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Sommersemester 2009
Institut für Politikwissenschaft
Veranstaltungstyp: Praktikum
Dozent: Prof. Doris Fuchs, Ph.D.
Praktikumsbericht Teil I:
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http://www.international.gc.ca/missions/germany-allemagne/jobs-emplois/menu-deu.asp
Aufgerufen am 18.08.2009.
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Ich habe mich sowohl für das Bewerbungsgespräch, wie auch für das Praktikum,
intensiv vorbereitet. Zum einen wusste ich aufgrund der bereit gestellten
Informationen, dass es bei der Arbeit in der Wirtschafts- und Finanzabteilung
hauptsächlich um die Analyse und Bewertung von Wirtschaftspolitik in Deutschland
geht. Entsprechend habe ich einschlägige Tages- und Wochenzeitungen gelesen
(„Financial Times Deutschland“, „The Economist“ u.a.), um auf die Fragen und
Aufgaben während des Bewerbungsgesprächs und des Praktikums vorbereitet zu
sein. Zum anderen hatte ich im Internet recherchiert, welche Themen aktuell das
Verhältnis Kanada-Deutschland und Kanada-Europäische Union (EU) bestimmen.
Als letzte Vorbereitungsmaßnahme habe ich zudem geübt, Wirtschaftsvokabeln zu
übersetzen. Insgesamt haben mir diese Vorbereitungen vor allem bei dem
Bewerbungsgespräch enorm geholfen und möglicherweise sogar den Ausschlag
dafür gegeben, warum ich den Praktikumsplatz bekommen habe. Ich kann also jedem
Bewerber empfehlen, sich in einer ähnlichen Art und Weise vorzubereiten,
insbesondere was die sprachliche Kompetenz und die Kenntnis von aktuellen
wirtschaftspolitischen Themen angeht. Unspezifische Bewerbungsfragen oder Fragen
zu dem allgemeinen politischen System Kanadas bzw. Deutschlands haben
zumindest bei mir eine untergeordnete Rolle gespielt.
Besondere praktische Probleme bei der Vorbereitung des Praktikums haben sich
nicht gestellt. Leider kann die Botschaft bei der Wohnungssuche keine Unterstützung
anbieten, so dass man selbstständig eine Wohnung für den Praktikumszeitraum in
Berlin suchen muss. Beachtenswert ist außerdem, dass selbst Praktikanten einer
ausführlichen Sicherheitsüberprüfung zustimmen müssen. Zu diesem Zweck müssen
vor dem Arbeitsbeginn mehrere Formulare der kanadischen Regierung ausgefüllt
werden, in denen z.B. über die bisherigen Wohnorte und Ausbildungsabschnitte,
sowie über die familiäre Situation Auskunft gegeben werden muss.
2 Durchführung
Die Botschaft von Kanada in Berlin ist neben den Botschaften in Frankreich und im
Vereinigten Königreich2 die wichtigste kanadische Botschaft in Europa. Deutschland
besitzt für Kanada als G8-Partner, als wichtigstes Mitgliedsland der EU, und als
herausragender Handelspartner eine übergeordnete Bedeutung. Kanada hat versucht
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Das besondere Verhältnis Kanadas zum Vereinigten Königreich und zu Frankreich beruht auf
Kanadas kolonialer Vergangenheit und dem Mitgliedsstatus im Commonwealth of Nations.
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dieser Tatsache Rechnung zu tragen, indem nach der Wiedervereinigung die neue
Botschaft in Berlin mit viel Aufwand gebaut und 2005 eingeweiht wurde.3 Die
zentrale Lage am Leipziger bzw. Potsdamer Platz sowie die vielfältigen
Kunstinstallationen im und am Gebäude machen die kanadische Botschaft in Berlin
zu einem außergewöhnlichen Arbeitsplatz.
Alle Praktikanten der Botschaft erhalten Arbeitsverträge mit festgelegter Arbeitszeit
und Bezahlung. In meinem Vertrag betrug die wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden
bei einer Vergütung von 400€ pro Monat. Die täglichen Arbeitszeiten sind für die
Mitarbeiter und Praktikanten der Botschaft vorgeschrieben und gehen von Montag
bis Freitag von 8:30 bis 17 Uhr (mit einer Mittagspause von einer Stunde).
Überstunden waren während meines Praktikums selten erforderlich und konnten
grundsätzlich ausgeglichen werden. Beachtenswert ist, dass für alle Praktikanten
keine Urlaubstage bzw. –zeit vorgesehen ist und die Anwesenheit bis 17 Uhr immer
erwartet wird – unabhängig vom jeweiligen Arbeitsaufkommen.
Die Wirtschafts- und Finanzabteilung ist organisatorisch innerhalb der Botschaft der
weit größeren politischen Abteilung zugeordnet und untersteht extern dem
„Department of Foreign Affairs and International Trade (DFAIT)“ in Ottawa.
Ungewöhnlich ist hierbei, dass das Department von zwei gleichberechtigten
Ministern geleitet wird: dem „Minister of Foreign Affairs“ (derzeit Lawrence
Cannon) und dem „Minister of International Trade“ (derzeit Stockwell Day). Aus
dieser Struktur ergibt sich, dass die Mitarbeiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung
vier direkte Auftraggeber haben: den Leiter der politischen Abteilung der Botschaft,
den Botschafter und die beiden Minister in Ottawa.
Mein erster Arbeitstag in der Botschaft war gleichzeitig der letzte Arbeitstag meiner
Vorgängerin, die mich in meinen Arbeitsplatz, die grundlegenden Aufgaben und die
Örtlichkeit eingewiesen hat. Die Arbeitsübergabe und die Einarbeitung von
Praktikant zu Praktikant sind in der Botschaft grundsätzlich üblich. Die Praktikanten
erhalten eigene Arbeitsplätze in Großraumbüros (mit abgegrenzten Arbeitsbereichen
in Form von „Cubicles“), die mit Computern und Telefonen ausgestattet sind. Um
die verwendete Hard- und Software der Botschaft bedienen zu lernen, durchlaufen
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Zu Informationen hierzu siehe: http://www.international.gc.ca/missions/germany-allemagne/offices-
bureaux/new-building_can_nouvelle-edifice-deu.asp
Aufgerufen am 18.08.2009.
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alle Praktikanten umfangreiche Schulungen, z.B. für das Adressverwaltungs-System
und die verwendete Backup Software.
Meine Hauptaufgabe als Praktikant in der Wirtschafts- und Finanzabteilung war die
Recherche aktueller Informationen und die Medienbeobachtung bestimmter Themen.
Alle zwei Wochen erstellt die Abteilung einen Bericht über relevante
wirtschaftspolitische Ereignisse und über die aktuellen Konjunkturdaten in
Deutschland, der dann an die kanadische Regierung in Ottawa weitergeleitet wird.
Zum Schreiben dieses Berichts hat man täglich die Financial Times, die Financial
Times Deutschland, das Handelsblatt und die FAZ zur Verfügung, zusätzlich zu allen
im Internet abrufbaren Quellen und dem botschaftsinternen Pressespiegel. Meist
habe ich eine erste Version dieses Berichts erstellt, die sich auf eine deskriptive
Darstellung beschränkt hat. Meine Kollegen haben dann einige persönliche
Einschätzungen und Prognosen zu den Entwicklungen hinzugefügt, die oft auf
persönlichen Kontakten zu den deutschen Politikern und Ministeriumsmitarbeitern
basierten. Abgesehen von dieser regelmäßigen Berichterstattung habe ich viele
Recherchen zu aktuellen Themen durchgeführt und Informationen zusammengestellt,
so z.B. zu den G8/G20 Gipfeln, den deutschen Konjunkturpaketen, oder der
Gründung der „International Renewable Energy Agency (IRENA)“. Regelmäßig
habe ich zudem die Webseiten der Europäischen Zentralbank, der Bundesbank, des
Statistischen Bundesamts und der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute
Deutschlands besucht, um aktuelle Informationen zu erhalten. Oft ging es bei diesen
Recherchen um die Beantwortung kurzfristiger Anfragen.
Eine weitere wichtige Aufgabe war die Zusammenstellung von Briefing-Mappen für
Gesprächstermine zwischen Botschaftsmitarbeitern und deutschen Vertretern aus der
Politik und Wirtschaft. Sowohl mein direkter Chef, der Botschaftsrat für Wirtschaft,
Herr Vincent Klassen, wie auch der Botschafter, Seine Exzellenz Peter M. Boehm,
hatten regelmäßig Treffen mit hochrangigen Gesprächspartnern. Erwähnenswert ist
hier zum Beispiel eine Reise nach Frankfurt, wo sich Herr Klassen und S.E. Peter M.
Boehm unter anderem mit Jean-Claude Trichet von der Europäischen Zentralbank,
Axel Weber von der Bundesbank und dem Aufsichtsratchef der Commerzbank,
Klaus-Peter Müller, getroffen haben. Für jedes dieser Treffen habe ich Informationen
zu den jeweiligen Gesprächspartnern und zu der aktuellen Situation bei den
jeweiligen Institutionen zusammengestellt.
Meine Arbeit in der Botschaft war stark durch die globale Wirtschafts- und
Finanzkrise geprägt. Dadurch, dass im Zuge der Krise viele multilaterale Gipfel und
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Beratungen stattgefunden haben, hatte Ottawa ein großes Interesse an dem deutschen
Krisenmanagement und den verabschiedeten wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
Regelmäßig hat unsere Abteilung an Dokumenten mitgearbeitet, die dazu dienten,
den kanadischen Premierminister Stephen Harper und seine Sherpas auf anstehende
multilaterale Verhandlungen und Treffen vorzubereiten. Außerdem haben wir viele
konkrete Anfragen von den kanadischen Ministerien bekommen, bei denen der
Politiktransfer bzw. der gegenseitige Erfahrungsaustausch im Vordergrund stand.
Insbesondere haben wir zu den Konjunkturpaketen gearbeitet: Welche Sektoren
werden gefördert? Wie werden die Bundesmittel an die Länder transferiert und unter
welchen Bedingungen? Liegt der Schwerpunkt auf Investitionen oder auf
Steuererleichterungen? Für die Beantwortung solcher und ähnlicher Fragen haben
wir Regierungserklärungen und Gesetzestexte durchgesehen und sind auch
persönlich mit den zuständigen Ministerien in Kontakt getreten.
Die letzte größere Aufgabe bestand darin, eine Podiumsdiskussion zu organisieren,
bei der die anstehenden Verhandlungen für ein neues Wirtschaftsabkommen
zwischen Kanada und der Europäischen Union thematisiert wurden. Die
Veranstaltung wurde von uns gemeinsam mit dem Bund der Deutschen Industrie
(BDI) ausgerichtet und fand am 4. März statt. Als Praktikant habe ich dabei
geholfen, die Podiumsteilnehmer zu kontaktieren, die Einladungen und die Rede des
Botschafters zu schreiben, sowie die Veranstaltung selbst mitzuorganisieren
(Catering etc.).
Die Integration in das Arbeitsumfeld und die Betreuung während des Praktikums
waren ausgezeichnet. Das Team der Wirtschafts- und Finanzabteilung besteht
lediglich aus drei Personen: dem Botschaftsrat, der Programmassistentin und einem
(Policy-) Analysten. Schon als Bewerber wurde ich darauf hingewiesen, dass dem
Praktikanten wichtige Aufgaben zukommen und der Rest des Teams sich auf die
Arbeit des Praktikanten stützt und verlässt. Mein Praktikum kann dies nur bestätigen:
Egal ob es die Briefingmappen, die zweiwöchentlichen Berichte oder statistische
Recherchen waren, meine Arbeit wurde geschätzt und weiterverwendet. Bei allen
Dokumenten, an denen ich beteiligt war, wurde ich auch namentlich als Mitautor
erwähnt. Zudem haben sich meine Kollegen sehr bemüht, mich an der
Kommunikation innerhalb der Botschaft und innerhalb des Ministeriums
weitestgehend zu beteiligen. Grundsätzlich wurden mir alle relevanten E-Mails
weitergeleitet, nur in Ausnahmefällen war dies aufgrund der Sicherheitsfreigabe
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nicht möglich. Zudem habe ich nicht nur mit den Kollegen meiner eigenen Abteilung
zusammengearbeitet, sondern auch mit anderen Abteilungen innerhalb der Botschaft
und insbesondere mit anderen Praktikanten. Sehr gefallen hat mir auch der offene
und direkte Kommunikationsstil innerhalb der Botschaft. Man wurde ermutigt,
Kontakte zu knüpfen und auch bei Rückfragen hat sich immer jemand Zeit
genommen, um weiterzuhelfen.
Besonders erwähnen muss man zudem das außergewöhnliche Engagement von S.E.
Peter M. Boehm, der sich sehr für uns Praktikanten eingesetzt hat. Der Botschafter
hat nicht nur das Gehalt der Praktikanten erhöht, sondern auch eingeführt, dass der
Botschafter persönlich alle neuen Praktikanten trifft und auch mit einem Treffen
wieder verabschiedet. Entsprechend hatten wir die seltene Gelegenheit, uns in einem
kleinen und informellen Rahmen mit dem Botschafter auszutauschen. Zudem hat
S.E. Peter M. Boehm den Praktikanten ein eigenes Arbeitszeugnis ausgestellt
(zusätzlich zu dem der Abteilung) und sich auch für zukünftige
Empfehlungsschreiben angeboten. Ein solches Engagement ist sicherlich nicht
selbstverständlich und hat sehr dazu beigetragen, dass man sich als Praktikant
willkommen und geschätzt gefühlt hat.
3 Kritische Beurteilung
Das Praktikum hat meine Erwartungen in vollster Weise erfüllt und sogar noch
übertroffen. Die PDF-Broschüre und die Informationen, die ich während des
Bewerbungsgesprächs erhalten habe, haben bereits im Vorfeld einen guten Eindruck
davon gegeben, welche Aufgaben auf mich zukommen würden. Überrascht hat mich,
wie sehr ich in das Team integriert und wie viel Vertrauen in meine Arbeit gesetzt
wurde. Neben den reinen Recherchetätigkeiten wurde ich zum Teil auch nach meiner
persönlichen Meinung oder Einschätzung zu bestimmten Entwicklungen gefragt,
womit ich nicht gerechnet hätte.
Der Erfahrungsgewinn lag für mich weniger im Erwerb von inhaltlichen oder
methodischen Kompetenzen, sondern vielmehr darin, den politischen Prozess so nah
beobachten zu können und einen Einblick darin zu erhalten, wie Bürokratien
funktionieren. Es war eindrucksvoll zu sehen, wie die Interessen der kanadischen
Regierung innerhalb der Botschaft diskutiert und dann nach außen in den politischen
Prozess getragen wurden. Insbesondere beim Thema eines neuen
Wirtschaftsabkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union habe ich viel
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darüber gelernt, wie multilaterale Verhandlungen ablaufen und wie man eine
effektive bilaterale Lobbying- bzw. Advocacy Strategie entwickelt.
Meine eigene berufliche Orientierung hat von dem Praktikum sehr profitiert. Es war
eine gute Erfahrung, die eigenen Qualifikationen so umfassend in den Arbeitsprozess
einbringen zu können. Ich konnte mir ein realistisches Bild meiner Kompetenzen
machen und zudem Bereiche identifizieren in denen ich mich weiter aus- bzw.
fortbilden möchte. Außerdem sehe ich die Vor- und Nachteile von politiknahem und
akademischem Arbeiten jetzt differenzierter. Zunächst war ich als Praktikant
begeistert, dass alle Aufgaben unmittelbar praxisrelevant waren und ich konkrete
Anfragen bearbeiten konnte. Gegen Ende des Praktikums ist dieser anfänglichen
Begeisterung jedoch Ernüchterung gewichen. Während ich bei akademischem
Arbeiten oft frustriert über den „Elfenbeinturm“ war und mir mehr Praxisbezug
gewünscht habe, sehe ich jetzt auch, was für ein unglaubliches Privileg es ist,
Probleme in Ruhe analysieren und bewerten zu können. Im Botschaftsalltag wurde
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unter so großem Zeitdruck und mit so kurzen Fristen gearbeitet, dass eine
differenzierte und wissenschaftliche Auseinandersetzung nur sehr eingeschränkt
möglich war. Da die Tagespolitik einen enormen Einfluss auf die
Schwerpunktsetzung unserer Abteilung ausgeübt hat, mussten wir schnell zwischen
Themen hin- und herwechseln und konnten uns nur selten ausführlich einarbeiten.
Projekte, die anfänglich als wichtig galten, verschwanden zum Teil schnell wieder
von der Agenda, oder wurden durch andere plötzlich noch wichtigere Projekte
abgelöst. Auch an den Schreibstil in unseren Berichten musste ich mich sehr
gewöhnen: Alles muss extrem knapp, übersichtlich und griffig dargestellt werden,
weil sonst die Gefahr besteht, dass die Informationen bei den Entscheidungsträgern
untergehen. Diese Art der Darstellung gleicht aber einem Drahtseilakt: Wie viel kann
man kürzen und vereinfachen, ohne Sachverhalte völlig zu verfälschen und ein
falsches Bild zu vermitteln? Zwar stellt sich diese Frage bei wissenschaftlichen
Arbeiten grundsätzlich auch, aber nicht in diesem Ausmaß.
Alles in allem kann ich mir gut vorstellen, in meinem Berufsleben eine ähnliche
berufliche Position anzustreben. Ich würde das Praktikum uneingeschränkt
weiterempfehlen und bin froh, die Gelegenheit gehabt zu haben, dort zu arbeiten.
Auf der anderen Seite hat das Praktikum mir aber auch wieder die Vorzüge
wissenschaftlichen Arbeitens vor Augen geführt.