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Stern, Klaus:
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber I Klaus Stern. - Opladen:
Westdt. Ver!., 1997
(Vorträge I Nordrhein-WestfälischeAkademie der Wissenschaften:
Geisteswissenschaften; G 350)
ISBN 978-3-531-07350-7 ISBN 978-3-322-90068-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-90068-5
NE: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften <Dusseldorf>:
Vortrage I Geisteswissenschaften
ISSN 0944-8810
ISBN 978-3-531-07350-7
Inhalt
Diskussionsbeiträge
Professor Dr. iur. utr. ]osef Isensee; Professor Dr. iur., Dr. h. c. mult.
Klaus Stern; Professor Dr. jur. Günther Jakobs; Professor Dr. iur., Dr.
iur. h. c. mult. Hans Joachim Hirsch; Professor Dr. jur., Dr. h. c.
Gerhard Kegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Man kann nicht zweimal durch denselben Fluß gehen. An diesen Satz
Heraklits, der bekanntlich den Beinamen "der Dunkle" trug, könnten die-
jenigen denken, die 1979 meinen Vortrag "Verfassungsgerichtsbarkeit zwi-
schen Recht und Politik" an diesem Ort gehört haben.l Gewiß ist es 17 Jahre
später ein anderes Wasser, das ich mit meinem Thema zu durchqueren habe,
aber die damals aufgeworfene Problematik hat sich im Grundsätzlichen nicht
geändert; sie ist vielleicht nur verschärft worden. Wenn ich sie heute auf einen
bestimmten Bereich konzentriere, das Spannungsverhältnis der Verfassungs-
gerichtsbarkeit zum Gesetzgeber, so deshalb, weil gerade diese Beziehung
durch einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus jüngster Zeit
in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt ist.
Kontroversen des Bundesverfassungsgerichts mit dem Parlament sind eben-
sowenig neu wie mit der Regierung. Sie begleiteten die Verfassungsgerichts-
barkeit seit ihrer Entstehung. War es unmittelbar nach der Errichtung des
Gerichts der Streit um seinen Status als Verfassungsorgan und die daraus zu
ziehenden Folgerungen,2 so traten in den SOer Jahren Fragen der Kontroll-
intensität völkerrechtlicher Verträge in den Vordergrund,3 die ihren Höhe-
punkt in der Auseinandersetzung um den sog. Grundlagenvertrag mit der
DDR 1973 erlebten.4 Spannungsgeladene Konflikte mit dem Gesetzgeber
1 Klaus Stern, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G 243, 1980. Die
dort genannte ältere Literatur zur grundsätzlichen Problematik wird hier nur ausnahmsweise
zitiert.
2 Vgl. die "Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts" vom 27.6.1952,JöR Bd. 6 (1957), S. 144 ff.;
sowie die ebda., S. 109 ff., mit einer Einleitung von G. Leibholz veröffentlichten Materialien;
ders., in: Das Bundesverfassungsgericht 1951-1971, 1971, S. 44 ff.; K. Stern, Staatsrecht II, 1980,
§ 32 II 1; R. Dolzer, Die staatstheoretische und staatsrechtliche Stellung des Bundes-
verfassungsgerichts, 1972; H. Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß, 1968,
S. 293 ff.; A. Sattler, Die Rechtsstellung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan
und Gericht, Diss. Göttingen 1955, S. 2 ff.; C. Pricke, Zur Kritik an der Staats- und Verfassungs-
gerichtsbarkeit im verfassungsstaatlichen Deutschland, 1995.
3 Näher K. Stern, NWVBI. 1994, 241 ff.
4 Vgl. BVerfGE 36, 1 ff.; und aus der Kontroverse um die Rolle des Bundesverfassungsgerichts
im Zusammenhang mit dem Urteil]. Delbrück, in: Festschrift E. Menzel, 1975, S. 109 ff.;
E. Friesenhahn, ZRP 1973, 188 ff.; Chr. Tomuschat, DÖV 1973, 801 ff.; D. Wilke/G. H. Koch,
JZ 1975, 233 ff.; sowie die Beiträge in G. Zieger {Hrsg.), 5 Jahre Grundlagenvertragsurteil des
Bundesverfassungsgerichts, 1979.
8 Klaus Stern
5 Vgl. BVerfGE 35, 97 ff.; B. Schlink, DÖV 1973, 541 ff.; A. Sattler, in: Festschrift W. Weber,
1975, s. 325 ff.
6 Vgl. BVerfGE 39, 1 ff.; W. Brugger, NJW 1986, 896 ff.; M. Kriele, ZRP 1975,73 ff.
7 Vgl. BVerfGE 48, 127 ff.; W. Berg, AöR 107 (1982), S. 585 ff.; Chr. Gusy, JuS 1979, 254 ff.;
]. Ipsen, ZRP 1987, 153 ff.
8 Vgl. BVerfGE 40, 296 ff.; H. H. v. Arnim, Bonner Kommentar, Art. 48 (Zweitbearb.) Rdnrn.
83 ff.; P. Häberle, NJW 1976, 537 ff.; C. F. Menger, VerwArch 67 (1976), S. 303 ff.; K. Schlaichl
H.]. Schreiner, NJW 1979, 673 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, 2. Auf!. 1984, S. 1063 ff.
9 Vgl. BVerfGE 39,334 ff.; W. Schick, NJW 1975,2169 ff.; R. Scholz, in: Festschrift}. Broermann,
1982, S. 409 ff.; R. Zuck, JuS 1975, 695 ff., sowie K. Stern, Staatsrecht I, § 11 IV 3 a.
1o Vgl. BVerfGE 50, 290 ff.; K. M. Meessen, NJW 1979, 833 ff.; H.-]. Papier, ZGR 1979,444 ff.;
Reiner Schmidt, Der Staat 19 (1980), S. 235 ff.
11 Je nach Sichtweise standen im Mittelpunkt der Kritik folgende Entscheidungen: BVerfGE 84,
90 und später 94, 12 (Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone); 88, 203 (Abtreibung);
89, 1 (Mieter/Vermieter-Eigentum); 92, 1 (Sitzblockaden); 92, 277 (DDR-Geheimdienst-
agenten); 93, 121 (Vermögenssteuer); 93, 266 ("Soldaten sind Mörder"); 94, 49 und 115 (Asyl-
rechtskompromiß ).
12 Vgl. etwa BVerfGE 92, 341 ff.; 93,25 ff.; 93, 149 ff.; EuGRZ 1996,268 ff., 288 ff.
13 BVerfG, NJW 1995, 3303 =JZ 1996, 360 mit Anm. v. R. Zuck; dazu G. Gounalakis, NJW 1996,
481 ff., und zuletzt W. Schmitt Glaeser, NJW 1996, 873 ff. m.w.Nachw. Zuvor schon bedenk-
lich BVerfGE 86, 1 ff. Diese Rechtsprechung reicht weit zurück und basiert auf der hohen
Einschätzung der Meinungs- und Kunstfreiheit durch das Gericht (zusammengefaßt bei D.
Grimm, NJW 1995, 1697 ff.), der gegenüber kollidierende Grundrechte wie Ehre und
Persönlichkeit zu gering bewertet werden (zu Methode und Grundsätzen der Kollisionslösung
vgl. K. Stern, Staatsrecht III/2, 1994, § 82 mit weit. Nachw.; zuletzt aus privatrechtlicher Sicht
]. Hager, AcP 196 (1996), S. 168 ff.).
14 Einführung eines § 109 b in das Strafgesetzbuch, der lauten soll: "Wer öffentlich, in einer
Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften Soldaten in Beziehung auf ihren Dienst in
einer Weise verunglimpft, die geeignet ist, das Ansehen der Bundeswehr oder ihrer Soldaten in
der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 9
mit Geldstrafe bestraft". (Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P.,
BTagsDrucks. 13/3971)
15 BVerfG, EuGRZ 1986, 237 ff.
16 Hierzu ausführlich K. Stern, Staatsrecht III/2, § 89 mit weit. Nachw.; BVerfG, aaO, S. 252 f.
10 Klaus Stern
Die Entscheidung für ein Verfassungsgericht als Hüter der Verfassung ist
nach 1945 in Deutschland sowohl in den verfassunggebenden Versammlungen
der Länder (namentlich der amerikanischen Besatzungszone) als auch 1948/49
im Parlamentarischen Rat bewußt getroffen worden. Im Parlamentarischen
Rat etwa fiel der Satz: "Entweder wird das Recht tatsächlich als die Grundlage
der menschlichen Gesellschaft anerkannt und dann auch mit den notwendigen
Garantien zu seiner Verwirklichung ausgestattet. Oder aber die politische
Zweckmäßigkeit wird zum höchsten Prinzip erhoben, was dann wieder zu den
gefährlichen Grunddogmen einer vergangeneu Epoche hinführen würde,
wonach eben Recht ist, was dem Volke oder der Regierung oder dem Staate
nutzt."17 Damit wurde jener Idee eine Absage erteilt, derzufolge es Gerichten
wesensfremd sei, über die Rechtsgültigkeit von Gesetzen und Regierungsakten
zu urteilen, weil darin eine Juridifizierung der Politik und eine Politisierung
der Justiz läge, bei denen beide nichts zu gewinnen, wohl aber alles zu ver-
lieren hätten - Formulierungen, die auf den französischen Historiker und
Politiker F. Guizot aus dem Jahre 1846 zurückgehen und die C. Schmitt und
andere mehrfach variiert haben.l8
Es mag dahingestellt bleiben, ob man im Parlamentarischen Rat die Aus-
wirkungen, die von der Errichtung eines Bundesverfassungsgerichts mit der
zugedachten Kompetenzfülle ausgehen, in voller Tragweite erkannt hat. Sicher
ist nur, daß die Existenz einer Verfassungsgerichtsbarkeit, wie sie sich im Laufe
der Zeit entwickelt hat, die Bedeutung und Ausstrahlungswirkung der Ver-
fassung für alle Staatsgewalten, besonders aber für die Gesetzgebungsorgane,
in einer Weise determiniert hat, wie sie 1949 nicht vorhersehbar gewesen ist.
Diese Gerichtsbarkeit hat dem Rechtsstaat eine neue Dimension verliehen und
ihn zu einem Verfassungsstaat spezifischer Prägung gemacht.19 Der soeben aus
dem Amt geschiedene Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein hat dies
jüngst auf die Formel gebracht: "Die Verfassungsgerichtsbarkeit nimmt -
in nach Art und Zahl ihrer Zuständigkeiten unterschiedlich bemessenem Um-
fang - an der Staatsleitung teil. Die Koexistenz von politischer Staatsleitung
17 A. Süsterhenn (CDU) in der 2. Sitzung am 8.9.1948, Pari. Rat, Plenum, Stenogr. Berichte, S. 25;
s. ebda. auch W. Menzel (SPD), S. 31f.
18 Vgl. K. Stern, Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Recht und Politik, 1980, S. 20; neuerdings
R. Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994;
M. Piazzolo (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht- Ein Gericht im Schnittpunkt von Recht
und Politik, 1995.
19 Vgl. K Stern, Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Recht und Politik, 1980, S. 20; s. zuletzt
P. Kirchhof, NJW 1996, 1497 ff., über die auf das Bundesverfassungsgericht zukommenden
Aufgaben in Zeiten des Umbruchs.
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 11
Es steht außer Zweifel, daß die Kontrolle der rechtsetzenden Tätigkeit vor
allem der Parlamente durch die Verfassungsgerichte der neuralgische Punkt
ausgewogener Balancierung zwischen Erster und Dritter Gewalt ist. Die lange
Geschichte der Verfassungsmäßigkeitsprüfung von Gesetzen seit der Supreme
Court-Entscheidung Marbury vs. Madison von 180334 über den Kampf um
das richterliche Prüfungsrecht in Deutschland, der nicht erst mit der
Reichsgerichtsentscheidung vom 4. November 192535 begann, sondern weit in
das 19. Jahrhundert zurückreichte,36 bis zur fest etablierten Normenkontrolle
bei allen Landesverfassungsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht in
der Gegenwart ist hierfür Beweis genug. Dieser Entwicklungsprozeß kann
hier nicht nachgezeichnet werden. Nur soviel sei betont:
Kontroversen gefühn.44 Sie ist mithin ein allgemeines Problem des Ver-
fassungsstaates mit voll ausgebauter Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Lösung
des Spannungsverhältnisses kann daher auch nur in der Einbettung in die ver-
fassungsstaatliche Grundkonzeption gesucht werden.
neu zu stellen hat,53 betont. Was die Grundrechtsnormen betrifft, habe ich
hierzu in Staatsrecht 11112, § 95 einen neuerlichen Versuch unternommen, wo-
rauf verwiesen werden soll. Meine Kernthese ist: Auch für das Verfassungs-
recht gilt zunächst einmal der Kanon der seit C. F. von Savigny entwickelten
klassischen AuslegungsmitteL
Aber es müssen die normativen, materialen und funktionalen Besonder-
heiten des Verfassungsrechts berücksichtigt werden. Sie verlangen eine Weiter-
entwicklung der klassischen lnterpretationsmethode. Diese liegt vor allem
darin, daß es bei den meisten Verfassungsbestimmungen wegen ihres besonde-
ren Charakters nicht sein Bewenden mit der schlichten Interpretation haben
kann, sondern eine "Konkretisierung" notwendig ist, wie der von Hans Huber
eingeführte und seither akzeptierte Begriff lautet. 54
Einer solchen Konkretisierung bedarf es namentlich bei den fundamentalen
Staatsstrukturprinzipien wie Demokratie, sozialer Rechtsstaat, Bundesstaat,
Gewaltenteilung, bei nahezu allen Grundrechten, bei Staatszielbestimmungen
wie gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, Schutz der natürlichen Lebens-
grundlagen usw. Diese Konkretisierungsaufgabe ist für das Verfassungsrecht
auf die Verfassungsgerichtsbarkeit wegen ihrer Letztentscheidungsfunktion
"fokussiert" ,ss wenngleich die Verfassungsgerichte diesbezüglich kein
Monopol haben, ohne daß freilich eine "offene Gesellschaft der Verfassungs-
interpreten" (P. Häberle) angenommen werden darf.
c) Drittens: Entscheidend kommt also die Verfassungsrechtsprechung in
den Blick und das, was sie aus der Konkretisierungsaufgabe gemacht hat oder
noch macht. Der frühere Bundesverfassungsrichter E. G. Mahrenholz hat hier-
zu auf dem Kolloquium "Verfassungsrecht zwischen Wissenschaft und
Richterkunst" bemerkt: "Schwierigkeiten im Umgang mit der Verfassung hän-
gen mehr mit der Macht des Gerichts, als mit der Methode zusammen".56
Damit ist ein trotz M. Webers klarer Macht-Definition57 vielschichtiges und
vor allem gefährliches Wort gefallen. Wäre es wirklich politische Machtent-
faltung, die das Gericht treibt, dann wären viele Besorgnisse, wie: das Gericht
mache Politik statt Verfassungsauslegung, entwickle den Staat von der parla-
mentarischen Demokratie zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat
oder Karlsruhe sei der eigentliche Regierungssitz usw., berechtigt. Das Gericht
hat dies in mehreren Entscheidungen ausdrücklich von sich gewiesen, vielmehr
betont, den von der Verfassung geschaffenen Raum freier politischer
Gestaltung, insbesondere des Gesetzgebers zu respektieren.58 Damit hält sich
das Gericht im Rahmen jener Warnung, die A. Arndt ihm bei der dritten
Lesung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes auf den Weg gegeben hat, näm-
lich, daß "dieses Gericht mit aller Sorgsamkeit sich davor hüten sollte, eine
politische Führungsrolle übernehmen zu wollen, die ihm nicht zukommt".59
Politische Auswirkungen lassen sich jedoch bei vielen Entscheidungen des
Gerichts gerade bei der Gesetzesüberprüfung nicht leugnen.60 Ob diese immer
richtig bedacht worden sind, erweckt Zweifel. Darin liegt indessen kein insti-
tutionelles, sondern ein personelles Problem der einzelnen Richter.
Häufig wird deshalb generell ein judicial seH-restraint empfohlen.61
Allerdings wird diese Empfehlung weder genau begründet noch in ihrem
Inhalt umschrieben. Sie ist zu vage, um eine taugliche Argumentationsfigur zu
sein. Wie mir scheint, haben das Bundesverfassungsgericht und in seinem
Gefolge die Landesverfassungsgerichte eine Reihe besserer Argumentations-
figuren entwickelt, um insbesondere gegenüber dem Gesetzgeber im Rahmen
der Verfassungskonkretisierung zu bleiben. Sie sind bekannt, so daß ich mich
auch hier kurz fassen kann:
aa) Der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung der Gesetze, um
einen Akt der Legislative aufrechtzuerhalten, wenn er noch im Einklang mit
der Verfassung ausgelegt werden kann.62 Dieser Grundsatz ist zwar manchmal
überdehnt worden, aber als normerhaltendes Interpretationsprinzip dient er
doch grundsätzlich berechtigermaßen der Wahrung gesetzgeberischer
Intentionen.
bb) Gesteigert ist dieser Grundsatz als favor conventionis gegenüber
völkerrechtlichen Verträgen sowie einseitigen völkerrechtlichen Akten.63 Hier
wird freilich mehr der politische Gestaltungsspielraum der Regierung als der
des Gesetzgebers respektiert.
cc) Stärker gegenüber dem Gesetzgeber wirkt, daß verfassungswidrige
Gesetze nicht mehr in jedem Falle für nichtig erklärt werden, sondern ledig-
lich- namentlich bei Gleichheitsverstößen,64 aber nicht nur bei ihnen _65 die
Verfassungswidrigkeit festgestellt und an den Gesetzgeber appelliert wird, die
Verfassungswidrigkeit - mit oder ohne Frist - zu beseitigen. Ein jüngstes
Beispiel ist der Beschluß zu den Einheitswerten im Steuerrecht.66 Hier sind
mannigfache "Entscheidungsvarianten"67 entwickelt worden, denen hier nicht
nachgegangen werden kann.68 Allen ist jedoch gemeinsam anzuerkennen, daß
auch der Gesetzgeber die Berechtigung zur Konkretisierung der Verfassung
besitzt. Verfassungsrechtlicher Ansatzpunkt für diese Zurückhaltung ist die im
Gewaltenteilungsgrundsatz und im Demokratieprinzip wurzelnde Erkennt-
nis, daß dem Gesetzgeber ein eigenständiger Verantwortungsbereich zur Ver-
fassungsentfaltung zusteht, der vom Gericht nur kontrolliert, nicht aber in
Zweifel gezogen werden darf. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ur-
sprünglich, und zwar schon 1951 mit "Ermessen des Gesetzgebers" ,69 später
mit "gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit" ,70 zuletzt besser mit "Gestal-
tungsspielraum des Gesetzgebers" umschrieben/1
dd) Gesteigert wird dieser Respekt vor dem Gesetzgeber, wenn es sich um
legislative Prognosen handelt. Bei ihnen findet nur eine abgestufte Kontrolle
statt: Evidenz- oder Vertretbarkeits- und nur unter besonderen Umständen
eine Inhaltskontrolle.72 Dem Gesetzgeber wird allerdings auferlegt "nachzu-
fassen", wenn sich seine Prognose als fehlsam erweist.73
ee) Am stärksten wirkt sich die Zurückhaltung des Gerichts im einstweili-
gen Anordnungsverfahren aus, wenn Gesetze auf dem Prüfstand stehen.
64 S. die Nachweise bei K. Stern, Staatsrecht II, § 44 V 3 g y; 111/1, 1989, § 66 III 1 aß; III/2, § 91
V 3; zuletzt R. Seer, NJW 1996, 285 ff.
65 BVerfGE 21, 12 (39); 33, 303 (347 f.); 35, 79 (148); 37, 217 (260 f.); 62, 379 (385, 391); 85, 264
(326 ff.); 87, 153 (177 ff.).
66 BVerfGE 93, 121 ff. mit sehr substantiellem Sondervotum von E. W. Böckenförde.
67 W. Rupp-v. Brünneck, AöR 102 (1977), S. 1 (19).
68 Ausführlich Kurt Vogel, Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Verfassungsorgane,
1988, s. 214 ff.
69 BVerfGE 1, 14 (32); 4, 7 (8).
70 BVerfGE 6, 389 (420); 50, 290 (336 ff.); 71, 66 (76 ff.).
71 BVerfGE 67, 186 (195); 69, 150 (160); 76,256 (359 f.); 83,238 (334); 88,203 (340).
72 Vgl. K. Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, 3. Auf!. 1994, Rdnr. 496.
73 Vgl. BVerfGE 57, 139 (162 f.); 68,287 (309); 73,40 (94); Chr. Mayer, Nachbesserungspflicht des
Gesetzgebers, 1996.
20 Klaus Stern
74 Vgl. die Nachweise bei]. Berkemann, in: D. C. Umbach/Th. Clemens, Komm. zum BVerfGG,
1992, § 32 Rdnr. 138 ff.
7s ZG 1995, 1 (6).
76 R. Wimmer, Der Richter als Notgesetzgeber: Normabstinenz und richterlicher Entscheidungs-
zwang, in: Der Richter und 40 Jahre Grundgesetz, 1991, S. 39 ff.;]. Ipsen, Richterrecht und
Verfassung, 1975; P. Kirchhof, NJW 1986, 2275 ff.; ders., in: Festschrift der Juristischen Fakultät
der Universität Heidelberg: Richterliche Rechtsfortbildung, 1986; K. Stern, NWVBI. 1990, 1 ff.
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 21
erheblichen Bedenken Anlaß gibt. Doch hier ist nicht das von den obersten
Bundesgerichten geschaffene "Richterrecht" das Problem, sondern die
Teilhabe der Verfassungsgerichtsbarkeit am verfassungsrechtlichen und ein-
fachrechtlichen Rechtsbildungsprozeß. Hierbei geht es, will man eine Grob-
gliederung vornehmen, um Korrektur, Ergänzung, Ersetzung oder Entlastung
rechtsetzender Tätigkeit der Parlamente, sei es als Verfassungsänderungs- oder
als einfacher Gesetzgeber. Versucht man diese Grobgliederung zu verfeinern,
woran es bisher fehlt; so scheint mir angebracht, zwei Ebenen und mehrere
Stufen zu unterscheiden: Zum einen: Die Verfassungsgerichtsbarkeit im
Prozeß der Verfassungsrechtsbildung; zum zweiten: Die Verfassungsgerichts-
barkeit im Prozeß der Gesetzesrechtsbildung.
Auf der erstgenannten Ebene stehen die Verfassungsgerichte in Beziehung
zum Verfassungsänderungsgesetzgeber, auf der zweiten Ebene im Verhältnis
zum sog. einfachen Bundes- oder Landesgesetzgeber. Wichtig ist zu erkennen,
daß ein verfassungsgerichtlicher Spruch auf beiden Ebenen substantiell nur
vom Verfassungsänderungsgesetzgeber korrigiert werden kann. Verfassungs-
gerichte sprechen in der Regel von der Höhe des Verfassungsrechts herab und
damit auf der besonderen Ranghöhe dieser Rechtsmaterie. Zwar hat das Bun-
desverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 6.10.1987 den§ 31 BVerfGG
im Hinblick auf den Gesetzgeber dahingehend interpretiert, daß eine "norm-
verwerfende verfassungsgerichtliche Entscheidung den Gesetzgeber nicht
(hindert), eine inhaltsgleiche oder inhaltsähnliche Neuregelung zu be-
schließen". Es sei ihm nicht "verwehrt, .. . seiner Gestaltungsfreiheit und
Gestaltungsverantwortung durch Verabschiedung einer inhaltsgleichen Neu-
regelung nachzukommen, wenn er sie für erforderlich hält ... ". Wieder einmal
hebt das Gericht dabei die besondere Verantwortung des demokratisch legiti-
mierten Gesetzgebers hervor und betont, daß das "Bundesverfassungsgericht
Akte der gesetzgebenden Gewalt an der Verfassung selbst und nicht an verfas-
sungsgerichtlichen Präjudizien zu messen hat ... ". Aber zugleich pocht es dar-
auf, daß seine Kompetenz "zur rechtsverbindlichen Auslegung der Verfassung
und Gewährleistung wirksamen verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes"
nicht gefährdet werden darf.77 Praktisch bedeutet dies, daß der Gesetzgeber
nur innerhalb der Kontrollbefugnisse der Verfassungsgerichte Dispositions-
macht hat. Über verfassungsinduziertes einfaches Recht kann er nicht ver-
fügen.
Deshalb müssen beide Ebenen, die der Verfassung und die des einfachen
Gesetzes, auseinandergehalten werden. Geht es um die Verfassungsrechts-
ebene, so judizieren die Verfassungsgerichte auf ihrem ureigenen Feld. Sie sind
hier die letztverbindlich entscheidenden Wächter dieser Rechtsmasse. Beim
einfachen Gesetzesrecht treten die Verfassungsgerichte vor allem als Korrek-
tur- oder Ergänzungsfaktoren zu den Parlamenten (und zu den obersten
Bundesgerichten) auf und geraten zu diesen in ein Spannungsverhältnis. Darin
äußert sich die hier allein interessierende spezifische Problematik zwischen
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber.
1. Verfassungsgerichtliche Verfassungsrechtsbildung
für die Tätigkeit seiner Behörde. Gewiß kann er sich vorher parlamentarische
Rückendeckung verschaffen, aber "konstitutiv" eine Zustimmung des Parla-
ments zum Einsatz zu verlangen, widerspricht der Grundkonzeption von akti-
ver Regierung und kontrollierendem Parlament. Was hier geschaffen wurde, ist
eine wehrverfassungsrechtliche Wesentlichkeitstheorie, die außen- und vertei-
digungspolitisch die Regierung bedenklich einengt.
cc) Drittens: Wesentlich kritischer ist die dritte Stufe zu sehen, die Verfas-
sungsrechtsfortbildung, die mitunter schon Verfassungsrechtserzeugung dar-
stellt, wiewohl die Übergänge fließend sind. Teilweise fungiert die Ver-
fassungsgerichtsbarkeit hier als Ersatzverfassungsänderungsgesetzgeber.
Folgende Beispiele mögen als Illustration solchen Verfassungsrichterrechts
dienen:
(1) Die Herausarbeitung der "Multifunktionalität der Grundrechte", einge-
bettet in die sog. objektivrechtlichen Gehalte - die früheren sog. Wertent-
scheidungen -, und in deren Rahmen die Lehre von den Ausstrahlungs-
wirkungen und den Schutzpflichten der Grundrechte ist mit Sicherheit als eine
große prätorisehe Leistung des Bundesverfassungsgerichts zu werten.
Dennoch geben einige Fälle aus neuerer Zeit zu Kritik Anlaß, weil sie ganz
erheblich in das Gefüge des einfachen Rechts eingegriffen haben. Dazu gehört
etwa die Mieter/Vermieter-Entscheidung,86 bei der die zentrale Kollisions-
problematik, nämlich welche Eigentumsposition Vorrang hat, nicht gelöst
wurde, die Bürgschaftsentscheidung8 7 mit ihrem Topos von "struktureller
Unterlegenheit" eines Vertragsteils und die Uminterpretierung des§ 240 StGB
im Falle sog. Sitzblockaden.SS In allen drei Fällen ist jetzt praktisch ein "ordre
constitutionell"89 für Mietrecht, Vertragsrecht und die Strafbarkeit von
Nötigung maßgeblich, den der Gesetzgeber glaubte, bereits durch seine durch-
aus abgewogenen Interessenahwägungen im Gesetz berücksichtigt zu haben.
Über das Verfassungsrecht und seine Interpretation sind bislang unzweifelhaft
in der Definitionsmacht des einfachen Gesetzgebers liegende Begriffe uminter-
pretiert worden, bei der Nötigung des§ 240 StGB über§ 79 Abs. 1 BVerfGG
sogar rückwirkend. Das Bundesverfassungsgericht wirkte hier wie ein
"0 bergesetzgeber".
(2) Auch bei der Entfaltung der Freiheit der Berichterstattung durch den
Rundfunk in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht in acht
90 Vgl. BVerfGE 12,205 ff.; 31,314 ff.; 57,295 ff.; 73, 118 ff.; 74,297 ff.; 83,238 ff.; 87, 181 ff.; 90,
60 ff.
91 Dazu K. Stern, Staatsrecht III/1, § 68 V 3 b.
92 Vgl. BVerfGE 84, 212, wo die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch das Bundesver-
fassungsgericht nachgezeichnet ist; H. Seiter, AöR 109 (1984), S. 88 ff.; R. Scholz, HStR VI,
1989, § 151 Rdnrn. 107 ff.
93 Zuletzt BVerfGE 84, 212 (226).
94 V gl. BVerfG, Der Betrieb 1995, 1464 = JZ 1995, 1169 m. Anm. v. M. Lieb.
95 BVerfGE 85, 264 (289 ff.).
26 Klaus Stern
2. Verfassungsgerichtliche Gesetzesrechtsbildung
Will man die zweite Ebene, die Gesetzesebene, betrachten, so lassen sich fol-
gende Stufen herausarbeiten: Gesetzesvernichtung in Form der Nichtig-
liehen Pflichtschule ... gegen Art. 4 Abs. 1 GG verstößt"_l02 Nur- und allein
dies ist rechtlich relevant - eine Berichtigung der nach § 31 BVerfGG in
Bindungskraft erwachsenden Beschlußgründe durch Senatsbeschluß ist nicht
erfolgt. Sie enthalten den Leitsatz 1 in seiner ursprünglichen Fassung und
lauten wörtlich: "Seine [scil. des Kreuzes] Anbringung in der staatlichen
Pflichtschule ist daher mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit es sich nicht
um christliche Bekenntnisschulen handelt".
An dieser Stelle muß die prozeßrechtlich bisher nicht einmal angesprochene
Frage offen bleiben, ob die in allen Prozeßordnungen vorgesehene Berich-
tigung eines Urteils (vgl. §§ 319 ZPO, 118 VwGO, 107 FGO, 138 SGG) auch
bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts überhaupt zulässig wäre
und ob hier wirklich ein Fall einer Unrichtigkeit derart vorliegt, daß das
Gericht etwas anderes ausgesagt hat, als es wirklich gewollt hat_l03 Ein
Berichtigungsverfahren müßte ausscheiden, Fehler der Entscheidung selbst zu
korrigieren. Hier liegt aber eine solche fehlerhafte Anwendung der einschlägi-
gen Verfassungsrechtsvorschriften und Verfassungsrechtsgrundsätze vor. In
den Gründen heißt es neben dem bereits zitierten Satz über den Verstoß gegen
Art. 4 Abs. 1 GG: "Die Anbringung ... überschreitet die ... Grenze religiös-
weltanschaulicher Ausrichtung der Schule" und, um gleichsam nochmals zu
verdeutlichen, "Die Anbringung ... rechtfertigt sich auch nicht aus der positi-
ven Glaubensfreiheit der Eltern und Schüler christlichen Glaubens" _104
Nur nebenbei sei angemerkt, daß nach dem prozessualen Stand des Falles
die Entscheidung keineswegs notwendig war, ehe der Bayerische Verwaltungs-
gerichtshof in der Hauptsache entschieden hatte. Die sonst so stringent
gehandhabte Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde wich hier emem
Zugriffswillen, über den man- milde gesagt- überrascht sein mußte.
Materiell-rechtlich sehe ich folgende Fehler:
Erstens: Der Senat hat die Kollision von positiver und negativer Religions-
freiheit in Art. 4 GG zwar gesehen, aber einseitig zu Gunsten der negativen
Religionsfreiheit gelöst. Wohl spricht er von der Notwendigkeit "praktischer
Konkordanz", möglichst "schonendem Ausgleich" zwischen betroffenen
102 Presseverlautbarung Nr. 35/95. Ob darüber eine Abstimmung im Senat stattgefunden hat, ist
nicht erkennbar. Nach§ 17 Abs. 2 GO-BVerfG war sie wohl nicht zwingend, aber m. E. ange-
raten.
103 Vgl. BFH 120, 145 (146 f.) für § 107 FGO; BayVGH, BayVGHE 1, 82 für die VwGO;
K. Redeker/].-H. von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Auf!. 1994, § 118 Rdnr. 2;
W. Flume, NJW 1995, 2904 f. In BVerfGE 72, 84 hatte das Bundesverfassungsgericht über
einen Antrag auf Abänderung eines Urteils zu entscheiden. Es hält einen solchen Auftrag
offenbar für zulässig.
104 BVerfG, EuGRZ 1995, 359 (365).
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 29
1os BVerfG, EuGRZ 1995,359 (365). Wie im Text auch M. Heckel, DVBI. 1996,453 (476 ff.). Die
schwierige Problematik der Abwägung betont jetzt auch F. Ossenbühl, DVBI. 1995, 873 ff.
106 Vgl. BVerfGE 52, 223 (251), wo dem Toleranzgebot sogar "besondere Bedeutung" zugemes-
sen wird.
107 BVerfG, EuGRZ 1995, 359 (365).
1os BVerfG, EuGRZ 1995, 359 (364).
109 BVerfG, EuGRZ 1995, 359 (364).
11o EuGRZ 1995, 366 (368).
111 Vgl. zuletzt K. Stern, Staatsrecht 11112, § 82 m.w.N. Zum Spannungsverhältnis von positiver
zu negativer Religionsfreiheit beim Anbringen von Kruzifixen A. Frh. von Campenhausen, in:
v. Mangoldt-Klein-v. Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 14, 3. Auf!. 1991, Art. 136
WRV Rdnr. 48.
30 Klaus Stern
12 5 Zur invocatio Dei etwa P. Häberle, in: Festschrift W. Zeidler, 1987, Bd. 1, S. 3 ff.; B. Wiegand,
JöR 43 (1995), S. 31 ff.; St. Heitmann, in: Festschrift W. Remmers, 1995, S. 127ff.
126 In: Staat, Gesellschaft, Freiheit, Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, 1976,
s. 60.
127 Dazu eingehend M. H eckel, DVBI. 1996, 453 ff. (passim). Zu Recht hat]. Müller- Vollbehr das
Kreuz als "sinnvariierendes Symbol" gekennzeichnet QZ 1995, 996 (997).
128 M. Hecke!, DVBI. 1996, 453 (473 f.).
129 Vgl. A. Hollerbach, VVDStRL Heft 26 (1968), S. 57 (62); ders., HStR VI,§ 138 Rdnr. 11 ff.;
A. Frh. von Campenhausen, in: von Mangoldt-Klein, Komm. z. GG, 3. Auf!. 1991, Art. 140
Rdnrn. 3 ff.
130 BVerfG, EuGRZ 1995, 359 (363).
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 33
Mehrheit diesem Symbol verbunden ist, nicht gerade diese Konsequenz aus-
gelöst hat. Mit anderen Worten: Es hat die eherne Regel verfassungsgericht-
lichen Judizierens, nämlich auch die Folgewirkungen einer Entscheidung zu
beachten, verkannt.
Nach diesem Exkurs zurück zum Hauptgedankengang:
b) Neben der Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen ist zweitens als
Möglichkeit, Konflikte gegenüber dem Gesetzgeber zu verkleinern, die ver-
fassungskonforme Auslegung von Gesetzen, im Grundsatz ebenfalls etabliert,
zu Recht als gesetzesschonendes Prinzip gekennzeichnet. Im Einzelfall läßt
sich freilich darüber streiten, ob nicht allzu viel Konformitätsakrobatik getrie-
ben wird. Das muß hier auf sich beruhen.
c) Drittens: Als eigentlich problematische Stufe im Verhältnis zum Gesetz-
geber erweist sich die Gesetzeserzeugung oder Gesetzesfortbildung der Ver-
fassungsgerichte; denn auf dieser Stufe tritt verfassungsgerichtliche Rechts-
bildung teils konkurrierend, teils ersetzend zur parlamentarischen Recht-
setzung auf. Damit werden elementare Grundsätze der Gewaltenteilung und
der parlamentarischen Demokratie berührt. Allerdings darf man den Vorwurf
eines Übergriffs oder - wie manche meinen - einer "Usurpation"l3 1 nicht
allein den Verfassungsgerichten zuschieben. Bisweilen wird ihnen geradezu die
Entscheidung aufgedrängt, weil der Gesetzgeber nicht willens oder nicht fähig
ist, die notwendige Regulierung zu treffen, wie etwa im Arbeitskampfrecht.
aa) Man mag das Arbeitsrecht als großen Ausnahmebereich ansehen und im
wesentlichen darauf verweisen, daß es nicht in erster Linie um Rechts-
schöpfung in ganzen Rechtsbereichen, sondern meist um fallbezogene Rechts-
fortbildung geht, und diese ohnehin seit eh und je Aufgabe der Gerichte ist.132
Das Bundesverfassungsgericht selbst hat zu dieser Rechtsfortbildung mehr-
fach Zustimmung signalisiert.133 Bei dieser auf den Begriff "Recht" in Art. 20
Abs. 3 GG gestützten Deutung ist aber auch zu berücksichtigen, daß es einem
Gemeinwesen, in dem die Erstellung der grundlegenden Regeln des Zusam-
menlebens nach seiner Verfassung den vom Volke gewählten Parlamenten
zukommt, auf die Dauer nicht zuträglich ist, wenn Richter auf Teilbereichen
die eigentlichen Gesetzgeber sind.
bb) Weitere Beispiele eigener Normierung liegen im Abtreibungsrecht,134
im schon erwähnten Parteienfinanzierungsrecht und in größerem Stile im
131 So der ehemalige Bundesverfassungsrichter K. Zweigert, in: Festgabe BVerfG Bd. I, 1976, S. 63
(74).
132 Zur richterlichen Rechtsfortbildung zuletzt Chr. Hillgruber, JZ 1996, 118 ff.
133 Vgl. BVerfGE 3, 225 (243 f.); 13, 153 (164); 34, 269 (288); 82, 6 (12).
134 BVerfGE 39, 1 ff.; 88, 203 ff.; H. Trimdle, NJW 1995, 3006 (3011); P. Lerche, in: Festschrift
W. Gitter, 1995, S. 509 ff.
34 Klaus Stern
135 BVerfGE 84, 239 ff.; 87, 153 ff.; BVerfG, NJW 1995, 2615 ff., 2624 ff.; dazu zuletzt S. Flick/
S. Schauhoff, ZRP 1996, 101 ff.; H.- W. Arndt über Konsequenzen für den Gesetzgeber, BB
Beilage 7, S. 1 ff.
136 BVerfGE 87, 1 ff.; 92, 74 ff.
137 FAZ vom 15.7.1993.
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 35
IV. Schlußfolgerungen
138 BVerfGE 88, 203 (270 ff.); dazu]. Burmeister, Das Beratungskonzept - Die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts und ihre Umsetzung durch den Gesetzgeber, in: Schriftenreihe der
Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. Nr. 12/1995, S. 55 ff.
139 BVerfGE 88, 203 (317, 321 f.).
140 Vgl. F. Werner, Recht und Gericht in unserer Zeit, 1971, S. 212 ff.
141 Vgl. R. Wahl, NVwZ 1984, 401 ff.; E. W. Böckenförde, BVerfGE 93, 121 (150 ff.)- Sonder-
votum-.
142 So F. Ossenbühl in bezug auf die Rechtsprechung in Art. 5 GG, JZ 1995, 638; ähnlich früher
K. Zeidler, Der Staat 1 (1962), S. 326; "... die Gerichte haben den ihnen zugeschobenen vollen
Becher der Verantwortung bis zur Neige geleert. Manchmal haben sie sich auch unaufge-
fordert nachgeschenkt".
36 Klaus Stern
143 B. Großfeld, NJW 1995, 1719 (1720); s. auch M. Brenner, AöR 120 (1995), S. 248 (253).
14 4 E.- W. Böckenförde, aaO, S. 24 im Anschluß an U. Scheuner, DÖV 1980, 473 (476).
145 K. Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, 3. Auf!. 1994, Rdnr. 485.
146 Schlußbericht, Kapitel 16 - Fragestellungen zur Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Zur Sache
2/77, s. 266 f.
147 Vgl. auch das Resümee von K. Hesse, JZ 1995, 265 (267, 273). Zur gleichen Einschätzung
kommt auch H.-]. Vogel, NJW 1996, 1505 (1511).
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber 37
152 Vgl. R. Köcher, FAZ vom 25.10.1995, S. 5. 1980 bemerkte K. Schlaich: "Es ist erschreckend,
mit welcher Selbstverständlichkeit noch nach 30 Jahren Grundgesetz in der Literatur vom
Mißtrauen gegenüber dem Gesetzgeber und kompensierend vom Vertrauen in die Justiz ge-
redet wird" (VVDStRL Heft 39 (1980), S. 118).
153 FAZ vom 24.5.1996, S. 8.
154 ZG 1987, 290 (300); s. ders. auch in: Germania restituta, Wissenschaftliches Symposion anläß-
lich des 60. Geburtstages von Klaus Stern, hrsgg. von J. Burmeister, M. Nierhaus, F. Ossen-
bühl, G. Püttner, M. Sachs, P. J. Tettinger, 1992, S. 161 ff.
Diskussion
Herr Isensee: Herr Stern, Sie haben uns ein Panorama gegeben von einem
der schwierigsten, verwickeltsten Themen des Staatsrechts, zu einem auch
spezifisch deutschen Thema: Verfassungsgerichtsbarkeit, damit auch Narrna-
tivität der Verfassung.
Die Verfassung beansprucht den Vorrang vor allen staatlichen Normen und
Verbindlichkeit für alles staatliche Handeln. Das ist prima facie eine klare
Vorgabe. Doch die juristischen Schwierigkeiten bestehen darin zu bestimmen,
was Verfassung ist. Sie ist nicht nur ein klar abgegrenzter Rahmen der Rechts-
ordnung, sondern - Sie haben das mehrfach gesagt- auch deren Mitte, die auf
das ganze Recht ausstrahlt, so daß sich das Verhältnis der Verfassung zum ein-
fachen Recht nicht nur als "Entweder/Oder" zeigt, sondern auch als "Mehr
oder Weniger". Wenn nun die Verfassung "mehr oder weniger", in welcher
Verdichtung oder Ausdünnung auch immer, auf das einfache Recht ausstrahlt,
wird das Gericht, das letztverbindlich Inhalt und Reichweite der Verfassung
interpretiert, für die Auslegung der ganzen Rechtsordnung zuständig.
Die höchste Norm des staatlichen Rechts ist die inhaltsärmste. Diese ist nur
anwendbar, wenn sie zuvor durch die Interpretation aufgefüllt ("konkretisiert")
worden ist. Wenn nun jede interpretatorische Anreicherung ihrerseits sich zu
Verfassungsrecht wandeln, das Richterrecht des Bundesverfassungsgerichtsam
Verfassungsrang partizipieren möchte, wächst die Verfassung stetig an Inhalt,
Umfang, Dichte. Trivial gesagt: Sie erhebt sich vom knappen Text des Grund-
gesetzes mit ca. 50 Seiten, einer Nummer eines Reclam-Bändchens, zum
Volumen der demnächst 100 Bände der Amtlichen Sammlung des Bundesver-
fassungsgerichts, a 400 Seiten. Die Rahmenverfassung wird Totalverfassung.
Wird damit der Spielraum des Gesetzgebers nicht zunehmend eingeengt?
Erstickt die Politik nicht durch Konstitutionalisierung? Die simple Antwort
liegt nahe, daß die Politik beweglich bleiben müsse. Doch wenn drei Personen
das Wort "Politik" oder "politisch" verwenden, kommen zumindest drei Be-
deutungen dieses Homonyms zutage.
Juristen verstehen "Politik" vielfach als Gegenbegriff zum Recht: "poli-
tisch" ist rechtlich ungebundene Gestaltungsmacht, also jener schwindende
Rest, den die expandierende Verfassungsgerichtsbarkeit übrig läßt.
40 Diskussion
"Politik" läßt sich auch, in der Tradition von Aristoteles, verstehen als
Bezug auf die Polis. In diesem Sinn ist Verfassungsrecht "politisches" Recht,
Verfassungsgerichtsbarkeit "politische" Gerichtsbarkeit.
"Politik" läßt sich mit Max Weber bestimmen als Kampf um die Macht.
"Politisch" in diesem Sinne sind heute vor allem die "politischen" Parteien.
Der Idee nach sind Verfassungsrecht und Verfassungsgericht "unpolitisch",
dem Machtkampf entrückt, dessen richterliche Spielregeln sie bestimmen. Das
Bundesverfassungsgericht muß freilich die Distanz zur Parteipolitik praktisch
durchhalten. Die grundsätzliche Frage erhebt sich, ob es nicht prekär ist, daß
die Macht zur letztverbindlichen Interpretation in der Hand eines Gerichts
liegt, das, wenn seine Mitglieder auch aus parlamentarischer Richterwahl her-
vorgegangen sind, unabhängig ist von Legislative und Exekutive und das dem
Wahlvolk gegenüber keine Verantwortung trägt.
Das "Politische" läßt sich schließlich mit Carl Schmitt bestimmen durch das
Freund-Feind-Verhältnis. Dann aber markiert es keinen eigenen Sachbereich,
sondern einen bestimmten Aggregatzustand der Einung und Entzweiung.
"Politisch" kann sich jedwede Materie aufladen, auch das Verfassungsrecht
und seine Interpretation, wie es immer wieder geschieht, bei den Fragen von
Auslandseinsätzen und Ausländerwahlrecht, Abtreibung und Diffamierung
der Soldaten als Mörder.
Was die Verfassung praktisch beinhaltet, entscheidet der Interpret, letztver-
bindlich also das Bundesverfassungsgericht. Das versteht sich im historischen
und im internationalen Vergleich nicht von selbst. Nach französischer
Tradition kommt das letzte Wort dem Staatspräsidenden zu, nach englischer
dem Parlament. Daß diese Funktion in Deutschland einem Gericht zukommt,
entspricht einer Tradition, die in das Alte Reich zurückführt, vor allem aber
dem deutschen Trauma des 20. Jahrhunderts, das prinzipielles Mißtrauen
gegen die Exekutive wie gegen die Legislative bewirkt hat. Vertrauenswürdig
geblieben ist dagegen die dritte Gewalt.
Das konstitutionelle Vertrauen in die Gerichtsbarkeit richtet sich auf das
richterliche Handwerk und auf das richterliche Ethos. Daß das Bundesver-
fassungsgericht diese Erwartungen einlöst, ist Chance und Risiko des Gemein-
wesens. Kein Staatsorgan springt ein, wenn die Erwartungen enttäuscht wer-
den. Gegen das Versagen der höchsten Instanz gibt es keine Garantie. Auf der
anderen Seite besitzt die höchste Instanz keine äußeren Machtmittel, um ihre
Sprüche durchzusetzen. Sie ist angewiesen auf den Rechtsgehorsam der Amts-
träger und Bürger, den sie von sich aus nicht erzwingen kann. Letztlich grün-
det das Bundesverfassungsgericht auf dem Vertrauen aller Beteiligten.
Gerade dieses Grundvertrauen ist heute gebrochen durch die spektakulären
Entscheidungen, die die Öffentlichkeit bewegen: daß grundrechtliche Freiheit
Diskussion 41
die Lizenz geben soll, den Soldaten als Mörder zu brandmarken, der seine
staatsbürgerliche Pflicht erfüllt, und daß der Staat ihn nicht schützen darf, weil
Meinungsfreiheit des Beleidigers höher stehen soll als die Ehre des Beleidigten,
daß das Kreuz, Symbol des Glaubens wie des kulturellen Herkommens und
der kulturellen Gemeinsamkeit, aus der Schule verbannt werden soll im
Namen der grundrechtliehen Freiheit, die leer und hohl wird, wenn sie nicht
mehr an Gemeinsames anknüpft.
Die Störung des Grundvertrauens rührt an die Fundamente des Bundes-
verfassungsgerichts. Es wird zu einer Existenzfrage für das Gericht, daß sich
das Vertrauen wieder herstellt.
Dies sind ein paar Fußnoten zu dem, was Sie, Herr Stern, facettenreich ent-
wickelt haben.
Herr Stern: Herr Isensee, wir sind uns weitgehend einig. Ich möchte nur zu
zwei Punkten etwas anmerken. Sie haben gesagt "spezifisches deutsches
Thema": Verfassungsgerichtsbarkeit, Politik, Gesetzgeber, Regierung. Der
Zufall wollte es, daß ich in der vergangenen Woche mit polnischen Ver-
fassungsrichtern eingehend diskutiert habe. Bekanntlich haben sich ja sowohl
die Polen als auch die Ungarn in vielen Punkten am deutschen Grundgesetz
und an der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit orientiert. Es ist ganz klar,
daß dort jetzt gleichermaßen diese Problematik aufgebrochen ist.
Es ist also nicht mehr nur ein deutsches Thema, wiewohl es in England ganz
anders ist, auch in Frankreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Aber die spezifische Verfassungsstaatlichkeit, die eben mit einem Verfassungs-
gericht eingerichtet worden ist, hat dazu geführt, daß diese Grundprobleme,
die ja alten Datums sind, entstanden, und das hat wieder die Frage aufgewor-
fen, wer Hüter der Verfassung sein soll.
Die Diskussion Kelsen/Carl Schmitt ist in der Weimarer Republik geführt
worden und reicht weiter zurück in das Bismarck-Reich, wo lange darüber
diskutiert worden ist, wie man das lösen soll, etwa Streitigkeiten zwischen dem
Reich und den Ländern. Bismarck war ja einer der großen Gegner der
Verfassungsgerichtsbarkeit, weil er sagte, man könne die Verfassungsauslegung
vom politischen Standpunkt her nicht in die Hand von Richtern geben, weil
diese dann im Grunde der Gesetzgeber seien. Das hat er sehr genau erkannt.
Deswegen müssen wir fragen: Haben wir nach 1945 in Deutschland, begin-
nend in den Ländern der amerikanischen Besatzungszone, und dann im
Parlamentarischen Rat, die richtige Entscheidung getroffen? Ich meine, im
Grundsatz ja; denn alle Hüter der Verfassung haben bis 1945 versagt, und
damit bot sich nach amerikanischem Vorbild und nach alten deutschen
Traditionen der Richter als Hüter der Verfassung einfach an.
42 Diskussion
Es ist völlig richtig: Wenn man das so macht, dann muß man auf die Qualität
und, wie Sie es auch richtig gesagt haben, auf das richterliche Ethos der Richter
größten Wert legen.
Der Grundgedanke meines Vortrages ist eine Verteidigung der Verfassungs-
gerichtsbarkeit im Prinzip mit selbstverständlicher Kritik in vielen einzelnen
Punkten. Im Grundsatz bin ich aber zu dem Ergebnis gekommen: Ja zur
Verfassungsgerichtsbarkeit, aber bei besserer Personalauslese.
Herr Jakobs: Herr Stern, Sie haben in eindrucksvoller Weise die Gefährdung
des Bundesverfassungsgerichts geschildert und dabei Herrn Böckenförde
zitiert, wonach das Bundesverfassungsgericht nach der Kruzifix-Entscheidung
nicht mehr ist, was es vorher war. Geendet haben Sie mit einem Appell, unter
anderem auch an die Richter.
Ich möchte die Frage stellen, ob die Mängel der Institutionen überhaupt
reparabel sind. Welche der anderen großen Institutionen des öffentlichen
Lebens befindet sich nicht in einer analogen Krise? Man denke an die spötti-
schen Berichte über parlamentarische Tätigkeit, selbst in seriösen Zeit-
schriften. Wie werden Universitäten gesehen oder die Kirchen oder ehemals
stabile Berufsgruppen, etwa diejenige der Ärzte? Einzig ein florierendes
Wirtschaftsunternehmen erfreut sich noch allgemeinen Ansehens, aber florie-
ren muß es schon.
Es geht also nicht um etwa einen isolierten Verfall des Bundesverfassungs-
gerichts, sondern um eine allgemeine Krise von Institutionen, funktionierende
Erwebsunternehmen ausgenommen. Dagegen scheint nun freilich zu spre-
chen, daß immerhin auf die Kruzifix-Entscheidung hin so etwas wie ein
gemeinsamer Aufschrei erfolgte: Wir lassen uns das Kreuz nicht nehmen.
Ich halte diese Reaktion für eine äußerliche, schnell vorruhergehende und
bald vergessene Sache. In einem Land, in dem jährlich hunderttausende
Geschöpfe Gottes in Form von Leibesfrüchten abgetrieben werden, kann
nicht ersthaft behauptet werden, in den Schulen müßten Kreuze hängen. Dies
wäre solchermaßen widersprüchlich und verlogen, daß es gar nicht ernst
gemeint sein könnte. In der Reaktion auf die Kruzifix-Entscheidung wird also
meines Erachtens nicht eine Gemeinsamkeit sichtbar, die sich gegen eine vom
Verfassungsgericht verordnete laizistische Auflösung stemmt, sondern die
Entscheidung ergibt die gute Gelegenheit, sich Autorität zu verbitten:
Niemand soll in unser Leben hineinreden.
Was Sie in beeindruckender Weise für das Verfassungsgericht geschildert
haben, könnte also Teil einer allgemeinen Erosion sein, die die staatlichen
Institutionen in einem solchen Maß ergriffen hat, daß der Zustand nicht mehr
reparabel ist.
Diskussion 43
Herr Hirsch: Ich kann gleich daran anknüpfen. Herr Jakobs sagt, die Krise
des Bundesverfassungsgerichts sei Teil einer allgemeinen Krise der staatlichen
Institutionen. In der Tat können wir heute beobachten, daß viele staatliche
Organe an einem erheblichen Autoritätsverlust leiden. Gleichwohl meine ich,
daß unsere Problematik doch eine speziellere ist: eine Problematik, die sich
schon unabhängig von dem allgemeinen Befund, auf den Sie, Herr Jakobs, hin-
gewiesen haben, entwickelt hat.
Ich teile die Kritik von Herrn Stern, was die Entparlamentarisierung der
Gesetzgebung durch das Bundesverfassungsgericht betrifft. Man könnte als
zweiten Punkt noch die Bevormundung der Fachgerichte besonders hervor-
heben.
Nun ist Ihr Therapievorschlag, Herr Stern, ein Appell an die Einsicht der
Beteiligten: an die Richter des Bundesverfassungsgerichts, aber auch an das
Parlament, den Gesetzgeber, daß sich jeder seiner Funktion bewußt wird und
sich dort zurückhält, wo Zurückhaltung geboten ist.
Ob es sich dabei, was die Richter des Bundesverfassungsgerichts betrifft,
wirklich um eine Frage des Richterethos handelt, sei dahingestellt. Ich meine
eigentlich, daß wir seit Mitte der fünfziger Jahre in Deutschland allgemein eine
Wandlung des richterlichen Berufsverhältnisses beobachten können, nämlich
von der dienenden Funktion des Rechtsanwenders hin zum Rechtsgestalter,
der vor allen Dingen dann, wenn er keine Instanz mehr über sich hat, glaubt,
daß ein Gesetz eigentlich nur ein Topos ist und nicht etwas, dem er dienend
verpflichtet gegenübersteht.
Meine Frage ist die, ob es nicht doch an der Zeit ist, die juristische
Konzeption des Bundesverfassungsgerichts zu überdenken. Vielleicht ist das
Ganze doch ein wissenschaftliches Problem, das dann, wenn es wissenschaft-
lich ausgereift ist, in die öffentliche Diskussion eingebracht werden sollte.
Mir scheint der Angelpunkt der gesamten Problematik die Verfassungs-
interpretation zu sein. Ich erinnere an das frühere Akademiemitglied, den
Kollegen Scheuner, der schon vor dreißig Jahren vor einer Verfassungs-
interpretation warnte, die diese Schleusen so weit öffnet.
Wenn wir inzwischen an dem Punkt angelangt sind, daß aus der Verfassung
fast jede Einzelfrage der Gesetzgebung abgelesen werden kann durch den, der
die Macht für eine solche Interpretation hat, dann stellt sich in diesem
Zusammenhang auch die Frage, was eigentlich die Aufgabe eines Verfassungs-
gerichts ist. Ist es Aufgabe eines Verfassungsgerichts, die Gerechtigkeit, die in
den für ihre Ermittlung vorgesehenen zwei oder drei Instanzen nicht erreicht
zu sein scheint, in einer außerhalb der Fachgerichtsbarkeit liegenden weiteren
Instanz zu suchen? Oder ist es nur Aufgabe eines Verfassungsgerichts,
elementare Garantien zu gewährleisten?
44 Diskussion
Herr Stern: Herr Jakobs, Sie haben die Krise der Institutionen, die Ab-
wertung der Institutionen beklagt. Es besteht kein Zweifel daran, daß die
Parlamente und die Regierung viel von ihrem Ansehen verloren haben. Das
Bundesverfassungsgericht war in dieser Hinsicht bisher auf einsamer Höhe.
Ich habe die letzte Umfrage von Frau Köcher aus der Frankfurter Allgemeinen
zitiert, wonach aufgrund des "Soldaten-sind-Mörder" -Urteils und des
Kruzifix-Beschlusses ein sehr starker Abfall zu verzeichnen ist.
Das Bundesverfassungsgericht ist also in diese Tendenz mit einbezogen
worden, und das ist natürlich insofern eine sehr kritische Situation, als wir an
Parlamenten und Regierungen alle vier bis fünf Jahre etwas ändern können,
während Bundesverfassungsrichter auf zwölf Jahre gewählt sind und damit auf
eine sehr, sehr lange Zeit, und sie sind vor allen Dingen diejenigen, die letzt-
verbindlich über die Interpretation entscheiden.
Ich habe gerade deshalb den Appell an die Rechtswissenschaft, aber auch an
andere Wissenschaften sehr stark in den Vordergrund gestellt, weil ich mir von
diesem Dialog der Wissenschaft mit der Rechtsprechungspraxis sehr viel ver-
spreche, und zwar nicht nur mit der Verfassungsrechtsprechungspraxis; denn
46 Diskussion
Beispiel. Jeder Verfassungsrechtier hätte gewußt, daß man das Rentenalter für
Frauen nicht ohne Verletzung des Vertrauensschutzes von heute auf morgen
verändern kann. Das lehren wir unsere Studenten im ersten und zweiten
Semester, daß zum Rechtsstaatsprinzip ein gewisser Vertrauensschutz gehört.
Wir können darüber streiten, ob man das Jahr 2000 oder das Jahr 2001 nehmen
muß, das ist sicher richtig, aber das war bekannt, und das merkt man erst jetzt,
nachdem man den Vorschlag in die Welt gesetzt und alle möglichen Leute
rebellisch gemacht hat. Das nur als Aktualität.
Ein Gesichtspunkt erscheint mir allerdings wesentlich: Wir sollten auch
anerkennen, welch bedeutende Leistungen das Bundesverfassungsgericht für
die Politik erbracht hat. Ich möchte behaupten, daß es, wenn das Bundesver-
fassungsgericht seinerzeit nicht im Grundlagenvertrag und in anderen späteren
Urteilen die deutsche Staatsangehörigkeit als gesamtdeutsche Staats-
angehörigkeit verteidigt und wenn es nicht das Wiedervereinigungsgebot des
Grundgesetzes in vielen Entscheidungen so beharrlich betont hätte, unmög-
lich gewesen wäre, 1989/90 die Wiedervereinigung zu erreichen. Welche poli-
tischen Wege in den siebziger Jahren eingeschlagen wurden und wie sehr man
damals verfassungsrechtliche Fesseln beseitigen wollte, da müssen wir klar
sehen, daß das Bundesverfassungsgericht bedeutende Markierungen gesetzt
hat, die später den Wiedervereinigungsprozeß ermöglicht haben.
Ich sehe es wie Sie: Die Auslegung der Verfassung ist das Zentralproblem
der Sache. Deshalb habe ich wieder einmal daran erinnert, daß wir bei all den
Fragen zunächst einmal auf die guten alten Auslegungsgrundsätze von Savigny
und anderen, also auf gediegene juristische Interpretation, zurückgreifen müs-
sen. Allerdings können wir Begriffe wie Gewaltenteilung und Rechtsstaat
nicht im Stile von BGB-Vorschriften auslegen. Da muß etwas mehr hinzu-
kommen. Aber es geht darum, daß diese Prinzipien der Verfassungsauslegung
wissenschaftlich gefestigt werden müssen.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns niemals gesagt, nach welchen
Prinzipien es eigentlich vorgehen will. Da finden wir einmal eine Äußerung,
die Entstehungsgeschichte spiele eine Rolle, im nächsten Urteil finden wir eine
Äußerung, die Entstehungsgeschichte könne beiseite gelegt werden.
Hier ist das Gericht also zunächst einmal auf die Grundsätze juristischer
Methodik und juristischer Tugend zurückzuführen, und deswegen meine ich,
Herr Jakobs, daß es wichtig ist, daß die Staatsrechtswissenschaft oder über-
haupt die Rechtswissenschaft in dieser Hinsicht arbeitet. Das gilt für Aus-
legung der Verfassung, das gilt für Auslegung anderer Gesetze, die beim Ver-
fassungsgericht eine Rolle spielen.
Ich sagte auch - und das ist in Ihren beiden Beiträgen zum Ausdruck
gekommen -, daß Verfassungsrechtier nicht glücklich darüber sind, daß das
48 Diskussion
Gericht sich anmaßt, jede kleinste Vorschrift aus dem BGB zum Mietrecht und
zum Strafrecht auf verfassungsrechtliche Höhen hinaufzuheben. Das ist ab-
wegig.
Lassen Sie mich noch auf einige Gesichtspunkte über das Angesprochene
hinaus hinweisen: Daß Grundrechte heute Ausstrahlungswirkungen für das
gesamte Recht und für die Wertentscheidungen haben, das haben die
Zivilgerichte akzeptiert, und das finde ich auch im großen und ganzen richtig.
Nur die Gefahr, daß hier Überzeichnungen für das Gesetzesrecht und für die
Auslegung der Fachgerichtsbarkeit erfolgen, war der Punkt meiner Kritik.
Der nächste Gesichtspunkt ist die Rechtsfortbildung. Hier ist der
Europäische Gerichtshof zu nennen. Ich habe eine kleine Passage in meinen
Vortrag und gesagt: Da dürfte es sich um ein neues Feld kritischer Ausein-
andersetzung, um Spannungsverhältnisse handeln.
Sie wissen, im Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht das
Stichwort vom Kooperationsverhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht
und Europäischem Gerichtshof. Es ist schwierig zu erkennen, worauf das hin-
auslaufen soll. Das ist eine Formel, die so geprägt worden ist, und sicher wer-
den beide Gerichte ihre Domänen verteidigen, wobei ich vermute, daß die
Rolle des Europäischen Gerichtshofs in der Zukunft ganz erheblich ausge-
weitet wird.
Wir können heute davon ausgehen - irgend jemand hat das einmal ausge-
rechnet -, daß mehr als die Hälfte des nationalen Rechts bereits heute
europäisch beeinflußt ist, und das wächst in der Zukunft angesichts der
weiteren Kompetenzen, die die Europäische Union bekommt, wobei das
Subsidiaritätsprinzip, das man jetzt in den Maastricht-Vertrag hineinge-
schrieben hat, schwerlich eine Bremse ist.
Der Europäische Gerichtshof versteht sich als Motor der europäischen
Einigung und der weiteren Integration und Unitarisierung. Deswegen schrei-
tet er auch aus dieser rechtsfortbildenden oder hier integrationsfortbildenden
Haltung des Gerichtshofes heraus in hohem Maße zur Rechtsfortbildung.
Die Verträge, aufgrund deren er judizieren muß, sind ja ähnlich problema-
tisch wie eine Verfassung, wobei nicht nur ein Kompromiß im Inneren, son-
dern ein Kompromiß zwischen 12, 15 - oder wieviel Sie nehmen wollen -
geschlossen werden muß. Deswegen wird die rechtsfortbildende Haltung des
Europäischen Gerichtshofs zunehmen.
Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof sind weit
stärker in die Rechtsfortbildung eingeschaltet, und dieser Prozeß wird in der
Zukunft zunehmen. Wahrscheinlich ist das doch tendenziell eine Entwicklung
einer Präjudizienrechtsprechung, wie wir sie ja von Amerika und von der eng-
lischen Gerichtsbarkeit kennen. Die Tendenz in diese Richtung sehe ich also.
Diskussion 49
Herr Kegel: Ich mache es kurz. Wir sind ja, w1e Sie das hervorragend
geschildert haben, Herr Stern, auf allen Rechtsgebieten vom Verfassungsrecht
verfolgt, und infolgedessen sind wir vielleicht auch fähig, uns dazu kurz zu
äußern.
Der heute hier nicht anwesende Herr Flume hat das Bundesverfassungs-
gericht als das oberste deutsche Laiengericht bezeichnet. Das ist natürlich eine
harte Wendung, die aber dem Charakter unseres Freundes entspricht.
Mir ging durch den Kopf, daß es einen Führerscheinentzug gibt. Wenn
jemand jahrelang hervorragend gefahren ist und begeht dann mehrere schwere
Fehler, wird ihm der Führerschein entzogen. Es erhebt sich die Frage, ob auf-
grund der letzten Jahre beim Bundesverfassungsgericht nicht auch so etwas
eingeführt werden sollte.
Wenn man etwas weiter greift und versucht, sich von Betriebsblindheit fern-
zuhalten, bleibt die Frage, die vielleicht etwas grundsätzlicher erörtert werden
müßte, selbst wenn keine große Konsensaussicht besteht, ob wir wirklich ein
solches Verfassungsgericht brauchen.
Das Bundesverfassungsgericht ist bei uns erst unter starkem Einfluß des
amerikanischen Supreme Court eingeführt worden. Ich selbst habe mich viel
mit amerikanischem Recht beschäftigt, bin aber der Meinung, daß man es nur
sehr bedingt in unseren Bereich übertragen sollte. Man kann sehr viel von ihm
lernen, aber man kann auch sehr viel lernen, was man nicht machen darf.
Die Franzosen haben kein Verfassungsgericht, und die Engländer haben es
nicht. Die Italiener machen mit ihrem Verfassungsgericht jetzt etwas mehr und
könnten eine ähnliche Entwicklung nehmen. Im Prinzip scheint es mir besser,
es bei den einzelnen Gerichtszweigen zu belassen.
In England ist es deshalb anders, weil es dort noch einen einheitlichen
Gerichtsweg gibt. Man kann natürlich überall Unterschiede machen. Aber der
Bundesgerichtshof in Zivil- und Strafsachen, der Bundesfinanzhof, dem man
allerdings auch etwas skeptisch begegnet, das Bundesarbeitsgericht und das
Bundesverwaltungsgericht wären alle Manns genug, die Grundrechte richtig
anzuwenden oder verfassungsrechtliche Fragen zu entscheiden. Das würde
sich auch ausponderieren.
Ich meine also, dieser Weg wäre denkbar und würde vielleicht nicht zu solch
extremen Dingen führen wie bei den Parabolantennen der Türken, wozu es
inzwischen fünf Urteile gibt, wenn es inzwischen nicht schon sechs sind. Wie
kann man sich als Bundesverfassungsgericht mit solchen Quisquilien befassen?
Der zweite Punkt ist natürlich, wie man die Besetzung verbessern kann.
Dazu könnte ich keine Vorschläge machen, aber daß es so nicht geht, wie es
sich hier eingespielt hat, liegt eigentlich auf der Hand. Das Verfahren ist ja auch
fast entwürdigend. Ein Mann, der auf sich hält, müßte beinahe ablehnen,
50 Diskussion
daß die Zahl der Stenographen im Nu vervielfacht werden müßte, damit alle
Prüfungen stenographisch festgehalten werden. Wenn Tonbandgeräte aufge-
stellt werden müßten- um Gottes willen. Aber das ist die Arbeit, auch in einer
abgedruckten Entscheidung, des Bundesvedassungsgerichts. So soll es nicht
sein, und deswegen dies am Schluß zum Schmunzeln. - Danke sehr.
Veröffentlichungen
der Nordrhein-WestfälischenAkademie der Wissenschaften
VorträgeG GEISTESWISSENSCHAFTEN
HeftNr.
274 Ench Meuthen, Köln Das Basler Konzil als Forschungsproblem der europäischen Geschichte
275 HansJakob Seder, Köln Sprache und Gegenstand
276 Gustav AdolfLehmann, KO!n Die mykenisch-frühgriechische Welt und der östliche Mittelmeerraum in der
Zeit der "Seevölker"-Invasionen um 1200 v. Chr.
277 Andreas Hdlgruber, Köln Der Zusammenbruch im Osten 1944/45 als Problem der deutschen National-
geschichte und der europäischen Geschichte
278 Ntklas Luhmann, Stelefeld Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen ein-
stellen?
Jahresfeier am 15. Mai 1985
279 ]oseph Ratzmger, Rom Pohtik und Erlösung. Zum Verhältnis von Glaube, Rationalität und Irrationa-
lem in der sogenannten Theologie der Befreiung
280 Hermann Hambloch, Munster Der Mensch als Störfaktor im Geosystem
281 Remhold Merke/bach, Köln Mani und sein Religionssystem
282 W alter Mettmann, Münster Die volkssprachliche apologetische Literatur auf der Iberischen Halbinsel im
Mittelalter
283 Hans-]oachzm Kümkeu, Bonn Die Begegnung von Christentum, Gnosis und Buddhismus an der Seidenstraße
284 2. Akademte-Forum Technik und Ethik
Wo/.jgang Kluxen, Bonn Ethik für die technische Welt: Probleme und Perspektiven
RudolfSchulten, Aachen/juhch Maßstäbe aus der Natur für technisches Handeln
285 Hermann Lubbe, Zunch Die Wissenschaften und ihre kulturellen Folgen. Über die Zukunft des
common sense
286 Andreas H.tlgruber, Köln Alliierte Pläne für eine "Neutralisierung" Deutschlands 1945-1955
287 Otto Pöggekr, Bochum Preußische Kulturpolitik im Sp1egel von Hegels Ästhetik
288 Bernhard Großfeld, Münster Einige Grundfragen des Internationalen Unternehmensrechts
289 Remhold Merkelhach, Köln Nikaia in der römischen Kaiserzeit
290 Werner Besch, Bonn Die Entstehung der deutschen Schriftsprache
291 Heznz Gollwttzer, Münster Internationale des Schwertes. Transnationale Beziehungen im Zeitalter der
"vaterländischen" Streitkrähe
292 .Bemhard Kötttng, Münster Die Bewertung der Wiederverheiratung (der zweiten Ehe) in der Antike und in
der Frühen Kirche
293 5. Akademte-Forum Technik und Industrie in Kunst und Literatur
Volker Neubaus, Köln Vorwurf Industrie
Klaus Wo/.jgang Ntemölkr, Köln Industrie, Technik und Elektronik in ihrer Bedeutung für die Musik des
20. Jahrhunderts
Hans Schadewaldt, Düsseldorf Technik und Heilkunst
294 Paul Mikat, Düsseldorf Die Polygamiefrage in der frühen Neuzeit
295 Georg Kauffmann, Münster Die Macht des Bildes- Über die Ursachen der Bilderflut in der modernen Welt
Jahresfeier am 27. Mai 1987
296 Herbert Wtedemann, Köln Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft
297 Ramer Lenge/er, Bonn Shakespeares Sonette in deutscher Übersetzung: Stefan George und Paul Celan
298 Hemz HUrten, Etchstätt Der Kapp-Putsch als Wende. Über Rahmenbedingungen der Weimarer Repu-
blik seit dem Frühjahr 1920
299 Dtetnch Gerhardt, Harnburg Die Zeit und das Wertproblem, dargestellt an den Übertragungen V. A. :lu-
kovskijs
300 Bernhard Großfeld, Munster Unsere Sprache: Die Sicht des Juristen
301 Otto Pogge/er, Bochum Philosophie und Nationalsozialismus- am Beispiel Heideggers
Jahresfeier am 31. Mai 1989
302 Fnednch Ohly, Munster Metaphern für die Sündenstufen und d1e Gegenwirkungen der Gnade
303 Harald Wemnch, München Kleine Literaturgeschichte der Heiterkeit
304 Albrecht Dthle, Heuleiberg Philosoph1e als Lebenskunst
305 Rüdtger Schott, Münster Afrikanische Erzählungen als religionsethnologische Quellen, dargestellt am
Beispiel von Erzählungen der Bulsa in Nordghana
306 Hans Rothe, Bonn Anton T schechov oder Die Entartung der Kunst
307 A rthur Th. Hatto, London Eine allgemeine Theorie der Heldenepik
308 Rudo/fMorsey, Speyer Die Deutschlandpolitik Adenauers.
Alte Thesen und neue Fakten
309 Joachtm Bumke, Köln Geschichte der mittelalterlichen Literatur als Aufgabe
310 Wenzer Sundermann, Berlin Der Sermon von der Seele.
Ein Literaturwerk des östlichen Manichäismus
311 Bruno Schüller, Münster Überlegungen zum ,Gewissen'
312 Kar/ Dt.etrich Bracher, Bonn Betrachtungen zum Problem der Macht
313 Klaus Stern, Köln Die Wiederherstellung der deutschen Einheit -Retrospektive und Perspektive
Jahresfeier am 28. Mai 1991
314 Ratner Lenge/er, Bonn Shakespeares Much Ado About Nothmg als Komödie
315 ]ean-Marie Valentin, Pans Französischer "Roman comique" und deutscher Schelmenroman
316 Nikolaus Himmelmann, Bann Archäologische Forschungen im Akademischen Kunstmuseum der
Universität Bann: Die griechisch-ägyptischen Beziehungen
317 Watther Heissig, Bonn Oralität und Schriftlichkeit mongolischer Spielmanns-Dichtung
318 Anthony R. Bzrley, Düsseldorf Locus virtutibus patefactus?
Zum Beförderungssystem in der Hohen Kaiserzeit
319 Günther Jakobs, Bonn Das Schuldprinzip
320 Gherardo Gnoli, Rom Iran als religiöser Begriff im Mazdaismus
321 Claus Vogel, Bonn Miramiräsutas AsälatiprakaSa - Ein synonymisches Wörterbuch des Sanskrit
aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
322 Klaus Hildebrand, Bonn Die britische Europapolitik zwischen imperialem Mandat und innerer Reform
1856-1876
323 Paul Mikat, Düsseldoif Die Inzestverbote des Dritten Konzils von Orlf:ans (538). Ein Beitrag zur
Geschichte des Fränkischen Eherechts
324 Hans ]oachim Hirsch, Köln Die Frage der Straffähigkeit von Personenverbänden
325 Bernhard Großfeld, Münster Europäisches Wirtschaftsrecht und Europäische Integration
326 Nikolaus Htmmelmann, Bonn Antike zwischen Kommerz und Wissenschah
Jahresfeier am 8. Mai 1993
327 Slavomir Wollman, Prag Die Literaturen in der Österreichischen Monarchie im 19. Jahrhundert in ihrer
Sonderentwicklung
328 Ramer Lenge/er, Bonn Literaturgeschichte in Nöten. Überlegungen zur Geschichte der englischen
Literatur des 20. Jahrhunderts
329 Anneman.e Schzmmel, Bonn Das Thema des Weges und der Reise im Islam
330 Martin Honecker, Bonn Die Barmer Theologische Erklärung und ihre Wirkungsgeschichte
331 Stegmar von Schnurbetn, Frankfurt/Mam Vom Einfluß Roms auf die Germanen
332 Otto Pöggeler, Bochum Ein Ende der Geschichte? Von Hegel zu Fukuyama
333 Nifelas Luhmann, Sielefeld Die Realität der Massenmedien
334 ]osef Isensee, Bonn Das Volk als Grund der Verfassung
335 Paul Mika~ Düsseldoif Die Judengesetzgebung der fränkisch-merowingischen Konzilien
336 Bernhard Großfeld, Münster Bildhaftes Rechtsdenken. Recht als bejahte Ordnung
337 Herbert Schambeck, Linz Das Österreichische Regierungssystem. Ein Verfassungsvergleich
338 Hansjoachzm Klimkeit, Bonn Manichäische Kunst an der Seidenstraße
339 Ernst Dassmann, Bonn Frühchristliche Prophetenexegese
340 Nikolaus Himmelmann, Bonn Sperlonga. Die homerischen Gruppen und ihre Bildquellen
341 Claus Vogel, Bonn Zum Aufbau altindischer Sanskritwörterbücher der vorklassischen Zeit
342 Hans ]oachtm Hirsch, Köln Rechtsstaatliches Strafrecht und staatlich gesteuertes Unrecht
343 Hans-Peter Schwarz, Bonn Der Ort der Bundesrepublik Deutschland in der deutschen Geschichte
344 Günther Jakobs, Bonn Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen
345 Paul Mikat, Düsseldorf Caesarius von Ades und die Juden
346 Gustav A. Lehmann, Göttingen Oligarchische Herrschah im klassischen Athen
347 Ludwig Siep, Münster Zwei Formen der Ethik
348 Rüdiger Schott, Münster Orakel und Opferkulte bei Völkern der westafrikanischen Savanne
349 Nzkolaus Htmmelmann, Bonn Tieropfer in der griechischen Kunst
350 Klaus Stern, Köln Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgeber
ABHANDLUNGEN
Band Nr.
Val. VIII: Sayed Omar (Bearb.). Kazro Das Archiv des Soterichos (P. Soterichos}
Val. XI: Katalog der Bithynischen Münzen der Sammlung des Instituts für Altertums-
kunde der Universität zu Köln
Wolfram Wezser, Köln Band 1: Nikaia. Mit einer Untersuchung der Prägesysteme und Gegenstempel
Thomas Corsten, Köln Band 2: Könige, Commune Bithyniae, Städte (außer Nikaia)
Val. XII: Colette Sirat, Pans u. a. La Ketouba d.e Cologne. U n contrat de mariage juif 3 Antineopolis
Val. XV: jaakko Frösen, He/sinkt/Athen Die verkohlten Papyri aus Bubastos (P. Bub.)
/Aeter Hagedorn, Heuletberg (Bearb.) Band!
Val. XVII: Reinhold Merke/bach, Abrasax. Ausgewählte Papyri religiösen und magischen Inhalts
Mana Tottt (Bearb.). Köln Band I und Band 2: Gebete
Band 3: Zwei griechisch-ägyptische Weihezeremonien
Band 4: Exorzismen und jüdisch/christlich beeinflußte Texte
Val. XVID: Klaus Maresch, Köln Papyri from the Washington University Collection, St. Louis, Missouri
Zola M. Packmann, Pietermaritzburg, Natal (eds.)
Val. XIX: Robert W. Danie~ Kciln (ed.) Two Greek Papyri in the National Museum of Antiquities in Leiden
Val. XX: Enka Zwterlein-IAeh~ Bonn (BearbJ Magische Amulette und andere Gemmen des Instituts für Altertumskunde der
Universität zu Köln
Val. XXI: Klaus Maresch, Köln Nomisma und Nomismatia. Beiträge zur Geldgeschichte Ägyptens im 6. Jahr-
hundert n. Chr.
Val. XXII: Roy Kotansky, Santa Mon~ea, Calif. Greek Magical Amulets. The Inscribed Gold, Silver, Copper, and Bronze Lamellae
Part 1: Pu~lished Texts of Known Provenance
Val. XXIII: Wolfram Weuer, Köln Katalog ptolemäischer Bronzemünzen der Sammlung des Instituts für Alter-
tumskunde der Universität zu Köln
Val. XXIV: Cornelta Eva Römer, Köln Manis frühe Missionsreisen nach der Kölner Manibiographie
Val. XXV: Klaus Mareseh, Köln Bronze und Silber. Papyrologische Beiträge zur Geschichte der Währung im
ptolemäischen und römischen Ägypten bis zum 2. Jhdt. n. Chr.