Está en la página 1de 250

Jürgen Fischer

Energie
Meditation
Ekstase
Ein Kurs in Wahrnehmung

3
Jürgen Fischer, Jahrgang 1950, befaßt sich seit den siebziger Jahren in-
tensiv mit dem Werk Wilhelm Reichs und veröffentlichte mehrere Bü-
cher zu Themen der Orgonomie. Er ist Herausgeber der Internet-On-
line- Zeitschrift www.orgon.de und Verfasser vieler Fachartikel.
Jürgen Fischer stellt seit 1977 Orgon-Akkumulatoren her und alle wei-
teren medizinischen Geräte, die von Wilhelm Reich entwickelt wur-
den. 1995 trat er über Medien in Kontakt mit Wilhelm Reich und ande-
ren Wesenheiten, die den Orgon-Akkumulator zum Engel-Energie-Ak-
kumulator modifiziert haben. Außerdem erhielt er durch einige media-
le Kontakte Unterweisungen in der Lebendigen Meditation. Er führt
seit Anfang 1996 Seminare durch, in denen er die Teilnehmer in das
Werk Wilhelm Reichs, in die energetische Wahrnehmung und in die
Lebendige Meditation einführt.
Jürgen Fischer hat seit 1972 in verschiedenen spirituellen Richtungen
Unterweisung erhalten. Seit 1991 hat er keine Kontakte mehr zu spiri-
tuellen Lehrern und Organisationen.

4
Inhalt
Vorwort ............................................................................................... 9
Zu den Übungen .............................................................................. 13

Erster Teil
ORGON
Grundübungen der Energiewahrnehmung:
Orgon-Energie sehen, hören und fühlen

Über Energiewahrnehmung ............................................................ 16


Kreiselwellen .................................................................................... 18
Lektion 1 — Energie sehen: Kreiselwellen .................................. 20
Alles ist Energie? .............................................................................. 22
Orgon und DOR — atmosphärische Energie ............................... 24
Lektion 2 — Energie sehen:
Der DOR-Index – Die Farben der atmosphärischen Energie .. 27
Die emotionelle Qualität atmosphärischer Energie ...................... 30
Lektion 3 — Energie fühlen:
Die körperliche Erfahrung von DOR ...................................... 32
Das Rauschen der Orgon-Energie .................................................. 34
Lektion 4 — Energie hören: Das innere Rauschen ..................... 36
Lektion 5 — Energie sehen: Die Aura der Bäume ..................... 38
Lektion 6 — Energie sehen: Energieschwaden im Raum ........... 39
Lektion 7 — Energie sehen: Die Aura von Menschen ................ 40
Lektion 8 — Energie sehen: Das eigene Energiefeld ................... 43
Das plasmatische Strömen:
Die Wiederentdeckung des Lebendigen ......................................... 42
Lektion 9 — Energie fühlen:
Das plasmatische Strömen über Musik auslösen ..................... 46
Lektion 10 — Energie fühlen:
Plasmatisches Strömen durch Kälte auslösen ........................... 48
Lektion 11 — Energie fühlen:
Plasmatisches Strömen durch Atmen auslösen ......................... 49
Lektion 12 — Energie fühlen: »Energie!« —
Plasmatische Strömen durch Gedanken auslösen ..................... 50

5
Zweiter Teil
Die Funktion der Liebe
Wilhelm Reich und die Orgonomie:
Die Wissenschaft des Lebendigen

Wilhelm Reich: Der Forscher des Lebendigen ............................... 52


Spirituelle Orgonomie:
Die geistige Ebene in der Wissenschaft des Lebendigen .......... 70

Dritter Teil
Lebendige Meditation:
Energiewahrnehmung als Leitstrahl für den
Landeanflug in der geistigen Welt

Die Göttliche Quelle erleben .......................................................... 96


Lektion 13 — Lebendige Meditation: Grundübung ................ 102
Lektion 13 a — Lebendige Meditation: Grundübung, wenn wir
das innere Rauschen der Orgon-Energie nicht hören können 105
Die Hingabe an das Lebendige ...................................................... 107
Lektion 14 — Lebendige Meditation: Kontrolle und Hingabe 111
Lektion 15 — Lebendige Meditation:
Hingabe an die Göttliche Musik ........................................... 113
Die Hingabe an das plasmatische Strömen
und geistige Erkenntnis ............................................................. 116
Lektion 16 — Lebendige Meditation:
Hingabe an das plasmatische Strömen .................................. 124
Lektion 17 — Lebendige Meditation: OM – plasmatisches ............
Strömen durch akustische Schwingungen auslösen ................... 126
Lektion 18 — Lebendige Meditation: Die tiefe Meditation ..... 128

Vierter Teil
Mediale Gespräche
mit Wilhelm Reich und Hildegard von Bingen

Einleitung ........................................................................................ 132


Gespräche mit Wilhelm Reich ....................................................... 134
Gespräche mit Hildegard von Bingen ........................................... 174

6
Fünfter Teil
Lebendige Ekstase
Die Anwendung von Energiewahrnehmung und
Lebendiger Meditation im Alltag

Energie, Meditation und Ekstase .................................................. 190


Lektion 19 — Lebendige Ekstase: Grundübung ...................... 196
Leer sein: Erkenntnis aus eigener Erfahrung durch Ekstase ....... 198
Lektion 20 — Lebendige Ekstase: Nicht-Üben üben ............... 201
Lektion 21 — Lebendige Ekstase:
Die Stimme des Gewissens hören .......................................... 204
Lektion 22 — Lebendige Ekstase: Smalltalk beenden .............. 205
Lektion 23 — Lebendige Ekstase: Sexuelle Ekstase .................. 208
Lektion 24 — Lebendige Ekstase: Tantrische Sexualität .......... 210

Sechster Teil
Gnosis
Spirituelle Erkenntnis und Gotteserfahrung durch
Lebendige Meditation und Lebendige Ekstase

Die Funktionen des Geistes .......................................................... 214


Lektion 25 — Das Gebet:
Hingabe an den Kontakt mit der Göttlichen Quelle ............ 238
Lektion 26 — Die Gedanken des Heiligen Geistes ................. 240
Lektion 27 — Es gibt nichts zu tun ........................................... 242
Lektion 28 — Vergebung – die Auflösung geistiger Blockaden . 243
Lektion 29 — Die Entscheidung für die Liebe ......................... 247
Lektion 30 — Die Todeserfahrung üben ................................... 249

Hilfmittel für die Übungen, Literatur und Geräte ...................... 251


Veröffentlichungen von Jürgen Fischer ........................................ 252

7
Göttliche Liebe
Arbeit an der Vervollkommnung des Menschen
und Wissen um die Göttliche Quelle
aus eigener Erfahrung
sind die Grundlagen unseres Lebens.
Sie sollen es auch bestimmen.

Abwandlung des Leitspruchs Wilhelm Reichs, den er jedem


seiner orgonomischen Bücher vorangestellt hat:

Liebe, Arbeit und Wissen sind die Grundlagen unseres Lebens.


Sie sollen es auch bestimmen

8
Vorwort

B itte stellen Sie sich vor, Sie können nicht hören, sehen und füh-
len, ja Sie hätten noch nicht einmal ein Konzept davon, was das
sein sollte. Und dann böte Ihnen jemand an, Ihnen dies alles beizu-
bringen. Wahrscheinlich wären Sie vorher etwas skeptisch, was das sein
soll, »hören«, »sehen« und »fühlen«. Aber wenn Sie es dann ausprobiert
haben, und wenn Sie feststellen wie einfach es war, das alles zu lernen,
werden Sie sich fragen, warum Sie solange ohne diese Wahrnehmung
gelebt haben, wie Sie ohne diese Erfahrungen existieren konnten, denn
es hat etwas Entscheidendes in Ihrem Leben gefehlt.

Nun biete ich Ihnen an, energetische Wahrnehmung zu lernen. Ich bie-
te Ihnen an, Ihnen ein neues Hören, Sehen und Fühlen beizubringen –
Erfahrungen, die Sie bereits kennen, die Sie aber höchstwahrscheinlich
noch nie bewußt wahrgenommen haben. Sie können über diese energe-
tische Wahrnehmung aus der realen Welt, so wie Sie sie heute kennen,
willentlich aussteigen und in eine innere, geistige Welt eintreten, die Sie
über diese neuen Pforten der Wahrnehmung erreichen können.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind Yogis für Jahrzehnte in Höhlen ver-
schwunden, haben sich Mönche in Klausuren zurückgezogen. Nun gibt
es einen neuen, einfacherern Weg der direkten Erkenntnis. Dieses Wis-
sen wurde mir von erleuchteten jenseitigen Wesen gegeben, von En-
geln, von Wilhelm Reich und von Hildegard von Bingen und weiteren
Wesen. In sehr praktischen Arbeitsgesprächen haben sie mich mit ei-
nem ganzen Paket von Informationen versorgt, zunächst über Medien
und seit über vier Jahren direkt über den Engel-Energie-Akkumulator.
Ich sehe es als meine Aufgabe, Ihnen diese Informationen zugänglich
zu machen.
Anders als bei den esoterischen Lehren der Vergangenheit liegt in dem
Wissen, das ich Ihnen hier anbiete nichts »Geheimes« oder »Verborge-
nes«. In früherer Zeit mußten sich die Praktizierenden vor ihrer Kultur
schützen und umgekehrt. Heute ist es der beste Schutz, öffentlich zu
sein und Informationen so weit wie irgend möglich zu streuen. Auch
in der Vergangenheit waren die gnostischen Lehren nicht besonders

9
»schwierig«, aber sie waren nur für spezielle, besonders geeignete
Adepten zugänglich. Das ist letztlich auch heute noch so. Nicht alle
sind bereit für diese Ebene geistiger Arbeit. Wenn früher die wahren
Adepten von ihren Meistern ausgesucht wurden, so geschieht die Aus-
wahl heute einfach dadurch, daß die Belehrungen entweder funktionie-
ren oder nicht.
Testen Sie sich also selbst. Sie werden sehen, es ist sehr einfach, die
Lebendige Meditation zu begreifen und praktisch durchzuführen. Doch
Sie werden bemerken, daß Sie sich mit einer Macht anlegen, die in der
Bibel der »Herr der Welt« heißt. Ich nenne es »das Ego«. Die Konfron-
tation mit dieser Macht ist der eigentliche Prüfstein. Wenn wir begin-
nen zu begreifen, daß es auch eine Existenz jenseits des Ego gibt, daß
es eine geistige Welt gibt, in die wir jederzeit hinüberwechseln können,
fühlt sich das Ego angegriffen, denn mit ihm können wir dort nicht
hingehen. Es ist eine spannende Erfahrung, wenn Sie sich darauf einlas-
sen: eine Reise ins Ungewisse. Und wenn sie dort ankommen: eine An-
kunft in der Gewißheit.
Die Methoden der Energiewahrnehmung und der Lebendigen Medita-
tion sind sehr einfach nachzuvollziehen. Es ist egal, ob Sie Materialist
oder ein religiöser Mensch sind. Das einzige, was Sie daran hindern
kann, diese Erfahrung zu machen, ist Ihre Weigerung, sich darauf ein-
zulassen. Meist liegt es daran, daß Menschen eine prinzipielle, funda-
mentalistische Einstellung haben, ein Ego, das darauf achtet, daß Sie
nie die Geleise von »Realität« verlassen, die es zu seiner einzigen Wahr-
heit erklärt hat.
Auch wenn ich mit Engeln und erleuchteten Menschen im Jenseits rede,
verlange ich nicht, daß Sie dieselbe für Sie eventuell mystisch anmuten-
de Einstellung haben. Vielleicht akzptieren Sie einfach, daß ich meine
Informationen aus dieser nicht-materiellen Welt beziehe. Seit Jahrtau-
senden reden Medien, Schamanen, Zauberer und Priester mit Wesen
aus dem Jenseits. Meine einzige Sorge dabei ist, daß ich es weiterhin
mit Wesen zu tun habe, die in Gott geborgen sind und die nicht aus der
dunklen Seite der immateriellen Welt stammen. Dies ist mein ständiges
Gebet.
Ich verlange von niemandem, irgendeine religiöse oder geistige Hal-
tung von mir zu übernehmen. Das einzige, was Sie benötigen, ist Neu-
gier und Offenheit.
Meditation alleine bewirkt sicherlich nur wenig Erkenntnis, vielleicht
eine angenehme Beruhigung des Geistes. Für mich liegt jedoch in der
geistigen Öffnung für Gott, für die die Lebendige Meditation ein Weg
ist, eine Qualität, die den Sinn dieses Lebens ausmacht.

10
Im Zentrum der Lebendigen Meditation stehen neue Methoden ener-
getischer Wahrnehmung, das Hören, Sehen und Fühlen von Lebens-
energie, an der Grenze zwischen stofflicher, körperlicher Wahrneh-
mung und geistiger, übersinnlicher Wahrnehmung, zu der mit ein we-
nig Übung jeder Mensch fähig ist. Ziel der Lebendigen Meditation ist
es, über die Wahrnehmung hinaus in den Bereich geistiger Erkenntnis
und zur Wirklichkeit der Liebe Gottes zu gelangen.
Dabei entwickelte sich ein Weg in die Welt des Geistes, der weit ent-
fernt ist von jeder Esoterik oder Mystik. Es ist möglich, in geistige Be-
reiche hineinzugehen und sich dabei einerseits an Erfahrungen und an-
dererseits an einem naturwissenschaftlichen Verständnis von Lebens-
prozessen zu orientieren.
Diesen wissenschaftlichen Hintergrund bietet das Werk Wilhelm Reichs,
die Orgonomie, da dort zum ersten Mal in einer umfassenden, natur-
wissenschaftlich nachvollziehbaren Weise die Existenz einer Lebens-
energie nachgewiesen und vor allem für medizinische Zwecke nutzbar
gemacht wurde. Auch hier ist, ähnlich wie in der spirituellen Arbeit,
die Erfahrung die Voraussetzung, um die Naturprozesse verstehen und
mit ihnen umgehen zu können. Ein rein theoretischer Zugang zur Or-
gonomie ist genausowenig möglich wie zur Erkenntnis der Wirklich-
keit Gottes. Wir sind darauf angewiesen, bestimmte persönliche Pro-
zesse zu durchlaufen, Fehleinstellungen zu revidieren und energetische
bzw. geistige Erfahrungen zu machen, um uns der Existenz einer um-
fassenden Lebensenergie einerseits und der Wirklichkeit Gottes ande-
rerseits zu versichern.

Mein eigener Hintergrund besteht darin, daß ich seit ca. 1977 mit Or-
gon-Akkumulatoren gearbeitet und mich mit dem Reichschen Werk
auseinandergesetzt habe. Ich habe als Fachjournalist einige Bücher zur
Orgonomie verfaßt und übersetzt, Zeitschriften herausgegeben, habe
die Geräte hergestellt, die Reich entwickelt hat und selber mit ihnen
gearbeitet. Andererseits habe ich seit 1972 meditiert, in verschiedenen
geistigen Schulen Unterweisungen für die praktische Arbeit an geisti-
ger Erkenntnis bekommen und diese so ernsthaft, wie es mir möglich
war, umzusetzen versucht.
Seit 1995 stehe ich in medialem Kontakt mit Wilhelm Reich. Ich habe
insgesamt 22 mehrstündige Interviews mit ihm und mit anderen Mit-
gliedern der jenseitigen Arbeitsgruppe geführt. Zentrale Aussagen die-
ser Interviews bezogen sich darauf, daß das veröffentlichte Werk Reichs
im Wesentlichen unangetastet bleibt und volle Gültigkeit behält. Je-
doch kommen nun neue Erkenntnisebenen hinzu: einerseits die Tatsa-

11
che, daß es ein jenseitiges Leben gibt, daß es die Göttlichkeit gibt, En-
gel und Wesen im Jenseits, die mit uns und für uns arbeiten. Einer der
zentralen Anliegen Reichs, das er aus seiner himmlischen Dimension
an die Menschen weiterleiten wollte, ist die Tatsache, daß es ebenso
geistige Blockierungen gibt, die genauso aufgearbeitet werden müssen
wie die körperlichen Blockierungen, über die Reich in seinem Lebens-
werk gearbeitet hat.
Über die von ihm vorgeschlagene Modifikation des Orgon-Akkumu-
lators zum Engel-Energie-Akkumulator habe ich selber eigenständi-
gen Kontakt mit Wilhelm Reich und mit Engeln aufgenommen und
von ihnen direkte Unterweisungen erhalten und diese praktisch umge-
setzt. Eines der praktischen Ergebnisse dieser Engel-Kontakte ist die
Lebendige Meditation, die ich seither in Kursen vielen Menschen per-
sönlich nahegebracht habe und die sich ständig weiterentwickelt hat,
immer tiefer hinein in die Erkenntnis der geistigen Welt.
Dieses Buch ist ein Ergebnis dieser intensiven Arbeit mit den Engeln
und mit vielen Menschen. Ich wünsche Ihnen, daß Sie aus diesen Er-
fahrungen Ihren eigenen Nutzen ziehen können.

Tarmstedt, im Juni 2000

12
Zu den Übungen

I ch habe die Erfahrungen, die ich Ihnen hier beschreibe, in mei-


nen Seminaren vielen Menschen nahebringen und bisher bei fast al-
len einen deutlichen »Aha-Effekt« auslösen können. Niemand, der mich
aufsuchte, war mit allen Energiewahrnehmungen im Detail vertraut,
auch diejenigen nicht, die z.B. als Therapeuten, Hellsichtige oder als
Energieheiler Tag für Tag mit Energiephänomenen umgehen. Ich kann
Ihnen also versprechen, daß Sie, wenn Sie dieses Buch lesen und die
Übungen durchführen, zu völlig neuen Wahrnehmungen und wahr-
scheinlich sehr bewegenden Einsichten kommen werden.
Wenn Sie mit der einen oder anderen Übung Probleme haben sollten,
versuchen Sie es einfach an einem anderen Tag noch einmal, wenn Sie
vielleicht etwas entspannter sind. Oft hilft es, sich ein wenig darum zu
kümmern, etwas glücklicher und fröhlicher zu sein. Und wenn es trotz-
dem nicht klappt: es ist kein Leistungskurs. Lesen Sie einfach weiter
und versuchen Sie es mit einer anderen Übung. Wenn die dann funk-
tioniert hat, geht es vielleicht mit der auch besser, mit der Sie zuvor
nicht zurechtgekommen sind. Vermeiden Sie jeden Leistungsdruck.
Große Erwartungen zu hegen, kann ein Grund sein, genau das nicht
wahrnehmen zu können, worum es geht.

Trotzdem möchte ich Sie auffordern, sich der Arbeit an den Übungen
ernsthaft zu widmen. Alleine durch das Lesen werden Sie das Wesentli-
che nicht verstehen. In diesem Buch kann ich Ihnen beibringen, ein
neues Hören, Sehen und Fühlen zu erlernen. Was Sie dazu beisteuern
müssen, ist eine gute Portion Fleiß, Geduld und Gewissenhaftigkeit.
Ihr Geist ist ein Instrument, dem Sie völlig neue Fähigkeiten, neue
»Klänge«, entlocken können, je nachdem, wie virtuos Sie dieses Instru-
ment spielen können.
Dieses Buch ist nur so gut wie Ihre Übung. Da es um innere, subjekti-
ve Erfahrungen geht, können auch nur Sie alleine beurteilen, was gut
funktioniert und wo Sie sich noch verbessern können. Es gibt keinen
anderen Menschen, der dies beurteilen könnte oder wollte. Hier ist also
Ihr eigenes Gewissen angesprochen. Nehmen Sie sich selber ernst.

13
Nichts ist schädlicher für den eigenen Geist, als sich selber zu mißtrau-
en oder sich selber zu belügen. Wenn Sie Fertigkeiten üben, gibt es
neben dem Erfolgserlebnis immer auch die Frustration. Lassen Sie sich
dadurch nicht entmutigen.
Die Übungen dieses Buches bauen inhaltlich aufeinander auf. Deshalb
ein wichtiger Hinweis: lesen Sie dieses Buch von vorne nach hinten
durch und gehen Sie auch systematisch mit den Übungen voran. Es ist
verlockend, mal hier und da ein Kapitel zu lesen und irgendeine Übung
zwischendurch zu machen. Dies können Sie tun, wenn Sie alle Übun-
gen durchgeführt haben.

Was ich Ihnen zeige, ist für Sie vielleicht eine neue Erfahrung, aber die
Sache selbst ist nicht neu. Sie ist so alt wie das Leben. Die lebendige
Energie strömt in uns, seitdem wir als Einzeller, als Quallen und als
Würmer existierten. Alle Lebewesen erfahren diese pulsierende, eksta-
tische Energie.

Ist es nicht an der Zeit, daß auch wir Menschen uns dieser Lebendig-
keit bewußt werden?

14
Erster Teil

ORGON

Grundübungen der
Energiewahrnehmung:
Orgon-Energie
sehen,
hören
und fühlen

15
Über Energiewahrnehmung

F einstoffliche Wahrnehmung kann etwas sehr Greifbares sein,


auch wenn sie anders funktioniert als unsere stoffliche Wahrneh-
mung. Ich möchte Ihnen zeigen, daß es möglich ist, Energie zu sehen,
zu hören und zu fühlen. Ich möchte Sie mit verschiedenen Formen
feinstofflicher Wahrnehmung vertraut machen und Ihnen zeigen, daß
es möglich ist, diese energetischen Erscheinungen genauso deutlich
wahrzunehmen wie die stoffliche Welt.
Wenn wir Stadtzeitungen oder Trend-Magazine aufschlagen, wenn wir
in die esoterische Ecke der Buchhandlungen schauen, ist immer wieder
von »Energie« die Rede: »Bioenergie«, »Energiemassage«, »Kundalini-
Energie« oder »Orgon-Energie«. Daß es sich nicht um den physikali-
schen Energiebegriff handeln kann – mechanische Energie im Sinne
von potentieller Arbeit – wissen wir. »Energie« ist ein typischer New-
Age-Begriff, der von allen verwendet wird und von jedem nach eige-
nem Belieben verstanden werden kann.
Ich möchte Ihnen helfen, in diesen Dschungel von Halbwissen eigene
Erkenntnis hineinzubringen. Ich möchte Ihnen die feinstoffliche Ener-
gie zeigen. Sie sollten nach der Lektüre dieses Buches fähig sein, Orgon-
Energie bis zu einem gewissen Grad wahrzunehmen und sich dieser
Wahrnehmung auch sicher zu werden.
Eine Warnung möchte ich vorher aussprechen: Alles Esoterische, My-
stische ist von einem Schleier von Geheimnis umgeben, der es unnah-
bar und interessant macht. Indem Sie die energetische Ebene wahrnehm-
bar machen, wird das Mystische real und verliert seinen Reiz des Ge-
heimnisvollen. Diese Entmystifizierung ist notwendig und wichtig, um
das Wunderbare, das Bewegende in der Energie erkennen zu können.
Es kann aber sein, daß dieser Prozeß des Erkennens etwas Ernüchtern-
des, vielleicht sogar Banales zum Vorschein bringt. Ich bin jedoch si-
cher, daß Sie mehr als entschädigt werden durch die Erkenntnis völlig
neuer, unbekannter Dimensionen der Natur und des Geistes.
Ich möchte einem Mißverständnis vorbeugen, dem ich oft begegnet
bin. Allein die Tatsache, daß wir uns mit feinstofflichen Energien, mit
Meditation, mit Engeln und Gott beschäftigen, hat nichts mit Mystik

16
zu tun und schon gar nicht mit Mystifikationen. Es geht in diesem Buch
um Wahrnehmung und Erkenntnis. Es geht nicht um den Widerspruch
zwischen naturwissenschaftlicher und spiritueller Sicht der Welt. Wenn
wir feinstoffliche Energie wahrnehmen und den Geist in seinen Struk-
turen erkennen, beziehen wir uns auf unsere eigenen sinnlichen und
geistigen Erfahrungen und nicht auf Theorien.
Ich möchte Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Erkenntnisse auf eigene Wahr-
nehmungen gründen können. Erst, wenn Sie Energie, den Geist und
auch Gott aufgrund eigener Erfahrungen erkennen, können Sie hinter
Dogmen sehen und auf Gurus und Lehrmeister verzichten, ob es nun
um wissenschaftliche oder religiöse Ideologien und ihre Priester geht.
Dieses Buch zeigt Ihnen, wie Sie lernen können, Energie wahrzuneh-
men, mit dieser Wahrnehmung geistig zu arbeiten, und wie sich »die
Welt« ganz anders anfühlt, wenn wir sie nicht über vorgefertigte Ein-
stellungen beurteilen, sondern unmittelbar direkt erfahren.

17
Kreiselwellen

E s gibt viele sichtbare Energie-Erscheinungen. Wichtig ist zu An-


fang, daß wir ein Gefühl dafür bekommen, wie real Energie-
wahrnehmung sein kann. Was ich Ihnen nun zeige, die »Kreiselwellen«,
können fast alle Menschen sehen. Erstaunlicherweise kennt sie kaum
jemand. Um sie wahrzunehmen, müssen wir wissen, was wir wahrneh-
men können und es wahrnehmen wollen. Das gilt für alle energetischen
Erscheinungen.
Kreiselwellen sind kleine, weiße, sich schnell bewegende Punkte, die
wir am blauen oder grauen Himmel sehen können.
Die Kreiselwellen wurden erstmals von Wilhelm Reich beschrieben, ei-
nem Arzt und Forscher, der die Orgon-Energie entdeckt und der als
erster Wissenschaftler energetische Zusammenhänge beschrieben hat,
die zuvor nur im esoterischen Bereich anerkannt wurden.
Reich war ein Mitarbeiter Freuds gewesen, und es war sein erklärtes
Ziel, die »Libido«, die physische und psychische Triebenergie, die Freud
eher metaphorisch als »Energie« bezeichnet hatte, auch als physikali-
sche Energie nachzuweisen. Reich war ein durch und durch materiali-
stischer Wissenschaftler, und auch wenn seine Entdeckung der Lebens-
energie »Orgon« heute noch nicht von der herrschenden Naturwissen-
schaft akzeptiert wird – für ihn hatte die »Lebensenergie« nie einen
mystischen Charakter. Sie war für ihn die materielle Grundlage alles
Lebendigen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht diskutieren, ob wir es hier mit einer
physikalischen oder einer geistigen Kraft zu tun haben. Vielleicht sind
die Kreiselwellen eine Form, die in beide Welten hineingehört. Für uns
ist zunächst interessant, daß wir ein Energiephänomen real sehen kön-
nen und zwar aufgrund der Tatsache, daß wir gelernt haben, was zu
erfahren ist und daß wir diese Erfahrung wollen.
Interessant ist auch die Frage, warum wir diese Erscheinung bisher nie
gesehen haben. Und wenn wir sie denn gesehen haben, haben wir sie
höchstwahrscheinlich als »optische Täuschung« oder »Einbildung« wie-
der beiseitegelegt.
Unser Gehirn ist kein Organ, um Erkenntnis zu gewinnen, sondern es

18
ist eine Art Filter, mit dem wir die Tausende von Erfahrungen, die stän-
dig potentiell auf uns einströmen, auf diejenigen begrenzen, die wir als
Lebewesen benötigen, um unter den gegebenen Umständen zu überle-
ben. Tatsächlich stehen uns alle Erinnerungen, alle Eindrücke über das
Nervensystem und alles geistige Wissen ständig zur Verfügung. Wür-
den wir diese Informationen nicht filtern, wären wir überflutet von
Überflüssigem und könnten das Wichtige nicht mehr würdigen. Die
energetische Wahrnehmung gehört zu diesem »überflüssigen« Wissen,
das wir zum Überleben zunächst nicht benötigen.
Wir sind jedoch in der Lage, unseren Filter so einzustellen, daß wir
auch energetische Information empfangen und sie sinnvoll verarbeiten
können. Eine sehr einfache Methode, den Filter auszuschalten oder
anders einzustellen, sind psychoaktive Drogen wie z.B. LSD, Mescalin
oder Peyote. Diese chemische Methode ist nicht grundlos umstritten,
weil sie für den Organismus unkalkulierbare Risiken beinhaltet und
sehr anstrengend sein kann. »Suchtstoffe« sind sie jedoch keinesfalls.
Eine andere Methode den Filter anders einzustellen, mit der wir uns in
diesem Buch ausführlich beschäftigen werden, ist Meditation. Dabei
werden wir entdecken, daß wir in der Lage sind, die Welt um uns und in
unserem eigenen Geist anders wahrzunehmen, indem wir die Aufmerk-
samkeit auf bestimmte Erfahrungen lenken, die uns bisher entgangen
sind, ähnlich wie bei der Betrachtung der Kreiselwellen am Himmel.

19
Lektion 1
Energie sehen:
Kreiselwellen

Vorbereitung:
Öffnen Sie ein Fenster, durch das Sie einen ungehinderten Blick auf
den Himmel (blauer Himmel, Wolken oder auch grauer Himmel) ha-
ben. (Durch ein Fenster zu sehen, ist erheblich besser, als diese Übung
draußen zu machen, weil, wenn Sie ungeschützt in den hellen Himmel
schauen, das Sonnenlicht oft zu hell ist und Sie deshalb die Augen un-
willkürlich zukneifen. Die verspannte Augenmuskulatur hindert Sie
dann an der Energiewahrnehmung.)

Übung:
Setzen Sie sich nun etwa zwei Meter vor das Fenster und stellen Sie sich
dort, wo die Fensterscheibe wäre, wenn das Fenster geschlossen wäre,
eine Scheibe vor. Schauen sie auf die gedachte Scheibe, d.h. halten Sie
den Fokus zunächst auf ca. zwei Meter eingestellt. Dann werden Sie
nach wenigen Sekunden, evtl. erst nach einigen Minuten eine große An-
zahl kleinster, sehr beweglicher heller Pünktchen sehen, die durchein-
anderschwirren. Wenn Sie die Kreiselwellen erst einmal identifiziert ha-
ben, können Sie Ihre Position verlassen, den Fokus verändern und mit
der neugewonnenen Wahrnehmung spielen. Sie werden diese Energie-
wahrnehmung nun ohne große Anstrengung immer wieder erreichen
können.

Fehlerquellen:
Durch eine Plastikbrille oder durch Kunststoff-Kontaktlinsen sind die
Kreiselwellen schwer oder eventuell gar nicht zu sehen.
Sie werden feststellen, daß Sie die Wahrnehmung der Kreiselwellen im-
mer wieder abrupt unterbrechen. Dann müssen Sie sich erneut darauf
konzentrieren, sie zu sehen. Diese Unterbrechung und das Neu-darauf
Einstellen, die Energiewahrnehmung zu erreichen, ist ein wichtiger
Aspekt energetischer Wahrnehmung, der uns in der Folge immer wie-
der beschäftigen wird, denn es ist der automatisch einsetzende innere
Dialog, der innere »Quatschkopf«, der uns von der Energiewahrneh-
mung trennt.

20
Ergebnis:
Sie haben nun etwas Wichtigen über die Realität energetischer Wahr-
nehmung gelernt: sie ist völlig real, aber sie existiert nur innerhalb un-
serer eigenen Erfahrungswelt. Die Kreiselwellen sind nichts Vorgestell-
tes, Projiziertes. Sie sind kein Gedanke, den wir denken, um ihn dann
»in unserer Phantasie« wahrzunehmen, wie z.B. Geistreisen. In der ener-
getischen Wahrnehmung haben Phantasien nichts zu suchen. Wir soll-
ten uns immer daran erinnern, wie real die Erfahrung der Kreiselwellen
ist, und diese Erinnerung auf andere Wahrnehmungsebenen anwenden,
mit denen wir in der Folge zu tun bekommen. Wenn Sie also in Zu-
kunft mit anderen energetischen Phänomenen arbeiten, sollten Sie sich
Ihrer Erfahrung so sicher werden, wie Sie die Kreiselwellen nun auch
sicher sehen können – auch wenn viele der anderen energetischen Er-
fahrungen um so mehr Selbstsicherheit und Gewißheit benötigen, je
mehr sie sich von unserer gewohnten physischen Wahrnehmung ent-
fernen.

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Üben Sie, bis Sie die Kreiselwellen wahrgenommen haben, jedoch nicht
länger als maximal 10 Minuten pro Tag. Sollten Sie nach drei Tagen
nicht in der Lage sein, Kreiselwellen zu sehen, machen Sie mit den aku-
stischen Übungen weiter und wiederholen Sie diese Übung später.

21
Alles ist Energie?

D ie Behauptung »alles ist Energie«, mag sowohl physikalisch wie


auch spirituell korrekt sein, sie ist aber so allgemein, daß sie kei-
ne Erkenntnis beinhaltet.
In den verschiedenen Bereichen neuerer spiritueller Angebote, d.h. in
der »New-Age-Szene«, treffen wir auf ein buntes Angebot von Ener-
gie-Begriffen, von denen wir einige in diesem Buch erarbeiten. Wir kön-
nen unmöglich allen Schattierungen und Meinungen gerecht werden.
Vielleicht hilft uns die Herkunft des Begriffes »New Age« weiter. John
Pierrakos, ein Schüler Wilhelm Reichs, hatte zusammen mit Alexander
Lowen »Bioenergetik« als körpertherapeutische Methode entwickelt.
Pierrakos hatte über seine medial begabte Frau Kontakte ins Jenseits.
Er hat spirituelle Arbeit in die körperpsychiatrische Therapie integriert
und »Core-Energetics« begründet. Diese Verbindung zwischen
Reichscher Körperarbeit und spirituellem Wissen, so meinte Pierrakos,
hat er »New Age« genannt.
Wir beziehen uns also einerseits auf den Begriff »Bioenergie« oder »Or-
gon«, wie er von Wilhelm Reich definiert wurde. Andererseits meinen
wir eine spirituelle, geistige Energie, die wir z.B. beim Kontakt mit Geist-
wesen oder in der Meditation erfahren. In dieses weite Feld sollten wir
etwas Ordnung hineinbringen, damit wir verstehen, womit wir arbei-
ten.
»Orgon« ist nach Reich eine physische Kraft, eine ursprüngliche, masse-
freie Energie, die schon vor jeder Materie existiert hat. Materie ist nach
diesem Modell nichts anderes als komprimierte, verdichtete Energie.
Orgon-Energie ist auch der Ursprung alles Lebendigen. Reich hat fest-
gestellt, daß drei Faktoren zusammenkommen müssen, damit physi-
sches Leben entsteht: feste Materie, Wasser und Orgon. Er hat experi-
mentell nachgewiesen, daß die »Urzeugung« auf diesen Grundlagen
ständig stattfindet, indem er die spontane Entstehung von Einzellern
aus zerfallender Materie und Wasser beobachtet hat.
Andererseits beziehen wir uns auf einen geistigen Energiebegriff. Wenn
wir meinen, daß ein Raum, ein Haus oder ein Kathedrale eine »gute
Energie« hat, wenn wir mit Händen oder mit Blütenessenzen »heilende

22
Energie« übertragen, befinden wir uns auf einer qualitativen Ebene. Wir
erfahren eine positive oder negative, heilende oder störende Energie.
Der Übergang zwischen den einzelnen »Energien« ist fließend, aber
pauschal zu behaupten, »Prana« sei dasselbe wie »Orgon« und »homöo-
pathische Information« sei dasselbe wie »Bach-Blüten«, wird der Sache
nicht gerecht. Nicht alles, was nicht wahrnehmbar ist, ist dieselbe fein-
stoffliche Energie. Verständlich wird der Unterschied über ein analo-
ges Bild. Wir kennen den Unterschied zwischen Magnetismus, Gravi-
tation und Elektrizität. Alle drei Energieformen sind für uns – norma-
lerweise – nicht direkt wahrnehmbar, weil wir dafür keine Sinnesorga-
ne besitzen. Aber wir erfahren die Unterschiede zwischen den drei
Energieformen sehr deutlich an ihren spezifischen Wirkungen. Genau-
so können wir verschiedene feinstoffliche Energien aufgrund ihrer un-
terschiedlichen Wirkungen feststellen, und je subtiler diese Energien
sind, um so mehr können wir die Wirkungen nur noch auf der geistigen
Ebene erfahren.
Ich möchte Ihnen die unterschiedlichen Energien von den gröberen
hin zu den feineren Ebenen zeigen, und wir beginnen mit der physi-
schen Energie »Orgon«.

23
Orgon und DOR —
atmosphärische Energie

K reiselwellen sind – so beschreibt sie Wilhelm Reich – freie,


also nicht an Materie gebundene Orgon-Energie. Nachdem wir
dieses Phänomen einmal entdeckt haben, wollen wir versuchen, Orgon
unter verschiedenen Wetterbedingungen zu sehen.
Orgon ist am lebendigsten, wenn der Himmel tiefblau ist und kräftige,
strahlend weiße Kumuluswolken (Haufenwolken im erdnahen Bereich)
am Himmel stehen, wenn der Horizont klar zu sehen ist und die Baum-
gruppen um so dunkler (blauer) werden, je weiter sie entfernt sind. All
dies sind Kriterien für eine lebendige, frische Atmosphäre.
Andererseits ist Orgon nicht so frei beweglich, wenn die relative Luft-
feuchtigkeit hoch ist und der Himmel »dunstig« oder blaß und blau-
grau ist. Es sind keine oder nur faserige Kumuluswolken am Himmel.
Der Horizont ist weiß oder braun bis violett und schwarz verhangen
mit Dunst. Die Baum- und Gebüschgruppen sind um so weißlicher, je
weiter sie entfernt sind. All dies sind Kriterien für »DOR« (Deadly
ORgone), so nannte Reich eine energetische Situation, in der die Erd-
atmosphäre erstarrt. DOR ist die Ursache der Wüstenbildung. DOR
zerstört alles Leben. Der Boden verliert die Fähigkeit, Mikro-Organis-
men zu ernähren, das Pflanzenwachstum erstirbt und die höchst-
entwickelten Pflanzen, die Bäume, gehen zuerst zugrunde. Reich be-
schrieb das Phänomen des Baumsterbens, das der klassischen Natur-
wissenschaft erst seit den siebziger Jahren bekannt ist, bereits zu Be-
ginn der fünfziger Jahre, als ein Symptom der Wüstenbildung in den
nördlichen Breiten, als Ergebnis einer weltweiten DOR-Katastrophe.
Orgon und DOR – die degenerierte Form von Orgon – sind eindeutig
visuell zu sehen. Diese gröbste aller feinstofflichen Energien ist so ein-
deutig sichtbar, daß sie sogar gefilmt oder fotografiert werden kann.
Orgon kann als eine fließende, zittrige Bewegung über dem Horizont
gesehen werden, wenn die Atmosphäre vital und hochgeladen ist (d.h.
niedrige relative Luftfeuchtigkeit = weniger als ca. 50%). Dieser
Energiefluß verläuft von Westen nach Osten und ist daher an klaren
Tagen gut zu sehen, wenn wir nach Norden oder Süden sehen, jedoch

24
nur, wenn kein DOR in der Atmosphäre ist. (Dann sehen wir die weiß-
liche Verfärbung des Horizonts.) Dieses Fließen des atmosphärischen
Orgon beschreiben viele als »Hitzeflimmern«, denn es sieht genauso
aus wie die zitternde Hitze über einer Herdplatte. Aber das Fließen
des atmosphärischen Orgon verläuft eindeutig seitlich und nicht von
unten nach oben (so zeigt sich Hitzeflimmern). Besonders gut können
wir diese Erscheinung auch an klirrend kalten Frosttagen sehen, wenn
die Atmosphäre klar und absolut betrachtet sehr trocken ist. (Kalte
Luft speichert weniger Luftfeuchtigkeit).
Das andere Phänomen – DOR – ist erheblich häufiger zu beobachten
als das orgonotische Flimmern, und wir können viele unterschiedliche
Formen erkennen. DOR kann in unseren Breiten so deutlich werden
wie Nebel, und viele Menschen halten DOR auch für Nebel. Doch
Nebel ist immer strukturiert, nie so einförmig und unbewegt wie DOR.
Wenn wir einen Urlaub am Mittelmeer verbracht haben – das gesamte
Mittelmeergebiet gehört klimatisch zur Wüste Sahara – können wir sehr
eindrucksvolle DOR-Phänomene studieren. Die Verfärbung des Hori-
zonts wird oft ins Dunkelgrau bis ins Schwarz gehen. Oft sehen wir die
Sonne dunkelrot und groß am Horizont im Meer versinken. Und ob-
wohl keine einzige Wolke am Himmel steht, wird die Sonnenscheibe
von mehreren schwarzen Strichen durchschnitten, je näher sie dem Mee-
res-Horizont kommt. Das Licht der Sonne wird vom DOR einfach
nicht transportiert. Es sind keine Staubpartikel und es ist keine Feuch-
tigkeit (Wolken), was die Sonne partiell verfinstert. Es ist die Unfähig-
keit der Atmosphäre, unter Einwirkung von DOR Licht zu transpor-
tieren.
All diese Phänomene können – anders als die Kreiselwellen – auch
gefilmt bzw. fotografiert werden, sind also physikalisch objektiv vor-
handen. Dennoch gehören sie nicht zu unserem »Wahrnehmungs-
katalog«. Sie werden üblicherweise ausgefiltert, ignoriert und weg-
interpretiert. Auch Sie werden das erleben, falls Sie es jemandem er-
zählen, für den feinstoffliche Energie einfach nicht existiert. Sie zeigen
auf die deutlich sichtbare DOR-Verfärbung des Horizonts, auf die weiß
verhangenen Bäume und Hecken und bekommen zu hören:
»Ach das? Ja, das ist doch nur Dunst.«
»Was ist Dunst?«, werden Sie fragen und Sie bekommen die Antwort:
»Na, Luftfeuchtigkeit!«
»Aber die relative Luftfeuchtigkeit beträgt gerade mal 70%, es kann
unmöglich Nebel sein.«
»Na, dann ist es eben Smog.« Vielleicht wird Ihr Gegenüber jetzt etwas
gereizter reagieren, oder – falls Sie eine Frau sind und Ihr Gegenüber

25
ist männlich – Sie bekommen ein herablassendes Lächeln geschenkt.
Sie geben nicht auf: » Aber ich habe das auch in der Wüste gesehen und
über dem Mittelmeer, da gab es unter Garantie keine Industrieabgase.«
»Na gut, dann ist es Staub. Oder es ist eine Lichtbrechung. Ja, es ist
eine optische Täuschung, die durch die Sonnenlichtbrechung entsteht!«
Sie werden sehen, es ist schwer, fast unmöglich, hier »Überzeugungs-
arbeit« zu leisten. Was ich damit sagen möchte: es ist eine Funktion des
Geistes, eine Frage unserer Überzeugung, was wir sehen, auch und ge-
rade, wenn das Phänomen deutlich sichtbar ist. Und je nachdem, was
unser Gehirn aus einer Wahrnehmung macht, ist die Welt für uns real.
Es hätte ungeahnte Folgen, würde ein Phänomen wie DOR in unsere
kulturelle Erkenntnis einziehen. »Gutes Wetter« wäre plötzlich nicht
mehr »gut«. Es ist die größte Umweltkatastrophe, mit der unsere Erde
zu kämpfen hat: die Ursache der globalen Klimakatastrophe und die
Vernichtung, d.h. Verwüstung aller Lebensgrundlagen der Erde.
Wir werden diese Erscheinungen hier nicht weiter diskutieren. Ich
möchte Ihnen nur den Rat geben, sich mit niemanden auf Meinungs-
verschiedenheiten über Energiewahrnehmung einzulassen, bis Sie mit
der Lektüre dieses Buches fertig sind. Wahrscheinlich ist Ihnen dann
die Lust vergangen, mit anderen Menschen darüber rechten zu wollen,
worum es geht, wenn diese keine eigenen Erfahrungen, sondern nur
»Meinungen« einbringen. Das, was Sie persönlich wahrnehmen kön-
nen, sollte nie zum Gegenstand der Bewertung durch andere Menschen
werden, die diese Wahrnehmung nicht erfahren. Wozu sollte dies füh-
ren? Das einzig rationale Ergebnis einer solchen Diskussion kann das
Eingeständnis des anderen sein, daß er nicht weiß, worüber geredet
wird, und daß es daher keine gemeinsame Diskussionsgrundlage gibt.
Und wenn Sie mit ihr/ihm über die Realität von feinstofflicher Energie-
wahrnehmung diskutieren, werden Sie schnell eine Scheindiskussion
führen, in der es eigentlich um die Infragestellung der beteiligten Per-
sonen geht. Das kann nicht gutgehen. Was Sie aus der Scheindiskussion
lernen können, die ich an dieser Stelle für Sie geführt habe, damit Sie
nicht in diese Falle laufen: wissenschaftliche und religöse Paradigmen,
d.h. unwiderlegbare Grundaussagen über Naturfunktionen, sind tief
verankert im kollektiven Bewußtsein und somit im Bewußtsein jedes
einzelnen Menschen. Der Paradigmenwandel in Bezug auf feinstoffliche
Energie hat vor einigen Jahrzehnten begonnen. Aber er ist noch lange
nicht abgeschlossen.

26
Lektion 2
Energie sehen:
Der DOR-Index – Die Farben der
atmosphärischen Energie

Vorbereitung:
Vielleicht haben Sie von Ihrer Wohnung oder Ihrem Arbeitsplatz aus
einen freien Blick auf den Horizont. Wenn nicht, suchen Sie sich einen
Ort in Ihrer näheren Umgebung, an den Sie möglichst häufig kommen
(z.B. auf dem Weg zu Ihrer Arbeit), der möglichst hochgelegen ist und
von dem aus Sie einen möglichst weiten Blick auf den Horizont haben
– am besten in Richtung Norden oder Süden. Wenn sie ein Fernglas
haben, nehmen Sie dies mit. Besorgen Sie sich ein Hygrometer oder
achten Sie auf Angaben über die relative Luftfeuchte im Wetterbericht.

Übung:
Beobachten und notieren Sie folgende Parameter und notieren Sie die-
se in der Tabelle auf der nächsten Seite. (Machen Sie sich Fotokopien
der folgenden Doppelseite.)

Ergebnis:
Sie werden feststellen, daß bestimmte Parameter immer zusammen-
treffen. Tiefblauer Himmel trifft zusammen mit scharf sichtbarem
Horizont und kräftig ausgebildeten Kumuluswolken. Und nur in die-
ser Wettersituation ist das Fließen der Orgonenergie am Horizont sicht-
bar. Diese natürliche Situation der Atmosphäre ist jedoch leider sehr
selten geworden. Eventuell müssen Sie Monate darauf warten. Blasser
Himmel trifft meist mit dunstigem Horizont und fehlender oder kläg-
licher Kumuluswolkenbildung zusammen (DOR).

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Machen Sie diese Beobachtungen über einen Monat gewissenhaft und
gewöhnen Sie es sich an, die energetische Verfassung der Natur auf die-
se Weise zu erfahren.

27
Tägliche Eintragungen:

— Datum
— die relative Luftfeuchte in %
— die Farbe des Himmels am Zenit:
von tiefblau (1) über hellblau (2), graublau (3), grau (4) bis weiß
(5) (Nicht die Farbe der Wolken)
— die Farbe des Himmels am Horizont:
von tiefblau (1) bis weiß (5) wie der Himmel sowie eine Abstu-
fung verschiedener schmutziger Farben von gelb (6) und braun
(7) über violett (8) bis schwarz (9)
— die Sichtbarkeit des Horizonts:
von scharf erkennbar (1) bis verschwommen im Dunst, wobei die
Sichtweite von mehr als 5 km, (2), ca 3-5 km (3), ca. 1-3 km (2)
und unter 1 km (5) variiert.
— die Farbe der Pflanzen (Bäume) am Horizont:
von dunklem blaugrün (1) bis weiß (5).
— die Wolkenbildung:
Wichtig sind die Kumuluswolken im erdnahen Bereich. Cirrus-
wolken (hohe Wolken ) und Kumulunimbuswolken (Regenwol-
ken) sind für diese Betrachtung eher nebensächlich. Beobachten
Sie, ob überhaupt Kumuluswolken vorhanden sind und wie sie
strukturiert sind:
kompakt, hoch aufgetürmt, mit klaren Abgrenzungen (1) über
verschiedene Abstufungen: Zerfaserung (2), Verschwimmen (3),
Undifferenziertheit (4), Dunst (5). (Unterscheiden Sie zwischen
Dunst und Nebel. Nebel hat deutliche Strukturen, es sind
tiefliegende Wolken. Dunst hat keine Struktur.)
— Achten Sie auf die fließende, zittrige Bewegung von Energie über
dem Horizont, wenn sie auftritt.
(x) = Fließen ist zu sehen, (0) = kein Fließen zu sehen.
— Beobachten Sie andere lebendige Naturfaktoren wie die Geräusche
von Tieren. Beobachten Sie den Wind: ist er belebend oder
schneidend, ist die Windstille bedrückend oder lieblich? Beschrei-
ben Sie Ihre Gefühle: matt, beschwingt, euphorisch, deprimiert
etc.

Bitte erstellen Sie eine vergrößerte Fotokopie der folgenden Seite, wenn
Sie nicht in Ihr Buch hineinschreiben möchten.

28
Tag
% relative
Luftfeuchte

Farbe des
Zeniths

Farbe des
Horizonts

Sichtbarkeit
des Horizonts

Farbe weit
entfernter
Pflanzen

Wolken-
bildung

Orgon-
Fließen

Beobachtungen
29
Die emotionelle Qualität
atmosphärischer Energie

I ch habe mir angewöhnt, den Himmel zu beobachten und zu regi-


strieren, wie lebendig die Atmosphäre ist oder wie groß die DOR-
Belastung ist. Dabei habe ich festgestellt, daß die eigene Befindlichkeit
mit diesen »atmosphärischen Befindlichkeiten« zusammenhängt.
Wenn Sie dies tun, werden Sie erleben, welch ein emotioneller Unter-
schied zwischen einem frischen, tiefblauen, mit kräftigen Kumuluswol-
ken belebten Himmel besteht und einer Atmosphäre, die in einen blei-
grauen Todesschleier von Horizont zu Horizont erstarrt ist. Das ist
keine Projektion — es ist ein lebendiger Unterschied. Hören Sie die
Vögel singen? Sind Sie selber beschwingt? Hängen die Blätter an den
Bäumen oder stehen sie stolz in den Himmel? Wir sind geneigt zu sa-
gen: »Das bilde ich mir nur ein. Ich projiziere meine Stimmung auf die
Natur.« Das mag tatsächlich so sein. Doch erwägen Sie auch den umge-
kehrten Fall. Indem Sie die Lebendigkeit der Natur oder auch ihre töd-
liche Bedrohung erleben, gehen Sie tatsächlich eine erste bewußte ener-
getische Symbiose mit ihrer Umwelt ein.
Lassen Sie sich ergreifen von der Stimmung der Natur, von ihrer Freu-
de, ihrer Bewegtheit, ihrer Farben- und Formenvielfalt, ihrer vitalen
Expansion. Oder erleben Sie ihre Trauer, ihren Schmerz, ihre Kontrak-
tion.
Diese Übungen, die Natur in ihrem energetischen Leben zu sehen,
können Sie über Wochen, Monate und Jahre hinweg weiterbetreiben,
und Sie werden immer wieder etwas Neues und Überraschendes erle-
ben.
Mir ging es so, als ich vor einigen Jahren in Griechenland war: ich sah
die DOR-Erstarrung und sah das blasse, staubig-traurige Olivgrün, das
in der Vegetation vorherrschte. Doch etwas irritierte mich, ich wußte
nicht was. Plötzlich hörte das ständige, fast ununterbrochene Zirpen
der Zikaden auf, und mir wurde schlagartig bewußt: ich hatte diese aku-
stische Quelle, die ja sehr lebendig und vital erscheint, mit unserem
Vogelgesang aus nödlichen Breiten gleichgesetzt. Doch nun, als die Zi-
kaden schwiegen, »hörte« ich auch das DOR, denn es gab keine leben-

30
digen Laute. Es gab kein Rascheln bewegter Blätter, kein Vogel-
gezwitscher, kein Plätschern von Wasser. Das Einsetzen der Zikaden-
rufe hörte sich an wie eine Parodie auf das wirkliche Leben: aggressiv,
fordernd und lebensfeindlich wie Kakteen und harte Wüstenpfanzen,
die der Trockenheit des DOR widerstehen können. Es gab kein safti-
ges Gras, und dort wo Gras wuchs, war es fast weiß, verstaubt, und es
hing traurig herab. Und in diesem Moment wurde mir der Mythos be-
wußt, der um die südliche Ferienwelt, um das vermeintliche »Paradies«
gewoben ist. Dieses Paradies ist schon seit langem zur energetischen
Hölle geworden.
Vielleicht erleben Sie das anders. Ich möchte Ihnen meine Sichtweise
nicht überstülpen. Überprüfen Sie Ihre eigenen Wahrnehmungen und
klären Sie Ihre emotionelle Erfahrung. Vielleicht lieben Sie Tunesien
oder Marokko und erleben die Wüste ganz anders.
Ich möchte Ihnen ein Experiment empfehlen, damit Sie sich darüber
sicher werden, was DOR ist und wie es tatsächlich im Körper entsteht.
Ich möchte Sie jedoch bitten, dieses Experiment nur dann zu wagen,
wenn Sie weitgehend gesund sind und auch mal etwas gesundheitlich
Belastendes ertragen können. Wenn Sie Herzprobleme oder andere gra-
vierende gesundheitliche Probleme haben, lassen Sie das lieber aus.
DOR entsteht, indem natürliche Lebensenergie überreizt wird. Reich
hat dies in einem Experiment (ORANUR = ORgon Against NUclear
Radiation) zufällig hergestellt, als er ein Milligramm Radium in einen
Orgon-Akkumulator legte. Denselben Effekt kann man erzielen, wenn
man frische Orgon-Energie durch starke elektromagnetische Reize
übererregt.

31
Lektion 3
Energie fühlen:
Die körperliche Erfahrung von DOR

Vorbereitung:
Wenn es Ihnen energetisch so richtig gut geht – z.B. nach einem Zelt-
ausflug an der See, einer Wanderung oder einer Paddeltour, oder – nach
einem Wochenende ohne E-Smog, Computer – wenn Sie sich wenig-
stens richtig ausgeschlafen fühlen – wenn Sie sich innerlich frisch und
gesund fühlen, sollten Sie bewußt in ein Kaufhaus oder einen Elektro-
nik-Markt gehen und sich in der Elektro-Abteilung vor der Wand von
zehn, zwanzig oder dreißig laufenden Fernsehgeräten aufhalten. Ge-
hen Sie am Nachmittag oder Abend, wenn die Atmosphäre im Kauf-
haus schon völlig zerstört ist.

Übung:
Stellen sie sich direkt vor die Wand mit TV-Geräten und bleiben Sie ca.
eine Stunde lang dort. Erleben Sie bewußt, was in Ihrem Organismus
geschieht und beobachten Sie Ihre Gefühle und Emotionen.

Ergebnis:
Je vitaler Sie sind, wenn Sie in diese Situation hineingehen, desto hefti-
ger werden Sie die Symptome erleben: Kopfschmerzen, Schweißaus-
brüche, Schwindelgefühle, Übelkeit, Kopfinnendruck. Vielleicht be-
kommen Sie Gliederschmerzen, oder Sie werden schlagartig müde oder
richtig wütend. Sehr wahrscheinlich werden Sie Durst bekommen, und
Sie werden mit genauso großer Wahrscheinlichkeit Stuhl- oder Urin-
drang bekommen, wenn Sie dieser Atmosphäre ca. 30 bis 60 Minuten
ausgesetzt sind.
Vielleicht fragen Sie nach einer Stunde und dem zehnten Schweißaus-
bruch einen der Verkäufer ganz naiv: »Sagen Sie, wie halten Sie das den
ganzen Tag lang hier aus?«, und Sie werden wahrscheinlich einen ver-
ständnislosen Blick ernten und die Gegenfrage: »Was meinen Sie da-
mit?«
Der Organismus paßt sich seiner energetisch zerstörten Umwelt an.
Er funktioniert »auf kleinerer Flamme«, und der Leidensdruck ver-
schwindet nach einigen Tagen, wenn er sich angepaßt hat. Ich meine
jedoch, daß die pathogenen Wirkungen dieser energetischen Talfahrt

32
klar sind: es sind unsere »Zivilisationskrankheiten« wie Herz- Kreis-
laufkrankheiten, Rheuma und Krebs. Beweisen kann ich das nicht. Wil-
helm Reich nannte diese Krankheiten »Biopathien«, die Erkrankung
des Lebendigen.

Die »Emotionen« der Natur, ihr Gefühlsausdruck, entsprechen der


Lebendigkeit der Atmosphäre, und es besteht ein direkter, erfahrbarer
Zusammenhang zwischen der Lebendigkeit der atmosphärischen Ener-
gie und den Äußerungen der Natur. Unsere eigenen Gefühle sind ein
Teil dieser lebendigen Natur.

Fehlerquellen:
Wenn Sie diese Symptome nicht wahrnehmen, sind Sie vielleicht selber
zu stark DOR-Situationen ausgesetzt. DOR in dieser Konzentration
nicht wahrzunehmen ist ein Zeichen für die Anpassung an DOR – ein
Alarmsignal

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Nehmen Sie sich eine bis zwei Stunden Zeit für die Übung, und wahr-
scheinlich tun Sie das nie wieder.
Nach einer solchen Gewaltkur werden Sie ganz genau wissen, was ich
unter »emotioneller Qualität« von Energie verstehe. Am besten, Sie
gehen nun spazieren, nehmen ein langes Vollbad und sind sehr gut zu
sich selbst.

33
Das Rauschen der Orgon-Energie

E s ist sehr einfach, Orgon-Energie zu hören. Sie hören Orgon als


ein hohes »weißes Rauschen«. Machen Sie sich keine Gedanken
darüber, ob es die Blutzirkulation ist oder die Eigenspannung der Ner-
venzellen oder einfach eine Suggestion, was Sie hören werden. Im Grun-
de ist alles Energie, ob es sich nun um Gedanken oder um Materie han-
delt. Uns ist hier die rein praktische Seite der Energiewahrnehmung
wichtig, nicht die intellektuelle Interpretation. Das Wissen, was Or-
gon-Energie ist, bekommt einen ganz neuen Stellenwert, wenn wir das,
worüber wir nachdenken und reden auch selber wahrnehmen können.

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, daß Ärzte, Heilpraktiker und


Körpertherapeuten und viele andere, die mit feinstofflicher Energie
arbeiten, diese auch klar wahrnehmen können. Doch dies ist leider nur
selten der Fall. Überlegen Sie, ob Sie sich einem blinden Augenarzt
oder einem tauben Ohrenarzt anvertrauen würden.

Wenn wir beginnen, Orgon-Energie wahrzunehmen, beginnen wir zu


verstehen, daß unsere Gedanken darüber reine Projektionen waren, die
mit der Realität wenig zu tun hatten. Wir können uns das Denken nicht
verbieten, aber wir sollten lernen, uns selbst gegenüber etwas kritischer
und distanzierter zu urteilen. Wahrheiten, die nur als abstrakte Gebilde
existieren oder als ethische Ideale, existieren nicht wirklich. Es sind
austauschbare Gedanken.

Orgon-Energie ist wahrnehmbare Erfahrung. Wie die Luft, die uns


umgibt ist sie real – sie ist kein intellektuelles Konzept. Wilhelm Reich
sagte, daß Wahrheit eine bioenergetische Funktion unseres Organis-
mus ist. Wahr ist für uns das, was wir mit den Sinnen und mit dem
Herzen erfahren.

Im Christusmord schreibt Reich:


Wahrheit ist die volle, unmittelbare Berührung zwischen dem Leben-
digen, das wahrnimmt, und dem Leben, das wahrgenommen wird.
Das ehrliche Erleben ist um so voller, je direkter die Berührung ist. ...

34
Und so ist die Wahrheit eine natürliche Funktion im Zusammenspiel
des Lebendigen und dessen, was gelebt wird.

Wenn wir die Orgon-Energie wahrnehmen können – auch wenn dies


auf ganz einfache und unspektakuläre Weise geschieht – nehmen wir
Kontakt auf zur energetischen Welt. Unsere eigene Lebendigkeit erlebt
die lebendige Energie. Hier existiert eine eigene Welt, von der wir selbst
ein Teil sind, die wir aber zumeist seit frühester Kindheit vergessen
haben.
Für das noch wache Kind erscheint diese energetische Welt vielleicht in
der Form von Elfen, Feen und Devas. Für den Wissenschaftler sind es
Energiefelder und Aurakörper. Für den religiösen Menschen sind es
Engel und Bodhisattvas. Wir sollten uns davor hüten, die energetische
Wahrnehmung und Erkenntnis anderer Menschen zu beurteilen oder
gar zu verurteilen. Es sind lediglich die Ergebnisse unserer Konzepte,
die wir sicher nicht aus Kenntnis der energetischen Welt aufgestellt ha-
ben. Diese Konzepte sind Ergebnisse unseres Nicht-Wissens.

Wenn wir nun beginnen, Orgon-Energie bewußt wahrzunehmen, soll-


ten wir die Bedeutung dieses Vorgangs in unserem Herzen tragen und
uns bewußt sein, was wir hier tun. Wir nehmen Kontakt auf mit dem
Urgrund unseres eigenen Seins, mit der Ebene, auf der alles Lebendige
auf das Wunderbarste miteinander verknüpft ist.

35
Lektion 4
Energie hören:
Das innere Rauschen

Vorbereitung:
Wir nehmen eine Sitzhaltung ein, in der wir aufrecht und entspannt
sitzen können, ohne einen Muskel aktiv halten zu müssen. Für diese
Übung brauchen wir zunächst absolute Ruhe. Auch leise Lärmquellen
wie Uhren oder Kühlschrank abstellen. Wir stellen sicher, daß wir ca.
10 bis 20 Minuten lang nicht gestört werden können.

Übung:
Wir hören im Sinne des Wortes in uns, in unseren eigenen Kopf hinein.
Die akustische Energiewahrnehmung äußert sich durch ein ständig hör-
bares hohes Rauschen im Kopf. Vielleicht benötigen wir einige Sekun-
den, vielleicht einige Minuten, vielleicht schaffen wir es auch erst nach
einigen Tagen der Übung, dieses hohe innere Rauschen zu hören. Für
manche Menschen ist das »Rauschen« eher ein Pfeifen, für andere eher
eine Art »Meeresbrandung«. Die Qualität dessen, was ein jeder Mensch
real hört, scheint sehr unterschiedlich zu sein. Es befindet sich in ei-
nem Frequenzbereich zwischen ca. 5.000 und 20.000 Hertz. Wir wer-
den es – wenn wir es erst einmal gehört haben – nie wieder verlernen.

Fehlerquellen:
Etwa 5% bis 10% der Menschen haben anfängliche Schwierigkeiten,
dieses Phänomen spontan wahrzunehmen. Allerdings haben in meinen
Seminaren fast alle Menschen diese Wahrnehmung nach etwa einem
Tag Übung erleben können. Der häufigste Fehler liegt darin, ständig
innerlich »dazwischenzuquatschen«. Versuchen wir, den inneren Mo-
nolog willentlich einzustellen, indem wir ihn teilnahmslos beobachten.

Ergebnis:
Wir werden festestellen, daß die Wahrnehmung des inneren Rauschens
immer wieder zusammenbricht, wenn wir »in Gedanken fallen«. Wir
werden immer wieder Anläufe machen müssen, uns zu erinnern, daß
wir das Rauschen hören und nicht dem inneren Dialog folgen wollen.
Wenn wir das Rauschen jedoch erst einmal gehört haben, ist es sehr
einfach, diese Wahrnehmung immer wieder schnell aufzubauen.

36
Wir können beruhigt annehmen, daß das Rauschen, das wir von nun an
hören werden, keine krankhafte Ursache hat. Es ist ein völlig normales
Phänomen, das jeder Mensch wahrnehmen kann und das überhaupt
nichts mit »Tinnitus« zu tun hat. Tinnitus ist eine Hörnervschädigung,
bei der eine ständige akustische Belästigung stattfindet. Dieses energe-
tische Rauschen können wir nur wahrnehmen, wenn wir darauf achten
– dann jedoch eventuell in beachtlicher Lautstärke. Wenn wir uns nicht
darauf konzentrieren, ist die Wahrnehmung schnell wieder verschwun-
den. Diese Tatsache machen wir uns in der Lebendigen Meditation zu-
nutze.

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Wir üben maximal 10 Minuten täglich, bis wir das Rauschen hören kön-
nen. Ist es nicht nach drei, vier Tagen möglich, beginnen wir mit den
optischen Übungen noch einmal.
Auf der CD »ORGON – Kurs 1 – Wahrnehmung von Orgon-Energie«
sowie auf der Internet-Site www.orgon.de gibt es eine akustische Simu-
lation (mp3) des inneren Rauschens.

37
Lektion 5
Energie sehen:
Die Aura der Bäume

Vorbereitung:
Wir setzen uns vor ein geöffnetes Fenster, von dem aus wir sowohl
freien Himmel als auch belaubte Bäume oder Nadelbäume sehen kön-
nen und hören auf das innere Rauschen. Wir öffnen die Augen und
sehen uns die Kreiselwellen an, sobald die akustische Wahrnehmung
stabil ist.

Übung:
Wir werden, solange wir die Kreiselwellen sehen, um die Bäume herum
eine helle Aura sehen und in etwas weiterer Entfernung eine dunkle
Aura. Dann können wir auch über den Bäumen so etwas wie Rauch
aufsteigen sehen. An Tagen mit sehr lebendiger Atmosphäre (tiefblau-
er Himmel mit prallen, scharf abgegrenzten Kumuluswolken) sehen
die Bäume so aus, als ob sie brennen, so viel »Rauch« steigt aus ihnen
auf.

Fehlerquellen:
Wir werden feststellen, daß diese Wahrnehmung immer wieder abrupt
aussetzt, wenn wir »an etwas anderes gedacht haben«. Wir sehen einen
Vogel, benennen einen Baum als »Buche« oder denken an das Geburts-
tagsgeschenk für einen Freund. An dieser Stelle ist die Arbeit unseres
Gehirns, Metaphern für »die Realität« zu bilden, sinnlich, d.h. optisch
nachvollziehbar. Sobald wir diskursiv denken, hört die Aura zu existie-
ren auf.

Ergebnis:
Zunächst ist die Tatsache, daß wir optisch die Aura von Bäumen sehen
können, eine Sensation, die wir genüßlich erleben. Diese Erfahrung kann
uns glücklich machen, weil wir uns als jemand (ein Ego) erleben, »der
Aura sehen kann«. Doch wenn wir mit dieser Übung weitermachen,
bekommen wir Probleme mit dieser inneren Instanz, die in abstakten
Bildern denkt. Das Ego langweilt sich schnell. Noch deutlicher erleben
wir diese geistige Funktion mit der nächsten Übung.

38
Lektion 6
Energie sehen:
Energieschwaden im Raum

Vorbereitung:
Wir setzen uns in ein bis drei Metern Entfernung vor eine glatte weiße
Wand; es sollten möglichst wenige Gegenstände im Blickfeld sein und
es sollte möglichst viel natürliches Licht, am besten viel Sonnenlicht,
einfallen.

Übung:
Wir schließen die Augen und hören uns das innere Rauschen an. So-
bald wir diese Wahrnehmung stabilisiert haben, können wir die Augen
öffnen. Wir sehen auf einen Punkt vor uns an der Wand und achten auf
alles was im gesamten Gesichtsfeld geschieht. Wir hören weiter auf das
innere Rauschen.

Ergebnis:
Wir werden dann nach einiger Zeit Kreiselwellen sehen und – begin-
nend am Rand des Gesichtsfeldes – Schwaden und Flackern wahrneh-
men. Eventuell können wir graue und/oder verschiedenfarbige Phäno-
mene im Gesichtsfeld zwischen den Augen und der Wand identifizie-
ren. Wir sollten nicht anfangen zu interpretieren, sondern hören uns
weiterhin das innere Rauschen an und betrachten einfach das, was sich
vor unseren Augen abspielt.

Variationen:
Wir setzen uns auf einen einfarbigen Fußboden mit einer möglichst
großen freien Fläche ohne Möbel und andere Gegenstände. Dann se-
hen wir vor uns auf den Teppichboden so wie vorher auf die weiße
Wand bzw. so wie in den Himmel, um Kreiselwellen zu sehen. Wir kön-
nen einen Punkt am Boden in etwa 2 m Entfernung fixieren. Wir ach-
ten aber auf alles, was im gesamten Gesichtsfeld geschieht, von rechts
außen bis links außen, von ganz oben bis ganz unten. Dann werden wir
nach einigen Minuten die verschiedensten Leucht- und Form-
wahrnehmungen erfahren. Auf abstrakt gemusterten (z.B. orientali-
schen) Teppichen entstehen besondere, dreidimensionale Effekte und
verschiedenfarbige Leuchterscheinungen im Teppich.

39
Lektion 7
Energie sehen:
Die Aura von Menschen

Vorbereitung:
Wir benötigen mindestens einen Partner für diese Übung. Wir sitzen
drei bis vier Meter vor einer hellen einfarbigen (weißen) Wand, die
gleichmäßig diffus beleuchtet ist (möglichst natürliches Licht), und es
dürfen keine »Dinge« an der Wand hängen oder davor stehen. Das ge-
samte Blickfeld sollte von Gegenständen jeder Art befreit werden. Unser
Partner stellt sich etwa einen Meter vor die Wand. Er sollte keinen Schat-
ten auf die Wand werfen.
Sinnvollerweise sollten wir zunächst die vorhergehende Übung durch-
führen und diese Übung direkt anschließen.

Übung:
Wir schließen die Augen und hören uns das innere Rauschen an. So-
bald wir diese Wahrnehmung stabilisiert haben, können wir die Augen
öffnen. Wir blicken unserem Partner auf das »dritte Auge«, also auf die
Mitte der Stirn, etwas über der Nasenwurzel. Nun achten wir – ohne
mit den Fokus unserer Augen zu ändern oder den Blick vom »dritten
Auge« zu entfernen – auf alles, was in der direkten Umgebung unseres
Partners zu sehen ist.

Ergebnis:
Wir werden ähnliche Phänomene sehen wie in der vorhergehenden
Übung, jedoch strukturierter, ähnlich den »Rauchfahnen«, die wir über
den Bäumen gesehen haben.

Fehlerquellen:
Viele, die das Aurasehen schulen, reden von Farben und unterschiedli-
chen Strukturen. Setzen wir uns nicht unter Druck, etwas Bestimmtes
sehen zu wollen. Wir wollen uns darin schulen, energetische Phänome-
ne zu entdecken und in ihrer selbständigen Erscheinung zu begreifen.
Wir müssen uns also auf das einlassen, was da ist. Jede Projektion von
etwas, was darüber hinausgeht, wird unsere energetische Wahrnehmung
beeinträchtigen.

40
Lektion 8
Energie sehen:
Das eigene Energiefeld

Vorbereitung:
Diese Übung ist erstaunlich simpel und führt sehr leicht zu sehr gut
wahrnehmbaren Ergebnissen. Wir benötigen ein fast völlig abgedunkel-
tes Zimmer (nachts) mit einer weißen Wand. Wenn wir auf den Rücken
unserer ausgestreckten Hand blicken, sollte die Hand schwarz vor ei-
ner dunkelgrauen Wand zu sehen sein. (Das Phänomen ist auch unter
anderen Beleuchtungsbedingungen zu erkennen, aber unter den oben
beschriebenen ist es am einfachsten zu sehen.)

Übung:
Wir strecken unsere Hand aus, blicken in die Richtung unseres Hand-
rückens, richten aber den Focus auf ein bis zwei Meter ein. Wir achten
auf die Phänomene um unsere Finger, ohne die Blickrichtung oder den
Fokus zu verändern.

Ergebnis:
Wir werden nach kurzer Zeit kleine, bewegte, schwarze Blitze aus un-
seren Fingern hervorspringen sehen. Um die Hände liegt ein helles Feld,
das wir vielleicht zunächst für eine optische Täuschung aufgrund des
Hell-/Dunkel-Kontrastes halten. Wenn wir unsere Hand bewegen, be-
kommt dieses helle Feld seine eigene Dynamik, und wenn wir die zweite
Hand auf die erste zu bewegen, werden wir sehen, wie die hellen Felder
ineinander verschmelzen und wie die kleinen scharzen Blitze Muster
wie magnetische Feldlinien bilden.
Die Energiefelder um die Finger sind unter allen möglichen Beleuch-
tungsbedingungen zu sehen und haben dementsprechend andere For-
men und Farben.

41
Das plasmatische Strömen:
Die Wiederentdeckung des
Lebendigen

D as innere Strömen ist die deutliche Wahrnehmung von Energie-


bewegung im Körper, die als feines Rieseln, als Schauer, als Wel-
lenbewegung beschrieben werden kann. Es beruht auf der lustvollen
Ausdehnung aller beteiligten Körperzellen, und deshalb können wir
das Strömen auch als zellulare Wahrnehmung bezeichnen.
Die Wahrnehmung des inneren Strömens setzt mehr noch als das Se-
hen und Hören Streßfreiheit und ein positives, vitales Körpergefühl
voraus. Hier helfen körper- und atemtherapeutische Methoden erheb-
lich.
Ich selber erlebe das plasmatische Strömen als eine sehr kühle Erfah-
rung, so als fielen Schneeflocken durch meinen Körper hindurch. Die
Wahrnehmung ist sehr ähnlich der einer »Gänsehaut«, die man durch
emotionelle Übererregung erfährt. Und hier liegt auch der beste Ein-
stieg.
Das plasmatische Strömen ist ein Gefühl der Glückseligkeit, der Liebe.
Es ist das Gefühl, das uns in der innigen Umarmung mit einer gelieb-
ten Person erfüllt und das wir erfahren, wenn wir in einer sternklaren
Nacht in den Kosmos sehen und uns mit der unendlichen Weite ver-
bunden fühlen.
Das plasmatische Strömen ist die unmittelbare Wahrnehmung lebendi-
ger Energie im Organismus, es ist bewegte, fließende Energie. Die Er-
fahrung des Strömens ist völlig unmißverständlich, real und sinnlich.
Aber dieses Gefühl wird nicht durch die Sinnesorgane erfahren, son-
dern ähnlich wie Wärme- bzw. Kälteempfindung als Zellwahrnehmung
im gesamten Organismus gefühlt.
Das plasmatische Strömen ist die reine Erfahrung kosmischen Glücks,
die körperliche Erfahrung von Angstfreiheit, die sinnlich nachvollzieh-
bare Erfahrung von charakterlichem Gesund-Sein, von emotioneller
Präsenz, von Friedlichkeit, von Freude. Es ist die Erfahrung von
Lebendigsein.

42
Bis auf das wissenschaftliche Werk Wilhelm Reichs scheint es bisher in
keinerlei objektiver Naturbetrachtung vorzukommen. Das ist erstaun-
lich, denn diese Erfahrung, die an Schönheit, Tiefe und Glückseligkeit
jede andere Körpererfahrung in den Schatten stellt, ist von jedem Men-
schen in jeder Lebenslage – theoretisch – erreichbar. Doch es ist klar,
warum das Strömen bisher keinerlei wissenschaftliche Beachtung fand:
Es wird verschüttet von der neurotischen Charakterstruktur.
Eine der wenigen Schilderungen des Strömens fand ich bei Myron Sharaf.
Er beschreibt in seiner Biographie Der heilige Zorn des Lebendigen (Fury
on Earth), wie er in der Orgon-Therapie mit Wilhelm Reich das erste
Mal bewußt plasmatische Strömungen wahrnahm:
Was mich an der Therapie echt verblüffte, waren die Erfahrungen, die
Reich »vegetative Ströme«, »bioelektrische Ströme« und – ab 1949 –
»plasmatische Ströme« nannte. Sie waren besonders stark nach jenem
intensiven Weinen. Ich lag dann da, atmete sehr leicht und fühlte diese
herrlichen, weichen und warmen Empfindungen von Lust in Genita-
lien und Beinen. Es war berauschend, ich hatte so etwas noch nie ge-
fühlt. Ich hatte nie davon gelesen. Mit Ausnahme von Grethe und we-
nigen anderen, hatte niemand sie mir je beschreiben können. Ich wuß-
te, daß es noch so vieles an Reichs Arbeit gab, was ich noch nicht ver-
stand. Da gab es so vieles an diesem Mann, was mich verwirrte und
störte, aber an einer Sache würde ich nie wieder zweifeln: An der Emp-
findung dieser »Ströme«. Wenn die wissenschaftliche Welt diesem Phä-
nomen bisher so wenig Aufmerksamkeit und Zuspruch gewidmet hat-
te, so mochte dies womöglich auch für andere umstrittene Hypothesen
Reichs gelten: Nach Reich funktionierte dieselbe Energie auch in der
Atmosphäre, mit sichtbaren Effekten auf seinen Laborinstrumenten,
was ich beobachtet hatte, wovon ich allerdings so ziemlich gar nichts
verstand.
Mein Problem blieb es, daß die Empfindungen der vegetativen Ströme
nicht sehr lange anhielten. Aus heutiger Sicht ist mir dies jedoch viel
einleuchtender. Ich kann verstehen, warum Reich gegenüber der The-
rapie immer ungeduldiger wurde. Sie ist zu schwierig, die Menschen
leben zu kompliziert!
Zunächst werden viele Leser dieses Gefühl nicht nachvollziehen kön-
nen, also nicht wissen, wovon ich schreibe. Deshalb halte ich es für
sehr sinnvoll, wenn Sie zunächst die entsprechenden Übungen durch-
führen und es zumindest versuchen, sich mit der plasmatischen Strö-
mung praktisch vertraut zu machen. Ich habe in meinen Seminaren er-
lebt, daß viele Menschen in der Lage sind, diese Empfindung spontan
zuzulassen.

43
Immerhin haben wir es mit einer völlig neuen Organempfindung zu
tun. Besser: Die Empfindung ist so alt wie das Leben selbst, und wahr-
scheinlich fühlen Amöben sie ebenso wie hochentwickelte Tiere und
Menschen. Neu ist die Tatsache, daß wir das Strömen benennen und
erforschen können, seit Wilhelm Reich es in seiner orgonpsychiatrischen
Arbeit beschrieben und somit anwendbar gemacht hat.
Das plasmatische Strömen ist, wenn man es erst einmal sicher identifi-
ziert hat, tatsächlich immer wahrnehmbar, wenn keine akute neuroti-
sche Absperrung existiert. Es ist die Wahrnehmung von Energie-
bewegung in unseren Zellen. Aber wie das innere Rauschen, wie die
Kreiselwellen und wie andere optische Energiewahrnehmungen ist das
Strömen nur dann wirklich erlebbar, wenn wir diese Erfahrung kennen
und uns ihr hingeben. Wir müssen sie mit unserem freien Willen wol-
len, weil unser Bewußtsein nicht gelernt hat, diese Erfahrung zu nut-
zen und sie als »unwichtigen Reiz« aus der Wahrnehmung aussortiert
hat.
Das Strömen wird beispielsweise oft ausgelöst als »Gänsehaut«, wenn
uns eine Filmszene oder ein Musikstück besonders emotionell berührt.
Es tritt auch auf, wenn wir äußere Kälte erleben und wir zu frieren be-
ginnen. Das scheint der Grund zu sein, warum uns dieses »Frösteln«
als unerwünschte Körperreaktion identifiziert wird. Die »normale« Re-
aktion auf dieses Gefühl ist daher Absperrung, konkret: wir wollen nicht
frieren (wir wollen keine intensive lebendige Empfindung), daher neh-
men wir an, daß uns kalt ist – und uns wird beim Strömen »kalt«, auch
bei 30 Grad im Schatten. Die Verknüpfung mit einem negativen Zu-
stand, löst spontan Widerwillen und eine Rationalisierung aus. Dieser
Widerwillen ist jedoch nicht Resultat der »Kälte«, die ja objektiv gar
nicht vorhanden sein muß, sondern das Gefühl, das wir haben, wenn
wir uns vor einer körperlichen Erregung emotionell schützen.
Oft tritt das Strömen auch bei Erschöpfung auf, wenn wir z.B. nach
einer ungewohnten körperlichen Belastung zur Ruhe kommen und die
Müdigkeit intensiv erleben. Genauso, wenn wir ein Schlafdefizit haben
und einen physischen Tiefpunkt erreicht haben. »Die Müdigkeit kriecht
in uns hinein«, sagen wir zu diesem Zustand. Die Muskulatur erschlafft,
wir werden passiv, wir denken auch nicht intensiv, sondern sinken in
einen Sessel und dämmern in den Halbschlaf. In diesem Zustand wird
das plasmatische Strömen nicht mehr als Kälte erlebt, sondern als kör-
perliche Müdigkeit.
Wir können das Strömen erreichen, wenn wir über Atemtechniken (ver-
bundenes Atmen) den Sauerstoffgehalt des Blutes erhöhen. Dies sollte
jedoch nur unter Aufsicht (möglichst eines Atemtherapeuten) gesche-

44
hen, denn diese Technik ist nicht ganz ungefährlich, weil sie zu Hyper-
ventilation und Muskelkrämpfen führen kann. Wir erleben das durch
erhöhten Sauerstoff ausgelöste Strömen vor allem in den Extremitäten,
in Händen, Armen, Füßen und Beinen, und das Gefühl hat ähnlich wie
das durch Nikotin ausgelöste Strömen etwas Künstliches. Dennoch läßt
sich hier ein sehr guter Einstieg in die Erfahrung finden, weil sie als
Wahrnehmung identifizierbar wird.
In emotionell »bewegenden« Situationen wird der Energiefluß erheb-
lich angeregt. So hören wir zum Beispiel eine Musik, die uns tief be-
rührt, aber anstatt mitzusummen oder mit dem Fuß zu wippen, setzen
oder legen wir uns hin und lassen die Erregung als Energiebewegung
im Körper zu, wobei wir den gesamten Körperausdruck einstellen. Dies
ist für die meisten Menschen eine sehr ungewohnte Erfahrung, denn
Erregung führt in fast allen Situationen zu Aktivität. Wir haben seit
frühester Kindheit »gelernt«, Erregung – also erhöhten Energiefluß –
zu kanalisieren, weil mit physischer Erregung viele traumatische Er-
fahrungen verknüpft sind. Wir wollen so der Erfahrung von Absper-
rung gegenüber der autonomen Bewegung im Körper zuvorkommen.
Diese Absperrung würde sich in Angst äußern. Wir werden also aus
vorweggenommener Angst wie automatisch aktiv, weil wir glauben, daß
die mögliche Angst in aktiven Situationen besser beherrscht werden
kann. Wir »pfeifen im Keller«, bevor wir Angst bekommen.
Wir wollen jedoch die Muskulatur nicht aktivieren und uns in Hingabe
üben, und dies erreichen wir, indem wir in der Lebendigen Meditation
verschiedene Atemtechniken und geistige Techniken mit der emotio-
nellen Erregung kombinieren. Wir schaffen eine Situation der Fried-
lichkeit und Sicherheit und dosieren die emotionelle Erregung so ge-
ring, daß wir die Erfahrung des Strömens erleben, ohne eine Absper-
rung auszulösen.

45
Lektion 9
Energie fühlen:
Das plasmatische Strömen über Musik auslösen

Vorbereitung:
Damit Sie diese Übung effektiv durchführen können, sollten Sie Ihre
eigene Zusammenstellung von Musik benutzen, von der Sie wissen, daß
Sie selber stark emotionell reagieren. Sie werden die Erfahrung kennen,
daß bestimmte Musikstücke eine »Gänsehaut« auslösen. Auch die
Soundtracks bestimmter Filmszenen können sehr hilfreich sein.
Hier eine kurze Vorschlagsliste:
Sequentia, Hildegard von Bingen, O vos aeterniatis
Edith Piaf, Je ne regrette rien
Errico Morricone, Once Upon a Time in the West
Loreena McKennitt, Dante’s Prayer
Carl Orff, Carmina Burana
Ravel, Bolero
Sinéad O’Connor, This is to mother You
Des’ree, Life

Übung:
Wir setzen uns entspannt hin schließen die Augen und hören auf das
innere Rauschen. Wenn wir die energetische Wahrnehmung stabilisiert
haben, starten wir die Musik.

Wir werden feststellen, daß wir, wenn wir die Musik mit dem inneren
Rauschen zusammen hören – ohne in Gedanken zu fallen – den emo-
tionellen Gehalt um so intensiver aufnehmen und erleben. Wir achten
auf Körpergefühle, vor allem, wenn eine Gänsehaut auf der Körper-
oberfläche beginnt und dann in Wellen durch den Körper hindurch-
läuft.
Wir reagieren nicht! Wir beginnen nicht, mit dem Fuß zu wippen oder
mitzusummen oder emotionelle Reaktionen wie Weinen zu verstärken.
Wir beobachten uns selber, wie wir das innere Rauschen hören und wie
wir die Musik hören, passiv und aufmerksam.
Wir werden manchmal – beileibe nicht ständig oder in jedem einzelnen
Stück – eine »Gänsehaut« bekommen, oder »Glückseligkeit« oder auch
»Hingabe« erleben. Es geht um das Gefühl, das wir dabei erleben, um
die Körpererfahrung, die unseren Geist mit Frieden und Freude erfüllt.

46
Das so ausgelöste Strömen ist gewissermaßen künstlich, aber wir sind
es selber, der es fühlt, es ist eine geistig ausgelöste energetische Erfah-
rung. Und diese Erfahrung ist wahr.

Fehlerquellen:
Wir dürfen nicht ungeduldig werden, wenn wir das plasmatische Strö-
men nicht sofort erfahren können. Wiederholen wir die Übung an ei-
nem anderen Tag, an dem wir uns frisch, ausgeruht und innerlich heiter
empfinden. Der Engel-Energie-Akkumulator unterstützt die Erfahrung
des Strömens erheblich.

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Wir können diese Erfahrung, über Musik das plasmatische Strömen
auszulösen, nicht oft anwenden. Die Sensation nutzt sich ab. Es geht in
dieser Übung darum, das plasmatische Strömen zu entdecken. Wir kön-
nen die Erfahrung kultivieren, indem wir anfangen, dieses Gefühl des
Strömens auch ohne äußeren Reiz in uns zu entdecken. Es ist tatsäch-
lich immer da, genauso wie das innere Rauschen und die Kreiselwellen.
Es ist jedoch nur dann erfahrbar, wenn man sich bewußt entscheidet, es
wahrzunehmen, oder wenn es durch einen äußeren starken Reiz ausge-
löst wird.
Wenn wir das Gefühl gut kennen, wird es uns auch gelingen, es einfach
dadurch auszulösen, daß wir daran denken. Wir schließen die Augen,
hören in uns hinein, lauschen dem Rauschen der Energie und denken
»Strömen« oder auch »Ich fühle die Göttliche Quelle«.

47
Lektion 10
Energie fühlen:
Plasmatisches Strömen durch Kälte auslösen

Die Erfahrung des plamastischen Strömens ist bei den meisten Men-
schen mit einem Gefühl von Kälte verbunden, das eine »Gänsehaut«
auslöst und so stark werden kann, daß wir – auch bei warmen Tempera-
turen – innerlich ein eiskaltes Gefühl empfinden und auch objektiv stark
abkühlen.

Vorbereitung:
Wir suchen uns je nach Witterung und Jahreszeit einen kühlen Platz
(z.B. nachts oder im Winter am offenen Fenster), entkleiden uns so
weit wie möglich und legen eine wärmende Decke bereit.
Zunächst nehmen wir eine Sitzhaltung ein, in der wir aufrecht und ent-
spannt sitzen können.

Übung;
Nun schließen wir die Augen und horchen in uns hinein.
Sobald wir das Rauschen hören, empfinden wir die Kälte und die Gän-
sehaut an unserer Körperöberfläche. Wir gehen in dieses Gefühl der
Kälte hinein und versuchen, ein Strömen im Körperinneren zu identi-
fizieren, so als fiele die Kälte als Schneeflocken durch unseren Körper
hindurch. Wir legen eine Decke um uns oder schließen das Fenster und
halten das Gefühl des Strömens aufrecht.

Fehlerquellen:
Kälte ist für uns meist negativ assoziiert, d.h. sobald wir frösteln, ver-
suchen wir Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es ist für manchen Men-
schen sehr ungewöhlich, ein solches Gefühl bewußt zu provozieren
oder zuzulassen. Wir können bei dieser Übung feststellen, daß die Be-
wertung eines Gefühls eine Ego-Funktion ist; die Bewertung ist das
direkte Ergebis diskursiver Gedanken.

Ergebnis:
Sobald wir das Gefühl des plasmatischen Strömens identifiziert haben,
können wir feststellen, daß dieses »Frösteln« immer wieder spontan
auftritt, wenn es von seiner negativen Bewertung befreit ist.

48
Lektion 11
Energie fühlen:
Plasmatisches Strömen durch Atmen auslösen

Vorbereitung:
Diese Übungen sollten wir nicht alleine machen, sondern mit einem Part-
ner, der auf uns aufpaßt und uns anleitet, wenigstens in der Anfangspha-
se, wenn wir diese Methode erkunden. Es dürfen keine Krämpfe entste-
hen. Der Partner achtet auf unsere Hände, die flach liegenbleiben. So-
bald sie krampfen, bricht er die Übung ab. Zunächst legen wir uns auf
den Rücken, auf eine Decke oder Therapiematte am Boden.

Übung;
Wir fühlen – während wir darauf achten, gleichzeitig das innere Rau-
schen zu hören – Stück für Stück den Kontakt des Körpers mit dem
Boden und wir fühlen unsere Körperschwere.
Dann atmen wir durch die Nase tief ein, füllen den Bauch und den
Brustkorb, und sobald wir eine angenehme Fülle erreicht haben, atmen
wir ohne Pause wieder voll aus, lassen die Luft passiv durch den Mund
entweichen und atmen sofort wieder durch die Nase ein. Wichtig an
dieser Übung ist, daß wir nach dem Ein- und nach dem Ausatmen kei-
ne Pause machen, daher heißt diese Atemtechnik auch »verbundenes
Atmen«. Wir atmen in einem ununterbrochenen Kreis.
Ein und Aus – Ein und Aus ......... ca. 10 x
Wir hören mit dem verbundenen Atmen sofort auf, sobald Kribbel-
und Strömungsgefühle einsetzen, vor allem in Händen und Füßen.
Wenn wir das Kribbeln deutlich spüren, können wir den Atemrhythmus
normalisieren und zu einem Atem zurückkehren, der unserem natürli-
chen Bedürfnis entspricht. Das Strömen wird sich eventuell intensivie-
ren, wenn wir die Atmung zurücknehmen und den Atem einige Sekun-
den lang anhalten.

Ergebnis:
Wir atmen in unserem eigenen Rhythmus weiter, solange wir das Strö-
men in unserem Körper spüren, und sobald es schwächer wird, machen
wir zwei, drei tiefe Atemzüge im verbundenen Atem und danach keh-
ren wir wieder zu unserem eigenen Atemrhythmus zurück. Sehr schön
ist es, im Anschluß die Musik (aus Übung 9) zu spielen.

49
Lektion 12
Energie fühlen:
»Energie!« — Plasmatisches Strömen durch
Gedanken auslösen

Das plasmatische Strömen ist als grundlegende energetische Erfahrung


immer vorhanden, wir haben es jedoch – wie andere energetische Wahr-
nehmungen – aus unserem Bewußtsein ausgeblendet. Haben wir erst
einmal verstanden, um welches Gefühl es sich handelt, können wir das
plasmatische Strömen durch einen einzigen Gedanken auslösen.
Das plasmatische Strömen beginnt meist als kühl empfundene Abwärts-
bewegung im Körper. Wird es intensiver, dann steigt es nach und nach
auf und dehnt sich auch auf den Bereich um den Körper herum aus. Es
fühlt sich genauso an, wie das »Beamen« in der Fernsehserie »Raum-
schiff Enterprise« aussieht. Wir können dieses Bild – sofern wir es po-
sitiv annehmen können – nutzen, um das plasmatische Strömen auszu-
lösen. Sehr hilfreich für diese Übung ist das Sitzen in einem Engel-
Energie-Akkumulator.

Übung:
Wir setzen uns entspannt hin, schließen die Augen und hören auf das
innere Rauschen. Wenn wir die energetische Wahrnehmung stabilisiert
haben, denken wir

Ich ströme

und fühlen in unseren Körper hinein. Sobald wir zum plasmatischen


Strömen Kontakt bekommen haben, denken wir

Energie !

und fühlen, daß sich die energetische Bewegung nach oben richtet und
sich glitzernd und voller lebendiger Bewegung über unsere Körper-
grenzen ausdehnt.

50
Zweiter Teil

Die Funktion
der Liebe

Wilhelm Reich
und die Orgonomie:
Die Wissenschaft
des Lebendigen

51
Wilhelm Reich:
Der Forscher des Lebendigen

K aum ein Wissenschaftler dieses Jahrhunderts hat so viel Begeiste-


rung und derart wütenden Widerspruch ausgelöst wie Wilhelm
Reich. Für viele war er ein Universalgenie, vergleichbar mit Goethe oder
Leonardo da Vinci, für andere ein wissenschaftlicher »Aussteiger« und
Scharlatan.
In der Psychoanalyse, der Entwicklung der Körper-Psychotherapie und
der immunologischen Krebsforschung hat er jeweils Grundlagenarbeit
geleistet, die auch von kritischen Wissenschaftlern anerkannt wird.
Reich hat die Natur des Lebendigen erforscht, in vielen Wissenschafts-
disziplinen Grundlegendes entdeckt und damit das wissenschaftliche
Establishment erstaunt und aufgeschreckt. Er hat die Lebensenergie
physikalisch entdeckt und praktisch anwendbar gemacht. Er hat die
Biogenese – die Entstehung organischen Lebens – und die Ursachen
der Wüstenbildung erforscht und völlig neue Antworten gefunden.

Wilhelm Reich: der gestürzte »Kronprinz« Freuds

Schon als Student gelangte Reich um 1920 in den engsten Wiener Kreis
um Freud und fiel als brillianter Theoretiker der Psychoanalyse auf.
Sein Hauptaugenmerk legte er von Anfang an auf die Erforschung der
gesunden sowie der neurotischen Sexualität. Der Orgasmus in seiner
gesunden Form ist die völlige Entladung überschüssiger Körperenergien.
Bei den meisten Menschen ist aufgrund neurotischer Charakter-
strukturen, die als »normal« gelten, die Fähigkeit zur sexuellen Hinga-
be mehr oder weniger beschränkt – Reich nannte dies »orgastisch im-
potent«.
Neurosen entstehen im frühesten Kindesalter, indem natürliche emo-
tionelle Impulse gewaltsam gestoppt werden. So richtet sich die Libi-
do, die Lebensenergie, gegen das Individuum selbst. Die Summe aller
Libido-Umlenkungen ist der strukturierte Charakter. Mit der Charak-
teranalyse schuf Reich ein Standardwerk der Psychoanalyse.

52
Reich hatte das Ziel, die Erkenntnisse der Psychoanalyse für die Ver-
hinderung von Neurosen einzusetzen. Die Beschränkung auf das Ku-
rieren von Zwangsneurosen und Hysterien bei der Wiener Oberschicht
– womit der größte Teil seiner Kollegen beschäftigt war – kritisierte er
als elitäre Vergeudung bedeutender Erkenntnisse über die Strukturen
psychischen Elends.
Ihm lag vor allem die Neurosenprophylaxe bei Kindern und Jugendli-
chen sowie die sexualhygienische Aufklärung von jungen Menschen
am Herzen. Da er damit bei den eher konservativen Psychoanalytikern
Wiens auf Ablehnung stieß, gründete er in Berlin innerhalb der KPD
die »Sexpol-Bewegung«, mit der er sehr erfolgreich Sexualaufklärung
für junge Arbeiter betrieb. Freud und den etablierten Psychoanalyti-
kern war seine sozialistische Orientierung in hohem Maße suspekt. So
wurde er aus der Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen – auch
weil er gegen die Todestriebtheorie des späten Freud vorgegangen war.
Die stillschweigende Anbiederung wichtiger Kreise der Psychoanalyse
an die Nationalsozialisten mag ein weiterer wichtiger Aspekt gewesen
sein.
Auch durch seinen unangepaßten, provokanten Stil machte Reich sich
viele Feinde, so daß er zeitlebens mit bösartigen Gerüchten über sei-
nen Geisteszustand konfrontiert war.

Von der Psychoanalyse zur Körpertherapie –


Die Blockierung der Bioenergie

Ein Baby, das Bauchschmerzen hat, schreit. Zur Strafe wird es ange-
brüllt, in ein dunkles Zimmer gelegt und alleinegelassen. Erst, wenn es
aufhört zu schreien, bekommt es wieder Zuwendung. Also blockiert
das Baby seine Atmung, wenn es Angst hat, weil tiefes Atmen zu Schrei-
en führt. Es blockiert seine Zwerchfell- und Bauchmuskulatur, wenn
es Bauchschmerzen hat, um diese schreckliche, unbegreifliche und le-
bensbedrohende Erfahrung nicht mehr machen zu müssen. Es blok-
kiert sich in seiner Atmung und Bewegung, um nicht zu fühlen, um
nicht Schmerzen erdulden und keine Angst empfinden zu müssen. Die-
ser Mechanismus der Neurosenbildung, der sich in unendlich vielen,
kleinen und alltäglichen Situationen wiederholt, wird von Generation
zu Generation weitergegeben, bis er zerbrochen wird. »Meine Mutter
hatte ganz recht: man muß es nur schreien lassen. Dann lernt es von
ganz alleine, sich zu benehmen.«
So lernen wir uns energetisch zu blockieren, lange bevor wir begreifen

53
können, was mit uns geschieht und lange bevor wir lernen, in logischen
Zusammenhängen zu denken. Wir sind in viele kleine Teufelskreise ein-
gebunden, mit denen wir beschlossen haben, dies und das nicht mehr
wahrzunehmen. Nur durch diese jahrelange systematische »Blockade-
politik« sind Menschen irgendwann fähig zu foltern, ohne dabei zu emp-
finden.
Damit diese vielen unbewußten Akte von Lebensverzicht erträglich blei-
ben, werden sie gesellschaftlich durch Moral, Sitte und Gesetze, durch
einen Kodex gemeinsamer Anschauungen geschützt. Das Baby lernt
von den Eltern, daß es »sinnvoll« ist, nicht zu schreien, daß Angepaßt-
heit – »Die Nachbarn hören uns!« – wichtiger ist, als sich voller Genuß
die Lungen voll Luft und Energie zu pumpen und die Wut herauszu-
brüllen.
Wilhelm Reich war der erste Psychoanalytiker, der sich den Patienten
gegenübersetzte, Mimik und Körpersprache – als Äußerungen charak-
terlicher Widerstände – beobachtete. Er konfrontierte sie mit ihrem
unbewußten emotionellen Ausdruck und brachte unterdrückte Wut,
Weinen, Ekel etc. zum Vorschein. Innerhalb dieser Widerstandsanalyse
brach Reich auch mit dem Tabu der Psychoanalyse, die Patienten dürf-
ten nicht berührt werden, denn wenn bestimmte Muskelpartien sanft
massiert oder gedrückt werden, können unterdrückte Impulse befreit
werden, z.B. wenn das Weinen wortwörtlich »im Halse steckenbleibt«.
Mit der Lösung dieser muskulären Blockaden geht auch die Lösung
emotioneller und geistiger Beschränkungen einher. Das Kleinkind baut
diese Blockaden auf, um mit psychischen und physischen Traumata
fertigzuwerden. Die Muskelblocks sind unwillkürliche chronische Spas-
men, die den gesamten Körper ringförmig in Segmenten einschnüren.
Ein so »gepanzerter« Organismus muß also – um die Spasmen auf-
rechtzuerhalten – ständig Arbeit leisten, tatsächliche Verdrängungs-
arbeit. Reich spricht vom »Charakterpanzer«. Die Muskelspasmen ver-
brauchen Energie, die dem Organismus nicht mehr zur Verfügung steht,
und dies schwächt ihn in jeder Beziehung – die Ursache psychischer
und somatischer Schädigungen.
Ziel der Reichschen Vegetotherapie (bzw. psychiatrischen Orgon-The-
rapie) ist die Lösung der Blockaden und die Sicherung gesunder (geni-
taler) Charakterstrukturen, indem der Körperenergie ein unbehinder-
ter Fluß durch die gesamte Muskulatur ermöglicht wird.

54
Die Entstehung der Charakterstruktur

Die Struktur der charakterlichen Panzerung beruht auf der Versagung


libidinöser, d.h. sexueller Bedürfnisse in der Kindheit, davon abhängig,
in welcher Entwicklungsphase die Triebbefriedigung blockiert wird.
Wird z.B. ein Baby in der Befriedigung oraler Lustbedürfnisse – dem
Kontakt mit der Mutterbrust – behindert oder wird ein dreijähriges
Kind, anstatt Lust an der Ausscheidung empfinden zu dürfen, gezwun-
gen, Ekel und Abscheu zu entwickeln, werden bestimmte charakterli-
che Weichen gestellt. Besiegelt wird die Charakterbildung jedoch durch
die Form der Überwindung des Ödipuskomplexes. Das Kind entwik-
kelt genitale Bedürfnisse gegenüber einem Elternteil, diese werden zu-
rückgewiesen und das Kind wendet die Kraft der sexuellen Strebungen
gegen die eigene Person. Welcher Art und wie stark der neurotische
Aspekt des Charakters ist, hängt also von Zeitpunkt der Triebversa-
gungen ab, deren Intensität und Häufigkeit, sowie von der versagen-
den Person selber.
Wilhelm Reich stellt dem neurotischen den genitalen Charakter gegen-
über. Während der neurotische Charakter nicht mehr in der Lage ist,
direkte Triebbefriedigung zu erleben, ist der genitale Charakter nie zu
weit blockiert worden, so daß er befriedigende sexuelle und soziale Kon-
takte eingehen kann.
Normalerweise mischen sich kranke und gesunde Elemente der
Charakterstruktur, es gibt also keine rein neurotischen oder rein geni-
talen Charaktere. Ziel aller psychiatrischen Methoden Reichs ist die
möglichst umfassende Sicherung gesunder, d.h. genitaler Charakter-
elemente.

Kern der Verhinderung von Neurosen:


Die Sexualität der Jugendlichen

Wilhelm Reich war bereits als junger Analytiker daran interessiert, die
Erkenntnisse über Neurosenbildung in praktische soziale Arbeit um-
zusetzen. Mit Kollegen gründete er in Wien sexualhygienische Bera-
tungsstellen, in denen Hunderte Jugendlicher und junger Erwachsener
beraten wurden. Hier erkannte er die riesenhafte Dimension der Neu-
rosen die vorwiegend auf autoritären, sexualverneinenden Familienver-
hältnissen beruhen.
Im Kleinkind werden neurotische Muster festgelegt. Beim Jugendli-
chen entscheidet sich nun, inwiefern er sich sexualfeindlichen Normen

55
beugt, bzw. wie weit er sich aus dem vorgegeben Rahmen von Sexual-
moral hinausbewegt. Grundpfeiler der gesellschaftlichen Sexual-
verneinung ist dabei die Askeseforderung für Jugendliche, die später in
die Forderung nach zwangsmonogamer Ehe mündet. Beide Forderun-
gen sollen Menschen in jeder Hinsicht gefügig machen – um den Preis
seiner Lebendigkeit, der Fähigkeit lustvoll zu empfinden, glücklich zu
sein.
Die Pubertät ist demnach, »der sexuelle Kampf der Jugend«, in der jede
Generation versucht, die Glücksfähigkeit als Konsequenz der aufblü-
henden Sexualreifung von der Elterngeneration einzufordern. Wenn man
die Sicherung und Entwicklung lebendiger Strukturen als Ziel mensch-
lichen Fortschritts sieht – bis hin zur Verhinderung von Krieg, Krimi-
nalität und Hunger als Extreme neurotischen Elends – entscheidet dar-
über hauptsächlich die Generation der Pubertierenden.

Die Massenpsychologie des Faschismus

Wilhelm Reich wandte die Erkenntnisse aus seiner Arbeit über die
Charakterstrukturen auf das soziale und politische Leben an: Warum
sind die Menschen unfrei und organisieren ihre eigene Unterdrückung,
obwohl sie sich nach Freiheit sehnen? Sie sind freiheitsunfähig aufgrund
irrationaler Charakterstrukturen des Durchschnittsmenschen, die als
»normal« gelten.
Faschismus ist demnach keine Ideologie oder politische Richtung, son-
dern ein Ausdruck der Sehnsucht des normalen Menschen, seine pri-
mären biologischen Bedürfnisse zu befriedigen, was ihm durch eine
jahrtausendealte autoritäre Unterdrückung unmöglich gemacht wur-
de. Als neurotische Struktur wird diese Unterdrückung in jedem Indi-
viduum konserviert und über die Erziehung auf die Kinder übertragen.
Der Versuch, die Beschränkungen der Neurose gewaltsam zu durch-
brechen, führt in eine Charakterschicht der Destruktivität, die Reich
als »emotionelle Pest« bezeichnete. Menschen, die sich in dieser Cha-
rakterebene aufhalten, nannte er »emotionell pestkrank«. Die emotio-
nelle Pest ist nicht nur als endemische Krankheit ständig aktiv, sondern
bricht auch epidemisch aus, ergreift Gruppen von Menschen (z.B.
Lynchjustiz), Organisationen (Inquisition der katholischen Kirche)
oder Staaten (Faschismus).
Die emotionelle Pest ist als Charakterebene in allen Menschen vorhan-
den. So erklärt sich, daß »völlig normale« Menschen in einer Epidemie
Juden ermorden, oder auch bosnische Moslems, und ein solches Ver-

56
halten für vertretbar halten. Die Massenpsychologie des Faschismus ist
ein Werk, das nichts an Aktualität eingebüßt hat, weil es sich mit psy-
chischen und sozialen Phänomenen beschäftigt, die Tag für Tag real
sind.
Reich analysierte nicht nur soziale Institutionen, die das autoritäre pa-
triarchale System der emotionellen Pest sichern, die er allgemein als
»politische Pest« bezeichnete. Er untersuchte auch, unter welchen Be-
dingungen natürliche und gesunde soziale Beziehungen existieren kön-
nen, die er »Arbeitsdemokratie« nannte. Die Arbeitsdemokratie ist das
Geflecht autonomer sozialer Beziehungen, auf deren Grundlage alle
Gesellschaften existieren. Politische, ideologische Systeme benutzen
diese gesunden Strukturen, die zwar geschützt werden müssen, aber
nicht organisiert werden können.

Bioelektrische Forschungen über Lust und Angst

In den dreißiger Jahren erforschte Wilhelm Reich als erster die Lebens-
funktionen Lust und Angst mit der neuesten Technik, die Haut-
potentiale im Millivoltbereich aufzeichnen konnte. Myron Sharaf
schreibt dazu in seiner Reich-Biographie »Der heilige Zorn des Leben-
digen«:
Die Hauptexperimente bestanden aus Versuchen, Potentialveränderun-
gen der erogenen Zonen während lustvoller oder unlustvoller Stimula-
tionen zu messen: z.B. Kitzeln (lustvoll) und plötzlicher Druck oder
Krach (unlustvoll).
Seine Aufzeichnungen zeigten, daß, wenn die Versuchsperson lustvolle
Strömungsgefühle empfand, das Hautpotential in positiver Richtung
anstieg. Wenn die Versuchsperson Schmerz, Druck oder irgendein un-
angenehmes Gefühl oder eine unangenehme Emotion empfand (außer
Wut), wurde das Potential negativer. Die subjektive Gefühlsintensität,
die von der Versuchsperson angegeben wurde, stand mit der quantita-
tiven positiven oder negativen Veränderung in direktem Zusammen-
hang. Dieselbe Versuchsperson reagierte bei verschiedenen Versuchen
entsprechend ihrer allgemeinen Stimmung unterschiedlich. Es gab eine
»Enttäu-schungs«-Reaktion. Nach einer Angstreaktion waren positive
Veränderungen sehr viel schwerer zu erreichen, als wäre der Organis-
mus »vorsichtig« geworden. Reich stellte auch einen »Abstumpfungs«-
Effekt fest. Wenn derselbe lustvolle Reiz wiederholt ausgeübt wurde,
flachte der ursprünglich positive Ausschlag ab.
Diese Entdeckungen hingen von einer entscheidenden Bedingung ab:
die entsprechende Versuchsperson mußte emotionell gesund genug sein,

57
Lust zu empfinden, besonders lustvolle Körperstömungen, und sie mußte
dazu fähig sein, diese Gefühle genau zu beschreiben. Hier begegnen
wir einem der Probleme bei der Einschätzung der Forschungen Reichs:
Die meisten sind unfähig, diese Gefühle zu empfinden oder zuverlässig
zu beschreiben, und kein anderer Forscher hat jemals diese Variablen
in Betracht gezogen. Reich fand, daß eine Peniserektion ohne Lustge-
fühle keinerlei Erhöhung des positiven Potentials zur Folge hatte. Die-
se Beobachtungen unterstützen Reichs Orgasmustheorie. Dieser Pro-
zeß, den er die »Orgasmusformel« nannte, bestand aus vier Schritten:
1) Mechanische Spannung (Organe füllen sich mit Flüssigkeit; An-
schwellen der Gewebe allgemein).
2) Die mechanische Spannung geht einher mit einem Anstieg der bio-
elektrischen Ladung.
3) Entladung der angesammelten bioelektrischen Ladung durch spon-
tane Muskelkontraktionen.
4) Zurückfließen der Körperflüssigkeiten: Abschwellung (mechanische
Entspannung).

Die Bione:
von der nichtlebenden zur lebendigen Materie

Wilhelm Reich hat Einzellerkulturen angelegt, um die Teilung und Ver-


schmelzung von Kleinstlebewesen mit den Sexualfunktionen höherer
Lebewesen zu vergleichen. Dabei stellte er fest, daß Protozoen im Heu-
aufguß nicht – wie die biologische Lehrmeinung sagt – durch Luft-
keime entstehen, sondern sich spontan aus zerfallender organischer
Materie entwickeln.
Graszellen lösen sich in Wasser auf, bilden kleinste blasige Strukturen –
Reich nannte sie »Bione« – die sich zu Haufen zusammenballen, eine
gemeinsame Membran ausbilden und autonome Bewegungen begin-
nen. Sie lösen sich von der unbelebten Materie, werden als Kleinstlebe-
wesen »geboren«, als vermehrungsfähige Einzeller. Diesen Prozeß konn-
te Reich sowohl in sterilen wie in unsterilen Präparaten nachweisen.
Aus allen zerfallenden organischen Stoffen entstehen permanent Bione
und so findet der Prozeß der Biogenese ständig statt.
Reich, der kein ausgebildeter Naturwissenschaftler war, wurde von Fach-
leuten sehr angegriffen, die sich jedoch nicht die Mühe machten, seine
Forschungen sachlich nachzuvollziehen.
Inzwischen wurden die Experimente mehrfach wiederholt und im gro-
ßen und ganzen bestätigt. Reich wie auch Forscher in jüngerer Zeit

58
machten eindrucksvolle Filme und Videos über die Bionkulturen.
Die Beobachtung von bionösem Zerfall von Blut und Gewebe ergaben
eine völlig neue Betrachtung der Krebserkrankung. Die Erforschung
von Strahlungsphänomenen, die er an den Bionpräparaten beobachte-
te, führten zur Entdeckung der Orgon-Energie.

Die Entdeckung der Orgon-Energie

Wilhelm Reich hatte bereits als Psychoanalytiker den Plan gefaßt, die
psycho-physische Energie, die Freud »Libido« genannt hatte, physika-
lisch nachzuweisen und zunächst die Bio-Elektrizität erforscht.
An den Bion-Kulturen, die aus Seesand entstanden waren, stellte er ei-
genartige Strahlungsphänomene fest: Bei der Beobachtung unter dem
Mikroskop bekamen er und seine Mitarbeiter am jeweiligen Auge Bin-
dehautentzündungen. Auch die Haut wurde durch Bione gerötet. Im
Dunklen sah man eine bläuliche Strahlung um sie herum. Gummihand-
schuhe wurden durch sie elektrostatisch geladen.
Reich versuchte, die vermeintliche Strahlung zu isolieren und plazierte
die Präparate in einem außen isolierten Metallkasten, einem Faraday-
schen Käfig ähnlich. Darin wurden die Phänomene jedoch stärker, ja er
sah sie auch dann, wenn keine Präparate darin waren. Neben den blau-
en Schwaden sah er schnell kreisende Lichtblitze. Die Phänomene schie-
nen sowohl subjektiver als auch objektiver Natur zu sein. Er konnte sie
mit einer Lupe vergrößern und sie auch mit geschlossenen Augen se-
hen. Erst als er die Schwaden am nächtlichen Erdboden und die Kreisel-
wellen auch am blauen Himmel sah, verstand er, daß es eine Energie
sein mußte, die sowohl im Organismus wie auch in der Atmosphäre
vorhanden und daher objektiv und subjektiv wahrzunehmen ist.
Nach und nach gelang es Reich, diese Energie, die er ORGON nannte,
auch mit physikalischen Methoden, d.h. mit Thermometer, Elektro-
skop und Geigerzähler nachzuweisen. In einem Orgon-Akkumulator
kann man im Vergleich zu einem Kontrollkasten eine konstant erhöhte
Temperatur und verlängerte Entladungszeiten am Elektroskop feststel-
len. Diese beiden sehr einfachen Experimente stellen das herrschende
physikalische Weltbild in Frage, denn sie widersprechen dem Gesetz
der Thermodynamik, einem Axiom der Physik.

59
Der Orgon-Akkumulator:
Lebensenergie aus der Atmosphäre

Wilhelm Reichs zentrale Erfindung war der Orgon-Akkumulator, eine


Kabine aus Eisen, die mit isolierendem Material umgeben ist. Organis-
men sind fähig, sich in einem solchen Gerät mit atmosphärisch freier
Energie, «ORGON«, aufzuladen. Je mehr Schichten an Eisen und Iso-
lator – üblich ist Wolle oder Glaswolle – es hat, um so stärker ist dieser
Ladungseffekt.
Elektrische Isolatoren ziehen Orgon an und binden es. Metall zieht
Orgon an und stößt es sofort wieder ab. Daher fließt das Orgon in
Richtung des Innenraums des Akkumulators.
Der Organismus im Inneren des Orgon-Akkumulators überlagert sich
mit dem Energiefeld an den Blechen. Beide, der Akkumulator und der
Mensch, bilden ein gemeinsames, sehr starkes Energiesystem, das aus
der umgebenden Atmosphäre große Mengen an Orgon aufnehmen
kann.
Der Benutzer ist nach einer kurzen Gewöhnungsphase dazu fähig, die
energetische Ladung, die «Vitalität«, erheblich zu steigern: Alle orga-
nismischen Prozesse werden angeregt, und die Selbstheilungskräfte wer-
den unterstützt.
Die Verschmelzung des Körperenergiefeldes mit der gespeicherten at-
mosphärischen Energie nannte Reich «Erstrahlung«, eine wohltuende,
ja intime Erfahrung sanften Strömens und inneren Erglühens.
In erster Linie ist der Orgon-Akkumulator ein medizinisches Gerät –
so hatte Wilhelm Reich ihn vorgestellt. Er selbst aber und seine Mitar-
beiter, sowie alle, die die unvergleichliche Erfahrung der Erstrahlung
im Akkumulator gemacht haben, nutzten ihn, um die Vitalität zu stei-
gern und um ihrem Leben eine zusätzliche Dimension zu geben. Die
Erstrahlung ist eine sehr freudvolle Erfahrung, eine intime »Berührung«,
eine Verschmelzung des körpereigenen Energiefeldes mit dem des Ak-
kumulators, die sich nach einer kurzen Gewöhnungsphase einstellt und
die sich als »sanftes Strömen« oder »Glühen« im Organismus wahr-
nehmen läßt. Man wird von Wellen atmosphärischer Energie durch-
drungen.
Diese Wahrnehmung ist ganz real, unmystisch, da sie auf der Fähigkeit
jeder Körperzelle beruht, Energie aufzunehmen und sich prall auszu-
dehnen. Da auch Nervenzellen aktiviert werden, kann es im Orgon-
Akkumulator zu den unterschiedlichsten Wahrnehmungen kommen:
Prickeln auf der Haut, Wärmeempfindung ohne Temperaturanstieg,

60
Rauschen in den Ohren oder metallischer Geschmack. Es kommt auch
zu spezifischen Körperreaktionen wie deutlich hörbarer angeregter
Darmtätigkeit, Vertiefung des Atmens, verstärkte Entgiftung oder Haut-
rötung. Oft kommt es spontan zu Fieberschüben im Akkumulator –
der Organismus benutzt das höhere Energiepotential, indem er spon-
tan auf bereits bestehende Infekte reagiert. Meßbar ist die Erhöhung
der Haut- und Kerntemperatur, der Herzfrequenz und nach längerer
Benutzung zeigen sich grundsätzliche Verbesserungen physiologischer
Werte, z.B. verlängert sich bei den meisten Benutzern die Blutsenkungs-
rate erheblich, was darauf schließen läßt, das Entzündungen ausgeheilt
sind.
Man kann sich auch überladen, da der Ladungsprozeß erst endet, wenn
man das Gerät verläßt. Überladung zeigt sich in langsam zunehmen-
den unangenehmen Wahrnehmungen wie Kopfschmerzen, Hitze-
wallungen, Übelkeit. Das ist zunächst ungefährlich, da die Überladung
nie plötzlich eintritt. Man verläßt das Gerät, geht an die frische Luft
oder nimmt ein Vollbad und die Symptome verfliegen rasch. Extreme
Überladungen können jedoch gefährlich werden, vor allem, wenn man
schon unter Überladungskrankheiten leidet wie z.B. chronischem Blut-
hochdruck.
Der Orgon-Akkumulator ist ein sehr effektives medizinisches Gerät
für Kranke und Gebrechliche – und eine unvergleichliche Bereicherung
der Lebensqualität für gesunde Menschen.

Die medizinische Anwendung


des Orgon-Akkumulators

Der Orgon-Akkumulator wirkt auf den biologischen Kern, die phy-


siologisch tiefste Ebene des Organismus, das Lebensnervensystem, und
beeinflußt so alle organismischen Prozesse.
Er wirkt anregend auf die Selbstheilungskräfte des Organismus. Be-
sonders augenfällig wird dies bei Wund- und Knochenheilungen, die
weitaus schneller und unkomplizierter erfolgen. Bei Verbrennungen
werden Schmerzen und Blasenbildung erheblich reduziert, und sie hei-
len meist ohne Hautveränderungen und Narben ab.
Wilhelm Reich und seine Mitarbeiter sowie eine junge Generation von
Ärzten besonders in Deutschland setzten den Orgon-Akkumulator in
der Krebs-Therapie sowie bei verschiedenen anderen schweren Erkran-
kungen ein. Die äußerst effektive Therapie mit Orgon-Geräten und
andere von Reich entwickelte Therapie- und Diagnosemethoden wur-

61
den und werden in Kombination mit schulmedizinischen und natur-
heilkundlichen Methoden angewendet.
Besonders beeindruckend ist die Behandlung älterer krebskranker,
schulmedizinisch austherapierter Menschen, über die der Arzt Heiko
Lassek, Leiter des Wilhelm Reich Instituts, Berlin, berichtet. Die mei-
sten konnten nach einiger Behandlungszeit die schweren Schmerzmit-
tel (Opiate) absetzen bzw. mit Aspirin ersetzen. Die Überlebenszeit
war deutlich länger als prognostiziert, und vor allem konnten diese Men-
schen einen würdigen, schmerzfreien Tod im Kreis der Angehörigen
erleben.
Der medizinische Einsatz des Orgon-Akkumulators ist, wenn man die
wenigen Gegenindikationen beachtet, weitgehend unproblematisch und
sehr oft von spektakulären Besserungen begleitet.

Krebs als Folge bioenergetischer Schwäche

Wilhelm Reich hat bereits in den 40er Jahren einen konsequent immu-
nologischen Ansatz in der Erforschung und Heilung von Krebs ver-
folgt. Er erforschte nicht die spezifischen Ursachen, sondern die Dis-
position des Wirtorganismus, an Krebs zu erkranken.
Seine Beobachtung, daß organisches Material zu energiereichen Materie-
bläschen, »Bionen«, zerfällt, führte zur Entdeckung gleichartiger Pro-
zesse im lebendigen Gewebe. Gesunde rote Blutkörperchen zerfallen
zu »PA-Bionen«, während bioenergetisch geschwächtes Gewebe zu to-
ten, kleinsten Partikeln zerfällt, die er »T-Bazillen« nannte. Diese kön-
nen gesunde Zellen regelrecht angreifen, abtöten und ihrerseits in T-
Bazillen verwandeln. Dieser Prozeß hat den Charakter einer Kettenre-
aktion. Der eigentliche Krebstumor ist danach lediglich das Resultat
und Symptom eines solchen Prozesses.
In Wirklichkeit ist die Krebszelle ein Produkt der vielen PA-Bione, die
sich aus Blut- oder Gewebezellen bilden, als Abwehr gegen die lokale
Selbstinfelktion mit T-Bazillen. (W.R., Der Krebs, Kap. VI)
Dieser Zerfallsprozeß findet in allen Organismen ständig statt. Jedoch
nur, wenn der Körper bioenergetisch geschwächt ist – Reich benutzt
hier den Begriff der »Biopathie« – kommt es zu derartigen degenerati-
ven Erkrankungen. Die chronische energetische Unterladung des Or-
ganismus – die mit dem Orgon-Akkumulator aufgefangen werden kann
– beruht auf einer tiefen charakterlichen Resignation. Diese kann nicht
mit dem Akkumulator behoben werden, sondern ist nur mit psychia-
trischen, körpertherapeutischen Methoden erreichbar.

62
Das Modell von Gesundheit und Krankheit
bei Wilhelm Reich

Wilhelm Reich definiert Gesundheit nicht als Abwesenheit von Krank-


heitssymptomen, sondern als das optimal funktionierende Wechselspiel
von innerer und äußerer Welt des Subjekts auf allen Ebenen: von der
Umwelt und dem sozialen Umfeld über das organische, vegetative Sy-
stem des Organismus bis hin zur Zell-, Molekular- und Energiestruktur.
Die Oszillation zwischen Außen und Innen, zwischen Expansion und
Kontraktion ist der »Urgegensatz des vegetativen Lebens«. Dieses Prin-
zip gilt für alle lebendigen Strukturen, d.h. für Einzeller genauso wie
für Menschen.
Verschiedenste Einwirkungen können die Pulsation des Lebendigen ein-
schränken. Chronische Behinderungen können die Lebendigkeit des
Organismus grundlegend stören. Die daraus resultierende »Biopathie«,
Erkrankung des autonomen Lebensapparats, zeigt sich in allen mögli-
chen symptomatischen Erkrankungen: z.B. Asthma, Herzerkrankun-
gen, Krebs oder auch schizophrener Psychose.
Diese Pulsationsstörung beginnt nach Reich immer mit einem Über-
wiegen der Kontraktion, mit einer akut auftretenden Symphatikotonie
des vegetativen Systems, einer Erstarrung des energetischen Systems des
Organismus. (Lassek)
Wird die Kontraktion chronisch, dann beschränkt sich die Pulsation
des Lebendigen immer mehr auf den biologischen Kern. Das Leben
zieht sich wortwörtlich in sich selbst zurück. Endstadium dieses
Schrumpfungsprozesses ist der Tod.

DOR »Deadly Orgone« — Stagnierte Lebensenergie,


die Bedrohung lebendiger Prozesse

Das Phänomen »Elektrosmog« – die Beeinträchtigung lebendiger Pro-


zesse durch z.B. elektrische Geräte, Hochspannungsleitungen und Sen-
deanlagen – ist eine Erscheinung, die Wilhelm Reich bereits Anfang
der fünfziger Jahre beschrieben hat. Er erkannte die negativen Wirkun-
gen, die eine Aufreizung der Lebensenergie (Orgon) in der Atmosphä-
re und im Organismus mit sich bringt.
Wird die Lebensenergie durch bestimmte physikalische Faktoren auf-
gereizt, kann sie in einen erstarrten Zustand verfallen, in dem sie de-
struktive, lebensfeindliche Wirkungen hat. Diese Form der Orgon-Ener-

63
sgie nannte Reich DOR, Deadly ORgone. Wilhelm Reich stellte grund-
sätzlich zwei Erscheinungsformen von DOR fest: eine »natürliche«,
deren Ursprung zunächst nicht geklärt ist, die für die Entstehung von
Dürren und die Ausbreitung der Wüsten ursächlich ist; und eine »künst-
liche«, die durch eine starke Aufreizung der atmosphärischen Orgon-
Energie durch technische Faktoren wie Nuklearstrahlung, Elektrizität,
Elektromagnetismus etc. entsteht.
Für DOR gibt es (noch) keine technischen Meßinstrumente. Aber die
Tatsache, daß ein physikalisches Phänomen nicht meßbar ist, sagt nichts
über seine Existenz aus. DOR kann von jedem Menschen wahrgenom-
men werden. Dazu gehört lediglich das Wissen über die Erscheinungs-
formen von DOR, etwas Aufmerksamkeit und ein gewisses Maß an
Lebendigkeit.
Der letzte Punkt, »eine gewisse Lebendigkeit« ist am ehesten als »sub-
jektiver Faktor« zu bezeichnen. Wie Goethe bezeichnete Reich den
menschlichen Organismus als das Hauptinstrument der Naturerfor-
schung. Er legte bei sich und bei seinen Mitarbeitern großen Wert dar-
auf, der eigenen sinnlichen Wahrnehmung zu vertrauen und Körper und
Geist in einer Verfassung zu halten, in der man seinen Wahrnehmun-
gen vertrauen kann. Man sollte auch emotional dazu in der Lage sein,
seine Wahrnehmungen genau zu benennen und zu ihnen zu stehen, auch
wenn die Umstände schwierig erscheinen.
DOR-Phänomene in Gebäuden kommen durch den Oranur-Effekt zu-
stande. Reich brachte eine höchst geringe Menge Radium in ein sehr
starkes Orgon-Energiefeld. Der gleiche Effekt entsteht jedoch auch,
wenn man starke Dosierungen aggressiver Energie auf eine normale
Konzentration atmosphärischer Orgon-Energie einwirken läßt.
Dabei gibt es zwei Stadien: Im ersten wird die Orgon-Energie aufgereizt,
z. B. durch einen Starkstrom, durch eine Quelle nuklearer Strahlung
oder durch elektromagnetische Wellen. Im zweiten Stadium stagniert
die aufgereizte Energie und wird zu DOR.
Reich verglich die Orgon-Energie unter Einwirkung des Oranur-Ef-
fekts mit einem wilden Tier, das eingefangen wird. Zuerst tobt es in
seinem Käfig wütend herum, bis es schließlich aufgibt und resigniert.
Letztlich stirbt es.
Der Oranur-Effekt geht oft mit einer anfänglichen Belebung einher,
eine Aufreizung, die vor allem von jüngeren Menschen als positiv ein-
geschätzt werden kann. Die Reizung macht hektisch, hyperaktiv, was
eine besondere Form der Lebendigkeit ist, dann folgt die Phase der
Erlahmung, schließlich wird diese Einschränkung lebendiger Erfahrung
nicht einmal mehr wahrgenommen.

64
Die DOR-Verseuchung von Gebäuden hat ungeheure Ausmaße erreicht,
angesichts der rasanten Zunahme aggressiver Energiequellen, die ins
tägliche Leben Einzug gehalten haben und die am Arbeitsplatz und zu
Hause von jedermann angewendet werden. Es gibt keine sichtbaren Phä-
nomene, sondern in erster Linie fühlbare »subjektive«. Aber wie sub-
jektiv ist ein Phänomen, wenn die Mehrzahl der Menschen klagen, sie
bekämen Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Beklemmungen, Hitze-
wallungen und ähnliche Symptome in klimatisierten, mit Leuchtstoff-
röhren ausgestatteten Kaufhäusern, Supermärkten und Krankenhäusern?
Jeder Mensch reagiert auf DOR spezifisch, d.h. der Organismus mel-
det sich mit individuellen Symptomen. Wie Reich und seine Mitarbei-
ter im Oranur-Experiment erfuhren, erkrankte jeder an den Leidens-
Symptomen, die er bereits latent in sich trug. Individuelle Symptome
sind: Schweißausbrüche, Mattigkeit, erhöhter Kopfinnendruck, Augen-
trübung, gespannte Gesichthaut, Kopfschmerz, Schwindelgefühle,
Schwächeanfälle. Nachdem man sich in DOR-verseuchten Räumen auf-
gehalten hat, hält sich lange das Gefühl, einen Helm auf dem Kopf zu
tragen, man fühlt sich träge und innerlich sowie äußerlich schmutzig.
Nach einer starken DOR-Verseuchung ist man leicht reizbar, z.B. ver-
leiten dann die Aggressionen anderer Verkehrsteilnehmer dazu, selber
aggressiv zu reagieren.
Individuelle Reaktionen auf DOR kann man schwer verallgemeinern.
Einige reagieren auf DOR mit heftigem Stuhldrang, andere mit Kreis-
laufbeschwerden, rheumatischen Anfällen oder Depressionen.
Ein weiterer Faktor, der für die Wahrnehmung von DOR entscheidend
ist, ist die Gewöhnung. Wer sich ständig in einer DOR-Atmosphäre
aufhält, verliert die Fähigkeit der spezifischen Wahrnehmung. Die spon-
tanen organischen und psychischen Reaktionen lassen nach. Dafür stel-
len sich aller Wahrscheinlichkeit nach chronische Biopathien ein, also
Krankheiten aufgrund einer tiefgehenden Degeneration der Vitalität.
Die »subjektive« Wahrnehmbarkeit von DOR steigt mit geringer wer-
denden DOR-Kontakten und mit größerer orgonomischer Ladung an.
Auch die Nutzung eines Orgon-Akkumulators steigert einerseits die
DOR-Wahrnehmung, führt allerdings auch andererseits zu einer grö-
ßeren Beeinträchtigung durch DOR. Je höher die Orgonladung, desto
unangenehmer werden die Oranur- und DOR-Effekte. Dieses Phäno-
men als negativen Effekt des Orgon-Akkumulators zu bezeichnen, wäre
recht kurzsichtig. Denn diese Sensibilisierung durch den Orgon-Ak-
kumulator kann bei vernünftigem Umgang mit der Orgon-Energie nur
dazu führen, daß man sich vor DOR schützt, weil man es besser iden-
tifizieren kann.

65
Der Faktor Vitalität spielt eine große Rolle. Sehr lebendige, junge Men-
schen, oder Personen, die längere Zeit einen Orgon-Akkumulator be-
nutzt haben, reagieren auf DOR mit einem individuellen Oranur-Ef-
fekt. Sie werden aktiv, aggressiv d.h. sie reagieren mit gesteigerter Erre-
gung. Wenn besonders vitale Menschen dem Oranur-Effekt ständig aus-
gesetzt sind, bildet sich aber auch in ihrem Organismus DOR. Das
endet wie bei »normal neurotischen« Menschen nicht in einer emotio-
nellen Erstarrung, sondern die Erregung weicht einer emotionell ag-
gressiven Grundhaltung, die Reich als emotionelle Pest bezeichnet hat.
Die emotionelle Pest ist eine charakterlich aggressive, besonders aktive
und destruktive Reaktion auf die Unterdrückung der Vitalität, die bei
sehr lebendigen, energetisch starken Menschen auftritt.
Man kann den Oranur-Effekt besonders gut an Montagen morgens in
Grundschulen beobachten. Am Wochenende konnte sich die Atmo-
sphäre in den Schulräumen erholen. Wenn dann die Leuchtstoffröhren
am Montag in der Frühe angeschaltet werden, gibt es eine enorme
Oranur-Reaktion, zuerst in der Atmosphäre der Räume, dann in den
Organismen der Menschen. Und das löst besonders bei Kindern sehr
große Erregung aus, führt zu Hyperaktivität und Aggressivität. Viele
Grundschullehrer beschreiben dieses Phänomen und führen es meist
auf die Überreizung zurück, die die Kinder am Wochenende durch Fern-
sehen und gestörte Familienverhältnisse erleiden. Das mag ein Faktor
sein. Aber ich erkenne hier einen deutlichen Oranur-Effekt, denn die
Schulen sind, da sie ausnahmslos mit Leuchtstoffröhren ausgestattet
sind, die mit am stärksten verseuchten Gebäude.

Die technischen Quellen für Oranur und DOR

Die wichtigsten DOR-Quellen sind:


— Leuchtstoffröhren
— Kathodenstrahl-Bildschirme
— Mikrowellengeräte
— Funktelefone
— Klimaanlagen
— starke elektromagnetische Quellen
— Röntgenanlagen
— jede Nuklearquelle, vor allem AKWs
— Hochspannungsleitungen

66
Wenn man sich die Liste von DOR-Quellen ansieht, wird man verste-
hen, welche ungeheure Dimension das DOR-Problem erreicht hat.
Tatsächlich ist jeder Mensch potentiell von der ersten Minute seines
Lebens an (und bereits vor der Geburt) von hohen DOR-Verseuchun-
gen angegriffen. In Arztpraxen, Krankenhäusern, Kindergärten und
Schulen; im Supermarkt, in der U-Bahn, in praktisch allen öffentlichen
Bereichen. Sich dem technischen DOR entziehen zu wollen, käme ei-
ner konsequenten Kulturflucht gleich. Es ist also zur Zeit, solange die
Problematik noch nicht öffentlich breit diskutiert wird, eher die Frage:
Wie können diejenigen Menschen, die sich dieser Umweltgefahr be-
wußt geworden sind, in ihrem eigenen sozialen Umfeld Veränderun-
gen vornehmen?

DOR in medizinischen Praxen und Krankenhäusern

Leider ist das DOR-Problem eine gravierende Problematik in den mei-


sten medizinischen Praxen und Krankenhäusern. Unkenntnis und fal-
sches Verständnis führt dazu, daß überall Leuchtstoffröhren (auch
Energiesparlampen, die als »ökologisch wertvoll« gelten) eingesetzt wer-
den, die in der Masse die größte DOR-Quelle darstellen. Eine einzige
Leuchtstoffröhre reicht aus, einen Raum, eventuell eine ganze Praxis,
energetisch abzutöten. Hier hilft nur eine radikale Umstrukturierung
der Beleuchtungsanlagen.
Auch der oft massive Einsatz von PC-Bildschirmen ist eine solche gra-
vierende Belastung, die eventuell schon durch konsequentes Abschal-
ten nach Gebrauch eingedämmt werden kann.
Eine weitere schwerwiegende DOR-Quelle sind Röntgenanlagen, die
eine DOR-Verseuchung in gesamten Umfeld (z.B. eines gesamten
Wohnkomplexes) mit sich bringen.
Orgon-Akkumulatoren und -Shooter reagieren auf DOR-Belastung oft
sehr stark und sind dann für den Menschen, der die Geräte benutzt,
eine zusätzliche Gesundheitsgefährdung. Wilhelm Reich hat dies im
»Oranur-Experiment« nachgewiesen. Alle anwesenden Personen litten
an Symptomen von Strahlenkrankheit und einer Verschlechterung der
individuellen Erkrankungen. Reich starb in der Folge dieses Experi-
ments, d.h. er hatte drei Herzinfarkte.
Der Einsatz von Orgon-Akkumulatoren in derart belasteten Praxis-
räumen ist daher nicht ratsam. Für eine Orgonbehandlung müßten also
im Einzelfall – wenn keine Abhilfe geschaffen werden kann – andere,
unbelastete Räume gefunden werden.

67
Es wäre jedoch zu kurz gedacht, wollte man die Orgon-Akkumulato-
ren für diese energetische Belastung verantwortlich machen. Im Ge-
genteil: Wenn Orgongeräte in einer Umgebung (einerPraxis) nicht funk-
tionieren oder gar selber zu DOR-Quellen werden, ist dies ein eindeu-
tiger Indikator für die Tatsache, daß dies kein Ort ist, an dem Men-
schen (oder Tiere) einer Heilbehandlung ausgesetzt werden sollten. So
hart diese Beurteilung auch klingt: Viele Praxen und die meisten Kran-
kenhäuser sind energetische Ruinen, Orte, an denen Menschen eher
energetisch erkranken als einen Selbstheilungsprozeß einzuleiten.
Wie sich ein Arzt oder Heilpraktiker entscheidet, der sich in der Situa-
tion sieht, seine Praxis bereits mit vielen DOR-Quellen ausgestattet zu
haben, ist eine Gewissensfrage. Vielleicht werden einige das Meer schla-
gen, anstatt schwimmen zu lernen, also die Orgonomie verwerfen und
die mit eventuell recht hohen Kosten einhergehende Entscheidung
scheuen, Leuchtstoffröhren, PC-Bildschirme und Nuklearquellen aus
der Praxis zu verbannen.
Andererseits werden sich bereits einige Ärzte und Heilpraktiker mit
dem Problemkreis »Elektrosmog« auseinandergesetzt haben und die
Beeinträchtigungen, die derartige negative Energiequellen für jede Heil-
behandlung bedeuten, bereits bemerkt haben. Auch andere energeti-
sche Heilverfahren werden durch DOR-Quellen empfindlich gestört,
ja letztlich sind es die Menschen, die sich in den Praxisräumen aufhal-
ten, die nachhaltig geschädigt werden, also in erster Linie die Ärzte
und Heilpraktiker selber, Arzthelfer/innen, Laboranten/innen.
Die Grundaussage der Orgonomie ist folgende: Wenn die energetische
Situation eines Raumes oder einer Praxis oder eines Hauses zu schlecht
ist, um Orgon-Akkumulatoren dort aufzustellen und zu benutzen, ist die
Atmosphäre in jedem Falle zu schlecht, um sie Menschen und besonders
kranken, d.h. meist energetisch geschwächten Menschen – ob mit oder ohne
Orgon-Akkumulator – zumuten zu können.

Die Kinder der Zukunft

In der langjährigen psycho- und körpertherapeutischen Arbeit war


Wilhelm Reich letztlich sehr pessimistisch geworden hinsichtlich der
Effektivität psychiatrischer Arbeit mit neurotisch verhärteten Erwach-
senen. Sinngemäß sagte er: Einen erwachsenen Menschen kann man
mit therapeutischen Methoden genausowenig zu einem gesunden Men-
schen machen, wie man einen krummen Baum gerade machen kann.
Wirkliche Gesundheit kann es nur geben, wenn Kinder von vornherein

68
emotionell gesund aufwachsen. Daher war eines der Projekte Reichs
das »Orgonomic Infant Research Center«, mit dem die Bedingungen
gesunden Aufwachsens von Kindern erforscht werden sollten.
Schon im Mutterleib werden für das Ungeborene Entwicklungs-
bedingungen geschaffen: Wichtigste Faktoren sind die Vitalität der Mut-
ter und die energetische Versorgung des Fötus. Reich und andere
orgonomische Ärzte empfahlen dringend, den Orgon-Akkumulator
ausgiebig zu nutzen und, wenn möglich, orgon-/vegeto-therapeutische
Betreuung der Mutter.
Wilhelm Reich forderte schon in den 40er Jahren Geburtsbedingun-
gen, die erst später unter dem Begriff »Sanfte Geburt« bekannt wur-
den. Reichs Methoden gehen jedoch weit darüber hinaus, indem der
Mutter mit körpertherapeutischen Methoden äußerst wirksam durch
den Geburtsstreß geholfen wird, was die Geburt auch für das Baby
erheblich vereinfacht.
Schon das Neugeborene kann – mit sehr großen Erfolgsaussichten –
körpertherapeutisch betreut werden. Eva Reich, die Tochter Wilhelm
Reichs, hat als Kinderärztin diese Methoden weiterentwickelt und lehrt
sie bis heute. Sie haben als »Babymassage« auch ihren Weg in die Öf-
fentlichkeit gefunden.
Was Wilhelm Reich unter dem Begriff »Kinder der Zukunft« versteht,
geht jedoch viel weiter: Die Orgonomie ist der wissenschaftliche An-
satz, das Lebendige in seinen Grundfunktionen zu verstehen und Be-
dingungen zu schaffen, damit Kinder emotionell gesund aufwachsen
können. Hier – nur hier in der emotionellen Gesundheit der Kinder
der zukünftigen Generationen – liegt die Chance der Menschheit.

69
Spirituelle Orgonomie:
Die geistige Ebene in der
Wissenschaft des Lebendigen

W enn ich über 40 Jahre nach dem Tode Wilhelm Reichs dieses
Buch vorlege, geschieht dies aus dem Bedürfnis heraus, den
Aspekt der Naturerforschung mit dem Reichschen Werk in Verbin-
dung zu setzen, der im Lebenswerk dieses Forschers so gut wie gar
keine Rolle spielte: die geistige, spirituelle Seite der Natur. Mir ist be-
wußt, daß viele Aussagen dieses Buches mit den veröffentlichten Ar-
beiten der Orgonomie in krassem Widerspruch stehen. Doch ich mei-
ne, diese Widersprüche lassen sich aufklären.
Ich beziehe mich mit spirituellen Inhalten auf Wilhelm Reich, weil ich
mit ihm in den letzten Jahren seit 1995 in vielen langen Gesprächen auf
der spirituellen Ebene in Verbindung getreten bin und es als meine Auf-
gabe sehe, diese Inhalte in derselben sachlichen und engagierten Weise
öffentlich zu vertreten, wie Reich das mit seinen Entdeckungen zu Leb-
zeiten tat. Auch Reich hat seine Erkenntnisse veröffentlicht, ohne je-
mals Rücksicht darauf zu nehmen, was »die Leute« dazu sagen könn-
ten. Er war viel zu sehr davon überzeugt, Schlüsselfragen der Mensch-
heit enträtselt zu haben, als dabei auf so etwas wie seinen wissenschaft-
lichen Ruf zu achten. Und konsequenterweise wurde er geächtet und
ist es heute noch.
Ich kenne die Angst der konservativen Orgonomen, ich könnte durch
meine Veröffentlichungen das langsam erwachende Interesse an der Or-
gonomie vollends ruinieren, indem ich »mystische Inhalte« mit der Or-
gonomie verquicke. Mag sein, daß nun manche etablierte Wissenschaft-
ler und Mediziner tatsächlich meinen, die Orgonomie weiche auf das
Feld der Esoterik aus, da sie in der Naturwissenschaft keine Zukunft
sehe. Dazu möchte ich folgendes sagen: Ich bin weder Naturwissen-
schaftler noch Mediziner, und ich taste das veröffentlichte Werk Reichs
in keinem wesentlichen Punkt an. Allein die Aussagen Reichs über die
Einschätzung der psychiatrischen Hintergründe spiritueller Erkennt-
nis müssen relativiert werden, indem wir uns genauer ansehen müssen,

70
aus welchen Motiven heraus Menschen nach der Gotteserkenntnis stre-
ben und ob es tatsächlich in jedem Fall Ausdruck einer neurotischen
Charakterhaltung ist, wenn sich Menschen diesem Thema ernsthaft
stellen. Zum anderen – und das ist für meine Einschätzung der Situati-
on weitaus wichtiger – begehen wir einen entscheidenden Fehler, wenn
wir das Feld der spirituellen Erkenntnis pauschal dem Irrationalismus
preisgeben. Das ist zu einfach und produziert genau das, was vermeint-
lich verhindert werden soll: die Spaltung des Individuums in einen ra-
tionalen, »gesunden«, diesseitigen und in einen irrationalen, »neuroti-
schen«, spirituellen Menschen. Wenn die Orgonomie tatsächlich für
sich in Anspruch nehmen will, das Lebendige auf funktionalistische,
rational nachvollziehbare Weise erklären zu können, müßte eine prin-
zipielle Abwendung von der Spiritualität bedeuten, daß hier ausschließ-
lich lebensverneinende Prinzipien am Werk sind. Dann wäre die göttli-
che Ebene und die menschliche Gotteserfahrung tatsächlich »der Feind«
der Orgonomie und des Lebendigen schlechthin.
Ich frage mich jedoch, warum so viele Menschen, die heute weltweit in
der Orgonomie tätig sind und öffentlich als ihre Vertreter in Erschei-
nung treten – was ja wohl voraussetzt, daß sie sich sowohl von ihren
Kenntnissen als auch von ihren charakterlichen Eigenschaften dafür als
geeignet einschätzen – sowohl privat und manchmal auch öffentlich
mit spirituellen Inhalten arbeiten. Privat an Gott oder Buddha zu glau-
ben und zu beten und gleichzeitig orgonomisch zu arbeiten, müßte
sich dann von selbst verbieten, es sei denn, man praktiziert genau die
Doppelmoral, die sich sehr leicht als Ausdruck einer neurotischen Angst
vor »Entdeckung« identifizieren ließe.
Wilhelm Reichs Entdeckung der Orgon-Energie war eine wissenschaft-
liche Revolution, deren Ausmaß wir heute erst zu ahnen beginnen. Auch
wenn sich seine Hoffnung, die er 1951 formulierte, daß sich seine Ar-
beit in das naturwissenschaftliche Weltbild einfügen ließe und zu einer
grundsätzlichen Neubewertung des Lebendigen in der Natur führen
würde, nicht umsetzte, und die Orgonomie als Wissenschaft des Leben-
digen seit dem Tode Reichs 1957 ein Schattendasein fristete, haben sich
Teilaspekte seines Werkes in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen
erstaunlich umfassend umgesetzt. Vor allem in der Körperpsychothera-
pie sind die Erkenntnisse Reichs zur Grundlage einer autonomen
Therapiebewegung geworden, die sich unabhängig von staatlichen, uni-
versitären Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse entwickelt
hat. Reichs Konzept einer allumfassenden Lebensenergie, die er als die
grundlegende physikalische Kraft darstellte, die allen lebendigen Pro-
zessen zugrundeliegt, konnte sich jedoch weder in der Physik noch in

71
der Medizin umsetzen. Zu stark waren die Widerstände des etablierten
wissenschaftlichen Apparats, und Reich wußte, wie sehr sein Paradig-
ma in das festgefügte wissenschaftliche Weltbild eingreift. Dennoch be-
ginnt auch in der alternativen Medizin ein langsamer Wandel. Nach-
dem traditionelle, vor allem asiatische Lebensenergiekonzepte über die
Akupunktur und verwandte Systeme einen festen Platz in der Natur-
heilkunde fanden, entstand hier eine Ansicht von der Natur des Leben-
digen, die der Arbeit Reichs insofern sehr entgegenkam, als diese Sy-
steme ebenfalls davon ausgehen, daß eine grundlegende Energie das
Lebendige in der Natur bestimmt. Hinzu kamen naturheilkundliche
Konzepte wie z.B. Homöopathie und Bach-Blüten, die davon ausgehen,
daß der Organismus über feinstoffliche, d.h. nicht-materielle Informa-
tionen in seinen Regulationsprozessen beeinflußt werden kann. Die Ver-
bindung der traditionellen asiatischen Medizin mit der feinstofflichen
Informationsübertragung führte zu eigenständigen Methoden der Elek-
troakupunktur und den Bioresonanzverfahren. Auch wenn all diese Me-
thoden recht wenig mit der medizinischen Arbeit Reichs zu tun haben,
entwickelte sich eine langsame Änderung in der Einstellung gegenüber
lebendigen Prozessen. In vielen anderen Bereichen wirkten die Arbei-
ten Reichs ebenfalls – mehr oder weniger hintergründig – vor allem in
gesellschaftlichen Prozessen, d.h. einer allgemeinen Änderung in der
Einstellung gegenüber der Sexualität, der Kindererziehung, allgemein
der Bedeutung privater, lebensbejahender Organisation für die gesell-
schaftliche Entwicklung.
Auch wenn diese Begriffe in vielen Köpfen andere Assoziationen her-
vorrufen mag, als ich hier ansprechen will: Was Reich Sexualökonomie
nannte, und was wir als Sexuelle Revolution begreifen, ist das prakti-
sche Ergebnis der Änderung von Lebenseinstellungen in der Folge der
Studentenbewegung der 60er Jahre.
In vielen anderen Bereichen war Reich visionär. Er forderte bereits in
den 40er Jahren für seine Patientinnen und deren Säuglinge das, was
heute als Sanfte Geburt bekannt ist und weltweit praktiziert wird. Seine
Erkenntnisse über die DOR-Erkrankung der Atmosphäre ließ ihn An-
fang der 40er Jahre die Klimakatastrophe voraussagen, die dramatische
Ausbreitung der Wüsten und das Baumsterben. Er war der erste Natur-
wissenschaftler, der sich ernsthaft und systematisch mit dem Phäno-
men der Ufos auseinandersetzte und darüber publizierte.
Reichs Erkenntnisse waren zu umfassend, zu früh und zu revolutionär,
um sich unproblematisch in unser Weltbild einfügen zu lassen. So ist es
die Aufgabe unserer und folgender Generationen, sich mit seinem Werk
auseinanderzusetzen und die Quelle des Wissens für einen langsamen

72
Fortschritt in Richtung der Unterstützung lebensbejahender Entwick-
lungen in Wissenschaft und Gesellschaft zu nutzen.
Dieses Buch bezieht sich auf einen Aspekt lebendiger Existenz und
menschlicher Erfahrung, der bisher zum Werk Wilhelm Reichs über-
haupt keine Verbindung zu haben schien: die spirituelle Erfahrung. Reich
war ein ausgesprochen diesseitiger, streng naturwissenschaftlich den-
kender Mensch und sah sein Werk in der Tradition von Freud und Marx.
Alle esoterischen und mystischen Konzepte lagen ihm fern. Insofern
ist dieses Buch ein deutlicher Bruch mit den wissenschaftlichen
Reichschen Traditionen. Und ich möchte von vornherein klarstellen,
daß ich die Reichsche naturwissenschaftliche Orientierung in Medizin,
Physik, Ökologie und vielen anderen Bereichen in keiner Weise anta-
sten möchte. Ich bin auch keineswegs ein Verfechter der Annahme, das
Werk Wilhelm Reichs gehöre in irgendeinem Aspekt in die esoterische
Ecke, nur weil die aktuelle naturwissenschaftliche Diskussion sich nicht
auf einer angemessenen Ebene mit Wilhelm Reich auseinandersetzen
mag und ihn gerne dorthin abschieben möchte.
Doch gehe ich davon aus, daß die Spiritualität neben der Sexualität die
zweite große treibende Kraft in der Natur ist. Menschen haben von
jeher nach geistiger Vervollkommnung, nach einem Weg zurück zur
ursprünglichen Göttlichkeit gesucht. Während die Sexualität das be-
wegende Element in allen materiellen Naturprozessen darstellt, ist die
Spiritualität des Menschen die Ebene der geistigen Erfahrung, die eben-
falls zum Lebendigen gehört. Ich sehe keinen Sinn darin, Gott als Quelle
alles Existierenden also auch des Lebendigen zu leugnen, nur weil ich
Wilhelm Reich und die Orgonomie als das umfassendste Erklärungs-
modell für die Erkenntnis von Naturprozessen akzeptiert habe. Die
Verbindung zwischen dem Reichschen Werk und der Ebene der Spiri-
tualität zu finden, ist jedoch nicht einfach, schon gar nicht banal. Zu
viele deutliche Äußerungen Reichs in seinem Werk leugnen, daß es eine
rationale Ebene geben könnte, die Suche nach Gott und die Vereini-
gung mit ihm anders zu beurteilen, als eine neurotische Entgleisung
des Menschen, der versucht hat, Naturprozesse, die er sich rational nicht
erklären konnte zu mystifizieren und einem übernatürlichen Wesen oder
jenseitigen Instanz zuzuschreiben.
Ich habe in den letzten ca. 25 Jahren über den Zusammenhang zwi-
schen Orgonomie und Spiritualität nachgedacht, mich mit Freunden
und Mitarbeitern darüber ausgetauscht und auch mit Zeitzeugen Wil-
helm Reichs darüber geredet. Viele dieser Menschen stellen sich auf
den traditionellen Reichschen Standpunkt und meinen, Spiritualität sei
überflüssig und unangebracht, sobald man begonnen habe, sich nicht

73
nur theoretisch, sondern in seiner Lebensführung auch praktisch auf
orgonomische Erkenntnisse zu beziehen. Ich achte diesen Standpunkt
und möchte keinen Menschen angreifen, der sich selber in dieser Form
als energetischer Materialist begreift. Doch andererseits habe ich gerade
unter den ernsthaften Reichianern viele Menschen getroffen, die den-
noch eine ausgeprägte spirituelle Einstellung haben, die gerade deshalb
von diesen Menschen sehr ernst genommen wird, weil sie sich entschlos-
sen haben, das Lebendige in sich selber nicht zu verleugnen und ein
integriertes Leben zu leben. Sie wollen und können nicht einzelne
Aspekte des Menschseins von anderen trennen, weil es unmöglich
scheint, alles unter einem gemeinsamen rationalen Gesichtspunkt zu
begreifen. Und das ist für Reichianer nicht einfach und führt meist
zwangsläufig zu einer gewissen »Privatphilosophie«. Ich habe selber in
all den Jahren, seitdem ich mich mit dem Reichschen Werk beschäftigt
habe, mich in diesem persönlichen Konflikt befunden und eine von
mir oft bedauerte »doppelte Existenz« geführt, als rationaler, naturwis-
senschaftlicher Reichianer einerseits und als spirituell Suchender ande-
rerseits. Die jeweiligen Erklärungsmodelle, mit denen ich versucht habe,
aus dieser praktischen Gespaltenheit meiner tatsächlich gelebten Exi-
stenz ein für mich und für andere nachvollziehbares Ganzes zu ma-
chen, haben mich ganz und gar nicht befriedigen können. Die Wider-
sprüche schienen letztlich unüberbrückbar zu sein.
Erst die Begegnung mit dem jenseitigen Wilhelm Reich, der sich über
Medien mit mir Verbindung setzte, hat diese Widersprüche ausräumen
können. Indem ich diese Verbindung ernst nahm, aus tiefer innerer
Überzeugung, es tatsächlich mit Wilhelm Reich und einer ganzen Rei-
he anderer hochentwickelter Wesen zu tun zu haben, die sich mit mir
aus dem Jenseits in Verbindung setzen, habe ich eine Schwelle übertre-
ten. Ich kann die Tatsächlichkeit dieser Begegnungen nicht beweisen,
obwohl sie in jedem Aspekt der Wahrheit entsprechen, so wie Reich
Wahrheit beschrieben hat. Doch indem ich die Probleme der Integrati-
on spiritueller und diesseitiger Erfahrung und Wahrnehmung nun von
der spirituellen Seite her betrachten und zu einem gemeinsamen Er-
kenntnisbild zusammensetzen konnte, ergaben sich auch für die orgo-
nomische Erkenntnis selber völlig neue Dimensionen.
Ich begann, die spirituelle Ebene mit den theoretischen Methoden zu
erarbeiten, die Wilhelm Reich für seine eigene wissenschaftliche Arbeit
angewendet hat, dem orgonomischen Funktionalismus. Kernpunkt die-
ser Forschungsmethode ist, Naturphänomene aufgrund ihrer Offen-
sichtlichkeit der Wahrnehmung zu betrachten, ausgehend von der all-
gemeinsten, umfassendsten Beobachtung, und von dort aus die ver-

74
schiedenen sich ergebenden Funktionen dieser allgemeinen Grundla-
ge, die sich zum Besonderen, Komplexen hinentwickeln. Diese Grund-
lage ist im materiellen Naturbereich die Orgon-Energie, im Bereich
des Geistigen ist es Gott. Wir können mit derselben Rationalität, mit
der Reich die materiellen Naturfunktionen funktionalistisch betrach-
tet hat, auch die geistigen Naturfunktionen ansehen. Für diejenigen,
die sich weiterhin auf das Erkenntnismodell des energetischen Mate-
rialismus stützen, habe ich mit diesem Schritt die Ebene der Orgono-
mie verlassen und mich auf die Mystik eingelassen. Ich kann nieman-
dem beweisen, daß diese Erkenntnisebene nicht Ausdruck meiner ei-
genen neurotischen Struktur ist, aber auch diejenigen, die an der mate-
rialistischen Sicht festhalten und eine Erweiterung orgonomischen Den-
kens auf die spirituelle Dimension ablehnen, können nicht beweisen,
daß sie dies nicht aus Angst tun. Es wäre mein großer Wunsch, daß wir
Menschen und vor allem diejenigen, die sich selber als Orgonomen oder
Reichianer begreifen, davon Abstand nehmen, unsere eigene Wahrheit
dadurch beweisen zu wollen, indem wir die Wahrheit anderer, genauso
ernsthaft und gutwillig arbeitender Menschen bekämpfen, schmähen
und öffentlich denunzieren. Das baut Feindbilder auf und ist nichts
anderes als der Ausdruck geistiger Verrohung, die leider gerade in der
wissenschaftlichen Auseinandersetzung gang und gäbe ist. Ich vermag
nicht zu sagen, wie »absolut wahr« das ist, was ich in diesem Buch erar-
beitet habe, und das können auch die anderen nicht, die glauben, dies
angreifen zu müssen. Wie jedes Vordringen in neue unerforschte Berei-
che der Existenz, kann sich die Brauchbarkeit erst im Laufe der Zeit
zeigen. Indem ich mich mit diesen Gedanken der Öffentlichkeit zeige,
öffne ich mich zwangsläufig der Kritik, auch der destruktiven. Es ist
mein erklärtes Ziel, auf diese Angriffe nicht in derselben Weise zu rea-
gieren. Daher fehlt in diesem Buch auch das »Feindbild« des materiali-
stisch denkenden Menschen. Das ist kein spezieller Spleen von mir,
sondern einerseits Folge der konsequenten Anwendung der funktiona-
listischen Denkmethode und andererseits Ausdruck der Tatsache, daß
ich bemüht bin, die geistigen Prinzipien, über die ich schreibe, selber
konsequent anzuwenden. Wenn mir das in Teilen nicht gelungen sein
mag, wenn ich mit dem, was ich schreibe, dennoch dem einen oder
anderen zu nahe getreten sein mag, dann bitte ich, das meiner eigenen
menschlichen Unzulänglichkeit zuzuschreiben.

75
Geistiger Funktionalismus

Wilhelm Reichs Forschungen beziehen sich auf das Lebendige in der


Natur und im Menschen. Sein besonderer Verdienst liegt darin, das
Leben als materialistischer Wissenschaftler in Kategorien und Verständ-
nisebenen zu beschreiben, die weder mechanistisch noch mystisch sind.
Die materialistische Wissenschaft hatte das spezifisch Lebendige nicht
erklären können. So ist Leben für die konventionelle Naturwissenschaft
immer noch das Resultat von chemischen und physikalischen Vorgän-
gen, Stoffwechselprozessen und elektrischen Signale n auf Nerven-
bahnen. Auch wenn die Details lebendiger Funktionen korrekt beschrie-
ben sein mögen, konnte das spezifisch Lebendige nicht erklärt werden.
Der lebendige Organismus erscheint wie eine Maschine, die nach be-
stimmten Kriterien funktioniert, die bei Funktionsstörungen repariert
wird und die bei Ausfall zentraler Elemente das Funktionieren einstellt,
also stirbt. Aber was das Eigentliche, der wesentliche Unterschied ist
zwischen einem toten und einem lebendigen Ding, wird aus den Krite-
rien der mechanistischen Wissenschaft nicht deutlich.
Die andere Seite, die mystische, erklärt das Leben als göttlich, aber eben-
so leider auch als unverständlich. So werden natürliche Funktionsab-
läufe wie Sexualität, Fortpflanzung, Tod, aber auch lebendige Bewe-
gung, Lust und Angst in Kriterien erfaßt, die der rationalen Erkenntnis
nicht mehr zugänglich sind. Indem die Natur als unerklärlich begriffen
wird, entzieht sich alles Lebendige der rationalen Erkenntnis.
Das praktische Ergebnis mechanistischer Erklärung des Lebendigen und
mystischer Naturauffassung ist die mechanistisch-mystische Einstel-
lung, die der Erfahrung des neurotischen Normalbürgers entspricht.
Der »rationale« Anteil des Menschen begreift die Natur als prinzipiell
erklärbar über »Naturgesetze«, der »irrationale« Anteil glaubt an über-
natürliche Kräfte in der Natur. Die Menschen leben in einer realen
Zweiteilung der Natur: einen naturgesetzlichen Teil, in dem Atome
gespalten und Medikamente hergestellt werden, in dem des Fernsehen
bewegte Bilder überträgt und Menschen zum Mond fliegen. Und einen
gottesgesetzlichen Teil, in dem Menschen mit einer Seele geboren wer-
den und nach dem Tode in ein Jenseits gehen, in dem sie religiös sind
oder andere an Magie glauben, in dem sie Sünden bereuen oder an die
Macht des Karma glauben. Eine Versöhnung dieser beiden Anteile der
Natur scheint unmöglich, es ist nur möglich, sich auf der jeweils ange-
messenen Seite aufzuhalten. Wer diese Spannung nicht aushält, schlägt
sich notgedrungen auf eine Seite und versucht die jeweils andere zu

76
leugnen: So bekämpfen die konsequenten Materialisten jeden Gedan-
ken an Gott, aber sie werden »Phänomenen« wie Liebe und Tod recht
hilflos gegenüberstehen und müssen einen Teil der existenten Natur
als »unerklärlich« einstufen. Auf Seiten der konsequenten Mystiker gibt
es Erscheinungen wie Sekten, die die Anschauungen der Bibel als Na-
turgesetz akzeptieren und z.B. Genvererbung leugnen. Es gibt Schulen
in den USA, in denen auch heute noch die Gedanken Darwins nicht
gelehrt werden dürfen, weil sie im Widerspruch zu Aussagen der Bibel
stehen.
Wilhelm Reich hatte geglaubt, im orgonomischen Funktionalismus ei-
nen Ausweg gefunden zu haben. Und so beschreibt er das Lebendige
als Funktion einer lebendigen Energie, die sich ebenso auch in den Din-
gen organisiert und die von den Menschen auch »Gott« genannt wird.
Würde diese Grundannahme stimmen, dann hätte er damit recht, daß
es eine allumfassende physikalische Energie ist, die sich lediglich in
Funktionen aufspaltet und die von Menschen jeweils unterschiedlich
wahrgenommen wird, als »Leben«, als »Materie« und als »Gott«. Da-
mit hätte er das Lebendige erfaßbar gemacht, zumindest begreifbarer
und nachvollziehbarer als es über Materialismus und Mystizismus
möglich war.
Dennoch kann auch der Ansatz des orgonomischen Funktionalismus
nicht leugnen, daß er eine materialistische Grundlage hat. Zwar nimmt
Reich in seinem späten Werk an, daß die lebendige Orgon-Energie ein
eigenes Bewußtsein hat, daß sie sich zielgerichtet und intelligent ver-
hält, aber er hat diesen Aspekt, den geistigen Aspekt der Orgon-Ener-
gie, nie systematisch untersucht. Orgon-Energie ist für Reich bis zu-
letzt eine physikalische Kraft und »Gott« ist die Metapher, die die Men-
schen erfunden haben, um sich die mannigfaltigen Funktionen der
Orgon-Energie erklären zu können. Die geistige, spirituelle Erkennt-
nis bleibt für Reich die menschliche Ersatzfunktion, die wir benötigen,
weil wir die Naturfunktionen über Naturgesetze noch nicht umfassend
erklären können. Der orgonomische Funktionalismus geht über den
Materialismus nicht hinaus, weil er die lebendige Energie immer noch
als Teil der materialistischen Welt – und nur der materialistischen Welt
– begreift.
Wenn Reich in »Man´s Roots in Nature« schreibt: Und ich denke, die
Diskussionen der Zukunft werden hier an dieser Grenzlinie stattfinden.
Wahrnehmung, Bewußtsein, Selbsterkenntnis und Geist, absoluter Gott,
wird genau dieser Widerspruch, über den ich hier schreibe, thematisiert.
Seitdem ich im Dezember 1995 begonnen habe, auf medialem Wege
mit dem jenseitigen Wilhelm Reich in Kontakt zu treten, stellte sich

77
immer deutlicher die Frage, wie sich die Widersprüche zwischen dem
Lebenswerk Wilhelm Reichs, wie es zum großen Teil veröffentlicht ist,
und den Aussagen des jenseitigen Reichs vereinbaren lassen. Ich möchte
hier die Arbeitsmethode, die Wilhelm Reich unter dem Begriff »orgo-
nomischer Funktionalismus« zusammengefaßt hat, auf das anwenden,
was wir allgemein unter »Spiritualität« fassen, die Ebene der geistigen
Erkenntnis.
Mir ist vorgeworfen worden, die Orgonomie zu mystifizieren, und vor-
ausgesetzt, die Realität wird unter einem materialistischen Grundan-
satz betrachtet, ist dieser Vorwurf nicht unberechtigt. Schließlich hat
Reich die orgonomische Wissenschaft nach streng materialistischen na-
turwissenschaftlichen Kriterien erarbeitet. Die Hintergründe Reichs
sind in der Psychoanalyse, der klassischen Medizin und dem Dialekti-
schen Materialismus zu finden, alles Ansätze, die sich streng der mate-
rialistischen Sichtweise verschrieben haben und in jeder Beziehung un-
verdächtig sind, irgendeine spirituelle Ebene zu transportieren.
Ich möchte dieser Kritik an dieser Stelle begegnen – und mich in der
Folge nicht weiter mit diesem Konflikt auseinandersetzen – um klar-
zustellen, daß mein Ansatz der ist, die rationale und streng wissen-
schaftliche Art der Betrachtung der Welt aus der Sicht des orgonomi-
schen Funktionalismus auf die geistige Welt anzuwenden und diese da-
durch zu entmystifizieren. Mein Ansatz ist also nicht primär, spirituel-
le Inhalte in die Orgonomie hineinzubringen (obwohl dies daraus folgt),
sondern die Erkenntnisse der funktionalistischen Sichtweise auf die gei-
stige Erkenntnisebene anzuwenden.
Tatsächlich ist Spiritualität eine Ebene menschlicher Erfahrung – jeder
Mensch glaubt irgendetwas, sei es, daß er als konsequenter Materialist
glaubt, die materielle Welt sei die einzig existente, als Nihilist, daß letzt-
lich gar nichts existiert, als Christ, d.h. als theistisch Gläubiger, daß ein
Schöpfergott Ursache der eigenen Existenz ist oder als Buddhist, d.h.
Nicht-Theist, daß alle Wesen aus sich selbst heraus erschaffen wurden.
Es ist nicht nur legitim, sich die geistige Welt unter funktionalistischen
Gesichtpunkten anzuschauen, sondern von meinem Standpunkther völ-
lig rational. Irrational wäre es, eine Wahrheit, die sich mir und vielen
anderen Menschen als tägliche Erfahrung anbietet, nur deshalb nicht
zu erforschen, weil die Behauptung im Raume steht, sie sei Ausdruck
sich irrational äußernder sekundärer Triebe oder vereinfacht gesagt: ei-
ner destruktiven Sexualität.

78
Wissenschaft und offensichtliche Wahrnehmung

Wilhelm Reich hat mit seiner Entdeckung der Lebensenergie ein neues
Paradigma geschaffen. Grundlage dieser Entdeckung war seine Wahr-
nehmung und daraufhin die konsequente Erforschung aller Phänome-
ne der Orgon-Energie mit den Mitteln, die er hatte. Sein Paradigma hat
sich entgegen seiner Einschätzung nicht als Basis wissenschaftlichen
Denkens durchsetzen können, es ist in einem wissenschaftlichen Rand-
bereich steckengeblieben und wird in einem gesellschaftlichen Rand-
bereich von Ärzten und Körpertherapeuten praktisch genutzt und von
wenigen Wissenschaftlern ernsthaft erforscht.
Andererseits gibt es viele andere Bereiche empirischer wissenschaftli-
cher Erkenntnis, die sich als praktikabel, aber nicht beweisbar im na-
turwissenschaftlichen Sinne erwiesen haben, die sich auf ein Lebens-
energiekonzept beziehen, z.B. eine große Zahl erfahrungsheilkundli-
cher Systeme, wie die Traditionelle Chinesische Medizin, die Homöo-
pathie, Bach-Blüten usw. Diesen empirischen Systemen wird ähnlich
wie der Orgonomie Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen, weil sie nicht
in das herrschende Paradigmensystem hineinpassen, auch wenn sie
hunderttausendfach bewiesen haben, daß sie zu eindeutigen Ergebnis-
sen führen. Es ist also offensichtlich, daß Wahrnehmung und Wahrheit
wenig damit zu tun hat, ob sich eine wissenschaftliche Erkenntnis durch-
setzt.
Wilhelm Reich hat herausgefunden, daß auf der materiellen Ebene eine
massefreie Energie Ursache aller Phänomene ist, und daß diese Ener-
gie den gesamten Raum erfüllt, und damit ist er mit einem physikali-
schen Paradigma kollidiert, das besagt, daß Atome und noch kleinere
Teilchen die Ursache aller materiellen Phänomene sind. Zwar ist die
theoretische Physik heute auch schon soweit, zuzugestehen, daß der
Raum zwischen Atomen und Elementarteilchen leer ist und ein Vielfa-
ches dessen ausmacht, was die Atome selber an Raum einnehmen. D.h.,
der Raum ist leer und darin verteilt sind verschwindend geringe Atome
– dennoch sehen, fühlen und erfahren wir die Materie und niemand
mag sich ernsthaft darauf beziehen, was uns die theoretische Physik
sagt. Es ist also genauso offensichtlich, daß auch die Erkenntnisse in
der klassischen materialistischen Wissenschaft sich nicht ohne weiteres
als Wahrheit wahrnehmen lassen.
Der orgonomische Funktionalismus geht davon aus, Phänomene auf-
grund ihrer Offensichtlichkeit der Wahrnehmung zu betrachten,
ausehend von der allgemeinsten, umfassendsten Aussage. Ich will hier

79
keine Einführung in das funktionalistische Denkgebäude geben. Wer
sich intensiver mit diesem Hintergrund der Orgonomie beschäftigen
will, sollte Reichs Buch »Äther, Gott und Teufel« lesen.
In der Beweisführung für die Tatsachen, auf die sich die Orgonomie
stützt, d.h. die Existenz einer umfassenden kosmischen Energie, die er
Orgon nannte, stieß Reich auf ein nicht unerhebliches Problem: Er selbst
und viele andere, die er in seine Arbeit einführte, konnte die Orgon-
energie wahrnehmen, aber die Wahrnehmbarkeit ist an spezielle Fähig-
keiten gekoppelt, die zwar nicht besonders schwer erworben werden
können, aber real nur einem kleinen Teil der Menschen zugänglich sind,
die sich die Mühe machen, einen Orgon-Akkumulator zu benutzen
und sich bei eingeschränkter Wahrnehmung körpertherapeutisch be-
treuen zu lassen. So gut wie jeder Mensch, der diese Kriterien akzep-
tiert, kann die entsprechenden Wahrnehmungen machen und die von
Reich postulierten Behauptungen mit eigenen Erfahrungen verifizie-
ren. (Die physikalischen Beweise, die Reich vorlegte, wie Temperatur-
Experiment To-T oder entsprechende Experimente mit Elektroskop
oder Geigerzähler, können nur als unterstützende Werkzeuge gelten,
zumindest, solange die klassische Physik diese Methoden nicht als Be-
weis anerkennt.)
Sind die energetischen Wahrnehmungsfähigkeiten des experimentieren-
den Wissenschaftlers gestört, dann geht dies einher mit emotionell-kör-
perlichen Blockierungen, die sich auch durch enge geistige Haltungen
ausdrücken, und da ein Großteil der Wissenschaftler, die sich mit
Grundlagenforschung beschäftigen, besonders ausgeprägt an energeti-
schen Blockierungen leiden, wird sich das Reichsche Paradigma zunächst
nicht durchsetzen können. Tatsächlich ist Reichs Ansatz dadurch nicht
unwissenschaftlicher, er ist jedoch nicht verifizierbar, solange die Men-
schen glauben, daß jeder Wissenschaftler an jedem Ort die entspre-
chenden Experimente durchführen können muß. Bis heute scheitert
der Reichsche Ansatz daran, daß die Funktion der Lebendigkeit des-
sen, der das Experiment durchführt, ein Teil des Experiments ist.
Die Orgonomie Wilhelm Reichs soll in keiner Weise angetastet wer-
den, mehr noch: Die Erkenntnis Reichs, daß eine Lebensenergie Grund-
lage aller materiellen Existenz ist, soll bestätigt werden, da die geistige
Sichtweise überhaupt nicht in Frage stellt, daß es Materie gibt und daß
es selbstverständlich eine physikalische Welt gibt, innerhalb der wir le-
ben und wahrnehmen. Reichs Erkenntnisse über die Funktionen des
Lebendigen, die auf einer materialistischen Sicht der Welt beruhen, trans-
zendieren die materialistische Wissenschaft, sie machen verständlich,
daß das Lebendige nicht eine nebensächliche Spielart der materiellen

80
Welt ist, sondern die Ebene, auf der sich eine lebendige, intelligente
Energie selbst erfährt, und die sich in der Form menschlicher Existenz
ihrer selbst bewußt wird.
Reich, der sich selbst nie als religiös oder spirituell sah und wenige Äu-
ßerungen gemacht hat, die auf eine geistige, jenseitige Ausrichtung hin-
deuteten, gestand zum Ende seines Lebens ein, daß an dieser Stelle der
Übergang zwischen materieller Wissenschaft und religiöser, geistiger
Erkenntnis liegt, und vermutete, daß der nächste Forschungsschritt in
Richtung Gott gehen müßte:
Jede echte Religion entspricht der kosmischen, der »ozeanischen« Er-
fahrung des Menschen. Jede echte Religion enthält die Erfahrung des
Einsseins mit einer allgegenwärtigen Macht und zugleich einer zeit-
weiligen, schmerzlichen Trennung von dieser Macht. Die ewige Sehn-
sucht zum eigenen Ursprung ... nach dem Wiedereingebettetsein im
»Ewigen«, durchzieht alle menschliche Sehnsucht. Sie wirkt am Grun-
de der großartigen intellektuellen und künstlerischen Schöpfung des
Menschen, sie ist im Innern aller Sehnsucht der Jugendzeit; sie beflü-
gelt alle großen gesellschaftlichen Entwürfe. Es scheint so, als strebe der
Mensch danach, seine Trennung vom kosmischen Ozean zu begreifen;
Vorstellungen wie »Sünde« haben ihren Ursprung in einem Versuch,
diese Trennung zu erklären. Es muß einen Grund dafür geben, daß der
Mensch nicht mit »Gott« vereint ist; es muß einen Weg geben, diese
Vereinigung wieder herzustellen, zurückzukehren, heimzukommen.
(Wilhelm Reich, Äther, Gott und Teufel, Nexus Verlag, Frankfurt/
Main, 2. Auflage, 1984, S. 128)
I learned to respect religious thought. I have to confess that. I didn’t
twenty years ago. I began to see how deep the religious probing goes,
how deep down, even though it is mystical. In reading Buddha or Christ
or any other theory, it’s incredible how much these founders of religion
knew about the orgonotic functioning. It’s incredible! Disguised, or
not in scientific terms, but the basic cosmic laws were known somehow.
And here I think the discussions of the future will take place, this
borderline here. Perception, consciousness, selfawareness, and spirit,
absolute God. (Wilhelm Reich, Man’s Roots in Nature, in: Orgo-
nomic Functionalism, Vol. 2, The Wilhelm Reich Museum, Rangeley/
Maine, 1990)
Übersetzung von mir:
Ich lernte, den religiösen Gedanken zu respektieren. Ich muß es beken-
nen. Vor zwanzig Jahren tat ich das noch nicht. Ich begann zu erken-
nen, wie tief die religiöse Suche geht, wie tief hinunter, obwohl sie my-
stisch ist. Wenn man Buddha oder Christus oder andere Theorien liest,

81
ist es unglaublich, wie viel diese Religionsstifter über das orgonotische
Funktionieren wußten. Es ist unglaublich! Versteckt und nicht in wis-
senschaftlichen Begriffen, aber die grundlegenden kosmischen Gesetzte
waren irgendwie bekannt. Und ich denke, die Diskussionen der Zu-
kunft werden hier an dieser Grenzlinie stattfinden. Wahrnehmung, Be-
wußtsein, Selbsterkenntnis und Geist, absoluter Gott.

An anderer Stelle, die ich leider nicht finde und daher nur sinngemäß
zitieren kann, sagte Reich, daß er der Überzeugung ist, daß der Mensch
diejenige Erscheinungsform der Orgonenergie ist, in der sich diese En-
ergie, der er eine eigene kosmische Intelligenz zumaß, ihrer selbst be-
wußt wird, indem sie anfängt, sich selbst wahrzunehmen und darüber
zu reflektieren. An anderer Stelle schreibt er, daß er überzeugt ist, daß
sich das orgonotische System Mensch im Tod in den allgemeinen kos-
mischen Ozean von Orgonenergie auflöst.
All diese Zitate können nicht darüber hinwegtäuschen, daß Reich nie
den Versuch gemacht hat, spirituelle Lehren zu verbreiten, denn er hat
der spirituellen Erfahrung sehr skeptisch gegenübergestanden. Seine
Haltung war geprägt vom tiefen Mißtrauen gegenüber allem Klerus,
den er zu recht für einen der Grundpfeiler der organisierten emotio-
nellen Pest ansah, und der Tatsache, daß sich diejenigen seiner Patien-
ten, die ihn mit einer religiösen Einstellung aufsuchten, diese sehr bald
aufgaben, sobald sie über die Orgontherapie an ihre eigenen tiefen kos-
mischen Gefühle herankamen und lernten, über die Sexualität Glück
erfahren zu können. Er nahm wahr, daß religiöse Erfahrung hauptsäch-
lich aus fehlgeleiteten sexuellen Antrieben gespeist wurde, die zumeist
noch durch zurückgedrängte sadistische Pervertierungen besonders
stark im Unbewußten gehalten wurden. Diesen Erkenntnissen Reichs
soll hier nicht widersprochen werden. Sie geben jedoch nur Auskunft
darüber, wie hoffnungslos verloren Menschen sind, wenn sie sich in-
nerhalb des herrschenden Geflechts von Neurosen, organisierter staat-
licher und kirchlicher emotioneller Pest und Unwissen versuchen, sich
der spirituellen Arbeit anzunähern.
Die Aussagen Reichs, die ich oben zitiert haben, sind dennoch erstaun-
lich, wenn man bedenkt, daß sie von einem Menschen getroffen wurde,
der erklärter Materialist war. Es ist kaum möglich, die Funktionen des
Geistes treffender zu beschreiben, wenn man die Göttlichkeit als Ur-
grund aller Existenz nicht anerkennt. Ich kenne jedenfalls keine ent-
sprechenden Äußerungen materialistischer Wissenschaftler.

82
Das geistige Paradigma

Das hauptsächliche Paradigma, das von einer spirituellen Sicht der Welt
vertreten wird, ist: Die Ursache jeder Existenz ist der absolute Geist,
der Schöpfergott, die Buddhanatur. Der Mensch existiert wie alle ande-
ren Wesen auch als Geistwesen ewig, hat immer existiert und wird im-
mer existieren. Die menschliche Existenz, die begrenzt ist durch Ge-
burt und Tod, erstreckt sich auf einen extrem kurzen Abschnitt, ist
eine kleine Episode innerhalb dieser ewigen Existenz. Diese Behaup-
tung ist innerhalb des herrschenden Systems von Wissenschaft nicht
beweisbar, aber sie ist indivuduell erkennbar, wenn bestimmte Eigen-
schaften und Fähigkeiten des Menschen aktiviert und eine verschlei-
ernde Sichtweise der Existenz aufgegeben wird. Das heißt, auch hier
trifft genau die Voraussetzung ein, die Reich für den orgonomischen
Funktionalismus aufstellte: Um die Kernaussage der geistigen Sicht-
weise überprüfen zu können, muß der Mensch, der dies tun will, be-
stimmte Fähigkeiten erworben bzw. geistige Blockierungen überwun-
den haben. Da es aber Menschen gibt, die diesen Kriterien genügen,
und da es Methoden gibt, diese geistigen Blockaden aufzulösen, ist es
vernünftig, diese Sicht der Welt zu untersuchen.

Ego und Heiliger Geist

Innerhalb der materialistischen Sichtweise gehen Menschen davon aus,


daß sie ein materieller Körper sind. Der eigene Geist des Menschen –
das, was im Menschen denkt, fühlt, wahrnimmt und erkennt – wird wahr-
genommen als Funktion des Körpers, eine untergeordnete Funktion. Die-
se Haltung wird von einer spirituellen Sicht »Ego« genannt, d.h. der Wahr-
nehmende sieht sich als Körper, getrennt von anderen Egos, die in ihren
Körpern leben und getrennt von der Welt, in der er lebt.
Innerhalb der spirituellen Sichtweise ist der Körper eine Funktion des
Geistes, an den er für eine gewisse Spanne gebunden ist und über den
er mit der übrigen materiellen Welt kommuniziert. Der Körper ist eine
Kommunikationsfunktion des Geistes unter vielen anderen.
Diese beiden Sichtweisen, die des Ego und die des erleuchteten oder
Heiligen Geistes sind nicht miteinander vereinbar. Während das Ego
den Heiligen Geist leugnet, weil es ihn nicht wahrnimmt, kann der Geist
die Egofunktion als Illusion erkennen, die nicht existent ist, sondern
lediglich als Idee existiert, solange Menschen die Grundfunktion des
Geistes nicht anerkennen.

83
Der Ansatz, der hier also in einer funktionalistischen Sicht der geisti-
gen Welt vertreten wird, ist der, die Ego-Funktionen und die des Heili-
gen Geistes in Bezug zu setzen, indem das Ego-zentrierte Gebäude der
Weltsicht auf die Füße gestellt wird, oder in einer Abwandlung des be-
rühmten Ausspruchs Freuds (»Wo Ich war, soll Es sein«): »Wo Ego
war, soll Heiliger Geist sein.«
Aus der geistigen Sicht heraus gibt es zwischen Ego und Heiligem Geist
keine Gleichwertigkeit. Das Ego ist eine Illusion, deren Zweck es ist,
eine Scheinwelt aufzubauen und aufrechtzuerhalten, die wir allerdings
recht stabil als »Realität« wahrnehmen. Von der geistigen Sicht her hat
diese Realität nicht mehr Bestand als ein Traum, den wir nachts träu-
men, wenn wir schlafen. Wenn wir innerhalb des Traumes sind, neh-
men wir eine Welt mit »Naturgesetzen« wahr, die völlig anders sein
können als die Gesetzmäßigkeiten unserer Realität. Dennoch glauben
wir daran, wir fliegen, verwandeln uns in klitzekleine Wesen oder wach-
sen zu Riesen, verlieren plötzlich in der Öffentlichkeit unsere Klei-
dung oder verprügeln unsere Eltern. Aber in den seltensten Fällen wun-
dern wir uns darüber. Wir nehmen diese Traum-Realität im Traum ge-
nauso ernst wie unsere Ego-Realität im Wachzustand. Wenn wir dann
erwachen, ist diese Traum-Welt nicht mehr vorhanden. Obwohl wir
gerade noch gemordet haben oder selber vergewaltigt wurden, bezie-
hen wir uns, wenn wir bei klarem Verstand sind, nicht mehr auf die
Traumerlebnisse, selbst wenn wir uns genau daran erinnern können.
Wir messen unseren Traumerfahrungen, die eben noch unsere ganze
erfahrbare Realität ausmachten, überhaupt keine Bedeutung mehr bei.
Genau dieselben Funktionsgesetze herrschen, wenn wir die Ego-Reali-
tät aus der Sicht des erleuchteten Geistes betrachten. Die Welt, die das
Ego für real hält, fällt sofort in sich zusammen und verliert jede Reali-
tät, die Illusion verlöscht, weil wir erwachen. Der Grund dafür, warum
es überhaupt eine Ego-Sichtweise der Welt gibt, ist in unseren Mythen
als »Sündenfall« beschrieben. Die Menschen, die sich in einem paradie-
sischen Zustand befanden, d.h. mit der Natur in Einklang waren, woll-
ten die Macht, so zu sein wie Gott, Schöpfer zu sein, und sie haben
diese Macht auch bekommen. Während die anderen Wesen der materi-
ellen Welt, die Tiere und Pflanzen in ihrem natürlichen Zustand blie-
ben, bekamen die Menschen diese Fähigkeit, ohne jedoch die erforder-
lichen Fähigkeiten zu besitzen, diese Macht anzuwenden. So identifi-
zierten sie sich mit der Materie, innerhalb der sie in begrenzter Form
existieren, und wendeten ihre göttliche Schöpferkraft darauf an, sich
eine eigene Illusion der Welt herzustellen, das Ego. Das Ego ist also
nichts anderes, als die fehlgeleitete Fähigkeit des Geistes, Schöpfer zu
sein.

84
Meine Quellen

Woher stammen nun all die Weisheiten, die ich hier von mir gebe? Zum
einen beziehe ich mich auf das, was Religionsstifter wie Christus oder
Buddha aus ihrer eigenen Erkenntnis in die Welt gesetzt haben. Zum
anderen habe ich über die nun eineinhalbjährige Benutzung des Engel-
Energie-Akkumulators eigene Kontakte mit Engeln und anderen gei-
stigen Wesenheiten aufgenommen, mit denen ich direkt kommunizie-
ren kann. Ich habe von ihnen Methoden übermittelt bekommen, die
eine sehr effektive und schnelle Methode darstellen, eine Meditation
zu praktizieren, in der sich der Praktizierende ständig sicher sein kann,
in welchem Geisteszustand er sich aktuell befindet. Und ich habe vor
einiger Zeit begonnen, den »Kurs für Wundern« zu erarbeiten, eine eben-
falls mediale Ebene, auf der sich Jesus Christus und andere hochste-
hende Engelwesen vermittelt haben.
Ich habe mit 22 Jahren angefangen zu meditieren. Ich hatte eine tiefe
Sehnsucht danach, geistige Erkenntnis zu gewinnen, und damals war in
Berlin die Transzendentale Meditation (TM) das einzig sinnvolle An-
gebot. Ich habe TM gelernt und bin sehr schnell zu Resultaten gekom-
men. Die Technik bestand darin, eine Mantrasilbe ständig zu wieder-
holen und dadurch in einen Zustand zu geraten, in dem die bewußte
Wahrnehmung von der gedanklichen Wahrnehmung getrennt wurde.
Es entstand ein Zustand reinen Nicht-Wahrnehmens, jenseits von Ge-
danken, Gefühlen, Ego-Projektionen. Was mich davon wieder abge-
bracht hat, waren einerseits Drogen-Erfahrungen, die ich mit Cannabis
und LSD gemacht habe – die Meditationen waren auch Wochen nach
dem Drogenkonsum nicht durchführbar – zum anderen die Sekten-
erfahrungen, die ich mit TM machte, denn ich entdeckte, daß die welt-
offene, diesseitige Organisationsstruktur, mit der sich TM hier im We-
sten öffentlich darstellte, eine sehr rigide, hierarchische Hindusekte im
Hintergrund hatte, und ich vermutete, daß die TM-Meditationsgruppen
eine Art Rekrutierung für diese Sekte darstellten, da die wirklich wich-
tigen Erkenntnisse nur an die Schüler weitergegeben wurden, die sich
fest an diese autoritäre Organisation binden wollten. Und das wollte
ich nicht.
Mitte der Siebziger Jahre machte ich dann eine Ausbildung als evange-
lischer Religionslehrer, einerseits aus dem immer noch bestehenden Be-
dürfnis nach geistiger Erkenntnis, andererseits, weil ich dachte, ich müß-
te einen »ordentlichen Beruf« erlernen, nachdem ich schon einige Jahre
als Student der Publizistik, Erziehungswissenschaft, Germanistik und

85
Politikwissenschaft an der FU Berlin verbracht hatte, aber auch sicher
war, daß ich nie eine Karriere als Deutsch- bzw. Geschichtslehrer oder
Geisteswissenschaftler anstreben würde. Aber nach einem Jahr Aus-
bildung habe ich erkannt, daß ich nicht in der Lage sein würde, Kin-
dern in der Schule religiöse Märchen zu erzählen, an die weder die Pa-
storen und die Religionswissenschaftler, bei denen ich lernte, noch ich
selber glauben konnte. Die Diskrepanz zwischen naiver Glaubenslehre
und geistiger Erkenntnis war und blieb für mich innerhalb der christli-
chen Kirche unüberbrückbar.
Der dritte und langwierigste Schritt war der zum tibetischen Buddhis-
mus. Ich begegnete 1979 dem 16. Karmapa in Berlin-Kreuzberg und
war fasziniert, nahm bei ihm Zuflucht und wurde Schüler des Kagyü-
Buddhismus. Er und seine Mönche schienen all das zu repräsentieren,
was ich an spiritueller Erkenntnis gesucht hatte. Ich arbeitete sehr ernst-
haft, wurde für ca. 10 Jahre Schüler von Tenga Rinpoche, war insgesamt
fünf Mal für einige Monate in Nepal bei ihm, lernte Tibetisch und folg-
te ihm und anderen Lehrern wie z.B. Sogyal Rinpoche auf viele Kurse,
lernte und praktizierte die verschiedenen Rituale, nahm Einweihungen,
nahm Gelübde und machte einige kurze Retreats (Zurückziehungen).
Ich war überzeugt, im Kagyü-Buddhismus meine geistige Bestimmung
gefunden zu haben. Obwohl ich jedoch viel und mit besten Absichten
meditierte und studierte, hatte ich das Gefühl, das Eigentliche nicht
erfassen zu können. »Erleuchtung« blieb ein Ziel, das immer mehr in
die Ferne entglitt. Als ich dann 1990 mit meiner Frau und unseren Kin-
dern in das deutsche Hauptzentrum in der Eifel zog und dort einein-
halb Jahre lang mit tibetischen und deutschen Lamas und Laien auf
Tuchfühlung lebte, mußte ich erkennen, daß ich das, was ich mir von
Meditation versprochen hatte – direkte geistige Erkenntnis – innerhalb
dieser oder anderer buddhistischer Organisationen nicht finden wür-
de. Im Gegenteil: Ich hatte gelernt, daß ich nicht meditieren kann, und
war davon so überzeugt, daß ich es fünf Jahre lang – von 1991 bis 1996
– völlig aufgegeben habe. Die Trennung vom Buddhismus war wieder
motiviert durch gesellschaftliche – sexualökonomische – Konflikte mit
dem Klerus, da ich mich den strengen moralischen Vorstellungen nicht
beugen wollte und in der Organisation einige Skandale aufgedeckt und
öffentlich gemacht hatte.
Meine Erfahrungen in spirituellen Organisationen und mit deren Leh-
rern haben mich zu dem Punkt gebracht, keinen Menschen mehr als
geistigen Lehrer akzeptieren zu wollen und zu können. Ob dies immer
so bleibt, kann ich heute nicht sagen. Ich habe jedoch erfahren und
erfahre es immer noch, daß es möglich ist, über heilige Bücher, durch

86
Meditation, durch die Anwendung des Engel-Energie-Akkumulators
und durch die Entwicklung eigener medialer Fähigkeiten mit Engeln
und Geistwesen zu kommunizieren. Das ist für mich heute tägliche
Realität.
Ich habe meinen spirituellen Werdegang so ausführlich beschrieben,
um klarzustellen, daß ich selber ein Suchender bin, ein Kind dieser Zeit,
das versucht, einen geistigen Weg zu gehen. Die Welt des eigenen Gei-
stes zu erkunden und zu verstehen, halte ich für das eigentliche »un-
entdeckte Land«, das Gebiet, auf dem tatsächlich »Forschung« im be-
sten Sinne des Wortes betrieben werden kann. Ich sehe meine Fort-
schritte und ich muß eingestehen, daß ich das meiste noch nicht ver-
standen habe. Aber ich weiß heute genug, um mit voller Überzeugung
aus eigener Erkenntnis sagen zu können, daß es einen Erleuchtungs-
geist, einen Heiligen Geist, Gott, Christus, Buddha, Boddhisattvas und
Engel gibt, daß es eine jenseitige Welt gibt, daß es in mir die Stimme
meines Gewissens gibt, die sich als die Stimme meines eigenen Engels
herausgestellt hat, und daß es die göttliche Liebe gibt, als die Art und
Weise wie sich der Heilige Geist direkt am Ego vorbei äußert.
All dies sind persönliche Erfahrungen, die neben all den Erfahrungen
stehen, die ich in denselben Jahren mit der Erarbeitung des umfangrei-
chen Werkes Wilhelm Reichs gemacht habe und die ich jetzt nicht in
dieser Breite darstellen will. Aber mir ist wichtig zu betonen, daß ich
hier bei Reich das gefunden habe, was ich als »Ethik des Lebendigen«
oder als »wahrhaftige Wahrnehmung« bezeichnen möchte. Die sexual-
ökonomischen und orgonomischen Erkenntnisse Reichs prägen mein
Weltbild von der Natur und vom Leben, dazu brauche ich keine Religi-
on und keine Spiritualität, und hier sehe ich auch keinen Konflikt, son-
dern die Voraussetzung, um ganz praktisch erfahren zu können, daß
ich, obwohl ich mit meinen eigenen emotionellen, sexuellen und ener-
getischen Einschränkungen leben muß, ein weitgehend gesunder
Mensch bin mit einem klaren Bezug zu meinem eigenen bioenergeti-
schen Kern. Auch hier arbeite ich weiter daran, Blockierungen aufzulö-
sen und charakterliche Schwächen zu erkennen und abzuändern. Diese
Arbeit wird, wie die Arbeit an der geistigen Erkenntnis, ein Leben lang
weitergeführt werden müssen. Mir ist es wichtig zu betonen, daß die-
ses Verständnis von charakterlicher und geistiger Arbeit meiner An-
sicht nach die Grundvoraussetzung ist, sich mit dem Thema des Le-
bendigen zu beschäftigen.

87
Die Fakten

Es gibt bestimmte Ebenen der menschlichen Erfahrung, auf denen sich


die Göttlichkeit unmittelbar erschließt, wenn man dies zuläßt. Das sind
die Bereiche, die wir als Liebe, als Gewissen und als Tod erfahren.
Ich nehme als Realität an, daß sich jenseitige Wesen uns gegenüber äus-
sern, wie es Wilhelm Reich und Hildegard von Bingen mir gegenüber
tun, es gibt jedoch auch andere mediale Äußerungen, z.B. die Bücher
von Seth oder den »Kurs in Wundern« von Christus. Sich dieser media-
len Äußerungen zu bedienen, heißt, über die Schwelle des Mißtrauens
zu gehen und sich darüber klar zu sein, daß hier kein »Schwindel« vor-
liegt. Ein Beweis existiert nicht, hier kann nur das eigene Herz, das
eigene Gewissen als Grundlage dienen, also eine Nicht-Ego-Ebene.

Tod und Leben


Wenn wir keine rein materialistische oder nihilistische Ebene voraus-
setzen, werden wir uns der Tatsache, daß wir sterben, immer mit der
Frage nähern, was danach kommt. Es geht mir nicht um Nah-Tod-Er-
lebnisse, auch wenn diese recht aussagekräftig sein können; ich beziehe
mein Wissen aus den Aussagen meiner jenseitigen Gesprächspartner.
Eine andere Quelle ist das Buch »Die Reisen der Seele« von Michael
Newton (Edition Astroterra, CH-8907 Wettswil), in dem ein Verhal-
tens- und Hypnotherapeut durch direkte Befragung Hunderter seiner
Klienten in Hypnose eine anschauliche Struktur jenseitiger Existenz
aufgestellt hat.
Das, was wir materielle Menschen als Tod erfahren, ist demnach ledig-
lich ein Übergang in eine jenseitige, geistige Existenz, eine Rückkehr
in eine uns bereits bekannte Welt, die wir dann als unsere eigentliche
Heimat wiedererkennen.
Aus der jenseitigen Welt betrachtet, ist unsere menschliche Lebenszeit
lediglich eine Episode, ein Traum, ein begrenztes Absinken in die ma-
terielle Existenzform, in die wir hineingehen, um Lernschritte, die wir
als jenseitige Geistwesen erarbeitet haben, hier, innerhalb der Materie
zu beweisen. Wir sinken in die Unbewußtheit der Materie, um ohne
Erinnerung an die jenseitige Welt alle Fähigkeiten, die wir als Geist-
wesen erlernt haben, aus eigener Kraft umzusetzen. Insofern ist die
materielle Welt ein Ort der Bewährung und Verifizierung, kein ange-
nehmer Ort, sondern, verglichen mit dem Jenseits, ein Ort, der alle
erdenklichen unangenehmen Eigenschaften hat, weil wir Menschen
unsere eigentliche Herkunft vergessen haben und die Fähigkeiten,

88
Schöpfer zu sein, völlig verdreht interpretieren. Dennoch ist diese Welt
ein Ort, an dem die göttlichen Gesetze herrschen, und wir haben als
Menschen die Aufgabe, uns innerhalb dieser Situation an die reale, d.h.
geistige Welt zu erinnern und die göttlichen Gesetzmäßigkeiten hier
umzusetzen.
Die wichtigste Tatsache ist, daß es keinen Tod gibt. Der Körper stirbt
und mit ihm die gesamte uns bekannte reale Welt, die wir im Ego er-
schaffen haben. Wir erwachen im Jenseits und können uns an all das
erinnern, was wir dort bereits erkannt hatten, und wir können beurtei-
len, inwiefern wir den Aufgaben, die wir uns selbst für unser diesseiti-
ges Leben gestellt hatten, gerecht geworden sind. Es gibt kein »Strafge-
richt«, keine Verdammnis, keine Strafe, wir selber beurteilen den Er-
folg oder Mißerfolg unserer Mission auf der Erde.

Die Liebe
Da die göttlichen Gesetze auch auf der Erde herrschen, existiert auch
hier das, wodurch sich der Heilige Geist direkt umsetzt, die göttliche
Liebe. Sie ist der Kern der Botschaften, die Christus, Buddha und an-
dere Religionsstifter auf der Erde verbreitet haben. Wer das Ego tran-
szendiert, erlebt diese Liebe als Urgrund allen Seins, allen Lebens, ohne
die nichts existieren könnte. Innerhalb des Egos erscheint diese Liebe
allenfalls als schwacher Schatten, der sich in kurzfristigen Gefühlen der
Glückseligkeit, in tiefen zwischenmenschlichen Liebesbeziehungen oder
kosmischen Stömungsgefühlen ausdrückt. Die Liebe ist allumfassend,
und da das Ego sich als getrennt von Gott und von anderen Wesen er-
fährt, ist es nicht in der Lage, diese Qualität zu erleben. Dort, wo wir
die Liebe in Teilbereichen erleben können, ist es nicht das Ego, das
diese erlebt, sondern die Anteile des Heiligen Geistes im Menschen,
die nicht verschüttet sind.

Das Gewissen
Es ist die Stimme des Heiligen Geistes in uns, die zugeschüttet, aber
nicht vernichtet werden kann. Dieses Gewissen ist nicht das Freudsche
»Über-Ich«, die antrainierten kulturellen Forderungen, die wir an uns
selber stellen, das sogenannte »schlechte Gewissen«. Das Gewissen ist
die Stimme des eigenen Herzens, das tiefe Wissen darum, ob wir in
dem, was wir selber denken, fühlen und tun, im Einklang sind mit der
göttlichen Liebe oder nicht.
Über die Stimme des Gewissens halten wir Menschen Kontakt mit dem
Jenseits, mit Wesenheiten, die wir Schutzengel, Geistführer oder auch
Höheres Selbst nennen können, die uns in der schwierigen Zeit unserer

89
Erdenexistenz eine Art Geleitschutz geben. Wenn wir unsere medialen
Fähigkeiten entwickeln, im Prozeß der Auflösung des Ego ein folge-
richtiger, sich selbst regulierender Vorgang, der nicht »gemacht« wer-
den kann, nehmen wir mit diesen Wesenheiten direkten Kontakt auf.
Sobald dieser Kontakt stabil ist, können wir uns als Menschen ernst-
haft und mit Gewißheit darauf beziehen, und wir sind nicht mehr dar-
auf angewiesen, geistige Führung aus der Hand anderer Menschen zu
bekommen.

Diese »Fakten« sind allesamt nicht beweisbar, sie sind aber erfahrbar.
Sie zu glauben und in einer Art blindem Gehorsam die Konsequenzen
zu leben ist das, was wir als Religion kennen. In der Religion wenden
Menschen diese Erkenntnisse anderer, hoch entwickelter Menschen an,
in der Hoffnung, sich bis auf die Ebene der eigenen Erkenntnisfähig-
keit entwickeln zu können. Das ist zwar nicht sinnlos, aber ein riskan-
tes Unterfangen, weil wir innerhalb des Ego nicht beurteilen können,
ob die Lehren dieser Meister tatsächlich im Sinne des Heiligen Geistes
weitergegeben werden. Innerhalb der großen Religionsgemeinschaften
ist dies offensichtlich nicht der Fall, hier herrscht das Ego oder, in der
Sprache der Sexualökonomie: die emotionelle Pest.
Wenn sich das Ego dieser Fakten bemächtigt, wird die Situation sehr
kompliziert. Einerseits wollen Menschen sich ernsthaft der geistigen
Erkenntnis öffnen. Aber gerade dort, wo die Freiheit möglich ist, lau-
ert die emotionelle Pest, lauert das Ego, da es Angst hat, daß die Illusi-
on erkannt wird. Daher wird die geistige Erkenntnis konsequent my-
stifiziert. Das Ego gibt die Parole aus: »Alles schön und gut, aber errei-
chen kannst du es nie! Träume davon, schwärme davon, zehre von der
Utopie, aber erreiche sie nicht!« Wilhelm Reich hat ein wunderbares
Buch über diese Mystifizierung in all ihren Aspekten geschrieben: »Der
Christusmord« (Verlag 2001, Frankfurt).

Ego und Emotionelle Pest

»Der Christusmord« und »Die Massenpsychologie des Faschismus«


(Kiepenheuer und Witsch, Köln) sind Bücher über die emotionelle Pest
des Menschen. Um zu lernen, wie das Ego funktioniert, sind sie das
beste Lehrmaterial, weil hier überhaupt keine mystifizierende, spiritu-
elle Ebene vorgegeben wird wie in den vielen religiös motivierten Bü-
chern, die diese Ebene beschreiben. Ego und emotionelle Pest sind funk-
tionell identisch, sie funktionieren nach gleichen Gesetzmäßigkeiten,

90
nur die Ebenen der Betrachtung sind unterschiedlich: Die »emotionel-
le Pest« ist ein Begriff aus einer materialistischen Sicht auf die Funktions-
gesetze des Lebendigen. Der Kern des Menschen ist demnach gut, ani-
malisch, im guten Sinne unmoralisch. Aus dem Kern heraus agiert das
Menschentier. Werden diese Triebimpulse gestoppt, reagiert es natürli-
cherweise mit Wut, gut beobachtbar in jedem Baby. Diese Wut wird
unterdrückt, und so muß sich das Wesen zurücknehmen und die Ener-
gie gegen sich selber wenden. Die Triebimpulse werden umgelenkt, äus-
sern sich verdreht. Die Liebe kann sich nun genausowenig direkt aus-
drücken wie die Wut. So entsteht Neurose. Da die Menschen in dieser
zerstörerischen Art nicht miteinander umgehen können, wird über diese
destruktive Schicht eine dritte Schicht aus Moral, Sitte und Anstand
gelegt. Nun verhalten sich die Menschen wieder moralisch, erleben aber
weder Liebe noch Wut, sie sind unlebendig.
Die emotionelle Pest entspricht dieser zweiten Schicht, in der das ur-
sprünglich Gute und Direkte im Menschen zur Bosheit und Perversion
umgepolt wird. Bei manchen Menschen, die zu viel an Energie haben,
bricht diese Ebene durch, sie agieren ihre destruktiven Tendenzen aus,
erleben sich darin als normal. Diese Menschen suchen Macht über an-
dere, um ihre Vorstellungen von Moral, von Recht und Gesetz umzu-
setzen, und so geschieht es häufig, eigentlich fast immer, daß sich Or-
ganisationen der Freiheit wie politische Parteien, Kirchen oder Befrei-
ungsgruppen unversehens in menschenverachtende, mordende Maschi-
nerien verwandeln. Ergreift diese Tendenz ganze Staaten, haben wir es
mit Faschismus zu tun.
Das einzige, was die emotionelle Pest aufhalten kann, ist ihre
Bloßlegung, denn sie arbeitet immer unter dem Deckmantel des Rechts,
des moralisch Anspruchsvollen. Wird sie bloßgestellt, kann sie diesen
Anspruch nicht mehr aufrechterhalten. Sie reagiert allerdings mit dem
Versuch, die Aufdeckung gewaltsam zu verhindern.

Genau dieselben Funktionen erfüllt auf der geistigen Ebene das Ego.
Die ursprüngliche Qualität aller Menschen ist Göttlichkeit ohne jede
Einschränkung. Doch in der Identifikation mit der Materie glaubt das
Ego, getrennt zu sein. Das, was sich ursprünglich als Schöpferkraft aus-
drückt, verwandelt sich in Größenwahn, den Glauben, völlig unabhän-
gig zu sein, ewig und allmächtig, ohne die Fähigkeit dies innerhalb der
Einheit der göttlichen Schöpfung umzusetzen. So glaubt das Ego letzt-
lich, sich selbst erschaffen zu haben und frei zu sein, alles zu tun. Aber
dabei hat es Angst, da es sich allein wähnt, und es ahnt, daß es inner-
halb dieser Illusion keinen Ausweg gibt. Letztlich wird das Ego aufge-

91
löst, spätestens im Tode. So sind alle schöpferischen Aktivitäten des
Ego darauf ausgerichtet, Beweise für die eigene Existenz zu schaffen.
So wird die gesamte Welt als nicht-göttliche, unbewußte Materie er-
lebt, in der jedes Ding genauso vereinzelt ist wie das einzelne Ego. Das
Ego erschafft auf diese Weise eine Illusion von der Welt, indem es seine
eigenen Eigenschaften auf die göttliche Natur projiziert. Das, was das
Ego dann erfährt, nennen wir Wahrnehmung, und die Realität von Be-
grenztheit und Vereinzelung nehmen wir als Zeit und Raum wahr.
So ist die Natur des Ego der Angriff, der Angriff auf andere Egos, auf
die Welt – die Vertiefung der Trennung. Wenn das Ego andere Egos
angreifen kann, ist es selber angreifbar, und wenn der Mensch angreif-
bar ist, kann das ewige, unsterbliche Geistwesen nicht existieren.
Die Parallelen zwischen Ego und emotioneller Pest sind offensichtlich.
Auch das Ego kann nur dadurch aufgelöst werden, daß es innerhalb der
menschlichen Erfahrung »öffentlich gemacht« wird, indem jeder ein-
zelne Mensch einerseits erlebt, daß er tatsächlich ein Sohn Gottes ist,
daß andererseits die Illusionen des Ego nicht zur Befreiung führen kön-
nen. Indem die Aktionen des Ego aufgedeckt werden, kann ihre Ir-
rationalität begriffen werden, und der Wunsch, das Ego aufzulösen,
wächst im Menschen heran, bis er es willentlich aufgibt. Das kann dann
geschehen, wenn die tatsächlichen Ziele des Ego begriffen werden. Sie
liegen in der Ausübung von Macht, im Angriff und in der Vereinze-
lung. Innerhalb dieser Dimensionen sind Glück und Liebe allenfalls
Mittel, die das Ego zeitweise akzeptiert, um die eigene Macht auszu-
dehnen, niemals aber das Ziel.

Der Ausgang aus der Falle

Spirituelle Arbeit ist nichts anderes, als mit den Mitteln des Denkens
und Erfahrens und durch geeignete Methoden herauszufinden, wie das
Ego funktioniert, und die tatsächliche Grundlage unserer Existenz, den
reinen Geist, den Erleuchtungsgeist, die Natur des Geistes, den Heili-
gen Geist, das Tao, Gott zu erkennen – es gibt Hunderte von Ansätzen
und Begriffen, die jeweils auf einen bestimmten Hintergrund und ei-
nen speziellen Weg hinweisen, diese Grundwahrheit zu erkunden. Ich
wähle den Begriff des Heiligen Geistes, weil ich diesen Begriff am be-
sten mit Inhalt füllen kann. Er entspricht meiner Kultur und dem, was
mein Gewissen akzeptiert. Auch hier können wir, um die Methode die-
ser Arbeit zu beschreiben, Reich zitieren, wenn er im »Christusmord«
über die emotionelle Pest schreibt:

92
Man kann eine Falle verlassen. Um jedoch aus einem Gefängnis aus-
brechen zu können, muß man erst zugeben, daß man im Gefängnis
sitzt. Die Falle ist die emotionelle Struktur des Menschen, seine Charak-
terstruktur. (...)
Der Ausgang ist für alle, die in der Falle sind, deutlich sichtbar, und
dennoch scheint niemand ihn zu sehen. Jedermann weiß, wo der Aus-
gang ist. Dennoch scheint niemand eine Bewegung darauf zu zu ma-
chen. Mehr noch: Wer sich auf den Ausgang zubewegt oder wer auf ihn
zeigt, wird für verrückt erklärt, oder man nennt ihn einen Verbrecher
oder einen Sünder, der in der Hölle braten sollte. Es stellt sich heraus,
daß das Problem nicht die Falle ist und noch nicht einmal die Schwie-
rigkeit, den Ausgang zu finden. Das Problem liegt bei denen, die in der
Falle sitzen.
Die erste Erkenntnis ist also die, sich der Falle, der Situation, in der wir
innerhalb des Ego sind, bewußt zu werden und dies zuzugeben. Es hat
überhaupt keinen Sinn, zu glauben, wir wüßten bereits, wie der Heilige
Geist beschaffen ist, wir könnten uns am Ego vorbeimogeln, indem
wir uns kluge Vorstellungen machen. Wenn wir so handeln, entwickeln
wir ein spirituelles Ego. Damit wird spirituelle Erkenntnis blockiert
und in sehr effektiver Weise unwirksam. Denn sobald das Ego eine Mög-
lichkeit sieht, sich einem anderen Thema zuzuwenden, werden die spi-
rituellen Inhalte über Bord gekippt oder in irgendeiner Schublade ver-
kramt, bis dieses »Thema« wieder tagesaktuell wird. Heute spiritueller
Schüler, gestern Wissenschaftler, übermorgen Drogenkonsument und
morgen brave Hausfrau. Immer mit wechselnden Ansichten und Über-
zeugungen.
Wo ist der Ausgang aus der Falle? Spätestens, wenn wir sterben, wer-
den wir wissen, wo er gewesen wäre. Der Tod ist jedoch keine Erlösung
im Sinn der Erleuchtung. Er ist im übertragenen Sinne das Ende dieser
Prüfung, der wir uns hier auf der Erde unterziehen. Die Erlösung ist an
jedem Punkt der Existenz möglich, und wie es scheint ist das Menschen-
dasein ein besonders gutes Sprungbrett, um tatsächliche geistige Er-
kenntnis zu gewinnen, weil das hier der »Ernstfall« ist, weil das Ego im
Jenseits nicht in dieser Form existiert und daher dort nicht transzen-
diert werden kann. Die menschliche Existenz ist – richtig genutzt – ein
Crashkurs in Erleuchtung.
Der Ausgang liegt in der Erkenntnis des Illusionscharakters des Ego.
Präziser kann es mit intellektuellen Mitteln nicht gefaßt werden. Um
diese Erkenntnis zu gewinnen, können viele unterschiedliche Mittel
angewandt werden – Gebet, Meditation, Retreat, Tanz. Aber das alles
sind Mittel zum Zweck. Meditation alleine bewirkt überhaupt nichts,

93
außer einer fühlbaren Beruhigung der Nerven, was in manchen Fällen
natürlich eine unabdingbare Voraussetzung ist. Wir kommen nicht
umhin, an dieser Stelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, indem wir den
Erkenntnissen erleuchteter Meister folgen – sowie unserem eigenen
Gewissen. Sobald diese beiden Funktionen – Lehrer und Gewissen –
nicht mehr zusammenpassen, darf es nur noch das Gewissen geben,
selbst um den Preis, den eingeschlagenen Weg zu verlassen, denn das
Gewissen ist unser eigener Draht zum Heiligen Geist, seine Stimme.
Wenn diese Stimme schweigen muß, stimmt der Weg nicht mehr.
Die andere Bedingung, die wir nicht aus den Augen lassen dürfen, ist
unsere eigene Lebendigkeit. Hier können wir alle orgonomischen Er-
kenntnisse über die Struktur menschlichen Charakters, so wie Reich
sie entwickelt hat, als Grundlage anerkennen, und hier liegt der tiefste
und härteste Konflikt, in den Menschen hineingeraten, die sich auf ei-
nen spirituellen Weg gemacht haben. Unsere Lebendigkeit ist durch
diverse neurotische Verzerrungen behindert. Deshalb bedeutet Leben-
digsein nicht nur froh, angenehm und glücklich zu sein, sondern ge-
nauso auch wütend, verrückt und in jeder Beziehung anstrengend für
unsere Mitwelt. Da nur die wenigsten Menschen stark entwickelte ge-
nitale Charakterstrukturen aufweisen, führt sie ihre Lebendigkeit in
die Hölle emotioneller Konflikte. Aber aus der Sicht des Geistes ist
die Lebendigkeit keine Ego-Funktion, sondern die reale, erfahrbare
Natur unserer Existenz, egal ob wir voll erleuchtet sind oder in tiefster
Unbewußtheit dahindämmern. Das Lebewesen, das Tier im Menschen
ist nicht Ego, es ist einfach. Lebendigkeit in diesem Sinne äußert sich
nicht nur über die emotionell-körperliche Ebene, sondern, wie Reich
in den medialen Gesprächen betont hat, genauso stark auf der geistigen
Ebene, wenn wir uns einer Lebensaufgabe hingeben, einem Hobby, der
Erziehung unserer Kinder oder der Kunst.
Die meisten spirituellen Lehren vernachlässigen diesen Aspekt, da sich
die Religionen gut stellen wollen mit der Kultur, in der sie existieren.
Und in allen Kulturen wird wirkliche Lebendigkeit nicht besonders ge-
schätzt. Natürlich ist es schön, wenn Menschen freundlich, sanft und
friedlich sind, unter diesen Bedingungen läßt sich die Natur des Gei-
stes allemal besser Erforschen als unter den Bedingungen des Aufruhrs,
der Wut und der Unbeherrschtheit. Wenn diese Sanftheit jedoch nicht
Ausdruck von Lebendigkeit ist, sondern eine aufgesetzte Maske, weil
das Ego meint, so und nicht anders dürfe ein spirituell Suchender aus-
sehen, wird das ganze Projekt scheitern, sobald sich das Gewissen mel-
det. Und es wird sich melden.

94
Dritter Teil

Lebendige
Meditation

Energiewahrnehmung
als Leitstrahl für den
Landeanflug in der
geistigen Welt

95
Die Göttliche Quelle erleben

D ie Welt der energetischen Erfahrung birgt in sich ein riesiges Spek-


trum an Entwicklungsmöglichkeiten. Ich selber habe eigene me-
diale Fähigkeiten in mir entdeckt. Ich habe so einfache Dinge entdeckt
wie z.B. eine Erklärung dafür, warum mich Smalltalk geistig immer sehr
belastet hat. Ich habe beten gelernt und Vertrauen in die Welt der En-
gel. Und ich habe gelernt, in mich hineinzulauschen und eine Quelle
von Inspiration entdeckt, die mich die Welt Tag für Tag als großes, im-
mer neues Abenteuer erfahren läßt. Ich habe Angst, Schmerz, Wut und
Enttäuschung erfahren und meine Unfähigkeit, Erkenntnisse über not-
wendige eigene Entwicklungen in die Tat umzusetzen. Und ich habe
immer mehr Geduld und Liebe zu mir selbst entwickelt.
Lebendige Meditation bedeutet nicht, den Weg in die Innerlichkeit zu
nehmen, es ist keine Weltflucht. Der Sinn der Lebendigen Meditation
liegt darin, die energetische Wahrnehmung im täglichen, normalen Le-
ben zu entwickeln. Obwohl es sicherlich sinnvoll ist, sich zunächst zu-
rückzuziehen und die Übungen in Ruhe und alleine durchzuführen, ist
es nach wenigen Tagen möglich, sich in allen Lebenssituationen auf die
eigene innere Wahrnehmung von Energie zu beziehen.
Wilhelm Reich sprach in diesem Zusammenhang vom »orgonotischen
Sinn«, und damit meinte er die Fähigkeit eines jeden gesund empfin-
denden Menschen, die Welt aufgrund energetischer Wahrnehmung als
»wahr« zu erfahren, Situationen nicht aufgrund von gedanklichen Kon-
struktionen zu beurteilen, sondern aufgrund der Wahrhaftigkeit des
eigenen Gefühls. In jedem Menschen existiert die Fähigkeit, sich auf
grundlegende energetische Wahrheit zu beziehen. Jeder Mensch sollte
die Möglichkeit nutzen, sich auf umkomplizierte Weise mit der eige-
nen energetischen WAHRnehmung vertraut zu machen.
Lebendige Meditation als Tätigkeit, oder besser: Nicht-Tätigkeit, hat
keinen eigenen Wert. Sie ist eine Technik, eine Methode, die ihren Wert
dadurch bekommt, daß man sie sinnvoll anwendet. Ich habe selber vie-
le Jahre gebraucht, dies zu verstehen, da ich über andere Lehren eine
Haltung vermittelt bekommen habe, die Meditation an sich für befrei-
end hält. Das glaube ich nicht mehr.

96
Meditation beruhigt den Geist und führt den Anwender aus der Hek-
tik diskursiven Denkens. Sicher liegt darin ein Segen, der aber selber
wenig bewirken kann. Um Meditation effektiv einsetzen und aus ihr
eine geistig befreiende Kraft gewinnen zu können, benötigen wir ein
Verständnis. Es gibt viele religiöse, esoterische und mystische Systeme,
und alle arbeiten mehr oder weniger mit dem Mittel der Meditation,
um dem Gläubigen, dem Praktizierenden eigene Erkenntnis der Inhal-
te zu vermitteln, und so ist die Meditation – optimal genutzt – eine
Methode zur direkten Gotteserfahrung, zur gnostischen Erkenntnis.
Die verschiedenen Religionen gehen mit diesem Mittel sehr unterschied-
lich um, doch die meisten religiösen Systeme sind sich recht einig dar-
in, daß die hohen Meditationsbelehrungen nur den Priestern, Yogis und
wahren Adepten gegeben werden, die sich durch Verpflichtungen, Ge-
lübde und Schwüre ihr Leben lang an die jeweilige Lehre und Organi-
sation gebunden haben. Das einhellige Argument lautet: Dies geschieht
zum Schutz des Praktizierenden, da er den Weg, den er damit einschlägt,
nicht kennt und in die Irre gehen könnte. Doch es gibt noch die andere
Seite: Wenn die wirklich tiefe Erkenntnis Gottes durch die Meditation
für jedermann zugänglich wäre, wozu brauchten wir dann noch Kir-
chen und Priester, die zwischen Gott und der menschlichen Welt »ver-
mitteln«? Wenn die gnostische Erkenntnis auch außerhalb der Kirchen
möglich ist, gibt es offensichtlich eine direkte Verbindung zur Göttli-
chen Quelle, und damit verliert eine der stabilsten Stützen gesellschaft-
licher Macht – und so nannte Wilhelm Reich die destruktivste Ebene
menschlicher Existenz: die emotionelle Pest – ihre ausschließliche Exi-
stenzberechtigung.
Das Ziel der Lebendigen Meditation liegt wie in jedem anderen entwik-
kelten Meditationssystem darin, einen »Ausgang aus der Falle« (Wil-
helm Reich) zu finden und zu benutzen.
Daß ich für das Erlernen von Energiewahrnehmung auf eine effektive
Meditationsmethode so großen Wert lege, hat seinen Grund. Wir be-
wegen uns nun auf einem Gebiet, in dem sich angelernte Interpretations-
muster unseres Geistes bemerkbar machen. Wir sehen, hören und füh-
len Dinge, die wir benennen, die Menschen seit Urzeiten benannt ha-
ben und die wir für real halten. Dennoch sind es nur die Metaphern, die
geistigen Bilder, die wir benennen. Wir sehen ein Ding und nennen es
»Tisch«. Wir sehen nicht die Struktur des Holzes, riechen nicht die Süße
des alten Duftes, erfühlen nicht die rauhe Struktur seiner unbearbeite-
ten Unterseite und die künstliche Glätte seiner polierten Oberfläche.
Wir mögen nicht die harmlosen Würmer, die Löcher in das Holz hin-
einbohren, und wir erfassen nicht, was der Tisch als Tisch sein will. Vor

97
allem: Wir sehen nicht mehr, daß der Tisch aus reinem Licht besteht.
All das können wir erst erfassen, wenn wir Kontakt auf der Ebene jen-
seits des Ego, jenseits diskursiver Gedanken aufnehmen. Erst, wenn
wir erleben, daß »Realität« eine temporäre Erfindung unseres Geistes
ist, eine Abstraktion, um mit der Vielfalt von Erfahrungen zurechtzu-
kommen, können wir die tiefe Bedeutung des Sinns erfassen, den ein
jedes Ding an sich hat.
Tatsächlich sind alle unsere Sinne in der Lage, energetisch wahrzuneh-
men, jedoch meldet sich immer wieder unser Realitätsfilter im Gehirn.
Entweder er sortiert die Wahrnehmung sofort aus, oder er versucht, sie
so zu interpretieren, daß sie mit der angelernten Sicht der Welt wieder
übereinstimmt.
Alle Dinge, die wir mit einer Metapher benannt haben, scheinen eine
eigene Existenz zu haben. Der Tisch, den wir sehen und fühlen kön-
nen, scheint auch dann zu existieren, wenn wir ihn nicht sehen, und er
wird im Verständnis des Ego weiterexistieren, auch wenn wir ihn nicht
mehr wahrnehmen können, z.B. wenn wir selber gestorben sind. Das
ist unsere vorherrschende Vorstellung von »Realität«.
Doch die Wahrnehmung von Energie folgt anderen Gesetzen: Wir kön-
nen das Rauschen, die Kreiselwellen und andere Energie-Phänomene
nur in dem Moment der Wahrnehmung erkennen. Diese Objekte ha-
ben offenbar keine eigene Existenz, sie sind vollkommen subjektiv.
Daher verschwinden sie in dem Moment, in dem wir sie nicht mehr
wahrnehmen, anders als der Tisch, der weiterzuexistieren scheint. Wir
können den Energiephänomenen keine eigene Metapher zuordnen, und
das macht sie besonders geeignet als Meditationsobjekt: Sie existieren
tatsächlich nur im Hier und Jetzt, und indem wir Energie wahrnehmen
und als Meditationsobjekt benutzen, befinden wir uns selber auf der
geistigen Ebene ebenfalls im Hier und Jetzt, außerhalb der gewohnten
Realität scheinbar eigenständig existierender Phänomene.
Sobald wir über die Sinne ein »Ding« wahrnehmen, d.h. sobald wir einen
eigenständigen inneren Dialog führen, der uns sagt: »Was ich da sehe, ist
ein Baum!«, können wir die energetische Ebene nicht wahrnehmen. Be-
sonders der visuelle Sinn ist in dieser Weise stark vorgeprägt. Wir sind so
sehr gewohnt, unserer Wahrnehmung »Bedeutung« zu geben, daß wir
kaum noch in der Lage sind, einfach bedeutungslos zu sehen.
Die Lebendige Meditation führt uns einerseits in die Tiefe unseres Gei-
stes – jenseits des Ego – andererseits können wir im normalen Wachzu-
stand durch die Erinnerung an die Energiewahrnehmung jederzeit ei-
nen ekstatischen Zustand erreichen und mit der Ebene Kontakt auf-
nehmen, die wir in den tiefen Meditationen entwickelt haben.

98
Den inneren Dialog ausschalten

Wir werden, wenn wir energetische Wahrnehmungsübungen machen,


immer wieder feststellen, daß wir in Gedanken gefallen sind und die
Energiewahrnehmung verlassen haben.
Wir achten auf ein wahrnehmbares Phänomen, das sofort verschwin-
det, sobald wir anfangen, in unsere gewohnten Denkmuster zu fallen.
Wir haben also eine ständige Erfolgskontrolle. Entweder unser
Wahrnehmungsobjekt (z.B. das innere Rauschen oder die Kreiselwellen)
ist da, dann befinden wir uns in der gewünschten Meditationssituation
– oder wir gehen in unsere Gedankenmuster, dann verlieren wir die
Wahrnehmung unseres Meditationsobjekts (oder die Wahrnehmung
davon verblaßt deutlich.)
Die Meditation selber besteht darin, daß wir uns auf die energetische
Wahrnehmung, also z.B. das innere Rauschen, einlassen.
Der Punkt, an dem wir beginnen zu denken, ist unbewußt, etwa wie
das Einschlafen. Wir können nur feststellen, daß wir in Gedanken ge-
fallen sind und die Energiewahrnehmung verlassen haben.
An dieser Stelle nehmen wir einfach die Wahrnehmung wieder auf. Wir
brauchen uns nicht zu ärgern oder mit uns innerlich ins Gericht zu
gehen. Wir nehmen einfach nur die Wahrnehmung wieder an dem Punkt
auf, an dem wir uns gerade befinden.
Nur durch diesen bewußten Wechsel lernt unser Bewußtsein, mit die-
ser Funktion umzugehen. Nur so können wir lernen, zwischen Ego
und der wirklichen Welt zu unterscheiden.
Was wir darüber denken, ist völlig nebensächlich, je mehr wir darüber
nachdenken, desto schwieriger wird es, die Wahrnehmung stabil zu hal-
ten.
Die Übung schult unseren Geist darin, gegenüber der jeweiligen Akti-
vität, die wir geistig ausüben, aufmerksam zu sein. Das bedeutet: Je
öfter wir uns in der Meditation schulen, desto schneller und unwillkür-
licher erkennen wir, daß die Aufmerksamkeit nachgelassen und das un-
willkürliche Denken wieder eingesetzt hat. Letztlich werden wir – nach
einiger Praxis, die Wochen, Monate oder auch Jahre an Übung erfor-
dern kann – den Punkt feststellen können, der im Augenblick noch
unbewußt ist: den Beginn des diskursiven Denkens.
Die Meditationsübung besteht darin, sich des diskursiven Denkens be-
wußt zu werden und sich immer wieder auf die energetische Wahrneh-
mung einzulassen.
Je öfter wir dies tun, desto leichter wird es uns fallen, den inneren Dia-

99
log beiseite zu lassen. Wir nehmen einfach die Energie wahr und gehen
auf das innere Geschwätz nicht weiter ein. Natürlich ist dies um so
schwieriger, je mehr wir unter Streß stehen, Erwartungen hegen, Er-
folgsdruck produzieren.
Das erste Ergebnis dieser Meditation liegt in der Erkenntnis, daß wir
es nicht nötig haben, ständig einen inneren Dialog zu führen. Wir hal-
ten unsere Sicht von der Welt, unser eigenes Weltbild dadurch aufrecht,
indem wir es ständig erschaffen, indem wir es denken. Wir greifen Phä-
nomene auf, die uns begegnen, und wir haben sofort eine Meinung da-
von: »Das ist gut.« »Das ist schlecht.« »Der da ist blöd.« »Die da ist
schön.» »Das war zu teuer.« »Das will ich haben.« »Das ist schiefgegan-
gen...« Es sind endlose Ketten von Gedanken. Mit der Lebendigen Me-
ditation wird dieser automatische Fluß unterbrochen. Wir beginnen,
die innere Welt als das wahrzunehmen, was sie einfach ist, und wir
werden diese Erkenntnis später auch auf die äußere Welt ausdehnen
können.
Viele Meditationssysteme arbeiten mit hergestellten geistigen Projek-
tionen, mit Mantras, mit Visualisierungen, mit Rezitationen und Ri-
tualen. Nachteil dieser Praktiken ist: Dadurch, daß wir etwas geistig
produzieren (eine Illusion, d.h. eine Funktion des Ego), sind wir nicht
mehr für die Wahrnehmung des Eigentlichen offen, denn unser Geist
kann entweder nur das Ego wahrnehmen oder die göttliche Natur, die
jenseits des Ego existiert.
Indem wir uns auf das energetische Wahrnehmen einlassen, haben wir
ein sehr stabiles Meditationsobjekt, das jedoch sofort verschwindet,
sobald wir in unserer Aufmerksamkeit nachlassen. Es ist die perfekte
Erfolgskontrolle.
Das Anhalten des inneren Dialogs ist also willentlich und durch eine
Entscheidung möglich, aber nur durch die bewußte Wahrnehmung des
energetischen Objekts aufrechzuerhalten. Konzepte wie »leer sein«,
»Egolosigkeit erreichen«, »im Hier und Jetzt sein«, »die Natur des Gei-
stes erkennen«, »den Erleuchtungsgeist entwickeln«, sind allesamt kor-
rekte Beschreibungen dieses Zustands, aber diese Konzepte behindern
die direkte Erkenntnis erheblich. Sie verführen einfach nur dazu, sich
während der Meditation zu fragen »Bin ich nun im Hier und Jetzt?«
oder »Ist das vielleicht Erleuchtung?«, und schon sind wir wieder mit-
ten in den Konzepten des diskursiven Denkens. Lassen wir alle diese
Konzepte außenfort. Je weniger wir über den Zustand der Meditation
– während der Meditation – nachdenken, desto einfacher wird es, ihn
aufrechtzuerhalten. Darüber nachdenken können wir später.

100
Und noch etwas: Wir sind während der Meditation keineswegs völlig
ohne Gedanken. Der menschliche Geist ist sehr vielschichtig. Wir kön-
nen durchaus kräftige, kurze Gedanken haben und dennoch in der Wahr-
nehmung der Energiefunktionen verweilen. Der große Unterschied liegt
darin, daß wir, wenn wir die Aufmerksamkeit aufrechterhalten kön-
nen, den Gedanken bei der Entstehung bemerken, oder daß wir ihn
völlig bewußt und willentlich produzieren und konsequent beenden
können – ohne daraufhin in die Ketten des unbewußten inneren Dia-
logs zu fallen. Diese Gedanken sind merkwürdig präzise, scharf und
kurz. Wir werden später mit ihnen arbeiten. Zunächst lassen wir sie
einfach sein und geben keine Energie hinein.
Das einzige, was wir in der Meditation aktiv tun, ist, aufmerksam die
Aktivität des Geistes wahrzunehmen und einzuschreiten, sobald wir
die Aktivität des Ego bemerken. Solange wir das energetische Objekt
stabil wahrnehmen, lassen wir den Geist einfach in Ruhe. Er sucht sich
selbstregulierend seinen Weg in die Tiefe.
Wir werden nach einiger Übung feststellen, daß jede noch so belanglo-
se Wahrnehmung ein Gedanke ist. Wir dürfen uns davon nicht irritie-
ren lassen. Nach und nach werden wir subtilere Egos entdecken und
loslassen können. Jetzt geht es erst zunächst einmal darum, das gröb-
ste und dominierendste Ego – das unbewußte diskursive Denken – zu
identifizieren und auszuschalten.
Meditation bedeutet nicht »ohne Gedanken« zu sein. In der Meditati-
on sind wir uns über alle Aktivitäten des Geistes bewußt, ohne in den
geistigen Prozeß selber aktiv einzugreifen.

101
Lektion 13
Lebendige Meditation:
Grundübung
Vorbereitung:
Wir nehmen eine Sitzhaltung ein, in der wir aufrecht und entspannt
sitzen können, ohne einen Muskel aktiv halten zu müssen. Für diese
Übung brauchen wir zunächst absolute Ruhe. Wir stellen sicher, daß
wir ca. 10-20 Minuten lang nicht gestört werden können.
Voraussetzung für diese Übung ist, daß wir das energetische Rauschen
(Lektion 4) wahrnehmen können.

Übung:
Ziel der Lebendigen Meditation ist nicht »Gedankenlosigkeit«, son-
dern die Aufmerksamkeit: Wir registrieren, was wirklich in unserem
Geist stattfindet. Wir wollen die Bewußtheit über die Aktivität unseres
Geistes schulen.
Die Meditation besteht darin, daß wir uns auf die energetische Wahr-
nehmung, auf das innere Rauschen, einlassen. Dieses Rauschen ist be-
deutungslos. Es hat keine eigene Existenz. Sobald wir es nicht mehr
hören, ist es völlig verschwunden.
Nun schließen wir die Augen und horchen in uns hinein. Wir achten
auf den Bereich zwischen unseren Ohren und hören auf das Rauschen
der Orgon-Energie. Sobald wir das Rauschen hören, denken wir:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Nun hören wir einfach zu. So, als lauschten wir einer Musik, so lau-
schen wir auf die Göttliche Quelle, die in uns tönt.

Ich höre die Göttliche Quelle.

Wir hören uns den Ton an und lassen uns in unseren Geist hineinsinken.

Ich höre die Göttliche Quelle

Wir lassen jede äußere Ablenkung und jede innere Beteiligung an Ge-
danken los, sie sind ebenso bedeutungslos wie der innere Ton.

102
Ich höre die Göttliche Quelle.

Jede andere Wahrnehmung ist ebenso bedeutungslos wie das Rauschen


der Energie. Nur auf dieses Rauschen richten wir unsere Aufmerksam-
keit. Wir erkennen, daß wir die Macht haben, unsere Achtsamkeit völ-
lig auf das Rauschen der Energie zu richten. Der Geist kann dabei nicht
aufgehalten werden, es sei denn, wir entscheiden uns dazu.

Ich höre die Göttliche Quelle.

Wir erkennen, daß wir die Macht dazu haben, in der inneren Ruhe und
der Wahrnehmung des inneren Rauschens zu verweilen. Jedesmal, wenn
wir einen Gedanken bemerken, der uns aus dieser Ebene herausführen
könnte, wenn wir irritiert sind oder bemerken, daß wir diskursive Ge-
danken entwickelt haben, denken wir wieder:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Der Geist schlägt seine natürliche Richtung ein, und wir können uns
dazu entscheiden, alle anderen Gedanken und Wahrnehmungen ohne
innere Beteiligung vorbeigleiten zu lassen, so wie ein älterer Mensch
sich verhält, der unbeteiligt einem Kind beim Spielen zuschaut.

Ich höre die Göttliche Quelle

Während wir gedanklich völlig unbeteiligt sind, sollten wir dennoch


ein Gefühl für die Bedeutsamkeit dieses Vorgangs bewahren. Wir tun
etwas, was unschätzbaren Wert für uns selber hat, da wir uns von der
Klammer der Ego-Fixierung lösen und etwas Heiliges tun, etwas Heil-
sames, was uns völlig befreien kann. Wir denken nicht darüber nach,
lassen nicht zu, daß wir diese Bedeutsamkeit zu einem neuen Spiel des
diskursiven Denkens werden lassen. Wir erfahren diese Bedeutsamkeit
als eine Freude im Herzen, als ein Gefühl der Erleichterung und des
Friedens.
Während wir diese Bedeutsamkeit erfahren, hören wir auf das das inne-
re Rauschen.
Ich höre die Göttliche Quelle

Wir beenden nun die Meditation, indem wir noch einmal den Gedan-
ken denken:

103
Ich höre die Göttliche Quelle

Wir öffnen die Augen und gehen zurück in unser Alltagsbewußtsein,


mit dem Vorsatz, diese Meditation wieder durchzuführen. Wir denken
an die Zeit und den Ort, an dem wir diese Meditation wieder durchfüh-
ren werden.

Fehlerquellen:
Wenn wir die Meditation beginnen, werden wir eventuell glauben, daß
wir erheblich mehr diskursive Gedanken entwickeln, als wir es sonst
tun. Aber wir werden uns lediglich der Tatsache bewußt, daß wir fast
ausschließlich (unbewußt) im Geisteszustand des diskursiven Denkens
sind und daß uns diese Form der meditativen Bewußtheit etwas Frem-
des ist. Hier hilft nur Geduld und regelmäßiges Üben.
Wenn wir während der Meditation einschlafen oder in einen Traum ge-
raten, haben wir eine tiefe Entspannung erreicht, ohne Bewußtheit zu
entwickeln. Oder anders ausgedrückt: Das Ego projiziert im Entspan-
nungszustand weiter. Das ist keine Meditation, sondern Trance. Wenn
wir uns entscheiden zu meditieren, achten wir nur auf das bedeutungs-
lose energetische Rauschen. Bilder, Visionen, Gedanken – auch wenn sie
noch so anziehend, genial oder kosmisch sein mögen – sind Versuche des
Ego, unsere Aufmerksamkeit auf seine Inhalte zu lenken. In der Medita-
tion ist jedoch alles ohne Bedeutung. Wenn wir dem Drängen des Ego
nachgeben, werden wir nicht lernen zu meditieren.

Ergebnis:
Das erste Ergebnis ist die Erkenntnis, daß wir das diskursive Denken
nicht brauchen. In der Meditation kann sich die gesamte bedeutungs-
volle Welt der Metaphern, die Welt des Ego auflösen. Alles, was schein-
bar selbständig existiert, kann sich in der Meditation auflösen.

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Wir beginnen mit kurzen Meditationen von 2 x 5 bis 10 Minuten täg-
lich. Wir können dies nach und nach steigern, aber regelmäßige tägli-
che Praxis ist erheblich besser als wenige lange Meditationen.
Wir versuchen, eine tägliche regelmäßige Meditationspraxis einzuhal-
ten. Die verschiedenen Übungen der Lebendigen Meditation werden
in Stufen aufeinander aufbauen. Wir nehmen uns zwei, drei Tage Zeit
für jede Stufe und wenn uns eine der Formen von Lebendiger Medita-
tion besonders gefällt, können wir sie auch längere Zeit praktizieren.

104
Lektion 13a
Lebendige Meditation:
Grundübung, wenn wir das innere Rauschen
der Orgon-Energie nicht hören können
Vorbereitung:
Zunächst suchen wir eine Sitzhaltung auf, in der wir aufrecht und ent-
spannt sitzen können. Wichtig ist, daß das Rückgrat möglichst gerade
ist und daß wir keinen Muskel aktiv halten müssen. Untersuchen und
korrigieren wir zunächst unseren Sitz. Wir können diese Übung in ei-
ner hellen oder auch in einer völlig abgedunkelten Umgebung durch-
führen.

Übung:
Wir schließen die Augen und sehen uns an, was wir mit geschlossenen
Augen sehen können und denken still für uns:

Ich sehe die Göttliche Quelle.

Nun sehen wir einfach in die geschlossenen Augen hinein. Wir können
immer etwas sehen, entweder das Restlicht durch die Augenlider, oder
in absoluter Dunkelheit sehen wir die energetischen Reize auf die Seh-
nerven.

Ich sehe die Göttliche Quelle

Wir sehen in die geschlossenen Augen und lassen uns in unseren Geist
hineinsinken.

Ich sehe die Göttliche Quelle

Wir lassen jede äußere Ablenkung und jede innere Beteiligung an Ge-
danken los, sie sind ebenso bedeutungslos wie das, was wir mit geschlos-
senen Augen sehen.

Ich sehe die Göttliche Quelle

Jede andere Wahrnehmung ist ebenso bedeutungslos wie das Licht der

105
Energie. Nur auf dieses Licht richten wir unsere Aufmerksamkeit. Wir
erkennen, daß wir die Macht haben, unsere Achtsamkeit völlig darauf
zu richten. Der Geist kann dabei nicht aufgehalten werden, es sei denn,
wir entscheiden uns dazu.

Ich sehe die Göttliche Quelle

Wir erkennen, daß wir die Macht dazu haben, in der inneren Ruhe und
der Wahrnehmung des inneren Sehens zu verweilen. Jedesmal, wenn
wir einen Gedanken bemerken, der uns aus dieser Ebene herausführen
könnte, wenn wir irritiert sind oder bemerken, daß wir diskursive Ge-
danken entwickelt haben, denken wir wieder:

Ich sehe die Göttliche Quelle.

Der Geist schlägt seine natürliche Richtung ein, und wir können uns
dazu entscheiden, alle anderen Gedanken und Wahrnehmungen ohne
innere Beteiligung vorbeigleiten zu lassen, so wie ein älterer Mensch
sich verhält, der unbeteiligt einem Kind beim Spielen zuschaut.

Ich sehe die Göttliche Quelle

Während wir gedanklich völlig unbeteiligt sind, sollten wir dennoch


ein Gefühl für die Bedeutsamkeit dieses Vorgangs bewahren. Wir tun
etwas, was unschätzbaren Wert für uns selber hat, da wir uns von der
Klammer der Ego-Fixierung lösen und etwas Heiliges tun, etwas Heil-
sames, was uns völlig befreien kann. Wir denken nicht darüber nach,
lassen nicht zu, daß wir diese Bedeutsamkeit zu einem neuen Spiel des
diskursiven Denkens werden lassen. Wir erfahren diese Bedeutsamkeit
als eine Freude im Herzen, als ein Gefühl der Erleichterung und des
Friedens.

Ergebnis:
Wir können alle folgenden Meditationen, die sich auf das energetische
Rauschen beziehen, in dieser Weise auf das innere Sehen übersetzen.
Erfahrungsgemäß stellt sich bei fast allen, die diese Übung durchfüh-
ren, die Wahrnehmung des energetischen Rauschens nach einiger Zeit
von selbst ein, da wir über diese Übung lernen, den inneren Dialog zu
erkennen, der uns davon abhält, uns auf die lebendige Energiewahr-
nehmung einzulassen.

106
Die Hingabe an das Lebendige

D a wir als Menschen auf dieser Welt geboren sind, existieren wir in
der physischen Form. Darin kann also kein Widerspruch zu Gott
liegen, denn auch unsere körperliche Realität und die Existenz der phy-
sischen Welt ist Teil der göttlichen Natur. Dennoch scheinen wir etwas
grundsätzlich mißzuverstehen, da wir die Rolle des Geistes und des
Körpers falsch interpretieren: Wir identifizieren uns mit der physischen
Existenz und vergessen, daß wir Geistwesen sind.
Das Leben in einem physischen Körper ist nicht gleichzusetzen mit
der Existenz im Ego. Das Ego ist lediglich die Identifikation mit der
physischen Form.
Wir sind in der Lage, diese Identifikation aufzulösen und unsere Wahr-
nehmung von uns selbst als Körper zu transzendieren. Dies läßt sich
jedoch nicht wahrnehmen, sondern nur erkennen, indem wir über den
Bereich der Wahrnehmung, über die physischen Sinne und das ans Phy-
sische gebundene Denken hinausgehen in einen Bereich der direkten
gnostischen Erkenntnis. Das ist das Ziel der Lebendigen Meditation.
Aber was ist dann mit der Wahrnehmungsebene? Verschwindet sie? Ver-
schwindet unser Körper? Was ist mit Sehen, Hören, Fühlen, Schmek-
ken und Tasten, wenn wir über die Identifikation mit dem Körper hin-
ausgehen? Und vor allem, wie können wir mit diesen sehr starken Er-
fahrungen der Wahrnehmung umgehen, wenn wir uns auf den Weg ge-
macht haben, die Realität der geistigen Welt in uns selbst zu erkennen?
Diese Fragen bekommen für jeden, der meditiert und ernsthaft an gei-
stiger Erkenntnis arbeitet, einen wichtigen Stellenwert: Was ist meine
körperliche Erfahrung und was ist die Welt?
Die Religionen geben auf diese Fragen meist Antworten, die sehr wahr
und tief sind, aber leider meist auf eine asketische, körperverneinende
Weltanschauung hinauslaufen. Was für fürchterliche Folgen dies für die
menschliche Kultur hatte, wissen wir. Es ist ein Hauptforschungs-
gegenstand der Sexualökonomie Wilhelm Reichs.
Wilhelm Reich gibt auf diese Frage in den medialen Interviews eine
ganz praktische Antwort, die in vollkommenem Einklang steht mit sei-
nem wissenschaftlichen Werk: Das Lebendige in uns selbst und in der

107
Natur können wir dadurch als göttlich, d.h. als Nicht-Ego erfahren,
indem wir uns dem lebendigen Erleben hingeben. Die Hingabe an das
Göttliche, an das Lebendige ist der einzige Weg, das Ego zu überwin-
den.
Unser Geist identifiziert sich mit dem Offensichtlichen. Er hat eine
natürliche Tendenz, sich hinzugeben, und so gibt er sich der stärksten
uns zur Verfügung stehenden Erfahrung hin: der Wahrnehmung phy-
sischer Realität. Daß ihm andere, von der physischen Wahrnehmung
unabhängige Ebenen der Erfahrung zur Verfügung stehen, vergessen
wir dabei, und so stellen wir im Kopf, d.h. im Denken, eine Idee her,
die besagt, daß nichts anderes existiert. Das ist ein Irrtum.
Reichs Hauptforschungsgegenstand war die Sexualität, und hier läßt
sich auch die Funktion der Hingabe am eindeutigsten nachvollziehen,
denn sie ist die Erfahrung, die uns am stärksten an die physische Reali-
tät bindet. Reichs Forschungsergebnisse zeigen, daß die Erfahrung se-
xuellen Glücks – die Erfahrung des Orgasmus – direkt abhängig ist von
der Hingabefähigkeit des Menschen. Eine Einschränkung dieser Hin-
gabefähigkeit ist gleichbedeutend mit dem Verlust der lustvollen Er-
fahrung und erzeugt Leid. Es sind, das wissen wir aus dem Reichschen
Werk, Blockierungen im Energiefluß des Organismus, die eine völlige
Hingabe unmöglich machen.
Die Erfahrung von Lust und Unlust, von Freude und Leid, geschieht
jedoch im Geist. Was geschieht also im Geist, wenn wir einerseits eine
lustvolle, hingabevolle Erfahrung machen und andererseits, wenn der
Energiefluß blockiert ist und die Hingabe unmöglich wird?
In einer liebevollen Vereinigung mit einem Partner ist – wenn die Hin-
gabefähigkeit nicht blockiert ist – der Kopf zwar nicht ausgeschaltet,
aber das Denken ist völlig passiv auf die Erfahrung selber konzentriert.
Das Denken schweift nicht ab, es werden keine Phantasien produziert.
Im Orgasmus selber kommt das Denken der Flut von Erfahrungen
nicht mehr hinterher und will es auch gar nicht. »Der Kopf«, das Den-
ken schaltet sich aus, und die Erfahrung von Lust ist unmittelbar. Aber
es ist immer noch der Geist, der erfährt; es besteht eine »direkte Lei-
tung« zwischen dem körperlichen Geschehen und der lustvollen Er-
fahrung im Geist – ohne den Filter des Denkens. Niemand wird ernst-
haft bestreiten wollen, daß es eine Erfahrung, eine Bewußtsein dieser
intensivsten aller Lusterfahrungen gibt. Reich beschreibt in diesem Zu-
sammenhang eine Form der «Bewußtlosigkeit«, die den Moment der
völligen, unbegrenzten Energieentladung begleitet. Diese »Bewußtlo-
sigkeit« ist jedoch keineswegs damit gleichzusetzen, was wir als »Ohn-
macht« kennen. Es ist eine völlig eigene Form von geistiger Bewußt-

108
heit: es sind überhaupt keine kontrollierenden Gedanken mehr vor-
handen, und die bekannten Ego-produzierten Metaphern und Inter-
pretationen kommen völlig zum Erliegen. Die Hingabe an die körper-
liche, sexuelle Erfahrung im Orgasmus schaltet all diese Mechanismen
aus, und es ergibt sich die für Menschen außergewöhnliche Situation,
daß der Geist sich der physischen Erfahrung völlig unkontrolliert hin-
gibt. Das ist der Zustand der Ekstase.
In der blockierten sexuellen Erfahrung ist die Situation völlig anders.
Wenn die Hingabefähigkeit blockiert ist, entsteht Angst, die wir zu
kontrollieren versuchen, und wir beginnen zu denken: Wir entwickeln
diskursive Gedanken und schweifen ab. Wir denken an Dinge, die mit
der sexuellen Vereinigung nichts zu tun haben und weichen in eine in-
nere Realität aus, die völlig eigenständig »im Kopf« existiert, neben der
physischen Erfahrung. Um die sexuelle Erregung aufrechtzuerhalten,
werden dann eventuell noch Phantasien dazugeholt, d.h. wir vereinigen
uns im Geiste nicht mit unserem Partner, sondern mit einer Vorstel-
lung, die wir denken. Im Grunde genommen ist eine solche sexuelle
Situation nichts anderes, als eine gemeinsame Masturbation, wobei sich
jeder der beiden Partner seine eigene Pornographie im Kopf herstellt.
Die Folge dieser Erfahrung ist, daß im Geist keine Befriedigung erfah-
ren wird, sondern Frustration. Der Geist hat sich am Ego festgeklam-
mert, und das Ego ist nicht in der Lage, mit seinen Mechanismen eine
tatsächliche körperliche Befriedigung herzustellen. Tatsächlich können
wir hier sehr gut feststellen, was Ego ist, nämlich die Vorstellung vom
Körper: Die Identifikation mit dem Kunstkörper, den wir geistig pro-
duzieren. Das Ego ist nicht dazu in der Lage, die wirklichen lebendigen
Funktionen zu ersetzen, und versucht, diese zu kontrollieren. Und das
muß schiefgehen. Das Ego versteckt sich normalerweise hinter »dem
Körper«, es existiert offiziell überhaupt nicht, sondern sagt: »Ich bin
der Körper, dein Geist ist nicht mehr als eine Wahrnehmungs- und
Denkfunktion des Körpers«. Im Orgasmus, der nur über die Hingabe
zu erreichen ist, wird diese Lüge offenbar.
Ich habe hier das Beispiel der sexuellen Vereinigung gewählt, nicht um
zu provozieren, sondern um zu zeigen, wie sehr Hingabe und Ego sich
gegenseitig ausschließen. Das Ego will kontrollieren. Hingabe ist nichts
anderes als die Eigenschaft des Geistes, sich gutmütig und voller Ver-
trauen dem Offensichtlichen auszuliefern, und das Ego benutzt diese
Hingabefähigkeit des Geistes, um seine eigene Existenz zu sichern.
Aber Hingabe – und somit auch Egolosigkeit – läßt sich in allen Berei-
chen des Lebendigen erfahren. Jede Erfahrung, die wir direkt und un-
kontrolliert erleben, führt uns aus dem Ego hinaus. Meist sind es in-

109
tensive, ungewöhnliche Erfahrungen wie Krankheiten, Unfälle, Schreck-
situationen, die unmittelbares Erfahren ermöglichen und in denen das
Ego versagt. Aber es ist genauso möglich, sich sehr alltäglichen Erfah-
rungen hinzugeben und die sinnliche, körperliche Erfahrung im Geiste
direkt als Freude zu erleben: die Geschwindigkeit (sie muß nicht groß
sein!) beim Auto- oder Bahnfahren, ein Blick in den Sternenhimmel in
einer klaren Nacht, das Gefühl von Nähe mit einem einschlafenden
Kind.
Im Zen-Buddhismus wird diese direkte, unmittelbare Beziehung zwi-
schen Körpererfahrung und Geist über das Gehen geübt. In der india-
nischen Tradition wird dies in der Schwitzhütte erlebt. Die tanzenden
Derwische erleben es, indem sie sich dem endlos drehenden Tanz hin-
geben.
Das Wesen der Hingabe ist, daß die Erfahrung selber nicht kontrolliert
wird. Sie ist einfach. Der Körper, mit all seinen Funktionen, ist einfach.
Wir können eine hingebende Erfahrung nicht »machen«, wir können
einen Orgasmus nicht »machen«, wir können das glückliche Lachen
eines Kindes nicht »machen«. Alles, was wir »machen« können, ist Ego.
Die Hingabe ist eine geistige Funktion. Sie ist entweder da oder nicht.
Entweder ich folge meiner Empfindung geistig, ohne sie zu kontrollie-
ren, oder ich gebe mich ihr nicht hin. Hingabe ist ein geistiger Zustand
der Offenheit gegenüber einer Erfahrung. Ich kann mich einem Schmerz
hingeben. Ich kann mich einem Wutanfall hingeben oder einer sexuel-
len Erregung. Im Zustand der Hingabe bin ich mir bewußt, was ge-
schieht, ohne das Geschehen zu kontrollieren.
Das plasmatische Strömen ist nur über die Hingabe erreichbar. Hier
liegt ein weiteres Idiz dafür vor, daß die Hingabe eine geistige Funkti-
on ist, die wir auf geistigem Wege trainieren und auf physische Erfah-
rung anwenden können.
Die Selbstheilung des Geistes wird dadurch erreicht, daß wir uns der
direkten Erfahrung der Göttlichen Quelle hingeben.

110
Lektion 14
Lebendige Meditation:
Kontrolle und Hingabe

Vorbereitung:
Wir nehmen eine Sitzhaltung ein, in der wir aufrecht und entspannt
sitzen können, ohne einen Muskel aktiv halten zu müssen.

Übung:
Wir lassen uns auf das innere Rauschen ein. Es gibt keine andere Wahr-
nehmung. Sobald irgendein Gedanke auftaucht oder eine andere Wahr-
nehmung, lösen wir dies auf, indem wir denken:

Ich höre die Göttliche Quelle.

So erreichen wir Bewußtheit über die Aktivität unseres Geistes. Indem


wir die Göttliche Quelle hören, wissen wir, daß dies der wahre Zustand
der Meditation ist – ohne darüber nachzudenken. Dieser Zustand IST
Meditation.
In dieser vollständigen Kontrolle über unseren Geist können wir den
Geist loslassen und uns hingeben, wobei wir einmal den Gedanken den-
ken:

Ich gebe mich der Göttlichen Quelle hin.

Wir geben uns der Schönheit dieser Erfahrung hin, der Göttlichkeit,
der Lebendigkeit.

Wenn nun eine Ablenkung auftritt, denken wir:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Sobald wir wieder die stabile Meditation erreicht haben, lassen wir un-
seren Geist los und denken:

Ich gebe mich der Göttlichen Quelle hin.

111
Fehlerquellen:
Hingabe ist die Loslösung von jeder Kontrolle. Wir können die Hinga-
be nicht »machen«. Daher dürfen wir den Schritt in die Hingabe nicht
zu schnell unternehmen, damit kein neues – spirituelles – Ego entsteht.
Wenn es nicht sofort funktioniert, sollten wir uns nicht daran festklam-
mern, es »haben« zu wollen.
Gleichzeitige Kontrolle und Hingabe ist für den normalen Ego-Ver-
stand absurd, da sie – logisch betrachtet – nicht gleichzeitig existieren
können. Wir sollten nicht den Fehler machen, diese Meditation mit den
Mitteln des Verstandes zu ergründen. Hier findet das statt, was in der
Zen-Tradition »Koan« genannt wird.

Ergebnis:
Die Wahrheit, die wir in dieser Erfahrung finden können, ist die unmit-
telbare Erfahung der wahren Natur des Geistes.

112
Lektion 15
Lebendige Meditation:
Hingabe an die Göttliche Musik
Wir können feststellen, daß das Rauschen auch dann erhalten bleibt,
wenn wir zusätzlich andere Geräusche hören. Wir können uns der Er-
fahrung hingeben. Wichtig daran ist nur, daß wir diesen anderen Ge-
räuschen keine Bedeutung beimessen, also nicht anfangen, über sie nach-
zudenken, uns über sie zu ärgern oder andere Gefühle zu entwickeln,
z.B. sie anziehend zu finden. Erst, wenn wir anfangen, einen eigenen
inneren Dialog zu führen, wenn wir innerlich Gedanken formulieren,
hören wir auf, die Energie zu hören.
Ideal geeignet, das innere und das äußere Hören miteinander zu kom-
binieren ist das Lied von Hildegard von Bingen O vis aeternitatis von
der Gesangsgruppe Sequentia. (Dieses Stück befindet sich auf der CD
»Lebendige Meditation« von Jürgen Fischer oder auf der CD »Canticles
of Extacy« von BMG Ariola.) Organistrum und Fidel bilden einen
gleichmäßigen akustischen Hintergrund, der von der Frequenz her das
energetische Rauschen nicht stört, aber mit ihm ein gemeinsames Gan-
zes ergibt. Der hohe Gesang bildet eine eigene Schwingung, die auf der
Vereinigung von innerem und äußeren Hören zu schweben scheint. Und
der Text, den Hildegard von Bingen vor ca. 850 Jahren verfaßt hat, hat
einen direkten Bezug zu dem, was wir hier tun. Er bestätigt die Bedeut-
samkeit der Lebendigen Meditation auf eindrucksvolle Weise.

Vorbereitung:
Wir beginnen die Lebendige Meditation wie in den vorangegangenen
Lektionen. Wir legen vor der Meditation die CD ein und bereiten de-
ren Start vor.

Übung:
Wir lassen uns auf das innere Rauschen ein. Es gibt keine andere Wahr-
nehmung. Sobald irgendein Gedanke auftaucht oder eine andere Wahr-
nehmung, lösen wir dies auf, indem wir denken:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Sobald wir eine stabile Meditation erreicht haben, starten wir die CD

113
und hören die Musik zunächst ganz leise, so daß wir die Göttliche Quelle
noch sehr deutlich wahrnehmen können.
Wir werden feststellen, daß dieses Stück die energetische Wahrnehmung
in idealer Weise unterstützt. Wenn wir uns sicher sind, daß wir beides,
die Göttliche Quelle und die Musik deutlich und stabil wahrnehmen
können, ist es angebracht, die Lautstärke zu steigern. Indem wir die
Laustärke der Musik steigern, steigt auch die Lautstärke des inneren
Rauschens, es wird nicht leiser gegenüber der Musik, sondern behält
seine Relation bei. So können wir die Lautstärke so einstellen, wie es
unserem persönlichen Gefühl am besten entspricht.
Nun können wir unseren Geist loslassen und uns der Gesamterfah-
rung des energetischen Rauschens und der Musik hingeben, wobei wir
einmal den Gedanken denken:

Ich gebe mich der Göttlichen Quelle hin.

Wenn nun eine Ablenkung auftritt, denken wir:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Sobald wir wieder die stabile Meditation erreicht haben, lassen wir un-
seren Geist los und denken:

Ich gebe mich der Göttlichen Quelle hin.

Ergebnis:
Das innere und das äußere Hören werden zu einer gemeinsamen Wahr-
nehmung, so daß »innen« und »außen« nicht mehr existieren, da dies
Konzepte des Ego sind. So werden innere und äußere Welt eins, da wir
die Welt nicht mehr »denken«.
Wir erkennen die Göttliche Quelle, so wie sie ist. Die Musik führt unse-
re Seele dabei in die himmlischen Höhen. (Hildegard von Bingen in ei-
nem medialen Gespräch)

114
O vis aeternitatis
von Hildegard von Bingen Übersetzung aus dem
(1098-1179) Lateinischen von Jürgen Fischer

O vis aeternitatis O ewige Lebensenergie,


que omnia ordinasi in corde tuo, die alles in ihrem Kern regiert,
per verbum tuum omnia creata durch dein Wort wurde alles so
sunt sicut voluisti. geschaffen,
wie du es wolltest.

Et ipsum verbum tuum Und dein eigenes Wort


induit carnem inkarnierte sich
in formatione illa in jener Form,
que educta est de Adam. die von Adam abstammt.

Et sic indumenta ipsius Und also wurden ihre eigenen Hüllen


a maximo dolore abserta sunt. von größtem Leid befreit

O quam magna est benignitas O wie groß ist die Güte des
Salvatoris Erlösers
qui omnia liberavit der alles befreit hat
per incarnationem suam. durch seine Inkarnation
quam divinitas exspiravit von der Göttlichkeit ausgeatmet
sind vinculo peccati. ohne die Fessel der Sünde.

Et sic indumenta ipsius Und also wurden ihre eigenen Hüllen


a maximo dolore abserta sunt. von größtem Leid befreit

Gloria Patri et Filio Ehre dem Vater und dem Sohn


et Spiritui sancto. und dem Heiligen Geist

Et sic indumenta ipsius Und also wurden ihre eigenen Hüllen


a maximo dolore abserta sunt. von größtem Leid befreit

vis = »Kraft, Energie«


aeternitas = »Ewigkeit«, im mittelalterlichen Latein auch: »ewiges Leben,«
vis aeternitatis = »Energie der Ewigkeit« oder »Energie des ewigen Lebens«
oder »ewige Lebensenergie« oder »Orgon«

115
Die Hingabe an das plasmatische
Strömen und geistige Erkenntnis

D ie Erfahrung des plasmatischen Strömens hat einen tiefen Bezug


zu Gott. Es ist die Körperenergie, es ist Orgon, was hier strömt,
und es ist die Lebendigkeit, die wir in ihrer grundlegendsten physi-
schen Form erleben, an der Grenze zwischen körperlicher Wahrneh-
mung und geistiger Erkenntnis. Auch Reich sah in der lebendigen Ener-
gie das Göttliche, und ich möchte diesen Bezug zum wahrnehmbaren,
lebendigen Aspekt der Göttlichkeit in das Bewußtsein der Menschen
heben und Möglichkeiten zeigen, mit dieser tiefsten Ebene geistig zu
arbeiten.
Der physische Körper ist das Instrument, mit dem wir diese materielle
Welt erleben. Er ist animalisch, ein Tierkörper, und Reichs Formulie-
rung »Menschentier«, wenn er vom wesenhaften, energetischen Men-
schen spricht, ist wörtlich zu nehmen. Dieses Menschentier ist ein Teil
der göttlichen Schöpfung. Auch wenn unsere Welt, so wie wir sie wahr-
nehmen, eine geistige Projektion, ein Resulat des Ego ist, ist doch das
Lebendige, das Fühlende in jedem einzelnen Wesen von Gott, ist die
Natur selber Gott. Daher ist die Entdeckung des lebendigen, naturhaf-
ten, wesenhaften Teils in uns ebenfalls ein Weg zu Gott, der zwar in
verschiedenen mystischen Praktiken bereits erfahrbar gemacht wurde,
aber die Öffnung dieses Zugangs zum Lebendigen ist in unserer Kultur
hauptsächlich über Wilhelm Reich und die verschiedenen aus seinem
psychiatrischen Werk heraus entwickelten Körpertherapien möglich ge-
worden.
Es war immer nur eine Minderheit, die sich einen solchen Weg über
religiöse, mystische Praktiken leisten konnte: Geheimgesellschaften und
Mönchsorden, die den Adepten strikt auf einen bestimmten Weg ver-
pflichteten, die Gelübte und strenge Meister-Schüler-Beziehungen und
oft jahrzehntelange Klausuren fernab der Zivilisation verlangten, um
Schüler in den Praktiken zu unterweisen, die ihnen erlaubten, in diesen
»gefährlichen« Teil der Gottfindung einzutreten. Doch die Gefahr lag
nicht so sehr im »Seelenheil« des Schülers, sondern in den unüberwind-
lichen Widersprüchen zur kulturellen Struktur des Patriarchats.

116
Ich möchte hier die wichtigsten Passagen aus meinen medialen Gesprä-
chen mit Wilhelm Reich und Hildegard von Bingen über die plasma-
tischen Ströme zitieren:

WR: Plasmatische Ströme finden statt im Belebten und zwischen der


materiellen Aura des Belebten und dem an sich lebenden Körper. Je
nachdem, wie feinstofflich das Geistwesen im inkarnierten Sein ausge-
richtet ist, kann es diese plasmatischen Strömungen stärker oder schwä-
cher aktivieren, um sie dann spüren zu können. Die Strömungen fin-
den jederzeit statt, sie sind der Austausch zwischen der belebten Mate-
rie und der Kraft an sich, doch nur wenn sie stark aktiviert und beson-
ders konzentriert sind, an den Stellen, an denen Sie diese dann spüren
können, sind bestimmte Persönlichkeiten bereit, die Strömungen tat-
sächlich zu spüren. Allein das Aktivieren der Strömungen zu einer ge-
wissen Stärke reicht nicht aus, um sie auch spüren zu können. Es muß
eine bestimmte Bereitwilligkeit im Menschen sein, sich mit den plasma-
tischen Strömungen auseinandersetzen zu wollen. Das Sich-Auseinan-
dersetzen mit den Strömungen bedeutet gleichzeitig, die Bereitschaft,
sich mit dem Leben in der Natur an sich auseinanderzusetzen, was
nicht auf die Materie beschränkt ist. Sie verstehen mich?
JF: Ja.
WR: Ich bedanke mich.
JF: Hat es Vorteile oder ist es in irgendeinerweise positiv oder heilsam,
sich auf die plasmatischen Ströme zu konzentrieren, sie zu spüren, ih-
nen nachzuspüren? In meiner Erfahrungswelt ist das so, weil ich dann
immer sehr positive Gedanken und Gefühle bekomme. Sollte man das
kultivieren?
WR: Natürlich sollte man diese Kräfte kultivieren. Wer bereit ist, die
plasmatischen Strömungen spüren zu können, wird auch eines Tages
bereit sein, die Göttlichkeit in sich anzuerkennen und wahrhaft spüren
zu können und ihr nachzufolgen. Weiterhin beinhaltet es, wenn man
die Bereitschaft entwickelt, die plasmatischen Strömungen in ein wahr-
haftes Fließen zu bringen, daß eine große Gesundheit hervorgerufen
wird, durch das Fließenlassen auch in die Teile, die bisher unbelebt
sind, hervorgerufen durch Blockierungen, von denen Sie ja wissen.

JF: Wir benutzen bisher den Atem, um das energetische Strömen im


Körper fühlbar zu machen.
Hildegard von Bingen: Sie sollten dabei die Menschen im göttlichen
Licht schützen. Die Veränderung des Atems kann genauso auch negati-
ve geistige Kräfte anziehen, wenn diese Menschen nicht sehr stark posi-

117
tiv göttlich ausgerichtet sind. Es ist ganz wichtig, den Menschen zu sa-
gen – wenn es auch nur darum geht, das Strömen zu spüren – sich im
göttlichen Sinne beschützt zu fühlen.

JF: Kann man durch das bewußte Lenken des plasmatischen Strömens
auch körperliche Blockaden lösen?
WR: Ganz alleine durch das plasmatische Strömen können körperli-
che Blockaden, wenn sie schwerwiegend sind, nicht aufgelöst werden,
aber sie können bis zu einem gewissen Maße soweit aufgeweicht wer-
den, daß das Leben erträglich und naturnah wird, im Sinne von: nahe
der biologischen Funktion des Körpers.
JF: In welcher Form sollten wir das anwenden oder weitergeben? Soll-
te das richtig geübt werden?
WR: Ich halte das plasmatische Strömen für sehr, sehr sinnvoll, für
Kinder genauso wie für Erwachsene, egal welcher Religions- oder wel-
cher Landeszugehörigkeit, weil es zum einen die Menschen zur Ruhe
bringt und ihnen gleichzeitig dabei Kraft gibt, zum anderen ihnen aber
auch natürlich die Kräfte des Himmels näherbringt, da es ja eine ener-
getische Angelegenheit ist.
JF: Susanne und ich waren uns eben eigentlich darüber einig, daß das
plasmatische Strömen als kaltes Gefühl auf der Haut zu spüren ist, dar-
über hinaus als das gleiche Gefühl auch im Körper, wobei ich es dann
nicht mehr unbedingt als Kälte, sondern nur noch als Bewegung emp-
finde. Ist dieses Gefühl als »etwas Kühles« richtig beschrieben?
WR: Das ist ganz richtig beschrieben. Es ist ganz einfach die Energie,
die in abgewandelter Form auch von vielen Spiritisten beschrieben wird,
wenn ein Geist im Raume erscheint. Es ist also eine Ihnen schon sehr
artfremde Energie, die aber eigentlich im Astral- und Ätherleib zu Ih-
rem Körper hinzugehört. Was Sie als »etwas Kühles« erleben, ist, daß
die Energie bewußt in Bewegung gebracht wird und daß sie im Aus-
tausch steht mit neuer, frischer, göttlicher Energie gleicher Qualität.
JF: Sollten wir das den Leuten auf den Seminaren als tägliche Übung
beibringen?
WR: Sie sollten es den Leuten in den Seminaren genauso nahebringen
wie Sie es benutzen. Es gibt Zeiten, da benutzt man es häufig, und es
gibt Zeiten, da vergißt man es auch mal. Aber man kann sich immer
wieder daran erinnern und es immer wieder tun, wenn man es drin-
gend benötigt.
JF: Meine Beobachtung ist, daß ich keine Angst oder keine schweren
neurotischen Symptome entwickeln kann, wenn ich ströme, das heißt:
Das Gefühl von Angst, also Kontraktion und Strömen schließt sich

118
offenbar gegenseitig aus.
WR: Wenn das Strömen wirklich richtig intensiv ist, an allen Körper-
stellen, ist es genauso wie Sie es beschrieben haben. Es gibt immer noch
Strategen aller Arten und Weisen, die an vielen Körperstellen strömen
können und an einigen dann doch nicht, bis sie es richtig gelernt haben.
Sie sollten darauf hinweisen.
JF: Das kann man dann aberdurch Gedanken bewußt lenken.
WR: Genau.
JF: Man muß also seinen Körper Stück für Stück analysieren, ob es
dort strömt oder nicht, oder ob man in der Lage ist, an einer bestimm-
ten Körperstelle das Strömen zu initiieren.
WR: Die Körperteile, die nicht strömen können, werden sich extrem
unangenehm bei Ihnen melden.
JF: Diese andere Beobachtung, die wir eben machten, daß, wenn Su-
sanne erzählt, wo sie strömt, und ich dann genau diese Erfahrung ma-
che, sogar ihren Bauch, ihr Baby im Bauch gespürt habe – das Strömen
davon, nicht das Baby selbst – ist das eine allgemeine Fähigkeit von
Menschen, einfach durch Gedanken die Erfahrung des Strömens von
einem Menschen zum anderen zu übertragen? Oder ist das jetzt wie-
der nur etwas Spezielles, was nur mich angeht?
WR: Normalerweise ist es eine allgemeine Fähigkeit des Menschen zu
empfinden, was ein anderer ihm gesagt hat. Viele Menschen vergessen
diese Fähigkeit und sind nicht mehr in der Lage, sie auszuüben. Es hat
auch damit zu tun, inwieweit die Menschen bereit sind, sich füreinan-
der zu öffnen und füreinander Liebe zu empfinden. Sie sind ein Mensch,
der sehr stark Liebe für andere empfindet, das hilft Ihnen dabei sehr.
JF: Kann es für mich gefährlich sein, die Strömungsempfindungen bei
anderen Menschen mitzuempfinden?
WR: In dem Moment, wenn Sie diese Strömungsempfindungen beur-
teilen, wenn die Strömungsempfindungen in Ihnen irgend etwas Ne-
gatives ausüben, ist es für Sie gefährlich. Es ist völlig ungefährlich, wenn
Sie einfach nur empfinden, es frei fließen lassen und zulassen, daß es so
ist, wie es ist, es nicht beurteilen und nicht verändern wollen. Sie müs-
sen das Ganze einfach als beobachtender Wissenschaftler empfinden.
JF: Das heißt ich müßte davor gewarnt sein, durch eigenes Strömen im
anderen etwas auszulösen? Meinen Sie das so?
WR: Genau das meine ich damit. Sie können dem anderen sagen, wie
er selber es bei sich besser strömen lassen sollte, aber Sie sollten es tun-
lichst vermeiden, Ihr Strömen mit dem Strömen des anderen zu ver-
mischen.

119
Wir müssen nun lernen, deutlich zu unterscheiden, was wir einerseits
real physisch erleben, was wir im Geist erkennen und was wir andereseits
nur aus dem Ego heraus projizieren. Um diesen Weg zu gehen, müssen
wir uns strikt an unserer eigenen Wahrnehmung und unserer Erkennt-
nis orientieren und vor uns selber sehr ehrlich sein, denn sowohl die
physische Strömungsempfindung wie auch die Hinwendung zu Gott
können wir nur noch in uns selbst erkennen und es nicht nach außen
beweisen. Auch die Kommunikation darüber ist schwierig, denn die
Erfahrung läßt sich nicht vermitteln und nur wenige Menschen kennen
sie.
Sobald wir die Wahrnehmung des plasmatischen Strömens als körperli-
che Erfahrung sicher kennen, kann sie transzendiert werden, indem wir
geistig mit ihr arbeiten. Die Hingabe zum Strömen kann sich mit der
Wahrheit bestimmter Gedanken verbinden. Was hier geschieht, läßt sich
nicht mehr über den Intellekt beschreiben und schon gar nicht begrei-
fen. Es ist der Unterschied, der sich zwischen der intellektuellen Qua-
lität eines Gedankens und dessen Erkenntniswert ergibt. Erkenntnis
ist immer vom Gefühl der Wahrheit begleitet. Auf der geistigen Ebene
bekommt diese Wahrheit eine Realität, die der von physischer Erfah-
rung weit überlegen ist, denn diese ist auf eine kurze Lebensspanne
begrenzt. Die Wahrheit geistiger Erkenntnis ist Teil der ewigen geisti-
gen Realität, die wir bereits kennen und die uns deshalb sehr vertraut
ist, sobald wir den Kontakt wiederfinden.
Ich nehme an, diese Ebene läßt sich nur noch anhand bestimmter Übun-
gen praktisch vermitteln, und auch dann werden nur die Menschen die-
se Erfahrung erleben, die in ihrer geistigen Entwicklung darauf vor-
bereitet sind. Es geht nicht um Leistungsdruck und nicht um »Erleuch-
tungsdruck«. Entweder wir finden Zugang zu dieser Ebene geistiger
Erfahrung oder nicht. Wo ist also der praktische Bezug zu finden? Ich
gebe ein paar Beispiele:
Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist für mich das Ge-
bet. Ich hatte immer große Schwierigkeiten zu beten, da ich es als sinn-
los empfand, einfach mit einem projizierten, angenommen Gott oder
Christus oder Engel zu sprechen. Das hinterließ bei mir das Gefühl
von Demütigung im negativen Sinne und Ohnmacht, von Alleinsein
und tiefem Zweifel, ob es Gott, Bodhisattvas oder Engel tatsächlich
gibt. Über die Arbeit mit dem Engel-Energie-Akkumulator hat sich
dies radikal geändert, nachdem ich entdeckt hatte, daß ein Gebet, das
ich in der starken Empfindung des plasmatischen Strömens sprach, in
mir eine ganz andere Art von Wahrheit bekam. Ich habe seither die
deutliche Erfahrung von »Kontakt« zu Gott, wenn ich bete, d.h. wenn

120
ich meine Gedanken an Gott in der Lebendigen Meditation, also aus-
serhalb des Egos und in der deutlichen, körperlichen Wahrnehmung
des plasmatischen Strömens ausspreche. Das Gebet unterstützt das Strö-
men ganz entscheidend, und so bin ich dazu übergegangen, nur noch
zu beten, wenn ich diese deutliche Empfindung von Kontakt habe. Dabei
habe ich entdeckt, daß dieses vom Gebet unterstützte Strömen eine
andere Qualität bekommt als das »normale« plasmatische Strömen, das
ich als die beschriebene Energiebewegung im Körper erfahre. Die
Strömungsempfindung entsteht im Körper, und durch das Gebet rich-
tet sie sich deutlich »nach oben«. Es strömt zunächst durch den Körper
und dann auch in der näheren Umgebung des Körpers deutlich nach
oben, manchmal so stark, daß ich das Gefühl habe, in einem Wind zu
sitzen, der von unten bläst und meine Energie in den Himmel trägt.
Gleichzeitig ist da die nichtsinnliche, geistige Erfahrung eines Lichts,
einer göttlichen Energiequelle, die sich über mir öffnet und in die mei-
ne nach oben strömende Energie aufgenommen wird und die anderer-
seits meine Strömungsempfindung speist. Einige wenige andere Men-
schen, denen ich diese Erfahrung in der Lebendigen Meditation ver-
mitteln konnte, haben diese Erfahrung bestätigt.
Eine andere Ebene, auf der wir das plasmatische Strömen einsetzen kön-
nen, ist die Arbeit mit Vergebung in dem Sinne wie sie im Kurs in Wun-
dern gelehrt wird. Vergebung ist hier die Erkenntnis, daß »Sünde« nie
existiert hat und daß die Verfehlungen, die ich in anderen Menschen
sehe, nichts anderes sind als Widerspiegelungen meiner eigenen geisti-
gen Fehleinstellungen. Dies ist im Grunde genommen die konsequen-
te Erarbeitung geistiger Blockaden. Wir benutzen unsere eigenen Ab-
grenzungen gegenüber anderen Menschen – Feindschaft, Vorwürfe, Kri-
tik – dazu zu erkennen, wo unsere eigenen geistigen Fehlhaltungen lie-
gen. Hier trifft sich auch das orgonomische psychiatrische Wissen mit
spirituellen Lehren, denn es wird deutlich, daß die geistigen Blockaden
funktionell identisch sind mit emotionellen, körperlichen und energe-
tischen Blockaden. Und deshalb ist es möglich, auf allen diesen Ebe-
nen einzugreifen. Das analytische Wissen sagt uns, daß wir nur die Sai-
ten in anderen klingen lassen können, die in uns selber schwingen. Es
sind nie »objektive« Kriterien, die uns die »Fehler« oder »Sünden« an-
derer Menschen wahrnehmen lassen, sondern unsere eigenen Konzep-
te, die nur darauf beruhen können, daß wir mit genau den geistigen
Blockaden geschlagen sind, die wir in anderen zu erkennen meinen.
Letztlich geht es also nur darum, uns selber zu vergeben, also zu erken-
nen, daß es lediglich einer geistigen Korrektur bedarf. Indem wir dies
mit der Erfahrung des plasmatischen Strömens verbinden, erleben wir

121
die geistige Realität, die Wahrheit darin, und die »Löschung« dieser gei-
stigen Blockierungen kann beginnen. Diese Ebene der Erkenntnis kann
nicht erreicht werden, solange wir Angst haben, also innerhalb des Ego
und in psychischer Abwehr. Das Strömen führt uns in die Angstfreiheit
und in die Erkenntnis. Und erst hier kann unsere eigene Energie mit
der Göttlichen Quelle Kontakt aufnehmen, und das ist, sobald es ge-
schieht, eine sehr wirkliche Erfahrung.
Genauso können wir mit den vielen Aussagen verfahren, die wir als
Sinnsprüche, als geistigen Bezugsrahmen kennen, wie er im Kurs in
Wundern oder anderen »geistigen Reiseführern« gelehrt wird. Ein ein-
ziger wahrer Satz, der in diesem Sinne wirklich verstanden wird, hat
mehr Wert als die rein intellektuelle Lektüre ganzer Bibliotheken spiri-
tueller Literatur.
Ich erkunde diese Erfahrungsebene inzwischen so oft und so ausführ-
lich, wie es mir möglich ist, und ich sehe viele Tore zur geistigen Welt,
die sich über das plasmatische Strömen öffnen lassen. So meine ich,
hier einen ganz praktischen Zugang zu dem gefunden zu haben, was im
allgemeinen unter »tantrischer Sexualität« verstanden wird. Das starke
plasmatische Strömen läßt sich ohne weiteres durch die Genitalien len-
ken und steigt in gleicher Intensität im Körper und in der körpernahen
Aura auf. Einen anderen vielversprechenden Weg sehe ich in den Be-
reich der »Astralreisen«, denn es scheint möglich zu sein, innerhalb des
Kontakts zum göttlichen Licht den eigenen Körper zu verlassen und in
das göttliche Licht und in himmlische Bereiche einzugehen.
Wir sind, was die Erforschung des plasmatischen Strömens angeht, völlig
am Anfang. Viel mehr als das, was Reich gesagt hat und was ich im
Übungsteil anbiete, weiß ich heute noch nicht. Ich selber taste mich
Stück für Stück voran, und ich bin mir sicher, daß es hier sehr viel noch
zu entdecken gibt.

122
Myron Sharaf über Wilhelm Reich:

Besonders faszinierend war diese Mischung aus ei-


nem sehr einfachen Menschen, der bereit war, sich
den banalsten Problemen zu widmen und jenem
großen, zurückhaltenden, einsamen Mann, der sich
seines Schicksals ebenso klar bewußt war wie sei-
ner selbst – zumindest dessen, was er zu sein glaub-
te. Einmal sagte er – mehr zu sich selbst, als zu je-
mand anderem: »So jemand wie ich kommt nur
alle tausend Jahre einmal vor.«
(...)
Das war also dieser Wilhelm Reich, diese proble-
matische Person. Und ich unternahm alles, um ihn
zu begreifen, notierte mir alles. Reich, der nachts
im Labor arbeitete und mehr zu sich selbst als zu
mir sagte: »Wenn es spät ist, still und einsam, dann
ist es gut.«

Myron Sharaf: „Der Heilige Zorn des Lebendigen – Wilhelm Reich –


Die Biographie“ Seite 46/47

123
Lektion 16
Lebendige Meditation:
Hingabe an das plasmatische Strömen
Das plasmatische Strömen kann – wie die anderen energetischen Wahr-
nehmungen, das akustische Rauschen und das visuelle Glitzern der Ener-
gie – als Grundlage für die Meditation dienen.

Vorbereitung:
Um diese Übung durchzuführen, sollten wir das plasmatische Strö-
men zunächst entdeckt haben und in der Lage sein, es einfach zu errei-
chen, indem wir die Anregungen des Strömens nutzen, auf die wir per-
sönlich reagieren. Ich empfehle, den Engel-Energie-Akkumulator und
die Musik von Hildegard von Bingen zu nutzen, weil sich das plasma-
tische Strömen damit besonders stabil erfahren läßt.
Mehr noch als die akustische und visuelle Energiewahrnehmung ist das
plasmatische Strömen nur über die Hingabe erreichbar. Wir können es
nicht »machen«, sondern nur dadurch erfahren, daß wir es zulassen und
uns dieser Erfahrung öffnen, sobald sie erscheint. Deshalb sollten wir
zunächst keine Meditation auf das plasmatische Strömen planen und
durchführen, sondern bereit sein, in der Meditation auf diese Ebene
»umzusteigen«, wenn sich uns diese Gelegenheit bietet, weil wir das
plasmatische Strömen erfahren. Erst, wenn wir das plasmatische Strö-
men willentlich über Gedanken auslösen können, (z.B. Ich ströme.«),
können wir es auch gezielt in der Lebendigen Meditation einsetzen.

Übung:
Wenn wir in der Lebendigen Meditation das Strömen im Körper wie
kühle fallende Schneeflocken erfahren, werden wir uns der Tatsache
bewußt, daß dies der Kontakt mit der Göttlichen Quelle ist, daß wir
von Gott im Sinne des Wortes »berührt« werden und wir denken:

»Ich fühle die Göttliche Quelle«.

Die plasmatische Strömung beginnt meist als Abwärtsbewegung im


Körper. Wird es intensiver, dann steigt es nach und nach auf und dehnt
sich auch auf den Bereich um den Körper herum aus. Diese Erfahrung
ist sehr eindringlich und füllt unsere Erfahrung absolut aus. Es ist kei-

124
ne Einbildung oder Suggestion, sondern hat eine eigene Dynamik, die,
wenn sie abflacht, durch den Atem oder durch Gedanken (»Ich fühle
die Göttliche Quelle« oder nur »strömen«) wieder angefacht werden
kann wie ein kaltes Feuer, in das wir hineinblasen.
Die Meditation auf das plasmatische Strömen folgt den gleichen Ge-
setzmäßigkeiten wie die anderen energetischen Meditationen, d.h. wenn
das diskursive Denken einsetzt, wird die Erfahrung flacher oder hört
ganz auf. Andererseits kann das Gefühl des plasmatischen Strömens so
intensiv werden, daß die Friedlichkeit und Freude uns mehr und mehr
ausfüllt und das Bedürfnis, wieder in unser in Metaphern denkendes
Normal-Ich zurückzukehren vollkommen verschwindet.

Ergebnis:
Was in dieser Meditation geschieht, lassen wir geschehen. Wir können
uns in diesem Strom von Energie auflösen und uns in den Himmel
hineintragen lassen.

125
Lektion 17
Lebendige Meditation:

OM – plasmatisches Strömen
durch akustische Schwingungen auslösen
Die Keimsilbe OM ist nach vedischen, hinduistischen und buddhisti-
schen Überlieferungen gleichbedeutend mit dem Ursprung aller Exi-
stenz. Sie entspricht dem, was in der Bibel gemeint ist, wenn in der
Genesis steht: »Am Anfang war das Wort«.
Über das laute Singen der Keimsilbe OM können wir das plasmatische
Strömen im Körper auslösen oder besser: einen Zugang zu dieser Er-
fahrung freilegen, die immer im Hintergrund unserer Existenz da ist.
Dieser Zugang kann einzig über Hingabe erreicht werden.

Vorbereitung:
Zunächst suchen wir eine Sitzhaltung auf, in der wir aufrecht und ent-
spannt sitzen können.

Übung;
Nun schließen wir die Augen und horchen in uns hinein.
Sobald wir das Rauschen hören, denken wir still für uns:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Nun hören wir einfach zu und lassen uns in unseren Geist hineinsinken.

Ich höre die Göttliche Quelle

Sobald die Meditation stabil ist und wir vom diskursiven Denken Ab-
stand gefunden haben, atmen wir tief ein. Und während wir langsam
und gleichmäßig ausatmen, singen wir laut den Buchstaben »Aaaahhh«,
wobei wir die Schwingung in der Brust, im Bauch und im gesamten
Körper fühlen, soweit sie fühlbar ist. Wenn der Atem dieses Ausat-

126
mens etwa zur Hälfte verbraucht ist, wechseln wir über zum Buchsta-
ben »Uuuu«, den wir in der Kehle spüren und dann zum Buchstaben
»Mmmmm«, den wir im Kopf fühlen. Immer breiten sich diese Klänge
im Körper aus, der als Resonanzkörper mitschwingt. (Wir werden ein
Gefühl dafür bekommen, wie wir die drei Klänge gut timen können.)
Wir lassen den Atem ausklingen, halten den Atem an, solange es ange-
nehm ist, und fühlen in den Körper hinein, bevor wir wieder einatmen.

Ergebnis:
In der Phase nach dem Ausatmen und bevor wir wieder einatmen, kön-
nen wir das plasmatische Strömen besonders gut identifizieren, weil es
durch die Resonanzschwingung in den bewußten Wahrnehmungs-
bereich rückt. Sobald das plasmatische Strömen eindeutig wahrnehm-
bar ist, denken wir:

Ich fühle die Göttliche Quelle

Dann atmen wir langsam und tief wieder ein und beginnen den näch-
sten Zyklus. Wir können jedoch auch, wenn wir das plasmatische Strö-
men fühlen, unseren Atem natürlich gehen lassen und uns der Erfah-
rung des plasmatischen Strömens hingeben. Sobald die Erfahrung des
Strömens abflacht, beginnen wir wieder mit dem Singen von OM.

127
Lektion 18
Lebendige Meditation:
Die tiefe Meditation
In der tiefen Meditation erreichen wir die Quelle unseres Geistes.
Je weiter wir die Wahrnehmung der Welt und unserer selbst vergessen,
desto klarer wird die Erkenntnis sein. Mit dieser Anleitung ist nur ein
Weg vorgegeben, den ein jeder alleine in der Tiefe seines eigenen Gei-
stes suchen und beschreiten muß.

Vorbereitung:
Zunächst suchen wir eine Sitzhaltung auf, in der wir aufrecht und ent-
spannt sitzen können.

Übung:
Nun schließen wir die Augen und horchen in uns hinein.
Sobald wir das Rauschen hören, denken wir still für uns:

Ich höre die Göttliche Quelle.

Nun hören wir einfach zu und lassen uns in unseren Geist hineinsinken.

Ich höre die Göttliche Quelle

Wir lassen jede äußere Ablenkung und jede innere Beteiligung an Ge-
danken los, sie sind ebenso bedeutungslos wie der innere Ton.

Ich höre die Göttliche Quelle

Jede andere Wahrnehmung ist ebenso bedeutungslos wie das Rauschen


der Energie. Nur auf dieses Rauschen legen wir unsere Aufmerksam-
keit. Der Geist kann dabei nicht aufgehalten werden.

Ich höre die Göttliche Quelle

Wir geben uns der Göttlichen Quelle völlig hin. Nichts existiert außer
der Göttlichen Quelle. Alle Erscheinung löst sich darin auf.
Ich höre die Göttliche Quelle

128
Wir sind in einem inneren Raum, in dem nichts existiert außer der
Göttlichen Quelle.
Dies ist die Schwelle, an der uns der Heilige Geist empfängt.

Wir tun nichts.


Es gibt nichts zu tun.
Wir geben uns der Göttlichen Quelle hin.

Ich BIN die Göttliche Quelle

Ergebnis:
Die tiefe Meditation führt uns an die Schwelle, an der unser Geist, an-
geleitet vom Heiligen Geist, sich selbst regulierend bestimmt, wie die
Meditationspraxis aussehen soll. Wir gehen von nun an den Weg, der
uns gezeigt wird.

129
130
Vierter Teil

Mediale Gespräche

mit Wilhelm Reich


und
Hildegard von Bingen

131
Einleitung

D ies sind Auszüge aus sechs medialen Gesprächen, die ich im


Mai 1997 mit Wilhelm Reich und Hildegard von Bingen geführt
habe. Die ersten medialen Gespräche, in denen Reich mir die Konstruk-
tion des Engel-Energie-Akkumulators übermittelt hatte, hatten zum
Jahreswechsel 1995/96 in Frankreich stattgefunden. Diese Gespräche
wurden im Buch Der Engel-Energie-Akkumulator nach Wilhelm Reich
– Mediale Gespräche mit dem Entdecker der Orgon-Energie im Omega-
Verlag, Düsseldorf veröffentlicht. Außerdem sind alle 22 medialen
Gespräche im Internet auf der Web-Site www.orgon.de. veröffentlicht
worden.
Dies waren die letzten medialen Gespräche, die ich bisher geführt habe,
und wahrscheinlich werden zunächst keine weiteren hinzukommen. Die
insgesamt 22 Gespräche hatten ihre nicht zu unterschätzende, wertvol-
le Funktion, die spirituelle Orgonomie in Gang zu setzen. Dennoch ist
es mein deutliches Gefühl, daß es damit nun gut sein soll. Dies hat
verschiedene Gründe. Hauptsächlich liegt es an der Ebene der media-
len Übermittlung selbst. Weder ich noch die meisten anderen Beteilig-
ten können sich ganz vom Zweifel trennen. Ich zweifle nicht daran,
daß ich es mit Wilhelm Reich und Hildegard von Bingen zu tun habe.
Aber ich zweifle an den Menschen, die an diesen Gesprächen beteiligt
sind, an mir selbst und den Medien. Wie weit soll ich mich auf diese
Ebene einlassen? Wieviel Ego ist auf meiner Seite und auf Seiten der
Medien daran beteiligt und geht auf die Inhalte über?
Ich fühle, daß mediale Gespräche – so überraschend und eindrucksvoll
sie auch sein mögen – eine gewisse kritische Distanz verlangen, aber
eigentlich nicht vertragen. Wen soll man kritisch hinterfragen? Es sind
drei Personen an solchen Gesprächen beteiligt. Das jenseitige Wesen,
das Medium und ich, der Empfänger, der das alles veröffentlicht. Wer
ist verantwortlich für das, was hier gesagt wird? Natürlich das jenseiti-
ge Wesen, das jedoch nicht erreichbar ist. Das Medium und der Publi-
zist sind Boten. So entsteht ein Vakuum von Nicht-Verantwortlichkeit
und die Grenze zur Verantwortungslosigkeit ist fließend.
Die Gespräche, die ich hier auszugsweise veröffentliche, haben weitere

132
entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung der spirituellen Or-
gonomie geliefert, deshalb sind sie ein Bestandteil dieses Buches. Doch
auch alles andere in diesem Buch ist in gewissem Sinne »medial«, wenn
auch in einem weiteren Sinn.
Alle Gedanken, die hier in diesem Buch zur Energiewahrnehmung, zur
Lebendigen Meditation und zur Lebendigen Ekstase ausgedrückt wer-
den, habe ich medial empangen – über die Anwendung des Engel-En-
ergie-Akkumulators und über meine eigenen Kontakte in die jenseiti-
ge Welt. Indem ich sie unter meinem Namen, in meiner Verantwortung
veröffentliche, haben diese Gedanken eine Quelle und ich muß für sie
geradestehen. Die »Ideen«, die ich erhielt, setzte ich zunächst in die
Praxis um, und erst, wenn ich wirklich verstanden habe und wenn diese
Ideen sich praktisch mit anderen Menschen umsetzen lassen, sind sie
es wert, in schriftlicher Form veröffentlicht zu werden.
Die Inhalte, um die es mir geht, kommen aus dem Bereich jenseits des
Ego (nicht jenseits des Todes). In diesem Sinne sind alle Menschen
medial und sollen es sein, denn unsere geistigen Helfer stehen bereit,
von uns gehört, gefühlt, gewußt und gedacht zu werden. Die Metho-
den der Lebendigen Meditation sind ausgezeichnet geeignet, den eige-
nen Geist soweit zu klären, daß es möglich wird, zwischen den eigenen
»Quatsch-Gedanken« des Ego und den Stimmen des Gewissens, der
Engel und der geistigen Helfer zu unterscheiden.
Daher empfinde ich mich selbst nicht als Medium und trete auch be-
wußt nicht als ein solches auf. Denn jeder Mensch ist Medium für die
Welt, die wir jenseits des Ego in unserem Geist mit uns tragen.

133
Gespräche mit Wilhelm Reich

Über Sterben und Tod

Jürgen Fischer: Der Punkt, an dem ich mich entschlossen hatte, hier-
her zu fahren, das war eine Radiosendung über Sterben und Sterbe-
begleitung. An dieser Stelle hatte ich das Gefühl, daß Sie mich rufen.
Wilhelm Reich: So ist es.
JF: Ich hatte den Gedanken, daß neben den Bereichen Sexualität, die
Sie vom Irrationalismus befreit und den Menschen als Menschenrecht
zurückgegeben haben, und der Spiritualität, die Sie in den letzten Ge-
sprächen auch als eine Kraft im Menschen aus der falschen Religiosität
herausgenommen haben... daß auch das Sterben dazugehört – das Ster-
ben und der Tod – und daß Sie uns mit dem, was Sie zu sagen haben, ein
besseres Verständnis von Tod und Sterben geben können.
WR: Ja, genauso ist es.
Dadurch, daß ich selber diese Erfahrung bewußt beschritten habe und
auch jetzt aus der jenseitigen Sphäre – für Menschen gesehen – den
Bereich des Todes sehr aus der Nähe erforscht habe, indem ich bei vie-
len, vielen sterbenden Menschen dabeigewesen bin, mir ein genaues Bild
über die physischen aber auch die ätherischen Vorgänge gemacht habe,
ist es mir ein sehr, sehr wichtiges Anliegen, den Menschen den Tod und
auch die Prozesse, die während des Todes geschehen, nahezubringen,
klarer erläutern zu können, um den Tod die Angst und diesen Wahn-
sinn zu nehmen, den das Leben der Menschen umgibt, weil sie sich
nicht mit ihrem Tod beschäftigen wollen, weil das Thema Tod für sie
ein Tabu ist, eine Grenze, über die sie nicht schauen wollen.
JF: Ein weites Thema.
WR: Es ist ein sehr weites Thema. Wenn ich anfange bei den physikali-
schen und chemischen Prozessen, die im Körper während des Todes
vor sich gehen; wenn ich dann weiter erläutere, wie die ätherischen Kör-
per sich gleichzeitig mitverändern müssen, sich mit lösen müssen vom
Körper und wie der Mensch als Geist, als Seele sich verhalten muß,
damit es einen leichten Tod gibt – es ist sehr, sehr komplex. Ich möchte

134
es nur anschneiden und insofern erläutern, daß den Menschen eine Mög-
lichkeit gegeben wird, ihrem Tod mit Freude ins Auge zu blicken, mit
Freude entgegenzublicken; den Tod wirklich als das zu sehen, was er
ist, als Übergang zur wahren Existenz, zum Sein an sich, zur Lebendig-
keit, zur wahren Lebendigkeit – zur fast grenzenlosen Lebendigkeit.
JF: Das heißt, das eigentliche Leben beginnt nach dem Tod?
WR: Das eigentliche Leben sollte – so wie Sie meine Lehre und meine
Bemühungen kennen – hoffentlich niemals nach dem Tod beginnen, aber
nach dem Tod sollte es viel, viel, viel lebendiger, glücklicher und freier
weitergehen. Dazu gehört aber im Leben, in der irdischen Existenz eine
gravierende Vorbereitung auf den Tod hin, über den Tod hinaus.
JF: Gut. Fangen wir damit an.
WR: Gut!

Vorbereitung auf den Tod

JF: Wie sollte Ihrer Ansicht nach die optimale Vorbereitung auf den
Tod aussehen?
WR: Die optimale Vorbereitung auf den Tod sollte sein, daß der Mensch
sich dessen bewußt ist, daß nach dem Tod seine Existenz weiter fortge-
führt wird, daß der Mensch sich dessen bewußt wird, daß es Himmel
und Hölle, Satan und den lieben Gott, wie die Kirchen es erzählen,
einfach nicht gibt!
Es gibt ein Gewissen, das ist in jedem Menschen verankert und das
verbindet ihn mit seinem Schöpfer, unser aller Schöpfer, der einfach die
Kraft gibt und der die Liebe ist – aber die wahre Liebe, nicht die
verzärtelnde Mutterliebe, diese anhängliche Liebe an irgendetwas. Lie-
be ist mit menschlichen Worten so nicht zu erfassen.
Also zum einen gehört dazu die Bewußtwerdung, daß es etwas gibt,
wonach man sich ausrichten muß im Leben und daß man sich am be-
sten über das eigene Gewissen, was man in sich trägt, mit diesem Et-
was, diesem Schöpfer verbinden kann. Danach sollte man sein Leben
ausrichten. Dann wird einem der Tod so oder so mit der Zeit in einem
ganz neuen Licht präsentiert werden.
Weiterhin gehört dazu eine gewisse Neugier: »Wie geht es weiter? Was
kommt danach?« Das hilft, die Angstschwelle des Todes, die in jedem
Körper doch sehr stark vorhanden ist, zu erleichtern und zum Abklin-
gen zu bringen.
Und weiterhin gehört dazu eine Freude an der wahren Existenz, eine
Liebe zur Existenz an sich. Mit der Gabe des Lebendigseins des Gei-

135
stes, des Inneren, auch wenn der Körper nicht mehr mitmacht. Die
Menschen sollten lernen, gerade im Alter, wenn sie spüren, daß der
Körper schwach wird, frei zu werden von den menschenerdachten Fes-
seln und sich in himmlische Höhen zu schwingen. Dann werden sie es
in der Stunde ihres Todes ganz genauso tun können, wie sie es sich oft
in Gedanken erdacht haben – problemlos und angstfrei.
JF: Die geistige, intellektuelle Beschäftigung mit dem Tod, mit der Tat-
sache, daß wir sterben, sieht ja für junge, mittelalte und ältere Men-
schen völlig unterschiedlich aus. Junge Menschen können es sich mei-
stens leisten, den Tod zu verdrängen.
WR: So ist es.

Die Fesseln der Lebendigkeit sprengen

JF: Weil sie noch weit weg sind – jedenfalls in der Vorstellung. Men-
schen, die voll im Leben stehen, so zwischen 30 und 60 meinetwegen,
haben meistens viel zu wenig Muße, sich mit der Tatsache des Todes zu
beschäftigen, und ältere Menschen, die dem Tode nahe sind, haben oft
einfach so viel Angst und Panik, daß sie den Tod verdrängen. Deshalb
habe ich gedacht, vielleicht könnten Sie zu den verschiedenen Lebens-
phasen der jungen, älteren und alten Menschen etwas sagen im Verhält-
nis zur Verdrängung des Todes und zum Akzeptieren, daß der Tod ein-
fach das objektive biologische Ende des Lebens ist. Also meiner Mei-
nung nach gehört das zum Leben dazu als eine Erfahrung, die jeder
Mensch unweigerlich machen wird.
WR: Das tiefe Problem der heutigen Zeit, der heutigen Gesellschaft
ist, daß in keinem Alter eines Menschenlebens die Masse Mensch sich
dessen bewußt ist, wie das Universum, wie die Erde wirklich funktio-
niert und was dahinter steht. Die Wissenschaften, die Kirche, aber auch
die gläubige Politik schreiben bestimmte Bahnen vor und die Eltern
erziehen die Kinder in diese bestimmten Bahnen hinein, so daß über-
haupt kein Raum bleibt für Lebendigkeit, für Freiheit und für Gedan-
ken an Geburt und Tod. Deswegen ist es für mich nicht einfach, auf die
bestimmten verschiedenen Altersstufen einzugehen. Weil: das Leben
und der Tod werden gleichzeitig verdrängt von Fesseln, die den Men-
schen angelegt werden und die die Menschen sich anlegen lassen. All
die Menschen, die diese Fesseln sprengen – ob sie es wissen oder nicht
– durch eine schwere Krankheit, durch einen sehr lebendigen Geist,
der sie anfangen läßt zu denken und lebendig sein zu wollen, vielleicht
auch die ihre Grenzen sprengen durch ihre Liebe zum Sport oder zur

136
Kultur, werden von selber dahin kommen, sich mit dem Leben und mit
dem biologischen Tod in irgendeiner Art und Weise auseinanderzuset-
zen.
Die Nicht-Auseinandersetzung mit dem Tod und der Existenz geht
einher mit dem in Fesseln gelegten Menschen, mit dem vollkommen
eingepanzerten Menschen. In dem Moment wo ein Mensch – aus wel-
chen Gründen auch immer – einzelne Ketten sprengt, einzelne Panze-
rungen auflöst, ist er seinen Lüsten und seinen Ängsten, seinen Begier-
den und seinen Freuden, die sehr stark körperlich verbunden sind, so
extrem ausgeliefert, daß er sich damit auseinandersetzen muß – gerade
auch mit dem Tod. Und das ist eigentlich die einzige Lösung, um eine
friedliche Begegnung mit dem Tod in Gedanken und später auch in der
Tat vollbringen zu können, das Vertrauen in das Universum: daß es
einen erhält und daß es einen liebt und daß es irgendeine Instanz gibt,
die einen hält – wie die Mutter das Baby. Dieses Vertrauen ist in den
Menschen hineingelegt, und je mehr er bereit ist, Fesseln zu sprengen,
die ihm die Zivilisation, die Bevölkerung aufdrängt, desto mehr wird er
lernen, dieses Vertrauen in sich wachsen und ganz tief werden zu lassen.
Und dieses Vertrauen hebt ihn dann auch aus dem Körper hinaus über die
sogenannte Schwelle des Todes hinweg in das Reich des Lichtes hinein.

Vitalität und Tod – ein Widerspruch ?

JF: Ich bin über einen Widerspruch gestolpert, weil Sie gesagt haben:
Menschen, die die Blockaden sprengen und die sehr vital werden, für
die ist der Gedanke an den Tod naheliegend. Realistisch ist, daß Men-
schen, die sehr vital sind – eventuell auch durch eine Therapie – um so
mehr am Leben hängen, sozusagen den Genuß so weit in den Vorder-
grund stellen, daß sie der geistigen Erfahrung der Möglichkeit eines
Jenseits noch mehr entfernt sind – daß die Körperlichkeit die Men-
schen eventuell noch mehr ans Diesseits bindet. Aufgefallen ist mir das
bei Menschen, die entsprechende Reichsche Therapien gemacht haben
und die meinen sie müßten deshalb, weil sie so vital sind, absolut
unspirituell und antispirituell sein und die Existenz eines Geistes mehr
oder weniger vollständig leugnen. Wie sehen Sie diesen Zusammen-
hang?
WR: Ich sehe eigentlich eher die Leichtigkeit darin, etwas, was sehr
vital ist, zu einem glücklichen Tode zu bringen, als etwas, was immer in
Ketten gelegt worden ist. Ein Mensch, der in einem vitalen Körper lebt
und diese Vitalität vollkommen auslebt, der ist auch in der Lage zu

137
einer gewissen Zeit, wenn er es in sich spürt und dieses Spüren zuläßt –
und das sind doch relativ viele – diese Vitalität so auf den Geist zu
beziehen, daß er einen freien Tod erleben kann, indem er sich noch
einmal von all diesen Fesseln lösen kann, die ihm der Körper gibt, mit
seinen Wünschen, mit seinen Begierden, die da sind. Ein Mensch, der
nie gelernt hat, vital zu sein, kann es auch im Tode nicht sein, er kann
auch dort keinen vollkommen vitalen Geist mitnehmen. Wobei ich jetzt
wirklich vom vollkommen gepanzerten Menschen ausgehe, der weder
im Geiste noch im Körper vital ist. Ein Mensch, der körperlich sehr
krank ist, der aber geistig sehr vital ist, der lebt, der lebendig ist – das ist
etwas vollkommen anderes. Ich meine trotzdem, daß Menschen, die
sehr am Leben hängen, indem sie Sport treiben, indem sie Aktivitäten
ausüben, in einer gewissen Weise dem Tod näher verbunden sind, als
Menschen die – ich sage mal – abends Sport im TV, zwei, drei Flaschen
Bier und morgens wieder Maloche. Diese Menschen werden es schwe-
rer haben, wobei ich jetzt den Tod anspreche genauso wie auch die
Schwellen des Todes, die überschritten werden müssen, bevor man ins
wahre Licht eingehen kann.
Ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen, aber nach dem Tod gibt
es schon mehrere Sphären, in die Menschen geschickt, gesandt werden,
je nachdem wie frei sie im Geiste sind, wie groß die Lebendigkeit ist,
die sie haben, wieviel Licht sie ertragen können.
Ich möchte noch einmal darauf eingehen: Ein Mensch, der am Leben
hängt, der seinen Körper benutzt, der das genießt, der nimmt seine
Freude mit, er nimmt sie über den Tod mit hinweg. Ein Mensch, der
gelernt hat, sich einer Sache hinzugeben, vollkommen, der kann sich
auch dem Tod hingeben, wenn er »ja« sagt. Und zu diesem »ja« kann
sehr, sehr viel auch an göttlicher Gnade dazugeschehen. Wir gehen im
Moment von einer Gesellschaft aus, die dem Tod sehr, sehr, sehr, sehr
weit entfernt ist, die überhaupt nicht bereit ist, sich mit Tod und mit
Liebe auseinanderzusetzen. Natürlich ist es so, daß ein Mensch, der
sich in seinem Leben sehr viel mit der wahren Existenz auseinanderge-
setzt hat, der nie vor dem Tode weggelaufen ist und der trotzdem sein
Leben genossen hat, ganz andere Voraussetzungen hat, um einen Tod
zu erleben, der einem Fest gleichkommt, doch davon sind wir für die
Masse Mensch sehr weit entfernt.

Die Funktionen des Sterbens

JF: Das bringt mich auf den Gedanken: Sie haben in Ihrem wissen-
schaftlichen Werk die Sexualität und den Orgasmus sehr exakt beschrie-

138
ben, sozusagen die krankhafte Situation sehr genau untersucht und auch
den »perfekten Orgasmus« wissenschaftlich beschrieben. Das ist oft
mißverstanden worden. Oft stehen jetzt in den Zeitungsartikeln Über-
schriften wie »Der Papst des Orgasmus«, ein Zeitungsartikel heißt »Der
politisch korrekte Orgasmus«. Gut, das meinen wir alles nicht. Ich
meine, daß man eine Sache, eine lebendige Erfahrung in sich als die
optimale Erfahrung beschreiben kann, und das ist – was die Sexualität
angeht – ihr großer wissenschaftlicher Verdienst. Das haben Sie als er-
ster und als einziger in die Welt gebracht. Frage: Gibt es genau die glei-
che Ebene der Beschreibung für den Tod? So wie im Orgasmus die
optimale Entladung stattfindet, gibt es dafür eine Entsprechung im Tod?
Gibt es die optimale Entladung des Lebens im Tod?
WR: Man könnte es in ganz roher Fassung so nennen. Wenn ich jetzt
rein vom Körperlichen ausgehe, wird während des Vorgangs des Todes
die gesamte Körperenergie, die vorhanden ist, verlangsamt. Sie läßt nach.
Zuerst läßt diese Energie – grob gesagt – in den Sexualorganen nach, in
der ausscheidenden Verdauungsorganen, dann überhaupt in den
Verdauungsorganen. D.h., der Appetit wird weniger, sehr viel weniger,
die Verdauung braucht sehr, sehr viel länger. Und langsam schläft das
ganze immer mehr ein. Die ganze Hormonausschüttung im gesamten
Körper sollte sehr viel weniger werden, was aber wirklich nur gesche-
hen kann, wenn sich der Mensch der wohltuenden Müdigkeit, die über
ihn kommt, hingeben kann. Das Nervensystem, das direkt zum Kör-
per gehört, ist sehr stark herabgesetzt, mit der Zeit werden auch die
Atmung und das Herz gleichzeitig langsamer. Und was ganz stark vor-
handen ist, bis ganz zum Schluß des Todes, ist die gesammelte Kraft
der Seele, wobei man sagen könnte, sie bleibt noch im Kopf. D.h., der
Mensch ist, auch wenn er sich kaum noch bewegen kann – es auch gar
nicht mehr möchte – doch immer noch in einer starken Bewußtheit, in
einer sehr, sehr starken Bewußtheit, und diese Bewußtheit nimmt sehr
viel wahr, was außerhalb des Körpers ist. Es ist nicht der Körper, was
die Bewußtheit wahrnehmen sollte. Solange der Körper für die Bewußt-
heit im Vordergrund ist, wird der Mensch, der diese Bewußtheit erlebt,
starken Angstschüben ausgesetzt, weil er spürt: Der Körper verlang-
samt sich und der Mensch kennt nur diesen Körper, seit 80 Jahren, seit
60 Jahren. Wenn der Mensch aber seine Bewußtheit ausrichtet auf das,
was er noch empfangen kann, ist der Übergang ganz einfach: Er rutscht
raus aus dem Körper in eine andere Dimension hinein, die sich ihm
darstellen kann als vielleicht eine Person, die neben ihm sitzt und die
ihm die Hand hält, die bei ihm ist und Ruhe gibt.
JF: Eine Geistperson oder eine reale?

139
WR: Ich spreche jetzt von einer realen Person. Das hilft sehr, weil der
Sterbende, wenn er sehr erdverbunden ist, auch den Menschen noch
sehr viel näher ist. Und wenn er mit seiner Bewußtheit einen Menschen
neben sich spüren kann, der ihn hält, fühlt er sich geborgen und kann
aus dem Körper austreten. In dem Moment, wo ein solcher Mensch
aus dem Körper draußen ist – er muß raus sein – geht die Bewußtheit
durch den Kopf. Deswegen ist dann auch noch der Denkapparat in ir-
gendeiner Weise vorhanden, aber schon in transformierter Art und
Weise. In dem Moment, in dem er aus dem Körper vollkommen heraus
ist, geht er in die andere Dimension und wird geholt und ist im Licht.
Aber solange noch die Bewußtheit im Kopf vorhanden ist, atmet die
Lunge und schlägt das Herz.
Andere Menschen gehen in den Tod hinein, indem sie schon gleich nach
drüben schauen können. Obwohl sie noch im Körper, im Kopf ihre Be-
wußtheit haben, sehen sie das Licht oder ihren Schutzengel oder spüren
sie, daß schon verstorbene Freunde um sie sind, oder sie hören eine Stim-
me, die sie ruft, oder sie sehen Farben. Es ist vollkommen unterschied-
lich. Es gibt wenige Menschen – Lebewesen auf meiner Ebene – die den
Tod auf gleiche Art und Weise empfunden haben. Der Tod ist vollkom-
men individuell, so wie die ganze Art, das Leben zu spüren – und auch
die jetzige Existenz zu spüren, vollkommen individuell ist.

Funktionsfehler im Sterbeprozeß

JF: Ich habe auch deshalb gefragt, weil: Wenn man die Funktionalität
des Todes erklären kann in seinem optimalen Ablauf – auch wenn er
sehr individuell ist – können wir Fehler der Funktionalität erkennen
und sagen: Den Tod so oder so vorzubereiten ist ein großer Fehler. Ich
glaube z.B. es wäre ein Fehler, Menschen, die sterben, zu betäuben.
WR: Menschen, die sterben, zu betäuben, ist eine ganz große Qual.
Weil: Diese Menschen gehen betäubt in den Tod und wachen irgend-
wann – wirklich irgendwann, nicht gleich danach, weil die Betäubung
mit in die Seele hineingeht, in das, was hinübergeht – in einer vollkom-
men fremden Sphäre wieder auf und haben ihren Tod, ihren Übergang
nicht erlebt. Es ist ein sehr, sehr, sehr großer Schock, und es fordert viel
Arbeit von uns Diesseitigen – von euch aus gesagt Jenseitigen – diesen
armen Menschen zu helfen. Es ist sehr schwer.
JF: Das heißt: Funktionsfehler beim Sterben führen zu schweren Exi-
stenz-Fehlern.
WR: So könnte man es im groben bezeichnen. Ein Mensch, der einen

140
Unfall erlebt, erlebt all das, was ich beschrieben habe, in ganz kurzer
Zeit. Er geht lebendig hinüber über die Schwelle, wie in einem Zeitraf-
fer. Das ist Lebendigkeit. Aber Menschen im Tode zu betäuben – auch
Tiere – ist eine ganz große Qual.
Sie haben den einzelnen Vorgang ungefähr verstanden, wie es abläuft?
Von unten nach oben wird die Kraft weniger, rein körperlich.
JF: Von der Peripherie zum Zentrum.
WR: So ist es.
JF: Den Menschen wird kalt, und wenn ich richtig verstanden habe,
zieht sich die Energie in das Zentrum des Körpers zurück.
WR: Die Energie geht zum Kopf. Der ganze übrige Körper wird im-
mer mehr egal. Der ganze übrige Körper – wenn der Mensch sich rich-
tig hingibt – mag sich nicht mehr bewegen, wird immer ruhiger und
tiefer ruhiger – und der Mensch schwebt hinaus.
Die Hingabe an den Energiefluß ist die Hingabe an das Universum
JF: Diese Hingabe, von der Sie reden, ist sie die gleiche Hingabe wie in
der Sexualität, die Hingabe an den Energiefluß?
WR: Natürlich.
JF: Ich wollte es nur noch einmal bestätigt haben.
WR: Es ist ein ganz starker Energiefluß, der für mich, der ich den Tod
jetzt oft beobachten durfte, sehr stark zu sehen ist. Er geht vom Kör-
per weg wieder ins Universum hinein. Es ist die Gabe des Menschen,
der Dank des Menschen wieder zurück ans Universum. Die ganze Ener-
gie wird wieder zurückgegeben zur Schöpferkraft, um etwas Neues ent-
stehen zu lassen. Diesem Prozeß kann man sich nicht erwehren. Mit
aller Kraft des Kampfes kann man es nicht erreichen.

Gewißheit – Gewissen

JF: Nun gibt es ja Umstände beim Tod, beim Sterben, die für die mei-
sten Menschen durch ihre Außergewöhnlichkeit gekennzeichnet sind.
Das heißt, die Verwandten sind fassungslos. Oder sie liegen in der Kli-
nik in einer vollkommen kalten Atmosphäre. Oder sie sitzen in einem
Auto und sind gerade eingeklemmt. Also meistens ist der Tod mit un-
gewöhnlichen Umständen verbunden.
WR: Es ist sehr oft so. Kuz gesagt: Das ist sehr schade so. Doch egal,
wo der Tod auf die Menschen trifft: Wenn die Hingabe des Menschen
an den Tod und an die Existenz danach groß genug ist, ist die Art des
Todes in Frieden immer die gleiche. Der Tod hat eine so immens große
Kraft, daß er fast die Kraft des Orgasmus übersteigt. Die Vernunft, der

141
Verstand, können innerhalb kürzester Zeit vollkommen ausgeschaltet
werden, wenn der Mensch sich dem Tod wirklich vollkommen öffnet
und sich hingeben kann. Dann ist es ihm egal, ob er im brennenden
Auto sitzt, eingeklemmt, ob er in einem kalten Krankenhaus liegt. Weil:
Der Tod ist die Rückkehr zur Geborgenheit, die Rückkehr zu einem
Stück Wahrheit, die Rückkehr zur Wärme und zum Geliebt-werden,
die Rückkehr zur Freiheit.
JF: Ab wann können Menschen das spüren, nachdem sie lange Zeit Angst
gehabt haben, nachdem sie mit Panik und Chaos um sich herum fertig-
werden mußten? An welchem Punkt sind sich Menschen gewiß, daß sie
jetzt in die Heimat kommen oder in Gottes Licht zurückkommen?
WR: Die beste Vorbereitung ist: im Leben, im existenziellen Leben –
schon die Kinder auf den Tod vorzubereiten. Diese Gewißheit, von der
Sie jetzt reden, das ist die Gewißheit, die überall da vorhanden ist, wo
der Mensch auf sein Gewissen hört. Der Mensch kann nur dann auf
sein Gewissen hören, wenn er ihm zuhören mag, wenn er ihm folgen
mag. Das ist das Problem, das der Tod zur Zeit darstellt.
Die meisten Menschen kennen diese Gewißheit in sich nicht mehr: daß
jetzt etwas notwendig ist, was auch immer. Davon abgesehen kommt
der große Frieden über jeden Menschen in dem Moment, wenn die äus-
sere Muskulatur erschlafft ist und der Mensch aufgehört hat, sich zu
wehren. – Wenn er den Kampf aufgibt, dann kommt der Frieden.

Geister

JF: Wenn Menschen in Panik sterben und die geistige Panik nicht able-
gen können, was passiert dann? Kommt dieser Frieden zu jedem Men-
schen im Tod, oder gibt es Menschen, die aufgrund ihrer Situation so in
Panik geraten, daß sie nun gar nichts mehr damit anfangen können?
WR: Leider ist es in der heutigen Zeit so, daß es Menschen gibt, die so
in Panik geraten, daß sie in der jenseitigen Welt nicht beruhigt werden
können. Das gibt es, das kommt vor. Diese Menschen ziehen es sehr
oft vor, zur Erde zurückzukehren und zu versuchen, weiter unter den
Menschen auf der Erde zu existieren.
JF: Also Geister.
WR: Sozusagen Geister, die aber oftmals so kraftlos sind, daß sie noch
nicht einmal in der Lage sind, einen ordentlichen Spuk zu fabrizieren.
Wenn ich wirklich wollte und Lust dazu hätte, könnte ich es hier im
Raum knallen lassen – das ist Lebendigkeit, das ist ein ordentlicher Geist.
Solche Menschen können das nicht.

142
Der Tod und das wahre Licht

JF: Ich weiß nicht, ob man das quantifizieren kann, weil jeder Mensch
ist in sich eigentlich ein Universum. Von den 5 Milliarden Menschen,
die existieren und ungefähr so viele Menschen haben schon auf der Erde
existiert – wieviele davon gehen ins Licht und wieviele gehen daran vor-
bei?
WR: Ich möchte um einen Moment Geduld bitten. –
Ich muß sagen, ich habe da nicht den rechten Überblick, aber wenn ich
in Grobfassung etwas dazu sagen dürfte: Ins wahre Licht geht ein Mil-
lionstel aller, die gelebt haben. Es ist ein ganz geringer Teil an Men-
schen, der ins wahre Licht eingeht Alle anderen gehen irgendwohin,
wo sie es mit Sicherheit sehr, sehr schön haben aus ihrer Sicht, aber ins
wahre Licht geht nur ein ganz geringer Teil ein.
JF: Gut, das ist dann also nach dem Sterbeprozeß der optimale Punkt
des Hingehens?
WR. Ich meine mit dem wahren Licht die wahre Freiheit, ja.
JF: Das entspricht sozusagen dem optimalen Tod, ins wahre Licht zu
gehen? Entschuldigen sie, daß ich es so funktionell und kalt ausdrücke.
WR: Das würde jetzt nicht unbedingt dem wahren Begriff des Todes
entsprechen. Der Tod ist nur – für mich jetzt ganz klar formuliert – die
Art und Weise des Übergangs vom irdischen in das geistige Leben –
und da ist ein optimaler Tod ein Tod, in dem sich der Mensch hingibt,
in Frieden und in Glück, in Glückseligkeit hinüberscheiden kann in
unsere geistige Welt.
JF: In dieses wahre Licht zu gehen, ist also nicht nur in Situationen des
Todes möglich, sondern es ist auch im Lebendigen möglich und für die
Wesen im Jenseits?
WR: So ist es.
JF: Also Tod und in das wahre Licht gehen ist nicht das gleiche?
WR: Nein, es ist nicht identisch, aber es geht oft miteinander einher in
einigen Fällen.
JF: Warum eigentlich?

Die Erde – eine Lerninstitution

WR: Weil die Erde die größtmögliche Sicherheit bietet für einen, der
kurz vor der Schwelle des Lichtes steht, wirklich auch in kurzer Zeit im
Licht anzukommen. Die Erde ist eine Schnelldurchlaufstation, eine
Schnellprüfstation für jeden einzelnen, ob er seine Lektionen der Exi-

143
stenz begriffen hat. Wenn mich einer haut – haue ich zurück? Oder
denke ich noch einmal nach, warum er mich gehauen hat, ob er Recht
hat oder nicht? – Grobform.
JF: Eine Lerninstitution sozusagen, die Erde.
WR: So ist es. Und das für jede Art der Existenz, für die dunkleren
genauso wie für die ganz hellen.
JF: Das ist wirklich ein weites Feld, den Tod so zu begreifen.
WR: Wir werden uns in Ruhe der Sache nähern und das Feld in groben
Zügen abzustecken versuchen.

Wilhelm Reich über seinen eigenen Tod

JF: Eine Frage Friedemanns ist, ob Sie bereit wären, uns zu erzählen,
wie Sie persönlich den Tod erlebt haben, was passiert ist und was da-
nach passiert ist – sozusagen die Geschichte Ihres Sterbens und Wieder-
geborenwerdens im Jenseits.
WR: Es ist in gewissem Sinne ein sehr starkes Privaterlebnis, was ich da
erlebt habe, und was mich sehr stark angeht. Ich möchte es also nicht
in allen Einzelheiten jetzt zu dieser Zeit ausbreiten. Was ich aber auf
jeden Fall sagen möchte: Ich bin vom Tod damals sehr schwer über-
rascht worden. Ich war mir sicher, ich würde noch leben und würde
noch einiges erledigen. Ich war immer noch voller Lebenshoffnung und
voller Energie und voller Elan und Kampfgeist. Der Tod hat mich da-
mals zu unverhoffter Stunde ereilt, und es war ein sehr, sehr schneller
Tod. Ich konnte nicht mehr überlegen, gebe ich mich hin oder gebe ich
mich nicht hin, habe ich jetzt Angst oder habe ich keine Angst. Bei mir
ging es so schnell, daß ich – was ich noch weiß – in voller Überra-
schung mitten im Licht woanders war. Es war kein sanftes Hinüber-
gleiten, es war ein Sausefahrstuhl von der irdischen Sphäre zur anderen.
Und was ich noch vom irdischen Todeserlebnis weiß: Es war ein Ge-
fühl von Kälte, ein Gefühl von großer Kälte und Bewegungsunfähig-
keit. Daran kann ich mich noch erinnern. Und gleichzeitig kann ich
mich dann fast nur noch erinnern, wie ich im Licht angekommen war
und wie mich meine Mutter begrüßen durfte und einige mir sehr wohl
bekannte Freunde, wie ich dort Frieden geschlossen habe, vor allen
Dingen mit meiner Mutter, während mein Vater – wenn ich es grob
sagen darf – sich noch an einigen Stellen weiter verändern möchte. Und
dann bin ich an der Hand meines Bruders – der mich begleitet hat durch
mein Leben und der mir sehr mächtig erschien und immer noch er-
scheint und dem ich mich weise beuge, wenn er mir einen Ratschlag

144
gibt – weggeführt worden in eine andere Existenz hinein, in eine andere
Art und Weise zu leben, die Existenz zu erleben, um zu sehen. Es ist
sehr schwer in Worten auszudrücken. Ach so: Ich bin dann an einen Ort
gekommen, hingeführt worden, wo ich mich wohlfühlte, ich versuche es
grob zu sagen: wo ich geborgen war, der mir ein absolutes Zuhause war,
wo ich mich erholen durfte, wo ich mich vollkommen klären durfte, wo
aber keiner meiner Familie und meiner Freunde direkt vorhanden war.
Sie haben mich alle begrüßt, ich habe mit allen sozusagen bereinigt, was
noch nicht bereinigt worden war, Frieden geschlossen, und jeder ist wie-
der – nehme ich an – an seinen Platz gegangen. Und ich bin mit meinem
Begleiter – der auch schon im irdischen Leben bei mir war, obwohl ich
ihn nie erkannt habe – an einen anderen Ort gegangen.
JF: War es für Sie überraschend, all diese Leute zu treffen?
WR: Nein, es war vollkommen normal, es war vollkommen normal an
jeder Stelle.
JF: Woher kam diese Normalität, Sie haben sich doch sicher vorher
keine Gedanken darüber gemacht.
WR: Das ist Existenz. Das ist Wahrheit. Und alles was wahr ist, ist
nicht überraschend. Alles, was wahr ist – da wundert man sich nicht.
Wundern tut man sich nur in dem Moment, wo man Blockierungen
hat, wo man das nicht glauben will, was man sieht. Aber wenn man in
der Lebendigkeit ist, wenn man in der Existenz ist, dann ist es normal,
wenn die Wahrheit geschieht, und man kann sie so hinnehmen.
JF: Das heißt die Erkenntnis ist direkt und wird sofort als Normalität
akzeptiert.
WR: So ist es.
JF: Ich hatte Sie unterbrochen. Wo sind Sie dann mit Ihrem Begleiter
hingegangen?

Der Ort der Klärung

WR: Ich hatte mir große Mühe gegeben, das so klar wie möglich zu
umreißen. Sehr viel näher kann ich diese Sphäre jetzt nicht mehr be-
schreiben, außer: ein Ort des Lernens, des Vergessens sehr vieler irdi-
scher Quatsch-Gedanken und ein Ort, an dem ich die Dinge in einem
neuen Licht gesehen habe.
JF: Es wird in Berichten von Nachtod-Erlebnissen oft von einem Ort
berichtet, wo die Seelen hinkommen und wo sie eine Art Klärungs-
und Reinigungsprozeß durchmachen.
WR: Ich denke, so könnte man das bezeichnen.

145
JF: Eine Art jüngstes Gericht im Individualfall.
WR: Naja, ganz so gravierend ist das bei mir nicht gewesen, und ich
möchte doch von den Begriffen der katholischen und evangelischen
Kirche an dieser Stelle etwas abweichen.
Es war ein gemütlicher Ort, ich habe mich dort sehr wohlgefühlt, und
ich habe zwar erkennen müssen, daß ich viele Fehler gemacht habe,
aber mir ist gezeigt worden, daß ich nichts zu bereuen habe, sondern
daß ich in Frieden mit allem abschließen kann und daß die Fehler, die
ich getan habe, nur daraus entstanden sind, weil ich die Wahrheit nicht
habe sehen können. Hätte ich damals im Lebendigen auf Erden die
Wahrheit sehen können, hätte ich die Fehler eben nicht getan.
JF: Es waren für Sie also nur Korrekturen im Bewußtsein, was für Sie
dann anstand?
WR: So ist es. Und so, wie es sich für mich anfühlte und war, ist es für
jeden einzelnen Menschen, der auf der Erde lebt.
JF: Es gibt also nicht das »böse Gericht«, das Strafgericht?
WR: Es gibt es nicht. Das machen sich die Menschen selber, wenn sie in
sich eine Richterinstanz aufbauen, mit der sie sich selber richten.
JF: Das passiert aber mit jedem, der gestorben ist. Oder muß dazu
auch noch eine Bereitschaft da sein?
WR: Es geschieht für jeden, der gestorben ist, aber für jeden auf seiner
Bewußtseinsebene.
JF: Macht es denn einen Unterschied, ob ein Mensch vorher als Mate-
rialist gelebt hat oder als gläubiger Mensch?
WR: Natürlich macht es einen Unterschied. Weil: Man kann nur so
weit geläutert werden, wie die eigenen Begrenzungen das zulassen. Wenn
Menschen sterben, ohne jemals an das Universum gedacht zu haben,
ohne jemals an den Schöpfer gedacht zu haben, also wenn wahrhaft auf
sich selbst bezogene Menschen sterben, die sehr stark an der Materie
hingen – deren Bewußtsein kann man nicht vollkommen ausschalten.
Diesen Menschen kann nur nahegebracht werden, was sie gerade noch
so eben begreifen können, was sie gerade noch so eben akzeptieren
können. Und so weit werden sie geführt, bis sie wieder neu inkarnie-
ren, wo sie wieder neu lernen, wo sie eine neue Chance bekommen.

Bewußtseinserweiterung und Wiedererkennen im Tod

JF: Haben Menschen im Prozeß des Sterbens und im allgemeinen Wie-


dererwachen in einer neuen Existenz die Chance, einen Lernprozeß zu
machen, einen Sprung aus ihrer Bewußtseinsebene zu machen ... sozu-
sagen den Sprung in ihrer Schüssel zu kitten?

146
WR: Alles ist möglich, und natürlich kann auch das vorkommen. Wenn
also Menschen mit einem relativ hellen Geist, mit einem relativ rufen-
den, suchenden Geist auf der Erde gelebt haben und zum Beispiel sehr
oft sehr stark enttäuscht worden sind, bauen sie Charakterzüge auf, die
sie sehr stark in Ketten legen. Aber im Moment des Todes, wo das Licht
auf sie trifft, wo die Wärme des Schöpfergottes zu ihnen hinkommt,
kann es sein, daß es wie eine wohltuende Erlösung ist und diese Men-
schen zu sich selber finden, zu dem, was sie vor ihrer Geburt waren,
vor der Inkarnation waren – und noch darüber hinauswachsen. Natür-
lich. Es ist alles möglich, und kein Mensch könnte jemals versuchen
herauszufinden, wo der Mensch, der gerade sterben wird, wohl landen
wird. Menschen können es nach meinem Erachten nicht erkennen.
JF: Wenn Menschen sterben, was erkennen sie wieder? Gibt es einen
Wissensanteil, der dem Bewußtsein des im Körper lebenden Menschen
verborgen ist, der dann demjenigen, der gestorben ist, auf jeden Fall
wieder erschlossen wird, z.B einen Lebensplan oder eine bestimmte
Konsequenz im Leben zu sehen? »Ich habe gelebt, um diese oder jene
Aufgabe zu erfüllen.« Ist da etwas, was man als Toter auf alle Fälle er-
fährt, was man als Lebender nicht gewußt hat? Oder ist das auch indi-
viduell unterschiedlich?
WR: Also was – sage ich mal – jeder, der stirbt, unabhängig davon, auf
welcher Ebene er sich befindet, erkennt, daß sein Gewissen da ist, daß
sein Geist da ist und wach ist, und es ist auf jeden Fall diese Erkenntnis
– ganz ehrlich vor dem eigenen Gewissen, vor dem eigenen Geist – ob
er versagt hat oder ob er es geschafft hat. Diese Erkenntnis ist ganz
ehrlich und für jeden einzelnen, der den Übergang gegangen ist, ein-
fach da.
JF: Und da gibt es auch keine Lüge und keine Abstufungen?
WR: Da gibt es keine Lüge und keine Abstufungen. Es ist ein individu-
elles Wissen. »Ach!« erleichtert, oder: »Hmmpf! Scheiße!« Das ist ein-
fach da und das bleibt auch einfach da. Davor kann man im Leben lange
und weit weglaufen – vor dem eigenen Gewissen, das einem sagt: »Das
hast du jetzt aber gut gemacht.« Oder was einem auch sagt: »Wenn du
dich nicht sofort änderst auf deinem Lebensweg, dann geht das aber
schief.« Im Leben kann man davor weglaufen, da kann man sich davor
zumachen – nach dem Tode kann man das nicht mehr.
Und was dann auch noch für fast alle Menschen da ist, ist das Wiederer-
kennen von Wesenheiten, die sie schon einmal gekannt haben. Das kön-
nen genausogut geistige Wesenheiten sein, die sie aus früheren Zeiten
in den Himmeln kennen, es können ehemalige Menschen sein, die schon
verstorben sind, es kann auch der eigene Schutzengel sein oder andere

147
Engel, die sie kennen. Es gibt immer wieder ein Wiedererkennen von
irgendwelchen Persönlichkeiten, die sich mögen und die sich achten.
JF: Und das ist immer eine freudige Erfahrung, oder liegt da auch
Schmerz?

Die selbstgemachte Hölle

WR: Es kann auch da sehr viel Schmerz liegen, weil es tatsächlich im-
mer wieder Menschen gibt, die solch starke Schäden im irdischen Le-
ben davongetragen haben oder sich selbst haben schlagen lassen oder
sich selbst geschlagen haben, daß sie in diesem Schmerz so gefangen
sind, daß sie das Licht nicht akzeptieren und nicht sehen wollen. Sol-
che Menschen zu besuchen, oder solche Menschen zu sehen, ist ein
ganz tiefer Schmerz, weil kaum einer von uns in der Lage ist, diese
Menschen aus dem Schmerz herausholen zu können. Sie sehen das Licht
nicht, und sie können es nicht als Licht erkennen. Sie sind nur noch in
der Angst. Das gibt es. Aber das ist das, was grob als Hölle bezeichnet
wird, und sie ist von jeder einzelnen Person selbstgemacht. Jede einzel-
ne Person kann aufstehen und kann sagen: »Jetzt ist Schluß mit der
Angst. Jetzt ist Schluß mit der Wut. Jetzt ist Schluß mit der Trauer –
nun will ich existieren, nun will ich sein.«
JF: An welcher Stelle können das Menschen oder Wesen, an jeder Stel-
le?
WR: An jeder Stelle der Existenz, in der irdischen Existenz, wie in der
geistigen Existenz. Es ist eine Willensentscheidung. Und die Leben-
digkeit liegt in der Freude. Die Lebendigkeit, die Bewegung, die Krea-
tivität liegt in der Freude, liegt in der Liebe, liegt im Ausdruck des Seins
in allen möglichen Formen. Und der Tod, der psychische Tod, der gei-
stige Tod liegt in dem Eingekauertsein – auch im geistigen – in dem
sich absolut nicht mehr bewegen wollen, im absolut Starren, im Erstar-
ren, auch in einer Emotion wie Wut, besonders Angst oder Haß. Das
sind erstarrte Formen, vollkommen kraftlos, weil außer diesem einen
Ausdruck diese Existenz nichts mehr weiter tun kann.
JF: Und das kann eventuell sehr lange dauern? Weil Sie sagten, sie kön-
nen jederzeit da raus. Aber real ist es doch wohl so...
WR: Es ist eine Willensentscheidung, und wer haßt, der haßt, so kann
man das wohl sagen, genauso wie ich, wenn ich in der Freude bin, in der
Freude bleibe. Ja, es kann sehr lange dauern.

148
Spiritualität und Orgon-Therapie

JF: Zuerst ging es darum, daß Sie gesagt haben, Lebendigkeit im Leben
führt eben auch zum Bedürfnis nach einer spirituellen Sicht des Sterbens
und des Todes.
Jetzt wollte ich noch einmal zu einen Punkt zurückkommen. Was mir
sehr oft begegnet ist: Orgontherapie-Patienten, werden oft sehr nega-
tiv. Sie werden rechthaberisch oder entwickeln so etwas wie eine elitäre
Gesinnung. Sie sagen sich: Ich bin gesund und dadurch bin ich ad hoc
rational, die anderen sind nicht gesund, haben keine Therapie gemacht
und sind sozusagen irrational. Und diese Menschen urteilen oft sehr
streng über Spiritualität aus dem Gedanken heraus, daß Sie in Ihrem
Lebenswerk Religiosität eben oft auch negativ bewertet haben, aller-
dings nicht mit dieser Negativität im Ausdruck, das muß ich dazu sa-
gen. Diese Negativität, die diese Menschen ausdrücken, ist für mich
ein Ausdruck der Tatsache, daß sie in die zweite Schicht der Negativität
eingedrungen, aber nicht völlig durchgedrungen sind. Natürlich lassen
sie sich das von mir nicht sagen, sie bezeichnen eben Spiritualität als
Ausdruck irrationaler, sekundärer Antriebe und bekämpfen sich un-
tereinander und auch andersartige Menschen gleichzeitig mit diesen
negativen sekundären Antrieben. Vielleicht hat das nicht so wahnsin-
nig viel Zweck, aber: Was können Sie denen sagen, die meinen, sie müß-
ten über Spiritualität urteilen?
WR: Es ist sehr schwierig für mich, da die rechten Worte zu finden,
weil diese Menschen doch zu einem großen Teil wirklich wahre An-
hänger der Orgonomie sind und mich – wie ich im damaligen Leben
war – sehr gut verstanden haben und ihre Körper auch – so wie ich es
sehe – einen großen Ausdruck an Gesundheit haben. Was ich versu-
chen möchte zu sagen ist: Der Mensch besteht nicht nur aus dem Kör-
per mit allen seinen Funktionen, sondern auch aus dem Geist. Und
auch im Geist können Blockierungen stattfinden, die der Mensch nicht
gerne bereit ist zu überschreiten. Doch an dieser Stelle sollte die
Orgonomie – wie sie sich heute darstellt – nicht anhalten, sondern die
Menschen sollten – so wie ich es mir wünsche – mutig weiter voran-
schreiten, so wie ich auch damals, zu meinen Lebzeiten, von Thema zu
Thema immer weiter gegangen bin und immer tiefer und tiefer hineinge-
gangen bin in die Materie.
Ein Mensch ist dann vollkommen lebendig, wenn er vollkommen glück-
lich und vollkommen freudvoll ist. Ein Mensch, der urteilt, ist ein
Mensch, der Angst hat vor dem eigenen Versagen. Dieser Mensch kann

149
tatsächlich – wenn er es möchte – in die nächste Stufe der Freiheit hin-
eingehen und seinen Geist befreien von den Beschränkungen, die er
hat. Ob er nun an den »toten, lebendigen« Reich glaubt oder nicht, ist
dabei vollkommen unwichtig. Ob er an ein Leben nach dem Tode glaubt
oder nicht, ist vollkommen unwichtig.
Wichtig ist für diese Menschen nur zu wissen: Vollkommen frei sind
sie, wenn sie nicht mehr verurteilen müssen, wenn sie selber vollkom-
men glücklich sind und keine Angst mehr davor haben, verletzt zu
werden.
JF: Ich kann mich auch sehr gut in diese Menschen hineinversetzen,
weil ich mich selbst lange in dieser Ebene von Bewußtsein oder von
Erfahrung aufgehalten habe.
WR: Wissen Sie, zu allem kommt ja hinzu, daß ich als Gründer der
Orgonomie selber so ein Mensch gewesen bin und selber in dieser Rol-
le des ewig Verletzten gesteckt habe, des sich ewig selbst Verurteilen-
den – und deshalb starke Angriffe auf meine Mitmenschen ausgeübt
habe. Ich verstehe das. Und deswegen, weil ich der Begründer all dieser
Gedanken bin, geht natürlich ein Teil dessen, was ich gelebt habe, sehr
stark auch auf die Menschen über, die meine Lehre weiterverfolgen, die
weiter in diese Richtung gehen. Ich bitte eigentlich nur die, die weiter
Orgonomie betreiben, es besser zu machen als ich und an dieser Stelle
über mich hinauszugehen.
JF: Ähnliches wollte ich gerade ansprechen: die Menschen, die sich
entschlossen haben, alles »richtig« zu machen, und zwar aus einem po-
sitiven, lebensbejahenden Entschluß heraus zu sagen: »Ich mache Or-
gontherapie, ich studiere Medizin, um orgonomischer Arzt zu werden«,
oder »Ich werde Therapeut und nehme einen beschwerlichen Weg auf
mich.« Sie machen alles richtig. Sie haben das Gefühl: »Ich habe alles
gemacht, was diese Welt mir bietet, um ein vollkommener oder mög-
lichst vollkommener Mensch zu werden.« und dann kommt dieser Jür-
gen Fischer und erzählt: »Moment mal, ich spreche mit Reich und da
gibt es noch ‘ne spirituelle Ebene.« Und diese Menschen werden wü-
tend, und das kann ich verstehen. Was mich aber oft betroffen macht:
Es wird wieder nicht auf die Inhalte geguckt, sondern auf die Berechti-
gung: »Darf der das sagen?« Das ist dieses alte Spiel: »Hat er die
Lehrberechtigung? Hat er die Berechtigung, mit spirituellen Inhalten
an die Öffentlichkeit zu gehen? Hat Susanne die Berechtigung Wil-
helm Reich zu channeln?« Diese Fragen stehen dann vor dem Inhalt.
WR: Also, um es klar zu sagen, wer irgendwie welche Berechtigung hat:
das entscheide zum großen Teil ich. Weil ich hier nämlich rede und ich

150
rede mit Ihnen. Und ich rede durch Susanne, die so nett ist, sich dazu
bereit zu erklären, mich reden zu lassen. Das kann nur ich entscheiden,
was ich tun möchte, das kann kein anderer. Was man ansonsten dabei
sagen kann: daß die Menschen sich nicht die Freiheit nehmen, auch an
dieser Stelle, was die Orgonomie angeht, ihren Kopf, ihren Geist anzu-
schalten und mit ihrem Verstand klar zu denken – über die Grenzen hin-
weg, die sie sich selbst auferlegen oder die durch meine Lehre, so wie sie
in Büchern und Schriften manifestiert ist, gefestigt worden sind. Meine
Lehre ist lebendig. Sie ist Forschung. Die Forschung der Lebendigkeit.
Das Wissen um die Lebendigkeit sollte nicht an Büchern und an einzel-
nen Worten festgemacht und darin eingeschränkt werden.

Jenseits der Orgontherapie

JF: Wenn sich die Menschen sehr stark an Wilhelm Reich orientiert
haben und Sie jetzt kommen und sagen: »Es gibt geistige Blockaden!«
An welcher Stelle sollen die Menschen dann weiterarbeiten, weil sie
sich ja sehr stark an methodische Übungen, an Therapie, an eine be-
stimmte Weltsicht gebunden haben?
WR: Ich habe mit meiner Methode den Menschen geholfen, zu kör-
perlich-menschlicher Gesundheit und Freiheit zu kommen. Woran sie
sich halten können, ist das, was dann eigentlich in ihnen erwachen soll-
te. Es ist aber auch etwas, was in ihnen nur erwachen kann, wenn sie das
Feuer in sich spüren, wenn sie etwas besonders gut lieben können, wenn
sie in der Lage sind, sich über etwas sehr tief freuen zu können. In den
tiefen Empfindungen der Gefühle, da erwacht das, was sich als Gewis-
sen äußert, was der Geist im inneren Menschen ist. Und der führt. Daran
können sie sich halten.
JF: Und dieses Gewissen kann nicht negativ urteilen?
WR: Das Gewissen urteilt völlig anders, als Menschen es sich vorstel-
len können. Es ist der Weg jedes Einzelnen zurück zur absoluten, auch
geistigen Freiheit, und dieser Weg ist für jeden Menschen ein anderer.
Es ist niemals der Weg, den die Menschheit als »richtig« akzeptieren
würde, als »gesetzmäßig«.
JF: Ich kenne das.
WR: Das weiß ich.
JF: Lassen wir dieses Thema, wir werden bestimmt immer wieder dar-
auf zurückkommen.
WR: Ich bin sehr stolz auf alle Menschen, die im Bereich der Orgono-
mie arbeiten. Ich sehe sie aus geistiger Sicht, und ich kann von jedem

151
einzelnen sagen, daß er sein Bestes gibt und sein wirklich Bestes, und
daß jeder einzelne von ihnen einen hervorragend guten Weg geht. Im
Zeichen der Lebendigkeit, im Zeichen nicht nur meiner Lehre, son-
dern auch im Wesen und im Leben der Schöpfung. Auch, wenn die
Menschen sich teilweise dagegen wehren oder es nicht wahrhaben wol-
len: Sie machen ihre Aufgabe auch im Sinne des göttlichen Schöpfers
hervorragend gut. Ob sie es wissen oder nicht, ist an dieser Stelle gar
nicht so wichtig. Ich habe auch nicht alles gewußt.

Was Reich nicht wußte

WR: Sie hatten gestern etwas gesagt. Vielleicht können Sie es konkreti-
sieren, wenn es Ihnen nicht zu intim ist.
Sie haben gesagt, daß Sie im Prozeß der Klärung nach Ihrem eigenen
Tod erkennen mußten, daß Sie bestimmte Wahrheiten im Leben nicht
umgesetzt haben und daß Sie das sozusagen geistig revidieren mußten.
Welche Wahrheiten haben Sie im Leben nicht gesehen, um welche Ebe-
nen der Erkenntnis ging es dabei?
WR: Zum großen Teil habe ich genau das Thema außer acht gelassen,
über das wir eben gesprochen haben. Ich war betrübt um die Menschen,
wie sie sich in der damaligen Zeit verhalten haben, wie sie sich verändert
haben: Ich sage mal, von den Monarchien hin zur Politik, wie sie ihre
geistigen Freiheiten, die ihnen auch die Psychologie gegeben hat, nicht
genutzt haben und die Veränderungen in den Wissenschaften, die ihnen
gegeben wurden. Ich habe sehr stark nur auf der wissenschaftlichen Ebe-
ne für die Menschen gearbeitet, um ihnen eine gute Gesundheit zu geben,
eine Freiheit, eine Lebendigkeit, auch ein bißchen Aufrührertum. Ich habe
aber die geistige Seite – den wahren Sinn des Lebens, der ja vorhanden ist,
nämlich auch die Lebendigkeit des Geistes – recht vollkommen außer
acht gelassen. Es war nicht unbedingt meine Lebensaufgabe, jetzt auch
noch das Geistige da mit einzubringen – aber ich hätte daran denken kön-
nen. Ich hätte es in irgendeiner Art und Weise mit vermitteln können. Es
würde uns heute einiges erleichtern.
JF: Es hätte Sie also nicht blockiert, wenn Sie um Gottes Existenz ge-
wußt und dies anerkannt hätten?
WR: Ach ja – das ist schwer zu sagen. Ich lebe nicht mehr. Ich habe es
als Persönlichkeit weder in meinem Leben für mich noch für meine
Umwelt leicht gehabt. Wie ich gewesen wäre, wenn ich um alles Gött-
liche gewußt hätte – das weiß ich nicht. Vielleicht hätte es mir an Kraft
gefehlt. Oder ich hätte jahrelange Umwege gemacht. Ich wäre auf je-

152
den Fall nicht mehr der gleiche gewesen, und ich hätte – denke ich –
nicht so kraftvoll forschen können, wie ich es getan habe.
JF: Es wäre bestimmt sehr schwierig geworden in der KPD.
WR: Es ist sehr lange her, ja, ja.

Was ist der Sinn des Lebens?

JF: Friedemann hat eine Frage gestellt, die schließt sich direkt an, eine
sehr einfache, normale und oft gestellte Frage: Was ist der Sinn des Le-
bens?
WR: Der Sinn des irdischen Lebens ist, die Göttlichkeit in jedem ein-
zelnen von Ihnen zu finden, anzuerkennen und sich auf den Ursprung
zurückzubesinnen und dahin wieder zurückzustreben – mit allen Fa-
sern Ihres Herzens. Das ist der Sinn des Lebens.
Das beinhaltet, so ehrlich mit sich selbst zu sein. wie es nur irgend
geht, so mutig wie möglich in Freiheit das eigene Leben zu leben. Es
beinhaltet, auf die Knie zu gehen vor dem Schöpfer, auch das als Sinn
des Lebens zu erkennen, und es beinhaltet auch das Geben der ganzen
Persönlichkeit, die man darstellt, an etwas anderes hin.

Was ist der Zweck des Lebens?

JF: Gibt es daneben so eine Art Zweck des Lebens, daß man sagt, es ist
so, daß neben dem allgemeinen Sinn des Lebens, den Sie eben beschrie-
ben haben, ein bestimmter Mensch zu einem bestimmten Zweck lebt,
den er erfüllen muß?
WR: Der Zweck des Lebens für die Hauptmasse an Menschen ist, sich
immer weiter von den irdischen, sehr stark menschlichen Fesseln zu
befreien, daß er tatsächlich immer mehr im Geistigen und aus diesem
Geistigen heraus leben kann. Das ist der Zweck des Lebens. Und jeder
tut es – im Moment nicht besonders gut – normalerweise auf seine Weise
und so gut er kann. Das ist der Zweck des Lebens. Sich einer Wissen-
schaft hinzugeben ist es für den einen. Es kann für einen Familienvater
sein, daß er einfach nur seinen Kindern ganz viel Kraft mitgibt für ih-
ren Lebensweg – und nebenbei Geld verdient. Der Zweck des Lebens
kann für jemanden sein, sich den Tieren zu widmen, irgendwelchen
künstlerischen Aufgaben. Der Zweck des Lebens kann für einen ande-
ren Menschen aber einfach nur sein, da zu sein und das Leben in vollen
Zügen zu genießen, mit allem, was sich ihm bietet.
JF: Wird das vorher in jedem einzelnen Fall im Jenseits bestimmt? Gibt

153
es sozusagen in jedem Fall vor der Geburt so eine Art Richtung, eine
Zielbestimmung?
WR: Es gibt eine ganz grobe Richtung. Doch wie sich der inkarnierte
Mensch, das Menschenwesen dann im Leben verändert und wie er es
schafft, im Erdendasein zurechtzukommen, liegt in den Händen eines
jeden, der inkarniert ist. Es gibt eine Grobrichtung, ja. Und je näher
diese Geister an der göttlichen Wahrheit sind, desto stärker setzt sich
diese Grobrichtung auch im Leben desjenigen durch, weil diese Men-
schen sich immer stärker den göttlichen Führungskräften hingeben
können und immer stärker ihr Ziel verfolgen können, nämlich, obwohl
man auf Erden keinen Gott sieht und keine Göttlichkeit sieht, trotz-
dem das Göttliche in sich zu erkennen und dem göttlichen inneren
Pfad zu folgen. Das ist für die große Masse an Menschen heute noch
sehr, sehr schwierig. Sie kennen diese Sprüche: Es kann keinen Gott
geben, bei der ganzen Grausamkeit, die hier unten herrscht. – Und was
noch alles sein kann.

Angst vor dem Tod

JF: Kann es sein, daß ein Teil der Angst vor dem Tod daher resultiert,
daß Menschen spüren, daß sie ihren Zweck und ihren Sinn im Leben
verfehlt haben? Daß also die Angst nicht nur aus der körperlichen Pro-
jektion – also sich mit dem Körper zu identifizieren – kommt, sondern
auch aus dem Wissen, daß man versagt hat?
WR: Das ist nur in sehr, sehr wenigen Fällen so, weil die Gnade Gottes
über allem steht. Was nebenbei diese Angst macht, die Sie ansprechen,
das ist dieses selbstgemachte, erdachte Gesetz: daß die Menschen über
sich richten. Die Menschen spüren – natürlich –, daß sie sich an irgend-
einer Stelle nicht so verhalten haben, wie sie es sich eigentlich vorge-
nommen hatten, bevor sie sich inkarnierten. Und dann verurteilen sie
sich. Weil: Das haben sie in diesem Leben gelernt, das Verurteilen. Und
dann haben sie Angst vor dem Richter. Dieses Spüren, daß etwas nicht
so funktioniert hat, wie es hätte funktionieren sollen, ist nur ein Erta-
sten der Wahrheit, denn wenn die Menschen sich dem hingeben wür-
den und sagen würden: »Es tut mir leid, aber ich möchte trotzdem jetzt
ins Licht. Ich habe gefehlt, ich habe das mir selber gesetzte Ziel nicht
erreicht, es tut mir leid. Aber ich möchte ins Licht.« Dann wäre auch
keine Angst mehr vorhanden. Und sie müßte an der Stelle auch nicht
sein. Die göttliche Gnade waltet darüber. Diese Angst ist selbstgemacht.
JF: Was ist denn in diesem Klärungsprozeß, von dem wir vorhin ge-

154
sprochen haben, der nach dem Tod stattfindet, das Schlimmste, was
danach passieren kann? Wenn jemand also wirklich absolut versagt hat
und alle Fehler gemacht hat, die man machen kann?
WR: Eigentlich kann ihm gar nichts passieren. Ich sehe keine negativen
Konsequenzen aus solchem Handeln. Diese Menschen bleiben in ih-
nen angenehmen himmlischen Sphären, wohlgeborgen, in einer gewis-
sen Ordnung, die ihnen angenehm ist, und sie werden zu gegebener
Stunde bereit sein, irgendwann einmal wieder auf der Erde zu inkarnie-
ren – in der Hoffnung, dieses Mal ihr inneres Licht zu entdecken. Es
kann ihnen nichts geschehen. Es gibt keine negativen Konsequenzen.

Welche Jenseitsbereiche gibt es?

JF: Das führt uns zum nächsten Punkt. Sie haben gesagt, daß die Men-
schen entweder ins Licht gehen oder in verschiedene andere Bereiche.
Kann man diese Bereiche irgendwie qualifizieren? Können Sie sagen,
was das ist? Ist es für jeden Menschen ein eigener Bereich,? Gibt es
verschiedene Stufen, Entwicklungsstufen?
WR: Das ist ein sehr, sehr komplexes Thema. Es ist schwierig, dies
auch nur annähernd zu erläutern.
Also: Es gibt verschiedene Sphärenbereiche, die sich grob nach der Er-
kenntnisfähigkeit der ehemals menschlichen Wesen gliedern. Es gibt
unendlich viele »Wohnbereiche«, in etwa Landschaften, Häuser, sowie
Länder, aber auch kleine Wohngemeinschaften. Hier kommt alles vor,
was es auf der Erde auch gibt und das in jeder Sphäre, nur in unendlich
größerem Maße. So etwas wie Familien, die zusammenleben, kommen
hier seltener vor. Familie ist erdgebunden. Das, was die Eltern sein soll-
ten – was sie leider nicht sind, nämlich weise Lehrer auf dem Weg der
Erkenntnis, was das Leben bedeutet – sind hier uns wirklich an die
Seite gestellte geistige Lehrer, die entweder aus höheren Sphären kom-
men oder die direkt aus dem Reich des absoluten Lichts kommen. So-
genannte Engelwesen, die uns lehren, die uns Kraft geben und die uns
auf dem wahren geistigen Weg weiterweisen. Die uns aber niemals be-
drängen würden.
JF: Wohin gehen diejenigen, die nach dem Tod in das göttliche Licht
eingegangen sind, also dieses eine Millionstel, von dem Sie geredet
hatten?Sind Sie dorthin gegangen? Was ist der Unterschied?
WR: Darüber darf Ihnen keine genaue Informationen geben. Ich wer-
de versuchen, ein wenig darüber zu sagen. - - - Es ist nicht zu sagen!
Es ist in Worten nicht zu beschreiben, außer, daß ich Ihnen sagen kann:

155
Es tut nur noch wohl und gut, da zu sein. Wer wahrhaft ins göttliche
Licht eingeht, möchte von dort nicht zurückkommen. Er hat so viel
begriffen, gelernt und sich geläutert, daß seine Existenz ein vollkom-
men anderes Niveau erreicht. Das göttliche Licht steht außerhalb mei-
ner Beschreibungskraft. Ich kenne es und ich werde dort eines Tages
eingehen als Individualität, die ich immer war und die ich immer sein
werde. Ihnen allen wird es ebenso ergehen: daß Sie sich, wenn Sie es
begriffen haben, zu diesem göttlichen Licht hinsehnen, mit allen Fa-
sern Ihres Herzens, und alles tun, um es so schnell wie möglich zu
erreichen. Wir haben als Menschen und als ehemalige Menschen dieses
Sehnen in uns: auch den anderen Menschen auf dem Weg zu helfen,
dieses göttliche Licht erkennen zu können. Das ist unser Streben. Kei-
ner von uns ist im Grunde seines Herzens bereit, auch nur einen einzi-
gen seiner irdischen Geschwister in der irdischen Sphäre zurückzulas-
sen. Das ist für mich einer der Gründe, warum ich nicht im göttlichen
Licht bin.
JF: Heißt das, daß man vom göttlichen Licht aus keine Wirkung mehr
auf die Erde ausüben kann?
WR: Man kann, aber es ist unwichtig.
JF: Das klingt alles so ähnlich wie das, was ich im Buddhismus gelernt
habe. Es sind ähnliche Beschreibungen und andere Begriffe. Dort wird
es das »weiße Licht« genannt. Es wird als ein so strahlendes Licht be-
schrieben, daß Menschen, die noch – wir würden sagen »von Sünde
befallen« sind – erschrecken.
WR: So ist es.
JF: Dann ist Erkenntnismangel die Ursache dafür, nicht in das weiße
Licht hineinzugehen?
WR: So ist es.
JF: Wir werden auf dieses Thema auch immer wieder zurückkommen.
WR: Das ist mir sehr recht. Obwohl ich noch einmal sagen möchte,
daß ich nicht in der Lage bin, Ihnen in ausreichender Form, in absolu-
ter wissenschaftlicher Wahrheit darüber berichten zu können. Es ist
nicht die rechte Zeit dazu. Es ist schon sehr schön, wenn die Menschen
die ersten Schritte gehen.

Die Rolle der Angehörigen beim Sterbeprozeß

JF: Ich möchte noch einmal über das Sterben mit Ihnen reden. Wie
kann man den Menschen, die den Sterbeprozeß begleiten und meistens
auch genauso unvorbereitet sind, helfen, damit fertigzuwerden?

156
WR: Insgesamt, an die gesamte Menschheit, kann man noch einmal
sagen: Sie müssen wach werden, sie müssen sich nicht als den Mittel-
punkt des Universums sehen, sondern sie müssen wirklich wissen, daß
ihre Erde hier, mit jedem Erdenleben, von einer kurzen Zeitdauer ist
und sie in ihrem kurzen Erdenleben eingefaßt sind im gesamten Uni-
versum der Lebendigkeit. Wenn die Menschen wissen und erkennen,
daß es so oder so nach ihrem Tode weitergeht, und zwar besser als vor-
her, können Begleitpersonen dem Sterbenden sehr viel Trost geben,
indem sie ihm einfach nur diese Wahrheit vermitteln. Sie können dem
Sterbenden vermitteln, daß er nur über eine Schwelle gehen muß und
daß es da drüben schön ist. Wenn sie das stark genug tun, werden sie
selber genügend Kraft in sich haben, um daran nicht zu zerbrechen
oder zu verzweifeln. Sie werden sogar mit Freude erleben, daß der Ster-
bende heimgehen darf, und sie werden dem Sterbenden so viel Kraft
geben, daß er einen ruhigen, friedlichen Tod haben kann, auch, wenn er
vorher von Ängsten geplagt worden ist.
Das Wissen, daß der Tod nur ein Übergang in eine andere Dimension
ist, ist vollkommen ausreichend, um den Menschen die Angst und den
Streß vor dem Tode zu nehmen.
Der Schmerz der Hinterbliebenen beruht hauptsächlich auf dem selbst-
gemachten schlechten Gewissen, wegen all der negativen Dinge, die sie
dem Toten entgegengebracht haben, Dinge, die sie ihm nicht gesagt ha-
ben, die ihm wohlgetan hätten. Oder es ist auch nur der Schmerz, weil er
ihnen ganz einfach fehlt. Es gibt eine Lücke im Leben der Hinterbliebe-
nen und die schmerzt. Es ist nicht gut, um die Verstorbenen zu trauern,
besser ist es, in großer Lebendigkeit die Lücke, die der Verstorbene hin-
terlassen hat, mit Leben auszufüllen.

Zu starke Trauer ist grausam für die Verstorbenen

JF: Kann es dem Verstorbenen schaden, wenn die Angehörigen zu viel


Trauer und Schmerz erleben und ausleben?
WR: Das liegt je nachdem am Verstorbenen. Aber wenn der Verstorbe-
ne seine Angehörigen sehr stark irdisch geliebt hat, ist es ihm sehr, sehr,
sehr schwer in seinen himmlischen Sphären zu bleiben, wenn auf der
Erde um ihn getrauert wird. Weil ihm seine Hinterbliebenen auf Erden
einfach fürchterlich leid tun. So ist er dauernd um sie, statt im Himmel
zu sein, wo er hingehört, und will ihnen sagen: »Mensch, ich lebe doch!
Ich existiere!« Zuviel Trauer um Hinterbliebene grenzt an Grausam-
keit. Es hört sich fürchterlich an, für alle, die gerade jetzt trauern und

157
meine Worte hören. Und doch ist es grausam dem gegenüber, der ja
nur über eine Schwelle gegangen ist, der ja weiter existiert und den sie
ja wiedersehen werden, wenn ihr Erdenleben vorbei ist. Er ist ja nicht
verloren. Er ist ja weiter da.
JF: Dann gibt es ja in unserer Vergangenheit sehr grausame Trauerrituale,
wenn eine Witwe ein Jahr trauern mußte, bevor sie die Trauerkleidung
ablegen durfte und bevor sie sich wieder in normale lebendige Gefilde
wagen durfte und so weiter. Das sind dann ja sehr düstere Rituale.
WR: Es sind sehr düstere Rituale, die auch sehr viel Düsternis verbrei-
tet haben, ja.
JF: Sie binden die Menschen geradezu an die menschliche, irdische Sphä-
re.
WR: Genauso ist es. Das war damit auch bezweckt worden.

Gebet für Verstorbene

JF: Was bewirkt das Gebet für die Verstorbenen? Welchen Zweck, wel-
chen Nutzen, welchen Segen hat das Gebet für die Verstorbenen?
WR: Bei den meisten Menschen ist die Kraft des Gebetes so weit verlo-
ren gegangen, daß das Gebet nur noch bewirken kann, daß sie sich selbst
damit beruhigen, weil sie gar nicht in der Lage sind zu wissen, worum
sie eigentlich wirklich beten müssen und wie das Gebet funktioniert.
Ein richtig gebetetes Gebet, das den Gesetzen folgt, hat eine ungeheu-
er große Kraft – für Verstorbene genauso wie für Lebende. Die Gebete,
die im Kopf immer wieder gesagt werden wie der Rosenkranz oder das
Vaterunser oder irgendwelche netten Verschen haben so gut wie gar
keine Kraft und so gut wie gar keine Bedeutung. Und das erzwungene
Gebet hat ebenfalls keine Kraft und keine Bedeutung. Aber richtig ge-
betete Gebete, aus dem Herzen gesprochen und aus dem innigen
Wunsch heraus, irgendeinem anderen, den man wirklich in Not erkannt
hat, zu helfen, diese Gebete können Wunder wirken.
JF: Können sie helfen, einen Menschen zu befreien, der in geistiger
Verblendung meinetwegen als Geist umherirrt?
WR: Es liegt an der persönlichen Kraft des Betenden. Sie können, sie
können – ja. Und es gibt immer wieder einige Menschen, die die Kraft
haben, auch die in der tiefsten Dunkelheit Sitzenden, Harrenden dort
herauszuholen. Aber es erfordertsehr, sehr, sehr viel Kraft, Gebetskraft.
Und was dazu kommt: Wenn einer wirklich nicht will, so kann ihn nie-
mand zwingen.

158
Der Engel-Energie-Akkumulator und der Tod

JF: Ich wollte auch gerne über den Engel-Akkumulator reden als Hilfe
für die Sterbenden. Es gab nur einen einzigen Fall, den ich kenne, wo
jemand den Engel-Akkumulator benutzt hat, eine Frau, eine Ärztin,
die Krebs hatte und gestorben ist. Und nach allem, was ich gehört habe,
ist sie sehr friedlich gegangen, sie war gläubig und hatte schon ein Ver-
hältnis zu jenseitigen Welten, bevor sie den Engel-Akkumulator be-
nutzt hat. Ich habe nur sehr wenig erfahren. Vielleicht kennen sie die-
sen Menschen, diesen Tod. Vielleicht haben Sie das auch mitbekom-
men.
WR: Dieser Tod ist ein Privaterlebnis. Ich möchte auf diesen speziellen
Tod auch aus Rücksichtnahme auf die irdischen Angehörigen nicht näher
eingehen. Wenn Sie mir das bitte nicht übelnehmen.
JF: Das ist o.k. Aber vielleicht können Sie das aus Ihrem Wissen verall-
gemeinern. Vielleicht können Sie etwas zu den Möglichkeiten des En-
gel-Energie-Akkumulators als Hilfe für Sterbende und für Angehörige
sagen.
WR: Ja, der Engel-Energie-Akkumulator eröffnet natürlich alle Mög-
lichkeiten für den Menschen, sich dem Geistigen zu öffnen und dem
Geistigen entgegenzugehen. Er erleichtert auch die Beschwerden einer
mühevollen, grausamen Krankheit und hilft den Benutzern, in die jen-
seitigen Welten hineinfühlen zu können, und dementsprechend ist der
Tod natürlich auch leicht, weil diese Menschen einfach innerlich wis-
sen, daß sie nur einen Übergang über eine Schwelle zu gehen haben.
Das ist jetzt ganz grob gesprochen.
Der Engel-Energie-Akkumulator stimuliert nicht nur den Verstand.
Wenn Menschen sich entwickelt haben, können Engelwesen direkt mit
den Menschen reden, was ja sehr stark über den Verstand geprägt ist.
Er eröffnet wirklich alle Zentren des Menschen außerhalb des Körpers,
die es dem Menschen ermöglichen, mit seinen geistigen Sinnen das Gött-
liche, das Geistige zu erfassen. Solch ein Mensch braucht keine Angst
vor dem Tode mehr zu haben, weil der Tod ihm keine Angstschwelle
mehr bietet.
JF: Ja, deshalb bin ich auch auf die Idee gekommen, das Thema Tod
und Engel-Akkumulator sehr dicht zusammenzubringen, weil ich den-
ke, daß Menschen, die schon dem Tode nahe sind, ganz anderen Nut-
zen daraus ziehen können, als ein Gesunder und im Irdischen sehr
stark verhafteter Mensch, bei dem der Engel-Akkumulator sehr unter-
schiedliche Wirkungen hat. Mal ist die Erfahrung sehr intensiv und mal

159
merke ich nicht so viel davon, mal werde ich nur überladen und, manch-
mal kriege ich Kopfschmerzen. Es gibt alle Aspekte – ich lebe halt in
meinem Leben. Während, wie ich denke, ein Mensch, der dabei ist, das
Physische zu verlassen, doch ganz andere Erfahrungen machen müßte.
WR: Es ist nicht unbedingt gesagt, daß dieser Mensch ganz andere Er-
fahrungen im Engel-Energie-Akkumulator macht als Sie es in Ihrem
täglichen Leben tun, doch der Tod wird auf jeden Fall durch die Benut-
zung des Engel-Energie-Akkumulators erleichtert. Er wird verändert –
in der Sicht desjenigen, der den Engel-Energie-Akkumulator benutzt.
Die täglichen Erfahrungen des Benutzers werden sich aber doch den
Ihren eher angleichen. Weil der Engel-Energie-Akkumulator wirklich
auf allen Schichten im Menschen arbeitet, auf den unbewußten Schich-
ten, auf den bewußten Schichten, auf den sehr geistigen Schichten, auf
den emotionalen Schichten, auf der gesamten körperlichen Ebene. Und
das bringt immer die gleichen Phänomene hervor, wie Sie sie auch erle-
ben. Doch die Quintessenz, nämlich die Ruhe und das Wissen um die
Existenz des Geistigen, ist so stark gegeben, daß der Tod an sich dann
– abgesehen von physischen Erleichterungen natürlich – in einer leich-
ten, friedvollen Weise geschehen kann. Ich glaube, das Wichtige an die-
sem Thema ist, nicht Sterbende in den Akku hineinzubringen, sondern
immer wieder aufzuzeigen, daß der Tod nicht die große Schwelle ist,
für die er gehalten wird. Das ist, glaube ich, das Allerwichtigste. Davon
abgesehen kann man natürlich nur jedem alten Menschen raten, den
Akku wirklich viel zu benutzen: weil er ihm gut tut und weil ihm das
ehrliche Benutzen des Engel-Energie-Akkumulators die langen, lan-
gen Jahre, die möglicherweise vor ihm liegen, bis es zum wahren Ster-
ben kommt, die vielen Jahre, in denen er immer noch lebt und sich
verändert – teilweise auch durch schwere körperliche Leiden – um ei-
niges verschönern und erleichtern kann. Denn der Zweck des Lebens
ist, wirklich dem Licht näher zu kommen, der Wahrheit näher zu kom-
men, das heißt, sich zu reinigen von Irrtümern. Und es wird jedem
einzelnen Menschen auf seinen Lebensweg bis zur letzten Sekunde, wo
der Körper wirklich nicht mehr mitmachen kann, die Chance gegeben,
so viel wie nur irgendwie möglich zu erkennen.

Den Tod in der Öffentlichkeit enttabuisieren:


Er ist nur ein Übergang zum Geistigen

JF: Das Thema Tod und Sterben ist ja noch stärker tabuisiert als das
Thema Sexualität. Was raten Sie uns, wie stark sollen wir damit in die

160
Öffentlichkeit gehen? Sind wir dadurch gefährdet oder sind wir da-
durch Spott und Hohn ausgeliefert?Oder sollen wir ruhig ganz offen
sagen: »Hier: Nehmt den Tod anders und leichter wahr.« Sollten wir
das, was Sie sagen, genauso offensiv vertreten wie das, was Sie über die
Sexualität gesagt haben?
WR: Direkt raten kann ich Ihnen nichts, weil Sie selber der Bestimmer
in Ihrem Leben sind. Doch der Tod müßte enttabuisiert werden, weil:
Das ist der erste wirklich wahre Schritt für die gesamte Menschheit,
anzuerkennen daß es die geistigen Welten gibt. Die Geistigkeit an sich.
Das, was die Menschen als Tod empfinden, ist eigentlich nur die Ge-
burt zum wahren Leben, die Geburt zum Sein im Geiste. Und das ist
die wahre Existenz. Und von daher würde ich diese Offensive sehr stark
vertreten. Und zwar in so verständlichen Worten und so unanfechtbar,
daß die Menschen dem Glauben schenken müssen. Das halte ich für
sehr wichtig. Es geht nicht um Nahtoderlebnisse und um irgendwelche
Beweise, sondern es geht tatsächlich um Fakten. Denn ich rede hier ja.
JF: Nun, ich meine auch, daß es eine sehr intensive und nachvollzieh-
bare Verbindung gibt zwischen Ihrem Lebenswerk und dem, was Sie
jetzt sagen, weil der Tod eben als Erfahrung zu jedem Leben dazuge-
hört. Man kann ihn nicht wegdiskutieren, auch, wenn er als unwissen-
schaftlich abgetan wird, sozusagen bis auf die biologische Funktions-
änderung des Stoffwechsels ist ja die ganze Erfahrung des Todes kein
Thema. Es gibt zwar Kübler-Ross und Michael Newton, also Leute,
die sich von der empirischen oder psychologischen Seite damit beschäf-
tigen, aber die stehen ja auch sehr stark an der Grenze dessen, was heu-
te noch als wissenschaftlich begriffen wird. Tod ist immer noch Domä-
ne der Religionen und steht irrational da, obwohl es rationalerweise
eine Erfahrung ist, die jedem Menschen bevorsteht. Es ist eine Absur-
dität in sich.
WR: So ist es. Die Geburt eines Menschen und genauso auch der Tod
– das folgt unweigerlich aufeinander, und es gehört zu einem relativ
kurzen Erdendasein, dem ein sehr langes geistiges Dasein folgt und vor-
ausgeht.
JF: Das heißt, es ist überhaupt der Eingang zu spirituellem Denken,
sich der Konsequenzen von Leben bewußt zu werden. Geburt, Leben,
Krankheit, Tod und Wiedergeburt.
WR: Ich denke, der Eingang zum spirituellen Denken beginnt mit dem
Erwachen des geistigen Herzens, das in jedem Menschen schlägt. Das
ist der Eingang, und darauf folgt dann das, was Sie gesagt haben. Ein
Mensch, der an keiner Stelle etwas in sich erwachen lassen möchte, was
wie ein Gewissen klingelt oder sich wie eine große Liebe anfühlt, wo er

161
doch eigentlich gar nicht lieben will, wird sich Ihren Worten nicht ger-
ne vollkommen öffnen. Er wird es erst dann tun, wenn er durch viele
starke Ängste hindurchgegangen ist.
JF: Aber an einer Stelle des Lebens wird er das tun müssen, nämlich
dann, wenn er stirbt.
WR: So ist es. Und deswegen ist es gut, mit klaren, menschlichen Wor-
ten dieses Thema klar und gut – wissenschaftlich – zu erörtern und
diesen Fakt auf den Tisch zu legen: daß der Tod nur eine Schwelle ist,
ein Übergang zum Geistigen.

Orgonomische Naturwissenschaft und


orgonomische Geisteswissenschaft

JF: Es ist ein Drama, daß immer wenn es interessant werden könnte,
gesagt wird: »Ja! Das sagen Sie! Daß Sie mit Reich sprechen! Aber...!
Wenn er mir sagt, wie mein Hund heißt, dann glaube ich ihm das.«
Oder »Wenn Susanne sich einem Lügendetektortest unterziehen läßt,
dann glaube ich das.« Oder »Wenn er mir sagt, welche Sprache Reich
gesprochen hat, neben Deutsch und Englisch, dann glaube ich ihm das.«
WR: Wissen Sie, diese Aussagen werden nie ein Ende haben, denn sie
kommen einfach nur aus der Unvernunft des kindischen Verstandes,
der immer nur Beweise haben will. Meine jetzigen Worte, das, was wir
jetzt tun, kann nur ein Mensch mit freiem Herzen empfangen, ein
Mensch der verstehen will, und nicht ein Mensch, der vollkommen im
Kopfdenken gefangen ist. Doch selbst die größten Kopfdenker kön-
nen irgendwann zum freien Herzen kommen und verstehen.
JF: Dieser Begriff der Wissenschaft, der Naturwissenschaft gründet auf
der Existenz von Zeit und Raum. Das sind die beiden Begriffe, die für
die Naturwissenschaft unverrückbare Größen sind. Und ich habe bei
Christus, also im »Kurs in Wundern« gefunden, daß Zeit und Raum
nur Illusionen sind und zur Nicht-Existenz gehören. Wieviel Mühe,
wieviel Arbeit soll man in diese Wissenschaft stecken?
WR: Solange die Menschen noch Freude daran haben, etwas zu erfor-
schen, was ihnen wichtiger ist als die Wahrheit, die geistige Wahrheit,
sollen sie da ruhig herumforschen.
JF: Sie betonen ja das wissenschaftliche Arbeiten sehr stark. Wieviel
Arbeit sollen wir jetzt auch in die orgonomische Arbeit investieren?
Was ist orgonomische Wissenschaft unter diesem Aspekt, daß Raum
und Zeit eigentlich nur relative Begriffe sind, die auf die irdische Exi-
stenz beschränkt sind?

162
WR: Die gesamte Naturwissenschaft wird immer mehr dahin kommen
zu erkennen, daß sie weiter über sich hinausschreiten muß, über die
Begriffe Raum und Zeit hinaus. Ich würde die Orgonomie – so wie ich
es hier jetzt auch tue – aus diesen Begriffen hinausnehmen. Ich würde
mich nicht mehr als reinen Naturwissenschaftler bezeichnen und ich
denke, das wird auch keiner der jetzt lebenden Menschen tun können,
wenn er mich ernstnimmt. Denn ich bin nicht mehr Mensch unter Men-
schen. Sondern: Ich kann jetzt nur sehr viele Erfahrungsberichte aus
geistiger Sicht von mir geben.
JF: Sie sind also im doppelten Sinne »Geistes«wissenschaftler.
WR: So könnte man es wohl bezeichnen. Und so werden auch die an-
deren Naturwissenschaftler, die jetzt auf Menschenebenen arbeiten, vor-
sichtig sich ihren Weg vorbereiten, die Naturwissenschaft, so wie bis
jetzt geführt worden ist, in mehr geistige Bereiche sorgsam einzuarbei-
ten und einzubetten. Ich denke, es wird eine Zeit geben, wo die Be-
schaffenheit geistiger Bäume nicht mehr ganz genauso naturwissen-
schaftlich untersucht wird wie heutige Bäume untersucht werden. Ein-
fach, weil den Wissenschaftlern andere Möglichkeiten der Untersuchung
an die Hand gegeben werden – ohne Apparaturen, aber sehr viel ein-
deutiger.
JF: Dazu paßt eine Frage, die ich im Aufrtrag von Friedemann stellen
soll. Er ist Physiker und hat sehr große Schwierigkeiten mit der objek-
tiven Beweisführung, wie sie in der Orgonomie angelegt ist. Das To-T-
Experiment und andere physikalische Experimente funktionieren un-
ter unseren heutigen atmosphärischen Bedingungen immer schlechter.
Das heißt, unsere Atmosphäre wird immer schlechter, und es gibt sehr
wenige Plätze auf der Erde, wo Verhältnisse herrschen – wie damals in
Orgonon – um solche Experimente störungsfrei durchführen zu kön-
nen. Dann gibt es eine ganze Reihe von »Wissenschaftlern«, die diese
Experimente sehr unsauber durchführen und veröffentlichen und da-
durch sehr angreifbar sind. Weil die Experimente so unsauber durchge-
führt worden sind, liefern sie eigentlich mehr Anti-Material als wissen-
schaftliches Quellenmaterial. Wenn man das To-T-Experiment einmal
am Tag durchführt, anstatt alle paar Minuten, und das als Ergebnis ver-
öffentlicht, dient es eher als ein Argument, um zu beweisen, daß das
alles Humbug ist. Wieviel Mühe sollten Wissenschaftler wie Friede-
mann aufwenden, diese physikalischen Ebenen weiterzuentwickeln?
WR: Genauso, wie ich es eben gerade schon gesagt habe. Solange der
Wissenschaftler als Mensch in sich spürt, daß er in die Wissenschaft
Kraft investieren will, muß er es tun. Denn es ist sein Lebenszweck.
Und es ist gut, das zu tun. Sich jetzt als Wissenschaftler hinzusetzen

163
und aufgrund meiner Worte die Hände in den Schoß zu legen und zu
sagen: »Um Gottes Willen. Es gibt ja doch die Geisteswissenschaft und
das will ich jetzt machen«, ist absoluter Humbug. Es ist absoluter Hum-
bug, weil: Geisteswissenschaftler gibt es auch, aber sie müssen immer
sehen, wo die Menschheit jetzt steht. Und mit welchen Informationen
die Menschheit jetzt umgehen kann. Und wie die Menschheit jetzt aus
der Misere der Erde, in die sich hineingebracht hat, gut wieder hinaus-
kommen kann. Und daher braucht sie noch in ganz besonders starkem
Maße redlich arbeitende, sich wirklich bemühende Wissenschaftler.
JF: Naturwissenschaftler.
WR: Naturwissenschaftler!
JF: Das heißt, Wissenschaftler, die einander »gewissen«haft zuarbeiten,
im wahrsten Sinn des Wortes.
WR: So ist es! So ist es! Doch, es wird auch viel Gutes daraus entste-
hen, mit Sicherheit.

»Der Christusmord«

JF: Es ist natürlich ein Phänomen, daß jemand, der streng naturwissen-
schaftlicher Forscher ist und sich in seinem Werk nun gerade nicht auf
die geistige Ebene bezieht, sexualökonomische Grundlagen ausgerech-
net aufgrund des Christusgedankens ausdrückt.
WR: Oder gerade deswegen!
JF: Ja. Deswegen würde ich gerne wissen, ob das, was im Christusmord
steht, für Sie immer noch stimmt, nach all dem, was Sie jetzt wissen
und was Sie damals nicht wußten, als Sie das Buch geschrieben haben.
Sie waren gerade auch in einer sehr angespannten Situation, sind in die
Einsamkeit gegangen ...
WR: Der größte Teil des Buches steht weiter unverrückbar fest. Doch
in einigen größeren Kleinigkeiten habe ich meine Meinung revidieren
müssen. Doch die Hauptaussage des Christusmordes steht weiterhin
unverrückbar fest.
Ich richte mich bei dieser Person des »Christus« nicht an den wahren
Christus, so wie er ist, sondern ich richte mich tatsächlich gegen den
von der Kirche gemachten Christus, gegen den Christus, an den die
Menschen glauben sollten.
JF: Den Sie »den mystifizierten Christus« genannt haben.
WR: Den ich »den mystifizierten Christus« nenne – oder genannt habe.
JF: Wie ist es mit so einer Aussage, die hier im Buch steht:
»Du darfst Gott oder das Leben nicht als körperliche Liebe erfahren

164
oder erkennen«, also als Forderung der Christlichen Mystifizierung.
»Das ist so, weil es nur einen einzigen Weg gibt, Gott und damit das
lebendige Leben zu erkennen: die genitale Umarmung, ein Weg, der
absolut tabu für uns ist. Du sollst unter keinen Umständen daran rüh-
ren.« Der Zusammenhang ist ja klar. Es geht hier um Sexualökonomie
und um das Verbot der Sexualität. Aber diese Sache: »Es gibt nur einen
einzigen Weg, Gott und das lebendige Leben zu erkennen«...
WR: Das sehe ich natürlich aus heutiger Sicht nicht mehr so. Es gibt
viele, viele, viele Wege, Gott und das wahre Leben zu erkennen, wobei
ich jetzt mit Gott die göttliche Quelle meine, unseren Ursprung und
mit dem wahren Leben das geistigen Leben. Damals meinte ich mit
dem »wahren Leben« die Lebendigkeit des Körpers. Damals war ich
sehr stark auf das körperliche Sein fixiert, und es war mein Haupt-
forschungsgrund gewesen, dem körperlichen Sein die größtmögliche
Lebendigkeit zu geben, überhaupt zu erforschen: Was ist Leben? Was
ist Lebendigkeit? Wie kann ich es herstellen? Aus heutiger Sicht weiß
ich natürlich, daß dem geistigen Sein und der geistigen Sicht der Dinge
eine sehr viel machtvollere Energie zugrundeliegt als dem körperlichen
Sein je zugrundeliegen könnte.
JF: Dennoch gibt es ja den Konflikt, den Sie hier beschreiben, unbe-
streitbar weiter, den Konflikt zwischen dem Verbot, die Liebe zu er-
kennen und dem Gebot »Du sollst deinen nächsten und Gott lieben.«
WR: So ist es.
JF: Also ist das Buch heute noch so aktuell wie vor 40 Jahren.
WR: Es wird auch noch eine ganze Weile weiterhin so aktuell bleiben,
glaube ich. Denn das Bild des mystifizierten Christus existiert ja noch
weiterhin in aller Welt.
JF: Wie sehen Sie die Möglichkeit, Christus innerhalb des Verbots, in-
nerhalb der Kirche, innerhalb der Welt, innerhalb dieses Systems zu
erkennen?
WR: Christus zu erkennen innerhalb der jetzt existierenden Kirche?
Den wahren Christus?
JF: Den wahren Christus und auch den lebendigen, genitalen Christus,
den Sie hier beschreiben.
WR: Wobei man natürlich erst einmal klarstellen müßte, ob der wahre
Christus ein genitaler Christus war.
JF: So beschreiben Sie ihn hier.
WR: Es ist ein Bild meiner Vorstellungskraft, es muß nicht das Bild der
Wahrheit sein. Ich möchte, daß dies als Voraussetzung gilt. Natürlich
ein Christ, der fest verankert ist in der heutigen Religion und den my-
stifizierten Christus kennengelernt hat, Christus nicht als vollkommen

165
genitalen Christus begreifen, so wie ich es getan habe. Aber ich sehe
ihn schon in der Lage, den geistigen Christus erfassen zu können, dem
Vorbild des geistigen Christus nacheifern zu können – des geistigen
Christus – ein Teil des wahren Christus, nicht des mystifizierten Chri-
stus. Wobei natürlich der Körper weiterhin auf der Strecke bleibt, der
Körper des sogenannten Christen. Ansonsten denke ich, ist es inner-
halb der christlichen Kirche für einen wahren gläubigen Kirchenchristen
vollkommen unmöglich, einen genitalen Christus zu finden, so wie ich
ihn beschrieben habe. Das müßte ein Mensch mit einer ungeheuren
Lebendigkeit sein, und in dem Moment, wo er den genitalen Christus
erkannt hätte und leben würde, würde er sich wahrscheinlich von der
Kirche sehr weit entfernen. Das ist heute so, und das wird wahrschein-
lich auch immer so bleiben. Da kommen die Kirche und das irdische
Leben einfach nicht überein.
JF: Ich meine, das Buch ist ein Spiegel Ihrer Persönlichkeit. Das schließt
direkt an das an, was wir gestern gesagt hatten.
WR: Meiner damaligen irdischen Persönlichkeit, das auseinanderzu-
halten ist für mich wichtig.
JF: Es ist zu sehen, daß Sie sich sehr stark mit der Person dieses Christus,
den Sie sich vorstellten oder den Sie hier vorstellen, identifiziert haben,
dem einsamen, lebendigen Menschen, der mit Freunden umgeben sein
möchte und dann zum Führer erhoben wird.
WR: Sehen Sie, dieses Buch war für mich meine Hinwendung zum wah-
ren Christus, es ist mein Ringen um die Christuswahrheit gewesen.
Sehen Sie das Buch auch in diesem Lichte, daß ich darin wissenschaft-
lich, in meiner Art und Weise versucht habe, meinen Weg zu Christus
zu finden.
JF: Meinen Sie aus Ihrer jetzigen Sicht, daß Sie dem wahren Christus
dadurch nähergekommen sind?
WR: Oh ja. Nach Fertigstellung dieses Buches war ich nicht mehr so
allein und verbittert, wie ich es vorher gewesen bin. Den wahren Chri-
stus in seiner vollen Größe anzuerkennen und zu kennen ist vielleicht
zu viel gesagt, aber ich hatte genügend von ihm erkannt und gefühlt,
um mich teilweise mit ihm identifizieren zu können, so wie es wahr-
scheinlich jeder Mensch versucht, der sich Christus annähert.
JF: Es gibt einen Ausspruch von Ihnen, ich glaube, Sie haben das zu
Myron Sharaf gesagt, es steht in seiner Biographie: »So einer wie ich
kommt nur einmal alle 1000 Jahre.«
WR: Na ja, ein klein wenig Größenwahn darf dann ja auch dabei sein.
Aber irgendwie war ich zu meiner Zeit, unter den Menschen, die ich so

166
gekannt habe, schon etwas sehr Besonderes, das kann man mir nicht
absprechen. Abgesehen von allem Größenwahn denke ich schon, daß
ich eine besonders markante Persönlichkeit war.

Wilhelm Reichs geistige Quellen zu Lebzeiten

JF: Ja, wir haben eben gerade darüber geredet: Es ist phänomenal, daß
ein Mensch, der sich so stark auf materialistische Grundsätze, eine
materialistische Sichtweise der Welt beruft, so tief in das wirkliche We-
sen des Menschen gekommen ist, ohne vom Geistigen auszugehen. So
tief in der Wahrheit zu sein!
WR: Ja, darüber habe ich mich auch schon des öfteren gewundert aus
meiner heutigen Sicht. Ich kann dafür auch keine weitere Erklärung
geben, außer, daß mein wirklich sehr starker Dickschädel mir dabei
geholfen hat und auch meine nicht allzu leichte Jugend. Und einen ge-
wissen Forscherdrang habe ich schon auf die Erde mitgebracht.
JF: Offensichtlich hatten Sie ja auch geistige Helfer an der Seite, die
Ihnen immer wieder einen Schubs gegeben haben.
WR: Ja, sehr unangenehm teilweise. Aber es ist mir zu Lebzeiten nicht
aufgefallen. Ich habe mich nur manchmal gewundert, wie schnell sich
der Lauf der Dinge verändern kann.
JF: Ich glaube, es war Richard Blasband, der geschrieben hat, Sie hätten
auf die Frage, wie es dazu kommt, daß Sie immer wieder vollkommen
neue Bereiche erfassen und geradezu geniale Einfälle haben, geantwor-
tet, daß Sie sich am Abend einfach hinsetzen und auf die Eingebung
warten. Also irgendwie haben Sie diese Quelle doch direkt angezapft,
wenn auch vielleicht nicht bewußt.
WR: Ja, das ist das, was ich meine. Natürlich habe ich sie angezapft,
aber wirklich nicht bewußt. Ich dachte, wenn ich darüber nachgedacht
habe, daß es andere Forscher ebenso tun, und habe das als vollkommen
normal angesehen. Es war ein Teil meiner Arbeitsweise.

JF: Sie sind sehr friedlich geworden.


WR: Ja! Gerade im letzten Jahr – für Sie im letzten Jahr – hat sich doch
ein neues Konzept herausentwickelt, daß es mir jetzt ermöglicht, aus
relativ friedvoller Sicht mit Ihnen zu sprechen. Ich habe noch mit vie-
len irdischen Dingen abschließen dürfen und Frieden finden dürfen.
Und im Zusammenhang mit der Gruppe, mit der ich zusammenarbei-
te, hat sich eine neue Möglichkeit herauskristallisiert, sich den Men-
schen eventuell so verständlich zu machen, daß sie verstehen können.

167
Wobei ich weiterhin darauf hinweisen möchte, daß mein Werk, die
»Charakteranalyse« und alles, was die Lebendigkeit der Menschen an-
geht, die Sexualökonomie, die Sexualität an sich, weiterhin für die Men-
schen sehr, sehr stark im Vordergrund stehen muß. Die Menschen müs-
sen zu einer gesunden Sexualität zurück, um wahrhaft glücklich zu sein,
um wahrhaft leben zu können. Und nur aus diesem Glück heraus kön-
nen sie sich zu wahren geistigen Christen entwickeln. Die Liebe allein
zum Christus oder zum Göttlichen oder die Sehnsucht dahin reicht
nicht aus, um das auf Erden zu verwirklichen. Dazu müssen die Men-
schen hier auf Erden friedvoll und glücklich sein, und das wiederum
können sie nur, wenn sie ihre Körper so akzeptieren wie sie sind und
wenn sie sie genießen und wenn sie sie leben lassen, wenn sie einfach an
der Sexualität eine ganz tiefe Freude empfinden und in der Lage sind,
sich ihrem Körper und ihrem Partner vollkommen hingeben zu kön-
nen. Der Teil meiner Lehre steht heute wie damals. Ohne glückliche
Menschen ist die Erde verloren, und Menschen, die nur dem Geistigen
nacheifern, sind auch für die Erde verloren. Aber das wären die Men-
schen, die die Erde wahrhaft revolutionieren können, wenn sie in der
Lage wären, auch in ihren Körpern glücklich zu sein – und das steht
und fällt mit der Sexualität.
JF: Nun hatten Sie ja dem gegenüber, was Sie die »emotionelle Pest«
nennen und die »Institutionen der emotionellen Pest« eine sehr kämp-
ferische Haltung zu Lebzeiten.
WR: Nun, wissen Sie, ich hege natürlich diese kämpferische Haltung
immer noch, nur ist es so, daß mir mein Kampf gegen diese Art und
Weise der Existenz leider nicht genützt hat und aus diesem Grunde
versuche ich jetzt, dies über einen anderen Weg aufzulösen.

Die emotionelle Pest

JF: Haben denn die Menschen eine Chance, die emotionelle Pest abzu-
legen oder wird sie sich durch den Wahnsinn, den sie veranstaltet, sel-
ber in den Ruin treiben? Ich sehe, daß alles staatliche Leben, alles orga-
nisierte Leben, alles kirchlich-religiös Organisierte, sehr stark auf den
Prinzipien der emotionellen Pest beruht, daß es kaum möglich ist, drei
Menschen zusammenzubekommen, ohne daß sofort ein vierter be-
kämpft wird, ohne daß sofort über diese Mechanismen gearbeitet wird,
daß alle Freiheitsorganisationen, daß freiheitliche Ideen sobald sie stark
werden, von destruktiven sekundären Trieben zerstört werden.
WR: Sie stellen mir da eine sehr schwierige Frage. Ohne Hilfe, ohne

168
sehr viel Hilfe können die Menschen es nicht schaffen und würden sich
durch die emotionelle Pest selbst zerstören. Das ist eindeutig klar, denn
es gibt tatsächlich unter drei Menschen nicht einen, der in der Lage ist,
sich davon zu befreien. Ich hege Hoffnung. Ich hege Hoffnung und
ich glaube an das Wunder, an die Vernunft im Menschen, daß sie ir-
gendwann begreifen werden, daß es zumindest eine Umkehr gibt, eine
schwache Erkenntnis. Deswegen rede ich ja. Es ist aber schwer, es ist
sehr, sehr schwer, weil die Menschen sich in ihre Rollen verstrickt ha-
ben. Und die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und ihrer Lebendigkeit
gegenüber ist vollkommen verloren gegangen.
JF: Sehen Sie, ich bin selber in einer solchen Situation, weil ich das, was
von Ihrer Gruppe kommt, veröffentliche, und das sind sehr starke, sehr
freiheitliche Gedanken. Das, was wir als Lebendige Meditation in die
Welt bringen, ist eine sehr kräftige und sehr frische geistige Ebene, die
einfach auch die Kraft den Neuen mit sich bringt: etwas Neues zu er-
fahren, neue Einsichten zu bekommen, neue Sinneswahrnehmungen
zu begreifen, neue Meditationsmethoden zu entwickeln und darüber
zusammenzukommen...
Gut, ich versuche, aus Ihrem Werk zu lernen und keine Organisatio-
nen zuzulassen. Ich versuche, alle Informationen zu geben, und ich
versuche, persönlich zu lernen, aus dem, was ich bekommen habe.
Noch ist die Sache klein, noch gibt es keine Organisationen. Spätestens
dann, wenn es tausend, fünftausend, zehntausend, hunderttausend
Menschen angeht, wird eine Person dies nicht mehr regulieren kön-
nen. Alle wirklich tiefen neuen geistigen und gesellschaftlichen Ideen
sind zum Motor der emotionellen Pest geworden.
WR: Es wird keine Organisation geben. Es kommen von vielen, vielen
verschiedenen Seiten auf der ganzen Welt viele verschiedene Denkan-
stöße: durch wache Menschen, durch Querschädel wie ich es war, durch
mediale Menschen und auch auf ganz andere Art. Menschen müssen
sich nicht organisieren, um Wahrheiten zu erkennen und tatsächlich
dann auch zu leben. Die Frage ist einfach, wie die Masse Mensch auf
diese Informationen reagiert, wie schnell sie reagieren und ob sie rea-
gieren und auf welche Art und Weise. Es wird sich nichts in diesem
Sinne organisieren, weil alles, was sich organisiert hat, letztlich zum
Scheitern verurteilt ist. Es kommt auf jede einzelne Person an, und je-
der einzelne steht im Mittelpunkt seines eigenen Lebens. Das ist der
Kern der Lehre. Jeder einzelne ist für sich verantwortlich.
JF: Es ist natürlich sehr verlockend: eine Organisation zu machen, eine
Vereinszeitung herauszugeben, Vereinsbeiträge zu kassieren...

169
WR: Es ist typisch, aber es ist falsch.
JF: Ja. Das heißt: wir geben alle Informationen in die Öffentlichkeit und
wir lassen keine Organisation zu, die sich dessen bemächtigen möchte.
WR: So ist es. Und wir schützen es auch.
JF: Wir werden immer wieder darüber reden müssen. Ich denke mir, es
gibt keine konfliktlose Entwicklung einer solch machtvollen Idee, aber
ich möchte mich da irren.
WR: Die Konflikte stehen nicht im Vordergrund unserer Aufgabe. Eine
gewisse Dickschädeligkeit und Querschädeligkeit wird Ihnen helfen,
sich durchzusetzen. Es geht einfach nur darum, die Informationen zu
verbreiten und sie für sich selbst in Ihrer Familie zu leben.

Das plasmatische Strömen

JF: Kann man durch das bewußte Lenken des plasmatischen Strömens
auch körperliche Blockaden lösen?
WR: Ganz alleine durch das plasmatische Strömen können körperliche
Blockaden, wenn sie schwerwiegend sind, nicht aufgelöst werden, aber
sie können bis zu einem gewissen Maße soweit aufgeweicht werden,
daß das Leben erträglich und naturnah wird, im Sinne von: nahe der
biologischen Funktion des Körpers.
JF: In welcher Form sollten wir das anwenden oder weitergeben? Sollte
das richtig geübt werden?
WR: Ich halte das plasmatische Strömen für sehr, sehr sinnvoll, für
Kinder genauso wie für Erwachsene, egal welcher Religions- oder wel-
cher Landeszugehörigkeit, weil es zum einen die Menschen zur Ruhe
bringt und ihnen gleichzeitig dabei Kraft gibt, zum anderen ihnen aber
auch natürlich die Kräfte des Himmels näherbringt, da es ja eine ener-
getische Angelegenheit ist.
JF: Susanne und ich waren uns eben eigentlich darüber einig, daß das
plasmatische Strömen als kaltes Gefühl auf der Haut zu spüren ist, dar-
über hinaus als das gleiche Gefühl auch im Körper, wobei ich es dann
nicht mehr unbedingt als Kälte, sondern nur noch als Bewegung emp-
finde. Ist dieses Gefühl als »etwas Kühles« richtig beschrieben?
WR: Das ist ganz richtig beschrieben. Es ist ganz einfach die Energie,
die in abgewandelter Form auch von vielen Spiritisten beschrieben wird,
wenn ein Geist im Raume erscheint. Es ist also eine Ihnen schon sehr
artfremde Energie, die aber eigentlich im Astral- und Ätherleib zu Ih-
rem Körper hinzugehört. Was Sie als »etwas Kühles« erleben, ist, daß
die Energie bewußt in Bewegung gebracht wird und daß sie im Aus-

170
tausch steht mit neuer, frischer, göttlicher Energie gleicher Qualität.
JF: Sollten wir das den Leuten auf den Seminaren als tägliche Übung
beibringen?
WR: Sie sollten es den Leuten in den Seminaren genauso nahebringen
wie Sie es benutzen. Es gibt Zeiten, da benutzt man es häufig, und es gibt
Zeiten, da vergißt man es auch mal. Aber man kann sich immer wieder
daran erinnern und es immer wieder tun, wenn man es dringend benö-
tigt.
JF: Meine Beobachtung ist, daß ich keine Angst oder keine schweren
neurotischen Symptome entwickeln kann, wenn ich ströme, das heißt:
Das Gefühl von Angst, also Kontraktion und Strömen schließt sich
offenbar gegenseitig aus.
WR: Wenn das Strömen wirklich richtig intensiv ist, an allen Körper-
stellen, ist es genauso wie Sie es beschrieben haben. Es gibt immer noch
Strategen aller Arten und Weisen, die an vielen Körperstellen strömen
können und an einigen dann doch nicht, bis sie es richtig gelernt haben.
Sie sollten darauf hinweisen.
JF: Das kann man dann aberdurch Gedanken bewußt lenken.
WR: Genau.
JF: Man muß also seinen Körper Stück für Stück analysieren, ob es
dort strömt oder nicht, oder ob man in der Lage ist, an einer bestimm-
ten Körperstelle das Strömen zu initiieren.
WR: Die Körperteile, die nicht strömen können, werden sich extrem
unangenehm bei Ihnen melden.
JF: Diese andere Beobachtung, die wir eben machten, daß, wenn Su-
sanne erzählt, wo sie strömt, und ich dann genau diese Erfahrung ma-
che, sogar ihren Bauch, ihr Baby im Bauch gespürt habe – das Strömen
davon, nicht das Baby selbst – ist das eine allgemeine Fähigkeit von
Menschen, einfach durch Gedanken die Erfahrung des Strömens von
einem Menschen zum anderen zu übertragen? Oder ist das jetzt wie-
der nur etwas Spezielles, was nur mich angeht?
WR: Normalerweise ist es eine allgemeine Fähigkeit des Menschen zu
empfinden, was ein anderer ihm gesagt hat. Viele Menschen vergessen
diese Fähigkeit und sind nicht mehr in der Lage, sie auszuüben. Es hat
auch damit zu tun, inwieweit die Menschen bereit sind, sich füreinan-
der zu öffnen und füreinander Liebe zu empfinden. Sie sind ein Mensch,
der sehr stark Liebe für andere empfindet, das hilft Ihnen dabei sehr.
JF: Kann es für mich gefährlich sein, die Strömungsempfindungen bei
anderen Menschen mitzuempfinden?
WR: In dem Moment, wenn Sie diese Strömungsempfindungen beur-
teilen, wenn die Strömungsempfindungen in Ihnen irgend etwas Nega-

171
tives ausüben, ist es für Sie gefährlich. Es ist völlig ungefährlich, wenn
Sie einfach nur empfinden, es frei fließen lassen und zulassen, daß es so
ist, wie es ist, es nicht beurteilen und nicht verändern wollen. Sie müs-
sen das Ganze einfach als beobachtender Wissenschaftler empfinden.
JF: Das heißt ich müßte davor gewarnt sein, durch eigenes Strömen im
anderen etwas auszulösen? Meinen Sie das so?
WR: Genau das meine ich damit. Sie können dem anderen sagen, wie er
selber es bei sich besser strömen lassen sollte, aber Sie sollten es tunlichst
vermeiden, Ihr Strömen mit dem Strömen des anderen zu vermischen.

Geistige Blockaden

JF: Wir hatten ja schon jetzt mehrmals über Blockierungen gesprochen.


Sie haben gesagt, daß es genauso geistige Blockaden wie körperliche Blok-
kaden gibt und den Vorschlag gemacht, geistige Blockaden einfach durch
starke Lebendigkeit zu lösen. Haben geistige Blockaden, wie Sie sie erfah-
ren, genau so eine Strukturierung wie die körperlichen Blockaden, die Sie
in Ihrem Lebenswerk beschrieben haben?
WR: Die geistigen Blockaden haben ebenso eine Strukturierung wie
die körperlichen Blockaden. Sie sehen anders aus, aber sie sind auch
vollkommen strukturiert und können sich, je nachdem, wo sie sitzen
und welche Bewußtseinsinhalte sie blockieren, auf verschiedene Berei-
che des Körpers auswirken. Sie können mit dem Körper in direkte Ver-
bindung treten, wenn die geistigen Blockierungen schon sehr lange be-
stehen und sehr intensiv sind.
JF: Sind die geistigen Blockaden bereits in einem der spirituellen Syste-
me bereits ausreichend beschrieben wordenoder meinen Sie, daß eine
neue systematische Arbeit geleistet werden müßte? Ich meine, daß zum
Beispiel der »Kurs in Wundern« sehr intensiv und auf einer sehr hohen
Ebene dieses Thema beschreibt, ich weiß nur nicht, ob Sie die gleiche
Ebene meinen. Ist es notwendig, das noch einmal auf der Ebene der
wissenschaftlichen Analyse zu beschreiben?
WR: Das wird nicht möglich sein. Ich muß einfach einsehen, daß es
mir nicht möglich ist, geistige Blockierungen auf dieser hohen Ebene
beschreiben zu können. Was beschrieben werden kann, und was auch
zum Teil schon sehr schön beschrieben worden ist, sind die Arten von
Blockierungen, die um Sie herum, in Ihrer Aura vorhanden sind und
die direkt auf den Körper eines normalen nicht-medialen Menschen
oder noch nicht medial gewordenen Menschen einwirken.
JF: Also Haß, Wut, Eifersucht, Angst – ist es auf dieser Ebene?

172
WR: Ja, es geht hauptsächlich um diese Ebene der negativ ausgelebten
Emotionen. Verstehen Sie richtig »der negativ ausgelebten Emotionen«.
Es gibt sehr viele Emotionen, die die Menschheit als negativ bezeich-
net, die aber nicht in jeder Situation wirklich negativ sind, sondern ein-
fach nur Ausdruck lebendigen Lebens sein können.
JF: Ja, z.B. Wut ist für jedes Baby ein vollkommen normaler Ausdruck
von Frustration, lebendig und gesund.
WR: So ist es, so ist es.
JF: Und im Prinzip gilt das auch für Erwachsene, da muß man es nur
auch sozial steuern.
WR: Genauso ist es.
Aber auf der wirklich feingeistigen Ebene der Begrenzungen... ich bin
jetzt nicht gut darauf vorbereitet, darüber reden zu können.
JF: Das geht uns beiden so. Ich bin jetzt auch nicht darauf vorbereitet,
das Thema systematisch zu erarbeiten. Vielleicht können wir in Zu-
kunft an dieser Frage gemeinsam weiterarbeiten.
WR: Also die meisten Bücher, die darüber existieren, sind leider mit so
vielen Halbwahrheiten geschmückt, daß es sehr schwierig ist, die paar
Wahrheiten, die wirklich auch naturnah wahr sind, herausfinden und
vom Rest scheiden zu können.
JF: Da ich mich im Augenblick mit dem »Kurs im Wundern« beschäf-
tige, und viele unserer Themen darin finde, mache ich den Vorschlag,
daß ich mich darauf vorbereite, mit Ihnen darüber zu sprechen. Darin
werden viele Themen angesprochen wie Ego, Ego-Entstehung, Ego-
Auflösung, Verhältnis zwischen Ego und Selbst. Das sind sehr diffizile
Verhältnisse, nur auf einer so wahren Ebene, daß es sehr schwer ist dies
nachzuvollziehen. Ich habe fast das Gefühl, daß eine Erarbeitung auf
dem Niveau, auf dem wir reden, für viele Menschen die Möglichkeit
ergibt, dies alles viel »erdnäher« zu erfassen.
WR: Ich sehe mich außerstande, Ihnen aus meiner Sicht die psychologi-
sche Wirkung des »Kurs in Wundern« in Einzelheiten erklären zu kön-
nen, so daß Sie es auch noch verstehen können, und genau deswegen stim-
me ich mit Ihnen überein: Wir nehmen lieber die profane Menschensprache
– so gut es uns möglich ist – und versuchen, die einfachsten auch noch
medial nachzuempfindenden Thesen und Wahrheiten zu erörtern und der
Öffentlichkeit preiszugeben. Ich halte das für sinnvoller.

173
Gespräche mit Hildegard von Bingen

Atemtherapie und Lebendige Meditation

JF: Ich glaube, daß Sie wissen, was wir in unseren Seminaren und unse-
ren Meditationen machen, und ich soll von Anton, der mit mir die Se-
minare durchführt, einen schönen Gruß bestellen. Mein Anliegen ist,
Sie zu fragen, ob die Integration von athemtherapeutischer Arbeit in
die Lebendige Meditation in Ihrem Sinne ist und wie wir weiterhin da-
mit umgehen sollten.
HvB: Zuerst einmal möchte ich ganz herzlich zurückgrüßen. Zum an-
deren möchte ich sagen, daß ich einen sehr guten Überblick habe über
das irdische Geschehen, daß ich der Erde gar nicht so sehr ferne bin,
wie Sie vielleicht denken, und Ihnen oft sehr nahe bin und auch vielen,
vielen anderen.
Und jetzt zum Thema der Atemtherapie: Sie sollten bei dem, was Sie
tun, ganz genau wissen, was Sie tun. Durch die Veränderung des Atems
können sehr große körperliche Vorgänge in Gang gesetzt und auch ge-
steuert werden, die sich sehr stark auf das Gefühls- und Gemütsleben
auswirken. Aus diesem Grunde sollten Sie mit der Atemtechnik mit
noch neu Meditierenden nicht zu viel machen, sondern immer in ei-
nem gewissen Maß bleiben, um die Menschen nicht zu überfordern,
damit sie nicht zu früh in zu geistige Bereiche hineingestoßen werden,
ohne dem gerecht werden zu können, ohne wirklich verstehen zu kön-
nen, was da vor sich geht. Das kann Ängste auslösen, das kann genau-
sogut auch Krankheiten auslösen, vor allen Dingen psychische Krank-
heiten. Und benutzen Sie die Atemtechniken in Ihren Meditationen
nur mit dem festen Ziel, die Menschen zum Göttlichen hin zu öffnen.
Die Art und Weise, den Atem zu verändern, heißt nicht unbedingt, das
göttliche Licht einzulassen. Das muß gezielt gefordert werden.
JF: Wir benutzen bisher den Atem, um das energetische Strömen im
Körper fühlbar zu machen.

174
HvB: Sie sollten dabei die Menschen im göttlichen Licht schützen. Die
Veränderung des Atems kann genauso auch negative geistige Kräfte
anziehen, wenn diese Menschen nicht sehr stark positiv göttlich ausge-
richtet sind. Es ist ganz wichtig, den Menschen zu sagen – wenn es
auch nur darum geht, das Strömen zu spüren – sich im göttlichen Sinne
beschützt zu fühlen.
JF: Sollen wir das einfach so sagen, oder sollen wir ihnen ein Gebet
beibringen?

Das Beten lernen

HvB: Ich halte sehr viel von schönen Gebeten.


Ich würde Ihnen anraten, den Menschen ein schönes Gebet beizubrin-
gen. Es kann ruhig kurz sein, aber schön sollte es sein.
JF: Ich benutze das Strömen, um im Akkumulator in ein Gefühl von
hingebungsvollem Gebet zu kommen. Das habe ich bisher noch nicht
gelehrt. Ich habe höchstens einmal erwähnt, daß es so etwas gibt. Ist
das etwas, was den Menschen zur Verfügung steht, ist das ein allgemei-
ner Punkt der Lehre?
HvB: Es ist eine Art und Weise, eine Möglichkeit, einen Weg zum hin-
gebungsvollen Gebet zu öffnen. Dieser Weg ist für alle Menschen be-
gehbar. Welche Art und Weise von hingebungsvollem Gebet die Men-
schen auf Dauer beten werden, ist vollkommen gleichgültig, aber es ist
sehr schön, wenn die Menschen auf diesem Weg – durch das Strömen –
lernen könnten, hingebungsvoll zu beten. Wobei zu der Hingebung an
das Strömen, an das Göttliche, für das wahre Gebet immer noch hin-
zukommt, das Herz so weit öffnen zu können, daß es Liebe verströ-
men kann: zu dem Wesen hin, für das man betet ebenso wie zum Gött-
lichen hin, oder zum Christuslicht hin. Diese beiden Aspekte gehören
zusammen: die Hingabe, das Vertrauen an das Göttliche genauso wie
die Liebe für den, für den man betet oder zu dem man betet.
JF: Ich habe bis jetzt gewisse Hemmungen mit den Menschen zusam-
men zu beten, die zu mir kommen – sie wollen ja erst einmal ein Semi-
nar machen und etwas über Meditation lernen. Ich hätte im Prinzip
nichts dagegen. Ist es ratsam, mit Menschen zusammen zu beten, die
sich gegenseitig noch fremd sind, wo – auf der menschlichen Ebene –
noch keine gegenseitige Öffnung stattgefunden hat? Ist das ein Weg,
sich zu öffnen oder ist das Sich-öffnen und Sich-miteinander-Wohl-
fühlen die Voraussetzung?
HvB: Weder das Öffnen, noch das Sich-miteinander-Wohlfühlen, ist

175
die Voraussetzung zum Gebet. Denn jeder Mensch, der betet, öffnet
sich nur einem, nämlich der göttlichen Kraft. Ob man in einer Gruppe
betet, oder ob man alleine betet, bedeutet nur einen Unterschied der
Gebetskraft, die nach oben geschoben wird. Doch betet immer jeder
für sich alleine.
JF: Wie soll ich damit umgehen? Ich habe es bis jetzt eher als störend
empfunden, in einer Gruppe zu beten, ob das nun als Kind in der Kir-
che war oder auf Veranstaltungen, wo gemeinsam gebetet wurde, mir
war das immer zu intim zu beten, mich selbst in der Öffentlichkeit zu
öffnen. Das war für mich oft mit Verletzung verbunden. Ich kann gut
meine Haltung verändern, ich kann meinen Irrtum berichtigen und mit
Menschen zusammen beten. Das würde ich tun, aber ich habe aus die-
sen traumatischen Erfahrungen heraus, die ich selber gemacht habe,
natürlich auch in Bezug auf andere Menschen Schlüsse gezogen.
HvB: Diese traumatischen Erfahrungen – wie Sie sie nennen – macht
jeder Mensch, der mit anderen beten soll. Einfach weil er denkt, daß
der andere während des Betens in ihn hineingucken kann. Doch es ist
nur die göttliche Kraft, die zum Fließen kommt. Das aber wiederum
bereitet den Ego- und Verstandesanteilen eines jeden Menschen große
Probleme. Es ist aber nur eine vorgemachte Illusion. Die anderen Men-
schen sind genauso mit der Schwere ihres Gebetes beschäftigt, wie Sie
es sind. Sie kommen gar nicht dazu, Sie verletzen zu können – und
verletzen können sie Sie eh nicht, weil Sie sich ja vollkommen dem
Göttlichen hingegeben haben. Was Ihnen dieses eigenartige Erlebnis
beschert, ist, daß sich Ihr Verstand wehrt. Das ist eine uralte »Traditi-
on«, die Sie mit fast allen Ego-Verständen in den letzten Jahrhunderten
im westlichen Bereich der Zivilisationen teilen. Setzen Sie sich darüber
hinweg. Reden Sie mit Ihrem Verstand. Es ist nur eine Illusion
JF: Und den Menschen, die ja auch zu mir kommen, die materialistisch
eingestellt sind, den kann ich sagen: »Setzt euch da hin und wartet ab.
Schaut einfach zu, was mit uns passiert.«?
HvB: Sie müssen es den Menschen beibringen, daß es nicht darum geht,
nicht wie in der Kirche zu Gott zu beten, daß es darum geht, in einer
ganz tiefen Hingabe zu etwas zu beten – was sie eventuell ja noch gar
nicht kennen und gar nicht empfinden können. Sie sollen den Men-
schen einfach nur zeigen – genau wie in der Meditation – wie es funk-
tioniert, sich an etwas hinzugeben, wovon man glaubt, daß es Liebe ist.
Es geht um einen Versuch, es geht darum, etwas Neues zu lernen, sich
einer Sache hinzugeben und dieser Sache Liebe zu geben. Und sie sol-
len sich einfach eine göttliche Quelle vorstellen, einen Ursprung vor-
stellen. Sie müssen nicht sagen, daß sie der festen Überzeugung sind,

176
daß diese göttliche Quelle die absolut einzige Wahrheit ist. Wenn Sie
Nihilisten zwischen sich haben, die können Sie nicht davon überzeu-
gen, daß Ihre Worte wahr sind. Aber Sie können Sie davon überzeugen,
mit Ihnen diese Übung zu machen. Ganz frei und unabhängig davon,
ob es existent ist oder nicht. Denn ein Nihilist zweifelt letztendlich
alles an. Er zweifelt letztendlich auch die feste Materie an. Und dann
könnten Sie statt dem Göttlichen auch einen Stuhl hinstellen, und der
Nihilist könnte auch noch diesen Stuhl anzweifeln. Sie können diese
Menschen mit ihren eigenen Gedankengängen dazu überzeugen, daß
sie es ja mal versuchen könnten, alle gemeinsam sich diesem einzigen
Bild hinzugeben: einer göttlichen Quelle, einem göttlichen Licht, einer
großen Liebe, einer Vorstellung.
JF: Die Vorstellung, die Phantasie, sehe ich eher als ein Hindernis für
die geistige Erkenntnis, weil die Menschen dann Phantasiereisen ma-
chen oder sich ein geistiges Bild schaffen und sich auf dieses geistige
Bild beziehen und nicht auf die Liebe, nicht auf Gott, nicht auf die
Erkenntnis dessen, was tatsächlich ist.
HvB: Wir reden im Moment über Menschen, die nicht bereit sind zu
beten, weil sie nicht glauben und weil sie sozusagen dann auch nicht
lieben können. Diesen Menschen können Sie die Bilder nicht fortneh-
men. Wenn Sie diesen Menschen auch noch die Bilder fortnehmen, also
die Vorstellung fortnehmen von etwas, was sie sich sowieso nicht vor-
stellen können, was gar nicht in ihrem Erfahrungsbereich ist, dann ha-
ben diese Menschen keine Möglichkeit und keinen Zugang. Es ist eine
niedere Erkenntnisstufe. Wir reden jetzt hier von Menschen, die noch
nicht in der Lage sind zu erkennen. Sie müssen langsam hingeführt
werden. Es geht jetzt nur um diese Menschen.
JF: Reden wir jetzt von allen Menschen...
HvB: Wir reden jetzt von den Menschen, von denen Sie glauben, daß
sie nicht mit Ihnen beten möchten.
JF: Wäre für diese Menschen eine Erfahrung, also meinetwegen die
Erfahrung des Strömens, eine Ebene, auf die sie sich beziehen können,
ohne sich zu verletzen? Daß man sagt: »Wenn du dieses Strömen emp-
findest, nimm dieses Strömen als die göttliche Liebe, die in dir ist, dei-
ne eigene göttliche Liebe.«
HvB: Ich sehe, daß es gehen kann. Ich sehe dabei aber auch die Mög-
lichkeit, daß Sie diese Menschen vollkommen verwirren. Wenn sie die
ersten Schritte in dieser Weise gehen, werden sie möglicherweise auch
große Verwirrung empfinden. Aber ich werte dieseVerletzung eher als
positiv. Verletzen kann man nur das Ego. Überall, wo das Ego aber ver-
letzt ist, kann der Geist durchkommen.

177
JF: Es ist also einen Versuch wert?
HvB: Es ist einen Versuch wert, wenn Sie in der Lage sind, genügend
Liebe zu geben und wir von oben Ihnen mithelfen. Es ist ein besserer
Weg, Verletzungen zu schlagen, die Menschen Schmerz spüren zu las-
sen und dadurch lebendig werden zu lassen. Im Einzelfall können Sie
trotzdem entscheiden, wie Sie es für richtig halten. Es wird auch immer
wieder Menschen geben, die über das Strömen, das sie als göttlich, als
göttliche Liebe empfinden können, sehr viel Gutes erfahren können.
Sie werden es schon spüren, wo der richtige Weg ist für jeden einzel-
nen.
JF: Ich habe noch eine Frage zum Gebet allgemein. Hatten Sie das ge-
sagt? Das Gebet soll sich nur an Gott richten? Oder an die Dreifaltig-
keit?
HvB: Immer nur an Gott. Das Herz, die Kraft, der Geist, richtet sich
immer nur am Göttlichen aus. Natürlich gibt es immer und immer und
immer unendlich viele Überbringer oder Zwischeninstanzen. Wenn Sie
sich bedanken bei denen, die Sie umgeben und die Sie beschützen, geht
es über die, die Sie angeredet haben, natürlich zu Gott. Wenn Sie zu
Christus hin beten, geht es über ihn natürlich zur göttlichen Quelle.
Wenn ein katholisch denkender Mensch zu Maria hin betet, geht es
natürlich zu Gott. Verstehen Sie, was ich meine? Aber Sie können sich
immer gewiß sein, daß egal, zu wem hin Sie beten, im Dank, in der
Freude oder auch in der Bitte: es wird es immer weitertragen zur gött-
lichen Quelle, zum Schöpfer. Die stärksten Gebete, die Sie stärken, die
Ihren Geist stärken, die Sie selber läutern, die Ihnen auch die tiefe Ge-
borgenheit geben können, das sind die Gebete direkt an die Quelle.
JF: Ich fühle mich sehr wohl in Ihrer Gegenwart.
HvB: Darüber freue ich mich sehr. Ich fühle mich Ihnen beiden aber
auch sehr verbunden.

Hildegard von Bingen:


die Botin Gottes, Medium und Prophetin

JF: Ich habe in einer neu erschienenen Biographie zwei für mich sehr auf-
regende Stellen gelesen. Eine war eine Bemerkung, daß Sie in Ihrem Werk
die Sexualität des Menschen und die Genitalien als etwas dargestellt ha-
ben, was von Gott ist, und daß Wollust niemals vom Bösen sein kann.
Das ist eine kurze Zusammenfassung. Und das ist für eine Nonne, eine
Äbtissin aus dem 11. Jahrhundert eine revolutionäre Erkenntnis.
HvB: Sie müssen mich nicht unbedingt nur im Lichte der damaligen

178
Zeit betrachten. Sie müssen mich wirklich als einen sozusagen vom
göttlichen Schöpfer gesandten Boten betrachten. Wenn Sie mich als
Äbtissin oder Nonne der damaligen Zeit betrachten, werden Sie mir
einfach nicht gerecht. Ab einem bestimmten Zeitpunkt meines Lebens,
nachdem ich wirklich sehr viel Läuterung erfahren hatte, habe ich mich
dem Göttlichen so vollkommen hingegeben, daß ich einfach bereit war,
vom Göttlichen zu empfangen, was mir gezeigt worden ist und zu
sprechen und aufschreiben zu lassen, was mir gesagt worden ist. Und
diese Werke sind überliefert. Sie sehen dabei nicht, wie ich damals als
Mensch war, wie mein Ego ausgesehen hat. Ich persönlich war viel mit
Zweifeln behaftet und auch mit Ängsten und mir selber wurde körper-
liche Wollust gezeigt. Aber sie war mir doch sehr fremd, und hätte ich
sie ausleben müssen, hätte sie mich wahrscheinlich in Panik gestürzt.
Verstehen Sie, was ich meine?
JF: Natürlich.
HvB: Davon abgesehen ist mein Werk wahr. Es ist göttlich wahr und es
ist vollkommen göttlich richtig. Aber ich hätte nicht alles aus meinem
Werk auch noch vollkommen in die lebendige Tat umsetzen können.
JF: Ja, das meine ich auch nicht.
HvB: Und aus diesem heraus – wenn wir über mein Werk reden – soll-
ten Sie mich vielleicht doch als göttlichen Boten oder als Medium oder
als Prophetin bezeichnen. Da werden Sie mir eher gerecht.

Wollust ist ein Mittel zur Läuterung

JF: Ja, aber die Aussage selber ist im 11. Jahrhundert so revolutionär
wie im 21. Daran hat sich nichts geändert. Also auch heute noch wird
die Wollust als eine höchst zweifelhafte Kraft dargestellt.
HvB: Ja, denn die Wollust ist der Ausgangspunkt dafür, daß sich der
Mensch wirklich sich selbst stellen muß. Solange ein Mensch alleine lebt
und seine Wollust nicht anerkennt und nicht auslebt, kann er sich vor sich
selbst verstecken, kann er Teile seines Egos einfach vor sich selbst ver-
stecken und muß sie sich nicht anschauen. Aber in dem Moment, wo er
Wollust erlebt, wo er sich nach einem Partner sehnt, wo er eigentlich mit
diesem Partner auch leben will – da fangen die Schwierigkeiten an, weil er
sich vor dem Partner nicht auf Dauer verstecken kann. Und deswegen
wird natürlich die Wollust als Geißel der Menschheit betrachtet, denn
wahr genutzt hilft sie dem Menschen, sich zu läutern.

179
Der Sündenfall – die Machtfrage

JF: Ich habe noch eine Bemerkung in einer Radiosendung gehört – also
nicht Sie im Original – auch zum Thema des Sündenfalls: daß es nicht
Eva, also nicht die Frau war, die durch ihre Fehlhandlung den Sünden-
fall ausgelöst hat, sondern, daß es der Mann war, der durch die miß-
bräuchliche Benutzung der Sexualität dazu geführt hat, Sexualität als
Machtinstrument zu benutzen und daß hier sozusagen die materielle
Ursache, die faktische Ursache für den Mißbrauch liegt.
HvB: Das ist überhaupt der gesamte Sündenfall gewesen. Ich habe ihn
jetzt anhand von Adam und Eva, anhand der biblischen Geschichte er-
klärt, aber die Ursache des Sündenfalls ist gewesen, daß die hier auf
Erden lebenden Menschen oder inkarnierten Geistwesen eine Macht
ausüben wollten, die zu reinen himmlischen Zeiten nur Gottes Macht
war: die Macht zu schöpfen, die Macht zu schaffen, die Macht, irgend-
etwas in etwas anderes umzuwandeln. Das ist die Macht des Mannes,
den Leib der Frau zu verändern und das Kind in ihr wachsen zu lassen.
Es ist auch die Macht des Mannes, genau das nicht zu tun, wenn die
Frau es sich wünscht, und es ist auf Erden hier immer wieder das The-
ma überhaupt: Wer hat Macht über den anderen? Und aus diesem Macht-
bestreben, aus dieser Macht heraus, schaffen zu wollen, etwas zu mei-
nem eigenen machen zu wollen, etwas machen zu wollen, was der an-
dere vielleicht gar nicht schön finde,t oder etwas zu machen, was nur
ich schön finde, besonders schön, und alle anderen sollen es dann auch
sehen. Aus diesem Machtbestreben heraus ist dieser Planet »Erde« in
der Materie geschaffen worden und aus diesem Machtbestreben heraus
geschieht all dieses Traurige, was oft auf der Erde geschieht.
JF: Dann ist das Bild der Sexualität, das hier benutzt wird, also auch
wieder nur eine Metapher für einen allgemeinen geistigen Zustand?
HvB: Es ist natürlich nur eine Metapher für einen allgemeinen geisti-
gen Zustand. Aber es ist das stärkste und kräftigste Bild, was man sich
nehmen kann, weil die Sexualität die stärkste und kräftigste Kraft ist,
die in der Materie, auf der Erde herrscht.

Sexualität, Macht und emotionelle Pest

JF: Noch ein Gedanke dazu: bei allen weiblichen Tieren ist es so, daß
es eine Zeit der Lust und der Empfängnisbereitschaft gibt. Bei Pferden,
bei Katzen, bei Hunden sind die weiblichen Tiere zu einer bestimmten
Zeit auf Sexualität programmiert und zu anderen Zeiten überhaupt nicht.

180
Gabt es diese Zyklen auch bei den Menschen?
HvB: Ja natürlich gab es sie.
JF: Und gibt es sie immer noch?
HvB: Es gibt sie immer noch. Und es gibt auch viele Frauen, die ihre
Zyklen genau kennen, die sich einfach nur der Zivilisation oder der
Masse angepaßt haben oder sich ihrem Mann anpassen. Aber diese
Zyklen sind vollkommen existent.
JF: Wenn wir jetzt mal die Sexualität als Metapher für die Machtaus-
übung nehmen und sagen, wir reden über die Sexualität mit der Meta-
pher im Hintergrund, kann es dann nicht sein, daß sich die Frau dem
Mann angepaßt hat, seinem Trieb, der wie bei männlichen Tieren, je-
derzeit wenn die Frau ein entsprechendes Signal gibt, erwachen kann.
Kann hier ein gegenseitiges Mißverständnis vorliegen? Daß die Frau
meint, weil der Mann jederzeit sexuell sein kann, müßte sie jederzeit
sexuell sein und der Mann hat mißverstanden: »Wenn die Frau jeder-
zeit bereit ist, dann kann ich jederzeit die Sexualität auch zum Zwecke
meiner Machtausübung benutzen.«
Also ein gegenseitiges Mißverständnis – was daraus folgt, darüber kann
man viel reden, das geht ja dann hin bis zur Bildung des Patriarchats
aus der Ursituation heraus oder aus dem Matriarchat heraus. Also liegt
hier tatsächlich ein biologisch-geistiges Mißverständnis? Das ja immer
noch nicht aufgeklärt ist, es wird ja über diese Zyklen nicht geredet.
HvB: Es ist nicht immer nur Mißverständnis. Im Grunde genommen
haben Sie in der Quintessenz dessen, was Sie gesagt haben natürlich
vollkommen recht. Davon abgesehen kommen natürlich noch viele viele
kleine Feinheiten hinzu, die einfach alles verschieben können. Wenn es
nicht die Zeit der Frau ist, aber – nehmen wir eine Geschichte – der
Mann von einer langen, langen Reise nach Hause gekommen ist, und
die beiden haben es sich wohlig und warm gemacht, und sie liegen zu-
sammen und erzählen sich was, und sie streicheln sich und sie haben es
gemütlich und warm, dann erwacht in der Frau einfach auch der Wunsch
nach mehr, nach wirklich körperlicher Verbindung, obwohl es nicht die
Zeit der Zeugung ist. Die Frau wünscht sich hauptsächlich im Biolo-
gisch-Ätherischen zwei Sachen: Das sind zum einen die Zyklen, in de-
nen sie zeugungsfähig wäre, wo natürlich das Bedürfnis besonders stark
bei ihr ist, sich mit dem Mann vereinigen zu können. Dazu hat die Frau
aber auch das ganz dringende und starke Bedürfnis, ihrem Mann nahe
zu sein und sich von diesem Mann beschützen zu lassen und ihn immer
wieder an sich zu spüren und bei sich zu spüren und zu wissen: »Und
er ist da, und er ist mit mir.« Und das ist dann kein Mißverständnis.
JF: Ja, aber das geht eventuell um den Preis der Liebe, wenn beim Mann

181
die Liebe nicht da ist, sondern andere Motive ins Spiel kommen, daß even-
tuell nicht genug geprüft wird: Ist hier Liebe im Spiel, oder ist hier viel-
leicht doch nur Unterwerfung oder Bedürfnis nach Nähe, nach Sicher-
heit, nach Zuwendung im Spiel. Das meine ich mit »Mißverständnis«.
HvB: Aber schauen Sie, wenn Sie sich die Menschen angucken: Wel-
cher dieser Menschen kann wahr lieben? Fragen Sie es sich ehrlich:
Welcher dieser Menschen ist in der Lage, wahr zu lieben. Ich meine
nicht die rasende Verliebtheit von Jungen oder von Alten. Ich meine
auch nicht dieses Vorgemachte im Kopf, wie Sie die Bilder angespro-
chen haben, sondern ich meine die echte, tiefe Liebe. Wer kann das?
Das kann sowieso kaum einer. Aber aus einer Verbindung zweier Part-
ner – wobei ich jetzt einen männlichen und einen weiblichen meine
und nichts anderes – die sich immer wieder umeinander bemühen, und
einmal der eine sich dem anderen hingibt, dem anderen zuliebe, und
einmal umgekehrt. Wo man durch die Hölle geht, die selbstgemachte,
geistige, und wo man auch im siebten Himmel schwebt, da kann im
Laufe der Jahre die Liebe langsam wach werden, weil die Menschen
spüren, wie gut es ist, füreinander und umeinander die Dinge zu tun.
Es ist sehr, sehr viel Wahrheit verlorengegangen. Wenn zwei junge Men-
schen glauben, sie heiraten sich, weil sie sich lieben, ist das meist eine
große Illusion. Die Liebe, die wahre, göttliche Liebe zwischen den bei-
den kann erst im Laufe der Jahre mit harten inneren Kämpfen entste-
hen. Mal gibt der eine dem anderen und mal wieder umgekehrt. Nur, es
muß immer gegenseitig sein. Wenn die Frau den Mann braucht, warum
soll der Mann ihr nicht geben, wenn er es kann? Und umgekehrt auch.
Warum soll sich die Frau denn dem Mann nicht hingeben, wenn der
Mann es braucht? Wobei beide ehrlich sein müssen, den anderen nicht
zu mißbrauchen, sondern immer umeinander besorgt sein müssen und
sich immer wieder vergewissern: »Ist es dir so recht? Ist es so in Ord-
nung?« oder auch nicht.
JF: Es gibt, finde ich, einen grundlegenden Unterschied in der Sexuali-
tät zwischen Mann und Frau. Ein Mann kann aggressiv sexuell sein.
Der Mann kann seine Wut, seine Macht, seine Gier über die Sexualität
ausdrücken. Ich habe das Gefühl, die Frauen können das in der Form
nicht. Sie können vielleicht Lust daran empfinden, passiv in dieser Si-
tuation zu sein, aber ich habe das Gefühl, die Frauen können Sexualität
in dieser sehr stark aggressiv erregten Situation nicht erleben, wobei
das bei Männern oft geradezu die einzige Form von Sexualität ist.
HvB: Es ist ja auch der Mann, der das Aggressive gibt. Die Frau gibt
doch sehr viel mehr den hingebenden Teil, den annehmenden Teil, den
sich vollkommen öffnenden, lustvollen Teil, während es dem Mann doch

182
gegeben worden ist, das Aggressive zu geben. Nur beide zusammen
können wirklich zum lustvollen Höhepunkt kommen. Wenn eine Frau
versucht, aggressiv zu sein, und ein Mann versucht, sich hinzugeben –
es ist nicht das gleiche. Aber ein Mann der wahrhaft aggressiv, liebevoll
aber dabei ist, vollkommen aggressiv liebevoll gebend und eine Frau,
die sich vollkommen lustvoll hingebend und aufsaugend ist – das ist
eine gute Vereinigung, für beide! Sie geben sich einander genau das,
was dem anderen fehlt. Das ist gut! Das ist nicht negativ!
JF: Das meinte ich auch nicht. Ich merke auch, daß Sie aus der Sphäre
in der Sie sind, eine positiven Sichtweise der Dinge haben. Ich meine
die Fähigkeit des Mannes, in der Sexualität destruktiv aggressiv zu sein,
die Fähigkeit zu vergewaltigen.
HvB: Sehen Sie, die gefährliche Kraft liegt auch in den Frauen! Es liegt
auch in den Frauen, wenn sie sich eigentlich nach dem Mann sehnen
und sich eigentlich vollkommen hingeben wollen und eigentlich fürch-
terliche Angst davor haben wollen. Es liegt auch in der Morbidität der
Zeit. Es liegt an allem zusammen, es liegt nicht allein am Mann. Wo wir
uns jetzt nur auf die Sexualität beschränken: Natürlich könnte ich jetzt
von der Zivilisation ausgehen, könnte von der großen Morbidität aus-
gehen, die herrscht, von der wirklich sehr schlechten Erziehung eurer
Kinder, von all dem, was ja wirklich die Verbrecher fördert, in sämtli-
chen Gebieten, von Morden bis zu Sexualdelikten. Aber es ist nicht
allein der Mann. Schauen Sie sich die Mode an, schauen Sie sich die
Koketterie der Mädchen an, die hier auf den Straßen herumlaufen.
Schauen Sie sich um in den Magazinen, was Sie sehen können in diesen
Bildschirmen. Das fordert die Männer heraus! Ich bin der Meinung –
auch aus göttlicher Sicht gesehen – daß sich sehr viele männliche Men-
schen doch noch sehr stark zurückhalten in dem, was sie tun. Und daß
sich viele Sexualverbrechen erklären lassen auch besonders für Sie aus
den Werken Wilhelm Reichs. Die Lösung ist – glaube ich – nur in einer
vollkommenen Umerziehung der Menschheit zu finden. Es muß wie-
der eine Moral herrschen, und zwar eine Moral, die in jedem einzelnen
Menschen angelegt ist.
JF: Aus dem Gewissen heraus.
HvB: Aus dem Gewissen heraus. Das ist der einzig wahre Weg, die
Gewalt zu beenden. Und glauben Sie mir: Frauen, die wirklich stark im
Göttlichen sind, denen kann auch nur geschehen, was ihnen für ihren
Lebensweg gut tut.
JF: Ich verstehe schon, was Sie meinen: daß auch in der Frau negative
Triebimpulse vorhanden sind, die auf ihrer Ebene genau den gleichen
Stellenwert haben wie die Fähigkeit zum Vergewaltigen beim Mann.

183
Dennoch bleibt die Tatsache, daß Männer in den Krieg ziehen – Frauen
auch in manchen Staaten – aber daß Männer in Kriege ziehen, Kinder
töten, Frauen vergewaltigen und so eine Art von Verhalten in dieser
Situation der emotionellen Pest, so wie Reich es beschreibt, für gerecht-
fertigt halten. Ich bin beileibe kein Feminist, aber ich sehe, daß hier ein
riesiger Verhaltensunterschied ist in der Welt der Männer und in der
Welt der Frauen, daß es hier einen Bereich gibt, in dem – ganz egal in
welcher Zivilisation – Männer zum negativsten Verhalten, das Menschen
gegenüber überhaupt möglich ist, bereit und fähig sind, Männer, die so
aufgewachsen sind wie ich und andere Männer in meiner Umgebung;
und das ist ein Verhalten, das ich in der Art von Frauen nicht kenne.
Die Mütter sind die Erzieherinner der Männer, die so handeln, insofern
sind die Frauen ein Teil davon. Das heißt, die Mütter, die Frauen sind
nicht aus dieser Welt herausgenommen, nur weil die Männer diejenigen
sind, die diese Verbrechen begehen. Tatsache ist: Sie tun es. Das ist die
Gesellschaftssituation des Patriarchats.
HvB; Natürlich ist es die Situation des Patriarchats, die die Männer
zum Morden bringt, aber Frauen haben die gleichen biologischen Me-
chanismen in sich und wären in der gleichen Situation zu den gleichen
Morden fähig, wie es die Männer sind.
JF: Aber nicht zur gleichen aggressiven Sexualität in diesem Maß.
HvB: Nein, in dem Maße nicht, das ist unmöglich.
Frauen haben andere Waffen, und Frauen haben eine andere Art und
Weise, ihre Waffen gezielt einzusetzen. Frauen können mit Worten oder
auch mit der Art und Weise, wie sie sich verhalten morden, reihenwei-
se, bestialisch. Sie können Seelen abtöten. Sie sind es, die ihre Kinder
dazu bringen, so viel in sich abzutöten, daß sie später auch morden
können, wenn sie erwachsen sind. Es sind die Mütter, die nicht in der
Lage sind, ihre Kinder mit Strenge und mit wahrer Liebe zu erziehen.
Es sind die Mütter, die die Zweifel in die Welt setzen: »Das ist doch
meine Mutter. Die hat mich doch lieb. Oder hat sie mich doch nicht
lieb? Jetzt ist sie weg. Ob sie wohl wiederkommt? Na ja, ich will keine
Angst haben.« Und da geht die Klappe zu.
Es sind die Mütter, die soviel schimpfen und es nicht wieder gutma-
chen und sich nicht wieder entschuldigen, was in den Kindern große
Diskrepanzen auslöst, weil die Geschichte doch sagt, daß die Mütter
ihre Kinder lieben. »Aber, wenn meine Mutter eine ist, die immer nur
schimpft, dann kann ich ja nur ein böses Kind sein. Also bin ich
schlecht.« Daraus folgt für den Erwachsenen: »Ich bin schlecht.« Und
er verhält sich so.
Ich verurteile hier jetzt nicht, wie die Mütter mit ihren Kindern umge-

184
hen im groben, aber die Mütter sollten doch immer wieder den Kin-
dern klarmachen – bei allem was sonst ist – daß sie sie lieben, und daß
auch sie Fehler begehen können. Und daß über allen Instanzen nicht
die Mutter die Großartige ist oder der Vater der Großartige ist, son-
dern die himmlische Instanz, die die Kinder wahrhaft beschützt und
wahrhaft liebt. Die Eltern sollten beide die Kinder immer wieder zum
Gebet anregen. Daß die Kinder von klein auf lernen, daß von dort die
wahre Geborgenheit kommt und die große Kraft. Das ist das einzige,
was die Eltern den Kindern wahrhaft beibringen können und was wahr-
haft für die Kinder von Nutzen ist, für ihr gesamtes Leben: Sie anzu-
binden an die göttliche Kraft. Wenn die Eltern das geschafft haben, dann
sind sie wahre Eltern gewesen. Menschen, so wie sie auf Erden leben –
sie werden immer wieder Fehler begehen. Sie können den anderen nicht
gerecht werden, weil sie selber nicht vollkommen rein sind. Die Mate-
rie ist die Dualität. Die Materie ist nicht das reine Licht. Und so kön-
nen die Eltern auch ihren Kindern nicht das reine Licht sein. Aber der
Glaube und das Wissen um das reine Licht herrschen vor, immer noch.
Also müssen die Eltern den Kindern von dem reinen Licht erzählen,
von dem Gott im Himmel. Daß es wirklich die wahre Liebe gibt und
zwar so, wie sie ja als Sehnsucht in den Kindern vorhanden ist. Dann
werden die Eltern und die Kinder ihren Frieden haben. Und dann sind
die Gewissen wach.
Jetzt sind wir vom Thema der Macht etwas abgewichen.
JF: Nein, ich finde, das gehört dazu. Wie sollen wir wissen, wie wir mit
der Macht umgehen, wenn wir nicht wissen, wie wir mit den Kindern
positiv umgehen sollen? Also es gehört schon eine positive Projektion
dazu: etwas, was wir noch nicht können und was wir dann umsetzen
werden als Alternative.
HvB: Vertrauen Sie einfach immer auf die göttliche Führung. Und wenn
Sie nicht wissen, wie es richtig ist, dann legen Sie sich doch in die gött-
lichen Hände und sagen: »Ich bin jetzt hier, wirke Du durch mich.«
Und dann wirken Sie, und es wird durch Sie gewirkt. Sie können nicht
immer erkennen, was in dieser Situation das 100%ig Richtige ist. Der
Verstand kann es durchdenken, aber das Herz kann es nicht immer
vollkommen erkennen. Aber wir von oben, wir können es sehen. Und
in späteren Zeiten wird es den Menschen wieder offensichtlicher wer-
den.

185
Hildegard von Bingen prophezeite DOR vor 900
Jahren

JF: Sie haben sich offensichtlich relativ viel mit Prophetie beschäftigt
in Ihrem Werk.
HvB: Ja, das habe ich.
JF: Ich habe eine schöne Stelle gefunden, wo Sie beschreiben, daß Dunst
über die Erde fallen wird und dieser Dunst wird die Erde austrocknen
und das Pflanzenwachstum und die Feuchtigkeit von der Erde neh-
men, so ungefähr. Das heißt, da steht in einer Biographie über Sie, wie
DOR funktioniert, ohne daß irgendjemand, der daran beteiligt gewe-
sen ist, außer Ihnen, gewußt hat, worum es geht, und mir, der ich es
lese und zufällig Orgonomie verstehe. Das fand ich eine sehr schöne
Stelle. Das heißt, daß über so viele Stationen eine grundlegende Wahr-
heit, von der nur Sie und ich etwas wissen – und vielleicht andere, die
zufällig etwas von Orgonomie verstehen und ein Buch von Hildegard
von Bingen in die Hand bekommen – das ist sehr schön, wie in dieser
Art und Weise Prophetie funktionieren kann.
HvB: Daran können Sie auch sehen, wie stark das göttlich beschützt
ist, daß, obwohl über so viele Jahrhundert hinweg keiner gewußt hat,
was ich dort prophezeit habe, wie es trotzdem bis zu Ihnen hingelan-
gen konnte, über die vielen, vielen Jahre hinweg, auch über die vielen
Übersetzungen hinweg. Das ist Wunder.

Zeit im Diesseits und Jenseits

JF: Mir ist die Funktion von Zeit im Verhältnis zwischen Diesseits und
Jenseits überhaupt nicht klar. Da ist mit inzwischen vieles eher unklar
geworden. Wenn ich jetzt mit Ihnen spreche, und ich habe mit Ihnen
im vorigen Juli gesprochen und im vorvorigen Januar, das ist für mich
ein Zeitablauf. In welcher Form erleben Sie diese Gespräche? Gibt es
da ein Vorher und Nachher?
HvB: Es gibt natürlich das Vorher und Nachher. Es exist ein Ablauf in
der Sache. Nur daß ich natürlich auch schon im »es wird bald kom-
men« bin und darüber mit Bescheid weiß. Zeit in dem Sinne gibt es für
mich nicht, aber wenn ich hier mit Ihnen rede, komme ich dafür hinun-
ter in die Zeit und in den Raum.
JF: Hier erleben Sie Zeit?
HvB: Ja, ich beuge mich der Zeit. Ich erkenne an, daß Sie die Lampe an
haben und daß die Sonne hier im Moment nicht so besonders hell ins

186
Zimmer scheint. Ich erkenne das einfach an. Das ist in meiner Sphäre
natürlich nicht so.
JF: Weil es ja um Prophetie geht: Wie ist das mit der Zukunft? Ist es,
wenn Sie unsere Zukunft sehen, eine mögliche Zukunft, ist es eine tat-
sächliche Zukunft, oder ist es für Sie belanglos?
HvB; Also ich meine jetzt den Teil der Zukunft, der wirklich schon
festliegt, in Bezug auf uns und die weitere Planung der Gespräche zwi-
schen Ihnen und mir, die durch Susanne stattfinden. Ich meine das nur
in Bezug auf das, und das steht doch zu einem gewissen Prozentsatz
schon sehr fest. Weil Sie sich entschlossen haben, mit mir zu sprechen,
weil ich mich entschlossen habe, mit Ihnen zu sprechen, weil es vom
Göttlichen abgesegnet ist und weil auch Susanne gesagt hat, sie will das
auch. Und diese Dinge stehen fest bis in eine bestimmte Zukunft hin-
ein. Das muß auch geplant werden, damit ich mit den richtigen Infor-
mationen zu Ihnen kommen kann – in Worten, die Sie hoffentlich gut
verstehen können – und Sie mit den richtigen Fragen kommen können
und auch mit einem so offenen Herzen, daß Sie mich verstehen kön-
nen und auch Susanne sich so weit entwickelt hat, daß ich mich so durch
sie verständlich machen kann, daß auch andere uns noch verstehen kön-
nen. Das ist genau ausgetüftelt, und jeder von uns gibt sich – jeden Tag
für Sie und ich für mich in jeder Spanne meines Seins – die größte Mühe,
dem gerecht zu werden, auch wenn Sie es vielleicht nicht wissen.

Der Sinn der Prophezeiung

JF: Und wie ist es mit dem Weltlauf, also zum Beispiel diese apokalyp-
tischen Prophezeiungen. Da gibt es ja von Ihnen, von Nostradamus,
von vielen anderen relativ exakte Beschreibungen über Zusammenhän-
ge, die teilweise in der Zukunft liegen, zum Teil schon geschehen sind.
Was ist das für eine Zukunft? Sind das mögliche Zukünfte?
HvB: Diese Dinge, die dort beschrieben werden, sind Zukünfte, die
eintreten werden oder schon eingetreten sind. Wobei nur anscheinend
ein geringer Anteil dessen, was prophezeit worden ist, wirklich erkannt
worden ist in Zeiten, in denen es geschehen ist. Menschen sind ver-
blendeter, als man es sich vorstellen kann. Sie leben in der Prophezei-
ung, und sie sehen sie nicht.
JF: Wozu ist dann die Prophezeiung gut, wenn sie zu dem Zeitpunkt,
wo sie eigentlich eine Umkehr ermöglichen würde, nicht verstanden
wird? Zum Beispiel das, was Sie über DOR geschrieben haben, ist für
mich zwar eine schöne Sache, aber es bringt mir natürlich keine neue

187
Erkenntnis, außer, daß Sie davon wußten.
HvB: Es sollte Ihnen die Erkenntnis bringen, daß Sie mit Ihrem Wis-
sen dringend etwas dagegen tun sollten, und zwar massiv. Sie sollten
sich von ihren Ängsten an dieser Stelle nicht aufhalten lassen, sondern
Sie sollten dringend etwas gegen das DOR tun. Diese Prophezeiung ist
für Menschen wie Sie gemacht worden: sofort zu helfen und sofort zu
ändern. Und so sind auch die anderen Prophezeiungen immer doch
von einigen Menschen verstanden worden, die daraufhin ändern und
wieder in Ordnung bringen. Diese Prophezeiungen sind für viele ge-
macht und nur wenige verstehen sie – in dem ganz tiefen Wunsch, daß
diese wenigen, die verstehen, sofort Abhilfe schaffen, sofort alles, was
in ihrem Herzen ist, in Bewegung setzen, um wieder in den göttlichen
Ursprung zurückzubringen, um wieder auszuheilen. Dafür sind die Pro-
phezeiungen gemacht. Ohne diese helfenden Menschen, die die Pro-
phezeiungen verstehen, wäre die Erde verloren. Mein Gerede nützt
überhaupt gar nicht so viel. Es muß richtig gehandelt werden. Dafür
sind die Prophezeiungen gemacht. Würden die Prophezeiungen von
weisen Menschen, von genügend weisen Menschen rechtzeitig verstan-
den werden, wirklich verstanden werden, weil sie bereit sind, zuzuhö-
ren, müßte einige dieser Prophezeiungen gar nicht mehr eintreten.
Hätten Sie die Sache von DOR gelesen vor, ich sage mal, 20 Jahren
oder 30 Jahren und hätten sich dem vollkommen gewidmet, so wie Sie
es heute tun, hätten Sie vielleicht schon sehr viel Abhilfe schaffen kön-
nen, mit anderen Menschen zusammen, die Sie wachgerüttelt hätten.
JF: So habe ich das noch nicht gesehen. Das heißt, es liegt in den Pro-
phezeiungen immer noch die Möglichkeit, daß sie nicht eintreten müs-
sen, oder ist das eine unangemessene Hoffnungsduselei?
HvB: Sie kennen sich. Damit kennen Sie auch viele andere Menschen.
Es gibt die Hoffnung, das Schlimmste zu verhindern. Aber eigentlich
liegt der Hauptteil der Prophezeiungen darin, sie, wenn sie eintreten,
soweit abzumildern, wie es möglich ist. Und was in den Prophezeiun-
gen auch noch stark mitgegeben ist: das tiefe Wundern der Menschen,
wenn die Prophezeiung eintritt und die Menschen sie verstehen, dieses
tiefe Wundern: »Oh, das hätte ich jetzt nicht gedacht!« Es ist eine der
vielen Möglichkeiten, den Verstand der Menschen auf das Göttliche
auszurichten. Dafür sind die Prophezeiungen auch gemacht.
JF: Als Wunder, sozusagen.
HvB: Ja.

188
Fünfter Teil

Lebendige Ekstase

Die Anwendung von


Energiewahrnehmung und
Lebendiger Meditation
im Alltag

189
Energie, Meditation und Ekstase

I n den tiefen Meditationen überschreiten wir die Schwelle zwischen


Wahrnehmung und Erkenntnis, die direkt im Geist erscheint, so-
bald wir nicht mehr »die Dinge« wahrnehmen, die unser Ego in Meta-
phern denkt.
In diesen tiefen Meditationen verschwindet nach und nach die Wahr-
nehmung von metaphorischer Realität und macht der direkten geisti-
gen Erkenntnis Platz. Diese Ebene der Erfahrung ist im Moment der
Meditation völlig real und von tiefer, bewegender Schönheit.
Ich habe mich oft gefragt, warum ich diese absolut erfüllende, glückse-
lige Situation immer wieder vergesse. Mehr noch: Je tiefer und bewe-
gender die Meditationserfahrungen wurden, desto krasser war das Ver-
gessen danach, so daß es zu wochen- oder monatelangem »Vergessen«
kam, das so weit reichte, jeden Gedanken an Meditation zu verdrän-
gen.
Je tiefer und vollständiger die Meditationserfahrung wurde, desto här-
ter und unerbittlicher schlug das Ego zurück, das sich in seinem unum-
schränkten Machtanspruch angegriffen sah.
Die klassischen Meditationsschulen z.B. des tibetischen Buddhismus
oder der hinduistischen Yogis aber auch der christlichen und islami-
schen Mystiker sahen aus diesem Dilemma den Ausweg »in die Wüste«
oder »in die Höhlen« zu gehen, d.h. Abstand zu nehmen von der tägli-
chen Realität des Ego-Alltags und sich in monate- oder jahrelangen
Klausuren von der Welt zu verabschieden.
Dieser Weg in die Einsamkeit, der in anderen Kulturen seinen eigenen
Platz hatte, indem der »Arbeit« des Yogis eine gewisse gesellschaftliche
Achtung zukam, existiert heute praktisch kaum noch. Einige beson-
ders Mutige wagen sich in tibetische Klöster, aber auch dort geht es
meist um Arbeit, Lernen und rituelle Gottesdienste. Der Weg vom Klo-
ster in die Höhle ist heute auch für die Lamas des tibetischen Buddhis-
mus immer noch sehr weit.
Über die Lebendige Meditation existiert eine Möglichkeit, zwischen
der tiefen Meditation und dem Alltagsbewußtsein eine neue Brücke zu

190
schlagen und sozusagen ein »Yogi in den Städten« zu werden.
Jede Tätigkeit kann Meditation sein, kann voller Konzentration, be-
wußt und mit Liebe erlebt werden. Wir wollen die Welt unter diesem
neuen Aspekt erforschen, Schritt für Schritt, so oft wir uns daran erin-
nern, in uns die Göttliche Quelle zu hören.
Wir werden feststellen, daß wir viele Erfahrungen nur zu einem kleinen
Teil mitbekommen haben, weil wir innerlich in Gedanken ständig
»dazwischengequatscht« haben.

— Wenn wir lernen, werden wir Inhalte viel besser aufnehmen, wenn
wir nicht im Geiste abschweifen.
— Wenn wir Musik hören und nicht ständig in Gedankenketten
versinken, werden wir den Gehalt der Musik direkt erfahren.
— Ebenso, wenn wir einen Film sehen oder ein Gemälde betrachten.
— Wenn wir uns schlafen legen und die Göttliche Quelle hören,
finden wir Abstand von den oft quälenden Gedanken des Tages
und ruhen in Gott.
— Wenn wir mit Menschen sprechen, werden wir viel aufmerksamer,
liebevoller und mitfühlender sein können, weil wir ihnen mit
unserer vollen Aufmerksamkeit begegnen.
— Wir werden die Erfahrung machen, daß wir selber oft unser
inneres Gedankenkauderwelsch als »Smalltalk« weitergegeben
haben: bedeutungsloses Gerede mit dem einzigen Ziel, daß
Menschen sich gegenseitig die Existenz des Ego bestätigen. Da
das Ego nicht existiert, braucht es die ständige Bestätigung.
— Wenn wir zu den Sternen aufschauen, einen Baum betrachten, eine
Wiese oder ein Tier, können wir die Schönheit und die
Wesenhaftigkeit der Natur erfahren, ohne sie durch unser inneres
Geschwätz zu einem Teil unseres Ego zu machen.
— Letztlich werden wir, wenn wir die Natur in dieser Weise direkt
erfahren, die belebte Natur völlig neu erfahren.
— Wenn wir einem geliebten Menschen sehr nahe sind, werden wir
diesem Menschen als Wesen begegnen und tiefen, direkten
Kontakt erfahren.
— Wir finden diesen tiefen, unmittelbaren Kontakt vor allem zu uns
selbst, wenn wir uns auf die Göttliche Quelle beziehen.

Wenn wir der Göttlichen Quelle nahe sein wollen, jenseits der Anhaf-
tung an unser Ego, wenn wir der göttlichen Wahrheit begegnen wollen,
müssen wir die endlosen Ketten des inneren Monologes hinter uns las-
sen.

191
Die höchste Wahrheit Buddhas ist die Erkenntnis, daß der Geist leer
ist und daß alle Erscheinungen aus der Lumineszenz, der Leuchtkraft
des Geistes entstehen. Wenn wir dem inneren Gedankenfluß Einhalt
gebieten, tun wir den ersten Schritt, die Leerheit zu erkennen, und wir
werden irgendwann sehen, daß alles was, existiert, in seinem eigenen
Licht leuchtet.

Der Weg, dies zu erreichen, beginnt immer im Jetzt. Es sind viele kleine
Schritte, und ein jeder dieser Schritte beginnt damit, sich zu erinnern:
an das Rauschen, das Glitzern und das Strömen der göttlichen Energie,
die immer da ist, die immer bei uns ist und deren reinigende und glück-
bringende Realität immer ein Teil unserer eigenen göttlichen Natur ist.
Wir können den Weg in diese Realität ausschließlich finden, indem wir
ihn wirklich gehen. Intellektuelle Spielereien und Spekulationen helfen
uns auf diesem Weg nicht weiter, sondern führen uns weg von der gött-
lichen Erkenntnis. Das Ego fühlt sich durch diesen Weg bedroht – zu
recht, denn die Ebene des Ego zu verlassen, ist die einzige Bedrohung,
die es für das Ego tatsächlich gibt – und es findet Gründe und Aus-
flüchte: »Schwärme von der Erleuchtung, singe Lieder über die Liebe,
phantasiere über die Möglichkeit, einen Weg zu Gott zu finden – aber
wehe du tust es!«

Meine 7-jährige Tochter hat meine Frau und mich vor Kurzem mit der
Bemerkung überrascht:
»Wie findet Ihr das, daß immer alles voller Nebel ist?«
»Wie meinst du das?«
»Na überall ist so ein Zeug in der Luft, das sich bewegt und immer
anders aussieht.«
»Siehst du das immer?«
»Ja, immer!«, erwiderte sie voller innerer Überzeugung, und sie fand es
gar nicht verständlich, daß wir das »Zeug« nicht immer sehen.
Kinder leben in einer Welt, in der noch nicht alle Phänomene mit Meta-
phern benannt wurden. Sie sind es gewohnt, daß die Welt einfach exi-
stiert und sie fragen uns Erwachsene nach den »Bedeutungen«. Wir
Erwachsenen sind so sehr überzeugt, die wahre Realität zu präsentie-
ren, daß wir kaum bereit sind zu begreifen, daß die Wahrheit dieser
»unschuldigen« Wahrnehmungen der Kinder dieselbe Existenzberech-
tigung hat wie unsere eigene.
Menschen in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten haben andere
Wahrheiten, andere Realitäten wahrgenommen. Wenn wir hören, daß
Menschen früher »Geister« gesehen haben, wenn Kinder von »Gespen-

192
stern« reden oder wenn wir von »Engeln« hören, die manchem erschie-
nen sind, sind wir oft geneigt, diese Erfahrungen abzutun, weil wir in-
nerlich überzeugt sind, »die wahre« Realität zu vertreten.
Doch in der Lebendigen Meditation sehen wir die Energie vor unseren
Augen in bewegten Formen und Farben. Wir horchen in uns hinein
und hören eine innere Musik, in der sich jede andere Erfahrung von
Realität auflöst. Wir fühlen das Strömen in uns und erfahren die angst-
freie, liebevolle bioenergetische Ebene in uns. Wenn wir es schaffen,
diese subjektive Realität einfach zu akzeptieren, ohne in unsere gewohn-
ten Interpretationsmuster zu fallen, gehen wir einen Schritt in die Rich-
tung lebendiger geistiger Wahrnehmung. Hier öffnet sich ein völlig neuer
Bereich des Erlebens.
Wenn wir diese Erfahrung kultivieren, werden wir irgendwann erken-
nen können, daß alle Dinge aus reinem Licht bestehen, daß hinter der
materiellen Realität eine viel lebendigere geistige Realität existiert, in
der alles, was wir bisher für unbelebt hielten, eine eigene energetische
Lebendigkeit besitzt.
Die Mystiker aller Kulturen, aller Religionen von Meister Eckart bis
Carlos Castaneda haben diese lichthafte Realität des »So-Seins« der »Er-
leuchtung« oder der »Lumineszenz des Geistes« beschrieben. Doch die
Versuche, diese Erfahrung zu beschreiben – auch mein Versuch jetzt –
bleiben weit hinter der tatsächlichen Erfahrung zurück, weil wir die
Ebene des metaphorischen Denkens auf eine Realität anwenden, in der
es einfach keine Metaphern gibt. Nur durch das Tun selber bekommt
diese Ebene eine eigene Realität. Und diese mystische Realität ist im
Moment des Erlebens weitaus realer als das, an dem wir als unsere schein-
bar so stabile »Wirklichkeit« festhalten.

Oft wird »Ekstase« mit »verrückt sein« interpretiert. Wir denken an


tanzende Derwische, an Drogenexzesse und an zuckende Gebärden
besessener Schamanen. Doch das ist die Interpretation des Ego.
»Ekstase« oder »ex-stase« bedeutet »außen-stehen«. Wir stellen uns au-
ßerhalb der gewohnten Erfahrungsebene des Ego, außerhalb der Be-
griffe, die als Metaphern eine eigene Existenz zu haben scheinen, und
gehen hinein in die subjektive Welt, die nur innerhalb unseres eigenen
Geistes existiert und stehen somit »außerhalb« der Realität.
Ekstase ist die Ebene von Erfahrung, in der das Erfahrene so vollstän-
dig das Bewußtsein ausfüllt, daß für den interpretierenden Ego-Geist
kein Platz mehr ist. Das Erfahrene »ist« einfach und, diese Wirklich-
keit ist so mächtig und real, daß jede Interpretation überflüssig ist. Mehr
noch: Sobald unsere Interpretation wieder einsetzt – und das Ego tut

193
alles, um die verlorene Macht wiederzuerlangen – ist die direkte eksta-
tische Erfahrung vorbei.
In vielen Kulturen und deren religiöser Praxis hat die ekstatische Er-
fahrung von Yogis und Derwischen ihren tradierten Platz. So geben
sich die tanzenden Derwische der endlosen Drehung stundenlang hin.
Mit einer einfachen Technik wird verhindert, daß die Drehung zu
Schwindelgefühlen führt: Der Blick wandert mit der Drehung nach oben
in den Himmel oder an die Zimmerdecke. So »sieht« der Tanzende ei-
nen ständigen Fluß von verwischten Bildern. Ein einziges Festhalten,
ein einziger fixierender Blick auf einen Punkt läßt den Tanzenden tau-
meln. In dieser endlosen Drehung wird der Geist frei für die direkte
Erfahrung, denn diese Technik läßt sich nur durch absolute Achtsam-
keit aufrechterhalten, durch eine tiefe Meditation, die den Tanzenden
in einer ewigen Gegenwart hält. Das Ego würde völlig versagen, wollte
es versuchen, eine derart vitale Bewegung zu steuern. Durch dieses Ver-
weilen in der Gegenwart öffnet der Tanzende seinen Geist für Gott,
und die Ekstase selber ist nicht der Tanz, sondern die Erfahrung, die im
Geiste stattfindet, wenn der Körper tanzt und das Ego schweigt. Der
Tanz ist das Vehikel, doch die Ekstase-Erfahrung selber ist die Schau
Gottes, die allein von dem erlebt werden kann, der sich dieser Erfah-
rung hingibt.
Auch in unserer Kultur gab es und gibt es immer wieder die ekstatische
Erfahrung, die jedoch eher an die Sehnsucht erinnert, diesen stabilen
Zustand des direkten Erlebens zu erreichen. Eine eindrucksvolle Form
von Ekstase ist z.B. das Bungee-Jumping. Es befriedigt das Ego, weil
sich der Springende mit großer Überwindung dazu aufrafft, tatsächlich
in den Abgrund zu springen. Doch der Sprung selber – so wurde mir
berichtet, denn ich selber habe nicht das Bedürfnis nach einer solchen
Erfahrung – führt in die ekstatische Erfahrung hinein. Das Ego ist nicht
mehr in der Lage zu interpretieren und »stirbt« für einige Sekunden
und macht Platz für die direkte Erfahrung des Seins.
Eine weitverbreitete Form, Ekstase zu suchen, ist der Gebrauch psycho-
aktiver Drogen. Die Berichte von Timothy Leary, Carlos Castaneda
und Stanislav Grof zeigen uns, daß und wie es möglich ist, auch jen-
seits von Sucht und exzessiver Schädigung des Körpers mit diesen Mit-
teln die Grenzen des Ego zu sprengen und zur unmittelbaren Naturer-
kenntnis durchzudringen. Die Sehnsucht nach dieser Ebene der Er-
kenntnis war einst die große Hoffnung der psychedelischen Bewegung
in der Hippie-Kultur. Daß die organisierte Form des Ego – Reich nannte
es die politische emotionelle Pest – derart hart reagierte und diese Sub-
stanzen kategorisch verboten hat, indem sie diese als »Suchtmittel«

194
charakterisierte, zeigt die Angst des Ego, das seine Macht völlig skru-
pellos einsetzt, wenn es sich bedroht fühlt.

Es ist jedoch eine falsche Vorstellung, daß wir Ekstase nur in Extrem-
situationen, in Drogen oder in schamanistischen Zeremonien erfahren
können. Wir erreichen Ekstase immer dann, wenn wir aus der Welt des
Ego aussteigen. Und die sicherste und langfristig erfolgreichste Me-
thode ist die Meditation, auch wenn Drogen und andere spektakuläre
Mittel einen schnelleren kurzfristigen »Erfolg« bieten. Was nützt uns
aber die schnelle Ekstase, wenn wir sie nicht zur Erkenntnis nutzen
können?
Alle Religionen berufen sich auf »Heilige«, auf »Mystiker«, »Yogis« und
»Propheten«, in deren Lebensbeschreibungen wir auf die ekstatische
Erfahrung hingewiesen werden, die ihrer Gottesschau zugrunde liegt.
Keine Religion könnte ohne die Menschen existieren, die zu gnostischer
Erkenntnis fähig sind, die mit der Göttlichen Quelle direkt Kontakt
aufnehmen.
Alle Menschen sind fähig, die ekstatische Ebene willentlich zu errei-
chen, wenn wir die entsprechenden Mittel und Methoden kennen und
sie auch anwenden.

195
Lektion 19
Lebendige Ekstase
Grundübung

Vorbereitung:
Wir praktizieren zwei Ebenen der Lebendigen Meditation. In den tie-
fen Meditationen, wenn wir uns zur Meditation zurückziehen, versu-
chen wir, die Wahrnehmung der äußeren Welt hinter uns zu lassen und
tief in den Geist hineinzugehen. Diese tiefe Meditation ist die Grund-
lage unserer eigenen geistigen Entwicklung. Wir bauen zu den alltägli-
chen Erfahrungen eine Verbindung zur tiefen Meditation auf. Im All-
tag schließen wir an die tiefe Meditation an, indem wir die Göttliche
Quelle über energetische Wahrnehmung erkennen.

Übung
In alltäglichen Situationen geht es darum, sich zu erinnern.
Wir erinnern uns in völlig normalen Situationen daran, das Rauschen
der Orgon-Energie in uns zu hören, die bewegten Energieschwaden im
Raum zu sehen und das plasmatische Strömen im Körper zu fühlen
und sagen im Stillen zu uns:
Ich höre (sehe, fühle) die Göttliche Quelle
Dann erfahren wir die Göttliche Quelle und lassen das diskursive Den-
ken sein.

Ergebnis:
Wir bauen im Lauf der Zeit ein Verständnis der Welt auf, mit dem wir
uns der Existenz sicher sind, ohne die Welt ständig über Metaphern
herzustellen. Eine ego-freie Welt ist nicht nur möglich, sie ist sogar die
einzige, die tatsächlich existiert. Dies zu erkennen, ist keine intellektu-
elle Spielerei, sondern ein Erkenntnisprozeß, der nur über das Erfah-
ren, über das reine Tun in der Ekstase möglich ist.
Ekstase ist der Zustand, sich ohne Ego in der Welt zu bewegen, die
Dinge direkt zu erfahren, das Licht, aus dem alles Existierende besteht,
zu sehen, Gott zu schauen.
Wir sind dabei keineswegs »ohne Gedanken«. In dieser Ekstase sind
wir »über-wach«. Wir registrieren, was in unserem Geist geschieht, ähn-
lich wie in der Meditation. Die Welt existiert, ohne daß wir ständig

196
einen inneren Monolog rezitieren, und wir nehmen mit allem, was uns
begegnet, einfach Kontakt auf. Diese Kontaktebene ist die Liebe.

Fehlerquellen:
Das große Problem ist nicht die Ekstase selber, sondern die Erinne-
rung, denn sobald wir uns erinnern, hören oder sehen oder fühlen wir
die Göttliche Quelle. Wir vergessen die Ekstase, wir vergessen die Gött-
liche Quelle. Das Ego hat unsere Erinnerung fest im Griff, denn wir
erinnern uns in Metaphern, in Bedeutungen und Begriffen. Die Göttli-
che Energie gehört nicht zum »Katalog« existierender Dinge.

Dauer und Wiederholungen der Übung:


Soweit wir können, bleiben wir in der Ekstase. Sobald wir uns daran
erinnern, die göttliche Energie wahrzunehmen, gehen wir in den eksta-
tischen Zustand hinein, es geschieht selbstreguliert, denn der Geist liebt
diesen Zustand, bei Gott zu sein.
Eine Möglichkeit, die Zeiten ekstatischer Erfahrung auszudehnen, ist,
uns an eine Praxis regelmäßiger tiefer Meditationen zu gewöhnen. Wenn
wir in dieser Weise Ruhe und Frieden im Geist finden, werden wir uns
öfter an die Ekstase erinnern.

197
Leer sein: Erkenntnis aus eigener
Erfahrung durch Ekstase

D ie Lebendige Ekstase, in die wir durch die Energiewahrnehmung


willentlich jederzeit hineingehen können, bietet uns die Möglich-
keit, »leer zu sein«. Wie oft habe ich in Meditationsbelehrungen diese
»Leer«formel gehört: »Wir machen uns nun leer« oder »Wir lösen uns
in der Leerheit auf.« Doch nie hat mir jemand erklären können, wie
man das macht: leer sein.
»Leer sein« bedeutet streng genommen, keine eigene geistige Aktivität
auszuüben, was nur in der tiefen Meditation möglich ist. Wir können er-
kennen, daß der Geist einerseits leer ist, daß andererseits Aktivität ent-
steht (z.B. Wahrnehmung) aus der Eigenschaft des Geistes zu leuchten.
»Leer sein« heißt auf der Ebene alltäglicher Erfahrung – solange wir die
Welt und uns selbst wahrnehmen – nichts anderes, als willentlich mit
dem inneren Dialog aufzuhören und den diskursiven Gedankenfluß
nicht wieder zu beginnen. Doch da der Beginn des diskursiven Den-
kens unbewußt ist wie das Einschlafen, benötigen wir die Schulung
durch Meditation. In den tiefen Meditationen schulen wir uns darin,
die Aufmerksamkeit, die Achtsamkeit zu erreichen, die nötig ist, die-
sen unbewußten Punkt, wenn wir »in Gedanken versinken«, fühlen zu
können. Die Meditationspraxis wird uns immer wieder zu dem Punkt
führen zu erkennen, daß wir »in Gedanken gefallen sind«. Dieser Aus-
druck »gefallen« ist sehr zutreffend. Denn von der Wachheit der Medi-
tation aus gesehen ist es ein »Fallen«.
Durch regelmäßige Lebendige Meditation werden wir viele verschie-
dene Geisteszustände erfahren, die sich darin unterscheiden, wie kon-
zentriert wir in der energetischen Wahrnehmung verweilen können und
wie oft und wie lange wir in Gedanken fallen. Wir werden eventuell
sogar einschlafen oder in einen traumähnlichen Dämmerzustand gera-
ten. Dies geschieht, wenn wir eine tiefe Meditation erreicht haben, ohne
die Projektionsebene des Ego wirklich verlassen zu haben. Wir gehen
dann von der Alltagsrealität direkt in die Traumrealität über.
Doch in der Meditation geht es darum, sich bewußt zu werden, was

198
wirklich im Geist geschieht. Diese Achtsamkeit wird mit der prakti-
schen Erfahrung sensibler, und wir werden einen Punkt erreichen, an
dem wir feststellen können, wann ein Gedanke kommen will: Es ist
eine energetische Bewegung im Geist, die wie eine Bugwelle der geisti-
gen Aktivität vorausgeht. Diese autonome Aktivität gilt es zu bemer-
ken. Nur durch das bewußte, achtsame Registrieren dieses Willens zur
Aktivität bemerken wir einen Gedanken in seiner Entstehung. Es ist
dann sehr einfach, die Energie, die im Geist erscheint, nicht in die Ak-
tivität diskursiver Gedanken zu lenken, sondern in die Meditation sel-
ber hineinzugeben. Wir denken genau an dieser Stelle: »Ich höre (sehe,
fühle) die Göttliche Quelle.«, und dies führt uns in tiefere geistige Ebe-
nen hinein. Wichtig ist, nicht gegen den Gedanken vorzugehen und z.B.
zu denken: »Ich will nicht denken.« Dies führt zur Verwirrung, denn
wir beginnen dann zu spekulieren: »Ist dies nicht auch ein Gedanke?«
usw. Durch die Ritualisierung dieses sensiblen Punktes über den Satz:
»Ich höre die Göttliche Quelle.«, geben wir dem Geist die Möglichkeit,
die Gedankenenergie aufzugreifen. Der Geist weiß dann selber, wie er
damit umgehen will. Der Geist, der nicht an diskursive Ego-Ebenen
gebunden ist, findet von alleine seinen Weg in die Tiefe (oder Höhe).
In alltäglichen Situationen können wir über Energiewahrnehmung an
diese Erfahrung anschließen und erst dann wissen wir auch, daß wir
leer sind, ohne zu denken: »Ich bin leer«. Sicherheit bekommen wir
durch die regelmäßige praktische Übung der tiefen Meditation.

Mit der praktischen Erfahrung der Energiewahrnehmung und der Le-


bendigen Meditation haben wir uns ein Grundgerüst geschaffen, über
das wir nun über eine eigene Ebene der Erfahrung verfügen, mit der wir
nicht nur über »Energie« reden und spekulieren, sondern über eigenes
Wissen verfügen. Selbst wenn uns die eigene Erfahrung banal erschei-
nen mag angesichts des riesigen Marktes von Pendeln, Ruten, Energie-
massage, Tantra, Yoga, Aura-Sehen, Hellsehen, Gesprächen mit Engeln,
Bach-Blüten und Co., so sollten wir uns gewiß sein, daß auch andere
Menschen nur mit Wasser kochen.
Vieles im esoterischen Markt ist wieder und wieder reproduziertes, im-
mer neu abgeschriebenes Wissen und Halbwissen. Die einzige Mög-
lichkeit, die ich sehe, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden, ist,
die eigene Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit zu entwickeln und
niemandem zu glauben. Nicht aus Mißtrauen vor Betrug – auch den
gibt es natürlich –, sondern aus Achtung vor uns selbst und aus dem
Verständnis heraus, daß wir nur das als Realität akzeptieren sollten, was

199
für uns selbst sinnlich und geistig (nicht nur intellektuell) nachvoll-
ziehbar und wahr ist.
Dabei will ich nicht ausschließen, daß es Zusammenhänge gibt, die mir
verschlossen sind, für die ich – noch – nicht offen bin. Aber selbst,
wenn dies so sein sollte – auf der Ebene feinstofflicher Energien ist es
meist nicht hilfreich, sich auf Versprechungen und Aussagen anderer
Menschen zu verlassen, die oft auch noch eigene Interessen haben. Die-
ser Interessenkonflikt zwischen wahrhaftiger Aufklärung und kommer-
ziellem Gewinnstreben existiert als ständige Quelle des Mißtrauens und
vergiftet so einen Bereich, in dem gutmütiges Vertrauen notwendig ist.
So sind wir auf uns allein gestellt, die Angebote mit unseren eigenen
Kriterien zu überprüfen. Das wichtigste Instrument ist und bleibt da-
bei unser kritischer Verstand. Wir sollten unsere eigene Urteilsfähig-
keit nicht aufgeben. Wir können natürlich auch unseren kritischen Ver-
stand immer wieder auf den Prüfstein unserer Erkenntnis stellen und
unsere Einstellungen revidieren – wenn wir dazu bereit sind.
Vorgefertigte Meinungen und Haltungen zu übernehmen, Autoritäten
zu vertrauen und sich auf die Aussagen von Meistern, Gurus und Hell-
sehern zu verlassen, führt unweigerlich in die Abhängigkeit. Diese Ab-
hängigkeit ist nötig, solange wir völlig orientierungslos sind. Da es aber
im engeren und weiteren Sinne um Befreiung geht, kann Abhängigkeit
von Dogmen und Meistern nicht unser Weg sein. Sobald unsere Seele
eine gewisse Stufe der Entwicklung erreicht hat, müssen wir eigene
Kriterien finden, nach denen wir an unserer eigenen Weiterentwick-
lung arbeiten.

Nur unser Wissen aus eigener Erfahrung kann die Richtschnur sein, an
der wir spirituelle Aussagen jeder Art überprüfen.

200
Lektion 20
Lebendige Ekstase
Nicht-Üben üben

Vorbereitung:
Bevor wir diesen Text lesen, schließen wir kurz die Augen, hören die
Göttliche Quelle, denken für uns selbst »Ich höre die Göttliche Quelle«
und kontrollieren das diskursive Denken, während wir uns dem Ver-
stehen des Inhalts hingeben:

Wenn wir den Übungen bis hierher gefolgt sind, werden wir festge-
stellt haben, daß nicht die Lektionen die Schwierigkeit dieses Kurses
darstellen, sondern unsere Erinnerung, die durch das Ego kontrolliert
wird. Das Ego hat keine Verwendung für Meditation und Ekstase –
schließlich geht es darum, seinen Machtanspruch zu brechen. Wir »ver-
gessen« oft, daß und was wir üben wollten.
Es gibt einige Wege, mit diesem Problem fertigzuwerden. Man kann
sich Kurzzeitwecker stellen, überall Zettel aufhängen oder auch stren-
ge Disziplin halten – nicht ohne Grund sind spirituelle Wege, die auf
regelmäßige Meditation Wert legen, oft sehr ritualisiert wie z.B. der
japanische Zen oder der tibetische Vajrayana.

Übung:
Ein eleganter Weg ist es, die energetische Erfahrung zu erkennen, die in
der sinnlichen Wahrnehmung liegt, und direkt aufzugreifen. Das klingt
komplizierter, als es tatsächlich ist. Hier ein Beispiel: Wir hören beim
Autofahren Musik, die einen Schauer der Glückseligkeit – eine Gänse-
haut – bei uns auslöst. Wir werden augenblicklich erkennen, daß dies
plasmatisches Strömen ist und wir können in diese Erfahrung selber
eintauchen, ohne darüber in diskursives Denken zu fallen, denn wir
wissen bereits: Wenn wir beginnen, über die Erfahrung nachzudenken,
wird sie schnell zu Ende sein. Wir sagen im Stillen zu uns:
Ich fühle die Göttliche Quelle
und geben uns der Erfahrung hin.
Da wir die energetische Erfahrung situationsgebunden aufgreifen, ha-
ben wir es nicht mit der vom Ego kontrollierten Erinnerung zu tun.
Wir bekommen die Erinnerung aus unseren Sinneseindrücken zuge-
worfen – und je lebendiger wir sind, je mehr wir uns der sinnlichen

201
Erfahrung zu leben hingeben können, um so intensiver und öfter wer-
den wir von der lebendigen Energie aufgefordert, sich ihr hingeben. Im
Grunde genommen liegt hinter jeder sinnlichen Erfahrung eine wahr-
nehmbare energetische Ebene. Aber wir dürfen hier nicht mit unreali-
stischen Erwartungen eine Situation schaffen, in der wir vor unseren
eigenen Ansprüchen kapitulieren – das ist eine der Strategien des Ego.
Nach und nach können wir in der sinnlichen Wahrnehmung die ener-
getische Erfahrung entdecken.
Ich möchte Ihre Kreativität nicht beschränken. Im Entdecken der ener-
getischen Welt liegt das Potential zum völligen Erwachen, zur Erleuch-
tung, denn eine der Erfahrungen, die unter Umständen auftaucht, ist,
daß alle Dinge aus sich selbst heraus leuchten. Sie erstrahlen in ihrem
eigenen inneren Licht.
Nehmen Sie die folgenden Anregungen als Möglichkeiten und suchen
Sie nach Ihren eigenen energetischen Erfahrungen:

In den Schatten von Bäumen und großen Büschen finden wir ein ener-
getisches Flimmern, ebenso auf einfarbigen oder gemusterten Fußbö-
den und an weißen, gleichmäßig diffus beleuchteten Wänden. Wir se-
hen das Flimmern der Energie als Auslöser der Erinnerung und achten
spontan auf den gesamten Raum zwischen den Augen und dem Hin-
tergrund im gesamten Blickfeld, also von rechts außen bis links außen
und von ganz oben bis ganz unten. Wir binden unseren Blick an einen
Punkt oder sehen ohne bestimmten Focus »durch die Wand hindurch«.
Wir werden anfangs bessere Ergebnisse haben, wenn möglichst wenige
Objekte im Blickfeld sind, die »Namen« haben, also vom Ego mit Me-
taphern belegt sind. Je »uninteressanter« das ist, was wir im Blickfeld
haben, desto einfacher werden wir die bewegte Energie im Raum sehen
können.
Sobald wir die Enegie sehen, geben wir uns der Erfahrung hin, ohne
darüber ins diskursive Denken zu fallen und denken still für uns:

Ich sehe die Göttliche Quelle

Oft werden wir eine ähnliche Erfahrung im akustischen Bereich ma-


chen. Wir sitzen mit einem Buch und lesen, wir arbeiten an einem Text,
wir fahren im Auto oder stehen an der Werkbank. Bei jeder konzen-
trierten Tätigkeit ist die Tendenz sehr stark, in die energetische Erfah-
rung hineinzugehen. Voraussetzung dafür ist, daß wir nicht nebenbei
Radio hören und daß wir alleine sind.

202
Sobald wir das innere Rauschen hören, denken wir still für uns:

Ich höre die Göttliche Quelle

und wir geben uns der Erfahrung, hin – der Tätigkeit, dem Inhalt des
Buches oder was immer wir tun. Wir kontrollieren über die energeti-
sche Wahrnehmung, daß uns unserer innerer Quatschkopf nicht stän-
dig durch unkontrolliertes spekulatives Denken davon abhält, die Er-
fahrung zu machen, für die wir uns entschieden haben.
Wir werden feststellen, daß nur bestimmte Bücher, Filme, Musik und
nur bestimmte Tätigkeiten dazu geeignet sind, uns über das Ego zu
erheben und im direkten Erleben zu sein.

Gehen wir auf die Suche nach unseren eigenen energetischen Quellen.
Sie liegen verborgen in der Erfahrung, ein Kind zu Bett zu bringen,
einen geliebten Menschen zu umarmen, in einer sternklaren Nacht in
den Kosmos zu blicken, auf einer Klippe über dem Meer zu stehen
oder einem Spatzen beim Nestbau zuzusehen.

203
Lektion 21
Lebendige Ekstase
Die Stimme des Gewissens hören

In »stumpfsinnigen« mechanischen Tätigkeiten liegt eine Quelle für


energetische Wahrnehmung, denn da unser Geist mit dem, was wir tun
(z.B. Auto fahren oder Blätter für einen Katalog zusammentragen) nicht
ausgefüllt ist, fängt er an zu projizieren, er beschäftigt sich mit sich
selbst und beginnt Selbstgespräche. Wir neigen daher dazu, uns in die-
sen Situationen mit Radiohören, Smalltalk und inneren Monologen zu
beschäftigen.
Wir können uns der eigenen geistigen Situation bewußt werden, denn
gerade weil die Tätigkeit unseren Geist nicht ausfüllend beschäftigt,
können wir uns dabei beobachten, wie wir suchend von einem Objekt
zum nächsten springen.
Dies ist eine hervorragend geeignete Situation, bewußt in die Ekstase
zu gehen, indem wir die Göttliche Quelle hören und gleichzeitig den-
ken:
Ich höre die Göttliche Quelle

Wenn wir aufmerksamer unseren eigenen Geist beobachten, werden


wir, während wir die Göttliche Quelle hören, deutlich unterscheiden
können zwischen den automatischen diskursiven Gedanken, d.h. un-
seren inneren Selbstgesprächen, und klaren, neuen Gedanken, »Inspi-
rationen«. (Der Begriff drückt genau aus, worum es geht: das Aufgrei-
fen gedanklicher Impulse aus dem spirituellen Bereich).
Da unsere Tätigkeit uns verbietet, die Augen zu schließen und in die
tiefe Meditation zu gehen – in der Meditation sollte man den Geist
freigeben und nicht innere Gespräche führen – ist hier die ideale Situa-
tion gegeben, uns auf den geistigen Kontakt zum Gewissen, zum eige-
nen Engel, zum Höheren Selbst, zum Christusgeist oder zum Heiligen
Geist einzulassen: was das ist, was wir hören, wenn wir das projizieren-
de Ego zum Schweigen gebracht haben, müssen wir aufgrund unseres
eigenen geistigen Hintergrundes klären. Ich selbst spreche mit meinen
Engeln – und wenn ich es verstehe zuzuhören, haben sie mir viel zu
erzählen.

204
Lektion 22
Lebendige Ekstase
Smalltalk beenden

Das diskursive Denken ist die Ebene, auf der das Ego sich in unserem
Geist unkontrolliert austobt. Das Ego übernimmt die Kontrolle über
unser Denken auf dieser unbewußten Ebene, indem es uns von einem
materieriellen Objekt zum nächsten führt und uns an die Existenz von
Zeit und Raum bindet.
Nachdem wir nun mit der Anwendung der Lebendigen Meditation ver-
traut sind, werden wir die Quelle des Ego abzuschneiden. So wie das
diskursive Denken »Smallthink« ist, so ist »Smalltalk« die Realisierung
des diskursiven Denkens auf der sozialen Ebene. Wir Menschen bemü-
hen uns, unseren Glauben auf andere Menschen zu übertragen. Wir
sind ständig Lehrer unserer Umgebung. Und wenn wir innerhalb des
Ego gefangen sind, werden wir versuchen, unsere diskursiven Gedan-
ken zu formulieren und sie unseren Mitmenschen aufzudrängen. Auch
wenn wir diese Gedanken so formulieren, daß sie »interessant« sind für
andere, auch wenn sie konstruktiv oder oberflächlich betrachtet liebe-
voll sein sollten, sind sie doch nichts anderes als Angriffe des Ego auf
den Geist unserer Brüder und Schwestern. Die Botschaft dieser Ge-
danken lautet: »Sieh her, das Ego ist die einzige Realität. Ganz egal,
welche tiefen, geistigen Wahrheiten Du denken magst: Ich bestimme,
was Realität ist.«
Eine Möglichkeit, dies zu üben, ist Schweigen. Falls unsere soziale Si-
tuation dies erlaubt, d.h. wenn wir mit Partnern zusammen sind, die
unser Anliegen verstehen, können wir einen Schweigetag oder auch nur
einige Schweigestunden praktizieren. Es hat natürlich keinen Sinn zu
schweigen, wenn es keine Menschen gibt, mit denen wir das Schweigen
üben können. Wir können dann in dieser Praxis des Schweigens sehr
gut den immer wiederkehrenden Impuls erkennen, reden zu wollen.
Dieser Impuls ist wichtig, denn er erinnert uns daran, daß unser Geist
auf die Ego-Ebene gewechselt hat, und daß wir nun auf das innere Rau-
schen hören und zu uns selber sagen sollten:

Ich höre die Göttliche Quelle.

205
Aber das Schweigen ist nur eine Krücke, die wir benutzen können. Nicht
auf die Ebene des Smalltalk zu gehen ist eine weitere Krücke, die nur
ungleich schwieriger zu handhaben ist. Es ist unser Ziel, jeden Impuls,
zu reden, darauf zu überprüfen, in welchem Geist wir uns vermitteln.
Dabei werden wir auf die erstaunliche Tatsache stoßen, daß Smalltalk
genauso »unbewußt« geschieht, wie das diskursive Denken im allge-
meinen unbewußt geschieht, solange wir nicht in der Lebendigen Me-
ditation sind. Wir denken und reden in einem unbewußten, schlaf-
ähnlichen Mechanismus, den wir in unserer Selbstüberschätzung »Wach-
bewußtsein« nennen.
Smalltalk zu vermeiden ist eine Sache, aber zu erkennen und vor uns
selber zuzugeben, daß wir unbewußt auf der Ego-Ebene des Smalltalk
angelangt sind, eine ganz andere. Anders als das diskursive Denken,
das nur innerpsychisch abläuft, erfordert Reden eine physische Aktivi-
tät, die wir wiederum wahrnehmen können. Wir lernen, uns selber kri-
tisch zu betrachten und uns einzugestehen, daß wir Fehler machen.
Dies kann jedoch nur von der Ebene des Heiligen Geistes aus gesche-
hen. Wollten wir dies mit dem Ego tun (es ginge nur mit einem ausge-
prägten »spirituellen Ego«, das die intellektuellen Inhalte der Lebendi-
gen Meditation für sich einsetzt), dann würden wir uns sofort verurtei-
len, uns schämen, und schuldig und »sündig« fühlen. (»Sünde« ist ein
Ego-Konzept.)

Wir gehen sooft wir uns daran erinnern, mindestens jedoch einmal alle
30 Minuten, zu jeder vollen und jeder halben Stunde in die Lebendige
Meditation und sagen zu uns selbst:

Ich höre die Göttliche Quelle


Smalltalk ist eine Aktivität des Ego

Wir beobachten uns in unserer Aktivität und werden feststellen, daß


wir immer wieder in Smalltalk verfallen oder daß wir den Impuls er-
kennen, daß wir auf dieser Ebene kommunizieren wollen. Sobald wir
dies erkennen, halten wir inne, hören den inneren Ton und sagen zu
uns selbst:
Ich höre die Göttliche Quelle
Smalltalk ist eine Aktivität des Ego

Auf diese Weise nutzen wir die Kraft, die in der Ego-Aktivität liegt,
uns daran zu erinnern, wie wir mit unserem Geist umgehen wollen. Es
nutzt uns nichts, wenn wir uns dafür verurteilen, uns schämen und sün-

206
dig fühlen, weil wir damit unser Ego stärken. Die einzige heilsame Kon-
sequenz kann sein, unseren Fehler einzugestehen und ihn sofort zu
korrigieren. Dies zu praktizieren bedeutet, die Vergebung zu erken-
nen.
Wir werden diese Übung mindestens drei Tage lang, besser eine Wo-
che, praktizieren, indem wir am Morgen diesen Text lesen und einen
festen Vorsatz bilden, in dieser Weise den gesamten Tag über geistig zu
arbeiten.
Nach dieser Woche werden wir sehr viel über unseren Geist gelernt
haben.
Wir vermeiden es, mit anderen Menschen, die diese Praxis nicht ma-
chen, über diese geistige Arbeit zu reden. Wir werden sehr schnell fest-
stellen, daß uns andere Menschen vermeintlich mit ihrem Smalltalk in
ihre Ego-Realität ziehen wollen. Das ist eine falsche Sichtweise. Auch
der Smalltalk der anderen ist unser Geist. Wir sind nun sehr oft in der
Situation, auch den anderen Menschen gegenüber Vergebung zu prak-
tizieren, indem wir nicht mit Smalltalk auf Smalltalk reagieren. Wir
können Freundlichkeit üben, indem wir diesen Menschen auf der gei-
stigen Ebene nicht folgen und inhaltlich korrekt aber auf der Ebene
liebevollen Kontakts reagieren. Wir halten Augenkontakt zu unserem
Gegenüber und gehen auf sein Kontaktbedürfnis ein. Wenn wir fest-
stellen, daß uns die Situation überfordert, gestehen wir uns dies ein
und ziehen uns freundlich aber bestimmt aus dem Kontakt heraus. Wir
werden sehr schnell veränderte Reaktionen der anderen Menschen fest-
stellen. Indem wir uns selber vergeben, befreien wir auch den anderen
Menschen aus der Bindung des Ego.
Nicht mehr auf der Ebene des Smalltalk zu kommunizieren darf je-
doch nicht bedeuten, sich aus der Kommunikation herauszuziehen.
Aber wir werden uns immer wieder darüber Rechenschaft ablegen
müssen, warum wir reden und in welchem Geist wir uns vermitteln.

Wir können die Kraft des Ego nutzen, indem wir jede Situation, in der
wir einem Menschen begegnen, der Smalltalk ausübt, uns an die Gött-
liche Quelle erinnert. Und einfach, indem wir uns selber an Gott erin-
nern, indem wir ihn dann hören, fühlen und sehen, holen wir ihn in
unsere Kommunikation. Wir üben uns in Vergebung – uns selbst ge-
genüber und auch gegenüber dem Bruder und der Schwester.

207
Lektion 23
Lebendige Ekstase
Sexuelle Ekstase

Sexualität ist leider oft sehr stark mit Ego-Funktionen verknüpft, gera-
de weil wir viele Hoffnungen und viel Leid damit verbinden. Für jede
sexuelle Begegnung ist jedoch die Ego-Fixierung eine Belastung, wenn
wir, anstatt unserem Partner zu begegnen, einem inneren Monolog fol-
gen, eigenen Gedanken nachhängen, auch wenn sie noch so lustvoll
sein sollten. Oft sind diese Gedanken jedoch außerdem banal und stö-
ren die direkte Begegnung. Wir können uns dabei beobachten und regi-
strieren, daß wir immer wieder innerlich ausweichen und dadurch der
echten Hingabe an die physische Erregung, also der ekstatischen Er-
fahrung, entgehen.
Indem wir den diskursiven Gedanken folgen, zwingt uns das Ego, uns
als handelnden, aktiven, bewußt agierenden Menschen zu begreifen.
Wir haben gelernt, unsere Angst dadurch zu eliminieren, indem wir
aktiv werden. Daher handeln wir nach Plan und mit Überlegung, was
jedoch in der sexuellen Begegnung stört, weil es die Hingabe unmög-
lich macht. (Auch das planvolle Nicht-aktiv-Sein ist keine Hingabe,
sondern Angst.)
Wenn wir die Erfahrung sexueller Frustration oft oder schmerzhaft er-
lebt haben, werden wir um so mehr versuchen, der Angst zuvorzu-
kommen und schon im Vorfeld aktiv werden, bevor überhaupt irgend-
eine Unsicherheit oder Irritation auftritt. Das ist ein Teufelskreis, da
die physische sexuelle Erregung nur über die Hingabe befriedigend aus-
gelebt werden kann, nicht über die Kontrolle. Das Ergebnis einer sol-
chen kontrollierten Sexualität ist das übliche abreagierende Gebumse,
bei dem ein fader Nachgeschmack und Einsamkeit bleibt.
Indem wir in der sexuellen Begegnung bewußt zum Mittel der Energie-
wahrnehmung greifen, indem wir das innere Rauschen hören und un-
ser Abschweifen in Gedanken registrieren, können wir uns darüber klar
werden, ob wir überhaupt bereit sind, angstfreie Sexualität zu erleben.
Wir fangen dabei vielleicht erst an zu begreifen, wie sehr wir uns ange-
wöhnt haben, in eigenen Gedankenwelten zu sein, anstatt unserer Part-
nerin oder unserem Partner direkt physisch und emotionell zu begeg-
nen.

208
Übung:
Machen wir nicht den Fehler nun zu glauben, wir müßten während der
sexuellen Begegnung meditieren. Wir können aber die Methoden der
Lebendigen Meditation auch in der liebenden Vereinigung nutzen, in-
dem wir immer wieder von unseren Gedanken Abstand nehmen, unse-
re eigene Erregung und die unseres Partner spüren und einfach auf-
merksam bleiben, was in unserem Geist und in unserem Körper ge-
schieht. Sobald wir uns der Tatsache bewußt werden, daßwir in diskur-
sives Denken gefallen sind – die Erfahrung der Erregung ist, ähnlich
wie die Wahrnehmung des Rauschens, deutlich gedämpft, sobald wir in
diskursives Denken fallen – hören wir auf die Göttliche Quelle. Es ist
also möglich, die Göttliche Quelle zu hören und die sexuelle Erregung
als Objekt der Hingabe zu benutzen.

Ergebnis:
Sobald wir diesen Schritt bewußt getan haben, werden wir feststellen,
daß wir unser Ego, unsere Kontrollinstanz, nicht benötigen, um aktiv
oder um passiv zu sein. Die Bewegungen folgen der Erregung. Alles
am Körper ist in der Lage, diese Erregung aufzunehmen und wiederzu-
geben. Aber die Erregung wird vom Körper nur gespiegelt, er ist unser
Kommunikationsorgan. Wir erleben Erregung im Geist, denn nur un-
ser Geist kann Gefühl erleben und Emotion geben.
Diese Erfahrung ist reine, erfahrbare Freude. Die Sexualität, die sich
nur im Genitalbereich und den sogenannten erogenen Zonen abspielt,
verliert ihre zwingende Bedeutung. Wenn die Erregung uns letztlich
zur Auflösung im Orgasmus führt, zentriert sie sich schließlich in den
Sexualorganen, aber sie bleibt vibrierend im gesamten Wesen erlebbar.
Diese Art der Sexualität ist nur in der Liebe erlebbar, denn die Begeg-
nung basiert auf Kontakt, auf Hingabe, die nicht auf den Körper be-
schränkt ist, sondern die seelische Begegnung einschließt.

209
Lektion 24
Lebendige Ekstase
Tantrische Sexualität

Über den Engel-Energie-Akkumulator und die Lebendige Ekstase habe


ich eine Form tantrischer Sexualität gefunden, die ich bisher nur aus
den Beschreibungen buddhistischer Yogis kenne, die sich in Askese und
jahrelange Klausuren zurückgezogen hatten.

Voraussetzungen:
Das plasmastische Strömen kann sehr intensiv werden und wie das Rau-
schen oder das Glitzern der Energie als Objekt der Lebendigen Medi-
tation dienen. Voraussetzung dafür ist, daß das plasmatische Strömen
sehr stabil und gleichmäßig erfahren wird. Wenn wir die tantrischen
Übungen mit unserem Partner praktizieren wollen, sollte jeder für sich
alleine die Erfahrung bereits stabil kennen.

Übung:
Wir meditieren auf das plasmatische Strömen mit der Methode, die uns
am besten gefällt. Nachdem wir das Strömen zunächst im Körper wie
kühle, fallende Schneeflocken erfahren, steigt es nach und nach auf,
wird intensiver und dehnt sich auch auf den Bereich um den Körper
herum aus. Diese Erfahrung ist sehr eindringlich und füllt unsere Er-
fahrung absolut aus. Es ist keine Einbildung oder Suggestion, sondern
hat eine eigene Dynamik, die, wenn sie abflacht, durch den Atem, durch
Gedanken (»Ich fühle die Göttliche Quelle strömen« oder nur »strö-
men«) wieder angefacht werden kann wie ein kaltes Feuer, in das wir
hineinblasen.
Nun können wir die aufsteigende Energie bewußt durch unser Genital
leiten. (Männer erleben dies eher aktiv, d.h. die Energie strömt durch
den Körper und aus dem Genital hinaus, Frauen eher umgekeht, d.h.
die Energie strömt durch das Genital in den Körper ein.)
Eventuell ist es hilfreich, durch sanftes Streicheln eine Grunderregung
herzustellen, ohne dabei jedoch das intensive plasmatische Strömen ab-
zubrechen, d.h., ohne in das diskursive Denken zu fallen.

210
Ergebnis:
Ist die Grunderregung vorhanden, folgt das plasmatische Strömen der
genitalen Erregung und kann sich dort zentrieren und den Körper mit
sexueller Erregung überschwemmen. Alles weitere folgt selbstregulie-
rend aus dieser Grundsituation. Der Geist kann der Erregung und dem
Strömen folgen, und wir erfahren uns darin. Wir sind also nicht ein
Ego, d.h. ein Körper, der ein Genital »hat«, sondern wir sind das plasma-
tische Strömen, wir sind die Erregung und wir sind das pulsierende
Genital.
Ist diese Phase erreicht, kann alles Mögliche geschehen.

— Das plasmatische Strömen kann – einem Orgasmus ähnlich,


jedoch ohne physische Entladung – einer riesigen Fontäne gleich
in den Kosmos hinein explodieren.

— Es ist möglich, daß eine Lichtgöttin, eine Dakini – ein Engel –


erscheint und sich mit uns in himmlischer Lust vereinigt. Darum
müssen wir jedoch definitiv bitten.

— Es kann sein, daß wir in diese Ekstase scheinbar grenzenlos


hineinsinken und Stunden der Verzückung erleben.

— Es kann sein, daß uns die Erregung zur Selbstbefriedigung führt,


und wir erleben, daß diese rein physisch-seelische Erfahrung
nichts anderes ist als reine Lust, die um so befriedigender erlebt
werden kann, wenn nicht das Ego mit seinen zwanghaften Phanta-
sien, mit Moral oder Angst dazwischenfunkt.

— Es kann auch sein, daß wir einen Partner/eine Partnerin haben,


der/die wie wir selber diese Erfahrung für sich erleben kann und
mit dem/der wir uns innerhalb dieser Erfahrung vereinigen
können.

211
212
Sechster Teil

Gnosis

Spirituelle Erkenntnis und


Gotteserfahrung durch
Lebendige Meditation und
Lebendige Ekstase

213
Die Funktionen des Geistes

W er bin ich? Das ist die Frage, die sich jeder Mensch ständig stellt
und durch seine Aktivität ständig beantwortet. Wir legen Zeug-
nis ab durch das, was wir tun, und nicht darüber, daß wir Glaubensbe-
kenntnisse herbeten. Jeder Mensch hat eine Vorstellung davon, was der
Geist ist, wie er aufgebaut ist und wie er funktioniert und bezeugt dies
durch sein Handeln. Und indem wir das tun, lehren wir uns selber und
die Welt, so zu sein, wie wir uns den Geist vorstellen. Wir können nicht
anders.
Um zu verstehen, wozu der Geist fähig ist, halten wir uns vor Augen,
was wir als Realität akzeptieren. Wir sehen und fühlen unseren Körper,
andere Körper, Dinge um uns herum und sind unumstößlich überzeugt,
daß das alles real ist und nach bestimmten »Gesetzen« funktioniert.
Dann gehen wir schlafen und träumen. Es erscheint eine andere Welt,
auch hier gibt es Wesen und Dinge, und diese stehen miteinander über
völlig andere »Gesetze« in Verbindung. Dann erwachen wir, und ob-
wohl wir eine gewisse Erinnerung an die Welt des Traumes haben, in
dem noch vor wenigen Sekunden eine völlig andere Realität existierte,
legen wir die gesamte Welt a,b von der wir eben noch überzeugt waren,
und gehen zurück in unsere »Realität«. Wir wissen, daß es unser Geist
war, der diese andere Realität geschaffen hat. Doch nun entsteht »die
echte« Realität. Unsere Naivität, mit der wir diese Welt für real halten,
obwohl wir selber Tag für Tag und Nacht für Nacht eine völlig über-
zeugende Erfahrung machen, daß es auch anders sein könnte, ist atem-
beraubend.
Was ist der Geist? Im Traum – darüber gibt es keinerlei Unverständnis
– existieren alle Aspekte der Realität als Projektion des Geistes. Warum
sollte dies nicht mit unserer Realität ebenso sein? Dies zu erkennen ist
das Thema dieses Buches und Inhalt der Lebendigen Meditation.
Es fällt uns Menschen offensichtlich schwer, den Illusionscharakter der
Welt zu erkennen, es fällt uns schwer, diesen Gedanken nicht nur als
intellektuelle Spielerei zu akzeptieren, sondern als Wirklichkeit.
Um die offensichtliche Fehlinterpretation unserer Wahrnehmungen von

214
Realität zu »beweisen«, stellen wir Gesetze auf. So messen wir z.B. die
Hirnströme während des Schlafes und stellen erhöhte elektrische Ak-
tivität während der Traumphasen fest. Also findet der Traum »im Ge-
hirn« statt. Und um die Inhalte dieser Träume zu verstehen, formulie-
ren wir über die Psychoanalyse Gesetze, die besagen, daß wir die Träu-
me brauchen, um unbewältigte Konflikte zu bearbeiten. Doch all diese
Gesetze beweisen nichts weiter als die Annahme, daß unser Körper
und die Welt, in der sich dieser Körper bewegt, real ist und daß der
Geist lediglich eine Funktion des Körpers ist. Sie gehen an keiner Stelle
darauf ein, was ihre hauptsächliche Botschaft ist: Wir sind als Men-
schen in der Lage, eine komplette Realität zu projizieren, an die wir
vorbehaltlos glauben. Das ist eine enorme Leistung. Warum rühmt sich
der Mensch nicht dieser Leistung, da er ja doch in anderen Dingen so
sehr darauf erpicht ist, seine Überlegenheit, seine Einzigartigkeit und
Größe zu betonen?
Reich schreibt im Christusmord: Es stellt sich heraus, daß das Problem
nicht die Falle ist und noch nicht einmal die Schwierigkeit, den Ausgang
zu finden. Das Problem liegt bei denen, die in der Falle sitzen.
Es gibt etwas in uns, das diese Erkenntnis fürchtet, und verhindern
will, daß wir die Funktionen des Geistes untersuchen und erkennen.
Offensichtlich beginnt das Mißverständnis mit der Identifikation mit
der Materie, mit dem Körper. In der Schöpfungsgeschichte wird dieser
Umstand beschrieben, indem dort ausgesagt wird, daß Adam und Eva,
nachdem sie die Frucht vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten,
erkannten, daß sie nackt waren und sich dafür schämten und ihre Blö-
ße bedeckten. Es ist an dieser Stelle klar, daß nur der sich schämen
kann, der sich mit dem Körper identifiziert, d.h., die Identifikation mit
der Materie führt automatisch zur Schuld. Die erste Illusion der Iden-
tifikation mit der Materie ist die funktionelle Ursache für die Illusion
von Schuld.
Wir selber sind es, die unseren Geist auf die Ebene des Materiellen be-
schränken und damit die Funktionen von Geist und Körper vertau-
schen. Adolf Hitler hat einmal gesagt: Je größer die Lüge ist, desto leich-
ter wird sie geglaubt. Das gilt auch für die Lebenslüge.
Die fehlgeleitete Identifikation unseres Geistes hat enorme Folgen, denn
alle Bezüge, die wir aufstellen, alles, was wir glauben, wird durch diese
eine Fehlfunktion erklärbar. Indem wir der materiellen Welt, die wir pro-
jizieren, den Stempel »wirklich« aufdrücken, sind wir gezwungen der wirk-
lichen Welt, der des Geistes, den Stempel »unwirklich« zu geben.
Innerhalb dieses Systems, das die Materie als Ursache jeder Existenz
annimmt, kann es keine Beweise geben für die Lüge, denn wir werden

215
ständig an die Realität unserer Projektion erinnert und nichts scheint
uns an unsere wirkliche Existenz zu erinnern. Ich schaue auf den
Computerbildschirm, haue auf die Tasten, und die Worte erscheinen.
Alles ist scheinbar real, alles funktioniert nach wohlgeordneten Gesetz-
mäßigkeiten. Ist es nicht verrückt anzunehmen, daß ich mich in einer
Illusion, einer projizierten Traumwelt befinde? Und wenn das alles nicht
real ist, wenn ich irgendwo bin und dies alles »träume«, wo bin ich dann
wirklich?

Warum sollten wir diese Fragen nicht untersuchen? Wer sich auf den
Ausgang zubewegt oder wer auf ihn zeigt, wird für verrückt erklärt oder
man nennt ihn einen Verbrecher oder einen Sünder, der in der Hölle bra-
ten sollte. (Wilhelm Reich, Christusmord)

Unsere Denksysteme, die auf der Annahme beruhen, daß wir ein Kör-
per sind, der einen Geist »hat«, sind offenbar ungeeignet für eine sol-
che Untersuchung. Wir bewegen uns im Kreis. Auch der Versuch, die
Realität des Geistes aus den religiösen Überlieferungen heraus zu er-
fassen, die auf den verschiedensten Erkenntnisebenen in allen Kultu-
ren und allen Zeiten existiert haben, funktioniert nur, wenn wir uns
ausschließlich innerhalb des gegebenen Systems bewegen. Das ist gut
so und führt zu demselben Ziel der Erkenntnis von Wirklichkeit, wenn
wir es ernst nehmen und danach handeln. Aber was ist mit der Er-
kenntnisebene, die wir in unserer westlichen Kultur entwickelt haben,
das wissenschaftliche, rationale, funktionalistische Denken? Es ist die
mächtigste Methode, die Wirklichkeit zu begreifen, die diese Welt bis-
her hervorgebracht hat.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nähern wir uns ei-
nem Punkt, an dem alle Menschen dieser Erde sich auf eine gemeinsa-
me Ebene von Realität beziehen. Sie ist primitiv, technisch und hat alle
Attribute des zerstörerischen Ego. Aber sie ist das Ergebnis der west-
lich-abendländischen Kultur – eine gemeinsame Plattform, über die alle
Menschen der Erde kommunizieren können. Egal, ob es gut ist oder
nicht, es ist die Realität der Menschen.
Ich möchte behaupten, daß sich in diesem rationalen Denken ebenso
der Kern der Wirklichkeit des Geistes entdecken und umsetzen läßt
wie in den großen Weltreligionen z.B. dem Christentum und dem Bud-
dhismus. Das Problem ist immer dasselbe, nur haben die Menschen
unserer Kultur ein eigenes Verständnis von Realität entwickelt, auf dem
wir die geistige Erkenntnis immer wieder neu aufbauen müssen. Dazu

216
ist es nicht nötig, die geistigen Errungenschaften anderer Zeiten und
anderer Kulturen fortzuwerfen, aber es ist nötig, sie so auszudrücken,
daß die Menschen, die hier und heute leben, sie verstehen. Wir müssen
die Wahrheit verstehen, um sie umsetzen zu können.
Der einzige Ausweg, der uns bleibt, ist die reale Erfahrung. Unser Geist
ist neugierig, verspielt und darauf programmiert, Neues zu erlernen. Er
ist gutmütig, denn sonst würde er sich kaum seiner Wirklichkeit berau-
ben und auf eine sehr enge Sichtweise der Welt beschränken lassen.
Es ist daher nur möglich, Antworten zu finden, wenn wir uns auf eine
neue Ebene der Erfahrung einlassen, die uns andere, bisher nicht reale
Aspekte der Wirklichkeit zeigen, und wenn wir uns erlauben, die Welt
aus diesen neuen Erfahrungen heraus neu zu interpretieren. Indem wir
unserem Geist zeigen, daß er bestimmte Erfahrungen ignoriert hat, die
ihm ohne weiteres zugänglich sind, geben wir ihm ganz konkrete Be-
zugspunkte für diese neue Betrachtung.

Liebe ist Kontakt

Es gibt wohl kaum einen Begriff, der von den verschiedenen geistigen,
religiösen und philosophischen Richtungen so kontrovers, vielschich-
tig und mißverständlich umgesetzt worden wäre wie der Begriff der
Liebe. Der Begriff der Liebe läßt sich gleichsetzen mit den positivsten
Inhalten, die zu erfassen wir fähig sind, er bezieht sich auf die banalsten
materiellen Bedürfnisse ebenso wie auf Gott, auf die intensivsten Ge-
fühle und Emotionen, auf Sexualität und das Verhältnis zwischen El-
tern und Kindern.
Ein zentraler Begriff in Wilhelm Reichs wissenschaftlichem Werk ist
der des Kontakts. Ziel seiner körperpsychiatrischen Arbeit ist es, dem
Menschen zu ermöglichen, mit seinem biologischen Kern in Kontakt
zu kommen. Er spricht in diesem Zusammenhang vom »Drei-Schich-
ten-Modell«: Die erste Schicht ist der Kern, das Animalische, ursprüng-
lich Liebevolle, Wesenhafte im Menschen, das durch frühkindliche
Traumatisierungen, d.h. Entzug von Liebe und Verhinderung von Wut,
blockiert wird. So entsteht die zweite Schicht um den Kern herum, in
der destruktive, aggressive und autoaggressive, sekundäre Trieb-
verzerrungen herrschen. Da eine Kultur mit derartigen menschlichen
Verhaltensweisen nicht umgehen kann und sie sozial steuern muß, wird
um diese zerstörerische Schicht eine dritte Schicht gelegt, die anerzo-
gene Moral, das distanzierte, höfliche Verhalten, Sittsamkeit und An-
gepaßtheit.

217
Auf dieser dritten, oberflächlichen Schicht finden im allgemeinen un-
sere sozialen Kontakte statt. Doch emotionell sind diese Kontakte un-
befriedigend, und Menschen streben danach, den tiefen, ursprüngli-
chen Kontakt zum eigenen Kern und zum Wesenkern der Menschen in
der engsten Umgebung zurückzufinden. Um jedoch diesen Kern zu
erreichen, müssen die Menschen durch die zweite Schicht der Destruk-
tion – und bleiben im allgemeinen darin stecken. Das ist das Thema der
großen menschlichen Dramen, der Filme, der sehnsüchtigen Lieder und
Balladen.
In den therapeutischen Modellen, die Reich aus der Psychoanalyse her-
aus erarbeitete, zeigt er auf, daß die Strukturen der zweiten Schicht, die
er als »neurotisch« bezeichnet – und hier weicht die Reichsche Begriffs-
bestimmung von der psychoanalytischen ab – sich parallel auf der gei-
stigen, emotionell-gefühlsmäßigen und körperlichen Ebene verfestigt
haben. Mit anderen Worten: Der bloße Wille, die neurotischen Stre-
bungen zu besiegen, reicht nicht aus. Da die Neurose sich in muskulä-
ren Spasmen, dem »Muskelpanzer«, körperlich ausdrückt, muß, um eine
tiefgreifende Änderung der neurotischen Struktur zu erreichen, körper-
therapeutisch eingegriffen werden. In diesem groben Abriß steckt der
theoretische Hintergrund aller körperpsychotherapeutischen Modelle,
die sich auf das wisenschaftliche Werk Wilhelm Reichs berufen.
Die Kontaktlosigkeit der dritten Schicht ist keine Theorie. Sie ist im
täglichen Leben sehr konkret nachvollziehbar. Sie drückt sich aus durch
unverbindlichen Smalltalk von Nachbar zu Nachbar oder auf Partys,
wir erleben sie, wenn Menschen uns etwas sie Bewegendes erzählen
wollen, uns aber dabei nicht in die Augen sehen können, sie ist die be-
langlose Frage »Hallo, wie geht´s?«, auf die keine Antwort erwartet
wird, und die bedrückende Situation im Wartezimmer des Arztes, im
Fahrstuhl oder in der Bahn, wenn wir mit anderen Menschen in unan-
genehmem Schweigen zusammen sind oder Belanglosigkeiten austau-
schen.
Diese Situationen sind normal und erträglich, und es steht in unserer
Macht – wenn wir dazu emotionell in der Lage sind –, sie durch ein
frisches Gespräch, Herzlichkeit oder durch ein hinzukommendes Kind
zu überwinden, das sich einfach noch nicht diesen Regeln der dritten
Schicht unterworfen hat.
Weitaus schwieriger gestaltet sich Kontaktlosigkeit zwischen Menschen,
die in Partnerschaften, in der Familie oder im Beruf darauf angewiesen
sind, miteinander umzugehen. Und hier findet das eigentliche Drama
statt. Die Umgangsformen der dritten Schicht eignen sich nicht für die

218
Bewältigung der emotionellen Bedürfnisse, die sich in diesen »beson-
deren Beziehungen« ergeben. Die Kontaktlosigkeit der Menschen zu
ihrem eigenen Kern wird hier deutlich, da sie sich selbst in Handlungen
und Situationen wiederfinden, die mehr oder minder zwanghaft ablau-
fen, in keiner Weise den wirklichen Bedürfnissen nach Liebe (=Kon-
takt) entsprechen und die immer tiefer in die Destruktivität hineinfüh-
ren. Gewaltausbrüche, Trennungen, unerfüllte Sehnsüchte sind die Fol-
ge. Die Menschen spüren meist, »daß mit mir etwas nicht stimmt«,
haben aber keinerlei konkrete Anhaltspunkte, wie sie sich verändern
können. Sie stürzen sich dann von einer Beziehung in die nächste, ver-
suchen Therapien oder Selbsterfahrungsgruppen, aber im Grunde ge-
nommen wissen sie nicht, was sie tun sollen.
Ich möchte jetzt hier nicht das Mißverständnis aufkommen lassen, daß
dieses Buch einen gangbaren Weg aus dieser Situation zeigen kann. Ich
bin mir wie Reich zu Lebzeiten der Tatsache bewußt, daß das emotio-
nelle Elend viel zu weit verbreitet ist, als daß es eine einfache Antwort
geben könnte. Ich weiß auch nicht, ob oder inwieweit körperthera-
peutische Maßnahmen im Einzelfall hilfreich sein können. Ich möchte
mich nicht als »orgonomischer Hausierer« betätigen, der vorgibt, mit
seinen Produkten eine Antwort, eine Lösung des großen menschlichen
Elends anzubieten.
Das Bedürfnis nach Liebe ist also letztlich nichts anderes als die Sehn-
sucht nach Kontakt mit dem eigenen Kern, mit den eigenen tiefen Ge-
fühlen und Emotionen, mit unserer eigenen Lebendigkeit. Wilhelm
Reich hat ein wunderbares Buch über die Funktionen des Lebendigen
geschrieben, wie es sich anfühlt, ein Mensch zu sein, der sich den Zu-
gang zu seinem Kern bewahrt oder wieder erarbeitet hat, und welche
tiefen Probleme sich ergeben zwischen dem ungepanzerten Leben und
seiner neurotischen Umwelt, die nicht ertragen kann, daß es Menschen
gibt, die sich außerhalb der Zwangsjacke bewegen. Christusmord ist
die Beschreibung, mit welchen Methoden die Menschen mit aller Macht
verhindern wollen, daß es das ungepanzerte Leben gibt. Er sah Chri-
stus als das Modell, als lebenden Beweis dafür, daß ein Mensch es ge-
wagt hat, kompromißlos diesen Kern zu leben, und er sieht den Mord
an Christus als die tägliche Verstümmelung, die wir unseren Kindern
antun.
Reich sah in Christus nicht den existierenden Sohn Gottes, der als We-
sen »zur Rechten Gottes« sitzt. Hier sah Reich nichts anderes als die
religiöse Mystifikation des Lebendigen. Aber er sah in Christus das
Wesenhafte, das in uns Menschen die tiefste, göttliche Ebene verkör-

219
pert, und so korrespondiert der Christusbegriff Reichs in überraschen-
der Weise mit dem Christus, der im Kurs in Wundern dargestellt wird,
als der Gottessohn, der jeder einzelne Mensch in seinem tiefsten Wesens-
kern tatsächlich ist. Ich möchte hier keine vergleichende Literatur-
untersuchung anstellen, aber ich rate jedem, der den Kurs in Wundern
gelesen hat, sich unter diesem Aspekt auch dem Christusmord zu nä-
hern und umgekehrt.
Bioenergetischer Kontakt ist für Reich die zutreffende Formulierung,
die ausdrückt, daß Menschen dann glücklich und mit sich selbst im
reinen sind, wenn sie ihren eigenen Kern leben und darüber zum Kern
des anderen Menschen Kontakt aufnehmen können. Diese Ebene des
Kontakts nennt Reich »Wahrheit«, die kein ethisches oder moralisches
Ideal darstellt, sondern eine konkrete Ebene von lebendiger Erfahrung.
Auch das kennen alle Menschen, sowohl von sich selber wie auch bei
anderen Menschen, denen wir begegnen. Wenn wir auf jemanden tref-
fen, der mit seinem Kern in Kontakt ist und seine Wahrheit selbstver-
ständlich lebt, fühlen wir uns hingezogen, saugen die Frische und Le-
bendigkeit, die aus diesem Kontakt stammt, wie ein trockener Schwamm
auf. Sowohl die Aktivität dieses Menschen, der sich in seiner Natür-
lichkeit äußert, als auch die Gefühle von Hingezogensein nennen wir
»Liebe«. Doch wie groß sind die Unterschiede dieser beiden Formen
von Liebe, die nur daraus lebt, daß ein Mensch in der Lage ist, diesen
Kontakt herzustellen. Hier wird deutlich, daß der Kontakt aus dem
Kern heraus immer zweiseitig erfahren wird und all die Fähigkeiten
beider an diesem Prozeß beteiligten Menschen aktiviert, die bioener-
getische Wahrheit zu leben. Deshalb sind viele Menschen geradezu süch-
tig danach, sich zu verlieben, denn in der frischen, von der gegenseiti-
gen Kenntnis der Neurosen unbelasteten Beziehung tritt ebenfalls der
Kern in Erscheinung, und Menschen sind für eine kurze Zeit in der
Lage, sich in der Euphorie einer Kontaktebene zu sonnen, zu der sie
unter normalen Bedingungen nicht in der Lage sind. Und deshalb bre-
chen die meisten Beziehungen, die auf Verliebtheit beruhen, nach kur-
zer Zeit zusammen, wenn die Ebene des tiefen Kontakts wieder abge-
löst wird von der Normalität der zweiseitig vorhandenen Neurose. Auch
Drogen wie Ecstasy oder Kokain und in gewissem Maße auch Alkohol
und Cannabis können kurzzeitig die bioenergetische Kontaktebene
herstellen – und das macht die Menschen letztlich süchtig. Menschen
sind süchtig nach Leben, nicht nach Drogen.
In der Wahrheit der Erfahrung liegt die Qualität dessen, was wir als
Kontakt erleben. Wenn der tiefe Kontakt zwischen Verliebten zerbricht,

220
zerbricht vor allem die darin empfundene Wahrheit, die einfach nicht
mehr erfahren werden kann und dadurch zur Lüge wird.
Um die Realität des Kontakts, der bisher bioenergetisch beschrieben
wurde, auf eine geistige Ebene von Wahrheit zu beziehen, müssen wir
real erfahren, daß wir in der Lage sind, durch Meditation mit dem gei-
stigen Ursprung in Verbindung zu treten, aus dem heraus wir existie-
ren, dem geistigen Kern.
In der Lebendigen Meditation gehen wir an einen geistigen Ort, der
jenseits von Form ist. Wir beziehen uns auf ein energetisches Objekt,
das keinerlei Bedeutung hat, weil es in unserer Vorstellung der Welt
nicht verwendet wird. Wir können diesem Objekt die Bedeutung »Gott«
geben, denn Gott ist letztlich alles. Aber das energetische Objekt hat
keine andere Bedeutung, und daher ist es nur Gott, nichts anderes. Wir
beziehen uns auf dieses Objekt, z.B. das innere Rauschen, indem wir
uns selber sagen: »Ich höre die Göttliche Quelle« und gehen in dieses
Rauschen hinein, so weit, daß alleine diese einzige Wahrnehmung üb-
rigbleibt. So kommen wir in Kontakt mit Gott, und so geben wir Gott
die Gelegenheit, mit uns in Kontakt zu treten. Er hat diesen Kontakt
zwar immer, aber davon wissen wir im allgemeinen nichts, weil wir da-
von keine Wahrnehmung haben. Erst unsere bewußte Hinwendung
öffnet diesen Kontakt nach beiden Seiten hin.
Letztlich können wir auch nicht mehr tun, denn unser Handeln ist im-
mer vermischt mit den Motiven des Ego. Vor allem können wir uns
nicht selber in eine Situation bringen, die Gott angemessen wäre. Wäre
dem so, bräuchten wir mit Sicherheit nicht mehr geistig an uns zu ar-
beiten, wir wären erleuchtet. Es ist der Ego-Geist, der uns sagt: »Ich
muß erst das und das tun, um rein und würdig genug zu sein, Gott zu
begegnen.« Das ist die Lüge des Ego, das uns sagt: »Träume von der
Freiheit, aber sei auf keinen Fall frei!«
Wahrscheinlich wird durch die Lebendige Meditation nur selten sofort
die gesamte Erkenntnis der Wahrheit Gottes durchbrechen. Eher wird
es so sein, daß wir für kurze Augenblicke die Bereitschaft aufbringen,
tatsächlich den Kontakt mit Gott zuzulassen. Immer wieder stellen sich
Gedanken, Gefühle und bedeutungsvolle Wahrnehmungen ein, d.h. wir
begrenzen diesen Kontakt von uns aus.
Aber selbst diese kurzen Momente reichen aus, eine neue Realität zu
schaffen, in der wir Gott als lebendige Dimension erkennen und in der
wir ihm Gegelenheit geben, über den Heiligen Geist mit uns Kontakt
zu halten. Nichts anderes ist nötig außer der Erinnerung daran, daß wir
diesen Kontakt haben und ein immerwährender Bezug darauf, indem

221
wir immer wieder in die energetische Wahrnehmung mit dem Bewußt-
sein hineingehen: »Ich höre die Göttliche Quelle.« »Gott ist das Licht,
in dem ich sehe.« »Gott ist das Leben, das ich fühle.« Unsere eigene
Aktivität besteht in der Bereitschaft, an den inneren Ort zu gehen, an
dem Gott uns erreichen kann.
Die Liebe ist Gottes Aktivität, seine Kontaktebene, unsere Liebe drücken
wir durch die Bereitschaft aus, ihm zu begegnen, auf den Kontakt einzu-
gehen.
Wenn wir auch nichts dazu tun können, des Kontakts mit Gott würdig
zu werden, da wir dies bereits sind, können wir jedoch einiges daran
tun, die Aktivitäten des Ego zu kontrollieren. Denn während Gott nie
drängt, nie versucht, uns zu überrumpeln, sondern immer auf unsere
Bereitschaft wartet, verhält sich das Ego genau gegensätzlich. Es wen-
det die verschiedensten Strategien an, unsere Bereitschaft zu verhin-
dern. Hier müssen wir handeln, denn dies ist der Bereich unseres freien
Willens, in den Gott nicht eingreift. Es ist unser eigener Wille, unsere
eigene Anstrengung, das Ego zu besiegen. Diesen Kampf kann Gott
nicht für uns führen. Unser Geist ist bereit, sich zu identifizieren, und
er war bisher das uneingeschränkte Machtgebiet des Ego, das allerdings
angreift, denn wir sind angetreten, seine Illusionswelt zu zerstören. Und
daher werden wir das Ego, seine Funktionen und Strategien untersu-
chen müssen.

Die Funktionen des Ego

Im Grunde genommen sollte das Ego in seinen Funktionen uns allen


bestens bekannt sein, denn es ist die vorherrschende Identifikations-
ebene des menschlichen Geistes. Dennoch liegt ein Schleier des Nicht-
wissens, eine Art »Erkenntnissperre« über dem Ego. Obwohl wir uns
so offensichtlich mit dem Ego identifizieren, soll uns dies unbewußt
bleiben. Wir sollen glauben, dies sei der natürliche, nicht hinterfrag-
bare Zustand des Menschen, über den es nichts zu erfahren gibt. Das
klingt so, als sei da eine bewußte Verschwörung im Gange oder als hät-
te eine übermächtige Intelligenz Gewalt über unseren Geist. Das wird
auch tatsächlich oft so dargestellt, z.B. wenn Buddha unter dem
Bodhibaum von Mara verführt und angegriffen wird oder Christus in
der Wüste vom »Herrn der Welt« versucht wird. Ich vermag nicht zu
sagen, ob diese Macht auch als Person in Erscheinung treten kann oder
ob das eher eine metaphorische Darstellung ist. Tatsächlich scheint das
Ego eine eigene Intelligenz zu haben, sobald wir uns seiner Existenz

222
bewußt werden, und sich zu verhalten wie ein sehr eigenständiges We-
sen, das unbeschränkte Macht zu haben scheint.
Nichts ist schwieriger, als die Illusion als unwahr zu erkennen, solange
die Illusion besteht, auch wenn sie noch so offensichtlich ist. Das Ego
erscheint wie ein dreidimensionaler Film, in dem wir selber eine Rolle
spielen. Wenn wir einen Film im Kino ansehen, kann es uns geschehen,
daß wir in dessen Realität hineingezogen werden, daß wir uns mit dem
Helden identifizieren und hinterher in unserem eigenen Geist ausse-
hen wie Gregory Peck, Audrey Hepburn oder Richard Gere. Auch wenn
wir wissen, daß ein Regsisseur, Kameraleute, Tontechniker, Cutter, eine
Produktionsfirma und Werbeagenturen im Hintergrund dieses Ereig-
nisses stehen, leiden und freuen wir selber aktiv mit den dargestellten
Personen und geben unsere Identifikation hinein. Wer empfindet nichts
bei dem Satz: »Ich schau dir in die Augen, Kleines.«
Unser Geist ist in der Lage, sich zu identifizieren, sich hinzugeben an
das Offensichtliche. Die »Realität«, an die wir so leidenschaftlich glau-
ben, besitzt nicht mehr Wirklichkeit als ein produzierter Film. Es ge-
schieht oft in meinen Seminaren, daß Menschen tiefe und glückvolle
Erfahrungen im übersinnlichen Bereich machen und voller Zweifel sa-
gen: »Ich weiß nicht, ob ich mir das alles nur einbilde.«
Das Ego behauptet, seine Wahrnehmung sei die einzig mögliche Reali-
tät, alles andere sei »Einbildung«. Ich kann dann nur antworten: »Un-
sere Realität ist die Einbildung. Die geistigen Erfahrungen sind die Wirk-
lichkeit.« Die gesamte Existenz ist nichts anderes als die Fähigkeit des
Geistes, zu leuchten und Struktur auszubilden. Nur wissen wir meist
nicht, daß wir uns unsere Welt als Illusion schaffen und daß der mate-
rielle Anteil der Illusion eine eigene Dynamik bekommen hat, so daß
er wirklicher erscheint als seine geistige Ursache. Es scheint ein tragi-
scher Sinn darin zu liegen, daß die Menschen sich mit dem dunklen,
leidvollen, destruktiven Teil des Geistes identifizieren, anstatt die eige-
nen Freiheit dazu zu nutzen, sich mit dem göttlichen Teil zu identifi-
zieren, der vom geistigen Standpunkt aus die Wirklichkeit ist, während
die Identifikation mit der Materie, in der wir leben, nichts anderes ist
als eine zeitweilige Phase des Vergessens, das Absinken in die Materie.
Die Materie ist in unserem Zustand das Offensichtliche, so wie die Film-
Realität, wenn wir uns in ein Kino hineinbegeben. Es ist durchaus mög-
lich, die Materie als neutral zu erfahren, aber nur dann, wenn wir ge-
lernt haben, auch die geistige Welt als Realität zu erfassen. Während
wir Menschen uns für etwas Besonderes halten, für »die Krone der
Schöpfung«, liegt in der menschlichen Existenz nur eine besondere Igno-

223
ranz, solange wir uns mit der Materie identifizieren. Lösen wir diese
Identifikation auf, haben wir tatsächlich etwas erreicht, nämlich die
Verwirklichung der geistigen Welt innerhalb der Materie.
Wenn wir die Lebendige Meditation praktizieren, gehen wir in eine
Wahrnehmungsebene, die es uns erlaubt, die diskursiven Gedanken zu
betrachten, das »geistige Geplapper«, mit dem wir uns ständig selbst
vollquatschen. Obwohl es nicht Sinn der Lebendigen Meditation ist,
diesem diskursiven Gedanken inhaltlich zu folgen, sondern sie einfach
als solche zu erkennen und abzustellen, können wir uns ansehen, wo-
mit wir es zu tun haben.
Zunächst denkt es einfach in uns, doch wenn wir versuchen, dieses au-
tomatische Denken zu kontrollieren, werden wir darauf stoßen, daß
darin eine Zwanghaftigkeit liegt, die wir nicht für möglich gehalten
haben, die wir nie wirklich mitbekommen haben. Wir sind diesem
Gedankenfluß scheinbar machtlos ausgeliefert. Die Frage, die sich mir
aufdrängt, ist: Worin liegt der Sinn für dieses zwanghafte Denken? Was
habe ich, was hat der Geist davon, in dieser Weise vorzugehen?
Die Inhalte der diskursiven Gedanken scheinen beliebig und mannig-
faltig zu sein, so vielseitig wie unsre Welt eben. Doch das ist nicht so.
Wenn wir unser diskursives Denken betrachten und die Inhalte, so gut
es möglich ist, nachvollziehen, werden wir die schmalspurige Banalität
dieser Gedanken bemerken.
Die diskursiven Gedanken kreisen um die Tatsache, daß wir dazu nei-
gen, uns selbst als Körper und die Welt als physisch existent zu begrei-
fen. Sie kreisen um Themen, die wir als emotionell anziehend empfin-
den, die wir geradezu suchthaft aufsuchen. Diskursive Gedanken dre-
hen sich um Vergangenheit und Zukunft, nie um die Gegenwart.
So sind wir in der Lage, im Kopf stundenlange Streitgespräche mit ei-
nem Widersacher zu führen, wir können uns die Situation mit einem
Partner vor Augen führen, in den wir verliebt sind oder waren. Aber ich
kann mich nicht erinnern, jemals die Erlebnisse und Gedanken, die ich
in Mediationen gehabt habe, als Gegenstand diskursiven Denkens ge-
dacht zu haben.
Das diskursive Denken bestätigt die physische Existenz und nimmt
geistig mit anderen Menschen auf einer physischen Ebene Kontakt auf.
Das scheint zunächst unsinnig, denn die Ebene des diskursiven Den-
kens existiert ja tatsächlich nur geistig. Dennoch verhalten wir uns gei-
stig so, als seien andere Menschen – und wir selbst auch – dadurch de-
finiert, daß wir als physische Körper existieren.
Die Aktivität, die wir in diesen Gedanken ausüben, sind Angriffe, die

224
wir regelrecht planen und in allen möglichen Varianten durchspielen.
Natürlich sind wir davon überzeugt, daß wir berechtigt sind, diese An-
griffe zu planen, denn wir glauben, uns selbst ist etwas angetan worden,
d.h., die Verantwortung dafür, daß wir diesen Angriff starten müssen,
trägt in unserer Vorstellung der andere.
Der Begriff des »Angriffs« sollte hier sehr weit gefaßt werden, denn es
geht nicht nur um Vorwürfe, Haßtiraden oder geplante Intrigen und
Wortgefechte. Es geht um alle Gedanken, die den anderen Menschen
darauf festlegen, daß er ein Körper ist, um Gedanken, die den anderen
Menschen entgeistigen. Und so können es auch Gedanken sein, die
uns überhaupt nicht als Angriffsgedanken auffallen – wenn sie uns über-
haupt bewußt werden. Es sind Gedanken, die z.B. von der sexuellen
Attraktivität einer anderen Person handeln, von ihrem Besitz, von ihrer
beruflichen Funktion, und welche die Person auf diese Funktionen fest-
legen. Nicht, was der andere empfindet, wie er sich geistig dazu stellt,
ob er sich darüber freut oder davor fürchtet ist Gegenstand diskursiver
Gedanken, sondern, was er körperlich tut (d.h. getan hat oder tun wird)
oder sagt.
Wir verhalten uns in diesem geistigen Raum des diskursiven Denkens
sozusagen »privat«, d.h., wir leisten uns alle möglichen Gedanken-
spielereien, die wir nur uns selbst gegenüber zu rechtfertigen brauchen
und die wir zügellos in allen Details ausspinnen können. Diese Privatheit
scheint uns zu schützen, und wir meinen, in unserem Geist allein und
unbeobachtet zu sein. Und so agieren wir in diesem geistigen Raum
des diskursiven Denkens, als wären wir anonym. Wir führen anonyme
Kriege, verführen anonym die Frauen, die uns gefallen, erleben anony-
me Pornos, verprügeln anonym unsere Kinder und rächen uns anonym
an unseren Widersachern.
Die Gedanken sind einzig und allein dem untergeordnet, was wir per-
sönlich als Realität anerkennen, und das ist vollständig gesteuert von
unseren Emotionen. Sind wir deprimiert, dann projizieren wir Verlust
und Versagen. Sind wir aggressiv, dann planen wir Rache an unseren Fein-
den und führen innerliche Wortgefechte mit ihnen. Fühlen wir uns als
Opfer, dann erleben wir, was uns alles angetan wurde (und verschieben
die Rache auf später), und sehen wir uns als phallische Sieger, dann pro-
jizieren wir uns als Gewinner und unsere Gegner als neidische Verlierer.
Wenn wir uns unser diskursives Denken bewußt machen, erleben wir,
wer wir tatsächlich sind – und deshalb soll es unbewußt bleiben, denn
hier erschaffen wir das Ego beharrlich neu.
Das Ego umgibt sich gern mit Attributen wie »wirklich«, »mächtig«,

225
»glückbringend« usw. Es verspricht uns Erlösung, wenn wir nur an sei-
ne Realität glauben, und wenn wir es nicht tun, verspricht es uns eben-
so die Verdammnis, Tod und Unglück. Es verhält sich so, wie sich die
Menschen Gott vorstellen: eifersüchtig, mächtig, zornig, strafend und
nach völlig unverständlichen Kriterien über Leben und Tod entschei-
dend. Wer kennt nicht den Ausspruch: »Wie kann Gott nur zulassen,
daß es so viel Leid, Krieg und Elend gibt!« Dahinter steht die Aussage
des Ego, daß es keinen Gott gibt und gleichzeitig die Annahme, Gott
sei der Verantwortliche für alles, was existiert und geschieht.
Aber das ist einfach nicht so. Wir Menschen haben uns von Gott ge-
trennt, indem wir unsere eigene Realität geschaffen haben. Die Schöp-
fungsgeschichte beschreibt diesen Wendepunkt der menschlichen Ge-
schichte: Die Menschen aßen die Früchte vom Baum der Erkenntnis,
da ihnen die Schlange versprochen hatte, daß sie dann so sein werden
wie Gott. Das erste, was ihnen geschah, war, daß sie gewahr wurden,
daß sie nackt waren, und sie bedeckten sich mit Schurzen aus Feigen-
blättern und schämten sich ihrer Nacktheit. Um sich für die Nacktheit
zu schämen, mußten sich die Menschen mit der Materie identifiziert
haben, sie glaubten von diesem Moment an, sie wären der Körper, der
nackt ist.
Seither sind wir so wie Gott, aber leider haben wir nicht seine Fähigkei-
ten. Wir wissen nun, was gut und böse ist, d.h., wir haben die Fähigkeit,
zu entscheiden, aber es ist keineswegs damit gesagt, daß wir richtig
erkennen, was gut und was böse ist, denn wir sind frei, diese Kriterien
anzuwenden, wie wir wollen. Wir glauben nun, die Materie sei real, d.h.,
gut und der Geist ist irreal, d.h. böse. Wir haben das Ego erschaffen
und Gott abgeschafft.
Da wir sind wie Gott, haben wir die Fähigkeit, Schöpfer zu sein. Diese
Fähigkeit haben wir dazu verwendet, eine Realität zu projizieren, die
wir für materiell existent halten, d.h. eine Illusion, der wir die Qualität
von Eigenständigkeit zubilligen. Anders ausgedrückt: Anstatt tatächlich
wie Gott Schöpfer zu sein, spielen wir Schöpfer, indem wir diese Fä-
higkeit in einer Art virtuellen Realität anwenden. Wir begrenzen den
Kosmos auf Briefmarkengröße und nennen ihn »mein Körper« und glau-
ben fortan, daß wir – also unser Geist – in diesem Körper wohnen. Wir
bauen einen Zaun um diesen Briefmarkenkosmos und nennen ihn »die
Welt«.
Vom Standpunkt des Geistes aus betrachtet, ist das, was wir Menschen
tun, der Wahnsinn schlechthin. Wir schaffen eine Realität, die alle mög-
lichen negativen Attribute hat, die voller Leid, Tod und Hölle ist und
vergessen, daß wir deren Schöpfer sind, was konsequenterweise dazu

226
führt, daß wir von unseren Illusions-Schöpfungen geplagt werden. Es
ist ein Horrorfilm, den wir gemacht haben, in dem wir die Opfer spie-
len und vergessen haben, daß das alles eine Scheinrealität ist. Nun sit-
zen wir in der Patsche.
In der Schöpfungsgeschichte ist sich Gott offenbar der Folgen, die die
Erkenntnis für den Menschen hat, sehr bewußt, denn er weist Adam
und Eva aus dem Paradies, damit sie nicht auch vom Baum des ewigen
Lebens essen, und er schützt den Zugang zum Garten Eden mit be-
waffneten Engeln. So sind wir Menschen glücklicherweise in einem
Punkt nicht wie Gott: Wir können sterben, und somit ist die Phase, in
der wir uns mit der Materie identifizieren, auf einen relativ kurzen Zeit-
raum begrenzt. Die Vorstellung, daß es Wesen geben könnte, die wie
wir Menschen in die Illusion des Ego gefallen sind und außerdem ewig
leben, käme wohl auch für Gott einer kosmischen Katastrophe gleich.
Wir können sterben, und das ist unser Glück, denn wir können zurück
in die geistige Welt.
Das Ego ist in all seinen Verrücktheiten kaum zu erklären. Es schafft
Gesetze, die an einem Ort so und an einem anderen genau gegenteilig
sind, zur einen Zeit anders als zur anderen Zeit. Das Ego schafft eine
unüberschaubare Vielfalt von Erscheinungsformen. Dennoch haben die-
se Erscheinungsformen offensichtliche Gemeinsamkeiten.
— Das Ego kennt keine Gegenwart. Es denkt nur in Vergangenheit
und Zukunft.
— Das Ego behauptet, daß die Materie eigenständig existiert und
Grundlage der Existenz ist. Der Geist ist für das Ego eine Funkti-
on der Materie.
— Das Ego verspricht Freiheit in der Zukunft durch Veränderung
materieller Umstände.
— Das Ego behauptet, daß es den Tod, im Sinne der Auslöschung
von Existenz gibt. Es droht mit dem Tod und verspricht gleichzei-
tig, Retter vor dem Tod zu sein.
— Das Ego verlangt Gefolgschaft. Es bestraft Untreue.
— Das Ego urteilt.
— Das Ego ist aktiv durch Angriff. Es motiviert und rechtfertigt
Angriff durch den Groll, als angemessene Antwort auf erlittene
Angriffe.

227
Das Ego kennt keine Gegenwart

Die Zeit ist eine Funktion der Materie. Der reine Geist kennt weder
Materie noch Zeit. Für den Geist ist die Existenz eine immerwährende
Gegenwart, d.h., Ewigkeit und Gegenwart sind identisch.
Die Zeitlosigkeit und Materielosigkeit kann in der Meditation erfahren
werden. Durch die tiefe Meditation können wir immer tiefer in einen
inneren Raum hineingehen, der es uns erlaubt, die materielle Erfah-
rung, die Projektion von Dingen hinter uns zu lassen, auch die Erfah-
rung unseres eigenen Körpers. Dabei verschwindet die Wahrnehmung
von Materie nach und nach, in dem Maße in dem wir diesen Prozeß
bewußt steuern können. Gehen wir zu schnell in diese Erfahrung hin-
ein, geraten wir sofort in die Traumwelt des Schlafes. Wenn dies ge-
schieht, haben wir die Fähigkeit zu meditieren, d.h., den Zustand
materieloser Erfahrung zu schnell erreicht und sind dem Ego nicht ent-
kommen. Der Traum ist ein Zustand, in dem der Geist innerhalb der
Bindung an das Ego projiziert. Wäre dem nicht so, könnten wir uns im
Traum frei geistig bewegen und würden natürlich nur glückselige Be-
reiche aufsuchen. Stattdessen gehen wir auch im Traum in die leidvol-
len Bereiche des Ego hinein.
Je weiter wir uns von der Wahrnehmung von Materie entfernen, desto
weniger läßt sich die Zeit während der Meditation wahrnehmen. Wir
sitzen eventuell stundenlang in Meditation und haben kein Zeitgefühl
für diese Periode.
Wenn wir in der Lebendigen Meditation in den inneren Raum hinein-
gehen, in dem nur das akustische Rauschen existiert, das bedeutungs-
los ist und nicht mehr zur materiellen Wahrnehmung gehört, können
wir die Gegenwart direkt erkennen, auch ohne alle materielle Wahrneh-
mung aufgegeben zu haben. Dies ist auch ohne tiefe Meditation im
Normalbewußtsein möglich. Der Gegenstand der Meditation, den wir
aufgrund seiner Bedeutungslosigkeit mit Gott gleichsetzen können,
existiert nur im Jetzt. Da er immer erreichbar ist, ist er ewig, d.h., diese
Gegenwart wird immer so sein und war immer so. Dennoch scheint
sich dieser innere Raum unserer Erinnerung und der Projektion in eine
Zukunft hinein zu entziehen, denn wir können nicht an einen zukünf-
tigen oder vergangenen inneren Raum denken. Wenn wir dies versu-
chen, geraten wir sofort in die Wahrnehmung des inneren Raums und
landen in der Gegenwart, und hier ist jeder Gedanke an Vergangenheit
oder Zukunft dieses inneren Raumes völlig belanglos.
Die Wahrnehmung der materiellen Welt ist andererseits in der Gegen-

228
wart so gut wie unmöglich. Wenn wir die Augen schließen und uns ein
Objekt vorstellen, sehen wir es so vor uns, wie es in der Vergangenheit
war oder wie es in der Zukunft sein wird. Wenn wir die Augen öffnen,
meinen wir zwar, die Dinge jetzt wahrzunehmen, doch wir erinnern
uns lediglich an die Bedeutung, die unser Geist den Dingen gegeben
hat. Wir können die Form selber überhaupt nicht erfassen, sondern nur
ein Abbild, das wir in unserem Kopf wahrnehmen, indem wir mit Be-
griffen spielen. Wir tun also mit geöffneten Augen nichts anderes, als
mit geschlossenen Augen, nur daß wir die Realität, die wir in der Phan-
tasie im Kopf herstellen, anders bewerten als die, die wir meinen, mit
den Augen zu sehen. Diese Gedanken sind keine intellektuellen Spie-
lereien, sondern sondern das Ergebnis von Beobachtungen, die jeder
Mensch selber nachvollziehen kann.
Die Erfahrung des inneren Raums der Meditation auch während des
normalen Wachbewußtseins führt dazu, daß wir eine gegenwartsbezo-
gene Wahrnehmung erleben, auch wenn die Dinge immer noch die Ego-
Bedeutung haben. Es ergibt sich eine Wellenbewegung des Geistes: Wir
können den inneren Raum über das Hören des inneren Rauschens er-
reichen, aber wir können nicht darin bleiben. Die Dinge, mit denen
sich unser Geist beschäftigt, holen ihn immer wieder aus der Gegen-
wart heraus und drängen ihm eine vergangenheits- und zukunfts-
bezogene Wahrnehmung auf. Dann erinnern wir uns wieder an den in-
neren Raum und gehen in die Gegenwart hinein.

Das Ego behauptet, daß Materie eigenständig existiert

Durch die Meditation mit offenen Augen können wir auch die materi-
elle Welt von iherer Bedeutung trennen und ihre wirkliche Natur wahr-
nehmen, denn es lassen sich auch optische Phänomene erkennen, die
ebenso wie das innere Rauschen keine Bedeutung für das Ego haben
und nur in der Gegenwart existieren. Die sichtbaren Phänomene haben
ein völlig individuelles Spektrum, daher kann es keine korrekte, detail-
genaue Beschreibung dieser Erscheinungen geben. Häufig erscheint die
Atmosphäre, die Luft zwischen dem Betrachter und den Dingen wie
von Schwaden von glitzernder Energie erfüllt. Farbige leuchtende Ob-
jekte erscheinen, wandern durch den Raum. Lichtpunkte und Licht-
blitze treten auf. Flächen beginnen, sich zu bewegen wie Wasserober-
flächen, und der Raum wird extrem hell oder extrem dunkel und die
Hintergrundfarbe ändert sich. Letztlich beginnen die Dinge, ihre Struk-
tur zu verlieren und lösen sich in energetische Objekte auf, ohne aller-

229
dings zu verschwinden. Es gibt für viele dieser Erscheinungen keine
adäquaten Beschreibungen in der »Ego-Sprache«. Jede noch so leichte
Ablenkung des Geistes ins diskursive Denken hinein läßt diese opti-
schen Erscheinungen verschwinden, und daran ist zu erkennen, daß es
sich tatsächlich um Erfahrungen der Egolosigkeit handelt.
Es gibt die traditionelle materialistische Sichtweise, die behauptet, der
Raum sei leer und auf Inseln in der Leerheit gäbe es Materieanhäufungen,
beginnend bei Gaswolken, die sich zu Sternen zusammenballen. Ursa-
che dieser Materie-Raum-Konstellation ist ein hypothetischer Urknall.
Die orgonomische Sichtweise Wilhelm Reichs geht davon aus, daß der
Raum von lebendiger, intelligenter Energie erfüllt ist, daß es keine phy-
sikalische Leerheit gibt und daß Materie das Ergebnis von Überlage-
rungen verschiedener Energieströme ist. Da die Energie die Eigenschaft
hat, daß größere Felder kleinere Felder absorbieren, ist als Ursache der
Formbildung nicht mehr vonnöten gewesen, als ein kleines Ungleich-
gewicht in der Verteilung der Energie im Kosmos.
Diese orgonomische Sicht unserer physikalischen Welt kommt der gei-
stigen Realität näher als die materialistische Sicht, und in diesem An-
satz scheint die Möglichkeit enthalten zu sein, eine Erklärung für die
materielle Welt zu erhalten, die der geistigen Erkenntnis nicht mehr
widerspricht. Solange geistige und materielle Erkenntnis, also Religion
und Wissenschaft, auseinanderklaffen, wird es nicht möglich sein, die
Welt in all ihren Erscheinungen so zu erklären, daß wir sowohl materi-
ell als auch geistig in einer Welt leben. In dieser Trennung zwischen real
erfahrbarer, wahrnehmbarer Welt und geistiger Wirklichkeit liegt eine
der Hauptquellen des Ego. Denn solange Menschen sich entscheiden
müssen, ob sie einer religiösen oder einer naturwissenschaftlich-
philosphischen Auslegung der Welt folgen, sind sie in einem unlösba-
ren Konflikt, dessen Konsequenz »Ego« heißt.
Die Dissoziation, die Trennung in viele kleine Teile, ist eine der Eigen-
schaften des Ego. Der Grund, warum das Ego auf der Existenz einer
eigenständigen Materie besteht, ist seine Behauptung, daß der Geist
des Menschen eine Funktion des Körpers ist. Das Ego sieht den Kör-
per getrennt von anderen Körpern und getrennt von allen anderen Er-
scheinungen. Der Geist besteht für das Ego aus den Funktionen des
Denkens, Fühlens und Wahrnehmens, die einzig innerhalb des Kör-
pers oder in direktem Bezug zu ihm existieren. Der eigene Körper ist
demnach eine Art Wohnstätte, besser: ein Gefängnis des Geistes. Der
Körper ist folglich der handelnde, der Geist der erfahrende Aspekt des
Menschen. Diese Aufsplitterung in viele Teile soll verschleiern, was tat-

230
sächlich ist: Der Geist soll Sklave des Ego sein, und das Ego will selber
dabei überhaupt nicht in Erscheinung treten. Es existiert »offiziell« nicht,
denn existent ist laut Ego nur der Körper. So existiert das Ego nur in
einer Vielzahl von Einzelfaktoren, die scheinbar gar nicht zusammen-
gehören. Die Welt scheint aus vielen einzelnen materiellen Einheiten
zu bestehen, aufgesplittert in Milliarden von Einzelteilen, die jedes für
sich wiederum in Billionen von Molekülen und Atomen zerfallen, und
das alles in unzähligen Welten. Wir überlegen, daß es Milliarden von
Sonnen in dieser Galaxie gibt, in der es Milliarden von belebten Plane-
ten gibt, und es gibt Milliarden von Galaxien... Das ist Ego. Wer sollte
sich nicht machtlos, klein und unsagbar verloren fühlen angesichts die-
ser Vielfalt, Größe und Unberechenbarkeit!

Das Ego verspricht Freiheit

Das Ego suggeriert Macht und die Fähigkeit, die Existenz letztlich zu
erklären, auch, wenn es auf die Phänomene Tod, Liebe, Geburt nur ba-
nale Antworten weiß, denn als Funktion des materiellen Körpers kön-
nen diese Dinge nur unzureichend erklärt werden. Wo war der Mensch
vor seiner Geburt? Wohin geht er danach? Gibt es Wiedergeburt und
wenn ja, was ist das?
Innerhalb der materiellen Welt wird Freiheit vom Leid dadurch ver-
sprochen, daß Veränderung erwartet wird. Die Freiheit wird in die Zu-
kunft verlegt und meist sehr einfach mit materiellem Reichtum gleich-
gesetzt. Da nur wenige diesen Reichtum erreichen, fällt kaum auf, daß
die Probleme sich für Reiche lediglich verlagern und daß das geistige
Leid für die meisten Menschen, die »reich« sind, nicht abnimmt, son-
dern oft verschärft wird und sich z.B. in Drogenmißbrauch, promis-
kuiven Beziehungen, in Angst vor dem Verlust des Reichstums oder
ungebremster Gier nach mehr materieller Befriedigung äußert.
Der Tod von Lady Diana und Mutter Theresa innerhalb einer Woche
hat sehr deutlich gezeigt, wen die Ego-Welt als ihre eigentlichen Heili-
gen ansieht. Die an Boulemie und Depressionen leidende Prinzessin,
»Gefangene« des britischen Königshauses und der Boulevardpresse, die
sich, wie sie in ihrem Interview sagte, karitativen Organisationen zu-
wandte, um den Aktivitäten ihres Mannes etwas Eigenständiges ge-
genüberzustellen, ist das Idol von Millionen Menschen. Die Übertra-
gung ihres Begräbnisses wurde von einer Milliarde Menschen gesehen
und war das größte Medienereignis, das bisher stattfand. Und Mutter
Theresa, die als Sinnbild christlicher Armenhilfe schlechthin galt, die

231
ihr ganzes Leben der aktiven Sterbebegleitung widmete, verblaßt dage-
gen. Beide waren mystifizierte Symbole für die Menschen, keine füh-
lenden Personen, doch gerade im parallelen Tod dieser beiden Men-
schen hat das Ego eindrucksvoll seine Position auf Erden demonstriert,
denn es hat den Wert der Mystifikationen demonstriert: Das Wunsch-
bild ist und bleibt die blonde Prinzessin, reich, attraktiv, gebildet, jet-
setting. Wen kümmert es, daß sie ihre Kinder (die sie angeblich so sehr
geliebt hat) in Internaten unterbrachte, daß sie sich die Arme aufschlitz-
te, um ihrer Depression Ausdruck zu geben und daß sie viele Jahre
lang ihre Nahrung mehrmals täglich erbrach, weil sie sich selber nicht
ertragen konnte. Sie ist das Idol, und wir sollen so sein wie sie: reich,
unglücklich, geisteskrank und voller idealistischer Floskeln. Während
dann Elton John einen Nr.1-Hit landet und die millionenfache Aufre-
gung langsam verglüht, um dem nächsten Medienspektakel Platz zu
machen, reiht Lady Di sich ein in den Sternchenhimmel zwischen
Marylin Monroe, Janis Joplin und Elvis Presley – den anderen Ego-
Heiligen, die an Drogen, geistigem Ruin und Größenwahnsinn umge-
kommen sind.
Die Freiheit und der Frieden, die vom Ego versprochen werden, sollen
dadurch erreicht werden, daß der Körper etwas bekommt. Er bekommt
Kleidung, Nahrung, Genuß. Der beste Kaffee, die edelsten Stoffe, das
reinste Kokain – der Körper bekommt etwas, und wir sollen dadurch
Befriedigung erlangen. Doch wenn wir genau hinsehen, haben wir die-
se Befriedigung nie bekommen. Sie wird versprochen, sie soll in der Zu-
kunft kommen, und wenn diese Zukunft da ist, finden wir lediglich wei-
tere Versprechungen. Das Ego ist wie eine unendliche Werbesendung.
Natürlich gibt es von Zeit zu Zeit kleine Bonbons des Glücks, das je-
doch allzuoft hoch bezahlt werden muß. Zur Zeit sind Love Parade,
House-Parties und Goa-Feste in. Die Menschen nehmen Speed, tan-
zen zwei, drei Tage durch, sind für diese Zeit in einem exstatischen
Zustand der Glückseligkeit — und dann folgen ein, zwei Wochen des
Katzenjammers, bis sich der Körper von dieser Strapaze erholt hat, ge-
rade rechtzeitig zur nächsten Party.
Es ist der Glaube, der Körper stelle einen Wert für sich selbst dar, der
diesen Konflikt hervorbringt. Doch Glück erfährt der Geist über die
Hingabe an das Lebendige, nicht indem er »es bekommt«. Wilhelm Reich
hat in seinem Werk beschrieben, daß der Orgasmus als die intensivste
Form, das Lebendige zu erleben, nur dadurch erlebt werden kann, daß
wir uns der lebendigen Energie hingeben. Wir können keinen Orgas-
mus »bekommen«, wir können ihn nicht machen, sondern einzig über
die Hingabe erleben.

232
Das lebendige, freie Lachen eines glücklichen Kindes können wir nicht
machen. Die Glückseligkeit, die durch das Strömen der Energie in un-
serem Körper entsteht, können wir nicht machen. Die Erfahrung des
Einsseins mit dem Kosmos, wenn wir in einer Sommernacht zu den
Sternen aufschauen oder im Sturm auf einer Klippe stehen, können wir
nicht machen. Wir können uns nur hingeben an das Lebendige. Wir
sind durchaus fähig, Frieden und Freiheit auch im Körper zu erleben,
aber wir müssen den Unterschied kennen zwischen der Hingabe an
den lebendigen Frieden Gottes und dem Trugbild des Friedens, den
uns das Ego verspricht. Wir müssen unterscheidemn lernen, damit wir
uns nicht verirren, damit uns die friedliche körperliche Erfahrung nicht
tiefer in die Bindung an die Materie hineintreibt. Neurotische Men-
schen können die Hingabe an die lebendige Energie nur partiell erle-
ben, und daher werden sie sehr schnell süchtig nach Leben, wenn sie es
denn einmal erleben.
Der Konflikt, daß der Körper einerseits in der Lage ist, diese göttlichen
Gefühle zu erfahren, die jenseits des Ego liegen, und daß die Körper-
lichkeit andererseits die Trutzburg des Ego darstellt, hat in der Vergan-
genheit zu fürchterlichen Fehlinterpretationen geführt. Alle Religio-
nen sind an diesem Konflikt gescheitert, wenn sie die Askese als Ant-
wort auf diesen Konflikt von ihren Gläubigen einforderten. Und diese
Lüge, daß der Körper an sich etwas Schlechtes, Sündiges darstellt, die
von den Kirchen aller Konfessionen mehr oder minder gepflegt wurde
und wird, ist eine weitere Quelle des Ego geworden. Denn die asketi-
sche Bosheit, der lüsterne Sadismus der Priester und Mönche, die As-
kese fordern und hinter der Sakristei Kinder mißbrauchen, haben den
Glauben an den Gott, der in den Kirchen gepredigt wird, vollends zer-
stört. Obwohl sie immer noch eine erhebliche geistige und materielle
Macht darstellen, sind sie für rational denkende und empfindende Men-
schen genau das, was ich hier als das Ego darstelle: das irrationale Ver-
sprechen einer Freiheit, irgendwo in der Zukunft, ein weiteres Unter-
nehmen, das die Werbetrommel rührt. Der Gott, der hier gepredigt
wird, heißt Ego.

Das Ego und die Angst vor dem Tod

Angst ist das Resultat von Trennung. Da wir dem Ego Glauben schen-
ken, daß wir materielle Körper sind, in denen ein Geist »wohnt«, erleben
wir uns als getrennt vom Kosmos, von Gott, von anderen Wesen. Da der
Körper vergänglich ist, glauben wir dadurch auch an den Tod. So sind

233
Tod und Angst Funktionen der Trennung.
Das Ego geht geradezu schizophren mit dem Tod um. Es hat durch
seine Ideologie den Tod erst möglich gemacht, und der Tod ist von
Standpunkt des Geistes aus gesehen ein abolut lächerlicher Fehlglaube.
Er ist ein Übergang von der materiellen Existenz in die geistige, und da
wir nach dem Tod zurückgehen können in unsere geistige Heimat, ist
der Tod ein sehr viel erfreulicheres Ereignis als z.B. die Geburt. Der
Tod existiert nur für das Ego und den Menschen, der sich damit identi-
fiziert. Für das Ego ist der Tod allerdings tatsächlich eine Gefahr, denn
so unkontrolliert wie im materiellen Diesseits kann es sich im geistigen
Jenseits nicht ausbreiten. Es ist im Jenseits nicht verschwunden, es exi-
stiert weiter in den Projektionen der Wesen, die noch nicht verstanden
haben, wie der Konmos funktioniert. Für die Menschen ist die Exi-
stenz ein Wechsel zwischen Phasen des materiellen und des geistigen
Lebens. Im geistigen Leben lernen wir Schritt für Schritt die Funktions-
zusammenhänge des Kosmos. Im materiellen Leben müssen wir das
Gelernte beweisen, praktisch umsetzen. Wir verlieren durch die Ge-
burt im Materiellen unsere Erinnerung an die geistge Welt und müssen
unsere Erkenntnis aus eigener Kraft umsetzen.
Es ist also das Ego, die Illusion der Identifikation mit der Materie, was
stirbt. Das Ego erschafft den Tod und die Angst davor. Das Ego ver-
langt absolute Gefolgschaft. Jede Untreue wird bestraft – mit dem Tod
oder der Angst davor. Das Ego droht uns also mit seiner eigenen Auf-
lösung, wenn wir ihm nicht folgen. Natürlich droht es uns mit dem
Entzug materiellen Besitzes. Es droht damit, uns Freunde, Verwandte
und geliebte Menschen zu nehmen. Es droht uns mit Hunger, Kälte
und Krieg. Und es wird nicht müde zu behaupten, es könne uns vor all
diesen Ungeheuern beschützen. Der Geist wird aufgespalten in einen
guten, anstrebbaren Teil und in einen bösen, abzulehnenden Teil. Das
Ego läßt uns Dämonen der Lust und der Angst erträumen und schickt
uns durch dieses Gruselkabinett.
Der Tod ist lediglich ein biologisches Ereignis wie die Geburt und wie
zahlreiche andere Übergänge im Menschenleben, die zwar anders er-
lebt werden – zeitlich gestreckt sozusagen – die aber ähnliche Funktions-
änderungen nach sich ziehen, wie z.B. die Pubertät, das Altern, Mut-
terschaft oder schwere Krankheit. Der Tod ist in übertriebener Weise
mystifiziert und dramatisiert worden.

234
Die psychischen Egos

Der analytische Begriff des Ego hat zu dieser eher spirituellen Sicht-
weise des Ego einen deutlichen Bezug. Wenn wir vom Kind-Ego, vom
Erwachsenen-Ego oder vom Eltern-Ego sprechen, meinen wir die Ei-
genschaft der Menschen, sich mit bestimmten Rollen identifizieren zu
können, sobald sie sich in ihrer psychischen Befindlichkeit – meist un-
bewußt – einen Vorteil davon versprechen. Entscheidend ist, daß Men-
schen in der Lage sind, ihre Identifikationen zu wechseln, was ein deut-
licher Hinweis darauf sein sollte, daß wir es hier mit Projektionen zu
tun haben, also mit einer Illusion, die wir nach Bedarf selber herstellen.
Ein Beispiel mag die Rolle der Egos kurz beleuchten: Frauen werden
mit Namen wie Häschen, Püppi oder Susi in einer Kind-Rolle gehal-
ten. Sie sind niedlich, sie sind attraktiv und tun alles, damit der Freund,
der Ehemann oder der Chef sie in dieser Rolle der Niedlichen sehen,
weil sich das Leben dann vordergründig leichter gestaltet. So ist es
möglich, inkompetent zu sein und trotzdem allgemeine Anerkennung
und Zuwendung von allen Seiten zu bekommen. Die männlich-chauvi-
nistische Seite dieses Rollenmusters stellen die Blondinenwitze dar.
Natürlich ist dieses Ego nur aufrechtzuerhalten, solange Frauen tat-
sächlich ein bestimmtes Maß an Niedlichkeit aufweisen. Ab einem ge-
wissen Alter ist die Rolle nicht mehr glaubwürdig zu spielen, und da
die Frauen, die sich selbst in dieser Rolle sahen, nicht gelernt haben,
authentisch sie selbst zu sein, müssen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit
die Rolle der Frau übernehmen, die sie dann äußerlich sind: die der
enttäuschten Mutter, der verhärmten Frau in den Wechseljahren oder
einfach der älteren Dame. So werden aus »Püppis« innerhalb weniger
Monate »Muttis« oder »Omis«.
Diese Egos werden nicht nur von den Menschen selbst produziert, son-
dern auch als soziale Rollen gelebt und bestätigt. Auch hier verhält es
sich ähnlich wie mit dem spirituellen Ego-Begriff. Das Infragestellen
der Ego-Rollen hat immer den Charakter von Tod und Verlust. Wenn
Püppi nicht mehr das liebe Töchterchen ist, dem man sagen kann, wer
sie ist und was sie zu tun hat, und wenn sie versucht, ihre eigene Iden-
tität zu finden, wird sie bestraft. Sie wird geächtet in der Familie und
gemobbt in der Firma. Das Ego-Umfeld mag keine Ego-Rollenbrüche.
Aber es gibt auch die Funktion des permanenten Ego-Rollenwechsels.
So sind wir einige Tage lang glühende Vertreter der neuesten Schlank-
heitsdiät, dann leben wir ein paar Monate als Anhänger eines buddhi-
stischen Lehrers, haben daraufhin eine zündende Geschäftsidee, um

235
wenig später das verdiente Geld als langzeiturlaubender Hippie auf
Gomera auszugeben. So tauschen sich die Identitäten aus, und das Le-
ben scheint eine Folge sich ablösender Egos zu sein. Ob nun als perma-
nente Ego-Rolle oder als Folge fliegender Rollenwechsel: Das psychi-
sche Ego ist Ausdruck der neurotischen Charakterstruktur.
Mit einer Ego-Rolle sollten wir uns ausführlicher beschäftigen: dem
spirituellen Ego. Es tritt auf, sobald wir uns mit spirituellen Inhalten
identifizieren und diese in unsere Rollenmuster einbauen. Am einfach-
sten zu identifizieren sind spirituelle Egos bei Vertretern religiöser Or-
ganisationen und deren Anhängern, ob nun in christlichen Mainstream-
Kirchen oder in exotischen Sekten. Mancher Guru wie z.B. Osho scheint
es geradezu darauf abgesehen zu haben, seinen Jüngern ein kräftiges
spirituelles Ego zu verpassen, wenn die Sanyasins (Jünger) dazu ge-
zwungen sind, ihre Kleidung in rot und orange zu tragen. Aber ich will
mich nicht darüber mokieren. Ich bin selber immer wieder auf Sekten,
Gurus und Führer hereingefallen und habe jedesmal ein spirituelles Ego
entwickelt. Ich halte das für unvermeidlich. Denn es ist offenbar für
die meisten Menschen notwendig, sich zu einer neuen Überzeugung
zu stellen und zu bekennen, ob es nun das christliche Glaubensbekennt-
nis in Taufe und Kommunion ist, das buddhistische Zufluchtnehmen
oder Sanyas zu nehmen. Es ist ein Ritual, sich von anderen Glaubens-
bekenntnissen (=Egos) freizusprechen. Ich habe diesen Schritt jedes-
mal ernst genommen und ihn »für immer« getan, doch ich habe diese
Egos nie länger als 10 Jahre durchgehalten.
Das spirituelle Ego ist ein wirkliches Problem für die geistige Entwick-
lung, weil hier die Erkenntnis wirkungsvoll blockiert wird. Das Ego
übernimmt die Inhalte für sich selber, die der Gnosis, der direkten
Gotteserkenntnis, vorbehalten sind. Anstatt die Heiligkeit in sich selbst
zu entdecken und aktiv werden zu lassen, agieren wir so, wir wir uns
Heiligkeit vorstellen. Aber der Unterschied könnte nicht größer sein,
weil es einmal die Göttlichkeit in uns ist, die handelt, und im anderen
Fall das Ego. Hat das Ego diese Funktion einmal erreicht, können Kon-
zepte wie Sünde, Hölle, Bruch von Gelübden und Schwüren etc. auf-
rechterhalten werden. Das Ego kann all die Angstfaktoren, die Dro-
hungen und Strafen, die es für uns bereithält, auf die spirituelle Seite
hinüberretten, vor allem die Vorstellung von Tod. Sobald wir es mit
Geboten, Verboten, Gelübden und Feindbildern zu tun bekommen,
legen wir den Grundstein für ein spirituelles Ego. Sobald wir eigene
geistige Erkenntnisse haben und diese als »meine Erkenntnis« einschät-
zen, sind wir im spirituellen Ego. Sobald wir glauben, daß wir anderen

236
überlegen sind, weil wir Funktionen verstanden haben, die andere offen-
bar nicht verstanden haben, sind wir auf das spirituelle Ego hereingefal-
len.
Es ist mit Sicherheit unmöglich, dem spirituellen Ego zu entgehen, so-
lange wir glauben, daß auch unser Ego »Erleuchtung erlangen« kann.
Das Ego kann erkannt, gezähmt und in seine Schranken gewiesen wer-
den. Aber wir können es nicht mitnehmen. Und diesen Glauben, es
ginge irgenwie doch mit dem Ego, hegen alle spirituell Suchenden mehr
oder weniger. Wer ernsthaft nach geistiger Erkenntnis strebt, wird im-
mer wieder darauf hereinfallen, sich auf der Ego-Ebene mit spirituellen
Inhalten zu identifizieren. Obwohl dies traurig ist und es sicher viel
besser wäre und den Weg schneller machen würde, wenn es nicht ge-
schähe – es ist einfach so, und wenn wir die volle Erkenntnis hätten,
bräuchten wir gar nicht mehr an uns zu arbeiten. Es ist also reine Dumm-
heit, ein weiteres Verwirrspiel des Ego, wenn wir meinen, wir dürften
keine Fehler machen. Aber wir müssen bereit bleiben, Fehler zu er-
kennen und zu revidieren. Der eigentliche Fehler, das eigentliche spiri-
tuelle Ego, besteht darin, sich dieser Fehlerquelle nicht bewußt zu sein.
Das wirkliche, echte spirituelle Ego heißt daher: »Ich habe kein spiri-
tuelles Ego.«

237
Lektion 25
Das Gebet – Hingabe an den Kontakt mit der
Göttlichen Quelle
Das Gebet ist die Art, wie wir Menschen uns an die Göttliche Quelle
wenden können, und es sollte immer nur direkt an Gott gerichtet sein.
Die wenigsten Menschen können beten, und die es dennoch tun, ver-
wenden oft nur leere Formeln und fühlen nicht die Verbindung zu Gott.
Das Gefühl »Ich kann nicht beten,« entspringt oft der verständlichen
Verletzung, die daraus resultiert, daß wir uns in Notsituationen in de-
mütiger Unterordnung einer angenommenen höheren Macht anvertrau-
en, die noch nicht einmal antwortet: Wir geraten in unser verletztes
Kind-Ego. Wir sollten deshalb nur dann beten, wenn wir zu dieser Ebene
der Kommunikation mit Gott ein gutes, freies Gefühl haben, ohne
Zwang, schlechtes Gewissen oder Unsicherheit.
Das plasmatische Strömen ist die fühlbare Ebene des Kontakts mit der
Göttlichen Quelle. Das Gebet kann das plasmatische Strömen erheb-
lich verstärken und umgekehrt: Das plasmatische Strömen vertieft das
Gebet.

Übung:
Wenn wir in der Lebendigen Meditation das Strömen im Körper wie
kühle, fallende Schneeflocken erfahren, werden wir uns der Tatsache
bewußt, daß dies der Kontakt mit der Göttlichen Quelle ist, daß wir
von Gott im Sinne des Wortes »berührt« werden und wir denken:

Ich fühle die Göttliche Quelle.

Wenn das plasmatische Strömen stark und deutlich erfahrbar ist, beten
wir, indem wir Gott laut ansprechen. Und während wir sprechen, füh-
len wir das Strömen im Körper. Wir lassen das Strömen durch die Wor-
te des Gebets ansteigen, indem wir die »Rührung« fühlen, und wir
drücken unser Gefühl aus, indem wir aussprechen, was spontan in uns
an Gedanken entsteht. So beeinflußt das Gebet das plasmatische Strö-
men und umgekehrt. Wir erfahren, wie sich Gebet und plasmatisches
Strömen gegenseitig verstärken.
Das folgende Gebet ist ein Beispiel, eine Anregung, die jeder für sich
aufgreifen und mit eigenen Worten und mit dem eigenen Gefühl von
Wahrheit verbinden sollte:

238
Vater im Himmel,
ich danke Dir dafür, daß Du mich
auf den Weg der Erkenntnis Deiner Liebe gebracht hast.
Ich bitte Dich, entferne alle schädlichen Gedanken
und Gefühle aus meinem Geist.
Schütze mich vor allen negativen Kräften
und führe mich weiter zur Erkenntnis
Deines göttlichen Lichts.

239
Lektion 26
Die Gedanken des
Heiligen Geistes
Wenn wir in der Lebendigen Meditation tief in unseren eigenen Geist
hinabsinken, werden wir immer wieder auf Gedanken stoßen, die ein-
deutig nicht das Objekt des diskursiven Denkens sind. Diese Gedan-
ken stören uns nicht, sondern sind klare, präzise, unkomplizierte und
kurze Gedanken, die aufsteigen und wieder verschwinden. Im allge-
meinen kümmern wir uns nicht um diese Gedanken, denn indem wir
ihnen Beachtung schenken, verstärken wir wieder die Bindung an das
Ego.
Wir werden selber feststellen können, ob die Lebendige Meditation, in
der wir jetzt gerade sind, eher ein Kampf mit den diskursiven Gedan-
ken, mit dem Ego-Geist in uns ist oder ob es uns gelingt, tief und unge-
stört in unseren Geist hinabzusinken. Wenn die Meditation sehr stabil
ist, werden wir jenseits des Ego die Gedanken des Heiligen Geistes
finden. Wir sagen dann zu uns selber:

Gott ist der Geist, in dem ich denke.

Wir begegnen diesen Gedanken offen, unkritisch und bemühen uns,


sie nicht »weiterzudenken«, das würde uns unweigerlich in die Ebene
des Ego führen. Wir »lassen denken«, wir lassen den Heiligen Geist
denken, sehen uns die Gedanken ohne eigene Aktivität an und lassen
sie geschehen.
Indem wir von Zeit zu Zeit innerlich hinzufügen:

Gott ist der Geist, in dem ich denke,

erinnern wir uns daran, daß es der Heilige Geist ist, der hier in uns
denkt, und bewahren die tiefe Bedeutung dieser Tasache in unserem
Herzen.
Die Gedanken des Heiligen Geistes sind der Beginn dessen, was wir als
»mediale Ebene« bezeichnen können, denn sie werden ihre eigene Be-
deutsamkeit in unserem Leben einnehmen, wenn wir sie in uns wirken
lassen. Wir können sie z.B. laut aussprechen, ohne daß uns dies aus der
Meditation herausbringt. Wir können, ja wir sollten sie aufschreiben –
nach der Meditation – und falls wir uns nicht an sie erinnern können,

240
lassen wir während der Meditationen ein Tonband aufnehmen, so kön-
nen wir die Gedanken des Heiligen Geistes wiederfinden. Das Ego hat
oft keinerlei »Erinnerung« daran.
Im täglichen Leben begegnen wir diesen Gedanken als »Gewissen«, als
mehr oder minder deutliches Wissen, ein Gefühl davon, ob wir in der
göttlichen Liebe handeln oder nicht.
In der Lebendigen Meditation können wir lernen, dieser Stimme in uns
Beachtung zu schenken und sie als lebendige Realität zu akzeptieren.
Wie wir diese Gedanken erleben, wird individuell sehr unterschiedlich
sein. Wir erleben sie als unseren Schutzengel, der mit uns spricht, als
Stimme Gottes oder als Höheres Selbst.
Auch die Gedanken des Heiligen Geistes sind immer erreichbar, so wie
die anderen Erkenntnisebenen des energetischen Hörens, des Sehens
und Fühlens, die jenseits der Ego-Wahrnehmung liegen. Es ist uns tat-
sächlich möglich, die Gedanken des Heiligen Geistes zu kultivieren.
Nicht, indem wir selber heilige Gedanken produzieren – das wäre ein
plumper Versuch des Ego, sich dieser Erkenntnisse zu bemächtigen –
sondern, indem wir sie einfach zulassen.

241
Lektion 27
Es gibt nichts zu tun

Wir haben gelernt, dem, was in unserem Geist geschieht, die angemes-
sene Aufmerksamkeit entgegenzubringen und unsere Sinne von der äu-
ßeren Welt abzuwenden und auf die innere Welt zu lenken.
Von diesem Punkt aus gibt es viele Möglichkeiten, in die geistige Welt
einzusteigen. Wenn wir uns einer geistigen oder religiösen Schule zu-
gehörig fühlen, können wir nun versuchen, die Lebendige Meditation
innerhalb der eigenen Praxis zu verwenden.
Ich selber habe mich der Führung der Engel und des Heiligen Geistes
überlassen und erfahren, daß ich Führung bekomme – auf den verschie-
densten Ebenen.
Alles, was wir selber an diesem Punkt tun können, ist geschehen. Wir
können nichts weiter tun, was uns bereit machen könnte, Gottes Füh-
rung zu erhalten, außer, in die Lebendige Meditation zu gehen und uns
dort vom Heiligen Geist »abholen« und führen zu lassen.

Wenn wir nun in die Lebendige Meditation gegangen sind, ist es ausrei-
chend, uns geistig zu sagen:

Es gibt nichts zu tun.

Das Prinzip der Selbstregulierung greift an dieser Stelle auf geistiger


Ebene, denn indem wir selber nichts tun, geben wir dem Heiligen Geist
die Möglichkeit, die Regie zu übernehmen. Wir hören auf seine Stim-
me und nehmen das, was uns gesagt wird, ernst – und setzen es um.

242
Lektion 28
Vergebung – die Auflösung geistiger Blockaden
Der Begiff der Vergebung ist in dieser Übung erheblich weiter gefaßt
als in unserem Sprachgebrauch üblich. Wenn im Vaterunser gesagt ist:
»... und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuld-
nern«, ist damit die christliche Vergebung angesprochen, die darauf
hinausläuft zu erkennen, daß es keine Schuld gibt. Die Vergebung, die
wir üben, heißt also nicht: »Der hat mir das und das angetan, aber
großzügigerweise vergebe ich ihm«, sondern: »Ich sehe die Handlun-
gen meines Bruders als Ruf nach Liebe und nicht als Angriff. Es gibt
keine Schuld.«
Grundlage der Vergebung ist das Wissen, daß das Ego eine Illusion ist
und daß alle Wesen eines Geistes sind. Es ist nicht möglich, daß mir
etwas angetan wird, weil der Geist unverletzlich ist, und daher ist jede
Art von Groll gegenüber einem anderen Wesen unangemessen. Groll
ist der Glaube, daß mir etwas angetan wurde, ja, daß es überhaupt mög-
lich ist, mir etwas anzutun.
Die Erfahrung der Vergebung ist nur in der Begegnung mit anderen
Menschen möglich. Wir glauben, solange wir uns mit dem Ego identi-
fizieren, daß uns etwas angetan wird, und wir hegen Groll. Das Ego
nimmt diesen Groll zum Anlaß für weitere Angriffshandlungen, und
so wird die Kettenreaktion der Destruktivität in Gang gesetzt, deren
einziger Sinn es ist, die Existenz des Ego zu festigen.
Und so ist die Umkehr aus diesem Krieg von Aktion und Reaktion nur
dann möglich, wenn wir in uns selber den Punkt der Vergebung finden.
Ich vergebe dem anderen seine Illusion, wenn er glaubt, er könnte mich
angreifen und erkenne seinen Ruf nach Liebe. Ich vergebe mir selber
meine Illusion, ich könnte angegriffen werden.
Indem wir diesen Schritt bewußt gehen und als geistige Disziplin ein-
richten, helfen wir nicht nur uns selbst. Da wir uns selber beweisen,
daß wir heilige Wesen sind, befreien wir im gleichen Maße auch unse-
ren Bruder, dessen Krieg wir ebenfalls beenden. Indem wir in ihm den
Sohn Gottes erkennen schenken wir auch ihm die Erkenntnis seiner
göttlichen Natur.
Der Moment der Vergebung, der oft sehr schmerzvoll und voller Wi-
derstand vorbereitet wurde, da sich das Ego mit allen ihm zur Verfü-
gung stehenden Tricks wehrt, ist ein Moment wirklicher Glückselig-
keit und Hingabe, gefolgt von einer Phase tief empfundenen göttli-
chen Friedens. Diese Erfahrung zu machen bedeutet, durch die Hölle

243
hindurchgegangen zu sein und zu erkennen, daß sie wirklich nicht exi-
stiert, und sie ist mit keiner anderen Erfahrung vergleichbar. Nur durch
diesen Lernprozeß können wir geistig über uns hinauswachsen und er-
kennen, daß wir in der Lage sind, das Ego, die vermeintlich größte
Macht, zu besiegen, indem wir einfach nicht mehr daran glauben.
Diese unermeßlich wertvolle Erfahrung können wir nur machen, weil
es andere Wesen gibt, die für uns in diesem Film, den wir »Realität«
nennen und dessen Regisseur »Ego« heißt, die Bösewichter spielen. Es
ist unsere »Realität«, sie spielen die Bösewichter für uns, damit wir Groll
empfinden und lernen, den Groll aufzugeben und zu vergeben. Es ist
eine undankbare Rolle, die gefährlichste und schwierigste Rolle, und
daher sollten wir diesen anderen Wesen dankbar sein. Sie sind unsere
wirklichen Lehrer auf dem Weg zur Erleuchtung.
Diese Sätze zu akzeptieren, mag Ihnen so schwerfallen, wie es vielen
schwergefallen ist, die diesen Weg gehen. Doch es ist nur nötig, zu tun
und selber zu erfahren, was passiert. Vergebung findet nicht im Kopf
statt, sondern im Herzen und in der Handlung. Es ist nicht möglich,
durch theoretische Überlegungen den Sinn der Vergebung zu erfassen,
da die Erfahrung des tiefen göttlichen Friedens nur praktisch erlebt
werden kann. So zu handeln ist Glauben.
So wie wir mit unseren »Feinden« umgehen, mit unseren »Schuldnern«,
so gehen wir mit dem Geist um und so – glauben wir – geht der Geist
mit uns um. Wir glauben, daß Gott sich uns gegenüber so verhält, wie
wir uns unseren Feinden gegenüber verhalten, weil wir selber dem uni-
versalen Geist nur die Qualitäten zubilligen können, die wir selber für
möglich halten und die wir selber praktisch umsetzen. Das Ego spaltet
uns in einen »guten« Menschen, der angemessen reagiert, hilfreich und
verständnisvoll ist, und in einen »bösen«, der Groll hegt, sich wehrt
und insgeheim niederträchtige Gedanken hat. Geistig sind wir jedoch
nur ein Mensch, die Trennung in gut und böse ist Unsinn, und so kön-
nen wir an unseren geheimen »bösen Gedanken« ersehen, was wir tat-
sächlich vom Geist halten. Diese Erkenntnis ist alles andere als schmei-
chelhaft für uns Menschen. Wir können aber erkennen, daß es keine
»Sünde« gibt, kein »schlechtes Karma«, indem wir dies bei anderen Men-
schen erkennen, denen wir »Sünde«, also jede Art von Fehlverhalten
unterstellen.

244
Übung:
Die folgende Übung soll den tätigen Akt der Vergebung nicht erset-
zen, sie soll uns geistig darauf einstimmen.
Die folgende Übung machen wir bei geschlossenen Augen, nachdem
wir die Anweisungen gelesen haben:
Wir suchen uns nun einen Menschen im Geiste, dem wir wirklich tief
grollen, einen Menschen, von dem wir überzeugt sind, daß er uns per-
sönlich etwas angetan hat, einen Feind, einen Freund oder Lebenspart-
ner, der uns enttäuscht hat. Wenn es mehrere davon gibt, wählen wir
unbedingt denjenigen, von dem wir meinen, daß er uns am schlimm-
sten mitgespielt hat.
Wir stellen uns möglichst viele der Dinge vor, die uns von diesem Men-
schen angetan wurden. Wir denken an all seine schlechten Eigenschaf-
ten, an seinen Körper, seinen Geruch, seine Stimme, seine Wohnung,
an alles mögliche, was seine Realität für uns ausmacht.
Nun beginnen wir die Lebendige Meditation, indem wir denken:

Ich höre die Göttliche Quelle

Wir suchen die göttliche Lebendigkeit in uns, indem wir sagen:

Gott ist das Leben, das ich fühle

und indem wir das Stömen in uns fühlen. Wenn das Strömen deutlich
da ist, denken wir wieder an unseren »Feind« und sehen ihn möglichst
deutlich in unserem Geist. Wir bitten Gott nun darum, uns selbst und
diesen Menschen von meinem Groll zu erlösen und das Licht der Ver-
gebung zu sehen:

Vater im Himmel, laß mich in diesem Menschen meinen Erlöser sehen,


der mich zum Heiligen Licht führt.

Wir stellen uns das göttliche Licht vor. Es ist vor uns, und es ist strah-
lend und pulsierend und so grell und hell, daß wir kaum hineinsehen
können. Vor uns ist dieser Mensch, den wir uns vorgestellt hatten, er
nimmt uns an die Hand und führt uns geradewegs zum göttlichen Licht.
Und während wir auf das göttliche Licht zugehen, erkennen wir, daß
dieser Mensch Christus ist. Er hält uns an der Hand, lächelt uns an und
gemeinsam verschmelzen wir mit dem Göttlichen Licht.
Wir lassen dann alle geistige Aktivität los und erleben den Frieden Got-

245
tes. Wir sitzen in der Stille und lassen den Frieden geschehen, er strömt
in uns, er ist ein warmes Gefühl im Herzen, er umhüllt uns. Wir kön-
nen passiv hineinsinken in diesen umfassenden Frieden und erfahren
die tiefe Freude, die der göttliche Friede auslöst.Wir gehen jetzt nicht
in den meditativen Rückzug, sondern erleben einen anderen Zustand,
der sich deutlich davon unterscheidet. Der am deutlichsten wahrnehm-
bare Unterschied ist die Freude.

Wir sollten diese Übung einige Tage hintereinander durchführen, am


besten so lange wie wir fühlen, daß es Menschen gibt, denen gegenüber
wir Groll hegen. Jeder einzelne dieser Menschen ist unser Erlöser, dem
wir aus tiefem Herzen dafür danken können, daß er uns den Weg zum
göttlichen Licht weist.
Wir sollten diese Meditation auch immer wieder anwenden, wenn wir
in Situationen gekommen sind, in denen wir Groll entwickelt haben.

Diese Meditation soll, wie gesagt, die tätige Vergebung nicht ersetzen,
indem wir den Menschen gegenüber, denen wir grollen, an denen wir
glauben »Kritik üben« zu müssen, im Herzen und im Tun vergeben.

246
Lektion 29
Die Entscheidung für die Liebe
Unser Wille ist im ein »Fähnchen im Wind« und auch, wenn wir den
freien Willen als eine unserer wertvollsten Fähigkeiten schätzen – wir
können nicht verhindern, daß das Ego unseren Willen für seine Zwek-
ke in Anspruch nimmt, wir können lediglich lernen, aufmerksam zu
sein.
Um das Gewissen entscheiden zu lassen, müssen wir es hören, es muß
frei sein, ungebunden an religiöse oder weltliche Dogmen. Es darf kein
»schlechtes Gewissen« sein, das ist nichts anderes als das Freudsche
»Über-Ich«. Das Gewissen spricht meist nicht in Worten – es ist kein
Engel, es ist eher unser Höheres Selbst – es meldet sich bei uns als eine
Wahrheit, die deutlich und unmißverständlich »Ja« oder »Nein« sagt,
als ein Gefühl des Hingezogen- oder Abgestoßenseins, als eine Erkennt-
nis.

Übung:
Gehen wir in die Lebendige Meditation: Wir hören die Göttliche Quel-
le und wir fühlen das Göttliche Strömen.
Wir suchen nun einen Konflikt auf, den wir in letzter Zeit hatten: eine
Auseinandersetzung mit anderen Menschen, eine Entscheidung, die wir
getroffen haben, mit der wir hadern, eine Angelegenheit, die wir vor
uns herschieben, anstatt sie zu erledigen, eine Klärung, die uns unange-
nehm ist, ein Gedanke, der uns nicht losgelassen hat, der uns nicht schla-
fen lies oder über den wir gegrübelt haben, anstatt wichtigere Dinge zu
tun. Wir nehmen den Konflikt, der uns am meisten Sorge bereitet, den-
jenigen, der am vordergründigsten ist.
Wir denken über diesen Konflikt kurz und intensiv nach, denken über
unsere Position nach und die – soweit vorhanden – gegnerische Positi-
on.

Nun hören und fühlen wir wieder die Göttliche Quelle.


Wir stellen uns über uns ein gleißend helles Licht vor, und wir versu-
chen, dieses Licht im Geiste auch zu sehen. Auch wenn wir es nicht
sehen können, sind wir überzeugt, daß dieses göttliche Licht da ist,
und wir beten laut:

247
Vater im Himmel,bitte hilf mir,
diesen Konflikt um (wir benennen den Konflikt) aufzulösen.
Jedesmal, wenn ich im Geiste diesen Konflikt aufsuche,
will ich dich hören, fühlen und sehen.
Dies ist meine Entscheidung.
Amen.

Wir gehen nun aus dieser Meditation hinaus in der festen Überzeu-
gung, daß wir jedesmal, wenn wir im Geist auf diesen Konflikt stoßen,
wir Gott hören, fühlen und sehen wollen. Das bedeutet nicht, hand-
lungsunfähig zu werden. Wenn Aktivität angebracht ist, werden wir aktiv
sein. Aber wir werden uns weigern, diesem Konflikt eine eigene Exi-
stenz zuzubilligen, denn nur dadurch, daß wir ihn »glauben«, wird der
Konflikt wirklich.

Ergebnis:
Indem wir den Konflikt in Gott auflösen, verliert er seine eigene Exi-
stenz. Und wahrscheinlich wird unser Ego uns in Zukunft damit in
Ruhe lassen. Sollte es uns weiterhin damit plagen, werden wir an Gott
erinnert, etwas, was das Ego ganz und gar nicht möchte. Ganz egal, wie
das Ego jetzt reagiert – unser Geist bleibt siegreich.

Mit dieser Meditation können wir in Zukunft jedem Konflikt begeg-


nen, der unseren Seelenfrieden stört.

248
Lektion 30
Die Todeserfahrung üben
In den Meditationspraktiken aller spirituellen Schulen ist die Übung
des Übergangs vom Diesseits zum Jenseits enthalten. Diese Übungen
haben einen doppelten Zweck. Einerseits sollen sie den Sterbeprozeß
selber einüben, damit uns im Tod nicht die Panik ergreift. So können
wir diesen machtvollen Moment, in dem wir alles Irdische hinter uns
lassen, zur Erleuchtung nutzen. Der zweite Aspekt liegt darin, daß Yogis
aller Schulen über die Todesmeditation auch vom Diesseits aus in jen-
seitige Lichtwelten hinüberwechseln und dort zu Gast sind.
Es gibt überraschende Parallelen zwischen dem Sterbeprozeß und der
Erfahrung des plasmatischen Strömens. Wenn die plasmatische Strö-
mung sich nach oben richtet, ist es möglich, den Körper über den Scheitel
zu verlassen und sich mit dem Strom in den Himmel tragen zu lassen.
An die Beschreibung von Todeserlebnissen erinnert z.B. auch die gro-
ße Kälte, die mit der Erfahrung des plasmatischen Energiestromes ein-
hergeht und das Gefühl von glitzerndem, strahlendem weißem Licht,
in das ich eingehüllt bin. Das Sterben wird zweifellos um so einfacher
und angstfreier erlebbar, je intensiver und vor allem je praktischer wir
in Lebzeiten der Tatsache des Todes als unabwendbare Lebens-Erfah-
rung begegnen.
Daß es ein Leben nach dem Tode geben soll, ist für den Menschen, der
lediglich glaubt und auf die Lehraussagen der Religionen vertraut, ein
schwieriger, von Angst und Zweifel getrübter Glaube. Daher geht die
Erfahrung, daß unser Geist auch außerhalb des Körpers existieren kann,
daß diese Erfahrung voller Schönheit und Frieden ist, einher mit der
Gewißheit, daß es die Seele tatsächlich gibt. Es gibt eine lebendige Er-
fahrung von Existenz jenseits von physischer Realität.
Die Erfahrung, mit dem Energiestrom in den Himmel aufzufahren, ist
voller Frieden, voller Freude und von der Erfahrung großer Gewißheit
erfüllt. Sie ist in sich selber vollkommen wahr.

Vorbereitung:
Sterben und Tod sind in unserer Kultur tabuisiert und mit vielen even-
tuell unbewußten Ängsten verbunden. Wir sollten uns in der Praxis der
Lebendigen Meditation so sicher fühlen, daß wir Ängste, die im Geist
auftauchen, als Manifestationen des Ego erkennen können.
Um jede Gefährdung zu vermeiden, beginnen wir diese Meditation mit

249
einem Gebet. Außerdem intensiviert das Gebet das plasmatische Strö-
men.

Übung:
Wir gehen in die Lebendige Meditation, indem wir die Göttliche Quel-
le hören, und wir fühlen die Göttliche Quelle, indem wir das plasma-
tische Strömen auslösen. Wir sagen zu uns selbst:

Ich fühle die Göttliche Quelle.

Wir stellen uns über uns ein gleißend helles Licht vor und wir versu-
chen, dieses Licht im Geiste auch zu sehen. Auch wenn wir es nicht
sehen können, sind wir überzeugt, daß dieses göttliche Licht da ist und
wir beten laut:
Vater im Himmel,
in Deine Hände lege ich mein Leben.
Du bist die Quelle, aus der alles Leben entsteht, also auch ich selbst,
und zu Dir werde ich in der Stunde meines Todes zurückkehren.
Leite mich, Vater, damit ich die Erfahrung des Todes
in Zuversicht und Freude erlebe
und damit ich im Leben wie im Tode
Deinen Frieden und Deine Liebe erfahre.
Amen.

Wir fühlen, wie sich durch das Gebet das Srömen aufwärts richtet, wir
sehen das gleißende Licht über uns, in das sich das Licht unseres Strö-
mens auflöst und vereinigt. Wir geben uns dieser Erfahrung völlig hin,
lassen unseren Geist mit dem Licht zu Gott hin strömen, und wir ver-
lassen unseren Körper.

Ergebnis:
Diese Erfahrung erhält ihre eigene Dynamik, und je weniger wir selber
mit unserem Willen eingreifen, um so stärker können wir die Göttliche
Freude und den nicht beschreibbaren Frieden erleben.
Diese Erfahrung ist in sich völlig wahr. Sie reicht über alle Dimensio-
nen des begrenzten Ego hinaus. Wir begegnen im Tod der Heimat, in
der wir in Ewigkeit existieren, und wir begreifen, daß unsere Zeit auf
der Erde nur ein kurzfristiges Gastspiel ist.

250
Hilfsmittel für die Übungen,
Literatur und Geräte

D ieses Buch ist aus der langjährigen praktischen Erfahrung in vie-


len Semiaren, Einzelkontakten, Gesprächen und Selbstversuchen
entstanden. Es gibt inzwischen eine ganze Palette von Hilfsmiteln.
Die Bücher zum Thema werden auf der folgenden Seite aufgelistet.
1998 habe ich die ersten beiden Kurse zur Energiewahrnehmung und
Lebendigen Meditation auf Audio-CD veröffentlicht. Da sich das Spek-
trum an Übungen inzwischen erheblich erweitert hat, werde ich die
Übungen dieses Buches als Audio-Cassetten und/oder Audio-CDs
verfügbar halten. Auf der Web-Site www.orgon.de und auf CD-ROM
werden diese Übungen ebenfalls erhältlich sein (als mp3-Dateien).
Ein wichtiges Hilfsmittel für viele, die mit diesen Methoden Erfahrun-
gen machen, ist der Engel-Energie-Akkumulator, ein Orgon-Akkumu-
lator, der von Wilhelm Reich auf medialem Wege für unseren Kontakt
mit Engeln und anderen reinen geistigen Ebenen weiterentwickelt wur-
de. Alle Erkenntnisse dieses Buches basieren auf Erfahrungen, die im
Zusammenhang mit dem Engel-Energie-Akkumulator stehen.
Seminare werden – soweit gewünscht – weiterhin stattfinden. Sie kön-
nen auch andernorts organisiert werden, wenn eine Gruppe von min-
destens fünf Personen zusammenkommt. Als Seminarleiter stehen ne-
ben mir einige von mir ausgebildetete Therapeuten und Meditations-
lehrer zur Verfügung.
Wenn Sie an Wilhelm Reich und Orgonomie sowie den Methoden der
Energiewahrnehmung und Lebendigen Meditation interessiert sind, in-
formieren wir Sie gerne in unserer ausführlichen Broschüre Lebensener-
gie aus der Atmosphäre
weieters unter: www.orgon.de

251
Orgonomie und Wilhelm Reich
Veröffentlichungen von Jürgen Fischer:
— Die Falle - AAO =Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln
(Parallel Verlag, Berlin, 1977)
— J.F. Freihold (Pseudonym von Jürgen Fischer), Der Orgonakkumu-
lator nach Wilhelm Reich (Edition Space, Berlin, 1982),
— Myron Sharaf (Hrsg.: Jürgen Fischer): Der heilige Zorn des Leben-
digen – Wilhelm Reich – Die Biographie (Simon&Leutner, Berlin,
1994)
— Orgon und DOR – Die Lebensenergie und ihre Gefährdung
(Simon&Leutner, Berlin, 1995)
— Der Engel-Energie-Akkumulator nach Wilhelm Reich (Omega
Verlag, Düsseldorf,1997)
— Leben, Tod und Information (Fischer-ORGON-Technik, Worps-
wede, 1997)
— Die neuen Pforten der Wahrnehmung – Gebrauchsanleitung für den
menschlichen Geist (Fischer-ORGON-Technik, Worpswede, 1998)
— Energie Meditation und Ekstase (Fischer-ORGON-Technik,
Worpswede, 1999) (teilweise identisch mit dem vorliegenden
Buch)

Audio-CDs (Fischer-ORGON-Technik, 1998):


— ORGON – Kurs 1 – Wahrnehmung von Orgon-Energie
— Lebendige Meditation – Kurs 2 – Erkenntnis durch Orgon-Wahr-
nehmung

252

También podría gustarte