Beteiligung des Bundesrates Aufteilung in Einspruchs- und Zustimmungsgesetz 1/2 Grundsatz: Gesamtbetrachtung (sog. Einheitstheorie) H.M.: Eine einzige zustimmungspflichtige Norm macht das gesamte Gesetz zustimmungspflichtig („gesetzgeberische Einheit“), vgl. BVerfGE 105, 313 (339) M.M.: Innerhalb eines Gesetzes nur einzelne Teile zustimmungspflichtig arg.: Wtl. „soweit“ in 77 IIa GG P: Aufteilung des Gesetzes (auch noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren) in einen zustimmungsbedürftigen (z.B. Verfahrensregelungen) und in einen zustimmungsfreien Teil (materielle Regelung) H.M.: Keine Umgehung der Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrats Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 1 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Zustandekommen des Gesetzes, Art. 78 GG Beteiligung des Bundesrates Aufteilung in Einspruchs- und Zustimmungsgesetz 1/2 wohl keine verfassungsrechtlichen Grenzen der Aufteilungsmöglichkeit Ausnahme: Durch Aufspaltung entsteht ein unverständlicher oder nicht mehr vollzugsfähiger „Gesetzestorso“ BVerfGE 105, 313 (338 ff.) – eingetragene Lebenspartnerschaft
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(Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 2 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen
Aufteilung in Einspruchs- und Zustimmungsgesetz 2/2
Gründe für uneingeschränkte Aufteilungsmöglichkeit: Ratio legis: Abtrennung verfahrensrechtlicher Teile bewirkt keine Verschiebung von Zuständigkeiten zu Lasten der Länder Gesetzgebungsrecht des BT Gestaltungsprärogative des BT Erfordernis der Zustimmung ist die Ausnahme vom Grds. der Art. 78 ff. GG Verzicht auf zustimmungsbedürftige Regelungen (z.B. zum Verwaltungsverfahren) entspricht dem Modell der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern nach Art. 83 ff. GG im Gegenteil: Verpflichtung zum gleichzeitigen Erlass von materiellen Regelungen und Verfahrensregelungen würde zu einer Ausdehnung von Bundesregeln führen Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 3 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen
Zustandekommen des Gesetzes, Art. 78 GG
Beteiligung des Bundesrates Unklarheit über Zustimmungsbedürftigkeit BR verweigert Zustimmung, weil er Gesetz für zustimmungspflichtig hält – tatsächlich aber nur Einspruchsgesetz Umdeutung einer Verweigerung der Zustimmung in einen Einspruch möglich? Str. h.M. sagt ja, unter folgenden VSS: Äußerung muss eindeutig sein Ausübung des Einspruchs setzt zwingend Anrufung des Vermittlungsausschusses voraus, Art. 77 III 1 GG nach h.M. möglich und empfehlenswert ist Verweigerung der Zustimmung und hilfsweise Einspruchseinlegung unterstreicht die Eindeutigkeit der Ablehnung
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(Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 4 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Beteiligung des Bundesrates bei Änderungsgesetzen Änderungsgesetze, die ursprünglich zustimmungsbedürftige Gesetze ändern, sind nach BVerfG dann zustimmungspflichtig, wenn Änderungsgesetz selbst zustimmungsbedürftige Regelungen enthält Änderungsgesetz genau die Normen betrifft, die ursprünglich Zustimmungsbedürftigkeit ausgelöst haben Änderungsgesetz eine „Systemverschiebung“ bewirkt, die von der ursprünglichen Zustimmung des Bundesrates nicht mehr abgedeckt ist (letzteres str.) Beispiel: BVerfGE 48, 127 (180 f.) – Neuregelung der Anerkennung von Zivildienstleistenden Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 5 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Vermittlungsausschuss, Art. 77 II - IV GG 1/2
Besetzung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 II 2
GG i.V.m. § 1 GO VA: je 16 Mitglieder aus BT und Brat für die „BT-Bank“ gilt nicht das Mehrheits- sondern Spiegelbildlichkeitsprinzip (BVerfGE 112, 118 (141 ff.)) Mitglieder des VA sind nicht weisungsgebunden (für BT-Bank ohnehin selbstverständlich; insb. für BR: soll Kompromissfähigkeit erleichtern) bei Einspruchsgesetzen: BR muss zunächst den Vermittlungsausschuss anrufen, bevor er Einspruch erheben darf, Art. 77 III 1 GG bei Zustimmungsgesetzen: BR kann den Vermittlungsausschuss anrufen, Art. 77 II 1 GG wenn der BR die Zustimmung verweigert, können auch BT und BReg den Vermittlungsausschuss anrufen, Art. 77 II 4 GG Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 6 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Vermittlungsausschuss, Art. 77 II - IV GG 2/2 darf Änderungsvorschläge machen, was aber nicht auf ein sachlich ganz neues Gesetz hinauslaufen darf (BVerfGE 101, 297-312; 120, 56- 81): Vermittlungsausschuss darf nichts vorschlagen, was nicht schon Gegenstand der Erörterung in BT oder BR war Gründe: Verstoß gegen das Demokratieprinzip; Öffentlichkeitsgebot; Rechte der Abgeordneten; bundesstaatliche Kompetenzverteilung; kein eigenes Initiativrecht Gesetz, das unter Missachtung der Grenzen zustande kam, ist verfassungswidrig (BVerfGE 125, 56 ff.) bei Änderungen durch den Vermittlungsausschuss müssen BT und BRat erneut entscheiden, Art. 77 II 5, II a, III GG macht der Vermittlungsausschuss keine Änderungsvorschläge, muss nur der BR erneut Beschluss fassen, Art. 77 II 5, II a GG Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 7 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen
Ausfertigung und Verkündung durch Bundespräsident
Art. 82 GG
Prüfungsrecht (und Prüfungspflicht) seitens des
Bundespräsidenten hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen (Gesetzgebungskompetenz und Gesetzgebungsverfahren) der materiellen Verfassungsmäßigkeit Prüfungsrecht jedenfalls hinsichtlich evidenter Verfassungsverstöße (so die h.M.; str. - s. noch näher bei Bundespräsident)
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(Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 8 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Übersicht Gesetzgebungsverfahren 1/3
Initiative, Bundesregierung Mitte Bundestag Bundesrat
Art. 76 I GG Vorverfahren, Bundesrat Art. 76 II, III GG (Stellungnahme, Fristen, Art. 76 II GG) Bundesregierung Gesetzesbeschluss, (Stellungnahme, Art. 77 I GG durch - Bundesregierung Fristen, Art. 76 III GG) Art. 42 II GG, (Gegenäußerung) einfache Mehrheit - Art. 79 III GG, 2/3- Bundestag Mehrheit und § 78 GO BT: 3 Les.; § 45 GO BT Beschluss Beschlussfähigkeit vermutet
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Bundesrat (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 9 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Übersicht Gesetzgebungsverfahren 2/3 Bundesrat Bundesrat Art. 77 II, 78 GG Zustimmungsgesetz Einspruchsgesetz und §§ 30, 31 GO Zustimmung Ablehnung Antrag nach kein Antrag nach Art. 78 GG (-), Art. 77 II GG Art. 77 II GG BR oder (+) falls nicht BT oder BReg den „Zustimmung“ VA anrufen Art. 78 GG (+) Vermittlungs- Vermittlungsausschuss verfahren, Vorschlag Bestätigung Art. 77 II GG oder kein Aufhebung Änderung Vorschlag
Bundestag, Bundestag Bundestag
„4. Lesung“, angenommen abgelehnt angenommen abgelehnt Art. 77 II 5 GG (-) Prof. Dr. Rainer Wernsmann Bundesrat (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 10 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen Übersicht Gesetzgebungsverfahren 3/3 Bundesrat Bundesrat Art. 77 II, 78 GG Zustimmungsgesetz Einspruchsgesetz und § 30 GO BR Zustimmung keine Einspruch kein Einspruch Art. 78 GG Zustimmung bzw. Zurücknahme (+) (-) Art. 78 GG (+) Bundestag, Bundestag „5. Lesung“, Zurückweisung des Einspruchs Art. 77 IV GG nein ja (-) Art. 78 GG (+) Zustandekommen alle Fälle Art. 78 GG (+) Gegenzeichnung Bundesregierung, Art. 82, 58 GG Ausfertigung Bundespräsident, Art. 82 GG Verkündung Prof. Dr. RainerBundesgesetzblatt Wernsmann (BGBl.) Art. 82 GG (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 11 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen
Das verfassungsändernde Gesetz, Art. 79 GG
Abs. 1: ausdrückliche Textänderung des Grundgesetzes nötig: keine Normen im Verfassungsrang außerhalb des GG Abs. 2: Qualifizierte Mehrheiten nötig: zwei Drittel der … ... Mitglieder des BT (Art. 121 GG – gesetzliche Mitgliederzahl: derzeit: 2/3 x (598 + 111) = 473) und … Stimmen (2/3 x 69 =46) des BR Abs. 3: inhaltlich Ewigkeitsgarantie änderungsfest nur die Grundsätze, nicht deren konkrete Ausformung durch das GG einzelne Grundrechte nur insoweit geschützt, als ihr etwaiger Menschenwürdegehalt (Art. 1 I GG) angetastet wird Einbeziehung des Art. 79 III GG selbst in die Ewigkeitsgarantie (h.M.) arg.: Gebot der Normlogik Prof. Dr. Rainer Wernsmann (Vertretung durch Wiss. Mit. Christian WS 2018/19 Moser) 12 Vorlesung Grundkurs Staatsrecht I für Juristen
Literaturhinweise:
Degenhart, Staatsrecht I, 34. Auflage 2018, § 3 IV, § 8 II 1.
Maurer, Staatsrecht I, 6. Auflage 2010, § 17 IV, V. Gröpl, Staatsrecht I, 10. Auflage 2018, § 16 V. Ipsen, Staatsrecht I, 30. Auflage 2018, § 6 I 3, § 7 II.
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