betreuung und
Beratung aus humanitären Gründen gehören,
92–94 Zu den §§ 92–94 – Beauftragte für Migration, mit dem Ziel Hilfen zu einem menschen-
Flüchtlinge und Integration würdigen Leben und somit zur Milderung von
Not und Hilflosigkeit der betroffenen Aus-
Nicht belegt. länder zu leisten.
Seite 1242 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Vor 95.2 Anwendbarkeit des aufenthaltsrechtlichen Vor 95.4.2 Voraussetzung einer zwingenden Ausweisung
Strafrechts (einschließlich des Ordnungs- und einer Ausweisung im Regelfall ist hingegen
widrigkeitenrechts) eine rechtskräftige Verurteilung gemäß §§ 96
oder 97 (vgl. § 53 Nummer 3 und § 54 Num-
Vor 95.2.1 Weitere Voraussetzung einer aufenthalts-
mer 2) oder wegen vorsätzlich verübter Straf-
rechtlichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit
taten allgemein (§ 53 Nummer 1, Nummer 2
ist die Anwendbarkeit der Norm, der zufolge
und § 54 Nummer 1).
das Verhalten sanktioniert werden kann. Dies
regelt sich nach §§ 2 bis 9 StGB bzw. §§ 2 bis 7
OWiG. 95 Zu § 95 – Strafvorschriften
Vor 95.2.2 Das deutsche Strafrecht findet nach § 3 StGB
grundsätzlich nur auf im Inland begangene 95.0 Allgemeines
Straftaten Anwendung. Für die danach not- 95.0.0.1 § 95 enthält eine Vielzahl aufenthaltsrechtlicher
wendige Bestimmung des Ortes der Tat muss Vergehen (vgl. § 12 Absatz 2 StGB). Dabei
§ 9 StGB herangezogen werden. Darüber hin- muss die unterschiedliche Strafobergrenze der
aus findet das deutsche Strafrecht nach §§ 2 und Tathandlungen der Absätze 1 und 1a (Bestra-
4 bis 7 StGB Anwendung. fung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
Vor 95.2.3 Ordnungswidrigkeiten können grundsätzlich Geldstrafe) von der des Absatzes 2 (Bestrafung
nur im Geltungsbereich des OWiG begangen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
werden (vgl. § 5 OWiG). Der Ort der Hand- Geldstrafe) unterschieden werden.
lung wird nach § 7 OWiG bestimmt. 95.0.0.2 Strafbar ist gemäß § 15 StGB grundsätzlich nur
vorsätzliches Verhalten. Fahrlässiges Verhalten
Vor 95.3 Beteiligungs- und Übermittlungspflichten
kann unter den Voraussetzungen des § 98 Ab-
Vor 95.3.1 Soweit ein begründeter Verdacht auf Verstöße satz 1 als Ordnungswidrigkeit geahndet wer-
gegen straf- bzw. bußgeldbewehrte Be- den.
stimmungen des Ausländerrechts vorliegt, ha-
95.0.1 Absatz 1 stellt die folgenden vorsätzlichen Tat-
ben die nach §§ 71 f. zuständigen Behörden im
handlungen unter Strafe:
Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung die Pflicht,
dies den Strafverfolgungs- bzw. Bußgeld- 95.0.1.1 – Aufenthalt ohne erforderlichen Pass und
behörden anzuzeigen. Die Ausländerbehörde ohne Pass- bzw. Ausweisersatz (Num-
unterrichtet die zuständige Staatsanwaltschaft mer 1),
über eine beabsichtigte Ausweisung und Ab-
95.0.1.2 – Aufenthalt ohne erforderlichen Aufent-
schiebung, wenn gegen den Ausländer ein straf-
haltstitel (Nummer 2),
rechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet
oder öffentliche Klage erhoben ist (§ 72 Ab- 95.0.1.3 – unerlaubte Einreise (Nummer 3),
satz 4; vgl. Nummer 72.4). Das staatliche Inter-
95.0.1.4 – Verstoß gegen ein Ausreiseverbot oder das
esse an der Strafverfolgung kann dem öffentli-
Verbot bzw. die Beschränkung der politi-
chen Interesse an aufenthaltsbeendenden Maß-
schen Betätigung (Nummer 4),
nahmen gegen den Ausländer entgegenstehen.
95.0.1.5 – falsche Angaben zur Identitätsfeststellung
Vor 95.3.2 Die Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden
(Nummer 5),
unterrichten ihrerseits gemäß § 87 Absatz 4
Satz 1 und 3 (sowie Nummer 42 MiStra) die 95.0.1.6 – Verstoß gegen Duldungspflichten im Rah-
zuständige Ausländerbehörde über die Einlei- men der Überprüfung, Feststellung und Si-
tung eines Straf- bzw. Bußgeldverfahrens sowie cherung der Identität (Nummer 6),
über die Verfahrenserledigung (vgl. Num-
95.0.1.6a – Verstoß gegen auf § 54a beruhende Pflichten
mer 87.4). Zur örtlichen Zuständigkeit der
(Nummer 6a),
Ausländerbehörden vgl. Nummer 71.1.2. ff..
95.0.1.7 – wiederholter Verstoß gegen räumliche Be-
Vor 95.3.3 Zur Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für
schränkungen i. S. d. § 61 Absatz 1 (Num-
Migration und Flüchtlinge siehe Num-
mer 7),
mer 56.4.3.1 und 56.4.3.2. Bei Straftaten im Zu-
sammenhang mit dem Vortäuschen von Identi- 95.0.1.8 – Zugehörigkeit zu einer geheimen Aus-
täten, einer Bezugsberechtigung für soziale ländervereinigung oder -gruppe (Num-
Leistungen für nicht hinreichend identifizier- mer 8).
bare Personen oder Falschbeurkundungen
95.0.1a Absatz 1a stellt die vorsätzliche unerlaubte Er-
können Mitteilungen an die nach dem AsylbLG
werbstätigkeit von Ausländern mit Schengen-
zuständigen Behörden in Betracht kommen
Visum unter Strafe.
(siehe Nummer 90.3.2).
95.0.2 Absatz 2 stellt die folgenden vorsätzlichen Tat-
Vor 95.4 Ausweisung auf Grund von strafbarem oder
handlungen unter Strafe:
ordnungswidrigem Verhalten
95.0.2.1 – Verstoß gegen ein Einreise- oder Aufent-
Vor 95.4.1 Unabhängig von einer strafgerichtlichen Ver-
haltsverbot (Nummer 1),
urteilung können Verstöße gegen strafbewehrte
Vorschriften den Grund einer Ermessensaus- 95.0.2.2 – Falsche Angaben bei der Beantragung eines
weisung darstellen (§ 55 Absatz 2 Nummer 2). Aufenthaltstitels oder einer Duldung oder
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1243

Nutzung einer so beschafften falschen Ur- kommt. Zu der Frage der Zumutbarkeit vgl.
kunde (Nummer 2). Nummer 48.2.
95.0.3 Die übrigen Absätze 3 bis 6 regeln die Anord- 95.1.1.6 Von der Passpflicht des Ausländers sind die
nung der Versuchsstrafbarkeit, die Einziehung, Passvorlagepflicht (§ 48 Absatz 1 Nummer 1)
eine besondere Strafbefreiung von Flüchtlingen und die Passmitführungspflicht (§ 13 Absatz 1
nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie Satz 2) zu unterscheiden. Zuwiderhandlungen
die Gleichstellung von Handeln ohne Aufent- gegen diese Pflichten sind bußgeldbewehrt
haltstitel mit dem Handeln mit widerrechtlich (§ 98 Absatz 2 Nummer 2 und Nummer 3, Ab-
erwirktem oder erschlichenem Aufenthaltstitel. satz 3 Nummer 3). Verstöße gegen sonstige
ausweisrechtliche Pflichten nach § 56 Num-
95.1 Straftaten mit einer Strafobergrenze von mer 1 bis 7, § 56 Absatz 2 Satz 1 und § 57 Auf-
einem Jahr Freiheitsstrafe enthV sind ebenfalls bußgeldbewehrt (§ 98 Ab-
satz 3 Nummer 7, § 99 Absatz 1 Nummer 10,
95.1.1 Aufenthalt ohne erforderlichen Pass und ohne § 77 AufenthV).
Pass- bzw. Ausweisersatz
95.1.1.7 Hält sich der Ausländer nicht vorsätzlich, son-
95.1.1.1 § 95 Absatz 1 Nummer 1 stellt nur den Auf- dern fahrlässig im Bundesgebiet ohne er-
enthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ohne forderlichen Pass, Passersatz oder Ausweiser-
Pass und ohne Pass- bzw. Ausweisersatz unter satz auf, ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 98
Strafe (z. B. bei Überschreitung der Gültig- Absatz 1 gegeben.
keitsdauer des Passes, sofern diese nicht auf
Grund des Europäischen Übereinkommens 95.1.1.8 Bei der Erstattung einer Strafanzeige sind daher
über die Regelung des Personenverkehrs zwi- die genauen Umstände des Verstoßes gegen § 3
schen den Mitgliedstaaten des Europarats vom Absatz 1 i. V. m. § 48 Absatz 2 anzugeben, z. B.
13. Dezember 1957 (BGBl. 1959 II S. 390) oder ob der Ausländer den Pass vernichtet hat, um
auf Grund bilateraler Abkommen unerheblich der zwangsweisen Beendigung seines Aufent-
ist); die unerlaubte Einreise ohne Pass unterfällt halts zu entgehen.
§ 95 Absatz 1 Nummer 3.
95.1.1.9 Bei Zweifeln daran, ob eine Vorsatztat in diesen
95.1.1.2 Soweit der Ausländer nicht von der Passpflicht Fällen vorliegt, hat sich die zuständige Behörde
befreit ist (§ 14 AufenthV) oder ihm eine Aus- mit der Strafverfolgungsbehörde ins Benehmen
nahme gemäß § 3 Absatz 2 zugestanden wurde, zu setzen. Ggf. ist die Sache an die Bußgeld-
muss er während seines Aufenthalts im Bun- behörde weiterzuleiten.
desgebiet – d. h. nach der Einreise – einen gül-
95.1. 1. 10 Für die nach dem FreizügG/EU begünstigten
tigen Pass, Passersatz oder Ausweisersatz be-
Ausländer – auf welche die Vorschriften des
sitzen (§ 3 Absatz 1, § 14 Absatz 1 Nummer 1
Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich nicht an-
und Absatz 2). Zur Ausweispflicht von Asyl-
wendbar sind (§ 1 Absatz 2 Nummer 1) – gilt
bewerbern siehe § 64 AsylVfG.
hinsichtlich der Erfüllung der Passpflicht und
95.1.1.3 Besitz setzt jedoch nicht voraus, dass der Aus- Passmitführungspflicht der besondere Buß-
länder die Dokumente bei sich führt. Besitz in geldtatbestand des § 10 FreizügG/EU.
diesem Sinne liegt bereits dann vor, wenn der
95.1.2 Aufenthalt ohne erforderlichen Aufenthaltstitel
Ausländer binnen angemessener Frist nach-
weisen kann, dass er über ein entsprechendes 95.1.2.1 Der Tatbestand des § 95 Absatz 1 Nummer 2
Dokument verfügt (vgl. Nummer 3.1.4). Die setzt zunächst einen Aufenthalt im Bundesge-
Verwahrung des Passes (§ 50 Absatz 6) oder die biet – also nach erfolgter Einreise – ohne den
Ablieferung des Passes im Rahmen einer Haft- nach § 4 Absatz 1 Satz 1 erforderlichen Auf-
verschonung führen nicht zur Passlosigkeit. enthaltstitel voraus.
Der Ausländer hat zur Erfüllung der Passpflicht
den ausweisrechtlichen Pflichten nach § 56 95.1.2.1.1 Ausländer, die vom Erfordernis eines Aufent-
AufenthV nachzukommen. Er hat sich insbe- haltstitels befreit sind (siehe Nummer
sondere unverzüglich oder rechtzeitig vor Ab- 14.1.2.1.1), können den Tatbestand des § 95
lauf um einen gültigen Pass oder Passersatz zu Absatz 1 Nummer 2 nicht erfüllen. Dies gilt
bemühen (vgl. § 56 Nummer 1 AufenthV). beispielsweise gemäß § 15 AufenthV für Aus-
Nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 56 Absatz 1 Num- länder, die sich nach Artikel 21 Absatz 1 und 2
mer 4 AufenthV ist ggf. ein Ausweisersatz un- SDÜ in einem Schengen-Staat aufhalten dürfen.
verzüglich zu beantragen.
95.1.2.1.2 Ein Ausländer verfügt über einen Aufenthalts-
95.1.1.4 Ein Ausländer, der mit gültigem Pass einreist, titel, wenn ihm einer der in § 4 Absatz 1 Satz 2
diesen aber vorsätzlich nicht verlängert, erfüllt genannten Aufenthaltstitel erteilt worden ist.
den Tatbestand des § 95 Absatz 1 Nummer 1. Wie im Falle des § 95 Absatz 1 Nummer 1
kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer den
95.1.1.5 Sofern der Ausländer einen Pass weder besitzt Aufenthaltstitel bei sich führt (vgl. Num-
noch in zumutbarer Weise erlangen kann, mer 95.1.1.3).
kommt eine Strafbarkeit nur in Betracht, wenn
er seiner Passpflicht vorsätzlich auch nicht 95.1.2.1.3 Das Vorliegen eines Rechtsanspruchs auf Er-
durch den Besitz eines Ausweisersatzes nach- teilung eines Aufenthaltstitels schließt die
Seite 1244 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Strafbarkeit nach § 95 Absatz 1 Nummer 2 vornherein nicht offenbart, dass er in die Bun-
nicht aus. desrepublik eingereist ist oder indem er später
untertaucht.
95.1.2.1.4 Der Begriff „erforderlich“ ist so zu verstehen,
dass der Ausländer einen formal wirksamen 95.1.2.3.4 Die gesetzliche Fiktion der Aussetzung der
Aufenthaltstitel besitzen muss. Ob der tatsäch- Abschiebung gemäß § 81 Absatz 3 Satz 2 steht
liche Zweck seines Aufenthaltes durch den ihm der nach § 60a verfügten Aussetzung der Ab-
erteilten Aufenthaltstitel gedeckt ist, ist inso- schiebung gleich.
fern unerheblich (z. B. weil der Ausländer den
95.1.2.4.1 Eine Zuwiderhandlung i. S. v. § 95 Absatz 1
Aufenthaltszweck ändert).
Nummer 2 liegt z. B. nicht vor, wenn sich der
95.1.2.1.4.1 Soweit die ausgeübte Erwerbstätigkeit des Ausländer mit einem Schengenvisum im Bun-
Ausländers nicht durch den ihm erteilten Auf- desgebiet aufhält und eine § 4 Absatz 3 Satz 1
enthaltstitel gedeckt ist, kann das Verhalten ge- widersprechende Erwerbstätigkeit ausübt.
mäß § 95 Absatz 1a und § 11 Absatz 1 Num- Denn in diesen Fällen liegt trotz fehlender Ar-
mer 2 Buchstaben b) und d) SchwarzArbG beitserlaubnis das Schengenvisum als Aufent-
strafbar oder gemäß § 98 Absatz 3 Nummer 1 haltstitel vor. Eine solche Tathandlung kann je-
oder § 404 Absatz 2 Nummer 4 SGB III ord- doch § 95 Absatz 1a unterfallen.
nungswidrig sein.
95.1.2.4.2 Eine Strafbarkeit kann – bei wiederholter Zu-
95.1.2.1.4.2 Ein strafbares Verhalten liegt allerdings vor, widerhandlung – nach § 95 Absatz 1 Nummer 7
wenn ein Ausländer – der von dem Erfordernis nur i. V. m. einer räumlichen Beschränkung
eines Aufenthaltstitels (z. B. für einen kurz- nach § 61 Absatz 1 Satz 1 (vgl. auch Num-
fristigen Aufenthalt) befreit ist – formal recht- mer 95.1.7.4) sowie nach § 85 Nummer 2
mäßig ohne Aufenthaltstitel einreist, dann aber AsylVfG bestehen.
eine Erwerbstätigkeit ausübt, wofür er eines
95.1.2.5 Die Erstattung einer Strafanzeige in den Fällen
Aufenthaltstitels bedarf.
des § 95 Absatz 1 Nummer 2 kommt insbe-
95.1.2.1.5 Gemäß § 95 Absatz 6 steht einem Handeln sondere in Betracht, wenn die Ausreisefrist
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Han- (§ 50 Absatz 2, § 59 Absatz 1) abgelaufen ist,
deln auf Grund eines durch Drohung, Beste- ohne dass der Ausländer der Ausreisepflicht
chung oder Kollusion erwirkten oder durch nachgekommen ist und die Voraussetzungen
unrichtige oder unvollständige Angaben er- für eine Unterbrechung der Ausreisefrist nicht
schlichenen Aufenthaltstitels gleich (z. B. wenn vorliegen. Liegen Abschiebungsverbote oder
dem Ausländer bereits im Erteilungsverfahren Duldungsgründe nach den §§ 60 und 60a vor,
bewusst ist, dass er von den durch den Aufent- hat die zuständige Behörde vor der Erstattung
haltstitel gedeckten Zwecken abweichen wird). einer Strafanzeige von Amts wegen zu prüfen,
In diesen Fällen ist eine Prüfung der Wirksam- ob eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Dul-
keit des Aufenthaltstitels nicht erforderlich. dung zu erteilen ist. Bei Asylbewerbern hat sie
vor der Erstattung einer Strafanzeige stets zu
95.1.2.2.1 § 95 Absatz 1 Nummer 2 setzt weiterhin vor-
prüfen, ob die Aufenthaltsgestattung erloschen
aus, dass der Ausländer vollziehbar ausreise-
ist (§ 67 AsylVfG).
pflichtig ist.
95.1.2.6 Soweit die durch § 95 Absatz 1 Nummer 2 be-
95.1.2.2.2 Zur Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht vgl.
zeichnete Handlung nur fahrlässig begangen
Nummer 58.2 ff.
wird, liegt gemäß § 98 Absatz 1 ein ordnungs-
95.1.2.3.1 Schließlich darf die Abschiebung nicht ausge- widriges Verhalten vor.
setzt sein (vgl. § 60a). Maßgeblich sind in dieser
95.1.3 Unerlaubte Einreise
Hinsicht auch die in § 60 genannten Abschie-
bungsverbote, die zur rechtlichen Unmöglich- 95.1.3.1 Der Tatbestand des § 95 Absatz 1 Nummer 3
keit der Abschiebung i. S. d. § 60a Absatz 2 erfasst die Einreise eines Ausländers in das
Satz 1 führen. Bundesgebiet ohne erforderlichen Aufenthalts-
titel bzw. ohne erforderlichen Pass oder Pass-
95.1.2.3.2 Eine Strafbarkeit scheidet auch dann aus, wenn
ersatz. Zu den Voraussetzungen dieser uner-
die Aussetzung der Abschiebung zwar nicht
laubten Einreise vgl. Nummer 14.1. „Besitz“
formal erfolgt ist, ihre Voraussetzungen aber
setzt nicht voraus, dass der Ausländer die Do-
vorliegen oder wenn die Erfüllung der Aus-
kumente bei sich führt (gemäß § 98 Absatz 3
reisepflicht dem Ausländer auf Grund der be-
Nummer 3 kann dies jedoch eine Ordnungs-
sonderen Umstände des Einzelfalles unmöglich
widrigkeit darstellen). Wegen der Einzelheiten
oder unzumutbar ist. Soweit konkrete Anhalts-
zum Erfordernis des Besitzes vgl. Num-
punkte hierfür bestehen, soll die Strafverfol-
mer 95.1.1.3.
gungsbehörde das Verfahren unter Fristsetzung
gemäß § 154d StPO vorläufig einstellen. 95.1.3.2 Der Versuch ist nach § 95 Absatz 3 strafbar.
95.1.2.3.3 Abweichend von diesem Grundsatz steht der 95.1.3.2.1 Stellt sich ein Ausländer ordnungsgemäß einer
Strafbarkeit das Vorliegen von Aussetzungs- Grenzübertrittskontrolle und wird er aufgrund
gründen dann nicht entgegen, wenn der Aus- des Nichterfüllens der sich aus Artikel 5
länder die Entscheidung über die Aussetzung Schengener Grenzkodex ergebenden Einreise-
der Vollziehung vereitelt, z. B. indem er von voraussetzungen zurückgewiesen, so liegt kein
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1245

Versuch im Sinne dieser Vorschrift vor. Erst 95.1.4.0 Die Strafnorm sanktioniert Zuwiderhand-
wenn dem Ausländer unterstellt werden kann, lungen gegen vollziehbare Ordnungsver-
dass er die Voraussetzungen für eine Einreise fügungen gemäß § 46 Absatz 2 Satz 1 oder 2
wissentlich nicht erfüllt – was sich ggf. aus oder § 47 Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2.
einem im Pass oder Passersatz angebrachten
Zurückweisungsstempel ergeben kann –, aber 95.1.4.1 Nach § 46 Absatz 2 Satz 1 kann einem Aus-
dennoch versucht einzureisen, ist von einem länder in entsprechender Anwendung von § 10
strafbaren Versuch auszugehen. Absatz 1 und 2 PassG die Ausreise untersagt
werden. Nach § 46 Absatz 2 Satz 2 kann einem
95.1.3.2.2 Ein Versuch einer unerlaubten Einreise liegt Ausländer die Ausreise untersagt werden, wenn
ferner dann vor, wenn ein nicht einreise- er in einen Staat reisen will, ohne im Besitz der
berechtigter Ausländer die Einreisekontrolle dafür erforderlichen Dokumente und Er-
umgehen oder sich ihr entziehen will. Dies laubnisse zu sein (vgl. Nummer 46.2).
kann beispielsweise durch ein Verstecken im
Kofferraum eines KFZ, auf Ladeflächen von 95.1.4.2 Auch die Zuwiderhandlung gegen eine voll-
LKW oder in Stauräumen von Zügen oder ziehbare Anordnung nach § 47 Absatz 1 Satz 2
Schiffen gegeben sein. Weiterhin liegt ein Ver- oder Absatz 2 (Verbot oder Beschränkung po-
such der unerlaubten Einreise vor, wenn ein litischer Betätigung) begründet die Strafbarkeit
Ausländer zur Einreise ge- oder verfälschte nach § 95 Absatz 1 Nummer 4. Erkenntnisse
Dokumente oder Pseudopässe benutzt. und Mitteilungen über Zuwiderhandlungen
sind in die Ausländerakten aufzunehmen.
95.1.3.2.3 An einer Schengenbinnengrenze ist die Einreise
mit Überschreiten der Grenzlinie beendet. So- 95.1.4.3 Die Vollziehbarkeit der Anordnungen tritt z. B.
mit handelt es sich nicht mehr um den Versuch ein,
einer unerlaubten Einreise, sondern um die – wenn dies gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1
vollendete Tat. Allerdings ist hier § 9 StGB Nummer 4 VwGO besonders angeordnet
heranzuziehen. Danach wird der Ort, an dem worden ist,
der Täter den Eintritt des Erfolges beabsichtigt,
– nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist oder
als Tatort betrachtet. So ist die Feststellung
eines „versteckten“ Ausländers z. B. durch eine – wenn die aufschiebende Wirkung des
gemeinsame Streife im benachbarten Staat vor Rechtsbehelfs gemäß § 80b Absatz 1
Passieren der Grenzlinie als versuchte uner- VwGO
laubte Einreise zu werten und zu verfolgen.
endet.
95.1.3.3 Die Strafbarkeit der unerlaubten Einreise bei
95.1.5 Verstoß gegen Auskunftspflichten des § 49 Ab-
Bestehen eines Einreiseverbotes (§ 14 Absatz 1
satz 2
Nummer 3) ist durch § 95 Absatz 2 Nummer 1
Buchstabe a) unter Strafe gestellt. 95.1.5.1 Die Voraussetzungen sind weiter gefasst als die
des § 95 Absatz 2 Nummer 2, der § 92 Absatz 2
95.1.3.4 Gemäß § 95 Absatz 6 steht einer Einreise ohne
Nummer 2 AuslG ersetzt. Die Vorschrift be-
erforderlichen Aufenthaltstitel eine Einreise auf
zweckt, der Verschleierung der Identität und
Grund eines durch Drohung, Bestechung oder
Staatsangehörigkeit entgegenzuwirken, die der
Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder
Durchsetzung vollziehbarer Rückführungs-
unvollständige Angaben erschlichenen Aufent-
entscheidungen entgegenstehen und zur Inan-
haltstitels gleich.
spruchnahme von Sozialleistungen führen
95.1.3.5 Bei der unerlaubten Einreise von Schutz- kann.
suchenden ist § 95 Absatz 5 zu beachten (vgl.
95.1.5.2 Tatbestandlich ist vorausgesetzt, dass die
Nummer 95.5).
Pflichtverletzung nicht bereits durch Absatz 2
95.1.3.5.1 Handelt es sich um Flüchtlinge i. S. d. Genfer Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, der eine hö-
Flüchtlingskonvention, so ist deren unerlaubte here Strafobergrenze vorsieht.
Einreise nach Maßgabe von Artikel 31 Absatz 1
95.1.5.3 Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht des § 49
der Genfer Flüchtlingskonvention straflos (vgl.
Absatz 2 ist gerade im Hinblick auf die Straf-
§ 95 Absatz 5).
androhung nur dann anzunehmen, wenn die
95.1.3.5.2 Handelt es sich nicht um einen Flüchtling i. S. d. vom Ausländer geforderten Angaben und Er-
Genfer Flüchtlingskonvention, so ist seine un- klärungen für diesen erkennbar den ausländer-
erlaubte Einreise nur dann straflos, wenn er rechtlichen Wirkungskreis der Behörde be-
nach Artikel 16a GG Asyl genießt. Die erst treffen (vgl. Nummer 49.2.2). Dies ist nicht nur
nach Einreise auf Grund des Asylantrags ge- dann anzunehmen, wenn ein Hinweis gemäß
setzlich angeordnete Aufenthaltsgestattung § 82 Absatz 3 erfolgt ist, sondern auch dann,
(§ 55 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) beseitigt die wenn sich dies aus den allgemeinen Umständen
eingetretene Strafbarkeit der unerlaubten Ein- ergibt.
reise nicht rückwirkend.
95.1.5.4 Ein Verstoß liegt vor, wenn der Ausländer kei-
95.1.4 Verstoß gegen ein Ausreiseverbot oder das nerlei Angaben macht oder seine Angaben un-
Verbot bzw. die Beschränkung der politischen vollständig oder – wenn auch nur im Hinblick
Betätigung auf einzelne Punkte – falsch sind.
Seite 1246 GMBl 2009 Nr. 42– 61

95.1.5.5 Ein Verstoß gegen die ebenfalls durch § 49 Ab- nach den § 54a Absatz 1 bis 4. Außerhalb des
satz 2 geregelten Erklärungspflichten ist nicht durch Haft begründeten Gewahrsams gilt:
strafbar.
95.1.6a.1.1 Erst der wiederholte – also der zweite und jeder
95.1.6 Verstoß gegen Duldungspflichten im Rahmen darauf folgende – Verstoß gegen die Melde-
der Überprüfung, Feststellung und Sicherung pflicht gemäß § 54a Absatz 1 begründet die
der Identität (§ 49 Absatz 10) Strafbarkeit. Der erstmalige oder fahrlässige
95.1.6.1 Die Vorschrift richtet sich gegen die Verletzung Verstoß gegen § 54a Absatz 1 Satz 2 stellt ggf.
der Duldungspflicht nach § 49 Absatz 10. Diese eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 98 Absatz 3
Pflicht erstreckt sich auf die durch § 49 Ab- Nummer 4).
satz 1 und Absatz 3 bis 8 geregelten Maßnah- 95.1.6a.1.2 Unerheblich ist, ob der erste Verstoß durch
men. Ausreichend ist grundsätzlich eine von Bußgeldbescheid oder eine gerichtliche Ent-
dem Ausländer zu vertretende Verhinderung scheidung rechtskräftig geahndet worden ist.
der Maßnahme über einen nicht nur unerhebli- Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der erste
chen Zeitraum. Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen
95.1.6.2 Die Duldungspflicht entsteht erst mit dem wurde. Voraussetzung ist lediglich eine ob-
Eintritt der Vollziehbarkeit der Maßnahme. jektive Wiederholung des Verstoßes. In sub-
Siehe hierzu Nummer 95.1.4.3. jektiver Hinsicht ist erforderlich, dass dem
Ausländer sein früherer Verstoß zum Zeitpunkt
95.1.6.3 Auf die Frage der Rechtswidrigkeit der Maß- des wiederholten und vorsätzlichen Verstoßes
nahme kommt es grundsätzlich nicht an, da es bekannt ist.
für die Verwirklichung des objektiven Tat-
bestandes auf einen Verstoß gegen die Dul- 95.1.6a.2 Gleiches (siehe Nummer 95.1.6a.1.1 f.) gilt für
dungspflicht des § 49 Absatz 10 ankommt, die den Verstoß gegen die räumliche Beschränkung
lediglich die Vollziehbarkeit der Maßnahme, i. S. d. § 54a Absatz 2 und gegen sonstige im
nicht aber deren Rechtmäßigkeit voraussetzt. Zusammenhang mit der Ausweisung gemäß
§ 54 Nummer 5 oder 5a oder der Abschie-
95.1.6.4 Unerheblich ist auch, ob die Anordnung später bungsanordnung nach § 58a verfügten Auf-
rückwirkend aufgehoben wird. Die vollendete lagen.
Verwirklichung des Straftatbestandes wird
hierdurch nicht berührt. Der erstmalige bzw. jeder fahrlässige Verstoß
stellt ggf. eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 98
95.1.6.5 Die zuständige Behörde hat in ihrer Strafan-
Absatz 3 Nummer 2).
zeige darzutun, inwiefern sich der Ausländer
einer erkennungsdienstlichen Maßnahme ent- 95.1.6a.3 Bereits der erste Verstoß gegen eine angeord-
zogen hat. Musste die erkennungsdienstliche nete und gemäß § 54a Absatz 5 Satz 2 sofort
Maßnahme gegen den aktiven Widerstand des vollziehbare Wohnungsnahmeverpflichtung
Ausländers durchgeführt werden, ist im Hin- i. S. d. § 54a Absatz 3 (zu deren Voraussetzun-
blick auf den Verdacht einer Strafbarkeit wegen gen vgl. Nummer 54a.3.1) ist strafbar, wenn der
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte Ausländer zuvor wiederholt – also mindestens
(§ 113 StGB) Strafanzeige zu erstatten. zwei Mal – auf die rechtlichen Folgen einer
95.1.6a Verstoß gegen auf § 54a beruhende Pflichten Weigerung hingewiesen worden ist (siehe
(Nummer 6a) Nummer 54a.3.2 ff.).

95.1.6a.0 Die Sanktionierung soll die Befolgung der ge- Der fahrlässige Verstoß stellt ggf. eine Ord-
mäß § 54a angeordneten Maßnahmen fördern nungswidrigkeit dar (§ 98 Absatz 3 Num-
und dadurch dem Zweck dieser Vorschrift – der mer 4).
stärkeren Kontrolle gefährlicher, vollziehbar
ausreisepflichtiger Ausländer, die sich weiterhin 95.1.6a.4 Der erstmalige Verstoß gegen auferlegte und
im Bundesgebiet aufhalten – dienen. gemäß § 54a Absatz 5 Satz 2 sofort vollziehbare
Beschränkungen bei der Nutzung von Kom-
95.1.6a.0.1 Allgemeine Voraussetzung der Überwachung munikationsmitteln (§ 54a Absatz 4) genügt
gemäß § 54a – und somit auch für eine Straf- unabhängig von einer zuvor erfolgten Be-
barkeit gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 6a – ist, lehrung über die rechtlichen Folgen zur Be-
dass eine vollziehbare Ausweisungsverfügung gründung der Strafbarkeit. Auf die Frage der
nach 54 Nummer 5 oder 5a oder eine voll- Rechtmäßigkeit der Anordnung kommt es
ziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a grundsätzlich nicht an.
besteht. Daneben muss ein Verstoß gegen eine
Verpflichtung i. S. d. § 54a Absatz 1 bis 4 gege- 95.1.7 Wiederholter Verstoß gegen räumliche Be-
ben sein. schränkungen i. S. d. § 61 Absatz 1

95.1.6a.0.2 Das Verhalten des Ausländers in Haft – z. B. in 95.1.7.0 Diese Vorschrift bezweckt die Gleichbe-
Ab- oder Zurückschiebungshaft, aber auch in handlung von hierdurch betroffenen voll-
Untersuchungs- oder Strafhaft usw. – kann kei- ziehbar Ausreisepflichtigen und Asylbewer-
ne Strafbarkeit gemäß § 95 Absatz 1 Num- bern, deren entsprechendes Verhalten bereits
mer 6a begründen, denn gemäß § 54a Absatz 5 durch § 85 Nummer 2 AsylVfG unter Strafe
Satz 1 ruhen in dieser Zeit die Verpflichtungen gestellt ist.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1247

95.1.7.1 Täter kann nur sein, wer vollziehbar ausreise- der Organisation insgesamt, insbesondere ge-
pflichtig ist, vgl. hierzu Nummer 58.2. mäß § 14 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 VereinsG,
nicht aber lediglich ein Betätigungsverbot z. B.
95.1.7.2 Die Strafbarkeit wird durch den wiederholten –
nach § 14 Absatz 3 VereinsG gemeint. Sofern
also den zweiten und jeden weiteren – Verstoß
die Organisation zwar ihren Sitz im Ausland
gegen räumliche Beschränkungen i. S. d. § 61
hat, jedoch über eine Teilorganisation in
Absatz 1 Satz 1, von denen nach Satz 3 abge-
Deutschland verfügt, ist ein vollständiges Ver-
wichen werden kann, begründet.
bot dieser Teilorganisation, insbesondere ge-
95.1.7.3 Wegen der Einzelheiten zu den Anforderungen mäß § 14 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2, §§ 15 Ab-
an den früheren Verstoß wird auf Num- satz 1, 18 Satz 1 VereinsG, gemeint. Sofern die
mer 95.1.6a.1.2 verwiesen. Organisation über keine Organisationsstruk-
turen in Deutschland verfügt, ist auch ein dro-
95.1.7.4 Der Verstoß gegen eine räumliche Beschrän- hendes Verbot der Betätigung der Organisation
kung nach § 61 Absatz 1 Satz 2 ist nicht nach im räumlichen Geltungsbereich des Aufent-
§ 95 Absatz 1 Nummer 7 strafbar. haltsgesetzes, insbesondere gemäß § 14 Ab-
95.1.7.5 Die Strafbarkeit ist ausgeschlossen, soweit und satz 1 i. V. m. Absatz 2, §§ 15 Absatz 1, 18
solange dem Ausländer das Verlassen des Auf- Satz 2 VereinsG, ausreichend.
enthaltsbereiches gemäß § 12 Absatz 5 erlaubt
95.1.8.5 Eine Betätigung des Ausländers zur Erreichung
ist.
des Zieles ist nicht erforderlich, es reicht bereits
95.1.8 Zugehörigkeit zu einer geheimen Ausländer- die Zugehörigkeit.
vereinigung oder -gruppe
95.1a Unerlaubte Erwerbstätigkeit
95.1.8.1 Jedermann, also auch jeder Deutsche und Frei-
zügigkeitsberechtigte (§ 11 Absatz 1 Satz 1) 95.1a.1 Durch den Absatz 1a wird die unerlaubte Er-
kann als Täter strafbar sein. werbstätigkeit unter Strafe gestellt, sofern der
95.1.8.2 Der Begriff der Vereinigung stimmt mit dem Ausländer sich auf Grund eines Schengen-Vi-
der Vereinigung i. S. d. §§ 85, 86, 129, 129a StGB sums im Bundesgebiet aufhält.
überein. Es muss sich um eine auf eine längere 95.1a.2 Ausländern, denen ein nationales Visum, eine
Zeit angelegte Vereinigung einer Mehrzahl von Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsgestattung
– mindestens drei – Personen handeln, die sich oder Duldung erteilt ist, handeln bei uner-
zur Verfolgung gemeinsamer Ziele zusammen- laubter Erwerbstätigkeit nicht strafbar nach
geschlossen und einer organisierten Willens- § 95 Absatz 1a. Bei vorsätzlich beharrlich wie-
bildung unterworfen haben. Die Gruppe un- derholter Erwerbstätigkeit ohne den zur Aus-
terscheidet sich von der Vereinigung dadurch, übung einer Erwerbstätigkeit berechtigenden
dass es sich bei ihr um einen nur losen Zusam- Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 3 Satz 1 kann
menschluss von Menschen – auch hier sind jedoch eine Straftat nach § 11 Absatz 1 Num-
mindestens drei Personen zu fordern – handelt, mer 2 Buchstaben b) und d) SchwarzArbG er-
der noch nicht den organisatorischen Ver- füllt sein. Ansonsten ist das Verwirklichen eines
festigungsgrad einer Vereinigung erreicht haben Bußgeldtatbestands (§ 98 Absatz 3 Nummer 1
muss. Die Personen müssen mehrheitlich aus- bzw. § 404 Absatz 2 Nummer 4 SGB III) zu
ländischer Staatsangehörigkeit – d. h. i. S. d. § 2 prüfen.
Absatz 1 Nicht-Deutsche unter Einschluss der
in § 1 Absatz 2 benannten Personengruppen – Durch § 95 Absatz 1a ist die Strafbewehrung
oder staatenlos sein. der unerlaubten Erwerbstätigkeit bei Inhabern
von Schengen-Visa bezweckt, da diese – auf
95.1.8.3 Das Geheimhaltungserfordernis beschränkt Grund der mit dem Schengen-Visum gemäß § 6
sich nicht auf die Verheimlichung des Bestehens Absatz 1 einhergehenden engen zeitlichen Be-
der Organisation überhaupt, sondern wird dar- grenzung des Aufenthalts – keine Perspektive
über hinaus auf die Verheimlichung der – wah- der Integration in Deutschland haben.
ren – Zielsetzung (etwa durch Vortäuschen tat-
sächlich nicht bestehender Zielsetzungen oder 95.1a.3 Der Begriff „Erwerbstätigkeit“ ist durch § 2
durch die Angabe tatsächlich bestehender, un- Absatz 2 definiert. Auf die Ausnahmen gemäß
bedenklicher Zielsetzungen bei gleichzeitiger § 16 BeschV und § 17 Absatz 2 Satz 1 und 3
Verschleierung der daneben bestehenden Ziel- AufenthV wird hingewiesen.
setzung, die zum Verbot führen würde) und der
95.1a.4 Der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn das
– tatsächlichen – Tätigkeit der Organisation er-
Schengen-Visum den Inhaber zur Ausübung
streckt. Geheimhaltung liegt etwa vor, wenn die
einer bestimmten Erwerbstätigkeit berechtigt.
Vereinigung Melde- oder Anzeigepflichten
Übt der Ausländer jedoch eine andere als die
nicht befolgt.
erlaubte Tätigkeit aus, so ist der Tatbestand
95.1.8.4 Ziel, Zweck oder die Tätigkeit der Organisation gleichwohl erfüllt.
muss so beschaffen sein, dass die Mitglieder – Beispiel: Einem in Irland beschäftigten Drit-
im Falle des Scheiterns des Geheimhaltungsbe- tausländer wurde für eine Entsendung durch
strebens – mit einem behördlichen Verbot den irischen Arbeitgeber nach Deutschland ein
rechnen müssen. Sofern die Organisation ihren Schengen Visum nach „Vander-Elst“ erteilt.
Sitz im Bundesgebiet hat, ist damit ein Verbot Während der Gültigkeit des Visums kündigt der
Seite 1248 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Drittausländer jedoch sein Arbeitsverhältnis lässig begangen wird, liegt gemäß § 98 Absatz 1
zum irischen Arbeitgeber und nimmt eine Be- ein ordnungswidriges Verhalten vor.
schäftigung bei einem in Deutschland an-
sässigen Arbeitgeber auf. 95.2.1.2.3 Der Aufenthalt im Bundesgebiet unmittelbar
nach einer Ausweisung etwa auf der Grundlage
95.1a.5 Ein strafbares Verhalten i. S. d. Absatzes 1a einer Duldung erfüllt nicht den Straftatbestand
stellt zugleich einen zwingenden Widerrufs- des § 95 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b).
grund für ein Schengen-Visum nach § 52 Ab-
satz 7 Satz 1 Nummer 1 dar. 95.2.1.2.4 Wegen einer Teilnahmestrafbarkeit bei Hand-
lungen von Personen im Rahmen ihres sozial
95.1a.6 Der Versuch ist gemäß § 95 Absatz 3 strafbar. anerkannten Berufes oder Ehrenamtes vgl.
Eine versuchte unerlaubte Arbeitsaufnahme Nummer Vor 95.1.4.
liegt dann vor, wenn sich der nicht arbeits- 95.2.2 Falsche Angaben bei der Beantragung eines
berechtigte Ausländer bereits im unmittelbaren Aufenthaltstitels oder einer Duldung oder
Bereich der Arbeitstätigkeit befindet und die Nutzung einer so beschafften falschen Urkunde
üblichen Vorbereitungen zur Arbeits- (Nummer 2)
bewältigung begonnen bzw. beendet hat.
95.2.2.0 Jedermann, also auch jeder Deutsche und Frei-
95.1a.7 Die fahrlässige Verwirklichung des Tat- zügigkeitsberechtigte (§ 11 Absatz 1 Satz 1
bestandes kann eine Ordnungswidrigkeit i. S. d. FreizügG/EU) kann als Täter strafbar sein.
§ 98 Absatz 3 Nummer 1 oder § 404 Absatz 2
Nummer 4 SGB III darstellen. 95.2.2.1 1. Alternative: Erschleichen von Aufenthalts-
titel oder Duldung
95.1a.8 Durch Anstiftungs- oder Beihilfehandlungen
macht sich gemäß § 96 Absatz 1 Nummer 2 als 95.2.2.1.1 Bei den Angaben, die von den nach § 71 zu-
Täter strafbar, wer für seinen Tatbeitrag einen ständigen Behörden für die Entscheidung über
Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder einer
lässt, sofern sein Verhalten nicht bereits gemäß Duldung benötigt werden, handelt es sich ins-
§ 96 Absatz 2 Nummer 2 strafbar ist. Erfasst besondere um solche über Identität, Staatsan-
sind hiervon beispielsweise inländische Arbeit- gehörigkeit, vorhandene Ausweispapiere, Auf-
geber, welche Inhaber eines Schengen-Visums – enthaltszweck, Beruf, Ausbildung, Gesundheit,
vorsätzlich – illegal beschäftigen. Vermögens- und Einkommensverhältnisse,
verwertbare strafgerichtliche Verurteilungen im
95.2 Straftaten mit einer Strafobergrenze von drei Bundesgebiet und im Ausland, frühere Aus-
Jahren Freiheitsstrafe weisungen und/oder Abschiebungen sowie die
relevanten familiären Bindungen. Unrichtige
95.2.1 Verstoß gegen ein Einreise- oder Aufenthalts- Angaben stimmen mit der Wirklichkeit nicht
verbot (Nummer 1) überein; unvollständig sind Angaben, wenn
95.2.1.0.1 Das Einreise- oder Aufenthaltsverbot gemäß Tatsachen verschwiegen werden. Die Angaben
§ 11 Absatz 1 muss entstanden sein (vgl. Num- müssen nicht entscheidungserheblich sein. Sie
mer 11.1.2.1 f.) und noch fortbestehen. Insbe- müssen vielmehr geeignet sein, im Allgemeinen,
sondere darf im Falle seiner Befristung gemäß losgelöst vom konkreten Einzelfall, die ab-
§ 11 Absatz 1 Satz 3 die Frist noch nicht abge- strakte Gefahr zu verwirklichen, einen Aufent-
laufen sein. haltstitel oder eine Duldung zu Unrecht ver-
schaffen zu können.
95.2.1.0.2 Der Tatbestand des § 95 Absatz 2 Nummer 1 ist
nicht erfüllt, wenn der Ausländer eine Be- 95.2.2.1.2 Unrichtige Angaben werden beispielsweise ge-
tretenserlaubnis besitzt (§ 11 Absatz 2 Satz 1). macht, wenn der Ausländer
Besitzt der Ausländer beim Betreten nicht den – ein Visum (auch Ausnahme-Visum) für
erforderlichen Aufenthaltstitel, Pass oder Pass- einen Touristen- oder Besuchsaufenthalt im
ersatz, findet § 95 Absatz 1 Nummer 3 An- Bundesgebiet beantragt, in Wirklichkeit je-
wendung. doch einen Daueraufenthalt oder eine Er-
95.2.1.1 In den Fällen des § 95 Absatz 2 Nummer 1 werbstätigkeit im Bundesgebiet anstrebt,
Buchstabe a) ist gemäß § 95 Absatz 3 der Ver- – ein Transitvisum beantragt, jedoch nicht
such strafbar (vgl. Nummer 95.1.3.2). eine Durchreise durch das Bundesgebiet,
sondern einen Kurz- oder Daueraufenthalt
95.2.1.2.1 Eine Strafbarkeit gemäß § 95 Absatz 2 Num-
beabsichtigt, oder
mer 1 Buchstabe b) kommt etwa dann in Be-
tracht, wenn sich der Ausländer trotz einer – die Herstellung oder Wahrung einer ehe-
vollziehbaren Ausreiseverpflichtung und ggf. lichen Lebensgemeinschaft vortäuscht (so
nach dem Verstreichen einer gemäß § 50 Ab- genannte Scheinehe).
satz 2 gesetzten Ausreisefrist oder – über die
95.2.2.1.3 Unrichtige Angaben können sich auch aus der
Geltungsdauer der Betretenserlaubnis (§ 11
Vorlage bzw. dem Benutzen ge- oder verfälsch-
Absatz 2 Satz 1) hinaus – vorsätzlich im Bun-
ter oder unzutreffender Unterlagen ergeben.
desgebiet aufhält.
Unvollständige Angaben kann derjenige ma-
95.2.1.2.2 Soweit die durch § 95 Absatz 2 Nummer 1 chen, der wesentliche Tatsachen gegenüber der
Buchstabe b) bezeichnete Handlung nur fahr- zuständigen Behörde gezielt verschweigt.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1249

95.2.2.1.4 Unrichtige oder unvollständige Angaben eines 95.5 Schutz gemäß der Genfer Flücht-
Ausländers im Asylverfahren fallen nicht unter lingskonvention
§ 95 Absatz 2 Nummer 2. Für Schleuser gelten
95.5.1 Artikel 31 Absatz 1 der Genfer Flüchtlings-
§§ 96 und 97 sowie §§ 84, 84a AsylVfG.
konvention lautet:
95.2.2.1.5 Unter der Beschaffung eines Aufenthaltstitels „Die vertragsschließenden Staaten werden
oder einer Duldung sind insbesondere der An- wegen unrechtmäßiger Einreise oder Auf-
trag auf Erteilung oder Verlängerung des Auf- enthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge
enthaltstitels bzw. Angaben in Bezug auf die verhängen, die unmittelbar aus einem Ge-
Erteilung oder Erneuerung einer Duldung zu biet kommen, in dem ihr Leben oder ihre
verstehen. Freiheit i. S. v. Artikel 1 bedroht waren und
95.2.2.1.6 Die Vorschrift ist nur auf Handlungen gegen- die ohne Erlaubnis in das Gebiet der ver-
über inländischen Behörden anwendbar. Eine tragsschließenden Staaten einreisen oder
Strafbarkeit nach § 95 Absatz 2 Nummer 2, 1. sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie
Alternative liegt dann nicht vor, wenn die sich unverzüglich bei den Behörden mel-
Täuschungshandlung und der damit ange- den und Gründe darlegen, die ihre un-
strebte Erfolg, nämlich die Erlangung des rechtmäßige Einreise oder ihren un-
Aufenthaltstitels, bei einer deutschen Bot- rechtmäßigen Aufenthalt rechtferti-
schaft begangen wurde. Sollte der so erlangte gen.. . .“
Titel allerdings zur Einreise oder während des 95.5.2 Die unerlaubte Einreise von Flüchtlingen i. S. d.
Aufenthaltes zur Täuschung im Rechtsverkehr Genfer Flüchtlingskonvention (§ 3 Absatz 4
benutzt werden, gelten die Ausführungen zu AsylVfG) ist nach Maßgabe von Artikel 31
Nummer 95.2.2.2. Absatz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention
95.2.2.2 2. Alternative: Nutzung einer erschlichenen straflos. Die Regelung trägt dem Gedanken
Urkunde Rechnung, dass Verfolgte häufig nicht in der
Lage sind, ihre Zufluchtsstätte auf legalem Weg
95.2.2.2.1 Zu den in § 95 Absatz 2 Nummer 2, 2. Al- zu erreichen. Die Regelung betrifft sowohl an-
ternative genannten Urkunden gehören die in erkannte wie noch nicht anerkannte Flücht-
§ 4 Absatz 1 genannten Aufenthaltstitel sowie linge. Bei nicht anerkannten Flüchtlingen han-
die Bescheinigung i. S. d. § 60a Absatz 4. delt es sich um Asylbewerber, denen die
Hinsichtlich der so beschafften amtlichen Flüchtlingseigenschaft noch nicht zuerkannt
Urkunden ist erforderlich, dass diese tat- worden ist.
sächlich auf Grund der unrichtigen oder un-
vollständigen Angaben ausgestellt worden 95.5.3 Die Regelung ist auch anwendbar auf Asylbe-
sind. rechtigte, da sie den Flüchtlingen im Sinne die-
ser Konvention gleichgestellt sind (§ 2 Absatz 1
95.2.2.2.2 Das Gebrauchen i. S. d. § 95 Absatz 2 Num- AsylVfG).
mer 2, 2. Alternative kann durch eine Person
erfolgen, die bei der Beschaffung der Urkunde 95.5.4 Voraussetzung für die Straflosigkeit ist die un-
nicht mitgewirkt hat. mittelbare Einreise aus dem Verfolgungsgebiet.
Die Voraussetzungen liegen nicht nur bei Aus-
95.2.2.2.3 Auch die Verwendung einer Kopie der Ur- ländern vor, die direkt aus dem Verfolgerstaat,
kunde stellt dann ein Gebrauchmachen i. S. d. sondern grundsätzlich auch bei Personen, die
§ 95 Absatz 2 Nummer 2, 2. Alternative dar, über einen Drittstaat einreisen. Hierfür ist al-
wenn die Kopie ihrem äußeren Erschei- lerdings erforderlich, dass die Flucht nicht be-
nungsbild nach geeignet ist, bei der Person, reits im Drittstaat beendet war.
welcher diese zu Beweiszwecken vorgezeigt
oder ausgehändigt wird, den Eindruck zu er- 95.5.5 Weitere Voraussetzung für die Straflosigkeit ist
wecken, es handele sich um das Original der die unverzügliche Meldung als Schutz-
Urkunde. suchender bei den deutschen Behörden. Un-
verzüglich ist die Meldung nur dann, wenn sie
95.3 Versuchsstrafbarkeit ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (vgl. § 121
BGB). Regelmäßig ist hierfür eine Meldung in
Absatz 3 erklärt den Versuch in den Fällen des den ersten Tagen nach der unerlaubten Einreise
§ 95 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 1a und 2 erforderlich.
Nummer 1 Buchstabe a) für strafbar.
95.5.6 Die Prüfung, ob Artikel 31 Absatz 1 der Genfer
Flüchtlingskonvention Anwendung findet, ob-
95.4 Einziehung
liegt den Strafverfolgungsbehörden und den
Urkunden, die durch unrichtige oder unvoll- Strafgerichten. Im Asylverfahren getroffene
ständige Angaben erlangt worden sind (insbe- Entscheidungen sind nach § 4 Satz 1 AsylVfG
sondere Aufenthaltstitel und Duldungen) sowie auch im Strafverfahren verbindlich. Die zu-
Dokumente und sonstige Gegenstände, die zur ständige Behörde hat Strafanzeige auch dann zu
Begehung oder Vorbereitung einer Straftat nach erstatten, wenn sie der Auffassung ist, dass Ar-
§ 95 Absatz 2 Nummer 2 bestimmt oder ge- tikel 31 Absatz 1 Genfer Flüchtlingskonven-
braucht worden sind, können nach §§ 74 ff. tion Anwendung findet. In diesem Fall soll ein
StGB eingezogen werden. entsprechender Hinweis ergehen.
Seite 1250 GMBl 2009 Nr. 42– 61

95.6 Handeln auf Grund unrechtmäßig erlang- handlungen kommen z. B. die Beschaffung von
tem Aufenthaltstitel Beförderungsmöglichkeiten, Unterkünften, In-
formationen über den Grenzübertritt, das Zu-
Gemäß Absatz 6 kann auch das Handeln auf
sammenführen mit Personen, die sich der uner-
Grund eines verfahrenswidrig erlangten Auf-
laubt eingereisten Ausländer annehmen, Über-
enthaltstitels nach § 95 Absatz 1 Nummer 2
setzungsdienste zum Verdecken der Illegalität,
und Nummer 3 strafbar sein. Auf die Wirk-
das Verstecken oder die Beschäftigung des
samkeit des erteilten Titels kommt es danach
Ausländers und die Anbahnung und Vermitt-
nicht mehr an (vgl. Nummer 95.1.2.1.5 und
lung so genannter Scheinehen in Betracht.
95.1.3.4). Absatz 6 orientiert sich an § 330d
Nummer 5 StGB und erfasst sämtliche Fälle, in 96.1.0.2.2 Unerheblich ist, ob der Ausländer beispiels-
denen die strafbefreiende Genehmigung auf weise zur Fortsetzung seines Aufenthaltes fest
unlautere Weise erlangt wurde. Damit reist der entschlossen ist und daher in seinem Tatent-
Ausländer zwar nicht unerlaubt i. S. v. § 14 Ab- schluss nicht mehr zu bestärken ist, sofern die
satz 1 Nummer 2 ein, ebenso wenig wird der Hilfeleistung seine Tat objektiv erleichtert.
Aufenthalt unerlaubt und der Ausländer ist
auch nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Das 96.1.0.2.3 Zu Handlungen von Personen im Rahmen ihres
Handeln wird jedoch gleichfalls unter Strafe sozial anerkannten Berufes oder Ehrenamtes
gestellt. vgl. Nummer Vor 95.1.4.
96.1.0.3 Hilfeleistungen können gemäß § 34 StGB ge-
rechtfertigt sein. Im Übrigen können sie aus-
96 Zu § 96 – Einschleusen von Ausländern nahmsweise unter dem Gesichtspunkt der
Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
96.0 Allgemeines
straffrei sein, wenn hierdurch eine akute Ge-
96.0.1 § 96 erhebt besondere Formen verselbständi- fährdung höchstpersönlicher Rechtsgüter des
gter Teilnahmehandlungen an den in Bezug ge- Ausländers (z. B. des notwendigen Lebensbe-
nommenen Tathandlungen zur Täterschaft. darfs) abgewendet oder abgemildert wird. Dies
kann beispielsweise dann in Betracht kommen,
96.0.2 Jedermann, also auch jeder Deutsche und Frei- wenn die gewährte Unterstützung auf be-
zügigkeitsberechtigte (§ 11 Absatz 1 Satz 1 rufliche Verpflichtungen zurückzuführen ist.
FreizügG/EU) kann als Täter strafbar sein. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass
96.0.3 Sind die in § 96 Absatz 1 Nummer 1 und 2 ge- z. B. dem „abgetauchten“ Ausländer zur
nannten Voraussetzungen nicht erfüllt, kommt Abwendung von Gefahren grundsätzlich das
im Übrigen auch eine Strafbarkeit wegen An- „Auftauchen“ zumutbar ist, denn auch wenn
stiftung und Beihilfe nach den §§ 26, 27 StGB seine Abschiebung droht, werden seine Inte-
zu den in § 95 aufgeführten Straftaten in Be- ressen durch die §§ 60 f. ausreichend gewahrt.
tracht. Für die Anwendung der Strafvorschrift
96.1.1 Vorteil i. S. d. § 96 Absatz 1 Nummer 1 Buch-
ist es gleichgültig, welche Zwecke die einge-
stabe a) ist jede Leistung materieller oder im-
schleusten Ausländer verfolgen oder hatten
materieller Art, die den Täter besser stellt und
verfolgen wollen.
auf die er keinen rechtlich begründeten An-
96.0.4 Tatbestandlich ist auch das Schleusen durch spruch hat. Darunter fällt beispielsweise das
Deutschland erfasst, sofern sich der Ge- Einschleusen ausländischer Frauen und Kinder,
schleuste auf dem Weg in ein Drittland vor- um hieraus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen
übergehend in Deutschland ohne Aufenthalts- (z. B. Gewerbsunzucht, Frauen- und Kinder-
titel, Aufenthaltsgestattung oder Duldung bzw. handel).
ohne Pass, Passersatz oder Ausweisersatz auf-
96.1.1.1 Ob der Vorteil von einem Ausländer oder
hält.
Deutschen oder von einer ausländischen oder
96.0.5 Der Versuch ist strafbar gemäß § 96 Absatz 3. inländischen Organisation zugesagt oder ge-
währt worden ist, ist unerheblich.
96.1 Grundtatbestand 96.1.1.2 Bei wiederholter Tatbegehung oder bei einer
96.1.0.1 Eine Anstiftung liegt vor, wenn der Ausländer Tat zugunsten von mehreren, also zwei und
vorsätzlich zu seiner vorsätzlich begangenen mehr Ausländern, kommt es nach § 96 Absatz 1
rechtswidrigen Tat i. S. d. § 96 Absatz 1 be- Nummer 1 Buchstabe b) auf das Merkmal des
stimmt wurde. „Bestimmen“ bedeutet das Ver- Vorteils nicht an.
ursachen des Tatentschlusses, gleichgültig
96.1.2 Vermögensvorteil i. S. d. § 96 Absatz 1 Num-
durch welches Mittel.
mer 2 ist jede günstigere Gestaltung der Ver-
96.1.0.2 Sofern der Tatentschluss bereits bestand, ist eine mögenslage.
Anstiftung daher nicht mehr möglich. In Be-
Zur Tathandlung des Anstiftens nach § 96 Ab-
tracht kommt dann eine Hilfeleistung:
satz 1 Nummer 2 gehört beispielsweise auch
96.1.0.2.1 Dem Hilfeleisten unterfällt jede Hilfe und För- das Anwerben von Ausländern im In- und
derung, die dazu beiträgt, dass ein Ausländer Ausland zur illegalen Erwerbstätigkeit (z. B.
gegen die in § 96 Absatz 1 genannten Vor- Schwarzarbeit), wenn der Ausländer nach der
schriften verstoßen kann. Als Unterstützungs- Einreise eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1251

dadurch die Befreiung vom Erfordernis des Handschuhfach oder in sonstigen Behältnissen
Aufenthaltstitels entfällt. befindet, auf die der Täter jederzeit und kurz-
fristig zugreifen kann.
96.2 Qualifikationstatbestand 96.2.4.1 Die in Nummer 4 enthaltene Qualifikation
96.2.1 Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern kommt dann in Betracht, wenn es sich bei der
(Nummer 1) liegt vor, wenn der Täter in der Waffe nicht bereits um eine Schusswaffe handelt.
Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbe- 96.2.4.2 Eine Waffe in diesem Sinne ist jeder Gegen-
gehung eine fortlaufende Einnahmequelle von stand, welcher seiner Art nach dazu bestimmt
einiger Dauer und einigem Umfang zu ver- ist, erhebliche Verletzungen von Menschen zu
schaffen. Die Haupteinnahmequelle braucht verursachen.
sich daraus nicht zu ergeben. Liegt ein solches
Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins 96.2.4.3 Zur Frage des bei sich Führens gelten die Aus-
Auge gefassten Tathandlungen als gewerbs- führungen unter Nummer 96.2.3.4 entspre-
mäßig zu werten. chend.

96.2.2 Bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern 96.2.4.4 Auf Grund der gegenüber einer Schusswaffe
(Nummer 2) liegt vor, wenn sich mindestens reduzierten abstrakten Gefährlichkeit der übri-
drei Personen mit dem Willen verbunden ha- gen Waffen ist über das bei sich Führen einer
ben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere derartigen Waffe hinaus in subjektiver Hinsicht
selbständige, im Einzelnen noch ungewisse die Verwendungsabsicht erforderlich.
Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps 96.2.5.0 Die in Nummer 5 geregelte Qualifikation dient
zu begehen. dem Schutz des Geschleusten.
Die Mitgliedschaft in einer Bande ist nicht ein 96.2.5.1 Eine Lebensgefährdung braucht nicht konkret
tatbezogenes Tatbestandsmerkmal, sondern ein eingetreten zu sein. Ausreichend ist, dass die
besonderes persönliches Merkmal i. S. v. § 28 Art der Behandlung nach den Umständen des
Absatz 2 StGB. Teilnehmer sind deshalb, so- Einzelfalles zur Herbeiführung einer solchen
weit sie nicht selbst Mitglied der Bande sind, Gefahr generell geeignet ist. Die Strafbarkeit
nach dem Grundtatbestand zu bestrafen. kann durch ein Unterlassen eintreten, wenn der
96.2.3.0 Die in Nummer 3 und 4 geregelten Qualifika- Täter zur Verhinderung der Gefahr – z. B. auf
tionen beziehen sich ausschließlich auf Taten Grund seines vorangegangenen Verhaltens –
mit Bezug auf strafbare unerlaubte Einreisen verpflichtet ist.
bzw. strafbare Einreisen unter Verstoß gegen 96.2.5.2 Unmenschlich ist eine Behandlung dann, wenn
ein Einreiseverbot. sie ohne Unterbrechung länger andauert und
96.2.3.1 Schusswaffe (Nummer 3) ist ein Werkzeug, bei entweder eine Körperverletzung oder inten-
dem mindestens ein festes, mechanisch wirken- sives physisches oder psychisches Leiden ver-
des Geschoss mittels Explosions- oder Luft- ursacht.
druck aus einem Lauf abgefeuert werden kann. 96.2.5.3 Die Behandlung ist dann als erniedrigend anzu-
In Grenzfällen ist nicht der Schusswaffenbegriff sehen, wenn sie den Geschleusten erheblich de-
des WaffG, sondern der Schutzzweck des § 96 mütigt und seine Selbstachtung nicht nur uner-
Absatz 2 Nummer 3 ausschlaggebend. Die heblich verletzt – beispielsweise durch die
Vorschrift bezweckt die wirksamere Bekämp- Zumutung gravierender hygienischer Unzu-
fung der Schleuserkriminalität, wobei gerade länglichkeiten. Bei der Beurteilung ist zu be-
auch der Schusswaffen innewohnenden Ge- rücksichtigen, ob und inwieweit der Ge-
fährlichkeit durch eine erhöhte Strafandrohung schleuste in diese Umstände – ausdrücklich oder
entgegengewirkt werden soll. durch schlüssiges Verhalten – eingewilligt hat.
96.2.3.2 Funktionsuntüchtige „Schusswaffen“ und At- 96.2.5.4 Der Geschleuste wird dann der Gefahr einer
trappen, die objektiv lediglich zum Aufbau schweren Gesundheitsschädigung ausgesetzt,
oder Aufrechterhalten einer Drohkulisse ge- wenn die ihm drohenden Folgen denen des
eignet sind, stellen keine Schusswaffe i. S. d. § 226 StGB nahe kommen.
Qualifikation dar.
Die Gefahr muss konkret eingetreten sein.
96.2.3.3 Unerheblich ist hingegen, ob eine funktions-
tüchtige Schusswaffe bereits durchgeladen und 96.3 Strafbarkeit des Versuchs
entsichert ist. Ebenso wenig ist von Bedeutung,
ob die Waffe geladen ist, sofern der oder die Der Versuch des Grunddeliktes sowie der
Täter die passende Munition ebenfalls bei sich Qualifikation ist gemäß Absatz 3 strafbar.
führen (zu diesem Begriff vgl. Nummer
96.2.3.4). 96.4 Schleusungen in das Hoheitsgebiet der Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union, der
96.2.3.4 Der Täter führt die Schusswaffe bei sich, wenn
Republik Island und des Königreichs
diese sich so in seiner räumlichen Nähe be-
Norwegen
findet, dass er sich ihrer ohne nennenswerten
Zeitaufwand bedienen kann. Dies ist z. B. der § 96 Absatz 4 erweitert den Anwendungsbe-
Fall, wenn die Schusswaffe sich griffbereit im reich des § 96 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe
Seite 1252 GMBl 2009 Nr. 42– 61

a), Nummer 2, Absatz 2 Nummer 1, 2 und 5 97.4 Erweiterter Verfall


und Absatz 3 auf Zuwiderhandlungen gegen
Die Ausführungen unter Nummer 96.5 gelten
Rechtsvorschriften über die Einreise in das und
entsprechend.
den Aufenthalt von Ausländern im Hoheitsge-
biet der bezeichneten Staaten. Der Tatbestand
kann auch erfüllt sein, wenn die Schleusung
98 Zu § 98 – Bußgeldvorschriften
über die Schengen-Binnengrenzen erfolgt (z. B.
Ausschleusung über die deutsch-französische
98.0 Allgemeines
Grenze nach Frankreich).
98.0.1 § 98 regelt sämtliche Ordnungswidrig-
96.5 Erweiterter Verfall keitentatbestände nach dem Aufenthaltsgesetz.
Die Bußgeldandrohung kann sich gegen Aus-
Absatz 5 ermöglicht die Anordnung des er- länder und Deutsche richten. Hinsichtlich der
weiterten Verfalls gemäß § 73d StGB. Dadurch nach Europäischem Gemeinschaftsrecht frei-
geht das Eigentum an der betroffenen Sache zügigkeitsberechtigten Ausländer gelten gemäß
oder das verfallene Recht unter Umständen auf § 11 Absatz 1 Satz 1 FreizügG/EU § 98 Ab-
den Staat über (§ 73e StGB). satz 2 Nummer 2, Absatz 2a, Absatz 3 Num-
mer 3, Absatz 4 und Absatz 5 entsprechend.

97 Zu § 97 – Einschleusen mit Todesfolge; 98.0.2 Die Zuständigkeit für die Verfolgung und
gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen Ahndung von Ordnungswidrigkeiten richtet
sich nach § 78 AufenthV, § 71a (Behörden der
97.0 Allgemeines Zollverwaltung) und im Übrigen nach §§ 35 ff.
OWiG. Die Verfolgung der Ordnungswidrig-
97.0.1 Da es sich bei den Taten um Verbrechen i. S. d. keiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der
§ 12 Absatz 1 StGB handelt, ist der Versuch ge- zuständigen Behörden (Opportunitätsprinzip).
mäß § 23 Absatz 1, 1. Alternative StGB strafbar.
Dabei ist gemäß § 12 Absatz 3 StGB unerheb- 98.1 Fahrlässiges Begehen von Straftatbeständen
lich, ob im konkreten Fall ein minderschwerer
Fall i. S. d. § 97 Absatz 3 anzunehmen ist. 98.1.1 Soweit Straftaten nach § 95 Absatz 1 Num-
mer 1 oder 2 oder Absatz 2 Nummer 1 Buch-
97.0.2 Aus demselben Grund kann bereits der Versuch stabe b) fahrlässig begangen worden sind, kön-
der Beteiligung (einschließlich der so genannten nen sie nach § 98 Absatz 1 als Ordnungswid-
Verbrechensverabredung) gemäß § 30 StGB rigkeit geahndet werden.
strafbar sein.
98.1.2 Fahrlässig handelt, wer objektiv gegen eine
Sorgfaltspflicht verstößt und wenn dieser
97.1 Einschleusen mit Todesfolge
Pflichtverstoß eine Rechtsgutsverletzung zur
Die Strafbarkeit ist gegeben, wenn der Täter Folge hat, die der Täter nach seinen subjektiven
den Straftatbestand des § 96 Absatz 1 – auch Kenntnissen und Fähigkeiten vorhersehen und
i. V. m. § 96 Absatz 4 – vorsätzlich erfüllt und vermeiden konnte.
dadurch den Tod des Geschleusten wenigstens
98.1.3 § 98 Absatz 1 erfasst insbesondere Fälle, in de-
fahrlässig verursacht (§ 18 StGB).
nen sich der Ausländer ohne erforderlichen
Aufenthaltstitel, Duldung oder Pass im Bun-
97.2 Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen desgebiet aufhält, weil er es nach den Um-
ständen des Einzelfalles versehentlich – und
Erfüllt der Täter in den Fällen des § 96 Ab-
dabei sorgfaltswidrig – versäumt hat, sich die
satz 1, auch i. V. m. § 96 Absatz 4, zugleich die
entsprechenden amtlichen Urkunden rechtzei-
zu § 96 Absatz 2 Nummer 1 und 2 näher dar-
tig zu beschaffen.
gestellten Voraussetzungen (vgl. Nummer
96.2.1 und 96.2.2), greift der – gegenüber § 96
Absatz 2 erhöhte – Strafrahmen des § 97 Ab- 98.2 Einzelne Ordnungswidrigkeitentatbestände
satz 2. 98.2.1 Zum Umfang der Verpflichtung gemäß § 4 Ab-
satz 5 vgl. Nummer 4.5.
97.3 Minder schwerer Fall
98.2.2 Entzieht sich der Ausländer beim Grenzüber-
Ein minder schwerer Fall liegt dann vor, wenn tritt i. S. v. § 13 Absatz 1 der polizeilichen Kon-
auf Grund einer Gesamtwürdigung aller für die trolle, begeht er unabhängig davon, ob er den
Wertung von Tat und Täter in Betracht kom- übrigen Anforderungen für einen ordnungsge-
menden Umstände (vgl. § 46 StGB) anzu- mäßen Grenzübertritt entspricht, eine Ord-
nehmen ist, dass das gesamte Tatbild ein- nungswidrigkeit nach § 98 Absatz 2 Nummer 2
schließlich aller subjektiven Momente und der (z. B. Missachtung eines Anhaltezeichens, Um-
Täterpersönlichkeit von dem Durchschnitt der gehen einer gesperrten Kontrollstelle, Ver-
erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in so borgenhalten der eigenen Person im Koffer-
erheblichem Maße abweicht, dass der Straf- raum oder unter Sitzbänken in Zügen). Dieser
rahmen des Absatzes 1 bzw. des Absatzes 2 Tatbestand kann auch außerhalb einer zuge-
nicht mehr angemessen ist. lassenen Grenzübergangsstelle dadurch ver-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1253

wirklicht werden, dass der Ausländer nach dem erheblich übersteigende Schwere des Sorgfalts-
Grenzübertritt ein Haltegebot missachtet. verstoßes und in subjektiver Hinsicht die per-
sönliche Vorwerfbarkeit erforderlich. Die per-
98.2.2.1 Gemäß § 98 Absatz 4 kann der Versuch ge-
sönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des
ahndet werden.
Täters sind bei der Beurteilung zu berück-
98.2.2.2 Führt der Ausländer zwar einen gültigen Pass sichtigen.
oder Passersatz mit, händigt er jedoch die ent-
98.2a.2.2 Leichtfertigkeit liegt jedenfalls dann nicht vor,
sprechende Urkunde bei der polizeilichen
wenn die Prüfungsverpflichtung des § 4 Ab-
Kontrolle nicht aus, handelt er nach § 98 Ab-
satz 3 Satz 4 nicht eingreift oder erfüllt wurde.
satz 2 Nummer 3 ordnungswidrig. Erfüllt er
hingegen die Passmitführungspflicht gemäß
98.3 Weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände
§ 13 Absatz 1 Satz 2 unabhängig von einer
Kontrolle nicht, kann sein Verhalten als Ord- 98.3.1 Ordnungswidrig handelt gemäß § 98 Absatz 3
nungswidrigkeit nach § 98 Absatz 3 Num- Nummer 1, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine
mer 3, 3. Alternative geahndet werden. Der selbständige Tätigkeit ausübt, ohne dass der
Nichtbesitz eines Passes oder Passersatzes bei Aufenthaltstitel hierzu berechtigt. Diesen Tat-
der Einreise kann, anders als bei den Verstößen bestand erfüllt allerdings nicht, wem gemäß § 4
gegen die Passmitführungs- oder Passvorlage- Absatz 3 Satz 3 auf Grund einer zwischenstaat-
pflicht, gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 3 straf- lichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer
bar sein. Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit ge-
stattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Auf-
98.2.3 § 98 Absatz 2 Nummer 3 ist in Fällen erheblich,
enthaltstitel berechtigt sein muss.
in denen der Ausländer die in § 48 Absatz 1 ge-
nannten Urkunden besitzt und dem behördli- 98.3.1.1 Sofern der Ausländer eine vorsätzliche Tat be-
chen Vorlageverlangen nicht nachkommt. An- harrlich wiederholt, kommt eine Strafbarkeit
dernfalls ist zu prüfen, ob sich der Ausländer gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d)
nach § 95 Absatz 1 Nummer 1, 2 oder 3 strafbar SchwarzArbG in Betracht.
gemacht hat.
98.3.1.2 Bei Inhabern eines Schengen-Visums ist die
98.2.4 Gemäß § 98 Absatz 2 Nummer 4 verhält sich Strafbarkeit gemäß § 95 Absatz 1a zu prüfen.
ordnungswidrig, wer einer vollziehbaren An-
ordnung im Zusammenhang mit der Verpflich- 98.3.2 Bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Ver-
tung zur Teilnahme an einem Integrationskurs stoß gegen eine der in § 98 Absatz 3 Nummer 2
zuwiderhandelt (vgl. Nummer 44a.1.3.2). Die genannten vollziehbaren Auflagen oder räum-
Regelung verfolgt das Ziel, differenzierter auf lichen Beschränkungen liegt eine Ordnungs-
eine Verletzung der Teilnahmepflicht an einem widrigkeit vor.
Integrationskurs reagieren zu können. Denn die 98.3.3.1 Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 13
Festsetzung eines Bußgeldes ist im Vergleich Absatz 1
mit den aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen
– außerhalb einer zugelassenen Grenzüber-
nach § 8 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 Nummer 2
gangsstelle (1. Alternative) oder
ein milderes Mittel. Im Fall des § 44a Absatz 1
Satz 1 Nummer 2 i. V. m. § 31 SGB II ist es – außerhalb der festgesetzten Verkehrs-
notwendig, zunächst die sachnähere Kürzung stunden (2. Alternative) ein- oder ausreist
des Arbeitslosengeldes II Anwendung finden oder
zu lassen. – weder einen Pass noch einen Passersatz mit
sich führt (3. Alternative).
98.2a Beauftragung eines Ausländers zu einer
98.3.3.2 Der Versuch kann gemäß § 98 Absatz 4 ge-
nachhaltigen entgeltlichen Dienst- oder
ahndet werden.
Werkleistung
98.3.3.3.1 Kein ordnungswidriges Verhalten liegt vor, so-
98.2a.1 Durch die Regelung des Absatzes 2a ist die Be-
weit das Überschreiben der Grenze abweichend
auftragung zu einer nachhaltig unerlaubten
von § 13 Absatz 1 durch andere Rechtsvor-
Dienst- oder Werkleistung bußgeldbewehrt.
schriften, zwischenstaatliche Vereinbarungen –
Daneben ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen
insbesondere Artikel 20 Schengener Grenz-
der Strafvorschriften des SchwarzArbG (§ 11
kodex – oder auf Grund einer Grenzerlaubnis
SchwarzArbG) erfüllt sind.
i. S. d. § 61 Absatz 3 BPolG erlaubt ist.
98.2a.2 Auch ein leichtfertiges Nichterkennen der
98.3.3.3.2 Wird dem Ausländer an der Grenze ein Passer-
fehlenden Erlaubnis wird sanktioniert.
satz gemäß § 14 Absatz 2 ausgestellt, begeht er
98.2a.2.1 Leichtfertigkeit ist ein erhöhter Grad von keine Zuwiderhandlung gegen die Pflicht des
Fahrlässigkeit, welcher der groben Fahrlässig- § 13 Absatz 1 Satz 2 und damit keine Ord-
keit des bürgerlichen Rechts entspricht. Sie liegt nungswidrigkeit i. S. d. 3. Alternative.
vor, wenn einfachste und ganz nahe liegende
98.3.4 Verstoß gegen vollziehbare Anordnungen
Überlegungen nicht angestellt werden und das-
(Nummer 4)
jenige unbeachtet bleibt, was unter den gegebe-
nen Umständen einleuchten muss. Objektiv ist 98.3.4.1 Alternative 1 betrifft den Verstoß gegen An-
eine das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit ordnungen gemäß § 46 Absatz 1 gegenüber
Seite 1254 GMBl 2009 Nr. 42– 61

vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern. Die 101 Zu § 101 – Fortgeltung bisheriger Aufent-


Anordnung muss gerade der Förderung der haltsrechte
Ausreise dienen (vgl. Nummer 46.1.3). Mögli-
che Anordnungsinhalte sind in Nummer 46.1.4 101.0 Allgemeines
dargestellt.
Die Übergangsvorschrift in § 101 ordnet die
98.3.4.2 Alternative 2 beinhaltet Verstöße gegen An- Fortgeltung bestehender Aufenthaltsrechte an
ordnungen, welche aus Gründen der inneren und regelt die Kraft gesetzlicher Anordnung
Sicherheit getroffen wurden (§ 54a Absatz 1 automatisch eintretende („gilt fort als“) Über-
Satz 2, Absatz 3). Wegen der Einzelheiten vgl. leitung von nach dem AuslG erteilten Aufent-
Nummer 54a.1.2. und 54a.3. haltsgenehmigungen auf die nach dem Aufent-
haltsgesetz vorgesehenen Aufenthaltstitel. Sie
98.3.4.3 Alternative 3 betrifft Verstöße gegen Anord- entfaltet hingegen keine rückwirkenden Folgen
nungen gemäß § 61 Absatz 1 Satz 2. Zu den In- für die Zeit vor dem 1. Januar 2005. Es ist daher
halten derartiger Anordnungen vgl. Num- grundsätzlich nicht erforderlich und auch nicht
mer 61.1.2. vorgesehen, bestehende Aufenthaltsgenehmi-
gungen nach dem AuslG vor Ablauf ihrer Gel-
98.3.5 § 98 Absatz 3 Nummer 5 ergänzt Nummer 4 2. tungsdauer durch Erteilung eines Aufenthalts-
Alternative im Hinblick auf die Meldepflichten titels nach dem Aufenthaltsgesetz zu ersetzen.
aus Gründen der inneren Sicherheit; siehe hier- Soweit dennoch entsprechende Anträge gestellt
zu Nummer 54a.1.1. werden sollten, ist zu prüfen, ob diesbezüglich
ein Rechtsschutzinteresse angenommen werden
98.3.6 § 98 Absatz 3 Nummer 6 bestimmt die Ord-
kann (vgl. näher hierzu Nummer 101.1.1.2 und
nungswidrigkeit des Verstoßes der gesetzlichen
101.2.2).
Vertreter bzw. sonstiger Personen, die an Stelle
der gesetzlichen Vertreter einen minderjährigen
Ausländer vertreten, gegen die Pflicht zur An- 101.1 Aufenthaltsberechtigung; unbefristete Auf-
tragstellung gemäß § 80 Absatz 4; vgl. hierzu enthaltserlaubnis
Nummer 80.4. 101.1.1 Nach Absatz 1 Satz 1 gilt eine vor dem 1. Ja-
98.3.7 Ordnungswidrig ist der Verstoß gegen eine nuar 2005 erteilte Aufenthaltsberechtigung
Rechtsverordnung (§ 98 Absatz 3 Nummer 7), oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis als Nie-
wenn die Verordnung auf der Ermächtigung des derlassungserlaubnis (vgl. § 9 Absatz 1) fort.
§ 99 Absatz 1 Nummer 7 oder Nummer 10 be- 101.1.1.1 Durch die von Gesetzes wegen mit unmittel-
ruht und für einen bestimmten Tatbestand auf barer Wirkung eintretende Überleitung können
§ 98 Absatz 3 Nummer 7 verweist. Eine solche die Inhaber einer derartigen Aufenthalts-
Regelung beinhaltet z. B. § 77 AufenthV. genehmigung nach altem Recht daher seit dem
1. Januar 2005 die für Inhaber einer Nieder-
98.4 Versuch lassungserlaubnis vorgesehenen Rechte (z. B.
den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56
Im Falle des Absatzes 2 Nummer 2 sowie des Absatz 1 Nummer 1) in Anspruch nehmen,
Absatzes 3 Nummer 3 kann der Versuch als ohne dass es der förmlichen Erteilung einer
Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Niederlassungserlaubnis bedarf.
101.1.1.2 Im Gegensatz zu den befristeten Aufenthalts-
98.5 Bußgeldrahmen genehmigungen, bei denen es nach Fristablauf
Absatz 5 bestimmt die Obergrenze des Buß- ohnehin zur förmlichen Erteilung eines neuen
geldrahmens. Dabei wird die regelmäßige Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz
Obergrenze, die gemäß § 17 Absatz 1 OWiG kommt, entfällt dies bei der Aufenthalts-
1.000 Euro beträgt, zum Teil erheblich über- berechtigung und der unbefristeten Aufent-
schritten. Das Mindestmaß der Geldbuße be- haltserlaubnis wegen ihres Charakters als Ver-
trägt fünf Euro (§ 17 Absatz 1 OWiG). waltungsakt mit Dauerwirkung. Hier kann aus
Gründen der Rechtssicherheit, vor allem für
Inhaber einer unbefristeten Aufenthaltserlaub-
98.6 Schutz gemäß der Genfer nis, grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse im
Flüchtlingskonvention Hinblick auf die förmliche Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis angenommen werden.
Vgl. hierzu Nummer 95.5.
101.1.1.3 Die Überleitung erfolgt entsprechend dem der
Erteilung der Aufenthaltsberechtigung oder
99 Zu § 99 – Verordnungsermächtigung unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zugrunde
liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt,
Nicht belegt. so dass eine entsprechende Zuordnung zu er-
folgen hat.

100 Zu § 100 – Sprachliche Anpassung 101.1.2 Das Aufenthaltsgesetz nimmt aus Gründen der
Klarstellung in Absatz 1 Satz 2 selbst eine Zu-
Nicht belegt. ordnung für unbefristete Aufenthaltserlaub-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1255

nisse vor, die nach § 1 Absatz 3 HumHAG oder fristete Aufenthaltserlaubnis, die Aufenthalts-
in entsprechender Anwendung dieses Gesetzes bewilligung und die Aufenthaltsbefugnis. Diese
(insbesondere bei jüdischen Emigranten aus der Aufenthaltgenehmigungen alten Rechts werden
ehemaligen Sowjetunion) erteilt wurden. Diese nach Absatz 2 unmittelbar Kraft Gesetzes in
gelten als Niederlassungserlaubnisse nach § 23 eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufent-
Absatz 2 fort. Gleiches gilt in diesen Fällen für haltsgesetz (vgl. § 7) übergeleitet.
nachfolgend auf Grund der Verfestigung
101.2.2 Auf Grund dieser Fortgeltung bestehender
des Aufenthalts erteilte Aufenthaltsberechti-
Aufenthaltsrechte und ihrer unmittelbaren
gungen.
Überleitung erhalten die Rechtsinhaber alle mit
101.1.2.1 Die gesetzliche Klarstellung war u. a. deshalb dem neuen Recht verbundenen Vorteile, auch
erforderlich, weil nur bei Überleitung zum Re- wenn sie nur im Besitz eines Dokuments sind,
gelungsbereich des § 23 Absatz 2 die Möglich- das noch den alten Rechtszustand dokumen-
keit eröffnet ist, abweichend von § 9 Absatz 1, tiert. Da nach Ablauf der befristeten Gel-
wonach die Niederlassungserlaubnis grund- tungsdauer ohnehin die förmliche Erteilung
sätzlich nicht beschränkt werden kann, eine eines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthalts-
wohnsitzbeschränkende Auflage zu erteilen gesetz erforderlich wird und den Betroffenen in
(vgl. § 23 Absatz 2 Satz 4). Dies entspricht der der Übergangszeit keine Rechtsnachteile ent-
geltenden Verwaltungspraxis in Fällen der Lei- stehen, dürfte es bei einem Antrag auf vor-
stungsberechtigung nach SGB II und XII von zeitige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
Inhabern bestimmter Aufenthaltstitel nach Ab- nach neuem Recht i. d. R. an dem erforderlichen
schnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes (vgl. aber Rechtsschutzinteresse fehlen, so dass Anträge
Nummer 12.2.5.2.3). dieser Art grundsätzlich abgelehnt werden
können.
101.1.2.2 Für den vorgenannten Personenkreis enthält
§ 103 eine weitere Sonderregelung, durch die 101.2.3 Entsprechend der im Aufenthaltsgesetz an-
Rechtsnachteile vermieden werden sollen, die gelegten Ausrichtung der Aufenthaltstitel auf
sonst mit dem Außerkrafttreten des HumHAG bestimmte Aufenthaltszwecke richtet sich die
verbunden wären (vgl. die Erläuterungen hierzu Fortgeltung der nach dem AuslG erteilten
unter Nummer 103). Aufenthaltsbewilligungen, Aufenthaltsbefug-
nisse und befristeten Aufenthaltserlaubnisse als
101.1.3 Asylberechtigte, die im Besitz einer unbe- Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthalts-
fristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Auf- gesetz nach ihrer ursprünglichen Zweckbe-
enthaltsberechtigung sind, erhalten im Hinblick stimmung:
auf den humanitären Aufenthaltszweck eine
Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3. 101.2.3.1 – Aufenthaltsbewilligungen, die nach § 28
AuslG zu Studien- und Ausbildungszwek-
101.1.4 Weitere in Betracht kommende Überleitungs- ken erteilt wurden, gelten als Aufenthalts-
ziele sind: erlaubnisse nach §§ 16, 17 fort.
– § 9 Absatz 2 (Regeltatbestand bei Aufent-
101.2.3.2 – Aufenthaltserlaubnisse und Aufenthalts-
haltsverfestigung) in Fällen der Erteilung
bewilligungen, die nach § 10 AuslG i. V. m.
einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis
den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen
nach § 24 AuslG bzw. einer Aufenthalts-
(AAV, IT-AV) zum Zwecke einer un-
berechtigung nach § 27 AuslG,
selbständigen Erwerbstätigkeit erteilt wur-
– § 26 Absatz 4 (Mehrjähriger humanitär be- den, gelten als Aufenthaltserlaubnisse nach
dingter Aufenthalt) in Fällen der Erteilung § 18 Absatz 3 und 4 fort.
einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis
nach § 35 Absatz 1 AuslG, 101.2.3.3 – Aufenthaltserlaubnisse und Aufenthalts-
bewilligungen, die nach § 7 Absatz 1 i. V. m.
– § 28 Absatz 2 (Familiennachzug zu Deut- § 15 oder § 28 AuslG zum Zweck der Aus-
schen) in Fällen der Erteilung einer unbe- übung einer selbständigen Erwerbstätigkeit
fristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 erteilt wurden, gelten als Aufenthalts-
Absatz 3 AuslG, erlaubnisse nach § 21 fort.
– § 31 Absatz 3 (Eigenständiges Aufenthalts-
101.2.3.4 – Aufenthaltsbefugnisse, die nach § 30, §§ 32
recht der Ehegatten) in Fällen der Erteilung
bis 33 AuslG zur Gewährung eines Aufent-
einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis
halts aus völkerrechtlichen, humanitären
nach § 25 Absatz 2 AuslG,
oder politischen Gründen erteilt wurden,
– § 35 Absatz 1 (Eigenständiges Aufenthalts- gelten als Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 22
recht der Kinder) in Fällen der Erteilung bis 26 fort.
einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis
nach § 26 Absatz 1 AuslG i. V. m. § 21 Ab- 101.2.3.5 – Aufenthaltserlaubnisse, die nach den
satz 3 AuslG. §§ 17 ff. AuslG, Aufenthaltsbewilligungen,
die nach § 29 AuslG und Aufenthalts-
befugnisse, die nach § 31 AuslG zum Zwek-
101.2 Übrige Aufenthaltsgenehmigungen
ke des Familiennachzugs erteilt wurden,
101.2.1 Unter dem Begriff der „übrigen Aufenthalts- gelten als Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 27
genehmigungen“ in Absatz 2 fallen die be- bis 36 fort.
Seite 1256 GMBl 2009 Nr. 42– 61

101.2.3.6 – Aufenthaltserlaubnisse, die nach § 16 AuslG 102.1.1 Das Gesetz enthält keine abschließende Auf-
aus Gründen der Wiederkehr erteilt wurden, zählung der in Betracht kommenden sonstigen
gelten als Aufenthaltserlaubnisse nach § 37 ausländerrechtlichen Maßnahmen (vgl. den
fort. Wortlaut: „insbesondere“). Ausdrücklich ge-
nannt sind in Satz 1 und 2:
101.2.3.7 – Vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufent-
haltserlaubnisse sind als Aufenthaltserlaub- – zeitliche und räumliche Beschränkungen
nisse i. S. d. Aufenthaltsgesetzes zu werten. (§ 3 Absatz 5, § 12 Absatz 1 und 2 AuslG),
Die Zeiten des Besitzes einer nach dem – Bedingungen und Auflagen (§ 14 AuslG),
AuslG erteilten Aufenthaltserlaubnis sind
– Verbote und Beschränkungen der politi-
deshalb wie Zeiten des Besitzes einer nach
schen Betätigung (§ 37 AuslG),
dem Aufenthaltsgesetz erteilten Aufent-
haltserlaubnis anzurechnen (etwa im Rah- – Ausweisungen (§§ 45 bis 47 AuslG), Ab-
men von § 9 Absatz 2 Nummer 1 und § 26 schiebungsandrohungen (§ 50 AuslG) und
Absatz 4). Abschiebungen (§ 49 AuslG) einschließlich
ihrer Rechtsfolgen (insbesondere Sperr-
101.3 Daueraufenthalt-EG wirkung nach § 8 Absatz 2 Satz 1 und 2
AuslG) und der Befristung ihrer Wirkungen
101.3.1 Nach § 101 Absatz 3 gelten Aufenthaltstitel, die (Befristung der Sperrwirkung nach § 8 Ab-
auf Grund unmittelbarer Anwendung der satz 2 Satz 3 AuslG),
Daueraufenthalt-Richtlinie vor dem 28. August
2007 mit dem Vermerk „Daueraufenthalt-EG“ – Anerkennung von Pässen und Passersatz-
versehen wurden, als Erlaubnis zum Dauerauf- papieren und Befreiungen von der Pass-
enthalt-EG fort. pflicht (§ 4 Absatz 2 AuslG i. V. m. der
DVAuslG),
101.3.2 In den Fällen, in denen der Aufenthaltstitel vor
– sonstige „begünstigende Maßnahmen“,
dem 28. August 2007 nach § 51 Absatz 1 Num-
mer 6 oder 7 erloschen wäre, ohne dass die – Entscheidungen über Kosten und Gebühren
Rechtsstellung eines langfristig Aufenthalts- (§ 81 AuslG i. V. m. AuslGebV, §§ 82 ff.
berechtigten erlischt, gilt der Aufenthaltstitel AuslG),
bis zum 28. August 2007 als nicht erloschen. – Maßnahmen und Vereinbarungen im Zu-
101.3.3 Die zeitlich beschränkte Fortgeltungsfiktion sammenhang mit Sicherheitsleistungen
des Aufenthaltstitels ist notwendig, um die (§ 82 AuslG), auch wenn sie sich ganz oder
Folgeprobleme der unmittelbaren Anwendbar- teilweise auf Zeiträume nach Inkrafttreten
keit der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom des Zuwanderungsgesetzes beziehen; eine
25. November 2003 betreffend die Rechts- am Sinn der Vorschrift orientierte Aus-
stellung der langfristig aufenthaltsberechtigten legung ergibt, dass auch Vereinbarungen mit
Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Num- den Ausländerbehörden nach § 84 AuslG
mer L 16 S. 44, so genannte Daueraufenthalt- über die Kosten des Lebensunterhalts erfasst
Richtlinie) – in der Zeit vom 23. Januar 2006 bis werden.
zum 28. August 2007 – zu lösen. 102.1.2 In Absatz 1 Satz 1 ebenfalls ausdrücklich ge-
101.3.4 Die Regelung des § 51 Absatz 9 kann daher nannt sind Aussetzungen der Abschiebung.
auch auf das Erlöschen des Aufenthaltstitels Damit bleiben auch vor dem 1. Januar 2005 er-
Anwendung finden, der dem Ausländer anstelle teilte Duldungen (vgl. § 55 Absatz 1 AuslG) für
des noch nicht geltenden § 9a vom 23. Januar den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirk-
2006 bis zum 28. August 2007 ausgestellt wor- sam. Nach Ablauf der Geltungsdauer muss
den war. So wird in diesen Fällen ein Ausein- entschieden werden, ob nach § 25 Absatz 3 und
anderfallen von Aufenthaltstitel und Rechts- 5 eine Aufenthaltserlaubnis bzw. – unter Anre-
stellung verhindert. Dies gilt insbesondere vor chung der Duldungszeiten (vgl. hierzu Num-
dem Hintergrund, dass ansonsten dem Aus- mer 102.2) – nach § 26 Absatz 4 eine Nieder-
länder ein Visum zur Wiedereinreise in das lassungserlaubnis erteilt werden kann oder die
Bundesgebiet bzw. eine Erlaubnis zum Dauer- Duldung nach § 60a zu verlängern ist (vgl.
aufenthalt-EG auszustellen wäre. hierzu den bundeseinheitlichen Vordruck nach
§ 58 Nummer 2 i. V. m. Anlage D2a und ggf.
D2b zur AufenthV).
102 Zu § 102 – Fortgeltung ausländerrechtlicher 102.1.3 Die Fiktionswirkungen nach § 69 AuslG gelten
Maßnahmen und Anrechnung nach Absatz 1 Satz 3 fort. Nach Ablauf der
Geltungsdauer einer Fiktionsbescheinigung ist
102.1 Fortgeltung ausländerrechtlicher
eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5
Maßnahmen
auszustellen (vgl. hierzu den bundesein-
102.1.0 Neben der Fortgeltung bisheriger Aufenthalts- heitlichen Vordruck nach § 58 Nummer 3
rechte (vgl. § 101) ordnet das Aufenthaltsgesetz i. V. m. Anlage D3 zur AufenthV), soweit über
auch die Fortgeltung der vor dem 1. Januar den Antrag auf Erteilung einer Aufenthalts-
2005 getroffenen wirksamen, nicht be- genehmigung, der in die Beantragung eines
standskräftigen sonstigen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz
Maßnahmen an. umzudeuten ist, noch nicht entschieden werden
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1257

kann. Die Fiktionswirkung gilt aus Gründen gesamt ergibt sich aus dem Regelungs-
des Vertrauensschutzes auch dann fort, wenn zusammenhang des § 26 Absatz 3 und 4 i. V. m.
nach § 81 Absatz 3 oder 4 keine Fiktions- § 101 Absatz 2, § 102 Absatz 2 für Ausländer
wirkung eintreten würde. mit so genanntem „kleinem Asyl“ ein von der
Dauer der Flüchtlingsanerkennung abhängiger
102.2 Anrechnung gestufter Übergang zum neuen Recht.

102.2.0 Nach § 26 Absatz 4 kann – abweichend vom 102.2.3 Die Zeiten des Besitzes einer nach dem AuslG
Regeltatbestand in § 9 – bei humanitären Auf- erteilten Aufenthaltserlaubnis sind ebenfalls
enthalten unter erleichterten Voraussetzungen anzurechnen (vgl. Nummer 101.2.3.7).
eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden.
Die Übergangsvorschrift in Absatz 2 sieht 102.2.4 Anzurechnen sind auch die Zeiten des Besitzes
diesbezüglich vor, dass auf die Frist von sieben einer Fiktionsbescheinigung nach § 69 Absatz 3
Jahren für die Erteilung einer Niederlassungs- AuslG. Eine Differenzierung zwischen Dul-
erlaubnis auch die vor dem 1. Januar 2005 lie- dungszeiten und Zeiten des Besitzes einer Fik-
genden Zeiten des Besitzes einer Aufenthalts- tionsbescheinigung, in denen der Aufenthalt als
befugnis nach dem AuslG sowie die Zeiten des erlaubt galt, sind nicht gerechtfertigt.
Besitzes einer Duldung anzurechnen sind.
102.2.1 Durch diese spezielle Anrechnungsvorschrift 103 Zu § 103 – Anwendung bisherigen Rechts
soll zum einen eine Benachteiligung von Aus-
ländern ausgeschlossen werden, die nach neuem 103.1 Zum 1. Januar 2005 trat das HumHAG außer
Recht zwar eine Aufenthaltserlaubnis erhalten Kraft (vgl. Artikel 15 Absatz 3 Nummer 3 Zu-
(vgl. § 25 Absatz 3), für die nach dem AuslG wanderungsgesetz). Personen, die zuvor dem
jedoch lediglich die Duldung vorgesehen war, Anwendungsbereich des HumHAG unter-
so dass sie nur deshalb die Voraussetzungen für fielen, haben den Status eines Flüchtlings nach
eine Aufenthaltsverfestigung nach § 26 Ab- den Artikeln 2 bis 34 der Genfer Flücht-
satz 4 nicht erfüllen würden. lingskonvention inne (vgl. § 1 Absatz 1 Hum-
HAG). Die Übergangsvorschrift in § 103 Satz 1
102.2.2 Die Regelung erfasst zum anderen Personen,
bestimmt, dass für diese Personen die §§ 2a und
die nach neuem Recht ebenfalls eine Aufent-
2b HumHAG in der bis zum 1. Januar 2005
haltserlaubnis erhalten (vgl. § 25 Absatz 2),
geltenden Fassung weiterhin Anwendung fin-
wohingegen ihnen nach dem AuslG nur eine
den. Damit wird sichergestellt, dass die spe-
Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde. Durch die
ziellen Regelungen über das Erlöschen und den
Überleitungsvorschrift in § 101 Absatz 2 gelten
Widerruf der Rechtsstellung als Flüchtlinge
diese Aufenthaltsbefugnisse mit Wirkung ab
i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention weiterhin
1. Januar 2005 als Aufenthaltserlaubnis nach
Anwendung finden.
neuem Recht. Dadurch ist Konven-
tionsflüchtlingen, denen bereits vor In- 103.2 Im Fall des Statusfortfalls ist gleichzeitig zu
krafttreten des Zuwanderungsgesetzes das so prüfen, ob die Niederlassungserlaubnis nach
genannte „kleine Asyl“ zuerkannt worden war, § 23 Absatz 2 bzw. die nach Überleitung als
drei Jahre nach Inkrafttreten des Zuwande- Niederlassungserlaubnis nach § 23 Absatz 2
rungsgesetzes nach § 26 Absatz 3 i. V. m. § 101 fortgeltende unbefristete Aufenthaltserlaubnis
Absatz 2 eine Niederlassungserlaubnis zu er- oder Aufenthaltsberechtigung zu widerrufen
teilen. Bei Konventionsflüchtlingen, die bereits ist. Nach der Übergangsvorschrift in § 103
vor Ablauf dieser drei Jahre insgesamt seit sie- Satz 2 ist dabei die Regelung in § 52 Absatz 1
ben Jahren eine Anerkennung nach § 51 Ab- Satz 1 Nummer 4 entsprechend anzuwenden.
satz 1 AuslG besitzen, kommt die Anrech-
nungsvorschrift in Absatz 2 zum Tragen. Diese
bewirkt, dass Zeiten des Besitzes einer Aufent- 104 Zu § 104 – Übergangsregelungen
haltsbefugnis auf die nach § 26 Absatz 4 er-
forderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufent- 104.1 Anträge auf unbefristete Aufenthaltserlaub-
haltserlaubnis angerechnet werden. Danach nis/Aufenthaltsberechtigung
kann beispielsweise ein Ausländer, der zum
1. Januar 2005 seit fünf Jahren als Konven- 104.1.0 Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Auf-
tionsflüchtling anerkannt war, bereits nach zwei enthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsbe-
Jahren gemäß § 26 Absatz 4 i. V. m. § 101 Ab- rechtigung, die vor dem 1. Januar 2005 gestellt
satz 2, § 102 Absatz 2 eine Niederlassungser- wurden, sind nach dem bis dahin geltenden
laubnis erhalten. Diese Regelungen bewirken Recht zu entscheiden. Die Übergangsregelung
entsprechend der vom Zuwanderungsgesetz in- in § 101 Absatz 1 über die Fortgeltung bishe-
tendierten Angleichung der Rechtsstellung von riger Aufenthaltsrechte gilt entsprechend. Da-
Asylberechtigten und Flüchtlingen mit „klei- mit sollen Rechtsnachteile vermieden werden,
nem Asyl“ eine Privilegierung von anerkannten die sich aus der Systemänderung im Bereich der
Flüchtlingen gegenüber der Rechtslage nach Aufenthaltstitel sonst ergeben würden, wonach
dem AuslG, wo sie gemäß § 35 Absatz 1 AuslG mit der Niederlassungserlaubnis nur noch ein
frühestens nach acht Jahren eine unbefristete unbefristeter Aufenthaltstitel vorgesehen ist, an
Aufenthaltserlaubnis erhalten konnten. Ins- dessen Erteilung – vor allem gegenüber der
Seite 1258 GMBl 2009 Nr. 42– 61

unbefristeten Aufenthaltserlaubnis – weiter- fenen staatlichen Grundangebot zur In-


gehende Anforderungen gestellt werden. tegration (vgl. §§ 43 – 45) noch nicht
partizipieren konnte. Daraus soll kein
104.1.1 Aus der entsprechenden Anwendbarkeit der
Rechtsnachteil erwachsen. Zur Feststellung,
Übergangsregelung in § 101 Absatz 1 folgt zu-
ob sich der Ausländer auf einfache Art in
nächst, dass Anträge auf Erteilung einer unbe-
deutscher Sprache mündlich verständigen
fristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Auf-
kann, vgl. Nummer 30.1.2.1.
enthaltsberechtigung als Anträge auf Erteilung
einer Niederlassungserlaubnis fortgelten, also 104.2.3 – § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 findet keine
weiterhin Gültigkeit behalten, und das An- Anwendung: Die unter Nummer 104.2.2
tragsziel entsprechend umzudeuten ist. genannte Intention gilt auch hinsichtlich der
nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 er-
104.1.2 Als materielle Beurteilungsgrundlage für die
forderlichen Grundkenntnisse der Rechts-
Entscheidung nach altem Recht kommen in
und Gesellschaftsordnung und der Lebens-
Betracht:
verhältnisse im Bundesgebiet, die erst mit
– §§ 24 bis 26, 27a AuslG, § 68 AsylVfG und dem neuen Recht allen Neuzuwanderern
§ 1 Absatz 3 HumHAG bei Anträgen auf mit dauerhafter Aufenthaltsperspektive in
Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltser- einem Orientierungskurs vermittelt werden.
laubnis,
– §§ 27, 27a AuslG bei Anträgen auf Erteilung 104.3 Meistbegünstigungsklausel zum Kinder-
einer Aufenthaltsberechtigung. nachzug
Soweit die Anträge danach positiv zu ent- 104.3.0 Absatz 3 enthält eine Meistbegünstigungs-
scheiden sind, ist in entsprechender Anwen- klausel zum Kindernachzug für Ausländer, die
dung der Übergangsregelung in § 101 Absatz 1 sich bereits vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig
eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. in Deutschland aufgehalten haben. Erfasst wer-
den hiervon alle Kinder, die noch vor dem
104.2 Erteilung einer Niederlassungserlaubnis 1. Januar 2005 geboren worden sind.
nach § 9
104.3.1 Soweit die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes
Absatz 2 enthält eine Übergangsregelung für jedoch günstiger sind, finden diese Anwen-
die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis dung. Dies kommt beispielsweise bei Kindern
nach § 9. Sie gilt für Personen, die vor dem in Betracht, die das 16. Lebensjahr bereits voll-
1. Januar 2005 bereits im Besitz einer Aufent- endet haben, aber die deutsche Sprache beherr-
haltserlaubnis oder einer Aufenthaltsbefugnis schen oder bei denen gewährleistet erscheint,
gewesen sind. In diesem Fall gelten folgende – dass sie sich auf Grund ihrer bisherigen Aus-
für den Antragsteller günstige – Abweichungen bildung und Lebensverhältnisse in die Lebens-
von den Erteilungsvoraussetzungen des § 9 verhältnisse in der Bundesrepublik Deutsch-
Absatz 2: land einfügen können. Nach § 32 Absatz 2 be-
104.2.1 – § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 findet keine steht in diesem Fall ein Nachzugsanspruch,
Anwendung: Für die Erteilung einer unbe- während in § 20 Absatz 4 Nummer 1 AuslG
fristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 nur eine Nachzugsmöglichkeit im Ermessens-
AuslG war es nicht erforderlich, eine Alters- wege eingeräumt war.
sicherung in Höhe von Pflichtbeiträgen oder
freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Ren- 104.4 Volljährig gewordene Kinder
tenversicherung von mindestens 60 Monaten
104.4.0 Mit der Übergangsregelung in Absatz 4 wird
oder vergleichbarer Absicherung nachzu-
erreicht, dass den vor Inkrafttreten des Aufent-
weisen. Die Beibehaltung dieser Rechtslage
haltsgesetzes während des Verfahrens im Bun-
dient der Vermeidung von Rechtsnachteilen,
desgebiet volljährig gewordenen Kindern eine
die sich infolge der Systemänderung im Be-
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Nach
reich der Aufenthaltstitel sonst ergeben
der bisher geltenden Rechtslage war dies nicht
würden, weil mit der Niederlassungserlaub-
der Fall, da die Kinder lediglich eine Aufent-
nis nur noch ein unbefristeter Aufenthalts-
haltsbefugnis nach § 31 des AuslG erhalten
titel mit gegenüber der unbefristeten Auf-
konnten, wenn sie auch zum Zeitpunkt der
enthaltserlaubnis strengeren Erteilungs-
rechtskräftigen Zuerkennung der Voraus-
voraussetzungen vorgesehen ist.
setzungen des § 51 des AuslG an den Elternteil
104.2.2 – § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7: Hinsichtlich noch minderjährig waren. Während des Ver-
der Sprachkenntnisse genügt es, dass sich fahrens volljährig gewordene Kinder hatten da-
der Ausländer auf einfache Art in deutscher gegen keine Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel
Sprache mündlich verständigen kann (vgl. zu erhalten. Auf Grund der Übergangsregelung
§ 24 Absatz 1 Nummer 4 AuslG). Auf die ist hinsichtlich der Minderjährigkeit der Kinder
weitergehende Anforderung in § 9 Absatz 2 auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ab-
Satz 1 Nummer 7, wonach ausreichende zustellen, so dass sie auch dann Anspruch auf
Kenntnisse der deutschen Sprache er- einen Aufenthaltstitel haben, wenn sie im Zeit-
forderlich sind, wird verzichtet, da der be- punkt des Abschlusses des Verfahrens bereits
troffene Personenkreis an dem neu geschaf- volljährig geworden sind. Ist die Anerkennung
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1259

erst aufgrund eines Asylfolgeantrages erfolgt, behörde eine Niederlassungserlaubnis zu er-


ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung teilen ist, auch bei Einreisen nach Inkrafttreten
der Minderjährigkeit des Kindes der Zeitpunkt des 7. Gesetzes zur Änderung des Bundes-
der ersten Asylantragstellung, soweit der Aus- vertriebenengesetzes am 24. Mai 2007 (Neu-
länder zwischenzeitlich nicht ausgereist war. fassung des § 23 Absatz 2) auf der Grundlage
der Übergangsregelung eine Niederlassungser-
104.4.1 Die Aufenthaltserlaubnis für das Kind wird in
laubnis erhalten. Der Aufenthaltstitel ist dem-
entsprechender Anwendung des § 25 Absatz 2
entsprechend wie folgt auszustellen:
erteilt, d. h. soweit die Rechtsfolgen an den
Aufenthaltszweck anknüpfen, gilt die Aufent- „Niederlassungserlaubnis gemäß § 23 Ab-
haltserlaubnis als eine Aufenthaltserlaubnis satz 2 i. V. m. § 104 Absatz 6 Satz 1 Auf-
nach § 25 Absatz 2. Für die Erteilung der Nie- enthG“.
derlassungserlaubnis gilt § 26 Absatz 3 ent-
sprechend. 104.6.2 Nach § 104 Absatz 6 Satz 2 wird für den nicht
selbst berechtigten mitreisenden Familienange-
104.4.2 Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt bei er- hörigen der o. g. jüdischen Zuwanderer (Alt-
heblichen Straftaten. Die Erteilung der Aufent- fälle und Übergangsfälle I) ein Arbeitsmarkt-
haltserlaubnis kann versagt werden, wenn das zugang kraft Gesetzes sowie ein Anspruch auf
Kind in den letzten drei Jahren wegen einer Teilnahme am Integrationskurs geschaffen. Der
vorsätzlichen Straftat zu einer Jugend- oder Aufenthaltstitel ist dem entsprechend wie folgt
Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten auszustellen:
oder einer Geldstrafe von mindestens 180 Ta-
gessätzen verurteilt worden ist. „Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Ab-
satz 2 i. V. m. § 104 Absatz 6 Satz 2
104.4.3 Weitere Voraussetzung ist, dass sich das Kind AufenthG“.
mindestens seit der Unanfechtbarkeit der Fest-
stellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG
104.7 Niederlassungserlaubnis für Ehegatten,
im Bundesgebiet aufhält und seine Integration
Lebenspartner und minderjährige Kinder
zu erwarten ist. Es muss also damit zu rechnen
sein, dass sich das Kind in die hiesigen Lebens- Absatz 7 dient dazu, den Ehegatten, Lebens-
verhältnisse einordnen und ausreichende partnern und minderjährigen ledigen Kinder,
Kenntnisse der deutschen Sprache erwerben die vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer
wird. Bei der Beurteilung dieser Voraus- Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Absatz 1 oder
setzungen ist maßgeblich auf die bisherige § 35 Absatz 2 AuslG waren und denen nach
Aufenthaltsdauer und die Lebensumstände ab- fünf bzw. acht Jahren gemäß § 35 Absatz 1
zustellen. Je länger der Aufenthalt bereits ge- AuslG eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis
dauert hat und die Schule besucht worden ist, hätte erteilt werden können, auch nach dem
desto höher müssen die Anforderungen an Aufenthaltsgesetz eine Verfestigung ihres Auf-
Sprachkenntnisse und soziale und berufliche enthaltsstatus unter Anrechnung ihrer Aufent-
Perspektiven sein. haltsbefugniszeiten zu ermöglichen. Eine Auf-
enthaltsbefugnis nach § 31 Absatz 1 AuslG
104.5 Anspruch auf Teilnahme am Integrations- bzw. § 35 Absatz 2 AuslG gilt unter dem Auf-
kurs enthaltsgesetz als Aufenthaltserlaubnis aus
Unter den genannten Umständen haben Aus- Gründen des Familiennachzugs fort. Die Er-
länder einen Anspruch auf die erstmalige ko- teilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26
stenlose Teilnahme an einem Integrationskurs Absatz 4 ist bisher in diesen Fällen i. d. R. nicht
nach § 44 Absatz 1, wenn sie nicht vor dem möglich, da keine Aufenthaltserlaubnis nach
1. Januar 2005 mit der Teilnahme an einem Kapitel 2, Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes
Deutsch-Sprachlehrgang begonnen haben. vorliegt. Nach Absatz 7 kann in diesen Fällen
eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Ab-
satz 4 erteilt werden, wenn die Vorausset-
104.6 Anwendung von § 23 Absatz 2
zungen des § 26 Absatz 4 vorliegen und der
104.6.1 Mit der Übergangsregelung des § 104 Absatz 6 Rechtsgrund für die Erteilung der Aufenthalts-
Satz 1 wird sichergestellt, dass eine Anordnung befugnis nach § 31 Absatz 1 AuslG bzw. § 35
der obersten Landesbehörde, die bereits bei In- Absatz 2 AuslG weiterhin besteht. Zum Zeit-
krafttreten der Neufassung des § 23 Absatz 2 punkt der Erteilung einer Niederlassungser-
am 24. Mai 2007 vorsah, dass eine Nieder- laubnis nach § 26 Absatz 4 i. V. m. § 104 Ab-
lassungserlaubnis nach § 23 Absatz 2 in der satz 7 und § 31 Absatz 1 AuslG muss das Kind
bisherigen Fassung erteilt wird, auch weiterhin insbesondere noch minderjährig und ledig sein.
vollziehbar bleibt. Damit wird gewährleistet, Die Anrechnung der Aufenthaltsbefugniszeiten
dass jüdische Zuwanderer (Altfälle und Über- erfolgt gemäß § 102 Absatz 2. Mit der Vor-
gangsfälle I), die mit einer Aufnahmezusage schrift des § 104 Absatz 7 wird eine Ausnahme
eines Landes nach Deutschland einreisen und von dem im Aufenthaltsgesetz verankerten
denen nach den Beschlüssen der Innen- Trennungsprinzip normiert, das es ohne eine
ministerkonferenz vom Dezember 2004, Juni solche Sonderregelung nicht gestattet, Zeiten
und November 2005 sowie der darauf basie- eines legalen Aufenthalts aus familiären Grün-
renden Anordnung der obersten Landes- den auf den Erwerb einer Niederlassungser-
Seite 1260 GMBl 2009 Nr. 42– 61

laubnis aus humanitären Gründen anzurechnen Erwerbstätigkeit bzw. durch Erfüllung der
(siehe hierzu auch Nummer 31.0.1). Unterhaltspflichten des Ehegatten zum
Entscheidungszeitpunkt gesichert ist. Au-
ßerdem ist zu berücksichtigen, dass der Le-
104a Zu § 104a – Altfallregelung bensunterhalt der Einzelperson nur ge-
sichert ist, wenn er seine Unterhaltspflichten
104a.0 Allgemeines gegenüber seinen Familienangehörigen er-
104a.0.1 Mit der gesetzlichen Altfallregelung der §§ 104a füllen kann (vgl. Nummer 2.3.2). Mit Ein-
und 104b soll dem Bedürfnis der seit Jahren im tritt der Volljährigkeit kann den Kindern
Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten eine Aufenthaltserlaubnis unter den er-
Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive leichterten Voraussetzungen des § 104a Ab-
in Deutschland Rechnung getragen werden. Im satz 2 Satz 1 erteilt werden. Ehegatten müs-
Zuge dieser Neuregelung wurden darüber hin- sen die Voraussetzungen des § 104a in eige-
aus Vorschriften geändert, die auch bzw. aus- ner Person erfüllen.
schließlich geduldete Ausländer betreffen, die – § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a Absatz 2
nicht unter die gesetzliche Altfallregelung fal- Satz 1 (Altfallregelung für volljährige Kin-
len: der von Geduldeten) enthält eine besondere
– Geduldete erhalten nach vier Jahren Auf- Rechtsgrundlage für volljährige ledige Kin-
enthalt einen gleichrangigen Arbeitsmarkt- der geduldeter Ausländer.
zugang (§ 10 Satz 3 BeschVerfV). – § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a Absatz 2
– Die Residenzpflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 2 (Altfallregelung für unbegleitete
Satz 1 wird gelockert, damit Geduldete die Minderjährige) enthält eine besondere
ihnen gleichrangig eingeräumte Möglich- Rechtsgrundlage für unbegleitete Minder-
keit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, jährige.
überregional nutzen können. – § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104b (in-
– Die Dauer des Bezugs abgesenkter Lei- tegrierte Kinder von Geduldeten) sieht ein
stungen nach dem AsylbLG wird von 36 auf elternunabhängiges Aufenthaltsrecht für le-
48 Monate angehoben (§ 2 Absatz 1 dige 14– bis 17-jährige Kinder vor, deren
AsylbLG). Eltern die Voraussetzungen für die Er-
teilung oder Verlängerung einer Aufent-
104a.0.2 Seit dem 28. August 2007 noch nicht be- haltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfall-
schiedene Anträge auf Erteilung oder Ver- regelung nicht erfüllen.
längerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23
Absatz 1 i. V. m. dem Beschluss der Ständigen 104a.0.5 Bei Ausländern, deren Lebensunterhalts-
Konferenz der Innenminister und -senatoren sicherung ohne Inanspruchnahme öffentlicher
der Länder (IMK) vom 17. November 2006 Mittel bereits zum Zeitpunkt der ersten An-
können – nach dem Günstigkeitsprinzip – wei- tragstellung auf Erteilung der Aufenthaltser-
terhin hiernach oder nach der gesetzlichen Alt- laubnis nach § 104a Absatz 1 nicht gewähr-
fallregelung beschieden werden. leistet ist, kommt der das Ermessen bindenden
Formulierung in § 104a Absatz 1 „soll erteilt
104a.0.3 Die Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen werden“ eine besondere Bedeutung zu. Ist be-
Altfallregelung wird nur auf Antrag erteilt (§ 81 reits zu diesem Zeitpunkt der Lebensunterhalt
Absatz 1). nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mit-
104a.0.4 Rechtsgrundlage für die Aufenthaltserlaubnis tel gesichert und liegen auch keine begründeten
auf Probe ist § 104a Absatz 1 Satz 1. Im Übri- Anhaltspunkte dafür vor, dass zukünftig die
gen ist die Rechtsgrundlage § 23 Absatz 1 Inanspruchnahme öffentlicher Mittel entfällt,
i. V. m. den unterschiedlichen Varianten der ist damit ein hinreichender Grund gegeben, von
§§ 104a und 104b. Die gesetzliche Altfallre- dem im Regelfall ermessensbindenden „soll“
gelung sieht im Wesentlichen fünf verschiedene, abzuweichen, denn es ist mit den Zielen des
eigenständige Rechtsgrundlagen für Aufent- § 104a nicht vereinbar, Ausländern eine Auf-
haltsrechte vor, die im Ausländerzentralregister enthaltserlaubnis zu erteilen, wenn bereits bei
wie folgt gesondert aufgeschlüsselt sind: Erteilung feststeht, dass eine Verlängerung
nicht erfolgen kann.
– § 104a Absatz 1 Satz 1 (Aufenthaltserlaub-
nis auf Probe) ist die Rechtsgrundlage für
eine Aufenthaltserlaubnis für Familien oder 104a.1 Voraussetzungen für die Erteilung der Auf-
Einzelpersonen, die bei mangelnder Le- enthaltserlaubnisse nach Absatz 1
bensunterhaltssicherung zum Entschei- 104a.1.1 Voraussetzung für die Erteilung der Aufent-
dungszeitpunkt erteilt wird. haltserlaubnis nach § 104a Absatz 1 ist, dass
– § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a Absatz 1 sich der Ausländer am 1. Juli 2007 seit mindes-
Satz 2 ist die Rechtsgrundlage für die Auf- tens acht bzw. sechs Jahren ununterbrochen
enthaltserlaubnis für Einzelpersonen und geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthalts-
die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft erlaubnis aus humanitären Gründen im Bun-
lebenden eigenen minderjährigen Kinder, desgebiet aufgehalten hat. Zum Zeitpunkt der
deren Lebensunterhalt eigenständig durch Antragstellung müssen die Voraussetzungen
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1261

zur Erteilung einer Duldung vorliegen; nicht nachweis bei körperlicher, geistiger oder see-
erforderlich ist, dass sich der Ausländer im Be- lischer Krankheit oder Behinderung abgesehen
sitz einer Duldung befindet. Zur Ein- werden. Darüber hinaus ist bei der gesetzlichen
schlägigkeit der verkürzten Aufenthaltsdauer Altfallregelung ausdrücklich vorgesehen, dass
von sechs Jahren am 1. Juli 2007 genügt auch, vom Spracherfordernis auch aus Altersgründen
wenn erst nach dem 1. Juli 2007 minderjährige abzusehen ist. Altersgründe liegen jedenfalls bei
Kinder geboren bzw. eingereist sind. Bei Kin- allen Personen vor, die am 31. Dezember 2009
dern, die bereits vor dem 1. Juli 2007 in das 65. Lebensjahr vollendet haben werden, so-
Deutschland lebten, genügt, dass sie am 1. Juli wie bei allen noch nicht schulpflichtigen Kin-
2007 minderjährig waren. dern. Ferner kann von der Voraussetzung hin-
reichender Sprachkenntnisse bis zum 1. Juli
104a.1.2 Die gesetzliche Voraussetzung, über hin-
2008 abgesehen werden; sie müssen jedoch spä-
reichende Deutschkenntnisse i. S. d. Stufe A 2
testens dann nachgewiesen werden.
des Gemeinsamen Europäischen Referenz-
rahmens für Sprachen (GER) zu verfügen, be- 104a.1.4 Der tatsächliche Schulbesuch der Kinder ist in
inhaltet die folgenden sprachlichen Fähigkeiten: geeigneter Weise nachzuweisen.
– Kann eine einfache Beschreibung von Men-
schen, Lebens- oder Arbeitsbedingungen, 104a.1.5 Hinsichtlich der vorsätzlichen Täuschung der
Alltagsroutinen, Vorlieben oder Ab- Ausländerbehörde und des vorsätzlichen Hin-
neigungen usw. geben, und zwar in kurzen auszögerns oder Behinderns behördlicher
listenhaften Abfolgen aus einfachen Wen- Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ist –
dungen und Sätzen. entsprechend dem Willen des Gesetzgebers, an
das großzügige Verständnis der IMK-Bleibe-
– Kann die Familie, Lebensverhältnisse, die rechtsregelung vom 17. November 2006 an-
Ausbildung und die gegenwärtige oder die knüpfen und das Problem der langjährig Ge-
letzte berufliche Tätigkeit beschreiben. duldeten lösen zu wollen – ein großzügiger
Kann mit einfachen Worten Personen, Orte, Maßstab anzulegen.
Dinge beschreiben.
– Kann sich in einfachen, routinemäßigen Si- 104a.1.5.1 Eine Täuschung der Ausländerbehörde über
tuationen verständigen, in denen es um aufenthaltsrechtliche Umstände kommt insbe-
einen unkomplizierten und direkten Aus- sondere dann in Betracht, wenn der Ausländer
tausch von Informationen über vertraute vorsätzlich Falschangaben über seine Identität –
Routineangelegenheiten in Zusammenhang einschließlich Alter und Herkunftsstaat –, über
mit Arbeit und Freizeit geht. Kann sehr das Bestehen einer familiären Lebensgemein-
kurze Kontaktgespräche führen, versteht schaft oder über den (mangelnden) Besitz eines
aber kaum genug, um das Gespräch selbst in Passes macht.
Gang halten zu können.
104a.1.5.2.1 Der Ausschlussgrund des vorsätzlichen Hin-
– Kann verstehen, was in einem einfachen auszögerns oder Behinderns behördlicher
Alltagsgespräch langsam, deutlich und di- Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung kann
rekt an sie/ihn gerichtet gesagt wird, vor- z. B. dann vorliegen, wenn ein Ausländer
ausgesetzt die sprechende Person gibt sich
Mühe, ihm/ihr verstehen zu helfen. – nachweislich Identitätsnachweise oder Per-
sonaldokumente vernichtet und unterdrückt
– Kann sehr kurze Kontaktgespräche führen, hat, um seine Abschiebung zu verhindern,
versteht aber kaum genug, um selbst das
Gespräch in Gang zu halten; versteht je- – seinen personenstandsrechtlichen Ver-
doch, wenn die Gesprächspartner sich Mühe pflichtungen im Hinblick auf Eintragungen
geben, sich ihm/ihr verständlich zu machen. in den Registern des Herkunftslandes (z. B.
Kann einfache, alltägliche Höflichkeits- Registrierung von Geburten der Kinder in
formeln verwenden, um jemanden zu grü- Familienregistern) oder der Verpflichtung
ßen oder anzusprechen. zur Beschaffung von Nationalpässen und
– Kann jemanden einladen und auf Ein- sonstigen Dokumenten für sich und seine
ladungen reagieren. Familienangehörigen nicht eigeninitiativ
nachkommt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn
– Kann um Entschuldigung bitten und auf der Ausländer diesbezügliche Hinweise und
Entschuldigungen reagieren. Aufforderungen der Ausländerbehörde
– Kann sagen, was er/sie gerne hat und was nicht beachtet,
nicht.
– im Rahmen der Dokumentenbeschaffung zu
– Kann in einem Interview einfache Fragen einem konkreten Termin oder innerhalb
beantworten und auf einfache Fest- eines bestimmten Zeitraums zur Vorsprache
stellungen reagieren. bei der Vertretung eines ausländischen Staa-
tes aufgefordert worden ist und dieser Auf-
Bezüglich der Abgrenzung zur niedrigeren
forderung nicht gefolgt ist bzw. bei Staaten,
Sprachstufe A 1 GER siehe Nummer 30.1.2.1.
die statt dessen ein schriftliches Verfahren
104a.1.3 Wie bei der Niederlassungserlaubnis nach § 9 durchführen, die Unterschrift entsprec-
und beim Ehegattennachzug kann vom Sprach- hender Anträge verweigert,
Seite 1262 GMBl 2009 Nr. 42– 61

– sich durch Untertauchen behördlichen völkerrechtlichen, humanitären oder politi-


Maßnahmen entzogen hat, schen Gründen), um auch hier die Anwendbar-
– der bereits in Abschiebehaft saß, sich be- keit der Vorschriften dieses Abschnitts und der
harrlich geweigert hat, an der Durchsetzung Normen, die hierauf Bezug nehmen (insbe-
seiner Ausreisepflicht mitzuwirken oder sondere § 10 Absatz 3 Satz 1), sicherzustellen.
sonst seine Abschiebung durch sein persön- Insbesondere gilt § 10 Absatz 3 Satz 1 und 2.
liches Verhalten verhindert hat. Eine Aufenthaltsverfestigung ist im Falle der
Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 1
104a.1.5.2.2 Das Verhalten des Ausländers muss für die Satz 1 ausgeschlossen, um den Anreiz zur Ar-
Verzögerung oder Verhinderung der Abschie- beitsplatzsuche aufrechtzuerhalten und eine
bung allein ursächlich gewesen sein. An dieser Zuwanderung in die Sozialsysteme zu ver-
Ursächlichkeit fehlt es, wenn es unabhängig meiden. Der Familiennachzug zu Personen, die
vom Verhalten des Ausländers Gründe gab, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Absatz 1
einer Abschiebung entgegenstanden. Das Ver- Satz 1 besitzen, ist ausgeschlossen (§ 29 Ab-
halten muss darüber hinaus von einigem Ge- satz 3 Satz 3).
wicht gewesen sein. Dies ist von der Aus-
länderbehörde an Hand einer Gesamtbetrach- 104a.1.7.2 Zu wohnsitzbeschränkenden Auflagen siehe
tung des jeweiligen Einzelfalles festzustellen. Nummer 12.2.5.1.1 ff.
Dabei kann zugunsten des Ausländers zu be- 104a.1.8 Aufenthaltserlaubnis bei Lebensunterhalts-
rücksichtigen sein, dass die Täuschung bereits sicherung durch Erwerbstätigkeit nach § 23
länger zurückliegt, der Ausländer später seine Absatz 1 Satz 1
zunächst falschen Angaben korrigiert hat oder
er sich erfolgreich um eine Integration bemüht Erteilt wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23
hat, so dass der Vorwurf aus heutiger Sicht we- Absatz 1 Satz 1, wenn der Lebensunterhalt der
niger schwer wiegt. gesamten Bedarfsgemeinschaft eigenständig
durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. Es handelt
104a.1.5.2.3 Das Einlegen von Rechtsmitteln allein fällt sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung.
nicht unter den Ausschlussgrund des vorsätz- Durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
lichen Hinauszögerns oder Behinderns be- nach § 23 Absatz 1 Satz 1 wird die Anwend-
hördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeen- barkeit von Vorschriften, die auf die Regelung
digung. bzw. Kapitel 2 Abschnitt 5 (Aufenthalt aus
104a.1.6 Der Ausschlussgrund nach § 104a Absatz 1 völkerrechtlichen, humanitären oder politi-
Satz 1 Nummer 5 ist verwirklicht, wenn der schen Gründen) Bezug nehmen, gewährleistet,
Ausländer entweder Bezüge zu extremistischen ohne dass Folgeänderungen in anderen Vor-
bzw. terroristischen Organisationen hat oder schriften des Aufenthaltsgesetzes und anderer
diese unterstützt. Ein gleichzeitiges Vorliegen Gesetze, die an die Vorschrift anknüpfen, er-
beider Varianten ist nicht notwendig. Unter forderlich sind. Der Familiennachzug richtet
Bezügen zu extremistischen oder terroristi- sich – wie stets bei Personen mit einer Aufent-
schen Organisationen sind Beziehungen bzw. haltserlaubnis gemäß § 23 Absatz 1 – nach § 29
Kontakte zu verstehen, die über bloße zufällige Absatz 3 Satz 1, kann also nur aus völker-
Begegnungen hinausgehen müssen. Die Bezie- rechtlichen oder humanitären Gründen oder
hungen dürfen nicht nur loser Natur sein, d. h. zur Wahrung politischer Interessen der Bun-
sich grundsätzlich nicht auf einmalige oder ge- desrepublik Deutschland erteilt werden.
legentliche bzw. vereinzelte Kontakte be-
104a.1.9 Einbezogene minderjährige Kinder
schränken. Sie müssen jedenfalls derart aus-
gestaltet sein, dass Anhaltspunkte dafür be- Einbezogen sind entsprechend dem IMK-Be-
stehen, dass der betroffene Ausländer um die schluss vom 17. November 2006 die minder-
extremistische oder terroristische Ausrichtung jährigen ledigen Kinder von Ausländern mit
der mit ihm in Kontakt getretenen Personen einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetz-
weiß oder wissen müsste. Auch in der Vergan- lichen Altfallregelung, wenn sie mit ihnen in
genheit liegende Kontakte sind als Bezüge häuslicher Gemeinschaft leben. Für die An-
i. S. d. § 104a Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 zu wendung des § 104a Absatz 1 genügt es, dass
verstehen, wenn nicht die dadurch geschaffene die Kinder in häuslicher Gemeinschaft mit ih-
Verbindung zu der Organisation später er- ren Verwandten leben und diese als Vormund/
kennbar gelöst wurde. Zum Begriff „Unter- Pfleger bestellt sind. Sie sind dann nicht unbe-
stützen“ vgl. Nummer 54.2.1.2.1. gleitet i. S. d. Absatzes 2 Satz 2. Die Kinder er-
halten ein von der Aufenthaltserlaubnis der El-
104a.1.7 Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach § 104a
tern bzw. eines Elternteiles abhängiges Aufent-
Absatz 1 Satz 1
haltsrecht auf der gleichen Rechtsgrundlage wie
104a.1.7.1 Geduldete, die ihren Lebensunterhalt noch die Eltern. Sie müssen die Voraussetzungen zur
nicht eigenständig durch Erwerbstätigkeit si- Erteilung der Aufenthaltserlaubnis – bis auf die
chern, jedoch die übrigen Voraussetzungen des Voraufenthaltszeit und die eigenständige Er-
§ 104a erfüllen, erhalten eine Aufenthaltser- werbstätigkeit (da es bei § 104a stets nur darauf
laubnis auf Probe. Sie wird nach § 104a Ab- ankommt, dass der Bedarf der gesamten Be-
satz 1 Satz 1 erteilt, gilt jedoch als Aufenthalts- darfsgemeinschaft erfüllt ist, auch wenn dies
titel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 (Aufenthalt aus durch die Erwerbstätigkeit von einem anderen
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1263

Familienmitglied sichergestellt ist) – auch in ei- bar, ebenso kann gemäß § 5 Absatz 3 von der
gener Person erfüllen (zum Nachweis hin- Anwendung von dessen Absätzen 1 und 2 ab-
reichender mündlicher Deutschkenntnisse gesehen werden. Zu den Ermessenserwägungen
siehe Nummer 104a.1.2 f.). Dem minder- siehe Nummer 104a.2.0.
jährigen Kind kann in den Fällen des § 30 Ab-
satz 3 Nummer 7 AsylVfG die Aufenthaltser- 104a.3 Ausschluss bei Straftaten von Familienange-
laubnis abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 hörigen
erteilt werden. Mit Eintritt der Volljährigkeit
kann ihnen eine Aufenthaltserlaubnis unter den 104a.3.1 § 104a Absatz 3 Satz 1 sieht in Anlehnung an
erleichterten Voraussetzungen des § 104a Ab- den IMK-Beschluss vom 17. November 2006
satz 2 Satz 1 erteilt werden. vor, dass die Begehung von Straftaten nach
§ 104a Absatz 1 Nummer 6 durch einen Aus-
länder die Versagung der Aufenthaltserlaubnis
104a.2 Volljährige ledige Kinder und unbegleitete
auch für die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft
Minderjährige
lebenden Familienmitglieder zur Folge hat. Für
104a.2.0 Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Ab- minderjährige Kinder, deren Eltern straffällig
satzes 2 kann als Rechtsfolge eine Aufenthalts- geworden sind, entspricht dies dem Grundsatz,
erlaubnis nach § 23 Absatz 1 Satz 1 erteilt wer- dass das minderjährige Kind das aufenthalts-
den. Bei der Ermessensausübung ist, soweit dies rechtliche Schicksal der Eltern teilt. Hinzu
nicht schon im Rahmen der Integrations- kommt, dass auf Grund der häuslichen Ge-
prognose in Ansatz gebracht wurde, das Vor- meinschaft ein negativer Einfluss auf die übri-
liegen eines Versagungsgrundes nach Num- gen Familienmitglieder nicht auszuschließen
mer 4, 5 und 6 des Absatzes 1 zu berück- ist. Dies gilt auch für das Verhältnis von Ge-
sichtigten. schwistern untereinander. Für die Fälle, in de-
nen Kinder eine Straftat begangen haben, ist der
104a.2.1 § 104a Absatz 2 Satz 1 sieht ein Aufenthalts- Ausschluss der Eltern im Hinblick auf ihre
recht im Falle einer positiven Integrations- Aufsicht- und Erziehungspflicht gerechtfertigt.
prognose für geduldete volljährig gewordene
Kinder von geduldeten Ausländern vor, die die 104a.3.2 § 104a Absatz 3 Satz 2 enthält eine Ausnah-
Voraufenthaltszeiten nach Absatz 1 erfüllen. meregelung für den Ehegatten des Ausländers;
Mangels ausdrücklichen Ausschlusses gelten für seine Kinder kommt eine Aufenthaltser-
die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des laubnis nach § 104a in Betracht. Eine besondere
§ 5, es muss also insbesondere die Sicherung des Härte i. S. d. § 104a Absatz 3 Satz 2 wird insbe-
Lebensunterhalts nachgewiesen sein. Nach § 5 sondere auf Grund von Umständen vorliegen,
Absatz 3 kann hiervon abgesehen werden, wo- aufgrund derer das Verlassen der Bundes-
bei § 104a Absatz 6 Nummer 1 bis 3 in diesem republik wegen eigener Integrationsleistungen
Zusammenhang Anhaltspunkte für die Er- schlechterdings unzumutbar wäre. Allein die
messensausübung bietet. Bei volljährig gewor- Aufenthaltsdauer etwa kann eine solche Härte
denen Schülern einer Fachschule oder eines nicht begründen, weil insoweit keine Be-
Gymnasiums, die ihre begonnene Schulaus- sonderheit gegenüber anderen Adressaten der
bildung zügig beenden werden, kann ebenfalls gesetzlichen Altfallregelung besteht.
von der Lebensunterhaltssicherung abgesehen
104a.3.3 Auf die Vorschriften des Familiennachzugs
werden. Als Nachweis, dass diese Voraus-
kann sich der straffällig gewordene Familien-
setzungen erfüllt werden, kann eine Prognose-
angehörige bei der Aufenthaltserlaubnis auf
entscheidung der Schule eingeholt werden. Der
Probe gemäß § 29 Absatz 3 Satz 3 nicht und im
Lebensunterhalt von Studenten, die BAföG
übrigen nur unter den Voraussetzungen des § 29
beziehen, gilt ebenfalls als gesichert.
Absatz 3 Satz 1 sowie der allgemeinen Er-
Von den Voraussetzungen des § 5 Absatz 2 teilungsvoraussetzungen berufen. Bei der Er-
(ordnungsgemäßes Visumverfahren) sollte vom messensausübung, etwa im Rahmen des § 27
Sinn und Zweck der Regelung des § 104a Ab- Absatz 3 Satz 2, ist darauf zu achten, dass hin-
satz 2 und im Gleichklang mit den Aufent- sichtlich des straffällig gewordenen Familien-
haltserlaubnissen nach § 104a Absatz 1, bei de- angehörigen die Wertung des § 104a Absatz 3
nen § 5 Absatz 2 gar nicht zur Anwendung nicht unterlaufen wird.
kommt, abgesehen werden.
104a.4 Integrationsvereinbarung
104a.2.2 § 104a Absatz 2 Satz 2 gewährt minderjährigen
oder volljährig gewordenen Ausländern ein Nach Absatz 4 Satz 1 kann die Aufenthaltser-
Aufenthaltsrecht, die als unbegleitete Minder- laubnis entsprechend dem IMK-Beschluss un-
jährige ins Bundesgebiet eingereist sind, wenn ter der Bedingung erteilt werden, dass der Aus-
sie sich am Stichtag seit mindestens sechs Jah- länder an einem Integrationsgespräch teilnimmt
ren, also mindestens seit dem 1. Juli 2001, ge- oder eine Integrationsvereinbarung abge-
duldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltser- schlossen wird. Den Ausländerbehörden wird
laubnis aus humanitären Gründen im Bundes- mit dieser Bestimmung die Möglichkeit der in-
gebiet aufgehalten haben und eine positive dividuellen Beratung sowie der Kontrolle der
Integrationsprognose vorliegt. Auch hier ist § 5 Integrationsfortschritte gegeben. Wurde eine
mangels ausdrücklichen Ausschlusses anwend- Integrationsvereinbarung abgeschlossen, ist
Seite 1264 GMBl 2009 Nr. 42– 61

eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von sicherung die gesamte Familie einbezogen wer-
der Erfüllung der eingegangenen Integrations- den.
verpflichtung abhängig. Sofern ein Aufent-
haltstitel nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, 104a.5.4 Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer im Zeit-
kann der Ausländer nach § 44 Absatz 4 vom raum vom 1. April 2009 bis zum 31. Dezember
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum 2009 aus eigener Erwerbstätigkeit den Lebens-
Integrationskurs zugelassen werden. unterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher
Leistungen bestreiten konnte und es sich nicht
nur um eine vorübergehende Beschäftigung
104a.5 Verlängerung gemäß § 104a Absatz 5 handelt. Die Annahme, dass in diesen Fällen für
die Zukunft der Lebensunterhalt überwiegend
104a.5.1 § 104a Absatz 5 enthält zunächst die Fest- gesichert sein wird, kann auch dann gerecht-
legung, dass die Aufenthaltstitel nach Absatz 1 fertigt sein, wenn der der Erwerbstätigkeit zu-
und 2 mit einer Gültigkeit bis zum 31. De- grunde liegende Arbeitsvertrag lediglich eine
zember 2009 erteilt werden. für den Abschluss vergleichbarer Arbeits-
verträge übliche Befristung des Arbeits-
104a.5.2 In Fällen, in denen der Ausländer bei Erteilung
verhältnisses beinhaltet. Liegen die Voraus-
der Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des
setzungen für die Verlängerung nach § 104a
Absatzes 1 nicht über hinreichende mündliche
Absatz 5 – ggf. i. V. m. § 104a Absatz 6 – vor,
deutsche Sprachkenntnisse i. S. d. Stufe A 2
wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Ab-
GER verfügt, wird die Aufenthaltserlaubnis le-
satz 1 Satz 1 um zwei Jahre verlängert. Liegen
diglich bis zum 1. Juli 2008 erteilt. Weist der
die Voraussetzungen nicht vor, ist eine Ver-
Ausländer zum Zeitpunkt der erforderlichen
längerung der nach § 104a Absatz 1 Satz 1 er-
Verlängerung dieser so befristeten Aufenthalts-
teilten Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Ab-
erlaubnis die erforderlichen Sprachkenntnisse
satz 1 i. V. m. § 8 Absatz 1 oder § 26 Absatz 1
nach, wird die Aufenthaltserlaubnis unter den
nicht möglich, da die Verlängerungsregelung
Voraussetzungen des Absatzes 1 mit einer Be-
von § 104a Absatz 5 Satz 2 als lex specialis die
fristung bis zum 31. Dezember 2009 verlängert.
Anwendung anderer Verlängerungsregelungen
104a.5.3 Im Gegensatz zu § 104a Absatz 1, wonach bei ausschließt.
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Er- 104a.5.5 Ausschluss der Fiktionswirkung nach § 81 Ab-
füllung der Voraussetzung nach § 5 Absatz 1 satz 4
Nummer 1 verzichtet wird, wird für die Ver-
längerung der Aufenthaltserlaubnis bzw. Er- Nach § 104a Absatz 5 Satz 5 ist die Fiktions-
teilung über den 31. Dezember 2009 hinaus wirkung des § 81 Absatz 4 ausgeschlossen. Die
vorausgesetzt, dass im zu betrachtenden Zeit- Regelung gilt für alle auf Grund von § 104a er-
raum der Lebensunterhalt überwiegend eigen- teilten und verlängerten Aufenthaltserlaub-
ständig durch Erwerbstätigkeit gesichert war. nisse.
Dies ist der Fall, wenn entweder im über-
wiegenden Teil des zu betrachtenden Zeitraums Die Regelung geht auf die politische Forderung
der Lebensunterhalt vollständig ohne öffent- zurück zu verhindern, dass sich ein auf die ge-
liche Leistungen gesichert war oder im ge- setzliche Altfallregelung berufender Ausländer
allein durch Stellen eines Verlängerungsantrags
samten Zeitraum trotz zusätzlichen Bezugs öf-
der Aufenthaltsbeendigung entziehen kann. Sie
fentlicher Mittel jedenfalls das Einkommen aus
unterstreicht zudem die gesetzgeberische In-
Erwerbstätigkeit insgesamt überwog. Dabei
tention, dass eine Verlängerung nicht in Be-
werden öffentliche Leistungen nicht ange-
tracht kommt, wenn die Verlängerungsvoraus-
rechnet, die auf Beitragsleistungen beruhen wie
setzungen erst nach Ablauf der erstmals er-
z. B. Leistungen aus der Kranken- oder Ren-
teilten Aufenthaltserlaubnis erfüllt werden.
tenversicherung und das Arbeitslosengeld I.
Dagegen sind Leistungen nach dem SGB II und
SGB XII keine auf einer Beitragsleistung be- 104a.6 Ausnahmen bei der Verlängerung der Auf-
ruhenden öffentlichen Mittel und werden als enthaltserlaubnis zur Vermeidung von Här-
öffentliche Leistungen angerechnet. Zu Wohn- tefällen
geld vgl. Nummer 2.3.1.3. Für die Zukunft gilt 104a.6.0 Mit § 104a Absatz 6 werden Ausnahmen fest-
hinsichtlich der überwiegenden Lebensunter- gelegt, in denen die Aufenthaltserlaubnis zur
haltssicherung der gleiche Maßstab wie für den Vermeidung von Härtefällen auch dann ver-
zurückliegenden Zeitraum. Sofern Anhalts- längert werden kann, wenn der Lebensunterhalt
punkte dafür vorliegen, dass der Ausländer nicht, wie in § 104a Absatz 5 gefordert, eigen-
auch in Zukunft auf ergänzende Sozial- ständig durch Erwerbstätigkeit gesichert wird.
leistungen angewiesen sein wird, ist für die
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu ver- 104a.6.1 In Nummer 1 werden Ausnahmen für Jugend-
langen, dass im Laufe der Zeit eine vollständig liche oder junge Erwachsene geschaffen, die
eigenständige Lebensunterhaltssicherung ge- sich in Ausbildung oder Berufsvorbereitung
lingen kann. Wie auch bei der sofortigen Er- befinden. Sie sollen ihre individuellen
teilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Ab- Bildungschancen nutzen können, um ihre
satz 1 (im Rahmen des § 104a Absatz 1 Satz 2) weitere Integration in Deutschland zu
muss bei der Frage der Lebensunterhalts- ermöglichen, sofern sie die Regelausbildungs-
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1265

dauer nicht um mehr als ein Jahr überschreiten. besondere wenn Kinder im Vorschulalter vor-
Unter beruflicher Ausbildung werden Aus- handen sind. Es kann damit keine feste zeitliche
bildungsgänge erfasst, die zu einem beruflichen Grenze festgelegt werden, die den Begriff
Abschluss führen. Hierunter fallen zum einen „vorübergehend“ definiert. Es müssen jedoch
staatlich anerkannte Ausbildungsberufe, wenn berechtigte Anhaltspunkte dafür gegeben sein,
die Ausbildung betrieblich oder außerbetrieb- dass der Bezug dieser ergänzenden Sozial-
lich durchgeführt und ein dafür vorgeschriebe- leistungen nicht dauerhaft erfolgen wird.
ner Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird.
Zum anderen werden darunter die außerhalb 104a.6.3 Nach Nummer 3 kommen Ausnahmen für Al-
des dualen Ausbildungssystems an Berufs- leinerziehende mit einem oder mehreren Kin-
fachschulen und anderen Schulformen durch- dern in Betracht, die vorübergehend auf Sozial-
zuführenden voll qualifizierenden Berufsaus- leistungen angewiesen sind, weil ihnen die
bildungen verstanden, die mit einem berufli- Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zumut-
chen Abschluss enden. Staatlich geförderte bar ist, wenn diese die Erziehung des oder der
Maßnahmen der Berufsausbildungsvorberei- Kinder gefährden würde. Die Erziehung eines
tung zielen nach dem SGB III und dem BBiG Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat,
darauf ab, lernbeeinträchtigten und sozial be- ist nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 SGB II i. d. R.
nachteiligten Jugendlichen Ausbildungsreife zu nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer
vermitteln. Hierunter fallen auch das Tageseinrichtung oder in Tagespflege i. S. d.
Berufsvorbereitungsjahr oder Berufsgrund- Vorschriften des SGB VIII oder auf sonstige
bildungsjahr, sowie die betriebliche Einstiegs- Weise sichergestellt ist.
qualifizierung nach der Richtlinie zur Durch- 104a.6.4 Nummer 4 erfasst die Ausländer, die vor Errei-
führung des Sonderprogramms Einstiegs- chen der Altersgrenze von 65 Jahren auf Grund
qualifizierung Jugendlicher (EQJ-Programm). von Erwerbsunfähigkeit eine eigenständige Le-
Die Regelung gilt entsprechend für Schüler an bensunterhaltssicherung aus eigener Erwerbs-
Oberstufen der allgemeinbildenden Schulen tätigkeit nicht erbringen können. Es muss sich
und Studenten an (Fach-)Hochschulen, sofern um eine Erwerbsunfähigkeit im renten-
sie seit der erstmaligen Erteilung der Aufent- rechtlichen Sinne handeln. Voraussetzung ist
haltserlaubnis ihre Ausbildung zügig weiter jedoch, dass der Lebensunterhalt einschließlich
betrieben haben und zu erwarten ist, dass sie ausreichenden Krankenversicherungsschutzes
diese erfolgreich beenden werden. Num- und einer erforderlichen Betreuung und Pflege
mern 16.1.1.6.2 f. finden Anwendung. Für den in sonstiger Weise ohne Leistungen der öffent-
Studiengangwechsel gilt Nummer 16.2.5. lichen Hand dauerhaft gesichert ist. Leistungen,
die auf Beitragszahlungen beruhen, bleiben au-
Das Vorliegen der Voraussetzungen des Ab- ßer Betracht.
satzes 6 Nummer 1 wirkt sich so aus, dass die in
Nummer 104a.6.1 genannten Personen bei der 104a.6.5.1 Die Anwendung der Ausnahme von Nummer 5
Berechnung des Lebensunterhalts für die Ge- kommt nur unter den kumulativ genannten
samtfamilie außer Betracht bleiben. Voraussetzungen in Betracht. Maßgeblich ist
das Lebensalter, das der Ausländer zum Zeit-
104a.6.2 Mit Nummer 2 werden Ausnahmen in den Fäl- punkt der am 1. Januar 2010 anstehenden Ver-
len zugelassen, in denen die Familien mit Kin- längerung der Aufenthaltserlaubnis erreicht
dern nur vorübergehend auf ergänzende So- hat. Damit werden auch die Ausländer erfasst,
zialleistungen angewiesen sind. Der Begriff die zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufent-
„Kinder“ bezieht sich dabei nicht nur auf min- haltserlaubnis nach § 104a Absatz 1 noch nicht
derjährige Kinder, sondern auf alle Kinder der das 65. Lebensjahr vollendet haben, dieses aber
Familie, für die die Eltern zur Leistung von im Verlauf der Geltungsdauer der ersten Auf-
Unterhalt verpflichtet sind und tatsächlich enthaltserlaubnis vollenden werden. Zum Zeit-
einen Beitrag leisten. Der Bezug der „er- punkt der Verlängerung muss der Ausländer
gänzenden Sozialleistungen“ muss sich darüber Kinder oder Enkel in Deutschland haben, die
hinaus in den Kindern begründen, das bedeutet, über einen dauerhaften Aufenthalt in Deutsch-
dass die eigenen Einkünfte aus Erwerbstätigkeit land verfügen. Es ist nicht erforderlich, dass
zwar zur überwiegenden Bestreitung des Le- diese im Besitz einer Niederlassungserlaubnis
bensunterhalts der Eltern ausreichen würden, sind, es reicht aus, wenn die Aufenthaltserlaub-
nicht jedoch zur Deckung des überwiegenden nis des Kindes oder Enkels eine Aufenthalts-
Lebensunterhalts der gesamten Familie ge- verfestigung ermöglicht. Dies ist insbesondere
nügen. In diesen Fällen kann also auch bei Un- dann jedoch nicht gegeben, wenn die Verlänge-
terschreitung der nach § 104a Absatz 5 für die rung der Aufenthaltserlaubnis des Kindes oder
Prognoseentscheidung vorgeschriebenen Maß- des Enkels nach § 8 Absatz 2 ausgeschlossen
stäbe der Titel verlängert werden. Ebenso ist wurde.
auch der Begriff „vorübergehend“ im Zusam-
menhang mit der Voraussetzung vorhandener 104a.6.5.2 Für den Personenkreis der Ausländer, die die
Kinder zu sehen. Insofern berücksichtigt diese genannte Altersgrenze erreicht haben, dürfen
Ausnahme, dass durch Kinder in der Familie keine Sozialleistungen in Anspruch genommen
die überwiegende eigenständige Sicherung des werden. Dies gilt sowohl für Leistungen zum
Lebensunterhalts erschwert sein kann, dies ins- Lebensunterhalt als auch für Leistungen für die
Seite 1266 GMBl 2009 Nr. 42– 61

Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflege- angemessene Unterbringung und Pflege ge-
bedürftigkeit. Sofern der Lebensunterhalt nicht währleistet ist.
aus eigenen Mitteln (z. B. Altersrente) gesichert
ist, kann von einer Sicherung des Lebensunter- 104b.4 Wird eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, be-
haltes ausgegangen werden, wenn sichergestellt stimmt § 104b, dass sich die Rechtsfolgen nach
ist, dass (durch Gesetz oder Verpflichtungser- § 23 Absatz 1 Satz 1 richten. Die Verlängerung
klärung) unterhaltsverpflichtete Familienange- der Aufenthaltserlaubnis erfolgt nicht nach
hörige auch durchsetzbar in die Unterhalts- § 104a Absatz 5, sondern nach § 8 Absatz 1.
verpflichtung genommen werden können.

105 Zu § 105 – Fortgeltung von Arbeits-


104b Zu § 104b – Aufenthaltsrecht für integrierte genehmigungen
Kinder von geduldeten Ausländern
105.1 Arbeitserlaubnis
104b.1 § 104b sieht im Falle der Ausreise der Eltern ein
eigenständiges Aufenthaltsrecht für integrierte 105.1.1 Nach Absatz 1 Satz 1 behält eine vor In-
Kinder im Alter zwischen 14 und 17 Jahren vor, krafttreten des Aufenthaltsgesetzes erteilte Ar-
die sich am 1. Juli 2007 seit sechs Jahren in beitserlaubnis ihre Gültigkeit bis zum Ablauf
Deutschland aufgehalten und das 14. Lebens- ihrer Geltungsdauer. Bei Erteilung eines Auf-
jahr vollendet haben, wenn ihren Eltern oder enthaltstitels gilt die Arbeitserlaubnis als Zu-
dem allein personensorgeberechtigten Eltern- stimmung der Arbeitsverwaltung. Wird ein
teil eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a nicht Aufenthaltstitel erteilt, der nicht kraft Gesetzes
erteilt oder verlängert wurde. Dies kommt ins- zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berech-
besondere in Betracht, wenn die Eltern die tigt, sind die in der Arbeitserlaubnis ent-
Ausländerbehörde vorsätzlich über aufent- haltenen Maßgaben in den Aufenthaltstitel zu
haltsrechtlich relevante Umstände getäuscht übernehmen. § 46 BeschV ergänzt die Be-
oder Straftaten begangen haben (§ 104a Ab- stimmungen des § 105 durch darin normierte
satz 1 Satz 1 Nummer 4 und 6). Die Eltern Übergangsregelungen.
müssen nach ihrer Ausreise das Kind im Bun-
105.1.2 Bisherigen Duldungsinhabern wird nach Ab-
desgebiet zurückgelassen haben. Eine Ausreise
lauf von deren Geltungsdauer entweder eine
der Eltern in einen anderen Mitgliedstaat der
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 bis 5
Europäischen Union genügt dabei nur dann,
erteilt oder die Duldung verlängert. Wird eine
wenn sich die Eltern dort rechtmäßig aufhalten.
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 bis 5
104b.2 Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von erteilt, so gilt die erteilte Arbeitserlaubnis bis
§ 5 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 sowie zum Ablauf ihrer Geltungsdauer als Zustim-
§ 10 Absatz 3 Satz 1 erteilt werden. mung zur Beschäftigung fort. Die Be-
schränkungen der Arbeitserlaubnis sind in die
104b.3 Sonstige besondere Erteilungsvoraussetzungen Nebenbestimmungen zur Aufenthaltserlaubnis
sind in § 104b Nummer 1 bis 5 geregelt. zu übernehmen.

104b.3.1 Wann die deutsche Sprache beherrscht wird, ist


105.2 Arbeitsberechtigung
entsprechend der Definition der Stufe C 1 des
Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens Eine vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes
für Sprachen (GER) zu bestimmen. Dazu ge- erteilte Arbeitsberechtigung gilt als uneinge-
hört, dass ein Kind sich altersangemessen flie- schränkte Zustimmung der Arbeitsverwaltung
ßend mündlich und schriftlich ausdrücken zur Aufnahme einer Beschäftigung fort. Eine
kann, dass es auch in einem Gespräch über der Arbeitsberechtigung entsprechende Er-
komplexere Sachverhalte nicht mehrfach er- laubnis zur Beschäftigung ist nach der Neure-
kennbar nach Worten suchen muss und derar- gelung des Arbeitsmarktzuganges im Rahmen
tige Sachverhalte auch strukturiert aufschreiben des § 9 BeschVerfV vorgesehen. Soweit ein
kann. Der Nachweis kann im Rahmen eines Aufenthaltstitel erteilt wird, der nicht kraft
kurzen Gesprächs sowie anhand der Schulnoten Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit
im Deutschunterricht erfolgen. berechtigt, ist die Aufenthaltserlaubnis mit der
Nebenbestimmung
104b.3.2 Eine positive Integrationsprognose ist i. d. R.
anzunehmen, wenn das Kind regelmäßig zur „Selbständige Erwerbstätigkeit nur mit
Schule geht, sich in einer Berufsausbildung be- Zustimmung der Ausländerbehörde er-
findet, die zu einem anerkannten Berufsab- laubt“
schluss führt, oder wenn es einen entsprechen-
den Schulabschluss erworben hat. Das Begehen zu versehen.
von nicht unerheblichen und vorsätzlichen
Straftaten steht einer positiven Integrations-
prognose i. d. R. entgegen. 105a Zu § 105a – Bestimmungen zum
Verwaltungsverfahren
104b.3.3 Die Personensorge ist dann sichergestellt, wenn
ein Vormund für das Kind bestellt ist und eine Nicht belegt.
Nr. 42– 61 GMBl 2009 Seite 1267

106 Zu § 106 – Einschränkung von Grundrechten


Nicht belegt.

107 Zu § 107 – Stadtstaatenklausel


Nicht belegt.

Artikel 2
Inkrafttreten
Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach
der Veröffentlichung in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Berlin, den 26. Oktober 2009


M I 3 – 128 406/0

Die Bundeskanzlerin
Angela Merkel

Der Bundesminister des Innern


Schäuble

GMBl 2009, S. 878


___________
Seite 1268 GMBl 2009 Nr. 42– 61

HERAUSGEBER:
Bundesministerium des Innern
11014 Berlin (Postanschrift)
Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin (Hausanschrift)
Telefon: 0 30/1 86 81-0
Telefax: 0 30/1 86 81-29 26
E-Mail: poststelle@bmi.bund400.de
VERLAG:
Carl Heymanns Verlag –
Eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland
Luxemburger Straße 449, 50939 Köln
Telefon: 02 21/9 43 73-70 00, 0 26 31/8 01-22 22 (Vertrieb)
Telefax: 0 26 31/8 01-22 23 (Vertrieb)
E-Mail: info@wolterskluwer.de
http://www.wolterskluwer.de
DRUCK:
Bonner Universitäts-Buchdruckerei, Justus-von-Liebig-Str. 6, 53121 Bonn
Telefon: 02 28/5 46-0, Telefax: 02 28/54 61 50
ERSCHEINUNGSWEISE UND BEZUGSBEDINGUNGEN:
Das Gemeinsame Ministerialblatt erscheint nach Bedarf. Abonnementspreis: je 20 Hefte 36,50 j zuzüglich 6,50 j Versandgebühren. Einzelhefte je 8 angefangene
Seiten 1,50 j zuzüglich Versandgebühren (auf Anfrage). Der Bezug des Gemeinsamen Ministerialblattes kann zum Ende eines Abrechnungszeitraumes von
20 Heften gekündigt werden.
Preis dieses Heftes 73,50 j zuzüglich Versandkosten (5,67 j Inland, 8,56 j Ausland).
Im Bezugspreis ist die Mehrwertsteuer enthalten, der angewandte Steuersatz beträgt 7 %.
Einzelhefte nur durch Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Luxemburger Straße 449, 50939 Köln, oder durch den Buchhandel.
2009

También podría gustarte