Está en la página 1de 69

Anregungen zum

antidiskriminierenden
Sprachhandeln
AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin

Was tun?
Sprachhandeln – aber wie?
W_Ortungen statt Tatenlosigkeit!
Anregungen zum

Nachschlagen
Schreiben_Sprechen_Gebärden
Argumentieren
Inspirieren
Ausprobieren
Nachdenken
Umsetzen
Lesen_Zuhören

antidiskriminierenden Sprachhandeln



2. Auflage 2014 / 2015
AG Feministisch Sprachhandeln
http://feministisch-sprachhandeln.org

Fotos (Umschlag / Innenseiten): Lian Hüntelmann in Zusammenarbeit mit der


AG Feministisch Sprachhandeln.
Die Fotos sind im Umfeld der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden und sind
direkte Sprach_interventionen.
Layout: Steff Urgast & Lian Hüntelmann
Druck: hinkelstein sozialistische GmbH, Berlin
Inhaltsverzeichnis

1 Sprachhandlungen und Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 Sprachformen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3 Entscheidungshilfen zur Auswahl von Sprachformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

5 Reflexionsübung zu eigenen Normalisierungs-Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . 29

6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

7 Pseudo-antidiskriminierende Sprachformen und Formulierungen . . . . . . . . . . . . . 39

8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen . . . . . . . . . . . . 44

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Benutzungshinweis
Diese Broschüre zu antidiskriminierenden Sprachhandlungen gibt einen Anstoß zum Nachdenken
über die unterschiedlichen Formen von Sprachgebrauch an der Universität und im Alltag insgesamt
sowie über die darin zum Ausdruck kommenden oder diesen zugrunde liegenden gesellschaftlichen
Machtverhältnisse. Sie regt so zu einem kreativen Umgang mit Sprache an. Antidiskriminierende Spra-
che umzusetzen, bedeutet auch, sich mit vielleicht neuen Begriffen zu beschäftigen. Im Glossar (ab
Seite 38) werden diese erläutert. Sie sind im Text durch einen vorangestellten Pfeil gekennzeichnet: →.

3
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

1 Sprachhandlungen und Veränderungen

„Oppressive language does more than represent unsicher bin oder vielleicht sogar Angst habe,
violence; it is violence; does more than represent kann ich dennoch für mich entscheiden, welche
the limits of knowledge; it limits knowledge.“ Formen ich ausprobiere, wie ich reagiere, wo ich
(Toni Morrison, 1993: Nobel Lecture) mir Verbündete suche, an welchen Punkten ich
kämpfe und an welchen nicht, an welchen Stellen
Durch meine Sprachhandlungen gestalte ich mit welchen Anteilen von mir anwesend sein
ich Universität und meinen Alltag mit kann und will.

Wenn ich anfange, mich mit Sprachhandlungen Damit gestalte ich mein Umfeld, z.B. die Univer-
und Diskriminierungen zu beschäftigen, merke sität, selbst mit und kann in jedem Moment ak-
ich, wie ich in vielfacher Form (heraus)gefor- tiv etwas verändern, selbst wenn es nur für mich
dert werde. Mir wird z.B. bewusst, wie stark viele selbst ist und ich mich dadurch
sprachlich hergestellte Vorstellungen und Hand- → empowert fühle.
lungen durch gesellschaftliche Normen und →
Machtverhältnisse geprägt sind. Vielleicht war Wenn ich anfangen möchte, mich mit Sprach-
mir bislang gar nicht klar, dass ich durch mei- handlungen, Diskriminierungen und Handlungs-
ne Sprachhandlungen auch immer wieder diese möglichkeiten zu beschäftigen, kann ich mir z.B.
Normen und Machtverhältnisse re_produziere. die folgenden Fragen stellen:
Anhand meiner Sprachhandlungen kann ich also
anfangen zu lernen (und das endet nie), wie stark Wie will ich benannt werden? Wie will ich
auch ich Vorstellungen in und durch mein Spre- wahrgenommen werden in welchen Kontexten
chen und Schreiben normalisiere. und Situationen? Diese Fragen sind nie abschließ-
bar, sondern ich kann sie mir immer wieder neu
Gleichzeitig erlebe ich, wie spannend es ist, neue stellen, immer wieder neue Formen und Interak-
Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren. Jeden tionsformen ausprobieren und finden, mich im-
Tag gibt es unendlich viele Möglichkeiten, durch mer wieder neu herausfordern und hinterfragen,
mein Schreiben und Sprechen antidiskriminie- also → ver_orten.
rend zu handeln – selbst dann, wenn ich das
Gefühl habe, dass die Strukturen stark und starr Was höre ich von anderen Personen, direkt
sind, dass ich nichts erreichen kann, dass ich mich und indirekt, wie sie benannt, wie sie wahrge-
verausgabe. Auch in Situationen, in denen ich un- nommen werden wollen? Wichtig ist hier,

5
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

mich selbst in Bezug auf meine eigene → vorstellungen und Kommunikationsformen


Privilegierungen zu reflektieren und ausgehend zu verändern. Ich lerne also sprachhandelnd,
von diesen genauer denjenigen zuzuhören, die und sprachlich zu handeln, ist lernen.
sich diskriminiert fühlen. Ich kann mich in ver-
schiedenen Situationen fragen: Werde ich pri- Und ich kann mich fragen: Wie will ich mit
vilegiert oder diskriminiert oder vielleicht auch anderen kommunizieren? Mit wel_chen will ich
beides und welche Rolle spielt das in einer kon- wozu kommunizieren?
kreten Situation? Bin ich kritisch ver_ortet, d.h.
habe ich diese Diskriminierungsstrukturen an- Viele weitere Fragen könnten wir hier auflisten.
gefangen zu hinterfragen und versuche ich da- Fragen, die nie abschließend beantwortet werden
gegen zu handeln? Genauer zuzuhören bedeu- können und immer wieder neu gestellt werden
tet beispielsweise auch, genauer zu reflektieren, müssen, deren Antworten sich mit der Zeit und
welche Stimmen ich bisher nicht gehört habe, in bestimmten Situationen und Kontexten ver-
welche Möglichkeiten zum Zuhören ich mir bis- ändern können. In den folgenden Abschnitten
her nicht gegeben habe. Wie also kann ich aktiv beschäftigen wir uns mit Fragen zu Sprache bzw.
zuhören, auch beim Lesen von Texten? Sprachhandlungen und wie sie mit Normierun-
gen, Benennungen und Nicht-Benennungen,
Wie kann ich Formen, die mich und_oder Diskriminierungen und Privilegierungen, Ent-
andere diskriminieren, verändern? Ein Orientie- scheidungen und Veränderungsmöglichkeiten
rungspunkt dafür ist: Die Personen, die → zusammenhängen.
strukturell diskriminiert sind, befinden darüber,
wie sie benannt werden wollen. Werde ich privi- Unsere Vorschläge zeigen, wie wir, die wir die-
legiert in Bezug auf eine Diskriminierungsform, se Broschüre als eine statusmäßig und in Bezug
kann ich denen, die diskriminiert werden und auf Diskriminierungsformen gemischt zusam-
darüber sprechen und schreiben, genau zuhö- mengesetzte Gruppe geschrieben haben, diese
ren und sie als kompetente Ex_pertinnen ernst Zusammenhänge im Moment verstehen_disku-
nehmen. Ich nehme mir dadurch Raum zum tieren_konzeptualisieren.
Lernen, anerkenne die Selbstbenennungen von
diskriminiert positionierten Personen und nutze
meine Irritation, die ich vielleicht habe, weil mir
vieles neu und ungewohnt ist, meine Normal-

6
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

Was ist Sprache bzw. was sind durch und mit Sprachhandlungen geschieht,
Sprachhandlungen? muss nicht explizit in diesen benannt sein, son-
dern kann auch eine lange Bedeutungsgeschich-
Sprache ist kein bloßes Kommunikations- te haben und aufrufen oder als Voraussetzung
mittel, das auf neutrale Weise Informationen in die Äußerung mit eingehen. In der Auffor-
transportiert. Sprache ist immer eine konkrete derung ‚alle lesen bitte diesen Text zum nächs-
Handlung. Über Sprache bzw. Sprachhandlun- ten Mal‘ ist beispielsweise vorausgesetzt, dass
gen wird Wirklichkeit geschaffen. Das passiert ‚alle‘ lesen können. In einer Werbung der deut-
z.B. dadurch, dass mit einzelnen Wörtern Zu- schen Bundesregierung zum ‚Recht auf Reisen
schreibungen erzeugt werden, die so oder aber für alle’, die auf großen Plakaten an Flughäfen
auch anders hergestellt werden könnten. Wann angebracht ist, sind hingegen mit ‚alle‘ ganz of-
beziehe ich mich beispielsweise auf eine Person fensichtlich nicht Personen gemeint, die keinen
mit der Aussage ‚der Mitarbeiter mit dem Bart‘, deutschen Pass haben, wodurch dieses ‚alle‘ hier
wann ‚der blinde Mitarbeiter‘, und warum ei- eine Gruppe als Norm herstellt und viele ande-
gentlich nie ‚der sehende Mitarbeiter‘? Welche re diskriminierend ausschließt. Auf dem Plakat
Normen rufe ich auf diese Weise auf ? Dassel- sitzt eine Person im Rollstuhl – es handelt sich
be passiert auch, wenn mit bestimmten Sätzen, also offenbar um eine Anzeige für die Ziele der
Phrasen, Texten oder (Sprach-)Bildern immer Anti-Diskriminierungsrichtlinie zu beHinde-
ganz bestimmte Dinge ‚wie selbstverständlich‘ rung. Aber auch da bleiben die Personen, die
assoziiert werden: wenn beispielsweise ‚dunkel‘ einen Rollstuhl benötigen (würden) und keinen
als eine Metapher oder die Farbe ‚Schwarz‘ als deutschen Pass haben, ausgeschlossen aus der
ein Bild mit bestimmten Verben und Handlun- Gruppe ‚alle‘.
gen verwendet und in diesen Zusammenhängen
mit Bedrohung assoziiert werden, wenn Adjekti- Sprachliche Diskriminierungen können also so-
ve, die → beHinderung ausdrücken, mit Unwis- wohl direkt und explizit sein als auch indirekt
senheit verknüpft werden, wenn ‚Bart‘ im Bei- und implizit, über Verallgemeinerungen und
spiel weiter oben mit einer männlichen Person Vereinnahmungen stattfinden.
assoziiert wird, Weiblichkeit mit starker Emo-
tionalität und_oder Schwäche. Sprachhandlun-
gen sind damit nie neutral, auch wenn dies nicht
allen immer und sofort bewusst ist. Das, was

7
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

Wie hängen Sprachhandlungen und nicht kompetent wahrzunehmen – ich werde also
Normierungen zusammen? nicht nach meiner Funktion, um die es in einer
bestimmten Situation geht, benannt und wahrge-
Mit Sprachhandlungen werden automatisch nommen.
(bewusst oder unbewusst) soziale Normen auf-
gerufen. Soziale Normen bilden die Grundla- dass ich als → ableisierte, d.h. Dozen_tin,
ge für eine Gesellschaft und beeinflussen all- d_ie nicht → beHindert wird, im Gespräch mit
tägliches Denken und Handeln. Nachfolgend einer studentischen Arbeitsgruppe auf eine be-
werden ein paar Beispiele für solche Normen stimmte Stud_entin hinweise und mich dabei
genannt, die sich in Sprachhandlungen ausdrü- nicht auf ihre inhaltlichen Beiträge beziehe,
cken und die zeigen, wie grundlegend Diskri- sondern auf ihr_e Kommunikationsform – bei-
minierungsstrukturen in der Gesellschaft insge- spielsweise Gebärdensprache – als sie charakte-
samt und an der Universität im Speziellen sind. risierendes Kriterium, weil ich mich bisher noch
So ist es beispielsweise eine diskriminierende nicht mit dieser Diskriminierungsform beschäf-
Norm, …: tigt habe. Und wobei ich außerdem Lautsprache
nicht explizit als charakterisierendes Kriterium
dass ich als Person, die sich vielleicht noch für die meisten anderen Stud_entinnen im Semi-
nicht so viel mit Diskriminierung beschäftigt nar benenne. (Gleichzeitig ist das Beispiel nahezu
hat, Menschen sprachlich wie selbstverständlich absurd, da Universität und vorgelagerte Bildungs-
einer von zwei → Geschlechtsgruppen zuordne zugänge so organisiert sind, dass die Zahl gebär-
(‚Frauen‘ und ‚Männer‘), z.B. bei sozialen Rela- densprachlich kommunizierender Stu_dentinnen
tionen (‚das ist der Partner von…‘ oder ‚kennst verschwindend gering ist.)
du die Tante, die…‘), und damit eine Norm von
→ Zweigeschlechtlichkeit re_produziere. dass ich als Femin_istin die Formen, die ich
explizit für Männer verwende (‚Arbeiter‘), gleich-
dass ich als → Schwarze Person, d.h. als eine zeitig in sehr vielen Kontexten auch als die Form
Person, die durch → Rassismus diskriminiert lesen muss, die sich auf ‚alle‘ Personen beziehen
wird, häufig über eine vorgebliche Hautfarbe ‚soll‘, was ich immer wieder als eine Gleichset-
eingelesen werde. Dieses Reduzieren auf eine zung von Mann und Mensch lese.
fragwürdige visuelle Vorstellung wird dann häu-
fig als entscheidendes Merkmal benutzt, mich als

8
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

dass meine Versuche, als Fe_ministin weibli- vorhaben oder was ich zum Essen bestellen
che Formen als allumfassende, sogenannte gene- möchte. (Vgl. zur Aussprache dieser Formen
rische Formen zu benutzen (z.B. eine Professorin Kap. 3)
muss pro Semester…), auf so viel Widerstand
stoßen. Das zeigt mir, dass Sprachformen etwas Diese ‚Ichs‘ können Personen sein, die eine
mit Denkvorstellungen zu tun haben und Men- oder mehrere dieser Normen jeden Tag so er-
schen herausfordern können, wenn ihre Verwen- leben und erfahren. Alle diese Beispiele zeigen,
dung von den diskriminierenden, Männer bevor- wie soziale Normen sprachlich aufgerufen und
teilenden Normen abweichen. bestimmte Diskriminierungsformen immer
wieder bestätigt werden. D.h., über Sprach-
dass ich als → weiße Person in der Regel nach handlungen finden wichtige gesellschaftliche
Kompetenz oder konkreter Funktion (z.B. die Normierungsprozesse statt. Sie manifestieren
Sachbearbei_terin) benannt werde, nicht aber sich z.B. in grammatikalischen Regeln, Stellen-
über meine Privilegien in Bezug auf Rassismus ausschreibungen, Lexika, Sprachbroschüren
oder über Konstruktionen von Hautfarbe und wie dieser, Fragebögen, Toilettensymbolen,
Aussehen. verwaltungstechnischen Vorschriften oder Im-
matrikulationsformularen, von denen wir eini-
dass ich als eine Person mit einem konven- ge auch in diesem Text diskutieren.
tionalisiert ‚deutsch‘ einlesbaren Namen nie ge-
zwungen bin, Anderen kontinuierlich zu erklären,
welche Assoziationen mein Name in Bezug auf Welche Rolle spielen Benennungen und
meine Herkunft, regionale Zugehörigkeit und_ Nicht-Benennungen?
oder StaatsbürgerInnenschaft haben könnte und
ich auch nie gezwungen bin, seine Aussprache zu Sprachhandlungen orientieren sich vielfach
erläutern oder zu korrigieren. an den Maßstäben, die in der Gesellschaft als
‚normal’ gelten, und verstärken diese Normen
dass ich als Person im Rollstuhl häufig erle- dadurch, dass sie gerade nicht benannt werden
be, wie ‚über mich‘ gesprochen wird, statt mit mir müssen. Beispielsweise ist eine momentan häu-
oder wenn, dann so, als wäre ich ein Kind, wenn fig unbenannte Norm in Bezug auf Menschen
ich zum Beispiel gemeinsam mit einx Freundx männlich, → weiß, umfassend nicht beHindert
unterwegs bin und immer x gefragt wird, was wir (→ ableisiert) zu werden sowie heterosexuell,

9
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

Mittelklasseprivilegien zu haben. Auf diese refreien Frauen- und Männer- Toiletten benen-
implizite Weise werden gesellschaftliche → nen zum einen eine gesellschaft- lich geschaf-
Macht-verhältnisse umso machtvoller re_pro- fene Norm, die sagt, dass es zwei Geschlechter
duziert, normalisiert und bestätigt. Gesellschaft- gibt (→ ZweiGenderung) und entnennen zum
liche Machtverhältnisse und damit verbundene anderen, dass die jeweilige Toilette Personen
Normsetzungen kommen durch Benennungen ausschließt, die einen Rolli als Bewegungsform
und Nicht-Benennungen zum Ausdruck. Es benutzen. ‚Frau‘ bzw. ‚Mann’ werden hier also
macht einen Unterschied, ob eine → privilegier- implizit ent-hindert (was hier also heißt: bewe-
te → Positionierung, also z.B. weiß und männ- gungstechnisch weitgehend ableisiert). Rollstüh-
lich zu sein und nicht beHindert zu werden, in le als Bewegungsform benutzende Frauen sind
einem bestimmten Kontext benannt oder nicht beispielsweise in der Benennung ‚Frauen’toilette
benannt wird. Wird sie nicht benannt, wird das nicht mit gemeint. Toiletten für Menschen mit
in antidiskriminierendem Aktivismus auch Ent- bestimmten Formen von BewegungsbeHinde-
nennung genannt, um klarzumachen, dass es rungen ordnen Personen dagegen ausschließlich
eine Handlung ist. Wird eine diskriminierte Po- danach ein, ob sie eine bestimmte Form von be-
sitionierung nicht benannt, wird also in Texten, Hinderung haben oder nicht. Ob diese Perso-
Beispielen und Bezugnahmen in Gesprächen nen Frauen oder Männer sind, spielt keine Rolle.
so getan, als würde es nur heterosexuelle Per- beHindertentoiletten entnennen dadurch also
sonen geben oder nur Personen, die sich lega- im gleichen Moment die Norm der ZweiGen-
lisiert in der Universität aufhalten können, wird derung (Mann/Frau). Auch hier realisiert sich
dies Ent_Erwähnung von Personen genannt, sprachlich, dass beHinderte Personen häufig
die – genau durch die Nicht-Benennung – dis- nicht als weiblich oder männlich wahrgenom-
kriminiert sind. Diese wichtige Unterscheidung men werden, sondern ausschließlich als beHin-
wird an folgendem Beispiel deutlich: In vielen dert.
öffentlichen Gebäuden gibt es einerseits ‚ein-
deutig‘ gekennzeichnete Toiletten für Frauen Kann es Sexismus ohne Rassismus und
und Männer, die nicht-barrierefrei sind, und an- Ableismus geben?
dererseits separate Toiletten für Menschen mit
beHinderungen, die nicht gegendert sind, d.h. Ganz schön kompliziert. Und ganz schön viel:
bei denen nicht nach Toiletten für Frauen und Sprache spiegelt nicht einfach etwas wider, was
Männer unterschieden wird. Die nicht-barrie- sowieso da ist, sondern ist ein wichtiger Bestand-

10
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

teil gesellschaftlicher Normen und Situatio- Warum gehen Sprachhandlungen immer


nen, stellt diese mit her, bestätigt diese, macht Entscheidungen voraus?
sie selbstverständlich. Sprachhandlungen sind
durch das Benennen, Klassifizieren, Ein- und Konkreten Sprachhandlungen gehen – bewusst
Zuordnen, Bewerten, Einlesen und Ausschlie- oder unbewusst – immer auch bestimmte Ent-
ßen von Personen – was wir kontinuierlich ma- scheidungen voraus oder sie basieren auf be-
chen – macht- und gewaltvoll. Denn sie re_pro- stimmten Vorannahmen, die auf diese Weise re_
duzieren dadurch → Diskriminierungen. Dies produziert werden und sich weiter verfestigen:
geschieht nicht nur in Bezug auf → Geschlecht. Welche Personen benenne ich, welche nicht?
Geschlecht bzw. Gender ist immer schon mit Welche Sprachformen benutze ich für diese und
anderen Kategorien sozialer Ungleichheit ver- welche nicht? Welche Formen der Bezugnahme
woben – es gibt Geschlecht nicht jenseits an- stelle ich damit her? Sage ich z.B. ‚die Person, die
derer struktureller Ordnungsmechanismen, wie da läuft‘ oder ‚die Frau, die da läuft‘, ‚die junge
das letzte Beispiel mit der Toilettenzuordnung Frau, die da läuft‘, ‚die interessante junge Frau,
deutlich zeigt. In Sprachhandlungen werden so die da läuft‘, ‚die Frau, die vor der Jugendgrup-
stets gleichzeitig → Sexismen/Genderismen, pe vor der Kneipe wegläuft‘? Was stelle ich auf
→ Rassismen, → Ableismen, → Klassismen, diese Weise her? Was mache ich relevant und
→ Migratismen etc. aufgerufen, wiederholt wofür? Was bleibt ungesagt, also entnannt oder
und verfestigt. Ist eine → Schwarze Frau durch ent_erwähnt?
Sexismus diskriminiert? Oder durch Rassis-
mus? Oder ist nicht Sexismus/Genderismus Viele dieser Entscheidungen habe ich mir bisher
immer auch rassifiziert, (dis)ableisiert, klassifi- vielleicht nicht bewusst gemacht, über viele habe
ziert, migratisiert und andersherum auch Ras- ich nicht nachgedacht, sondern bin einfach gän-
sismus immer gegendert, (dis)ableisiert, klassi- gigen, für mich selbstverständlichen Mustern ge-
fiziert und migratisiert? Dieser Zusammenhang folgt, habe Sprachhandlungen so verwendet, wie
(oder: Sachverhalt) heißt in der Forschung und auch andere um mich herum sie verwenden. Ich
in antidiskriminierendem Aktivismus häufig habe diese Entscheidung also nicht unbedingt
→ Intersektionalität oder Interdependenz und bewusst und reflektiert getroffen. Trotzdem sind
meint die Untrennbarkeit dieser Diskriminie- es jeweils Entscheidungen, Handlungen, die ich
rungen, dass sie immer zusammen und gleich- so vollziehe, auch im Nicht-darüber-Nachden-
zeitig da sind und wirken. ken. Sprache ist u.a. deshalb so lebendig, so

11
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

kontinuierlich veränderbar und so spannend, Wie verändere ich meine


weil Sprache eine Handlung ist, die ich selbst Sprachhandlungen?
festlegen und beeinflussen kann, die ich sogar
selbst kontinuierlich festlege – bestätigend oder Sprachhandlungen schaffen und bestätigen ge-
verändernd. Ich kann meine eigenen Sprach- sellschaftliche Normen und Werthaltungen –
handlungen hinterfragen und verändern. Ich fordern diese jedoch gleichzeitig auch heraus.
kann mir Sprachhandlungen also (wieder) an- Auf diese Weise tragen veränderte Sprachhand-
eignen – ich kann mir meine Sprachhandlungen lungen zu gesellschaftlichem Wandel bei, sind
bewusst machen und sie reflektieren und dann aber nicht immer und nicht in jedem Kontext in
feststellen, dass meine Sprachhandlungen einen gleichem Umfang und in derselben Form mög-
Unterschied machen können! Und dass dies lich. Wie groß Handlungsräume sind und wie
spannend ist und Spaß macht, meine Sichtwei- ich sie am besten gestalte, kann sich für mich
sen erweitert und mich genauer und aktiv zuhö- oft verändern und kann ich am besten vorher
ren lässt. und möglichst mit anderen zusammen überle-
gen. Meine Entscheidungen sind z.B. abhängig
Das bedeutet gleichzeitig: Auch wenn ich von meiner → Positionierung innerhalb der →
schweige, handle ich. Ich treffe eine Entschei- Macht- und Statusverhältnisse an der Univer-
dung, auch wenn ich z.B. weghöre und wegsehe, sität (Bin ich in einem Abhängigkeitsverhält-
wenn ich nicht weiter über meine Sprachformen nis von anderen Personen im Raum, die mich
nachdenke, wenn ich nicht aktiv zuhöre, auch benoten, mich ‚betreuen‘, meine Vorgesetzten
dem Schweigen Anderer nicht, und wenn ich die sind? Habe ich eine befristete Stelle?) und da-
Stimmen von Personen, die diskriminiert sind, von, wie sicher ich mich in einer Situation füh-
nicht in ihren Forderungen ernst nehme, gewisse le und_oder wie viele andere da sind, die mich
Begriffe zu meiden und andere zu gebrauchen, unterstützen.
wenn ich mich nicht traue, gegen Diskriminie-
rungen zu intervenieren, wenn ich hoffe, dass Manche Sprachhandlungen lassen sich einfach
andere nichts gehört haben, wenn eine Person verändern, bei anderen ist es schwieriger. Für
diskriminierend benannt wird, wenn alle lachen manche braucht es Verbündete, um z.B. in ei-
und ich mitlache, wenn ich mein Unwohlsein nem Seminar gemeinsam darauf zu achten,
mit sprachlichen Interaktionen runterschlucke, dass möglichst keine → rassistischen Diskrimi-
wenn ich verdränge und nicht wahrhaben will. nierungen re_produziert werden. Oder um zu

12
1 Sprachhandlungen und Veränderungen

kritisieren und zu verändern, dass ein → weißer Sich Sprache kritisch und reflektierend als Hand-
Raum auch weiterhin als selbstverständlich weiß lungsdimension (wieder) anzueignen, ist nie ab-
gehalten und durch explizite und implizite rassis- geschlossen.
tische Bezugnahmen hergestellt wird. Für andere
Sprachhandlungen muss vielleicht zuerst die ei- Es gibt nicht DIE → empowernde, nicht-dis-
gene Wahrnehmung sensibilisiert und erweitert kriminierende Sprache, sondern nur immer wie-
werden: um z.B. gehbeHinderte Personen nicht der neue, kreative Versuche, Wahrnehmungs-
mit der allgemeinen Aufforderung zu diskrimi- gewohnheiten zu irritieren und sprachliche
nieren, bei der persönlichen Vorstellung aufzuste- Diskriminierungen wahrzunehmen, herauszu-
hen, oder im Ankündigungstext eines Seminars fordern, zu bemerken, anzusprechen, dagegen
implizit davon auszugehen, dass alle Seminarteil- anzuschreiben und den eigenen Sprachgebrauch
nehmer*innen den Beitrag für die obligatorische zu verändern.
Exkursion ohne Probleme aufbringen können.
hornscheidt, lann: feministische w_orte:
Ich kann nicht nur über meinen Sprachgebrauch ein denk- und handlungsbuch zu sprache und
kritisch nachdenken und mir z.B. neue Begriffe diskriminierung, gender studies und feministi-
aneignen, sondern auch kreative Versuche un- scher linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes & Ap-
ternehmen, in meinen Sprachhandlungen mir sel, 2012.
selbst und meiner spezifischen → Ver_ortung
Raum zu geben, z.B.: Bin ich feministisch? Ar- Bretz, Leah; Lantzsch, Nadine: queer_
beite ich anti-rassistisch? Habe ich eine Studien- feminismus: label & lebensrealität. Münster: Un-
gruppe für Leute gegründet, die keinen akade- rast-Verlag, 2013.
mischen Background haben? Ich kann Worte
ausprobieren, finden, immer wieder neu verän-
dern, die sich für mich richtig und passend an-
fühlen. Ich kann probieren, mich Bezeichnun-
gen anzunähern, die mich und andere anwesend
sein lassen.

13
Welche Leute können an der Uni ohne nachzudenken aufs Klo gehen und welche trinken zur Vermeidung
nichts und verdrücken sich das Pinkeln stundenlang? Klosituationen sind nicht für alle selbstverständlich,
Interventionen dagegen können Blasen retten und Anwesenheiten normalisieren.
2 Sprachformen im Überblick

2 Sprachformen im Überblick

Für antidiskriminierende Sprachhandlungen sowie die Personengruppen, die angesprochen


sind in den letzten Jahrzehnten verschiedene werden sollen. Die folgende Tabelle bietet einen
Sprachformen und Varianten entstanden und Überblick über mögliche Substantive, Personal-,
verwendet worden, die immer auch weiterent- Possessiv- sowie Fragepronomen für antidiskri-
wickelt werden, wie schon im letzten Abschnitt minierende Sprachhandlungen. Sie werden in
zur Veränderung von Sprachhandlungen ange- Kapitel 4 näher erläutert. Die Tabelle zeigt, wie
sprochen. Die Auswahl einer bestimmten Form viele Möglichkeiten es für kreatives Sprachhan-
hängt von vielem ab. Zwei wichtige Faktoren deln momentan schon gibt. Einige haben wir in
sind: der Kontext, in dem sie angewendet wird diesem Text verwendet.

Sprachformen Substantive Substantive Personal- Possessiv- Frage- Vgl.


Singular Plural pronomen pronomen pronomen Seite
x-Form Studierx Studierxs x xs Wex? 22
*-Form I Studier* Studier** * *‘s We*? 22
Dynamischer Stu_dentin Stu_dentinnen s_ier ih_re We_lche? 23
Unterstrich
Wortstamm- Stud_entin Stud_entinnen si_er ihr_e Welch_e? 24
Unterstrich
*-Form II Student*in Student*innen sie*er ihre*seine Welche*r? 25
Statischer Unter- Student_in Student_innen xier, sie_er xiesen, Welche_r? 25
strich ihr_ihm
Generisches Studentin Studentinnen sie ihre Welche? 26
Femininum
Binnen-I StudentIn StudentInnen sie ihre Welche? 27
ihrE WelchE?
Zwei- Studentin Studentinnen sie/er, si/er ihre/seine Welche? / 27
Genderung und Student und Studenten Wer?
a-form (für Dinge) Kopiera Kopieras es sein Was? 27

16
3 Entscheidungshilfen zur Auswahl von Sprachformen

3 Entscheidungshilfen zur Auswahl von Sprachformen

Wie entscheide ich, wann und wo ich Sprach- nicht, dass es nicht diskriminierend sein kann
handlungen wie verändere? D.h., welche Sprach- und ist!
formen wähle ich wann und wo aus?
Es gibt nicht DIE eine richtige → in-
Zwei Grundannahmen terdependent antidiskriminierende Sprachform
(vgl. Kapitel 1). Es ist vielmehr notwendig, sich
Es gibt nicht eine bestimmte Form, kontinuierlich mit diskriminierenden Sprach-
die ‚alle‘ (im Sinne von alle Personen) meint handlungen zu beschäftigen und nach sich
und mit der ‚alle‘ angesprochen sind. Das liegt selbst und andere herausfordernden, kreativen
daran, dass ‚alle‘ auch stets ‚prototypisch as- Neuerungen zu suchen, sie auszuprobieren,
soziiert‘ wird, d.h. mit bestimmten, nicht ‚alle‘ mit anderen zu diskutieren, die eigenen Wahr-
einschließenden Merkmalen verknüpft und nehmungen zu hinterfragen und das Sprechen
verwendet wird – in Kapitel 1 und 6 geben und Schreiben immer wieder zu verändern.
wir weitere Beispiele dafür. Noch einmal: Das
muss mir nicht bewusst sein beim Sprechen
und Schreiben, zumeist ist gerade das Gegen- Wenn ich Personen sprachlich benennen
teil der Fall: Es gibt keine neutralen Assoziati- will, stelle ich mir zuerst folgende Fragen
onen zu ‚alle‘. → Strukturelle Diskriminierun-
gen realisieren sich u.a. gerade dadurch, dass a. Will ich, dass durch meine Sprachhand-
sie vorgeben, sie wären neutral, pseudoneutral lungen möglichst viele Personen mit möglichst
nennen wir das hier. Um strukturelle Diskrimi- vielen unterschiedlichen → Positionierungen,
nierungen wahrzunehmen und zu verändern, also bezogen auf Diskriminierungen, ange-
ist es daher notwendig, Personen und Perso- sprochen werden können/sich potentiell an-
nengruppen in Bezug auf in einer Situation gesprochen fühlen können? Oder will ich ganz
relevante strukturelle Diskriminierungen und spezifische Personen und Personengruppen
→ Privilegierungen möglichst genau und dif- ansprechen und warum diese und andere nicht?
ferenziert zu benennen. Das einzuschätzen ist
häufig schwierig und ein nicht abschließbarer b. Will ich konkrete soziale oder gesell-
Reflexionsprozess. Nur weil etwas auf der schaftliche Verhältnisse benennen? Will ich
Oberfläche nicht diskriminierend erscheint, mich auf rechtliche und verwaltungstechnische
nur weil viele es kontinuierlich so sagen, nur Normen beziehen, die z.B. → ZweiGenderung
weil niemand sich dagegen wehrt, heißt das
17
3 Entscheidungshilfen zur Auswahl von Sprachformen

herstellen (also die Idee, es gäbe nur ‚Frauen‘ die Zielpersonen sich davon angesprochen fühlen
und ‚Männer‘ als unhintergehbare, feststehende können? Dazu zählt auch, sie nicht als ‚extra‘ zu
Norm). Solche → zwangszweigendernden An- behandeln. Diese Frage stellt sich z.B. in den fol-
gaben sind z.B. aus den Immatrikulationsunterla- genden Situationen an der Universität:
gen bekannt, wo angegeben werden muss: ‚Ge-
schlecht: weiblich oder männlich‘, was auch in den Warum höre ich als → trans_x_te Person
Fotografien dieser Broschüre wiederauf- genom- so selten ‚Liebe Trans_x_te‘, warum als Inter*Per-
men und hinterfragt wird. son so selten „Liebe Inter*Personen“? Wo kön-
nen sich bspw. Trans*- und_oder Inter*Personen
c. Will ich die antidiskriminierenden, → wiederfinden in einer Anrede wie ‚Liebe Damen
empowernden Selbstbenennungen von Perso- und Herren‘?
nen verwenden, die diese auch für privilegiert
Positionierte als Benennungsmöglichkeiten an- Warum muss ich als eine durch → Ras-
bieten, um sie direkt anzusprechen oder über sie sismus diskriminierte Person ständig alle Beispiele
zu reden? Will ich diese Benennungsformen auch für mich übersetzen, da sie sich implizit ausschließ-
selbst respektieren und wiederaufnehmen, z.B. lich auf → weiße Lebensrealitäten beziehen? War-
die Benennung → Schwarze Deutsche als von um muss ich das auch als eine durch beHinderung
Schwarzen Personen eingeführte, empowernde diskriminierte Person kontinuierlich leisten, da
Selbstbezeichnung, die diese auch von anderen, sich die Beispiele alle auf nicht-beHinderte Le-
Nicht-Schwarzen als Benennung für sich fordern? bensrealitäten beziehen? Wie kann ich es vermei-
den, dass Personen durch Beispiele in Vorträgen,
d. Welche Personen spreche ich mit meinem Seminaren oder Artikeln diskriminiert werden?
Text oder Redebeitrag an? Adressiere ich konkre- Welche Lebensrealitäten und Personen werden
te Personen, will ich Personengruppen differen- z.B. ausgeschlossen, wenn betont wird, dass sich
ziert nach ihrer spezifischen konkreten Diskrimi- die Bildungsabschlüsse von Frauen wegen langer
nierung, die relevant ist für das, was ich sagen/ ‚Familien-Pausen‘ nicht auszahlen?
schreiben will, benennen oder eine möglichst gro-
ße Gruppe? Wie sind diese konstituiert? Wann ist Warum muss ich als gesellschaftlich über
die Diskriminierung für das, was ich sagen will, Lautsprachenormen beHinderte Person konti-
relevant und wann nicht?e. Wie kann ich nu- ierlich einfordern, dass meine Kommunika-
mein Sprechen und Schreiben so gestalten, dass tions-form in Gebärden Berücksichtigung fin-

18
3 Entscheidungshilfen zur Auswahl von Sprachformen

det? Warum ist es meine Aufgabe, mich darum auszuschließen aus Seminarinteraktionen, in-
zu kümmern, dass Seminarfolien für mich als dem bestimmte Kommunikationsnormen, wie
blinde Person les_hörbar sind, oder dass Exkur- mündliche Gruppengespräche oder Chats im
sionen für mich als auf einen Rollstuhl angewie- Internet, gesetzt werden, denen ich nicht einfach
sene Person in passenden Bewegungsformen so Folge leisten kann? Welche Personen stelle ich
stattfinden? mir als → ableisierte und → nicht-migratisierte
Dozentx in meinem Seminar vor, wenn ich die
Warum werde ich als Trans*- und_oder Teilnehmxs bitte, etwas laut vorzulesen (und
Inter*Person in Verwaltungsvorgängen ständig dabei keine Einschränkungen in visuellen Mög-
dazu aufgefordert, meinen ‚eigentlichen‘ oder lichkeiten wahrnehme) oder etwas Schriftliches
meinen früheren Namen und Personenstand zu formulieren (und nicht darüber nachdenke,
anzugeben? dass Personen auch unterschiedliche Bezüge,
Ängste, Möglichkeiten und Zugänge zur Ver-
Warum spielen meine Feiertage und Ri- wendung von Schriftsprache haben können)?
tuale als muslimische Person so gar keine Rolle
im Universitätsalltag – außer wenn es um ‚aus- Wie kann ich es als Lehrx vermeiden,
gefallene‘ und ‚abweichende‘ Beispiele geht? Personen und Personengruppen aus dem Ka-
Warum ist nicht freitags arbeits- und schulfrei, non (in meinen Literaturlisten, meinen Zitie-
sondern sonntags? rungen, meinen Verweisen etc.) auszuschließen
– oder sie als ‚extra‘ und ‚zusätzlich‘ herzustel-
An welche Feiertage wird gedacht, len? Um welche Personen geht es z.B. in einer
wenn im Dezember überall ‚Schöne Feiertage‘ Seminarreihe zu Feministischer Theorie, wenn
gewünscht werden? Wie viele denken dabei an in einer extra Sitzung das Thema ‚Schwarzer Fe-
Chanukka? Warum ist nicht Samstag der wich- minismus‘ eingeplant wird? Welche Form von
tigste und potentiell freie Tag der Woche, an Feminismus ist es in den anderen Teilen des Se-
dem z.B. keine Blockseminare stattfinden kön- minars? Und welche Namen und Texte stehen
nen – oder dies zumindest erst mal bei den Teil- dann nahezu universalisierend für ein bestimm-
nehmxs erfragt werden muss? tes Verständnis von Feminismus und werden so
wiederum vereinheitlicht?
Warum ist es möglich, mich als gesell-
schaftlich beHinderte Person kontinuierlich

19
ns
mei
War es für dich schonmal schwierig die Kreuzchen zu machen? Hast du dir auch schon Alternativen beim
Ausfüllen gewünscht? Hier der Versuch kleine Ver_änderungen loszudenken.
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, breiteten und uns momentan bekannten Formen,
Sprache so zu verändern, dass meine Sprach- die sprachliche → ZweiGenderung grundlegend
handlungen nicht diskriminierend sind. In diesem herausfordern. Daneben gibt es viele Kontexte,
Kapitel stellen wir nacheinander und systema- in denen es wichtig ist, ob sich die gemeinten Per-
tisch solche Sprachhandlungen vor, die Personen sonen als weiblich, männlich, inter* und_oder
benennen und in diesem Bereich antidiskriminie- trans* verstehen oder wo eine Situation dadurch
rend wirken können. Wir geben Beispiele dazu, gekennzeichnet ist, dass eine ausschließliche
wie sie gebildet werden, wann sie Sinn machen Wahrnehmung von zwei Geschlechtern eine Rol-
und wie und wo sie angewendet werden können. le spielt – zum Beispiel, wenn es um Staatsbür-
Am Ende gibt es jeweils Hinweise zum Weiter- gerInnenschaft geht. In diesen Fällen würde dies
lesen. durch x-Formen ignoriert, weshalb andere For-
men sinnvoller sind.
x-Form und *-Form (Sternchen-Form) I
Bildung von Substantiven: Wenn möglich, wird
Dix Studierx hat in xs Vortrag darauf auf- im Singular ‚x‘, im Plural ‚xs‘ an den Wortstamm
merksam gemacht, dass es unglaublich ist, der dazugehörigen Verbform angehängt, z.B.
wie die Universität strukturiert ist, dass es Studierx, Studierxs und Lehrx, Lehrxs. Bei ande-
nur so wenige Schwarze/PoC Professxs gibt. ren Formen ist Kreativität gefragt, z.B. durch das
Ersetzen der konventionalisiert gegenderten En-
Das ‚x‘ signalisiert ein Durchkreuzen herkömmli- dungen: Angestelltx, Angestelltxs und Doktox,
cher → gegenderter Personenvorstellungen. Die- Doktoxs. (Die Form wird jeweils ‚iks‘ ausgespro-
se Form wird angewendet, wenn die Frage, ob die chen, im Plural ‚ikses‘.)
gemeinten Personen weiblich, männlich,
→ inter* oder → trans* sind, in einem Kontext Bildung von Pronomen: Im Singular wird ‚x‘, im
keine Rolle spielt oder keine Rolle spielen soll. Es Plural ‚xs‘ als Personal- und Possessivpronomen
ist jeweils genau abzuwägen, was damit zum Aus- verwendet. Als bestimmtes Pronomen fungiert
druck kommt. Das gleiche gilt für die *-Form. die Form ‚dix‘, als unbestimmtes die Form ‚einx‘.

Sie nimmt symbolisch auf verschiedene, viel- fäl- Weiteres: Die Dativ- und Akkusativformen ent-
tige → Positionierungen Bezug. Momentan sind sprechen den Substantiven, die Genitivform wird
diese beiden Varianten die einzigen weiterver- durch das Anhängen eines ‚s‘ gebildet.

22
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

‚x‘ kann auch das Indefinitpronomen ‚man‘ (vgl. der konventionalisiert weiblichen Form – statt-
Kapitel 7) oder ‚eine’ ersetzen. findet (vgl. z.B. statischer Unterstrich). Der dyna-
mische Unterstrich will vielmehr zum Ausdruck
Für die *-Form (Sternchen-Form) I wird das bringen, dass die Infragestellung von Zwei- und
‚x‘ jeweils durch ein ‚*‘ bzw. die Pluralform ‚xs‘ → CisGenderung ein dynamisches, nicht fest-
durch zwei ‚**‘ ersetzt. Diese Variante eignet legbares Modell ist, das sich kontinuierlich ver-
sich besonders in schriftsprachlicher Form. ändert. Weiterhin aber sind Frauen und Männer
in Formen mit dynamischem Unterstrich expli-
hornscheidt, lann: feministische w_orte: zit erkennbar. Das heißt, dass die herkömmliche
ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache sprachliche ZweiGenderung damit nicht grund-
und diskriminierung, gender studies und femi- legend herausgefordert wird. Ausgesprochen
nistischer linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes & werden alle Varianten des Unterstrichs mit einer
Apsel, 2012, S. 293-302. sehr kurzen Pause an der Stelle im Wort, die der
Unterstrich markiert. Der nachfolgende Wort-
Dynamischer Unterstrich teil wird dadurch fast wie ein einzelnes, aber eng
zusammenhängendes Wort gesprochen.
We_lche Mita_rbeiterin will denn i_hre
nächste Fortbildung zu antidiskriminieren- Bildung von Substantiven: Der dynamische Un-
der Lehre machen? Sie_r soll sich melden. terstrich wandert durch ein Wort. D.h., er hat
Der Kurs ist bald voll. keinen festen Ort, sondern kann an verschiede-
nen Stellen vorkommen mit Ausnahme der Stel-
Diese Form wird benutzt, um insbesondere in le, wo der Unterstrich zwischen der konventio-
der schriftsprachlichen Verwendung kritisch auf nalisiert männlichen und der konventionalisiert
→ zweigegenderte Formen, also die Vorstellung, weiblichen Form eingefügt werden würde (vgl.
es gäbe nur Frauen und Männer, zu verweisen Statischer Unterstrich).
und diese Vorstellung in Bewegung zu bringen.
Bildung von Pronomen: Auch in den Pronomen
Das Wandern des Unterstrichs durch ein Wort wandert der Unterstrich durch das Wort.
macht deutlich, dass es nicht einen festen Ort
gibt, an dem ein Bruch in ZweiGenderung – also
zwischen der konventionalisiert männlichen und

23
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

Weiteres: Unterstriche sind ebenfalls in Artikeln Diese Form kann in Kontexten genutzt wer-
und Adjektiven möglich, z.B.: D_ie freundl_iche den, wo → ZweiGenderung als sprachlicher
Mitar_beiterin des Immabüros war extrem gut Bezugs- rahmen gebraucht wird und gleich-
darin, antirassistisch tätig zu sein und i_hre zeitig in einer möglichst einheitlichen Variante
Koll_eginnen auch immer wieder darauf anzu- herausgefordert werden soll. Der Variante des
sprechen, wenn etwas diskriminierend war. Wortstamm- oder Silbenunterstrichs gelingt es,
mit einer Brechung auf die Annahme, es gäbe
hornscheidt, lann: feministische w_orte: ausschließlich Frauen und Männer, auf gesell-
ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache schaftliche ZweiGenderungsprozesse also, Be-
und diskriminierung, gender studies und femi- zug zu nehmen. Dabei wird dies nicht als eine
nistischer linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes & gleichbleibende Lücke zwischen der konventio-
Apsel, 2012, S. 303-306. nalisiert männlichen Form und der konventio-
nalisiert weiblichen Form realisiert, sondern die
Erste Verwendung (dynamischer Unterstrich) in: Lücke wandert. Die möglichst einheitliche Ver-
wendung des Unterstrichs kann in dieser Vari-
Tudor, Alyosxa: Rassismus und Migra- ante eine Regelmäßigkeit in Texte bringen, um
tismus: die Relevanz einer kritischen Differen- den Fokus auf andere Fragen zu legen, wie zum
zierung. In: Nduka-Agwu, Adibeli; Hornscheidt, Beispiel → Rassismus.
Antje Lann (Hrsg.): Rassismus auf gut Deutsch:
ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Bildung von Substantiven: Es wird ein Unter-
Sprachhandlungen. Frankfurt a. M.: Brandes & strich ‚_‘ nach dem Wortstamm, einer Silbe oder
Apsel, 2010, S. 396-420. einem anderen für die Aussprache geeigneten
Teil des Wortes eingefügt, jedoch auf keinen
Wortstamm- oder Silbenunterstrich Fall zwischen der konventionalisiert männlichen
und der konventionalisiert weiblichen Form
Di_e Sprech_erin der queer_feministischen (vgl. z.B. statischer Unterstrich).
Hochschulgruppe konnte ihr_e Kommi-
lito_ninnen, Freun_dinnen und die Mit- Bildung von Pronomen: Pronominaformen
arbeit_erinnen der Uni für i_hr Anliegen werden so gebildet, dass der Unterstrich nicht
begeistern. Kei_ne verwendete ih_r Stimm- zwischen der konventionalisiert männlichen und
recht dagegen. weiblichen Form liegt.

24
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

Weiteres: Der Unterstrich kann auch in ande- *-Form (Sternchen-Form) II und


ren Zusammenhängen angewendet werden, um statischer Unterstrich
mehrere Wörter miteinander – mit einer Lücke
– zu verknüpfen und dadurch zum Beispiel kon- Die erste Amtshandlung der neugewählten
ventionalisierte Wahrnehmungen herauszufor- Präsidentin war es, alle Mitarbeiter_innen
dern wie aufzufordern, die Kolleg_innen über die
zentrale Arbeit der Antidiskriminierungs-
z.B. in re_produzieren: Hier deutet der stelle der Universität zu informieren.
Unterstrich an, dass jedes Produzieren ein Repro-
duzieren ist und gleichzeitig jedes Reproduzieren Diese Form bietet die Möglichkeit einer ersten
ein Produzieren. Der Unterstrich spiegelt dieses kritischen Bezugnahme auf sprachliche → Zwei-
reflexive Verhältnis von Produktion und Re_pro- Genderung (ohne diese grundsätzlich infrage zu
duktion wider. Die Lücke durch den Unterstrich stellen) und kann in der *-Variante gleichzeitig
macht zugleich deutlich, dass beides trotzdem nie eine Vielfalt von → Positionierungen symbo-
genau identisch ist. lisieren. Der statische Unterstrich wird auch
Gender_Gap genannt, also Gender_Leerstelle.
die Variante ‚sehen_hören‘ als kombi- Die Lücke soll vielfältige Möglichkeiten und
nierte Verbform. Dies kann z.B. deutlich machen, Gestaltungsspielräume symbolisieren. Die *-Va-
dass Personen in verschiedenen Formen, mit riante kann letzteres stärker herausstellen, da
Laut- oder Gebärdensprache, kommunizieren das Sternchen viele unterschiedliche Strahlen
und dass beides nebeneinander und gleichzeitig hat und damit noch mal stärker symbolisch ganz
der Fall sein kann, auch in Kombination mitein- Unterschiedliches meinen kann.
ander und auch nie identisch.
In einigen akademischen Kontexten werden
Nduka-Agwu, Adibeli; Hornscheidt, beide Varianten bereits regelmäßig angewen-
Lann: Der Zusammenhang zwischen Rassismus det. Die neuen Formen irritieren und befördern
und Sprache. In: Diexs. (Hrsg.): Rassismus auf somit ein Anhalten und Nachdenken über die
gut Deutsch: ein kritisches Nachschlagewerk zu Wörter und Sprachhandlungen. Das wird mehr-
rassistischen Sprachhandlungen. Frankfurt a. M.: heitlich als eine positive Herausforderung erlebt.
Brandes & Apsel, 2010, S. 11-52.

25
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

Bildung von Substantiven: Es wird ein Stern- typisch (und oft unbewusst) als ausschließlich
chen ‚*‘ oder Unterstrich ‚_‘ zwischen der kon- männlich assoziiert, wie Studien zur kogniti-
ventionalisiert männlichen und der konventio- ven Wahrnehmung von Personenbenennungs-
nalisiert weiblichen Form eingefügt. formen, sog. Perzeptionsstudien, zeigen (vgl.
Kapitel 8). Hier kann eine umfassende →
Bildung von Pronomen: Es wird entweder ein Frauisierung, also z.B. die ‚Professorinnen der
Unterstrich ‚_‘ oder ein Sternchen ‚*‘ zwischen Humboldt-Universität‘, Konzeptualisierungen
die weiblichen und männlichen, also zweigegen- erfrischend herausfordern. Vorsicht ist aller-
derten Formen gesetzt. dings geboten, wenn es in einem spezifischen
Zusammenhang darum geht, Geschlechterver-
Herrmann, Steffen Kitty: Performing hältnisse deutlich zu machen. In diesem Fall
the gap: queere Gestalten und geschlechtli- kann die Form eher von → sexistischen/gen-
che Aneignung. In: Arranca!, Berlin, Band 28 deristischen Strukturen ablenken. Wie sinnvoll
(2003). http://arranca.org/ausgabe/28/perfor- ist z.B. die Verwendung, wenn circa 80 Prozent
ming-the-gap. (18.07.2013) aller unbefristeten Professuren von Männern
besetzt sind?

Generisches Femininum bzw. Bildung von Substantiven: Es werden aus-


umfassende Frauisierung schließlich die konventionalisiert weiblichen
Formen benutzt.
Alle Professorinnen der Universität Leipzig
freuen sich, dass sie endlich in ihren Texten Bildung von Pronomen: Es werden ausschließ-
ausschließlich weibliche Formen benutzen lich die konventionalisiert weiblichen Formen
können. benutzt.
Diese Form kann in Kontexten genutzt wer-
den, in denen eine implizit männliche Norm Pusch, Luise F.: Deutsch auf Vorder-
besteht, die nun sprachlich irritiert werden frau: sprachkritische Glossen. Göttingen: Wall-
soll. Diese Sprachhandlung wirkt insbesondere stein- Verlag, 2011.
in Kontexten aufrüttelnd, in denen männliche
Normalvorstellungen wenig hinterfragt sind.
Die Berufsgruppe der ‚Professoren der Hum-
boldt-Universität‘ wird beispielsweise proto-
26
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

a-Form → Zweigenderung unhinterfragt, gleichzeitig


werden die Wörter stärker ‚weiblich‘ assoziiert.
Unsa Lautsprecha ist permanent auf Demos Weitere mögliche Beispiele für diese insbeson-
unterwegs. Ea erfreut sich hoher Beliebtheit. dere schriftsprachliche Form der Irritation sind:
hum@n oder m@n.
Diese Form greift ebenfalls die Idee von einer
herausfordernden, stärkeren → Frauisierung hornscheidt, lann: feministische w_orte:
von Sprache auf, um mit männlich geprägten ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache
Assoziationen zu brechen. Sie ist auch in unter- und diskriminierung, gender studies und femi-
schiedlichen autonomen Kontexten zu finden. nistischer linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes &
Dort werden verschiedenste Wörter und Phra- Apsel, 2012, S. 321-332.
sen durch ‚-a‘-Endungen umgestaltet und da-
durch Wahrnehmungen irritiert und neu belebt. Böttger, Ben; Macedo, Rita; u.a.: Unsa
Haus und andere Geschichten. Berlin: NoNo
Bildung von Substantiven: Alle ‚-er‘-Endun- Verlag, 2010.
gen werden durch die Endung ‚-a‘ ersetzt bzw.
im Plural durch ‚-as‘. Die ‚-a‘-Endung lässt sich Binnen-I und ZweiGenderung
beispielsweise für Dinge produktiv nutzen, um
konventionalisiert männlich assoziierte ‚-er‘-En- Seit heute streichen mehr als zwei Drittel der
dungen zu vermeiden, wie z.B. bei Türöffna, Studierxs die Angabe zur StaatsbürgerIn-
Computa oder Drucka. nenschaft auf allen Formularen durch.

Eine weitere Möglichkeit ist, als Irritation das Diese Formen werden in Kontexten benutzt, in
Zeichen ‚@’ an Substantive anzuhängen bzw. denen die Annahme, es gäbe ausschließlich Frau-
in Worte einzufügen. In kritischen Kontexten en und Männer, also → ZweiGenderung, als un-
im spanischsprachigen Raum wird so z.B. aus hintergehbare, feststehende Norm, gilt bzw. in
der konventionalisiert männlichen Endung -o Situationen, in denen sich Personen ausschließ-
und der konventionalisiert weiblichen Endung lich als → CisFrauen und → CisMänner definie-
-a die gemeinsame Endung -@ (‚compañer@s‘ ren. Dazu gehören v.a. rechtliche und medizini-
an Stelle von ‚compañeras y compañeros‘). Ähn- sche Kontexte (vgl. Kapitel 3, Punkt b).
lich wie beim Binnen-I im Deutschen bleibt hier

27
4 Formen antidiskriminierender Sprachhandlungen

Bildung von Substantiven: In die konventionali- Pronomen können ebenfalls durch ein ‚und‘ oder
siert weiblichen Formen wird ein ‚großes I‘ einge- durch ein ‚oder‘ verbunden werden. Die weibliche
fügt. Umlaute in der konventionalisiert weiblichen Form wird dabei vorangestellt. Es ist ebenfalls
Form bleiben erhalten, z.B. UniversitätsärztIn. möglich, die Formen z. B. in einem Text konse-
quent abzuwechseln.
Bildung von Pronomen: Die Endungen in kon-
ventionalisiert weiblichen Formen werden in Das Binnen-I wird vielfach mit Sprachinterven-
Großbuchstaben geschrieben, z.B. einE. tionen aus bzw. in feministischen Kontexten as-
soziiert. Studien, die untersuchen, was Menschen
Weiteres: Artikel und Pronomen werden in der sich vorstellen, wenn sie bestimmte Sprachformen
konventionalisiert weiblichen Form benutzt. Aus- hören oder lesen, zeigen übereinstimmend, dass
gesprochen wird diese Form mit einer kurzen diese Form stärker die Möglichkeit bietet, Vor-
Pause vor dem großen ‚I‘ und einer Betonung des- stellungen von weiblichen Personen aufzurufen.
selben. Durch die starke Anlehnung an die kon- Beide Formen verbleiben jedoch innerhalb der
ventionell weibliche Form kann es vor allem bei Vorstellung, dass es ausschließlich Frauen und
der gesprochenen Sprache zu ähnlichen Effekten Männer gibt. Dies kann in Kontexten wichtig sein,
wie beim generischen Femininum bzw. der umfas- in denen auf konkrete soziale oder gesellschaft-
senden → Frauisierung kommen. liche Verhältnisse oder auf rechtliche bzw. ver-
waltungstechnische Normen verwiesen werden
Bei der ZweiGenderung werden konventiona- soll (z.B. in StaatsbürgerInnenschaft, die in den
lisiert weibliche und konventionalisiert männ- meisten Fällen grundsätzlich und unhintergehbar
liche Formen durch ein ‚und‘ verbunden, z.B. zweigegendert ist – und auf diese Weise auch dis-
US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner. So kriminiert).
wird die Zwei-Geschlechter-Norm deutlich her-
vorgehoben. Dagegen macht es Sinn, bei Per- Pusch, Luise F.: Das Deutsche als Män-
sonen mit neuseeländischer Staatsangehörigkeit nersprache. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1984.
Neuseel_änderinnen mit Unterstrich zu schrei-
ben, da neuseeländische Staatsangehörigkeit nicht Kusterle, Karin: Die Macht von Sprach-
→ zwangszweigendernd ist, also Menschen nicht formen: der Zusammenhang von Sprache, Den-
dazu zwingt, sich und andere in die Kategorien ken und Genderwahrnehmung. Frankfurt a. M.:
‚Frau’ und ‚Mann’ einzuordnen. Brandes & Apsel, 2011.

28
5 Reflexionsübungen zu eigenen Normalisierungs-Vorstellungen

5 Reflexionsübungen zu eigenen Normalisierungs-Vorstellungen

Welche Vorstellungen von Personen und Perso- Pass zu haben als Norm. Diese sprachlichen
nengruppen wurden für dich bei den einzelnen Diskriminierungen finden also vor allem über
Beispielsätzen in Kapitel 4 aufgerufen? Welche Entnennungen von Normvorstellungen statt –
Bilder kamen dir spontan in den Sinn? und stellen diese umso machtvoller wieder her.
Wie anders sind die Studienbedingungen für
Nimm dir für diese Fragen einige Minuten ein*e disableisiert*e Student*in, di*e vielleicht
Zeit. Blättere ggf. nochmals zurück zu den Beispielen. andere Kommunikationsformen als ableisierte
Mach dir Notizen, wenn du möchtest. verwendet, di*e andere Raumnormalitäten hat?
Und für welche Personen gibt es gar keine Stu-
Wie häufig hast du dir eine → ableisierte Person dienbedingungen, da ihre Kommunikationsfor-
vorgestellt, also z.B. eine hörende Person oder men nicht als solche wahrgenommen werden,
eine Person ohne chronisch-psychische Er- ihre Formen, Fragen zu stellen und Dinge auf-
krankung oder eine Person, die sich problemlos zufassen als nicht verständlich und passend oder
in öffentlichen Gebäuden aufhalten kann? vielleicht sogar nicht intelligent genug eingele-
sen werden und_oder ihr Aufenthaltsstatus in
Wie häufig hast du dir eine → weiße, (pseudo- Deutschland Zugänge verwehrt?
säkularisiert) christliche Person vorgestellt, also
eine Person, die nicht durch → strukturelle Häufig ist eine explizite weitere Ausdifferen-
→ rassistische Diskriminierung daran gehin- zierung von vielen miteinander verbundenen
dert wird, die Universität oder andere Räume Diskriminierungsformen, sog. → interdepen-
als eigene Räume aufzufassen? Und inwiefern denten Diskriminierungen, und ihre explizite
hängt deine Wahrnehmung einer Normalvor- Benennung ein erster Schritt, um die sehr un-
stellung von Personen in diesen Beispielsätzen terschiedlichen Lebens-, Arbeits- und Studien-
genau mit diesen strukturellen Ausschlüssen bedingungen von Personen wahrzunehmen.
zusammen? Sprachveränderungen sind – wie oben darge-
stellt – immer auch soziale Veränderungen.
Die dominanten deutschsprachigen Normal- Entnannte und auf diese Weise normal gesetz-
vorstellungen sind nicht nur → androgendernd, te Normen herauszufordern und zu irritieren,
also Männer als Norm setzend, sondern setzen indem sie durch ihre Benennung zu einer Vor-
auch weiß christlich (bzw. eine säkularisierte Va- stellung unter vielen werden, ist ein wichtiger
riante davon) ableisiert zu sein und einen (EU-) Schritt davon.

29
Uns geht es bei dieser Intervention darum, die normalisierten Machtverhältnisse von bedient werden und
bedienen müssen zu be_nennen. Wex räumt täglich unseren Dreck weg?
6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist

6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist

Anreden und Formen, um ‚alle‘ benannt werden, ohne jedoch → Positionie-


anzusprechen bzw. zu benennen rungen aufzurufen, die in einem spezifischen
Kontext nicht relevant sind – und ohne nur dis-
Es gibt keine allgemeingültige Anrede, wie z.B. kriminierte Positionierungen aufzurufen und
‚Liebes Publikum‘ oder Formen, um ‚alle‘ glei- privilegierte weiterhin entnannt zu lassen.
chermaßen anzusprechen bzw. zu benennen
(wie z.B.: alle, Personen oder Menschen, vgl. Beispiel: ‚Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin
Kapitel 3). Durch diese Versuche werden → Mandelzweig, liebe Vizepräsidenten Meier und
strukturelle Ausschlüsse und soziale Ungleich- Ahmed‘
heiten nicht explizit gemacht, sondern ent_er-
wähnt. Strukturelle Ausschlüsse spielen aber in Diese Anrede stellt Vizepräsidx Mandelzweig als
allen Situationen eine Rolle. Welche Personen weiblich her, die anderen implizit als männlich.
können z.B. an einer Veranstaltung teilnehmen, Dies ist eine exklusive weibliche → Genderung,
welche nicht, wenn es nur lautsprachliche Kom- die so in einem Kontext als relevant hergestellt
munikation und keine Gebärdenübersetzung wird, in dem sie es vielleicht nicht ist. Weiblich-
gibt oder wenn sie in einem Teil der Stadt statt- keit und Männlichkeit werden hier gleichzeitig
findet, in dem häufig → rassistische Übergriffe auch als die einzigen beiden Möglichkeiten einer
verübt werden? Welche Assoziationen mit wel- Zuordnung hergestellt.
chen Personen werden bei einzelnen Begriffen
aufgerufen, die andere ausschließen, z.B. wenn Hier könnten x-Formen in bestimmten Situati-
Personen, die gehörlos sind, unter ‚liebe Zu- onen sinnvoll sein, z.B. wenn es nicht gleichzei-
hör_erinnen’ subsummiert werden? Welche Per- tig darum geht, deutlich zu machen, inwiefern
sonen sind dahingehend → privilegiert, dass → frauisierte Personen gegenüber Männern in
sie in einem spezifischen Kontext als Personen bestimmten Statusgruppen unterrepräsentiert
adressierbar sind, z.B. wenn Personen, die → sind. Es ist zu überlegen, ob dies noch expliziter
ZweiGenderung nicht infrage stellen, mit der gemacht werden kann. In bestimmten Situati-
Anrede ‚sehr geehrte Damen und Herren’ be- onen können x-Formen auch davon ablenken,
grüßt werden? dass es in der Situation eine männliche Domi-
nanz gibt, die es wichtig wäre konkret zu benen-
Anstelle von generalisierenden Formen sollen nen, um sie zu skandalisieren, herauszufordern,
die betreffenden Personen möglichst konkret zu kritisieren.

32
6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist

Anreden sollten ebenfalls konkret in Abhängig- zusammengesetzte Substantive mit den Endun-
keit davon gewählt werden, welche Personen gen ‚-person‘ und ‚-kraft‘, wie z.B. in Lehrperson
adressiert werden und wie sich diese selbst be- oder Lehrkraft, genutzt. Wie schon weiter oben
nennen. Dabei lassen sich die oben genannten beschrieben sind das keine optimalen Lösungen,
Sprachformen anwenden oder es können folgen- da sie ausschließende Assoziationen aufrufen und
de möglichst mehrere Personen ansprechende → strukturelle Ungleichheitsverhältnisse entnen-
Varianten ausprobiert werden: liebe alle…; hal- nen oder ent_erwähnen. Die Form ‚Lehrkraft‘ an
lo…; selbstgewählte Namen; dear…; hey ihr...; der Uni entnennt also z.B., dass nach wie vor viel
guten Tag… mehr männliche, → weiße, → ableisierte Personen
unbefristete Lehrstellen an der Hochschule haben
Auch hier ist immer wieder für jede einzelne als Personen, die durch → Sexismus/Genderis-
Situation zu überlegen, inwiefern was relevant mus, → Rassismus und Ableismus diskriminiert
ist und inwiefern neutralisierende Formen auch werden. Bezogen auf den Kontext Grundschule
wieder dazu führen, nicht wahrzunehmen, dass ent_erwähnt die Form ‚Lehrkraft‘, dass dort vor
→ strukturelle Diskriminierungen auch in der allem Frauen unterrichten und das auf schlech-
Anrede wichtig sein können in einer Situation ter bezahlten Stellen und mit einer anderen psy-
und Gesellschaft, die z.B. durch → Sexismus chosozialen Anforderung als an weiterführenden
oder Genderismus geprägt ist. Es ist also immer Schulen. Auch an dieser Stelle geht das Auspro-
zu überlegen, wie zwischen den folgenden Fra- bieren verschiedener und kreativer Alternativen
gen entschieden wird: Möchte ich möglichst viele weiter!
ansprechen? Welche sind die ‚vielen‘, die ich an-
spreche? Wie mache ich dies? Wie verdeutliche Komposita/Zusammengesetzte Substantive
ich verschiedene Kriterien in der Ansprache?
In der deutschen konventionalisierten
Pseudoneutralisierende ‚Norm‘-Sprache gibt es zahlreiche zusammen-
(pseudogenerische) Wortformen gesetzte Substantive, sogenannte Komposita. Im
universitären Kontext kommen z.B. häufig Be-
Häufig wird versucht, antidiskriminierend zu griffe vor wie: Rednerpult, Forschergruppe, Ex-
formulieren, indem auf vermeintlich neutrale perteninterview oder Benutzerschulung. Manche
(pseudogenerische) Substantive wie ‚Gast‘ und Komposita bezeichnen Institutionen, wie z.B.
‚Mitglied‘ zurückgegriffen wird oder es werden ‚Studentenwerk’ und ‚Institut für Lehrer-

33
6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist

bildung’, oder auch Wissenschaftspreise, wie LehrerInnenbildung, wenn eine Fortbildung für
z.B. ‚Publizistenpreis’. Diese Begriffe können so Lehrerinnen und Lehrer angeboten wird und
umformuliert werden, dass sie nicht → andro- dabei → ZweiGenderung und nicht → Andro-
gendernd sind. Auch hier können die oben auf- genderung als Norm gesetzt wird, weil es durch-
geführten Möglichkeiten genutzt oder weitere aus von Relevanz ist, zu unterscheiden, ob eine
Varianten ausprobiert werden. Dazu wird das Person als Lehrer oder als Lehrerin arbeitet. Die
Substantiv, das eine diskriminierende, androgen- Verwendung dieser Form diskrimi- niert dann
dernde Form enthält, ersetzt durch eine stärker jedoch gleichzeitig → Inter* und → Trans_xs,
inklusive Variante und wieder als Komposita zu- die so → zwangszweigegendert werden.
sammengefügt.
Es ist hier also immer zu überlegen, inwiefern
Wie wäre es z.B. mit: Redepult oder Vortrags- die Neubildungen ungleiche Geschlechterver-
pult (je nach konkreter Funktion); Forschungs- hältnisse ent_erwähnen, ZweiGenderungen
gruppe oder noch konkreter, wenn es um ein re_produzieren, die Relevanz von Genderun-
bestimmtes Thema geht (z.B. Diskriminie- gen an sich und_oder für die konkrete Situation
rungsforschungsgruppe oder Sprachhand- und den konkreten Kontext infrage stellen und
lungsforschungsgruppe); Expertxinterview, wann es vielleicht besser ist, explizit diese Un-
wenn die → gegenderte → Positionierung der gleichverhältnisse so lange explizit zu benennen,
Person, die das Interview gibt, keine Rolle spielt bis sie sich ändern. Was macht es also beispiels-
in der Aussage; Benutz_erinnenschulung, um weise für einen Sinn, von einem Präs_identin-
darauf hinzuweisen, dass Schulungen auch un- nenzimmer zu sprechen/schreiben, wenn diese
terschiedliche gegenderte Positionierungen mit statushohe Position immer mit einem Mann be-
berücksichtigen und Personen mit unterschied- setzt ist? In solchen Fällen kann es strategisch
lich gegenderten Positionierungen die Möglich- sinnvoller sein, die Männlichkeit dieser Position
keit für eine Identifizierung mit der Schulung und des Zimmers explizit zu machen in einem
geben sollten; Studier**werk, wenn betont wer- Text, der beispielsweise ansonsten durchgän-
den soll, dass es sich um eine Institution für gig x-Formen benutzt. Gerade der Wechsel der
Personen handelt, die studieren und Genderun- Formen könnte hier also eine Aufmerksamkeit
gen für die Handlungsweisen dieser Institution an einer Stelle schaffen, die ansonsten vielleicht
keine Rolle spielen (was in einer Gesellschaft, nicht auffallen würde.
die → sexistisch ist, durchaus kritisierbar wäre);

34
6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist

Akademische Titel den Bedeutungen ‚etwas zu meistern oder ‚Herr


(und deren Abkürzungen) über etwas zu sein‘ starke kolonialistische Kon-
notationen aufweist? Was sagt das über akade-
Im universitären Kontext werden in Dokumen- mische Wissensproduktion aus und das, was in
ten und im Schriftverkehr häufig akademische dieser kritisch reflektiert und was einfach nur
Titel, meistens in Form von Abkürzungen, weiter re_produziert wird?
verwendet. Personen werden außerdem oft- Die neuen Bachelor- und M.A.-Abschlüsse
mals mit der Nennung ihres akademischen Ti- können z.B. ganz einfach mit B.A. und M.A.
tels direkt angesprochen. Deshalb ist die Fra- bezeichnet werden, ohne dabei die konventio-
ge naheliegend, wie auch diese Titel und ihre nalisiert männliche Form der ausgeschriebenen
Abkürzungen antidiskriminierend verwendet Varianten sowie die kolonial-rassistischen Asso-
werden können. Warum wird z.B. ein ganzes ziationen und Kontinuitäten im Falle von M.A.
Studienprogramm im deutschsprachigen Raum zu wiederholen.
(M.A.-Studiengänge) in der Langform mit ei- Die unten stehende Tabelle bietet weitere Vari-
nem Begriff bezeichnet und benannt, der mit anten an:

Sprachformen Akademischer Titel Abkürzungen


x-Form Doktox, Professx Drx, Profx
*-Form I Dokto*, Profess* Dr*, Prof*
Dynamischer Dok_torin, Profes_sorin D_rin, P_rofin
Unterstrich
Wortstamm- Dokt_orin, Profess_orin D_rin, Pro_fin
Unterstrich
*-Form II Doktor*in, Prifessor*in Dr*in, Prof*in
Statischer Doktor_in, Professor_in Dr_in, Prof_in
Unterstrich
Generisches Doktorin, Professorin Dr.in, Prof.in
Femininum

35
6 Anreden, Komposita und was sonst noch wichtig ist

Reflexion von Barrieren und Bedürfnissen für Kommunikationsformen


zu fragen und diese dann entsprechend zu or-
„Die Umwelt soll so gestaltet sein, dass sie die ganisieren.
Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigt.
Keine Personengruppe soll aufgrund einer Die verschiedenen im vorherigen Kapitel vor-
bestimmten Gestaltung von der Nutzung geschlagenen veränderten Sprachformen sind
ausgeschlossen sein.“ beispielsweise für Textvorleseprogramme ver-
(Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, ständlich und werden als Unterstriche und
online unter www.barrierefreiheit.de) Sternchen vorgelesen.

Der Begriff ‚Barrierefreiheit’ benennt den Ver-


such, z.B. Räume und Kommunikationswege zu
schaffen, die für alle uneingeschränkt zugäng-
lich sind, während der Begriff ‚Barrierearmut’
stärker daran denken lässt, dass Räume und
Kommunikationswege nie ganz barrierefrei sein
können, sondern es sich immer nur um Versu-
che handelt, Hindernisse abzubauen, die des-
halb immer auch noch vorhanden sein können.

Barriere-reduzierende Sprachhandlungen be-


rücksichtigen also unterschiedliche Kommuni-
kationskompetenzen, versuchen Sachen so aus-
zudrücken, dass sich möglichst viele Personen
angesprochen fühlen, und hören genau hin, um
die Bedürfnisse unterschiedlicher Personen für
Kommunikationsformen aufzunehmen. Dazu
gehört es, nicht bestimmte Kommunikations-
formen und -möglichkeiten vorauszusetzen,
sondern in Seminar- und Beratungssituationen
immer wieder respektvoll nach den Wünschen

36
May Ayim war eine Schwarze deutsche Dichterin, Wissenschaftlerin, Pädagogin und anti_rassistisch - anti_
genderistische Aktivistin. Schwarze Aktivistxs machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass es keine Erinne-
rungs- und Gedenkorte für anti_rassistische Aktivistxs und ihren Widerstand gibt. Mit dem Plakat auf dem
Foto wird für die Schaffung solcher Orte interveniert.
7 Pseudo-antidiskriminierende Sprachformen und Formulierungen

7 Pseudo-antidiskriminierende Sprachformen und Formulierungen

Nicht allen Sprachformen, die mit dem Anspruch Partizipialformen


an Antidiskriminierung eingesetzt werden, ge-
lingt es, diesen auch zu erfüllen. Im Folgenden Inzwischen sind Partizipialformen in univer-
sollen einige dieser Varianten erläutert werden: sitären Kontexten weit verbreitet. Sie werden
aus den jeweiligen Verbformen gebildet, wie
Mitmeinende pseudogenerische bzw. z.B. ‚Studierende‘ und ‚Lehrende‘. Diese For-
androgendernde Maskulina men sind nicht antidiskriminierend: Sie assozi-
ieren weiterhin vor allem männliche Personen
Häufig sind pseudogenerische bzw. → andro- und Merkmale, was in zahlreichen Perzeptions-
gendernde Maskulina in Texten mit dem Zusatz und Diskursuntersuchungen bestätigt wurde
zu finden, dass aus Gründen der Einfachheit (vgl. Kapitel 8). Diese Sprachform hat genau
oder Lesbarkeit nur die männlichen Formen deshalb so schnell Eingang in den allgemeinen
verwendet werden, alle Personen jedoch in die- Sprachgebrauch gefunden, weil sie ausschlie-
ser Form mitgemeint seien. Dieser Umweg wi- ßende Konzepte gerade nicht herausfordert,
derspricht der Idee verantwortlicher und antidis- gängige Wahrnehmungen also nicht irritiert
kriminierender Sprachhandlungen grundlegend werden und sich auf diese Weise auch keine
und stellt keine antidiskriminierende Sprach- sozialen und diskriminierenden Konzeptuali-
handlung dar. Androgendernde Formen rufen sierungen verändern.
prototypisch männliche Vorstellungen auf, sind
identisch mit den Formen, die sich spezifisch Schrägstrich- und Klammerformen
auf Männer beziehen und sind daher nicht neu-
tral, sind also nicht einfacher oder lesbarer für Verbreitet verwendet werden ebenfalls sogenan-
alle Personen, sondern nur für → Privilegierte. nte Schrägstrich- und Klammerformen. Bei der
So lange es die Idee von → Geschlecht und → Schrägstrichvariante wird ein Schrägstrich ‚/‘
Zwei- Genderung zur grundlegenden Einteilung zwischen die konventionalisiert männliche und
und Wahrnehmung von Menschen gibt, gibt es die konventionalisiert weibliche Form gesetzt,
keine Neutralität über Formen, die männliche wie z B. in ‚Bibliothekar/in‘. Bei der Klammer-
Personen und Personengruppen bezeichnen. variante wird die weibliche Form in Klammern
in die männliche Form eingefügt, wie z.B. bei
‚Professor(inn)en‘. Beide Formen verbleiben in
der → ZweiGenderung und ordnen zusätzlich

39
7 Pseudo-antidiskriminierende Sprachformen und Formulierungen

die weibliche Form der männlichen Form gra- einer Universität zu studieren, zu arbeiten oder
fisch unter – entweder durch Abtrennen oder zu Besuch zu sein? ‚Man‘ wirkt also oft pseudo-
Einklammern. Sie sind also nicht einmal zwei- generalisierend und verdeckt Ausschlüsse.
genderungs‚gerecht‘.
Es gibt verschiedene Alternativen, den Beispiel-
Verwendung von ‚man‘ satz anders zu formulieren, z.B. durch:

Generalisierende Aussagen werden im Deut- die Verwendung von Passivkonstruktio-


schen häufig durch die Verwendung von ‚man‘ nen: „Der Senatssaal im ersten Stock ist über den
formuliert: „Den Senatssaal der Universität im Aufzug oder das Treppenhaus zu erreichen.“
ersten Stock erreicht man über den Aufzug oder
das Treppenhaus.“ Diese Sprachhandlung ist die Verwendung von direkten Anreden:
diskriminierend und wenig verantwortungsbe- „Den Senatssaal im ersten Stock erreichen Sie
wusst. Wie Perzeptionsstudien gezeigt haben über den Aufzug oder das Treppenhaus.“
(vgl. Kapitel 8), werden mit ‚man’ tatsächlich
Vorstellungen von → weißen → ableisierten Manchmal werden auch Ersetzungen mit ‚frau‘
‚Männern’ aufgerufen. Das gleiche gilt auch für oder ‚mensch‘ oder ‚wir/uns’ vorgenommen.
die Benennung ‚Mensch’. Folglich sind ‚man’ Eine weitere Handlungsmöglichkeit ist auch in
und ‚Mensch’ keine neutralen Bezeichnungen, diesem Fall die spezifische Benennung der Per-
sondern re_produzieren immer wieder Vorstel- sonen und Personengruppen, die sich inhaltlich
lungen von weißen ableisierten ‚Männern’ als pro- hinter dem ‚man‘ in einer Aussage verbergen. In-
totypisch für das Allgemeinmenschliche. Damit dem ich also über diesen Satz nachdenke, kann
sind viele Personen, die sich in dieser Kategori- ich mir zum Beispiel klar machen, welche Perso-
sierung nicht repräsentiert fühlen, ausgeschlos- nen hier tatsächlich gemeint sind und welche ich
sen. Außerdem werden durch solche Formen ansprechen möchte: Personen, die Schriftspra-
Personengruppen nicht differenziert benannt. che lesen können, die Deutsch können, die ent-
Das heißt, es wird nicht explizit formuliert, in- weder Treppen oder Aufzüge benutzen können,
wiefern hier vielleicht → Privilegien und Diskri- können tatsächlich gemeint sein. Personen, die
minierungen eine Rolle spielen. Welche Perso- hier potenziell nicht angesprochen werden, sind:
nen sind ‚man‘ in dem Beispielsatz und haben blinde Personen, Personen, die deutsche Schrift-
überhaupt die Möglichkeit, in Deutschland an sprache nicht lesen können, Personen, die viel-

40
7 Pseudo-antidiskriminierende Sprachformen und Formulierungen

leicht Treppen nicht gehen können und Angst


vor Aufzügen haben. Dann kann ich in einem
nächsten Schritt überlegen, wie ich diese anspre-
che, wenn ich das will.

Das Nachdenken darüber und kreatives Auspro-


bieren hilft beim Verstehen von → strukturellen
Privilegierungen und Diskriminierungen – und
wie normal diese häufig sind. Vielleicht gibt es
bspw. für die Veranstaltung einen anderen Ort
als den Senatssaal der Humboldt-Universität, um
damit mehr Personen zu erreichen und ihnen ei-
nen Zugang ermöglichen zu können? Mache ich
meine Veranstaltung im Stadtteil- oder Kiezkino,
mit dem sich auch Personen identifizieren kön-
nen, die eine Universität als einen exklusiven und
ausschließenden Raum erleben?

41
Clara Zetkin awar eine weiße, sozialistisch / kommunitische Politikerin und Aktivistin der proletarischen Frau-
enbewegung Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts.
8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen

8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen

Im Folgenden werden Einwände genannt, die Einwand: Diese geschlechtergerechte Sprache


häufig gegen antidiskriminierende Sprachhand- macht alle Texte so lang, die Formen sind alle
lungen vorgebracht werden. Darunter befinden total aufgebläht/kompliziert/anstrengend.
sich jeweils Argumentationen, die diese Einwän- Gegenargument: Für wex ist es aufgebläht
de auf unterschiedliche Weise aufnehmen und und zu lang? Wex aber findet die Formen ange-
entkräften. Sie sollen in Diskussionssituationen messen, hat das Gefühl, zum ersten Mal ange-
→ empowernd wirken und können direkt zum sprochen zu sein? In dem Argument von Länge
Einsatz kommen. re_produziert sich sehr häufig eine → andro-
gendernde Normsetzung. Für Personen, die
Problem: Ich bekomme in meinen Hausarbei- durch kurze Formen diskriminiert werden, kann
ten immer die x- und Unterstrich-Formen ange- die Ausdrucksform gar nicht lang genug sein,
strichen. Kann ich da irgendwas dagegen tun? um auch anwesend zu sein, um gemeint zu sein,
Gegenargument: Die Humboldt-Universi- um explizit angesprochen zu sein. Länge ist also
tät zu Berlin hat sich in ihrer Verfassung (§ 38) kein Argument, wenn es um Angesprochensein,
und in ihrer „Gleichstellungssatzung nach § 5a um Anwesenheit, um Antidiskriminierung geht.
Berliner Hochschulgesetz“ (geplante Fertigstel- Und es macht Spaß, Begriffe und Phrasen so
lung 2013, bisher nicht umgesetzt) verpflichtet, umzuformulieren, dass sie antidiskriminierend
geschlechter‚gerechte‘ Sprache zu verwenden. sind. In einigen Fällen kann z.B. der Satz ‚die
Die vorliegende Broschüre zu antidiskriminie- Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars‘
renden Sprachhandlungen konkretisiert diesen einfach umformuliert werden in ‚diejenigen, die
Anspruch und ist ein Angebot an alle Mitglieder am Seminar teilnehmen können‘.
der HU, aber auch an die Entscheidungsgremi-
en, diesen Anspruch im Universitätsalltag kon- Einwand: Was kann und darf ich denn über-
kret umzusetzen. Sie informiert über Bedeutung haupt noch schreiben?
und Wirkungsweise von Sprache, erläutert zent- Gegenargument: Möglichst viele neue kreati-
rale Begriffe, die sprachliche Diskriminierungen ve, herausfordernde, anwesende Sprachformen
und → Empowerment-Strategien betreffen, kann ich schreiben! Es gibt keine festgelegten,
und macht konkrete Vorschläge für die Umset- dauerhaften Regeln, keine Eindeutigkeiten, son-
zung beim Schreiben, Sprechen und Argumen- dern die Möglichkeit, sich immer wieder über
tieren. die Handlungsdimension des eigenen Sprachge-
brauchs bewusst zu werden, kontinuierlich und

44
8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen

in jeder Situation. Neue nicht-diskriminieren- des androgendernden Maskulinums Männer as-


de Formen entstehen beispielsweise häufig in soziiert. Es ist also keineswegs so, dass Frauen
Kontexten, wo Personen zusammenkommen, mitgedacht werden, wenn das androgendernde
die sich z.B. durch den gängigen, prototypisch Maskulinum verwendet wird. Ein ‚generisches‘
→ androgendernden Sprachgebrauch nicht an- Maskulinum existiert also psychologisch ge-
gesprochen und repräsentiert fühlen, in Schrei- sehen gar nicht, Maskulina sind immer pseu-
bübungen, Gedichten, auf Partyflyern und do- generisch, wenn sie nicht genderspezifisch
Demo-Transpis. Insgesamt gibt es schon viele männlich gemeint sind. Sich als → Inter*-, →
Möglichkeiten, antidiskriminierend zu sprechen Trans*- oder → frauisierte Person mit andro-
und zu schreiben. Ein kreativer Umgang mit gendernden Formen angesprochen zu fühlen,
Sprache macht Spaß! zeigt vielmehr, wie stark auch von ihnen →
Sexismus/Genderismus internalisiert und wie
Einwand: Ich brauche keine geschlechterge- stark Sexismus/Genderismus gesellschaftlich
rechte Sprache. Ich fühle mich auch bei männ- normalisiert ist. Vielleicht traue ich mich als In-
lichen Formen mitgemeint, ich habe kein Prob- ter*, Trans* oder Frau auch nicht, dies zu be-
lem damit. nennen. Vielleicht schützt es mich manchmal
Gegenargument: Alle aktuellen Studien zum auch, es nicht zu merken, nicht anzusprechen?
Einfluss sprachlicher Formen auf die Wahr- Was aber nicht heißt, dass diese Form nicht
nehmung, sog. Perzeptionsstudien, zeigen, sexistisch/genderistisch ist!
dass bei → androgendernden Maskulina zuerst
männliche Personen assoziiert werden und zwar Internationales EU-Forschungsprojekt
durchgängig und unabhängig von anderen Ge- zum Zusammenhang von Sprache und Ge-
schlechterstereotypen (für einen Überblick: vgl. schlecht in der Wahrnehmung mit sehr vielen
www.itn-lcq.eu; Gygax et al. (2008) und Kuster- empirischen Ergebnissen: http://www.itn-lcg.
le (2011)). Nicht nur bei prototypisch männlich eu (26.11.2013)
konnotierten Berufen hatten die Mitwirkenden
der Studien bei der Verwendung des andro- Kusterle, Karin: Die Macht von Sprach-
gendernden Maskulinums Männer vor Augen, formen: der Zusammenhang von Sprache, Den-
und das unabhängig von ihrem eigenen Gen- ken und Genderwahrnehmung. Frankfurt a. M.:
der-Selbstverständnis. Auch bei sogenannten Brandes & Apsel, 2011.
‚Frauenberufen‘ wurden bei der Verwendung

45
8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen

Einwand: Warum beschäftigt ihr euch denn mit sen? Und um wex eigentlich zu überzeugen? Vor
so Sprach-Krams? Habt ihr sonst nichts zu tun allem aber: Es geht hier um einen respektvollen
und keine Probleme? und verantwortungsvollen Umgang mit eigenen
Gegenargument: Doch, ‚wir‘ haben viele Pro- Sprachhandlungen, ein Hinspüren zu sich selbst
bleme mit → strukturellen Diskriminierungen und aktives Zuhören der Wünsche und Bedürf-
und wie diese sich manifestieren und materia- nisse anderer, und nicht darum, ‚Beweise’ zu
lisieren. Und dass sprachliche Handlungen in finden, dass Sprachhandlungen diskriminierend
vielen Diskussionen als ‚nicht so wichtig ‘ run- sind und → Machtverhältnisse ständig re_pro-
tergespielt werden, ist ein Grund, der → struk- duziert werden. Eine nicht kritisch reflektieren-
turelle Diskriminierung so stark aufrecht erhält. de Wissenschaft ist selbst Ausdruck dieser dis-
Sprachliche Benennungen schaffen Wahrnehm- kriminierenden Handlungen und Denkweisen.
barkeiten, Normen, Kategorien, die dann in
anderen sozialen Handlungen wirkmächtig und Kilomba, Grada: Plantation Memories:
weitergehend umgesetzt werden. Sprache als Episodes of Everyday Racism. Münster: Un-
nicht so wichtig herzustellen, erschwert die Ar- rast-Verlag, 2008.
gumentation dazu, wie fundamental strukturelle
Diskriminierungen gerade auch in und durch Einwand Ist denn das wissenschaftlich alles
sprachliche Handlungen getragen sind. Sprachli- überhaupt bestätigt?
che Handlungen sind ganz grundlegend für jeg- Gegenargument: Ja, ist es.
liche sozialen Prozesse und diese zu ignorieren,
macht ihre Unhinterfragbarkeit nur noch stär- vgl. Quellenverzeichnis
ker – und sie damit umso machtvoller. Warum
reicht es nicht, wenn → Trans_xs, → Inter* und Einwand: Das klingt alles so kompliziert und
→ Frauisierte sagen, dass sie → genderistisch/ unverständlich!
sexistisch diskriminiert sind, wenn → Schwarze Gegenargument: ‚Kompliziert‘ und ‚un-
und → People of Color (PoC) und Rroma-Ak- ver- ständlich‘ sind keine neutralen, über ver-
tivistxs sagen, dass sie von bestimmten rassisti- schiedene soziale → Positionierungen hinaus
schen Begriffen diskriminiert sind, dass sie nicht allgemein- gültigen Eigenschaften oder Be-
angesprochen sind, sich nicht gemeint fühlen wertungen. Es kommt immer auf die Position
und so nicht angesprochen werden wollen? Wo- an, von der aus etwas als kompliziert und un-
für bedarf es noch welcher Formen von Bewei- verständlich aufgefasst wird. Als → trans_x_te

46
8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen

Person finde ich jegliche → androgendernde Einwand: Ich finde das ja eigentlich ganz gut,
Sprachhandlung nicht nur unverständlich, son- aber meine Professor*in/ Vorgesetzte/ Kom-
dern diskriminierend. Wenn also eine durch → militon*in hält nichts von antidiskriminerender
Sexismus/Genderismus → privilegierte Person Sprache. Ich habe Angst um meine Note bzw.
eine antigenderistische Sprachform kompliziert Angst, mich lächerlich zu machen.
oder unverständlich findet, so könnte dies ein Gegenargument: Verbündete suchen, Diskus-
spannender Impuls sein, über eigene Normen sionen anregen, argumentieren. Und wie schon
und unreflektierte → Privilegierungen nachzu- oben gesagt – in unterschiedlichen Situationen
denken – ein Gefühl von Unverständnis also müssen unterschiedliche Entscheidungen dazu
auf sich selbst anzuwenden und nicht zu einer getroffen werden, wie eine antidiskriminierende
‚neutralen‘ Norm zu erklären. Handlung konkret aussehen kann. So spielt es
z.B. auch eine Rolle, zu reflektieren, wie die →
Einwand: Das ist ein feststehender Begriff, den Macht- und Statusverhältnisse in einer konkre-
kann ich doch nicht einfach so verändern! Das ten Situation, z.B. an der Universität, sind. Da-
ist doch dann nicht mehr juristisch richtig. Der von nicht entmutigen lassen!
‚Duden‘ hat bestimmt Recht und ‚Google‘ ist
auch meiner Meinung. Einwand: Das geht mich doch alles gar nichts
Gegenargument: Die juristischen Begriffe an. Weshalb sollte ich meine Sprachhandlungen
sowie auch die Produktpalette der Wirtschafts- ändern?
unternehmen ‚Duden‘ und ‚Google‘ sind nicht Gegenargument: Letztendlich entscheiden
einfach schon da, sondern wurden und werden alle für sich selbst, wie sie sprechen_schreiben_
in Diskursen von Menschen gesetzt. Gerade sprachhandeln möchten. Genauso wie ich mich
dadurch und deshalb, weil ihre Normierungen selbst entscheide, wie weit ich mich mit Diskri-
so selten herausgefordert und infrage gestellt minierung beschäftige und Verantwortung dafür
werden, können diskriminierende Handlungen übernehme. Ich kann überlegen, ob ich bereit
und Denkweisen durch die Beibehaltung soge- bin, mich selbst, gesellschaftliche Verhältnisse,
nannter ‚feststehender‘ Begriffe machtvoll und bestimmte Situationen etc. zu reflektieren und
ungebrochen re_produziert werden. kritisch zu hinterfragen, ob ich z.B. bei den
Wahlen zum Studixsparlament eine bestimmte
Partei wählen oder Wahlen aktiv boykottieren
will. Fakt ist, dass wir immer involviert sind

47
8 Argumentationshilfen für antidiskriminierende Sprachhandlungen

und uns darum Sachen etwas angehen, dass wir ab. Und wir sind fürs bedingungslose Grundein-
Umstände und Verhältnisse mitbestimmen, egal kommen, yeah!
ob wir aktiv eingreifen oder lieber schweigend
zusehen – und auf diese Weise auch handeln. Einwand: Das geht grammatikalisch gar nicht!
Nur weil ich nicht merke, wie meine → Privile- Gegenargument: Interessant. In deiner Wer-
gien darauf basieren, dass andere diskriminiert teskala steht ganz oben wohl Grammatik und
werden, heißt es nicht, dass ich als privilegierte dann kommen Menschen. Und Grammatik,
Person nicht genauso involviert bin in → Ras- stimmt, ist absolut neutral, schon immer so ge-
sismus_Ableismus_Sexismus/Genderismus_ wesen und darf auf keinen Fall geändert wer-
Klassismus_Migratismus. den????!!!! Für uns geht es hier um Menschen,
wie diese sich anwesend fühlen, wie sie benannt
Diskriminierungen sind nicht vor allem Ange- werden wollen. Cool wenn ‚Grammatik‘ sich
legenheit von Diskriminierten, sondern eine dann entsprechend dem Leben anpasst und es
gesamtgesellschaftliche Struktur und als solche nicht diskriminierend verhindert.
eine Verantwortung vor allem dixjeniger, dix
privilegiert sind, ihr_e Privilegien sozial verant- Coyote, Ivan E.; Spoon, Rae: Gender Failu-
wortlich gegen Diskriminierungen einzusetzen. re. Vancouver: Arsenal Pulp Press, 2014.

Und – sich Sprachhandlungen (wieder) anzu-
eignen, Neues auszuprobieren, genau hinzuhö-
ren, schafft viele neue Kommunikationen, ist
eine herausfordernde Form, politisch aktiv zu
sein, erweitert die eigene Wahrnehmung immer
wieder und fortdauernd – und macht einfach
sehr viel Spaß!

Einwand: Das wird doch wohl nicht von unse-


ren Steuergeldern bezahlt!
Gegenargument: Wo ist das Geld in dieser Ge-
sellschaft? Wex besitzt es? Wofür wird es aus-
gegeben? Keine Sorge - wir kriegen nix davon

48
Im Hauptgebäude der HU werden Personen porträtiert, die als berühmte RepräsentantInnen der Uni kon-
struiert werden. Das Plakat zeigt Mary Church Terrell, die als anti_rassistisch_genderistische Aktivistin in
Berlin gelebt hat. Wieso wird ihr an der HU nicht ge_dacht? Welche Vor_stellung von Wi_ssenschaft wird
durch die Auswahl der Porträtierten insgesamt re_produziert?
Ein Projekt, das sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt hat, heißt „Who is missing. And why?“
(whoismissingandwhy.blogspot.de)
Glossar

Glossar

Ein Glossar ist an sich schon kritisch zu hinter- Internetseite mit Tipps für antidiskrimi-
fragen, weil es dabei um Definitionen geht, die nierende Sprachhandlungen in Bezug auf be-
Macht re_produzieren und nie vollständig und Hinderung: http://leidmedien.de (22.09.2013)
abgeschlossen sein können. Dennoch versuchen
wir hier, unser momentanes Verständnis von Androgenderung, androgendern, androge-
zentralen Begriffen und Texten, die für diese gendert:
Broschüre besonders wichtig sind, festzuhalten. Androgenderung ist beispielsweise, wenn ich
glaube, dass es Äußerungen gibt, mit denen ‚alle‘
Ableismus, ableisiert, disableisiert: gemeint sind. Dieses ‚alle‘ ruft aber häufig weiße
Ableismus ist das strukturelle Diskriminierungs- männliche ableisierte Vorstellungen auf. Diese
verhältnis, das Nicht/beHinderung bzw. Dis/ Vorstellungen re_produzieren sich so als allge-
Ableisierung konstruiert. Personen, die in einer meinmenschlich, sind aber androgegendert.
Gesellschaft nicht-beHindert sind, sind ablei-
siert. „warum ist die fußballweltmeisterschaft selbst-
verständlich und für alle eindeutig die fußball-
„Wie entsteht beHinderung? Wer macht wen weltmeisterschaft ableisierter ‚männer’ und die
beHindert? Oder anders gefragt, wer beHindert fußballweltmeisterschaft ableisierter frauen heißt
wen? Und was genau bedeutet das eigentlich: ‚frauen-fußballweltmeisterschaft? wie heißt die
beHinderung? […] beHinderung ist kein patho- disableisierte frauen-fußballweltmeisterschaft?
logischer Zustand von Menschen, sondern ein gibt es sie?“ (hornscheidt, lann, 2012, S. 85)
gesellschaftlicher Prozess, in welchem Menschen
an gesellschaftlicher Teilhabe beHindert werden, hornscheidt, lann: feministische w_orte:
weil sie nicht der angenommenen Norm oder ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache
Mehrzahl entsprechen.“ (Ballaschk, Cindy; Els- und diskriminierung, gender studies und femi-
ner, Maria; Johann, Claudia; Weber Elisabeth ; nistischer linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes &
Schmitz, Ka: machtWorte!. Berlin: JaJa-Verlag, Apsel, 2012, S. 84-93.
2012)
CisGenderung, CisFrau, CisMann/CisTyp,
Linton, Simi: Reassigning Meaning. In: cisgegendert:
Davis, Lennard J. (Hrsg.) The Disability Studies ‚Ich habe meine eigene Wahrnehmung, Frau
Reader. New York: Routledge, 2006, S.161-172. zu sein, noch nie infrage gestellt. Ich habe sie

51
Glossar

noch nie infrage stellen müssen – alle sehen und mich bestimmt, trotz und jenseits von Gefühlen
sprechen mich so an. Und das war mein gan- von Ohn- und Unmacht dazu. Ich höre
zes Leben lang so und ich kann mir auch nicht auf, meine diskriminierte Positionierung als
vorstellen, dass es anders sein könnte. Ich fühle Ausgangslage meiner Selbstwahrnehmung und
mich richtig damit – das ist doch einfach so.‘ meines Seins in Welt zu nehmen. Empowerment
Eine Person, die so denkt und handelt, nennen ist auch meine Selbst_Ermächtigung und meine
wir CisFrau; sie ist cisgegendert. Das ist ein Pri- Zurück_Gewinnung einer Handlungsoption in
vileg, da sie in viele soziale Normen hineinpasst gewaltvollen diskriminierenden Situationen und
und diese nicht infrage stellen muss. In einer Lebensrealitäten. Durch Empowerment kann
sexistischen Gesellschaft macht es einen Un- die eigene Stärke wieder spürbar gemacht und
terschied, CisFrau oder CisMann/Typ zu sein. Verbündete gefunden werden.
Überhaupt darüber nachdenken zu können,
CisFrau oder CisMann/Typ zu sein, kann selbst Hamaz, Sofia; Ergün-Hamaz,
Ausdruck dafür sein, weiß und ableisiert zu sein Mutlu; Brilling, Julia: Empowerment:
– denn dann spielen andere Diskriminierungs- Migration, Integration, Diversity-Dossier der
formen eine ganz andere Rolle für Selbst- und Heinrich-Böll-Stiftung. Berlin 2013. http://
Außenwahrnehmungen. Warum wird beispiels- www.mig ration-boell.de/pics/Dossier_
weise Kindern von Anfang an beigebracht, dass Empowerment.pdf (22.09.2013)
Mama immer frauisiert ist und bleibt und Papa
immer typisiert ist und bleibt? Frauisierung, frauisiert, Frauisierte:
Die Be_Nennung ‚frauisiert’ ersetzt die
hornscheidt, lann: feministische w_ konventionalisierte Be_Nennung ‚Frau‘.
orte: ein lern-, denk- und handlungsbuch zu Durch das Wort ‚frauisiert‘ wird der diskursive,
sprache und diskriminierung, gender studies prozessuale Herstellungscharakter dieser
und feministischer linguistik. Frankfurt a. M.: sozialen Positionierung deutlicher: Keine
Brandes & Apsel, 2012, S. 113-130. Person ist einfach so ‚Frau‘, sondern wird
frauisiert und_oder frauisiert sich selbst. Die
Empowerment, empowern: Be_Nennung ‚typisiert’ ersetzt analog dazu die
ist alles, was mich stark macht, anwesend macht, konventionalisierte Be_Nennung ‚Mann‘.
mich wertvoll und selbstakzeptierend macht –
jenseits von und trotz der Diskriminierung, die

52
Glossar

AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): dadurch auch de_konstruierbar gemacht. Gen-


Feminismus schreiben lernen. Frankfurt a. M.: derung ist der Prozess der Vergeschlechtlichung,
Brandes & Apsel, 2011, S. 19-41. d.h. durch Genderung werden Personen über
Geschlecht wahrgenommen, definiert und zu-
Geschlecht, Gender, Genderung: gerichtet.
„Die anmaßende Idee, alle könnten einem, und
nur einem Geschlecht zugeteilt werden, ist an AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.):
Irrsinn nicht zu überbieten! Die Annahme, es Feminismus schreiben lernen. Frankfurt a. M.:
gäbe nur zwei Geschlechter, ist absurd und aber- Brandes & Apsel, 2011, S. 19-41.
witzig zugleich. Absurd, weil dieses System kei-
neswegs auf alle zutrifft. Absurd auch, weil jede Roßhart, Julia; Jacke, Katharina; Hu-
Abweichung immer nur als Ausnahme und folg- ber, Jamie; Kämpf, Katrin: meiblich, wännlich,
lich als Bestätigung des Systems gelesen wird. other!: Zweigeschlechtlichkeit als Irritation;
Aberwitzig und absurd ist, dass dieses blödsin- eine Ausstellung. Creative Commons, 2009, S.
nige System als so selbstverständlich gilt, dass 2. http://.slideshare.net/sAncArlchen/meib-
wir Unmengen an Energie darauf verschwen- lich-wnnlich-other-zweigeschlechtlichkeit-als-ir-
den, es aufrecht zu erhalten! Wir fordern: Stel- ritation-presentation (26.11.2013)
len Sie diesen offensichtlichen Unfug ab! Stellen
Sie diese empörende Energieverschwendung Heteronormativität und Heteragenderung:
ab! Verabschieden Sie sich von diesem wahn- Heteronormativität ist die weiße ableisierte
witzigen System, das vielen schadet und keinem Normsetzung von zweigeschlechtlichen Paarbe-
nützt!“ ziehungen und als solche auch rechtlich abge-
(Roßhart, Julia; Jacke, Katharina; Huber, Jamie; sichert und legitimiert. Heteronormativität nor-
Kämpf, Katrin, 2009, S. 2) malisiert vornehmlich weiße ableisierte entnannte
Zweigeschlechtlichkeit und hetero- zweigegen-
Der Begriff ‚Geschlecht’ wird als weiße ableisier- derte Paarbeziehungen. Hetera- genderung ist
te Vorstellung verhandelt, durch die Personen die Heteragendernorm(alis)ierung und damit
biologisierend als ‚meiblich‘ und ‚wännlich‘ dif- eine Realisierung von Sexismus bzw. Genderis-
ferenziert und dadurch sozial positioniert wer- mus. Durch weiße ableisierte queere Politiken
den. Mit ‚Gender’ wird die Konstruktion von wird Heteronormativität häufig absolut gesetzt
Geschlecht als Analysekategorie fokussiert und und auf diese Weise Rassismus und auch Ab-

53
Glossar

leismus – als wichtiger Bestandteil einer Vorstellung Interdependenz und Intersektionalität:


von Heteronormativität – entnannt. „diskriminierungen sind immer komplex und
mehrschichtig. es gibt keine einfachen, mono-
Cohen, Cathy: Punks, Bulldaggers, and lithischen diskriminierungen, die dann addiert
Welfare Queens: The Radical Potential of Queer werden können. [...] es gibt also beispielsweise
Politics? In: Johnson; E. Patrick; Henderson, Mae keine genderistische diskriminierung, die nicht
G. (Hrsg.): Black Queer Studies: A Critical Antholo- auch rassistisch_ableistisch durchzogen und
gy. Durham: Duke University Press, 2005, S. 21-51. konstituiert ist, die nicht auch rassismus und
ableismus mit aufruft, auf die eine oder ande-
Inter*: re weise. genderismus bedeutet für Schwarze
Inter* ist ein Sammelbegriff für Personen, die nicht trans_x_te personen was anderes, manifestiert
in die (herkömmlichen) gesellschaftlichen Defini- sich anders, wird anders eingelesen, als für PoC
tionen von „weiblich“ oder „männlich“ zu passen trans_x_te personen, anders wahrgenommen,
scheinen. Bei Inter* geht es besonders um unter- anders zugeschrieben als für weiße trans_x_te
schiedlichste Bedingungen, in denen die reproduk- personen. vielleicht ist genderismus/sexis-
tive oder geschlechtliche Anatomie, mit der eine mus als konzept bereits rassistisch, da es eine
Person geboren wird, nicht zuordbar scheint nach trennbarkeit impliziert, die für Schwarze und
HERRschenden maßstäben. Gesellschaftlich wer- PoC-frauisierte überhaupt nicht gegeben war
den Geschlechterkategorien häufig in „männlich“, und ist. [...] das heißt, jede analyse von genderis-
„weiblich“ und manchmal „inter*“ unterteilt, um mus und jede politik gegen genderismus muss
soziale Interaktionen zu vereinfachen; auszudrü- immer ausdifferenziert sein nach anderen, nur
cken, was wir wissen und fühlen oder um Ordnung analytisch trennbaren, diskriminierungsformen
aufrechtzuerhalten. Es entscheidet also nicht wie rassismus und ableismus. wenn zum beispiel
die Natur, wo die Kategorie „männlich“ endet trans-politiken dafür kämpfen, dass eine trans-
und die Kategorie „inter*“ beginnt, oder wo- genderkategorie in deutschen pässen eingeführt
die Kategorie „inter*“ endet und die Kategorie wird, werden auf diese weise die kämpfe der in
„weiblich“ beginnt. Menschen entscheiden das. deutschland lebenden illegalisierten trans_x_ten
(gekürzte und veränderte Definition nach http:// personen ausgeschlossen. und damit wird nicht
www.isna.org/faq/what_is_intersex) reflektiert, dass diese politik dann gleichzeitig
(29.01.2015) diskriminierend ist.“
(xart splitta e.V.: interdependenzen. Berlin 2013.

54
Glossar

http://www.xartsplitta.net/interdependenzen.) bekomme ich sie sonst her? Und wenn ich sie
(10.09.2013) in Billigläden kaufen ‚muss‘, weil ich mir nichts
anderes leisten kann oder will, welche Personen
Hornscheidt, Lann: akademische ent- leben wie oder gar nicht dadurch, dass ich die-
positionierungen und paradoxe entkomplexis- se Jeans billig oder teurer kaufen kann? Werden
ierungen durch intersektionalität. In: Erwägen, meine kranken Eltern durch mich (auch, wenn
Wissen, Ethik. Stuttgart 24(2013)2, S. 112-117. ich sexualisierte Gewalt von da mitbekommen
habe – aber es so klar ist, dass ich ja für meine
Klassismus: Eltern zuständig bin) oder durch eine Person
Fragen, die wir uns gerade zu Klassismus stellen, ohne Aufenthaltstitel gepflegt (weil ich mir ja
sind: Was lerne ich als Standardessen kennen? ‚nichts anderes leisten kann‘ und dieser Staat das
Was wurde mir vorgelesen? Wurde diskutiert tatsächlich nur so ermöglicht). Oder sind meine
‚zu Hause‘ – und gab es ein Haus, eine Woh- Eltern schon lange an den Chemikalien gestor-
nung, einen Ort oder bin ich auf der Flucht, im ben, mit denen sie während ihrer Arbeit auf den
Heim, in der Psychiatrie aufgewachsen? Muss Plantagen die Bananen und Nelken für westliche
ich mir bei jedem Einkauf überlegen, ob ich Märkte besprühen mussten?
die Packung Kekse mitnehmen kann? Habe
ich überhaupt Geld oder Einkaufs‚gut‘scheine Macht- und Statusverhältnisse:
zum Einkaufen – oder muss ich sowieso Ge- Machtver- hältnisse sind strukturelle Diskri-
schäfte meiden als öffentliche Orte mit chemi- minierungs- und Privilegierungsverhältnisse.
kalischen, elektromagnetischen Belastungen, zu Macht ist nicht unbedingt repressiv und eindeu-
vielen Menschen oder weil ich vielleicht auffal- tig, ist nicht nur an einer individuellen Position
len und kontrolliert werden könnte? Oder weil festmachbar, sondern prägt jede gesellschaftliche
ich gar nicht hinkomme? Gibt es sowas wie Situation als Machtverhältnis. Machtverhältnisse
‚Urlaub‘, allein schon als Vorstellung für mein begünstigen privilegierte Personen(gruppen),
Leben? Ist Reisen mit Grenzübertritt und Ge- die z.B. an der Universität in und durch Status-
fahr und Bedrohung oder mit Erholung oder verhältnisse institutionalisiert werden können.
mit Flucht oder mit noch was anderem verbun-
den? Mit wessen Wasser werden mein Pool und Migratismus, migratisiert:
meine Klospülung im Urlaub gefüllt? Wie und Migratismus ist das Machtverhältnis, das Migra-
wo kaufe ich meine Kleidung oder wo und wie tion und Migra_ntinnen als nicht dazugehörig

55
Glossar

zu Deutschland/Westeuropa auf einer ideel- (FemoCo2013: People of Color – ein po-


len, rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturel- litischer Bündnisbegriff oder auferzwungene
len Ebene herstellt bzw. sie als negativ anders Selbstbezeichnung? Berlin 2013. http://www.
herstellt. Migratisierung ist auch eine zentrale femoco2013.de/programm-1/people-of-co-
Umsetzung von Rassismus in der Gesellschaft. lor-ein-politischer-bündnisbegriff-oder-aufer-
D.h. weiße Personen können auch migratisiert zwungene-selbstbezeichnung) (22.09.2013)
sein, werden aber damit nicht rassistisch diskri-
miniert. Weiße Rumäninnen können migratisiert Das bedeutet u.a. auch, immer konkret die
sein in Deutschland, wohingegen weiße Schwe- Selbstbenennungen Diskriminierter zu respek-
dinnen in Deutschland nicht migratisiert sind, tieren und zu verwenden.
sondern einfach nur weiß privilegiert.
Für Personen, die sich mit Selbstbenennungen
Tudor, Alyosxa: Rassismus und Migra- noch nicht oder wenig auseinandergesetzt ha-
tismus: die Relevanz einer kritischen Differen- ben und Widerwillen spüren oder irritiert sind,
zierung. In: Nduka-Agwu, Adibeli; Hornscheidt, ist zu überlegen, aus welchen Gründen sie die
Lann (Hrsg.): Rassismus auf gut Deutsch: ein Selbstbezeichnungen Diskriminierter nicht
kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen verwenden und respektieren wollen und welche
Sprachhandlungen. Frankfurt a. M.: Brandes & Vorstellungen somit wieder normalisiert und
Apsel, 2010, S. 396-420. re_produziert werden. Ha, Kien Nghi; al-Sama-
rai; Nicola Lauré; Mysoreka, Sheila: re/visionen:
People of Color, Person of Color, PoC: postkoloniale Perspektiven von People of Color
„Der Begriff ‚People of Color’ ist ein Bünd- auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in
nisbegriff, der Verbindungslinien zwischen Deutschland. Münster: Unrast-Verlag, 2007.
Menschen herstellt, die Rassismuserfahrungen
machen. Auf solidarische Weise soll dem rassis- Privilegierung:
tischen weißen Herrschaftssystem entgegenge- Ich bin durch verschiedene Diskriminierungs-
treten werden, ohne Differenzen untereinander verhältnisse gleichzeitig privilegiert, da ich z.B.
zu homogenisieren. Im deutschen Kontext gibt nicht weiß, wie es sich anfühlt, aufgrund rassisti-
es mit der Anwendung einige Schwierigkeiten, scher Zuschreibungen diskriminiert zu werden;
er ist englisch und wird in einer bestimmten da ich nicht weiß, wie es ist, mit dem Rolli durch
(überwiegend akademischen) Szene genutzt.“ Berlin unterwegs zu sein – oder eben nur teil-

56
Glossar

weise oder sehr eingeschränkt; da ich nicht weiß, one is seen as ‘different’ due to one’s racial and/
wie es ist, als Kind nicht satt zu werden; da ich or religious belonging. […] All those who are not
nicht weiß, wie das Gefühl ist, nicht verstanden white are constructed as ‘different’. […] Second,
zu werden, weil meine Sprache nicht gesprochen these constructed differences are inseparably
wird oder alle Lautsprache als selbstverständlich linked to hierarchical values. […] Finally, both
setzen; da ich nicht weiß, wie es ist, keinen EU- processes are accompanied by power – historical,
Pass zu haben und vor jeder Kontrolle Panik zu political, social and economical power. […]
haben. And in this sense, racism is white supremacy.”
(Kilomba, Grada, 2008, S. 42)
Ich bin an vielen Punkten privilegiert, an ande-
ren nicht. Zum Beispiel weiß ich, wie ich mich Momentan wirkkräftige Formen von
fühle, wenn ich in der Supermarktschlange als Rassismus im deutschen Kontext sind
Freak beschimpft werde. Ich weiß, was es mit z.B. Kolonialrassismus, Antiromaismus,
mir macht, aus dem ‚Frauen‘klo geschickt zu Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus.
werden. Ich weiß, warum ich keine Lust auf
Therme oder Hallenbad habe. Die eigenen Pri- Shohat, Ella; Stam, Robert: Unthinking
vilegierungen zu hinterfragen, zu be_nennen, Eurocentrism: Multiculturalism and the Media.
mitzu_denken, bringt mich an Punkte bei mir London/New York: Routledge, 1994, S. 22ff.
selbst, aber auch an Punkte, wie ich handeln Lorde, Audre: Sister Outsider: Essays
möchte, agieren möchte, anerkennen und auch and Speeches. Berkeley: Crossing Press, 1984.
stehen lassen können möchte, wenn ich nicht
verstehe, was Diskriminierung bedeutet und an- Kilomba, Grada: Plantation Memories:
richtet. Episodes of Everyday Racism. Münster: Unrast-
Verlag, 2008.
Rassismus, Rassismen:
“Rassismus ist die systematische Herstellung Sexismus und Genderismus:
von white supremacy” (Sharon Dodua Otoo; Sexismus ist der ‚traditionelle‘ Begriff, um
Präsentation Moviemento. Berlin 13. Juli 2013) strukturelle Diskriminierung über Genderung
zu bezeichnen. Genderismus ist ein weiter
“Racism is attended by three simultaneous ausdifferenzierter Begriff, der über ein
features: first, the construction of difference; herkömmliches Verständnis von Sexismus

57
Glossar

hinausgeht. Genderismus ist die strukturelle das Schweigen: diasporische Vernetzungen


Diskriminierungsform, die Gender/ Schwarzer Frauen in transnationalen
Geschlecht als Kategorisierung schafft und Begegnungen. In: Peggy Piesche (Hrsg.): Euer
über diese Kategorisierung Diskriminierungen, Schweigen schützt euch nicht: Audre Lorde und
Hierarchisierungen, Bewertungen und die Schwarze Frauenbewegung in Deutschland.
Gewalt herstellt und re_produziert. Berlin: Orlanda, 2012, S. 7.)
Genderismus basiert auf unterschiedlichen
genderistischen Realisierungsformen wie u.a. Über die Schwarze Position wird die
Androgenderung, Zweigenderung, Reprogen- Analysekategorie weiß hergestellt. Sie sind
derung, Heteragenderung, Cisgenderung und absolut asymmetrisch zu lesen.
Kategorialgenderung. Genderismus schafft
Gender als Kategorie. Genderismus als Begriff Eggers, Maureen M.; Kilomba,
macht die Bezugnahme auf alle diese zuvor Grada; Piesche, Peggy; Arndt, Susan (Hrsg.):
genannten Realisierungsformen explizit und Mythen, Masken und Subjekte: kritische
zum Ausgangspunkt und geht damit über Weißseinsforschung in Deutschland. Münster:
herkömmliche Formen von Sexismus hinaus, Unrast-Verlag, 2005 [2. Aufl. 2009].
die besonders Androgenderung zum Ziel
haben AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Soziale Positionierung und kritische Verortung:
Feminismus schreiben lernen. Frankfurt a. M.: Soziale Positionierung ist die Herstellung einer
Brandes & Apsel, 2011, S. 12-56. Kategorisierung auf der Grundlage struktureller
Diskriminierungen: beispielsweise Schwarze
lann hornscheidt: feministische w_orte. Personen, PoC, Musli_minnen, Rroma, Jüdi_
Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel 2012. nnen durch spezifische Realisierungsformen
von Rassismus, Frauen, Inter*, Trans* durch
Schwarz: spezifische Realisierungsformen von Sexismus/
„Die Großschreibung von Schwarz verweist auf Genderismus, BeHinderte durch spezifische
die Strategie der Selbstermächtigung und zeigt Realisierungsformen von Ableismus.
das symbolische Kapital des Widerstandes gegen
Rassismus an, welches rassistisch markierte Wenn ich mich damit kritisch und reflektierend
Menschen und Kollektive sich gemeinsam beschäftige und daraus politische Handlungen
erkämpft haben.“ (Piesche, Peggy: Gegen ableite, handele ich kritisch verortet zu diesen

58
Glossar

Diskriminierungen. Ob ich privilegiert oder xart splitta e.V.: kritische ver_ortung


diskriminiert bin im Verhältnis zu diesen und soziale positionierung: ein (selbst)
Diskriminierungsstrukturen, spielt dabei eine interview. Berlin 2013. http://www.xartsplitta.
wichtige Rolle für meine Handlungen und n e t / k r i t i s ch e - ve r _ o r t u n g - u n d - s o z i a l e -
meine Verortungen. So sind Personen, die positionierung-ein-selbstinterview (10.09.2013).
durch Rassismus diskriminiert sind und dagegen
kämpfen, anti-rassistisch kritisch verortet. Collins, Patricia Hill: Black Feminist
Personen, die durch Rassismus privilegiert sind, Thought: Knowledge, Consciousness, and
sind in ihrem Handeln dagegen contra_rassistisch the Politics of Empowerment. New York:
verortet. Routledge, 2000 (1. Auflage 1990).

Die → kritische Verortung ist keine Identität, Strukturelle Diskriminierung, strukturelle


sondern ein Selbstanspruch, die ich mir immer Ausschlüsse, strukturelle Ungleichheits-
nur für konkrete Handlungen immer wieder verhältnisse:
neu überlegen und umsetzen kann. Ich bin Im nachfolgenden Zitat wird Rassismus als
also nicht Contra_Rassistx als weiße Person, Ausgangspunkt für strukturelle Ausschlüsse
sondern eine konkrete Handlung von mir kann und Diskriminierungen genommen; nehme
contra_rassistisch bzw. so gedacht und gemeint ich andere Diskriminierungsverhältnisse zum
sein, dann aber in der Wirkung potentiell Ausgangspunkt, kommen andere Formen von
auch rassistisch sein, daher der Unterstrich.→ Ausschluss und Diskriminierung zum Tragen,
Soziale Positionierung ist also eine analytische die ebenfalls systemisch und kognitiv verankert
Kategorisierung, kritische Verortung ist eine sind:
konkrete politische Handlung.
“The conventional distinction between
Tudor, Alyosxa: feminismus w_orten individual and institutional racism, finally,
lernen: Praktiken kritischer Ver_Ortung in is problematic, since racism is by definition
feministischen Wissensproduktionen. In: AK the expression or activation of group power.
Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus Racism, then, is both individual and systemic,
schreiben lernen. Frankfurt a. M.: Brandes & interwoven into the fabric both of the psyche
Apsel, 2011, S. 57-99. and of the social system, at once grindingly
quotidian and maddeningly abstract. It is not

59
Glossar

a merely attitudinal issue, but a historically kann Folgendes bedeuten: „transed: if we rethink
contingent institutional and discursive apparatus the term as the critical crossings and mobilities
linked to the drastically unequal distribution of previously categorically fixed territories.”
of resources and opportunities, the unfair (Noble, Bobby, 2012, S. 46)
apportioning of justice, wealth, pleasure and
pain. It is less an error in logic than an abuse Trans_x_en ist eine kritische Ver_ortung, die im
of power, less about ‘attitudes’ than about Moment ihrer Handlung versucht, herkömmli-
the deferring of hopes and the destruction of che Vorstellungen von Genderungen zu durch-
lives.” (Shohat, Ella; Stam, Robert, 1994, S. 23.) queren, die immer auch gegen Rassismen und
Ableismen sowie Klassismen und Migratismen
Shohat, Ella; Stam, Robert: Unthinking Stellung bezieht und auf jeden Fall immer Zwei-
Eurocentrism: Multiculturalism and the Media. genderung bzw. Zwangszweigenderung heraus-
London/New York: Routledge, 1994. fordert und infrage stellt. xart splitta e.V.:
http://www.xartsplitta.net (10.09.2013).
Trans*/Trans_en/Trans_x_en:
Trans* ist ein politischer, d.h. kritisch ver_ Enke, Anne (Hrsg.): Transfeminist Per-
orteter Sammel- begriff für Personen, die in spectives in and Beyond Transgender and Gen-
konkreten Momenten und_oder übergreifenden der Studies. Philadelphia: Temple University
Lebenssituationen Eindeutigkeiten von Press, 2011.
Genderzuweisungen infrage stellen, die sich nicht
in naturalisierten, zeitübergreifenden Formen Noble, Bobby: Trans. Panic: Some
von Zwangszweigenderung wiederfinden, nicht Thoughts toward a Theory of Feminist Funda-
in den Gendervorstellungen, die ihnen in ihrer mentalism. In: Enke, Finn A. (Hrsg.): Transfe-
Sozialisation nahegelegt worden sind und die dies minist Perspectives in and beyond Transgender
in unterschiedliche Handlungen umsetzen, wie and Gender Studies. Philadelphia: Temple Uni-
Namens- und Personenstandsveränderungen, versity Press, 2012, S. 45-59.
körperliche Veränderungen, Auftreten –
manchmal über Zeit, manchmal in einzelnen weiß: Der Begriff weiß ist kleingeschrieben und
Situationen. kursiv gesetzt (bzw. in kursiv gesetzten Ab-
schnitten nicht-kursiv geschrieben), da es sich
Trans_en als Verb und damit als Handlungsform um eine analytische Kategorisierung von über

60
Glossar

(Kolonial)Rassismus privilegierten Personen Sexbeziehungen „natürlicherweise“ auf einan-


und entsprechenden sozialen Positionierungen der beziehen.
handelt. Zwangszweigendern: Alle sozialen Mechanis-
men, Handlungen, Wahrnehmungen und Strate-
weiß ist also in dieser Lesart keine Identitätska- gien, die den Anschein erwecken, dass es nichts
tegorie und auch keine mögliche kritische Ver- anderes als Zweigenderung gibt.
ortung, sondern Resultat rassismuskritischer
Analyse der durch Rassismus privilegierten Po- hornscheidt, lann: feministische w_orte:
sitionierung und Resultat antirassistischer Politi- ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache
ken. Eggers, Maureen M.; Kilomba, Grada; und diskriminierung, gender studies und femi-
Piesche, Peggy; Arndt, Susan (Hrsg.): Mythen, nistischer linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes &
Masken und Subjekte: kritische Weißseinsfor- Apsel, 2012, S. 73-83.
schung in Deutschland. Münster: Unrast-Ver-
lag, 2005 [2. Aufl. 2009].

Morrison, Toni: Playing in the Dark:


Whiteness and the Literary Imagination. New
York: Vintage, 1992.

ZweiGenderung: In und durch ZweiGende-


rung wird eine Unterscheidung zwischen typi-
sierten (‚Männern‘) und frauisierten (‚Frauen‘)
Positionierungen und Personengruppen her-
gestellt und diese Unterscheidung zugleich als
selbstverständlich, natürlich, unhinterfrag- und
unhintergehbar und objektiv gesetzt. Zwei-
Genderung basiert auf der Annahme, dass es
zwei und genau zwei Gender gibt, weiblich und
männlich, denen Personen, Handlungen, Eigen-
schaften eindeutig zugeordnet werden können
und die sich in Liebes- und Lebens- sowie in

61
Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis

AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus schreiben lernen. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2011.

Ballaschk, Cindy; Elsner, Maria; Johann, Claudia; Weber Elisabeth; Schmitz, Ka: machtWorte! Berlin:
JaJa-Verlag, 2012.

Böttger, Ben; Macedo, Rita; u.a.: Unsa Haus und andere Geschichten. Berlin: NoNo Verlag, 2010.

Bretz, Leah; Lantzsch, Nadine: queer_feminismus: label & lebensrealität. Münster: Unrast-Verlag, 2013.

Cohen, Cathy: Punks, Bulldaggers, and Welfare Queens: The Radical Potential of Queer Politics? In: Johnson;
E. Patrick; Henderson, Mae G. (Hrsg.): Black Queer Studies: A Critical Anthology. Durham: Duke
University Press, 2005, S. 21-51.

Collins, Patricia Hill: Black Feminist Thought: Knowledge, Consciousness, and the Politics of Empowerment.
New York: Routledge, 2000 (1. Auflage 1990).

Coyote, Ivan E.; Spoon, Rae: Gender Failure. Vancouver: Arsenal Pulp Press, 2014.

Eggers, Maureen M.; Kilomba, Grada; Piesche, Peggy; Arndt, Susan (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte:
kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster: Unrast-Verlag, 2005 (2. Aufl. 2009).

Enke, Anne (Hrsg.): Transfeminist Perspectives in and Beyond Transgender and Gender Studies. Philadelphia:
Temple University Press, 2011.

FemoCo2013: People of Color: ein politischer Bündnisbegriff oder auferzwungene Selbstbezeichnung?


Berlin 2013. http://www.femoco2013.de/programm-1/people-of-color-ein-politischer-bündnisbe
griff-oder- auferzwungene-selbstbezeichnung (10.09.2013).

Gygax, Pascal Mark; Gabriel, Ute; Sarrasin, Oriane; Oakhill, Jane; Garnham, Alan: Generically Intended, but
Specifically Interpreted: When Beauticians, Musicians, and Mechanics are all Men. In: Language and
cognitive processes. Hove 23(2008)3, S. 464-485.

Ha, Kien Nghi; al-Samarai; Nicola Lauré; Mysoreka, Sheila: re/visionen: postkoloniale Perspektiven von People
of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland. Münster: Unrast-Verlag, 2007

62
Quellenverzeichnis

Hamaz, Sofia; Ergün-Hamaz, Mutlu; Brilling, Julia: Empowerment: Migration, Integration, Diversity-Dossier,
Heinrich-Böll-Stiftung. Berlin 2013. http://www.migration-boell.de/pics/Dossier_Empowerment.pdf
(22.09.2013).

Hayn, Evelyn: „Political Correctness“. Machtvolle Sprachaushandlungen und sprachliche Mythen in Disku-
ssionen um „Politische Korrektheit“. In: Nduka-Agwu, Adibeli; Hornscheidt, Lann (Hrsg.): Rassis-
mus auf gut Deutsch: ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen. Frankfurt
a. M.: Brandes & Apsel, 2010, S. 337-343.

Herrmann, Steffen Kitty: Performing the gap: queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung. In: Arranca!,
Berlin 28 (2003). http://arranca.org/ausgabe/28/performing-the-gap (18.07.2013).

hornscheidt, lann: feministische w_orte: ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache und diskriminierung,
gender studies und feministischer linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2012.

hornscheidt, lann: akademische entpositionierungen und paradoxe entkomplexisierungen durch


intersektionalität. In: Erwägen, Wissen, Ethik : EWE ; Forum für Erwägungskultur. Stuttgart 24(2013)2,
S. 112-117.

Internationales EU-Forschungsprojekt zum Zusammenhang von Sprache und Geschlecht in der Wahrnehmung
mit sehr vielen empirischen Ergebnissen: http://www.itn-lcg.eu (26.11.2013)

Internetseite mit Tipps für antidiskriminierende Sprachhandlungen in Bezug auf beHinderung:


http://leidmedien.de (10.09.2013)

Intersex Society of North America (ISNA): What is Intersex?


http://www.isna.org/faq/what_is_intersex (29.01.2015)

Kilomba, Grada: Plantation Memories: Episodes of Everyday Racism. Münster: Unrast-Verlag, 2008.

Kusterle, Karin: Die Macht von Sprachformen: der Zusammenhang von Sprache, Denken und
Genderwahrnehmung. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2011.

63
Quellenverzeichnis

Linton, Simi: Reassigning Meaning. In: Davis, Lennard J. (Hrsg.): The Disability Studies Reader. New York,
Routledge, 2006, S.161-172.

Lorde, Audre: Sister Outsider: Essays and Speeches. Berkeley: Crossing Press, 1984.

Morrison, Toni: Nobel Lecture December 7, 1993. Nobelprize.org, 2013. http://www.nobelprize.org/nobel_


prizes/literature/laureates/1993/morrison-lecture.html (10.09.2013).

Morrison, Toni: Playing in the Dark: Whiteness and the Literary Imagination. New York: Vintage Books, 1992.

Nduka-Agwu, Adibeli; Hornscheidt, Lann (Hrsg.): Rassismus auf gut Deutsch: ein kritisches
Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2010.

Nduka-Agwu, Adibeli; Hornscheidt, Lann: Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Sprache. In:
Diexs (Hrsg.): Rassismus auf gut Deutsch: ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen
Sprachhandlungen. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2010, S. 11-52.

Noble, Bobby: Trans. Panic: Some Thoughts toward a Theory of Feminist Fundamentalism. In: Enke, Finn A.
(Hrsg.): Transfeminist Perspectives in and beyond Transgender and Gender Studies. Philadelphia:
Temple University Press, 2012, S. 45-59.

Oguntuye, K., Opitz, M., & Schultz, D. (1986). Farbe bekennen: Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer
Geschichte. Berlin: Orlanda Frauenverlag.

Piesche, Peggy: Gegen das Schweigen: diasporische Vernetzungen Schwarzer Frauen in transnationalen
Begegnungen. In: Piesche, Peggy (Hrsg.): Euer Schweigen schützt euch nicht: Audre Lorde und die
Schwarze Frauenbewegung in Deutschland. Berlin: Orlanda, S. 7.

Pusch, Luise F.: Deutsch auf Vorderfrau: sprachkritische Glossen. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2011.

Pusch, Luise F.: Das Deutsche als Männersprache. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1984.

64
Quellenverzeichnis

Roßhart, Julia; Jacke, Katharina; Huber, Jamie; Kämpf, Katrin: meiblich, wännlich, other!:
Zweigeschlechtlichkeit als Irritation; eine Ausstellung. Creative Commons, 2009.
http://www.slideshare.net/sAncArlchen/meiblich-wnnlich-other-zweigeschlechtlichkeit-als-irritation-
presentation (10.09.2013).

Shohat, Ella; Stam, Robert: Unthinking Eurocentrism: Multiculturalism and the Media. London/New York:
Routledge, 1994.

Tudor, Alyosxa: Rassismus und Migratismus: die Relevanz einer kritischen Differenzierung. In: Nduka-Agwu,
Adibeli; Hornscheidt, Lann (Hrsg.): Rassismus auf gut Deutsch: ein kritisches Nachschlagewerk zu
rassistischen Sprachhandlungen. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2010, S. 396-420.

Tudor, Alyosxa: feminismus w_orten lernen: Praktiken kritischer Ver_Ortung in feministischen


Wissensproduktionen. In: AK Feministische Sprachpraxis (Hrsg.): Feminismus schreiben lernen.
Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 2011, S. 57-99.

Who is Missing? And why?. http://whoismissingandwhy.blogspot.de/

xart splitta e.V.: interdependenzen. Berlin 2013. http://www.xartsplitta.net/interdependenzen (10.09.2013).

Zentrale Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität zu Berlin (Hrsg.): Rechenschaftsbericht der zentralen


Frauenbeauftragten 2009-2012. Berlin 2013, 136 S. http://gremien.hu-berlin.de/frb/kommunikativ/
publikationen/rechenschaftsbericht (18.07.2013).

65
Nachwort

Nachwort

Die AG Feministisch Sprachhandeln der Anna Damm, Evelyn Hayn, Lann Hornscheidt,
Humboldt-Universität zu Berlin ist als status- Sonja Weeber.
gruppen- und fakultätsübergreifende Unter-AG Wir danken Anne Wiegmann, Lian Hüntelmann
der Arbeitsgruppe „Gleichstellungssatzung § und Steff Urgast für organisatorische Unterstüt-
5a Berliner Hochschulgesetz“ entstanden (vgl. zung, Recherche und Layout. Wir danken Lian
Rechenschaftsbericht der zentralen Frauenbe- Hüntelmann für die Fotos und grafische Rea-
auftragten 2009-2012). Die AG versteht sich lisierung. Wir danken Nancy Rohde für Anlei-
als feministisch, was für uns heißt, gegen viele, tung und Unterstützung bei den Stencils. Dank
miteinander verbundene strukturelle Diskrimi- an Karin Aleksander. Wir danken den Lesxs der
nierungen aktiv zu handeln. Zu diesen Diskri- ersten Auflage, die uns konstruktive und empo-
minierungen gehören Sexismus / Genderismus, wernde Rückmeldungen gegeben haben: Danke!
Ableismus (die Herstellung von und Diskrimi- Dank an xart splitta.
nierung über BeHinderung), Rassismus, Klas-
sismus und Migratismus (die Herstellung von Wir danken außerdem dem Referent_innen-
und Diskriminierung über Migratismus). Die in Rat der HU für die finanzielle Unterstützung
der AG Aktiven sind in Bezug auf diese inter- sowie dem Lehrstuhl für Gender Studies und
dependente Diskriminierungsstruktur zum Teil Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre
unterschiedlich positioniert. Geschlechterstudien der HU für die vielen or-
ganisatorischen, strukturellen und finanziellen
Dieser Text ist eine intensive Zusammenarbeit Hilfen.
über Jahre, an der in diesr Zeit zu unterschied-
lichen Abschnitten und in unterschiedlichen AG Feministisch Sprachhandeln
Formen u.a. die folgenden Per¬sonen beteiligt Berlin, Oktober 2014
waren: Anna Damm, Esther Hanauer, Evelyn
Hayn, Helen Keller, Izabela A. Dahl, Karin
Aleksander, Lann Hornscheidt und Sonja Wee-
ber. Wir danken außerdem allen an der AG Be-
teiligten, die unbenannt bleiben wollen.

Die hier vorliegende Fassung haben in ihrer


Ausgestaltung und im Wortlaut zu verantworten:

66

También podría gustarte