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Der größte Trash aller Zeiten – Wie Sie jetzt noch Ihren
Verstand schützen können!
Rezension des neuen Buches von Marc Friedrich und Matthias Weik
von Richard Aabromeit
Es gibt zwar in der einschlägigen Literatur zur zeitgenössischen Finanzwelt noch weitaus schlechtere Texte,
aber Friedrich/Weik sind auffällig bemüht, das von ihnen zusammengetragene Material möglichst
katastrophisch zu interpretieren und anschließend das Schlimmste mit einer Mixtur aus banalen
Ratschlägen und Gemeinplätzen abwenden zu wollen. Das alles ohne auch nur den Anschein einer
gründlichen Analyse zu hinterlassen.
»Winter is coming« (S. 16; ein Zitat aus ›Game of Thrones‹, svw.: »Jetzt kommen wirklich schlechte
Zeiten«) – und: »Der größte Crash aller Zeiten steht uns bevor und wir können ihn nicht mehr verhindern!«
(S. 13; Hervorh. i. Orig.). So unken die beiden Autoren in der heute üblichen, medialen Katastrophen-
Manier.
Das Schema
Friedrich/Weik teilen ihr Buch grob in drei Teile: Die ersten zwölf (der insgesamt 16) Kapitel, von S. 11 bis S.
243, bauen ein großes Schreckensszenario über die Zukunft der Welt, Europas, und insbesondere
Deutschlands auf. Hier findet sich eine Mixtur aus wichtigen Fakten, angstmachenden Andeutungen ohne
Fundament und aus an Demagogie grenzendem Trash: »Wir befinden uns im Endstadium, und eine
Rettung ist nicht mehr möglich« (S. 16). Letzteres soll verängstigen und auf das Folgende neugierig
machen, denn Friedrich/Weik versprechen gleich in der nächsten Zeile: »und noch kann man sich darauf
vorbereiten« (ebd.; Hervorh. i. Orig.). Ein langes 13. Kapitel widmen sie dann ihren »Lösungen« (S. 245ff.).
In den letzten beiden Kapiteln offenbaren sie schließlich ihre reichlich oberflächliche Grundeinstellung,
welche in der Forderung gipfelt: »Maschinen an die Macht – an die Macht der Politik« (S. 370). Zwischen
dem Kapitel mit den »Lösungen« und der Darstellung ihrer politischen Positionen schieben sie noch ein
kleines Drohszenario: »Nach der Demokratie droht die Diktatur« (S. 355), das allerdings nicht allzu viel
Substanz hat.
Der Schrecken
Friedrich/Weik führen beinahe alles an, was im Bereich von Finanzen, Geldpolitik und Währung an
Schreckensmeldungen durch die Medien geistert – seien es Fakten oder einfache Behauptungen. Zunächst
die Behauptungen: Erst einmal wird der Euro scheitern, weil ja bisher alle sogenannten Währungsunionen
gescheitert seien. Er befinde sich darüber hinaus in einem »Dauerkrisenmodus« (S. 34). Vor allem die
Staatsschulden in der Eurozone befänden sich in etlichen Ländern (Griechenland, Italien, Portugal, Zypern,
Spanien, Frankreich, Belgien) in einer »Todeszone« (S. 38), da ihre Staatsschuldenquote (das ist das
Verhältnis der staatlichen Gesamtschulden zur jährlichen Wirtschaftsleistung) mehr als neunzig Prozent
betrage. Das nächste Horrorszenario betrifft die Politik der niedrigen Zinsen und des ›quantitative easing‹,
sprich die Versorgung der Geschäftsbanken mit massenhaft billigem Geld seitens der EZB: »Noch mehr
von der Droge Billiges Geld« (S. 64). Am Ende würden, wenn es nach den Autoren ginge, sicherlich viele
Banken, darunter auch die deutschen ›Commerzbank‹ und ›Deutsche Bank‹ insolvent werden: »Das
Bankensterben kommt!« (S. 67).
Es finden sich aber auch immer wieder Hinweise aus der Empirie, die für gesellschaftskritische Menschen
interessant sind, so zum Beispiel: »Im Jahr 2000 produzierte die Welt für 45 Billionen Dollar Waren und
Dienstleistungen. Der Schuldenstand betrug 87 Billionen Dollar. 2010 betrug das weltweite BIP 65 Billionen
Dollar, und die Schulden beliefen sich auf 200 Billionen Dollar. Das bedeutet, dass für eine Steigerung des
globalen BIPs um 20 Billionen Dollar […] 113 Billionen Dollar Schulden gemacht werden mussten« (S. 22).
Das ist in der Tat erschreckend und heißt nichts anderes, als dass der Kapitalismus zunehmend seine
Zukunft bereits in der Gegenwart konsumiert! Auch dass global bereits mehr als »17 Billionen US-Dollar an
Anleihen […] schon negativ verzinst [sind] und weitere 12 Billionen Dollar mit 0 Prozent oder unter der
Inflationsrate« (S. 29), ist mehr als bedenklich. Es bedeutet nämlich, dass, rein rechnerisch, mehr als das
von BlackRock, Vanguard und StateStreet (also den drei größten Vermögensverwaltern der Welt)
zusammen verwaltete Geldvermögen sich gar nicht mehr vermehrt.
Aber auch sich links dünkende Menschen werden von unseren Autoren im Rahmen einer Abhandlung über
die deutsche Gesellschaft bedient: »Unser System ist nicht nur ungerecht und sexistisch, nein es ist
hochgradig unsozial! Keine Partei hat diese Ungerechtigkeit jemals geändert!« (S. 184). Das klingt nicht nur
nebulös-anklagend, sondern auch richtig kritisch! Und ein wenig Humor muss ja auch sein, daher machen
die Autoren einen Vorschlag über den Tagungsort des nächsten Treffens führender Politiker/inne dieser
Erde: »Last [sic!] das nächste G7-, G8- oder G20-Treffen doch einfach auf einem der zahlreichen
umherschippernden Flugzeugträger stattfinden« (S. 192). Immerhin hätten dann die Sicherheitskräfte
weniger zu tun, kosteten ergo auch weniger.
Für die Bekämpfung des Klimawandels haben Friedrich/Weik bereits im neunten Kapitel, das noch gar nicht
zu den »Lösungen« gehört, bereits eine Lösung parat: »Die effizienteste und günstigste Art, den
Klimawandel zu stoppen, ist die Aufforstung […] Die globale Aufforstung würde den CO2-Anstieg
vollständig stoppen, ohne dass wir morgen im Dunkeln auf den Bäumen sitzen müssten!« (S. 195). Dass
eine Aufforstung im Vergleich mit einer natürlichen Aussaat äußerst ineffizient ist und meistens zu
anfälligeren Monokulturen führt, scheint den Autoren nicht bekannt zu sein.
Bleibt noch zu erwähnen, dass Friedrich/Weik sehr gerne über »Das monetäre Endspiel« (S. 200), über
»The Final Countdown« (S. 205) und über »das Scheitern der EU« (vgl. S. 205ff.) fabulieren. Wohl damit
die Leser/innen in bestens vorkonditionierter Katastrophenstimmung an die im dreizehnten Kapitel
vorgestellten Lösungsvorschläge herangehen sollen.
Kommen wir zu den „Lösungen“, die sich im 13. Kapitel finden. Sie lauten:
Solche Plattitüden erfährt man bei jedem Gespräch mit einer/m mehr oder weniger qualifizierten
Bankberater/in (o. ä.). Aber bei Friedrich/Weik hören sie sich vor dem Hintergrund der zuvor entfalteten
Horrorszenarien recht hoffnungsfroh und ungemein professionell an. Immerhin: Wer genügend ›Spielgeld‹
zur Verfügung hat und (noch?) kein/e Expert/in ist, kann sich hier durchaus den einen oder anderen Tipp
abholen. Aber ein paar Zehntausend Euro sollten es schon sein, sonst lohnen sich die ganzen Recherchen
und Gedankengänge ja nicht wirklich.
Das Kapitel über den Bitcoin, verfasst von Marc Friedrich, PlanB und Florian Kössler, ist vielleicht das
informativste des ganzen Buches. Zwar plädieren die Autoren recht naiv für ein finanzielles Engagement
(»bis zu 5 Prozent Bitcoin«; ebd.), jedoch geben sie einen durchaus akzeptablen Überblick darüber, wie
diese Kryptowährung entstanden ist und wie sie einzuschätzen sei (S. 284ff.). By the way: Für
Liebhaber/innen des Whisky lohnt sich auch die Lektüre des Gastbeitrages von Horst Lüning (›whisky.de‹).
Die Schlussfolgerungen
Für radikale Gesellschaftskritiker/innen ist es nicht gerade zielführend, das ganze Buch zu lesen. Allenfalls
das Datenmaterial einzelner Passagen könnte nützlich sein. Das könnte aber auch über andere Quellen
besorgt werden (de.statista.com, destatis.de, u.v.m.). Bedauerlicherweise gelangen die Autoren zu keiner
grundlegenden Analyse. Die Einschätzung, dass etwa im Jahre 2023 eine neuerliche Krise zu erwarten sei,
könnte zwar zutreffen, aber dass diese »Der größte Crash aller Zeiten« werden soll, ist aufgrund der im
Buch angeführten Argumente nicht nachzuvollziehen. Dazu bedürfte es einer theoretischen Grundlage, die
von den Autoren nicht offenbart wird und wahrscheinlich gar nicht vorhanden ist.
Marc Friedrich, Matthias Weik; Der größte Crash aller Zeiten. Wirtschaft, Politik, Gesellschaft – Wie Sie jetzt
noch Ihr Geld schützen können; Eichborn Verlag, Köln 2019, 400 S., 20,00 Euro.
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