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Leibniz Universität Hannover

Institut für Politische Wissenschaft


Masterarbeit (Abgabetermin 14.02.2013)
Erstprüfer: Herr Dr. Thore Prien
Zweitprüferin: Frau Dr. Franziska Martinsen

Die subalterne Frau des globalen Südens – ein Objekt ohne (eigene) Stimme?

Bild: reuters

Eine kritische Untersuchung der Kategorie der Subalterne, der westlichen Fürsprache in
Bezug auf Frauenrechte und eine Skizzierung möglicher Auswege

Vorgelegt von:
Melanie Isabel Kröger
Matr.Nr.: 2617500
Melanie_Isabel_Kroeger@gmx.net
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung……………………………………………………………………...…3-5

2. Subalternität – ein Begriff im Wandel

2.1 Subalternität bei Gramsci……………………………………………….........................5-7


2.1.1 Guha und die Subaltern Studies……………………….………………......................7-9
2.1.2 Begriffliche Defizite……………………….……………………………………….9-10
2.2 Die subalterne Frau aus der Perspektive Spivaks……………………………………10-12
2.3 Kapitel-Zusammenfassung…………………………………….………………………..…12-13

3. Repräsentation als Dilemma

3.1 Repräsentation in der Krise?........................................................................................13-16


3.2 Repräsentation aus postkolonialer Perspektive……………………………………....16-18
3.3 Repräsentation bei Foucault und Deleuze…...…………………………………...………18-20
3.3.1 Spivaks Kritik an den “hegemonic radicals“ unter Rückgriff auf Marx……….…..21-23
3.4 Kapitel-Zusammenfassung ………………………………………………………………..23-24

4. Can the Subaltern speak? Die Rolle der subalternen Frau am Beispiel der
indischen Witwenverbrennung

4.1 Das Witwenopfer in Indien………………………………………………………......24-26


4.2 „Weiße Männer retten braune Frauen vor braunen Männern“.…………….…....…..…27-30
4.3 Parrys Kritik an Spivak……………………………………………………….…........…30
4.4 Kapitel-Zusammenfassung………………………………………………………...….....31

5. Der zweifache Differenzbegriff in Bezug auf die subalterne Frau – Kultur und
Geschlecht

5.1 Kulturelle Differenz verstehen?…………………………………………...………....31-34


5.2 Geschlechterdifferenz denken……………………………………………………..…34-36
5.3 Kapitel-Zusammenfassung………………………………………………………..….….37

1
6. Dekonstruktion und Transdifferenz – Wege aus dem Dilemma?

6.1 Dekonstruktion bei Derrida………………………………………………….………38-44


6.1.1 Dekonstruktion aus (Spivaks) weiblicher Perspektive………………….….........44-45
6.2 Das Konzept der Transdifferenz…………………………….……………...…….............45-47
6.3 Kapitel-Zusammenfassung…………………………………………………………………....47

7. Was die mediale Darstellung der (subalternen) Frau bewirkt – eine


Medienkritik

7.1 Geschlechterdarstellungen in den Nachrichten…………………………………...…48-52


7.2 Die Instrumentalisierung von Frauenrechten……………………………..…............52-54
7.3 Kapitel-Zusammenfassung…………………………………………………...….......54-55

8. Fazit: Die subalterne Frau des globalen Südens – ein Objekt ohne (eigene)
Stimme?.....................................................................................................................55-64

Literaturverzeichnis…………………………………………………...………….65-70
Anhang……………………………………………………………………………….71

2
1. Einleitung

„Die Subalterne als Frau kann nicht gehört oder gelesen werden.“1

Aus westlicher Perspektive2 gibt es für vieles klare Maßstäbe und Vorstellungen. Leitlinien,
die sich in vielen Jahren und durch viele Erfahrungen etabliert haben, die nicht zuletzt auch
aus Zeiten der Aufklärung herrühren. Kriegserlebnisse und Autokratien haben viele Länder
Europas erschüttert und zu einer liberalen Denkart geführt, die vor allem das Individuum in
den Fokus rückt, es zu Recht als Fundament jeder Menschenrechtserklärung versteht.
Entsetzt bis vorwurfsvoll wird hierzulande häufig die subalterne Frau des „globalen
3
Südens“ wahrgenommen - religiöse Verschleierung, harte körperliche Arbeit, ein
marginalisierter Part am Rande der Gesellschaft. Die ehrlich gemeinte Frage: „Wie kann
diesen armen Frauen geholfen werden?“ tut sich auf.
Die Frage hat zugegebenermaßen ihre Berechtigung insofern, als dass natürlich Menschen-
und Frauenrechte 4 wie Selbstbestimmung jedem Menschen auf der Welt zuteil werden
sollten und ein Einsatz hierfür scheint lobenswert. So machen sich westliche Intellektuelle
wie beispielsweise Foucault daran, die Marginalisierten wieder zum Sprechen zu bringen.
Zahlreiche Forschungen beschäftigen sich mit der Thematik, zumeist nach bestem Wissen
und Gewissen.
Dennoch ist dieser Diskurs über die Subalterne konflikthaft. In der indischen
Geschichtsschreibung ist häufig nur für sie oder in ihrem Namen gesprochen worden. Ein
Beispiel hierfür ist die Witwenverbrennung, eine Tradition, der gemäß Witwen nach dem
Tod ihres Mannes verbrannt wurden. Ein zweifellos fragwürdiges Vorgehen. Dennoch kann
an diesem Ritus verdeutlicht werden, wie wenig die Stimme der Subalternen gehört wurde.
Die Betroffenen kommen nicht zu Wort oder vielmehr wird ihre Stimme nicht
wahrgenommen, wie Gayatri Spivak es darstellt.5

1
Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien:
Verlag Turia+Kant 2008. S.105.
2
Unter westlicher Welt werden im Folgenden vor allem die Werte und Nationen Europas und Nordamerikas
subsumiert. Auch wenn diese nicht homogen sind, so kann doch vielfach von einer Wertegemeinschaft
gesprochen werden.
3
„Globaler Süden“ bezeichnet die Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas, Ozeaniens und der Karibik (im
Folgenden bezeichnet als der globale Süden), hier mit Schwerpunkt auf Indien. Der „globale
Norden“ bezeichnet als Pendant die westlichen Industrienationen.
4
Diese Hausarbeit fokussiert sich auf die Ursachen und Konsequenzen weiblicher Subalternität in Indien.
Menschenrechte können nicht explizit thematisiert werden und orientieren sich im Weiteren an den in der UN-
Charta festgelegten Rechten und Überzeugungen.
5
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty ebd. S.80 f.

3
Ohne jeden Zweifel ist die Auswahl des Beispiels problematisch, hat doch jedes einzelne
Menschenleben höchste Priorität. Dennoch kann anhand dieses Politikums verdeutlicht
werden, welchem Fürsprache-Mechanismus subalterne Frauen ausgesetzt waren
beziehungsweise sind, einem geschlechtlichen wie kulturellen, und welche Konsequenzen
dies für ihre Subjektposition langfristig birgt. Spivak skizziert einen Fortbestand dieser
Objektivierung bis weit in die heutige Zeit, zum einen als postkoloniales Überbleibsel zum
anderen aber auch heute noch durch einen Hegemonialanspruch westlicher Intellektueller
und das einheimische Patriarchat forciert.
In dieser Masterarbeit soll es um die Rolle der subalternen Frau des globalen Südens, primär
Indiens, gehen. Durch verschiedene historische Epochen hindurch konnte diese keine
Gleichheit für sich einfordern, woraus auch die Kernfragen erwachsen: Spricht die
Subalterne heute mit eigener Stimme und was viel wichtiger ist, wird diese im weltweiten
Diskurs über Frauen- und Menschenrechte wahrgenommen? Wer hört zu, wenn Sie etwas
sagt? Kann die subalterne Frau sich Gehör verschaffen oder ist sie nicht einmal in der Lage
sich bemerkbar zu machen?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, gilt es zunächst einmal die Kategorie der
Subalterne genauer zu untersuchen. Diese lässt sich auf Antonio Gramsci zurückführen, der
den Terminus als begriffliches Surrogat für die von Marx als Proletariat bezeichnete
gesellschaftliche Schicht verwendete. In seinen Briefen aus dem Gefängnis vermied dieser
marxistische Ausdrücke.6 Bald schon entwickelte sich der Terminus der Subalterne weiter
zu einem Inbegriff marginalisierter Randidentitäten, wie beispielsweise auch die der
ländlichen Frau des (post-)kolonialen Indiens. Die weitere Verwendung des Begriffes gilt es
hier im ersten Kapitel zu konkretisieren.
Nach der notwendigen begrifflichen Annäherung wird es um Fürsprache beziehungsweise
Repräsentation gehen. Was können wir unter „Krise der Repräsentation“ verstehen und was
meinen Maria Varela und Nikita Dhawan, wenn sie dabei von einer gewaltvollen Praxis
sprechen? Gibt es Alternativen?

Im dritten Gliederungspunkt erhält Gayatri Spivak das Wort, wobei es um die bereits
angerissen Frage gehen wird, ob die subalterne Frau „sprechen kann“ und auch gehört wird.
Hier soll das Beispiel der indischen Witwenverbrennung exemplarisch zeigen, was mit der
Frage „Can the Subaltern speak?“ intendiert sein könnte.

6
Der Begriff der „Subalternen“ taucht in den Gefängnisheften Gramscis aus den Jahren 1934-1935 auf. Siehe
hierzu Kapitel 2.1.

4
Deutlich wird, dass die subalterne Frau Indiens sich fortwährend mit einem doppelten
Differenzbegriff konfrontiert sieht. Auf der einen Seite wird diese von einem imperialen und
somit kulturellen Mandat bevormundet und auf der anderen Seite ergibt sich ihre schwache
Subjektposition auch aus der geschlechtlichen Differenz. Um diesen zweifachen
Differenzkontext wird es in Kapitel 5 gehen.
Anschließend und rekurrierend auf Spivak soll dann das Konzept der Dekonstruktion, das
von Derrida geprägt wurde, erörtert werden. Kann es das Dilemma der Fürsprache und des
historischen Verstummens der subalternen Frau auflösen? Was kann zudem das Konzept der
Transdifferenz beisteuern?
In Kapitel 7 wird daraufhin noch einmal der Fokus auf die mediale Berichterstattung in
Bezug auf Frauen weltweit gelegt. Hierbei soll dargestellt werden, welche politische Rolle
Frauen weltweit zukommt, wie Frauenrechte thematisiert werden und inwiefern dies
Auswirkungen für die subalterne Frau Indiens aber auch für Frauen auf der ganzen Welt
entfaltet.
Abschließend soll im Fazit der Hausarbeit die Frage geklärt werden, ob die subalterne Frau
für sich sprechen kann. Keineswegs soll einer der dargestellten Positionen, sei sie
„westlich“ oder „nicht-westlich“7, zu einer Art Hybris verholfen werden, der zufolge die
andere Perspektive Lügen gestraft wird. Vielmehr möchte ich mit dieser Hausarbeit einen
Perspektivwechsel anregen, bei dem sich niemand als Inhaber der endgültigen Wahrheit
empfindet, sondern vielmehr der Blick für den Anderen geschärft wird und vor allem eine
Stimme, bevorzugt die der subalternen Frau, bis zum Leser durchdringt.

2. Subalternität – ein Begriff im Wandel

2.1 Subalternität bei Gramsci

Als eine der wichtigsten Bezugsgrößen zieht sich die Kategorie der Subalterne durch diese
Hausarbeit. Haben subalterne Frauen eine eigene, vernehmbare Stimme?
Doch bevor wir uns der Beantwortung dieser Frage weiter annähern können, ist es sinnvoll,
den Begriff zunächst einmal herzuleiten, um ihn dann so zu konkretisieren, wie er im
Weiteren verwendet und verstanden werden soll.

7
Die sprachliche Unterteilung in „westlich“ und „nicht westlich“ erweist sich als binäre Beschreibung, die
implizit schon einen Hegemonialanspruch des Westens beinhaltet, weswegen im Folgenden primär die Termini
„globaler Süden“ und „globaler Norden“, beziehungsweise „westlich“ verwendet werden.

5
Der Terminus wurde von dem sardischen Intellektuellen und marxistischem Philosophen
Antonio Gramsci (1891-1937) erstmalig im Bezug auf gesellschaftliche Gruppen und
8
Hegemonie aufgegriffen. Er prägte die Bezeichnung der „Subalternen“ respektive
„subalternen Klasse“ in seinen so genannten Gefängnisheften. Der Ausdruck diente als
Synonym für den marxistischen Begriff des Proletariats, der aufgrund der faschistischen
Zensur nicht verwendet werden konnte.9
Gramsci verstand unter der Kategorie, die aus dem lateinischen übersetzt soviel wie „von
minderem Rang“10 bedeutet, den nicht vorhandenen Zugang zu hegemonialer Macht, nicht
organisierte Gruppen und letztlich ein fehlendes Klassenbewusstsein der Betroffenen. Der
Sarde begriff die süditalienische Landbevölkerung als subaltern aufgrund der
Hegemonialmacht der Piemontesen.11 In den von ihm verfassten Gefängnisheften definiert
Gramsci diese wie folgt:

„Die Geschichte der subalternen gesellschaftlichen Gruppen ist notwendigerweise


bruchstückhaft und episodisch. (…) Die subalternen Gruppen erleiden immer die Initiative
der herrschenden Gruppen, auch wenn sie rebellieren und sich auflehnen: erst der
„dauerhafte“ Sieg bricht die Unterdrückung, und auch nicht sofort. In Wirklichkeit sind die
subalternen Gruppen, auch wenn sie zu triumphieren scheinen, nur in Alarmbereitschaft
(…).“12

Trotz der prekären Lage der bäuerlichen Klasse sah Gramsci die Option, dass diese die
Hegemonie erlangen könnte, indem sie entweder ein Klassenbewusstsein entwickle oder
aber ein Bündnis mit dem städtischen Proletariat suche.
Seit der ersten Verwendung des damaligen Neologismus „Subalterne“ durch den sardischen
Schriftsteller durchlief die Verwendung des Begriffs eine dynamische Entwicklung. Von
einer orthodox-marxistischen Lesart, die das Proletariat vor Augen hat, gelangte der
Terminus vor allem auch im Zuge der so genannten Globalisierung zu neuem Potenzial.13
Fortan wurden durch die „Integration der Weltmärkte Peripherien zusehends

8
Vgl. Neubert Harald: Gramsci - vergessener Humanist? Eine Anthologie. Berlin: Dietz Verlag 1991. S.10;
S.263.
9
Vgl.Vögle, Theresa: L'Altra Europa. Die Konstruktion des „Mezzogiorno“ bei Ignazio Silone, Carlo Levi
und im „Nuovo Cinema Italiano”. In: Nation und Region. Zur Aktualität intrakultureller Prozesse in der
globalen Romania. Hg. v. Klaus Semsch. Münster: LIT Verlag Dr. W. Hopf 2011. S.270, Fußnote 22.
10
Steyerl, Hito: Die Gegenwart der Subalternen (Vorwort). In: Gayatri Chakravorty Spivak: Can the Subaltern
speak. Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien: Verlag Turia+Kant 2008. S. 8.
11
Vgl.Vögle, Theresa ebd.
12
Gramsci, Antonio: Gefängnishefte. Bd. 9. Heft 25. Hg. v. Wolfgang Fritz Haug/Klaus Bochmann. Hamburg:
Inkrit Verlag 1999. S. 2191.
13
Vgl. Steyerl, Hito ebd. S.9.

6
verlagert“ sodass „unzählige neue Gruppen von Subalternen nahezu industriell produziert
wurden“.14
In den 1970-er Jahren avancierte der Begriff vor allem in Indien und Lateinamerika zu einer
epistemischen Größe. Die Subaltern Studies Group (SSG) unter der Leitung Ranajit Guhas
griff den Terminus erneut auf und machte ihn zum Fundament der zugehörigen
Forschungsgruppe.15
Um das seitens der SSG zugrunde gelegte Begriffsverständnis von „Subalterne“ wird es im
nächsten Gliederungspunkt gehen.

2.1.1 Guha und die Subaltern Studies

„The word „subaltern” in the title stands for the meaning as given in the Concise Oxford
Dictionary, that is, “of inferior rank”. It wil be used in these pages as a name for the general
attribute of subordination in South Asian society whether this is expressed in terms of class,
caste, age, gender and office or in any other way.”16

Der indische Historiker Ranajit Guha griff den Begriff der Subalternen in den 1980-er
Jahren auf, kontextualisierte diesen und entwickelte ihn weiter.17
Wenn auch die terminologische Anleihe von Antonio Gramsci stammte, so wurde die
Kategorie doch abgeändert und nicht weiterhin als bloßes Synonym für das Proletariat
verstanden. Die zentrale Aussage Gramscis, dass subalterne Gruppen immer abhängig von
der Aktivität herrschender Gruppen seien, selbst wenn sie rebellierten und den Aufstand
probten, wies Guha zurück. Vielmehr verstand er subalterne Politik als unabhängig von
elitärer.18
Zusammen mit anderen Historikern appellierte Guha, die übliche Interpretation der indisch-
nationalistischen Bewegungen abzulegen, da hier die Rolle der subalternen Klassen während

14
Steyerl, Hito: Die Gegenwart der Subalternen (Vorwort). In: Gayatri Chakravorty Spivak: Can the Subaltern
speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien: Verlag Turia+Kant 2008. S.9-10.
15
Vgl. ebd. S.10.
16
Guha, Ranajit: Preface. In: Selected Subaltern Studies. Hg. v. Ranajit Guha/Gayatri Chakravorty Spivak.
New York&Oxford: Oxford University Press 1988. S.35.
17
Vgl. Goethe Universität Frankfurt a.M.. Nikita Dhawan Teaching/ Lehre. Proseminar mit Prof. Dr. Ursula
Apitzsch. Subalternität: Reflexionen zur Geschichte einer Idee. Abgerufen unter:
http://www.gesellschaftswissenschaften.uni-frankfurt.de/institut_2/ndhawan/lehre.html (02.10.2012).
18
Vgl. Chaturvedi, Vinayak: Eine kritische Theorie der Subalternität. Überlegungen zur Verwendung des
Klassenbegriffs in der indischen Geschichtsschreibung. Werkstatt Geschichte 41. Essen: Klartext Verlag 2006.
S.7-8.

7
des Staatsbildungsprozesses vernachlässigt werde. Die eng gefasste Geschichtsschreibung,
sowie das elitäre Denken in der akademischen Forschung war diesen ein Dorn im Auge.19
Guha begründete in dieser Zeit die „South Asian Subaltern Studies Group“, die es sich fortan
zum Ziel machte, „die subalternen, antikolonialen Widerstandsbewegungen in die offizielle
Historiographie einzuschreiben“20.
Ein weiteres Gründungsmitglied des Subaltern Studies Projekts, Dipesh Chakrabarty,
erläutert die Intention der Gruppe in einem Interview wie folgt:

„Subaltern Studies begann als revisionistisches Historiographieprojekt, das gegen Ende der
1970-er Jahre von Hindus aus Indien, Pakistan und Bangladesh gestartet wurde (…). Das
Ziel der Subaltern Studies bestand also darin, historische Analysen hervorzubringen, in
denen subalterne Gruppen als Geschichtssubjekte betrachtet werden (…). Wir verwendeten
den Begriff „subaltern“ und nicht einfach „Klasse“, weil wir über Menschen schrieben, die
nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht einer niederen Klasse angehörten, sondern auch im
Alltag Beziehungen aus direkter Herrschaft und Unterordnung ausgesetzt waren..“21

Somit entfernte sich die Gruppe vom klassischen, marxistischen Rahmen, der Logik des
Kapitals und erweiterte subalterne Bedingungen um die Faktoren Kaste, Alter, Geschlecht
oder Berufsstand. Auf diese Art entstand eine kritische Subalternität.22

Die Subaltern Studies Group setzt sich seitdem gegen eine Eliten-Geschichtsschreibung zur
Wehr. Die Elite bildeten zum einen Kolonialherren, zum anderen auch bourgeoise Nationale.
Diese Gegenbewegung sollte auch stets ein Zeichen setzen in Bezug auf die
wahrgenommene Hybris der Geschichtsschreiber, die anzunehmen schienen, die indische
Nation sei das Produkt ihrer elitären Formungsprozesse, wobei die hauptsächliche
Landbevölkerung der Subalternen keine nenn- respektive messbare Größe darstelle. Die
elitär dominierte historische Dokumentation habe zwar den Vorteil gehabt, dass koloniale
Strukturen offen gelegt wurden, jedoch könne dies eben indischen Nationalismus nicht für
Subalterne erklären, die zudem die Mehrzahl im Land bilden.23

19
Vgl. Chaturvedi, Vinayak: Eine kritische Theorie der Subalternität. Überlegungen zur Verwendung des
Klassenbegriffs in der indischen Geschichtsschreibung. Werkstatt Geschichte 41. Essen: Klartext Verlag 2006.
S.7-8.
20
Vgl. Goethe Universität Frankfurt a.M.. Nikita Dhawan Teaching/ Lehre. Proseminar mit Prof. Dr. Ursula
Apitzsch. Subalternität: Reflexionen zur Geschichte einer Idee. Abgerufen unter:
http://www.gesellschaftswissenschaften.uni-frankfurt.de/institut_2/ndhawan/lehre.html (02.10.2012).
21
Halpern, Catherine: Positive Uneinigkeit - Interview mit dem Historiker Dipesh Chakrabarty zum Projekt der
Subaltern Studies und der „Provinzialisierung Europas“. Abgerufen unter:
http://www.springerin.at/dyn/heft_text.php?textid=2060&lang=de (02.10.2012).
22
Vgl. Chaturvedi, Vinayak ebd. S.8-9.
23
Vgl. Guha, Ranajit: On some aspects of the Historiography of Colonial India. In: Selected Subaltern Studies.
Hg. v. Ranajit Guha/ Gayatri Chakravorty Spivak. New York & Oxford: Oxford University Press 1988. S.36;39.

8
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Subaltern Studies Group das ambitionierte Ziel
verfolgt, indische Geschichtsschreibung zu entmonopolisieren, sprich aus der Sicht
Subalterner darzustellen, die sowohl von Kolonialherren als auch von nationalen Eliten aus
historischen Berichten nahezu eliminiert und somit ihrer eigenen Stimme und
Gestaltungskraft beraubt wurden.
Subaltern definiert sich nach postkolonialem Verständnis demnach als „die demographische
Differenz zwischen der Gesamtbevölkerung Indiens und der als ‚Elite’ beschriebenen
Gruppen“.24

2.1.2 Begriffliche Defizite

Das von Guha ins Leben gerufene Verständnis der Kategorie „subaltern“ ist kontrovers
diskutiert worden. An dieser Stelle soll die Kritik an der Terminologie nur schemen-
beziehungsweise beispielhaft angerissen werden, um vermeintliche Defizite der
Begrifflichkeit reflektieren zu können.
Martin Fuchs fasst prägnant zusammen, welche Probleme sich durch die Verwendung des
Ausdrucks ergeben können. So handele es sich um einen sehr weit gefassten Begriff, der
eine gewisse Gleichmacherei betreibe, in dem er eine soziale Klasse aus Menschen schaffe,
die tatsächlich zwei verschiedenen Strömungen angehörten, nämlich Kritiker von
Ausbeutung und sozialer Unterdrückung zusammen mit Gegnern der Kolonialherrschaft.
Dadurch werde der Begriff unscharf und undifferenziert.25
Zudem arbeite die Kategorie Guhas mit einem unterstellten Konzept der wahren Nation und
einem so zugrunde gelegten Verständnis eines gemeinschaftlichen Bewusstseins, um es mit
Rousseau zu nennen, einem volonté générale. Subaltern werde als Synonym für Volk
verwendet, was abermals eine wenig differenzierte Herangehensweise verdeutliche und
Unterschiede unter den Tisch kehre, die sich in Kämpfen und Widerstandsaktionen jedoch
deutlich offenbarten.26
Innerhalb der Subaltern Studies Gruppe waren die Meinungen eines diesbezüglichen
Begriffsverständnis durchaus geteilt. Sumit Sarkar beispielsweise regte eine spezifischere
Zuschreibung des Terminus an, indem er forderte, reiche Bauern, die immer der Subalterne

24
Guha, Ranajit: Subaltern Studies I. Writing on South Asian History and Society. New Delhi: Oxford
University Press India 1982. S.8.
25
Vgl. Fuchs, Martin: Kampf um Differenz. Repräsentation, Subjektivität und soziale Bewegungen. Das
Beispiel Indien. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999. S. 133.
26
Vgl. ebd. S.133-134.

9
zugeordnet worden waren, zur Elite zu zählen, da sie im ländlichen Sektor eine ebenso
dominante Stellung einnehmen würden.
Das begriffliche Dilemma rund um die Kategorie „subaltern“ reproduziert nach Fuchs ein
bekanntes Problem. Demnach konstruierten Analytiker und hielten nach einem objektiven,
allgemeinen Strukturmodell Ausschau, um die Gesellschaft originalgetreu abzubilden.
Letztlich bleibe es jedoch häufig dabei, dass verwendete Terminologien nur eine
Repräsentation der Analytiker und keineswegs eine (Selbst-)Repräsentation der Handelnden
darstellten. Dies wiederum rege die Frage danach an, wie Gesellschaft wissenschaftlich
beleuchtet werden könne und müsse: aus der Vogelperspektive oder aus den
Konstitutionsleistungen der einzelnen, sozialen Subjekte heraus? Fuchs verdeutlicht so
Schwierigkeiten, mit denen Gesellschaftstheorien einhergehen und regt an zu hinterfragen, in
wessen Namen eigentlich gesprochen wird.27
Im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit wird der Begriff der Subalterne verwendet werden
und sich im weitesten Sinne auf die Definitionen Guhas beziehen. Dennoch werden auch die
von Fuchs angeregten begrifflichen Defizite berücksichtigt.

2.2 Die subalterne Frau aus der Perspektive Spivaks

„Zwischen Patriarchat und Imperialismus, Subjektkonstitution und Objektformierung,


verschwindet die Figur der Frau ... in eine gewaltförmige Pendelbewegung, die in der
verschobenen Gestaltwerdung der zwischen Tradition und Modernisierung gefangenen ‘Frau
der Dritten Welt’ besteht.“28

Nach einer Herleitung des Begriffs der Subalterne von Gramsci im Kontext der Nord-Süd
Disparitäten Italiens und einer Darstellung der Modifizierung durch Ranajit Guha und die
Subaltern Studies Group hin zu einem Terminus, der die ländliche Bevölkerung Indiens als
marginalisiert und von der Geschichtsschreibung ausgeschlossen sieht, stellt sich nun die
Frage nach der speziellen Relevanz der Kategorie für Frauen des globalen Südens, im
Speziellen Indiens.
Gayatri Spivak, die auch Mitglied der Subaltern Studies Group ist, sieht die „Frau der dritten
Welt“ als eine in doppelter Hinsicht an den Rand gedrängte Subjektposition. Spivak, die

27
Vgl. Fuchs, Martin: Kampf um Differenz. Repräsentation, Subjektivität und soziale Bewegungen. Das
Beispiel Indien. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999. S.136-137.
28
Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien:
Verlag Turia+Kant 2008. S.101.

10
über weite Teile dieser Hausarbeit als Referenz dienen wird, wuchs selber in einer
mittelständischen und somit gut situierten Brahmanenfamilie in Kalkutta auf.29
Schon während ihrer Schullaufbahn auf einer christlichen Missionarsschule entwickelte sie
eine ausgeprägte Sensibilität für soziale Unterschiede. Bekannt wurde Spivak vor allem
durch ihre Übersetzung des Derrida Werkes „De la Grammatologie“ und das selbst verfasste
Vorwort. Mit „In other Worlds“ gelang Spivak 1987 der endgültige Durchbruch. Im Jahr
2007 schrieb sie das viel zitierte Buch „Can the Subaltern speak?“, das eine stark
polarisierende Wirkung entfaltete.30

Die indische respektive subalterne Frau ist für Spivak von einer dualen Marginalisierung
betroffen, der ökonomischen wie geschlechtlichen, sowohl durch ein koloniales als auch
durch ein einheimisches Patriarchat bedingt.31
Dabei stellt Spivak sich die Frage, ob die subalterne Frau sprechen könne. Hiermit soll nicht
intendiert werden, dass diese nicht in der Lage sei zu sprechen, sondern vielmehr darauf
hingewiesen werden, dass die westliche Fürsprache und Wissensproduktion mittels
„epistemischer Gewalt“32, das Sprechen dieser verhindere.33
Im Vergleich zu Guha setzt Spivak somit einen stärkeren Fokus auf eine spezifizierte
subalterne Gruppe, die Frau. Sehr deutlich illustriert sie die Bevormundung indischer Frauen
in der Kolonialzeit am Beispiel des Ritus der Witwenverbrennung, bei dem diese zwischen
nationalen, traditionellen Kräften und Kolonialherren keine eigene Stimme geltend machen
konnten. (s. 3.1).
Doch auch im nachkolonialen Zeitalter lässt sich laut Spivak noch ein Hegemonieprojekt
erkennen, in dem die Subalternen aus dem Feld des Diskursiven, des Performativen
verdrängt werden.34 Spivak veranschaulicht den zugrunde liegenden Mechanismus wie folgt:

29
Spivak wird 1942 in Kalkutta geboren und erfährt ein gut situiertes Leben in einer mittelständischen Familie.
Ihre Herkunft ermöglich es ihr, Einblicke in das Leben der subalternen Frau zu geben, eröffnet Kritikern aber
damit auch immer die Option, ihre privilegierte Stellung als wenig „repräsentativ“ für subalterne Frauen
darzustellen.
30
Vgl. Nandi, Miriam: Gayatri Chakravorty Spivak: Übersetzungen aus Anderen Welten. In: Stephan Moebius/
Dirk Quadflieg (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden: VS Verlag 2006. S.129-130.
31
Vgl. Ein Glossar zu Transkulturalität. Übungskurs (2008/2009): Textuelle und mediale Dimensionen der
Transkulturalität. Bremen: Universität. Stichwort Subalterne. Abgerufen unter:
http://transkulturalitaet.blogspot.de/2009/01/subalterne.html (07.10.2012)
32
Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien:
Verlag Turia +Kant 2008. S.42.
33
Vgl. Glossar zu Transkulturalität. Stichwort Subalterne.
34
Vgl. Rodriguez, Encarnación Gutiérrez : Repräsentation, Subalternität und postkoloniale Kritik. In: Spricht
die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Hg. v. Hito Steyerl/ Encarnación Gutiérrez
Rodriguez. Münster: Unrast-Verlag 2003. S. 31.

11
„The centre is always constituted in terms of its own marginality. (...) certain people have
always been asked to cathect the margins so others can be defined as centred.”35

Über Subalternität und die Rolle der subalternen Frau reden, heißt also auch immer über
Macht und Repräsentation sprechen, wie Encarnación Gutiérrez Rodriguez konstatiert. Wie
Spivak sieht auch er eine Vereinnahmung der subalternen Stimme, was einer Unterwerfung
unter ein herrschendes, diskursives Diktat gleichkomme. Dabei werde die so genannte
Vertretungspolitik dann zur Farce, wenn sie die Sprechenden als Vertreterinnen ihrer
Gruppen immer wieder als Sprechende reproduziere und hierdurch andere Stimmen im Feld
an den Rand rückten oder gar ganz verstummten.36
Von diesem Moment der Unterwerfung sieht Spivak vor allem die subalterne Frau des
globalen Südens betroffen, die zwar im wissenschaftlichen Diskurs auftauche, jedoch nicht
gehört werde und somit einer westlichen Machttechnik zum Opfer falle.
Gerade auch der Begriff „Inderin“ steht ihrer Meinung nach exemplarisch für das Erbe
kolonialer Diskurse und als Identitätskategorie stelle sie ein Produkt der imperialistischen
Geschichte der Subjektkonstitution dar.37
Spivak betrachtet es insofern als ein primäres Anliegen, sich gegen den westlichen Diskurs
zu positionieren, der dazu neige, subalterne Frauen mit äußerst heterogenen
Lebenserfahrungen zu einem homogenen Subjekt zu verschmelzen. Um hier eine
Differenzierung und Authentifizierung subalterner Belange zu erreichen, müsse sich mit dem
„Apparat der Wertekodierung“38 angelegt werden.

2.3 Kapitel-Zusammenfassung

Der Begriff der Subalterne kann bisher auf eine sehr ambivalente und stets modifizierte
Anwendungsgeschichte zurückblicken. Anfänglich als Synonym für Proletariat verwendet,
entwickelte sich der Terminus zu einem Sinnbild der einseitigen Geschichtsschreibung des
postkolonialen Indiens und somit zum festen Ausdruck der Subaltern Studies Group. Diese

35
Spivak, Gayatri: The Post-Colonial Critic. Hg. v. Sarah Harasym. New York/London: Routledge 1990. S. 40-
41.
36
Vgl. Rodriguez, Encarnación Gutiérrez : Repräsentation, Subalternität und postkoloniale Kritik. In: Spricht
die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Hg. v. Hito Steyerl/ Encarnación Gutiérrez
Rodriguez. Münster: Unrast-Verlag 2003. S.30.
37
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty: Outdise in the Teaching Machine. New York/London: Routledge 1993.
S.211.
38
Spivak, Gayatri Chakravorty: Poststructuralism, Marginality, Postcoloniality and Value. In: Peter
Collier/Helga Geyer-Ryan. Literary Theory Today. Cambridge: Polity Press. S.227.

12
und vor allem Guha selbst, waren nicht zuletzt auch einer Kritik der Inkonsistenz der
Begriffsverwendung ausgesetzt, wonach dieser als einfacher Platzhalter für das indische
Volk verstanden wurde, wenn auch im Vergleich zu Gramsci schon differenziertere
Subalternitätsfaktoren Erwähnung fanden.
Gayatri Spivak leistet in diesem Kontext wichtige Spezifizierungsarbeit, indem sie vor allem
die „Frau der dritten Welt“ als marginalisiert und somit subaltern begreift. Gelähmt durch
das nationale Patriarchat, den Imperialismus und die moderne Wissensproduktion bleibe
dieser nur ein Platz am Rande, als Teil einer hegemonialen Machttechnik.
Das folgende Kapitel behandelt nun das Dilemma der Repräsentation und inwiefern das
Prinzip Subalternität affirmativ gegenübersteht.

3. Repräsentation als Dilemma

3.1 Repräsentation in der Krise?

Repräsentation heißt übersetzt soviel wie an die Stelle von etwas treten, oder wie Carl
Schmitt es formulierte, dass etwas Abwesendes zur Präsenz gebracht und etwas
Unsichtbares sichtbar gemacht werde.39
Politik beruht seit langer Zeit auf dem Prinzip der Stellvertretung, das von Theoretikern, wie
Hobbes, Locke und de Sieýes letztlich zum unerlässlichen Prinzip des Politischen erklärt
40
wurde. Laut Robert Weimann ist Repräsentation auch heute noch das „moderne
Darstellungsmodell par excellence“.41
Trotz seiner scheinbaren Allgegenwärtigkeit und, oder gerade auch wegen der heterogenen
Verwendungsweisen des Begriffs, zeichnet sich rund um das zugrunde liegende Verständnis
doch eine „Krise“ ab, die sowohl für die Philosophie als auch für andere wissenschaftliche
Teildisziplinen von Bedeutung ist, was Hans Jörg Sandkühler folgendermaßen
zusammenfasst:

39
Vgl. Lexikon Politik. Hundert Grundbegriffe. Hg. v. Dieter Fuchs und Edeltraud Roller. Stuttgart: Reclam
2009. S.253.
40
Vgl. Horster, Detlef: Die Krise der politischen Repräsentation. Eine kleine Einführung. In: Die Krise der
politischen Repräsentation. Hg. v. Detlef Horster. Göttingen: Velbrück 2008. 1. Auflage. S. 7.
41
Jamme, Christoph, Sandkühler, Hans Jörg: Repräsentation, Krise der Repräsentation, Paradigmenwechsel.
Skizze eines interdisziplinären Forschungsprogramms. In: Repräsentation, Krise der Repräsentation,
Paradigmenwechsel. Hg. v. Silja Freudenberger und Hans Jörg Sandkühler. Frankfurt a.M.: Peter Lang 2003.
S.15.

13
„Sie tun es, aber sie wissen es nicht. Das Diktum passt auf die Situation des Repräsentierens.
Wie wir repräsentieren und was wir repräsentieren ist fraglich.“42

Jamme und Sandkühler ordnen dem Konzept der Repräsentation ein „wesentliches, aktuelles,
eingrenzbares, strukturiertes grundlagentheoretisches, epistemologisches, methodologisches
und anwendungsbezogenes“43 Problemfeld zu.
Im Wesentlichen stehen drei Aspekte im Fokus dessen, was als „Krise der
Repräsentation“ bezeichnet wird, wenn auch umstritten ist, ob man es mit einer solchen zu
tun hat. Zum einen stellt sich die Frage, als was wir Erkenntnis begreifen. Kann diese
absolut sein, wie entsteht sie und ist jeder in der Lage zu erkennen?
Zum Zweiten wird eine praktische Frage virulent. Wie wird sich mittels Zeichen und
Symbolformen in Bezug auf Repräsentationsmechanismen Wirklichkeit innerhalb der
Wissenschaften und Künste angeeignet? Wird diese gar konstruiert? Die dritte Frage dreht
sich um den Begriff der Repräsentation selber, der zwei Übersetzungen zulässt und vor
allem in Gliederungspunkt 3.4 betrachtet wird.

Jamme und Sandkühler konstatieren, dass Repräsentation als Darstellungsmodell bis ins 19.
Jahrhundert nahezu unangefochten gewesen sei, ebenso als Terminus des Politischen, wie
auch der Rechtstheorie. Zum Problem avancierte das Konzept in der Wissenschaft circa seit
1850, was sich sowohl in Geistes- und Kultur-, als auch in den Sozial- und
Naturwissenschaften beobachten lässt, nichtsdestotrotz aber umstritten ist. Auch Kant warnte
davor „anzunehmen, dass die Sinne die Objekte vorstellen müssten, wie sie an sich selbst
sind“44.
Seit dieser Zeit lässt sich ein Prozess der epistemologischen Problematisierung des Konzepts
verzeichnen, der als Krise der Repräsentation aufgefasst worden ist. Die Entstehung und
Etablierung von Alternativen wird häufig als Paradigmenwechsel gewertet. Als
Hauptproblem lässt sich feststellen, dass Repräsentation lange als Synonym für Wirklichkeit
verstanden wurde. Bei dieser Annahme wird jedoch ausgeblendet, dass das Prinzip sowohl
Vorstellung im weiten, wie im engen Sinne, als auch Darstellung bedeuten könne. Sowohl
bei der Vorstellung als mentaler Zustand als auch bei der Darstellung leisten, so Jamme und

42
Jamme, Christoph, Sandkühler, Hans Jörg: Repräsentation, Krise der Repräsentation, Paradigmenwechsel.
Skizze eines interdisziplinären Forschungsprogramms. In: Repräsentation, Krise der Repräsentation,
Paradigmenwechsel. Hg. v. Silja Freudenberger und Hans Jörg Sandkühler. Frankfurt a.M.: Peter Lang 2003.
S.47.
43
Ebd. S.15.
44
Kant zitiert in: Sandkühler, Hans Jörg: Repräsentation - die Fragwürdigkeit der Welt der Dinge. In:
Repräsentation, Krise der Repräsentation, Paradigmenwechsel. Hg. v. Silja Freudenberger und Hans Jörg
Sandkühler. Frankfurt a.M.: Peter Lang 2003. S.61.

14
Sandkühler, kulturkreisspezifische Ausprägungen einen großen Anteil zur Interpretation von
Sachverhalten und Dingen, sowie ihrer schlussendlichen Verarbeitung. So habe man es mit
geschaffenen Gegenständen zu tun, sowohl in der Kunst als auch in der Wissenschaft, die
keinen Ort oder Raum in der Zeit einer substanziellen Natur hätten, sondern diesen aus der
Topographie der Kultur erhielten. Breche man nun mit dem Repräsentationsmodell, so
impliziere dies die Auflösung des Paradigmas der Ordnung in das der Geschichte respektive
der Zeit.45
Der Repräsentationsbegriff sieht sich in der Gegenwart folglich mit Perspektivismus
konfrontiert. Mit dem skeptischen Blick auf die Möglichkeit, Wirklichkeit mittels
Repräsentation abzubilden, geht das Zugrundelegen von Weltanschauungen und subjektiven
Ansichten einher. Zudem muss nun Pluralismus als Wegweiser und Relativismus als
Begrenzung des Darstellungsmodells aufgefasst werden.46
Gerade auch der perspektivische Faktor von Repräsentation weist auf die Problematik der
subalternen Frau Indiens als „Objekt“ westlicher Wissensproduktion hin. Begreift man
Kulturalität als zentrales Thema, so wird deutlich, dass diese Orientierungen und
Lebensweisen affirmativ gegenüber steht. Postrepräsentionale Paradigmata zu verwenden,
heiße auch Kultur besser verstehen zu lernen.47
Dabei könnten neue, alternative Termini beziehungsweise Paradigmen, so Jamme und
Sandkühler, Konstitution und Konstruktion heißen.48 Dies korrespondiert auch mit jenen in
den folgenden Gliederungspunkten dargestellten Annahmen von Varela, Dhawan und
Spivak zur Kritik am Repräsentationsprinzip und seiner aktuellen Praxis.
Als Ausdruck und Wirkung der Krise rund um das Konzept der Repräsentation lässt sich ein
zunehmender Pluralismus von Weltbildern erkennen, ebenso der Theorien, Methodologien
und Einstellungen von der die Wissenschaft heute stärker geprägt ist als noch vor der Krise.
Dennoch muss auch festgestellt werden, dass die systemische Erforschung des
Repräsentations-Dilemmas noch eher als bruchstückhaft bezeichnet werden kann. Jamme
und Sandkühler plädieren dafür, sich in Bezug auf Repräsentation vor Augen zu führen, dass
das Prinzip ein reales, externes aber in Denken, Sprache und Bild nicht wie in der externen
Realität präsentes Etwas durch Akte des Bewusstseins präsent mache, sprich nicht von einer

45
Vgl. Jamme, Christoph, Sandkühler, Hans Jörg: Repräsentation, Krise der Repräsentation,
Paradigmenwechsel. Skizze eines interdisziplinären Forschungsprogramms. In: Repräsentation, Krise der
Repräsentation, Paradigmenwechsel. Hg. v. Silja Freudenberger und Hans Jörg Sandkühler. Frankfurt a.M.:
Peter Lang 2003. S.19-23; S.38.
46
Vgl. ebd. S.16.
47
Vgl. ebd.
48
Vgl. ebd. S.17.

15
absoluten Erkenntnis oder korrekten Wahrnehmung von Sachverhalten und Dingen
ausgegangen werden dürfe.49
Die dargestellten Ausführungen zur Krise des Darstellungsmodells verdeutlichen, inwiefern
ein „abbildungstheoretisches Verständnis von Repräsentation“50 letzten Endes den Weg ins
Dilemma ebnete. Auch im postkolonialen Diskurs lässt sich diese Denkweise noch verfolgen,
wenn in der Annahme ihre Bedürfnisse zu kennen und wirklichkeitsgetreu abbilden zu
können für die subalterne Frau gesprochen wird.
Im Zuge dieser Problematik stellt sich die Frage, ob das Konzept der Repräsentation
verabschiedet oder neu konzeptionalisiert werden muss. Diese Frage greifen Varela und
Dhawan im nächsten Unterpunkt erneut auf.

3.2 Repräsentation aus postkolonialer Perspektive

„Repräsentation erscheint (…) als eine Thematik besonderer Bedeutung. Wer kann wen,
wann und wie repräsentieren? Inwieweit ist Repräsentationspolitik eine gewaltvolle Praxis
und inwieweit kann politische Praxis ohne Repräsentation existieren?“51

Als einer der Dreh- und Angelpunkte in der Diskussion um die Rolle Subalterner und der
subalternen Frau im Speziellen erweist sich der Faktor der Repräsentation.
Maria Varela und Nikita Dhawan machen im obigen Zitat deutlich zwischen welchen Polen
sich das Dilemma bewegt. Beide betonen in ihrem Text zu Postkolonialem Feminismus, dass
eine „Dekonstruktion“52 überlieferter Worte und auch Konzepte notwendig sei, um mit alten
Pfadabhängigkeiten zu brechen. Damit plädieren sie für eine Hinterfragung des
Repräsentationsbegriffs.
Es gelte sich in Bezug auf Repräsentation bewusst zu machen, dass es sich um eine Praxis
handle, die das Repräsentierte erst erschaffe. Repräsentation sei demnach nicht unmöglich
aber konflikthaft. Das Zentrum nehme folglich eine parasitäre Rolle gegenüber den Rändern
ein, indem es bestimmte Subjekte zu RepräsentantInnen der Anderen auserwähle. Die
auserwählten Marginalisierten, trügen letztendlich jedoch nur zu einer Stabilisierung des

49
Vgl. Jamme, Christoph, Sandkühler, Hans Jörg: Repräsentation, Krise der Repräsentation,
Paradigmenwechsel. Skizze eines interdisziplinären Forschungsprogramms. In: Repräsentation, Krise der
Repräsentation, Paradigmenwechsel. Hg. v. Silja Freudenberger und Hans Jörg Sandkühler. Frankfurt a.M.:
Peter Lang 2003. S.22.
50
Ebd. S.56.
51
Varela, Maria, Dhawan, Nikita: Postkolonialer Feminismus und die Kunst der Selbstkritik. In: Spricht die
Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Münster: Unrast-Verlag 2003. S. 270.
52
Die auf Derrida rekurrierende Methode der Dekonstruktion findet in Kapitel 6 noch detailliertere Beachtung.

16
Systems bei und schützten vor einer Reflektion des Althergebrachten. Varela und Dhawan
nennen die ausgewählten SprecherInnen token victims. 53 Diese Sichtweise ähnelt der von
Gayatri Spivak (s. 2.2).
Mit Hilfe dieses Vorgehens könnten Privilegien aufrechterhalten werden. Damit werde der
Intellektuelle zu einem subalternen Intellektuellen stilisiert, anstatt die gewaltsame
Beziehung zwischen Zentrum und Rand angemessen aufzuarbeiten. Die hegemoniale
Beziehung beider Parteien erfahre so einer Affirmation.
Varela und Dhawan illustrieren wie aus Repräsentation ein Mechanismus entstehen kann,
der Bestehendes vor Erneuerung bewahrt. Jedes auf der einen Seite gewonnene Privileg
korrespondiert so mit einem Verlust auf der anderen Seite. Das Stagnieren in den
Repräsentationsrollen könne auch dazu führen, dass verkitschtes Denken forciert, eben die
Vorstellung der Subalternen tradiert werde, die der Erwartungshaltung entspricht:

„Und Kitsch ist hier nicht nur harmloses, unästhetisches Tun, sondern erscheint vielmehr
eingebettet in das, was Foucault so kraftvoll als Wahrheitsregime beschrieben hat.
Wahrheitsregimes sind machtvolle Diskursstränge, die die Vorstellung von dem, was als
normal, was als richtig erscheint, durchsetzen.“54

Den Einlass ins Zentrum über den Weg der Marginalisierung zu suchen, ist laut Spivak der
falsche Weg sich Gehör zu verschaffen. Zusammen regen die Autorinnen eine Theorie und
auch Praxis an, die eine Zusammenarbeit schon in Bezug auf die Analyse vorsieht. Diese
Forderung muss als Appell an mehr wissenschaftliche Kritik- sowie Selbstkritikfähigkeit
gelesen werden. Sprechen müsse ebenso als Signal verstanden werden wie Schweigen.
Gayatri Spivak umschreibt das Problem deutlich, wenn sie sagt, für Sie sei die Frage wer
spricht weniger interessant als die Frage wer zuhört. Die Dominanz des westlichen,
wissenschaftlichen Diskurses bringe diejenigen zum Schweigen, die eine andere Wahrheit
oder Rationalität erlebten, ein andere Vorstellung von Normalität und Normativität hätten
und Universalität kritisch hinterfragten. Es müsse so vielmehr ein Paradigmenwechsel von
einer Politik der Repräsentation hin zu einer Praxis der Kritik vollzogen werden.55
Das Repräsentationsprinzip erscheint in den dargestellten Ausführungen eine Kontinuität zur
Kolonialzeit aufrecht zu erhalten, indem „diskursive Techniken der Repräsentation des
kolonisierten Anderen von der Zeit des unmittelbaren Kolonialismus bis heute in sozialen,

53
Vgl. Varela, Maria, Dhawan, Nikita: Postkolonialer Feminismus und die Kunst der Selbstkritik. In: Spricht
die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Münster: Unrast-Verlag 2003. S.276-277.
54
Ebd. S.277.
55
Vgl. ebd. S.276-278.

17
politischen und institutionellen Kontexten eingesetzt werden“ 56 . Das zugrunde gelegte
Begriffs- und Realitätsverständnis begreift Repräsentation in seiner aktuellen Handhabung
nicht als Enthüllung von „Wahrheit“, sondern als eine Verhüllung von Machtverhältnissen.57

3.3 Repräsentation bei Foucault und Deleuze

„Was die Intellektuellen unter dem Druck der jüngsten Ereignisse entdeckt haben, ist dies,
dass die Massen sie gar nicht brauchen, um verstehen zu können; sie haben ein
vollkommenes, klares und viel besseres Wissen als die Intellektuellen; und sie können es sehr
gut aussprechen.“58

Michel Foucault und Gilles Deleuze sind zwei der bekanntesten Vertreter der
poststrukturalistischen Denktradition. Beide betonen in diesem Zusammenhang ihren nicht
totalitären Zugang zu Philosophie, wollten sie doch keine absoluten Konzepte anbieten,
sondern vielmehr eine Werkzeugkiste, aus der diese oder jene Idee oder Analyse als
Schraubenzieher verwendet werden könne, um Machtsysteme kurzzuschließen, zu
demontieren oder zu sprengen.59
Eine große Rolle spielt für beide das Verständnis von Macht und Repräsentation. In einem
Gespräch aus dem Jahr 1972 versuchen Foucault und Deleuze die Begriffe in den heutigen
Kontext einzuordnen und in Bezug auf marginalisierte Gruppen anzuwenden:

„Diejenigen, die handeln und kämpfen, haben aufgehört repräsentiert zu werden, auch nicht
von einer Partei oder Gewerkschaft, die ihrerseits sich das Recht anmaßen würden, ihr
Bewusstsein zu sein.(…) Es gibt keine Repräsentation mehr, es gibt nur noch Aktion.“60

Dabei geht Deleuze dazu über, das Prinzip der Repräsentation zu verabschieden und durch
Aktion zu ersetzen, wie das obige Zitat zeigt.
Foucault, dem vor allem daran gelegen ist Bedingungen zu analysieren, unter denen sich ein
wissenschaftlicher Gegenstand konstituiert, weist darauf hin, dass Philosophie keine

56
Angermüller, Johannes, Bellina, Leonie: Poststrukturalismus und Postkolonialismus. Jacques
Derridas 'Grammatologie' sowie Gilles Deleuzes und Félix Guattaris 'Tausend Plateaus' In: Schlüsselwerke der
Postcolonial Studies . Hg. v. Julia Reuter, Alexandra Karentzos (Hrsg.). Opladen: VS 2012. S. 28.
57
Vgl. ebd.
58
Deleuze, Gilles, Foucault, Michel: Der Faden ist gerissen. Internationale Marxistische Diskussion 68. Berlin:
Merve Verlag 1977. S.88.
59
Vgl. Mümken, Jürgen: Durch das Universum von Deleuze ins Labyrinth von Foucault. Eine Rezension der
Bücher von Marvin Chlada: Das Universum vom Deleuze. Aschaffenburg: Alibri Verlag 2000/ Das
Foucaultsche Labyrinth. Eine Einführung. Aschaffenburg: Alibri Verlag 2002. Abgerufen unter:
http://www.postanarchismus.net/rezensionen/deleuze_foucault.htm (am 15.10.2012).
60
Deleuze, Gilles, Foucault, Michel ebd. S.87.

18
totalitären Universalismen als Anspruch haben, sondern vielmehr in der Tradition Nietzsches
Diagnostizieren solle.61
Das Zeichen müsse man in seiner Seinsweise als Zeichen, und nicht in seiner Fähigkeit den
Sinn zur Erscheinung zu bringen, wahrnehmen, womit Foucault sich nah an der Kantschen
Formulierung bewegt (s. 3.1).62
Dennoch, so Foucault, müsse sich bewusst gemacht werden, dass es ein Machtsystem gebe,
welches das Sprechen der Massen verhindere, ihr Wissen blockiere, verbiete und schwäche.
Dabei bestehe dieses System nicht nur aus höheren Zensurinstanzen, sondern durchdringe
das ganze Netz der Gesellschaft sehr tief und subtil. Auch die Intellektuellen seien Teil
dessen und die Annahme, diese seien die Agenten des Bewusstseins und des Diskurses, sei
ebenso systemimmanent forciert. Foucault sieht das Bewusstsein als Wissen im Besitz der
Massen und das Bewusstsein als Subjekt in den Händen der Bourgeoisie.63
Deleuze ist der Auffassung, dass das Machtsystem darüber hinaus äußerst fragil ist in seiner
Ausprägung, was wiederum auch seine globale Unterdrückungskraft erkläre. Dabei sei es
entwürdigend, für die Anderen zu sprechen. Repräsentation sei vielmehr ein alter Hut, von
dem man gewusst habe, dass es damit aus ist ohne die Konsequenzen aus dieser Einsicht zu
ziehen, nämlich die Betroffenen endlich praktisch für sich selbst reden zu lassen.64
Foucault illustriert diese Art von Gegen-Diskurs am Beispiel von Gefangenen, die sich eine
eigene Theorie über das Gefängnis, den Strafvollzug und die Justiz gebildet hätten und
hierdurch aus dem konventionellen Machtsystem ausgebrochen seien. Dabei sei das „System
Gefängnis“ ohnehin die verrückteste Machtbezeugung, die man sich vorstellen könne.
Würde Gefangenen doch Nahrung, Wärme, Ausgang und Sexualität entzogen:

„Das ist das Faszinierende an den Gefängnissen, dass sich die Gewalt nicht verbirgt, nicht
maskiert, dass sie sich als eine bis ins letzte Detail ausgeklügelte zynische Tyrannei darstellt
und dass sie andererseits vollkommen „gerechtfertigt“ ist, da sie in eine Moral eingebettet
ist: ihre brutale Tyrannei ist die ungetrübte Herrschaft des Guten über das Böse, der
Ordnung über die Unordnung.“65

Deleuze diagnostiziert der Macht eine totale und globale Vision. Vom Gesichtspunkt der
Macht aus fügten sich alle Formen der Repression mühelos zu einem Ganzen. Diese Macht
stoße nun aber auf lokale Gegenstöße. Dabei sei es nicht die Aufgabe seitens derer die

61
Vgl. Deleuze, Gilles, Foucault, Michel: Der Faden ist gerissen. Internationale Marxistische Diskussion 68.
Berlin: Merve Verlag 1977.S.13; 21.
62
Vgl. ebd. S.23.
63
Vgl. ebd. S.130.
64
Vgl. ebd. S.132.
65
Ebd. S.133.

19
aufbegehren ebenso zu totalisieren, sondern vielmehr müssten Basisgruppen gebildet werden,
die miteinander agierten und so ein System von Querverbindungen darstellten. Realität
spiele sich heute nicht länger in repräsentativen Instanzen ab, sondern in Fabriken, Schulen,
Kasernen oder einem Kommissariat.66
Den Begriff der Macht versuchen sowohl Deleuze als auch Foucault greifbarer zu machen,
attestieren ihm aber etwas Diffuseres. Allgemein gehe es bei „Macht“ meist um die Inhaber
dieser, Ungleichheit der Mächte und Kämpfe rund um die Machtzentren. Dabei sei es schon
ein Kampf, überhaupt erst einmal die Zentren von Macht explizit zu nennen und
gegebenenfalls zu denunzieren. Der Kampfdiskurs setzt sich so dem Geheimen entgegen.67
Es müsse auch erkannt werden, dass Begehren, Macht und Interesse in einem komplexen
Verhältnis zueinander stünden, wonach jene die Macht ausübten, nicht zwangsläufig ein
Interesse daran haben müssten und umgekehrt. Feststellen ließe sich, dass jeder in der Lage
sei gegen Macht anzukämpfen - alle gegen die sich die Macht richte und die diese als
unerträglich empfinden. Dies könne an jedem Ort aufgrund der eigenen Aktivität respektive
Passivität geschehen. So sei es jedem möglich in den revolutionären Prozess einzutreten.68

Deleuze und Foucault verabschieden in ihren Ausführungen das Darstellungsprinzip der


Repräsentation an dessen Stelle jetzt die Aktion getreten sei. Dies ist von vielen als eine Art
Zuspruch oder Befähigung Subalterner gelesen worden, auch in Bezug auf die Relativierung
von Theorien und Intellektuellen. Spivak jedoch sieht in den Ausführungen von Deleuze und
Foucault eine Fortführung des hegemonialen Diskurses und eine Manifestierung der
Stigmatisierung Subalterner. Der nächste Gliederungspunkt beschäftigt sich nun mit der
Kritik, die Spivak an den dargelegten Vorstellungen von Repräsentation und Macht geäußert
hat.

66
Vgl. Deleuze, Gilles, Foucault, Michel: Der Faden ist gerissen. Internationale Marxistische Diskussion 68.
Berlin: Merve Verlag 1977.S.133-135.
67
Vgl. ebd. S.136-137.
68
Vgl. ebd. S.139.

20
3.3.1 Spivaks Kritik an den “hegemonic radicals“ unter Rückgriff auf Marx

Gayatri Spivak übt scharfe Kritik an dem Repräsentations- und Machtverständnis von
Foucault und Deleuze. Als Ausdruck ihres Unmuts kann bereits die von ihr verwendete
Bezeichnung der „hegemonic radicals“ 69 aufgefasst werden.
Spivaks Kritik umfasst einige grundlegende Punkte. Ein sehr gravierendes Manko an der
Darstellung von Repräsentation bei Foucault und Deleuze sei, dass diese, wie die meisten
aus dem Westen stammenden radikalen Kritiker, letztlich auch nur daran interessiert seien,
das Subjekt des Westens beziehungsweise den Westen als Subjekt zu erhalten. Die Kritiker
öffneten so häufig dem souveränen Subjekt die Tür anstatt es zu verabschieden.70
Zwar legten Foucault und Deleuze die Heterogenität der Netzwerke von Macht, Begehren
und Interesse frei und diagnostizierten, dass Intellektuelle versuchen müssten Diskurse der
Anderen zu enthüllen oder erst einmal zu erkennen, dennoch ist Spivak der Auffassung, dass
beide konsequent und systematisch die Frage der Ideologie ignorieren und somit auch ihre
eigene Verwicklung in eine intellektuelle und ökonomische Geschichte nicht wahrnehmen
können. Eine Selbstdiagnose bleibt ihrer Meinung nach aus.
Die Annahme, die Massen seien vollkommen klar offenbare, wie wenig sich sowohl
Foucault als auch Deleuze der Tatsache bewusst seien, dass die Intellektuellen innerhalb des
sozialisierten Kapitals dazu beitragen könnten, die internationale Arbeitsteilung zu
konsolidieren. Beiden attestiert Spivak so eine Scheuklappen-Mentalität, die sich daran zeige,
dass Missstände zwar aufgedeckt würden, ohne jedoch die notwendigen Schlüsse daraus zu
ziehen.71
Dieser uneingestandene Widerspruch im Inneren ihrer Position führe zur Aufwertung der
Unterdrückungserlebnisse Subalterner. Zudem werde diesen eine Souveränität zugesprochen,
an der es in der Realität mangele. Offenkundig wird laut Spivak hiermit, wie unkritisch die
hegemonic radicals mit der historischen Rolle des Intellektuellen umgingen und wie sehr sie
damit zu einer Aufrechterhaltung alter Paradigmen durch eine sprachliche Fehlleistung
beitragen.72
Eine sprachliche Fehlleistung sei es, wenn Signifikanten, wie beispielsweise Repräsentation,
sich selbst überlassen bleiben. Auf nahezu lapidare Weise werde durch Foucault und

69
Spivak, Gayatri: A Critique of Postcolonial Reason: Toward a History of the Vanishing Present. Cambridge,
Mass. /London: Harvard University Press 1999. S. 248.
70
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation.
Wien: Verlag Turia+Kant 2008. S.21.
71
Vgl. ebd. S.27-28.
72
Vgl. ebd. S.28.

21
Deleuze so nicht nur das Band zwischen Theorie und Signifikant aufgetrennt, sondern auch
Repräsentation vorschnell verabschiedet.
Spivak moniert den geringschätzigen Tonfall gegenüber dem Begriff der Repräsentation.
Wenn es auch richtig sei, Theorieproduktion als eine Form von Praxis zu begreifen, werde
doch insgesamt deutlich, wie undifferenziert der Terminus Verwendung finde. Foucault und
Deleuze arbeiten nach Spivaks Verständnis mit einer Hybridform der Repräsentation, die
sowohl das politische „sprechen für“ als auch das künstlerische respektive philosophische
„darstellen/vorstellen“ verquicke. Hiermit fielen beide hinter Marx und dessen
Differenzierung von Repräsentation zurück.73
Bei Marx findet der Repräsentationsbegriff unter anderem in Bezug auf Parzellenbauern
Verwendung. In seinen Ausführungen in „Der Achtzehnte Brumaire des Louis
Bonaparte“ (1852) verdeutlicht jener die unterschiedlichen Ebenen des Prinzips in Hinsicht
auf das Konzept der Klasse.
Das Bewusstsein und die Vertretung der subalternen Bauern werde, so Spivak,
richtigerweise als disloziert und inkohärent begriffen. 74 Die Parzellenbauern könnten sich
nach Marx nicht selber vertreten und müssten vertreten werden:

„Sie sind daher unfähig, ihre Klasseninteressen im eigenen Namen (…) geltend zu machen.
Ihr Vertreter muss zugleich als ihr Herr, als eine Autorität über ihnen erscheinen, als eine
unumschränkte Regierungsgewalt, die sie vor den anderen Klassen beschützt und ihnen von
oben Regen und Sonnenschein schickt. Der politische Einfluss der Parzellenbauern findet
also darin seinen letzten Ausdruck (…), dass die Exekutivgewalt sich die Gesellschaft
unterordnet.“75

Dies ist laut Marx darauf zurückzuführen, dass nur lokale Zusammenschlüsse zwischen den
Parzellenbauern existieren, woraus keine politische Organisation erwachse, weswegen diese
keine Klasse bildeten, die sich repräsentieren könne und auf Vertretung angewiesen seien.
Spivak betrachtet es als verantwortungslos, ein ungeteiltes Subjekt zu beschwören, in dem
Verlangen respektive Wunsch und Interesse übereinstimmen. Auf Marx rekurrierend möchte
Sie vielmehr in Erinnerung rufen, dass Subjekte verschoben und geteilt sind. Nur weil

73
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation.
Wien: Verlag Turia+Kant 2008. S.28-31.
74
Vgl. ebd. S.32.
75
Marx, Karl/Engels, Friedrich: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Band 8. Berlin: Dietz Verlag
1973. S.198-199. Ebenso: Spivak. S.32.

22
jemand das Bewusstsein hat, unter einem Missstand zu leiden, kann demnach nicht davon
ausgegangen werden, dass er auch in der Position ist sich dagegen zur Wehr zu setzen.76
Wenn Subjekte somit als geteilt und disloziert verstanden werden, folge unausweichlich ein
irreduzibler Bruch zwischen beiden angeführten Bedeutungen von Repräsentation.
Theorieproduktion dürfe also nicht den Fehler begehen, Repräsentation in seiner
Mehrdeutigkeit einfach einzuebnen beziehungsweise wie Foucault und Deleuze es anstreben,
lapidar durch Aktion zu ersetzen. Vielmehr sollte radikale Praxis laut Spivak, dem doppelten
Modus der Repräsentation Rechnung tragen, anstatt das individuelle Subjekt über
totalisierende Konzepte von Macht und Begehren erneut einzuführen. Zudem sei es ihrer
Meinung nach französischen Intellektuellen heute kaum möglich, sich jene Art von Macht
und Begehren vorzustellen, die dem namenlosen Subjekt von Europas Anderem/r
innewohne.77

An Spivaks Kritik wird deutlich, dass das Bemühen die subalterne Frau sprechen zu lassen
oder auch ihr zuzuhören, von mehreren Dilemmata durchzogen ist. Demnach soll nicht im
Namen der Subalternen gesprochen werden, was im Sinne der althergebrachten
Repäsentationsmechanismen jedoch geschehe. Auf der anderen Seite könne nicht
angenommen werden, die Subalternen könnten sich alleine Gehör verschaffen und
benötigten keine Mithilfe von außen. Diese Krux macht eine Stellungnahme für westliche
Postkolonialisten zu einem Drahtseilakt, der daraus besteht, weder für die subalterne Frau
des globalen Südens sprechen zu dürfen und diese so zu bevormunden, noch sie für
selbstständig und durchsetzungsfähig zu halten.

3.4 Kapitel-Zusammenfassung

Bezüglich der Frage „Can the Subaltern Speak?“ kristallisiert sich die Frage nach
Repräsentation als zentral heraus. Varela, Dhawan und Spivak sprechen sich für eine
Hinterfragung des Begriffs und des damit einhergehenden Diskurs-Mechanismus seitens des
Westens aus.

76
Vgl. Löw, Christine: Frauen aus der Dritten Welt und Erkenntniskritik? Die postkolonialen Untersuchungen
von Gayatri C. Spivak zu Globalisierung und Theorieproduktion. Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2009.
S. 124.
77
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation.
Wien: Verlag Turia+Kant 2008. S.32-40.

23
Foucault und Deleuze scheinen diesem Anliegen damit gerecht werden zu wollen, dass sie
Repräsentation als ein veraltetes und vor allem Macht affirmativ gegenüberstehendes
Konzept zu Grabe tragen möchten.
Dies wiederum symbolisiert in Spivaks Augen wieder die Dominanz des Westens, der die
subalterne Frau für ebenso privilegiert halte wie andere Gruppen und ihr somit den Weg zur
echten politischen Repräsentation verwehre. Zudem werde ein undifferenziertes
Begriffsverständnis propagiert, das hinter Marx zurückfalle.
Im nächsten Kapitel wird sich am Beispiel der indischen Witwenverbrennung verdeutlichen,
inwiefern die Frage „Can the Subaltern speak?“ in Bezug auf die subalterne Frau Indiens
eine Bedeutung hat.

4. Can the Subaltern speak? Die Rolle der subalternen Frau am Beispiel der
indischen Witwenverbrennung

4.1 Das Witwenopfer in Indien

Die Witwenverbrennung ist ein viel zitierter hinduistischer Ritus. Er wurde 1829 von den
Briten unter Verbot gestellt. In Sanskrit nennt sich der Brauch „Sati“, was soviel wie
„Treue“ bedeutet. Traditionell wurden Witwen bei lebendigem Leib zusammen mit ihren
verstorbenen Männern verbrannt. Rückverfolgen lässt sich das Ritual bis in die Antike. Ab
wann genau es in Indien praktiziert wurde, ist jedoch strittig. Ab 700 lässt sich eine
Zunahme der Witwenverbrennungen verzeichnen. Verbreitet ist die Tradition damals vor
allem in den oberen Kasten Nordindiens. Im Bengalen des späten 18. und frühen 19.
Jahrhunderts lässt sich eine Zunahme verzeichnen, die vor allem dem Kontext geschuldet
war, dass Frauen Eigentum erben konnten. Spivak sieht hierin ein eher ideologisches als
geschlechtliches Schlachtfeld.78
Frauen, die sich weigerten galten der Überlieferung nach als untreu, wohingegen diejenigen,
die sich dem Ritus unterwarfen zum Teil gottartig verehrt wurden.
In der westlichen Literatur lässt sich die Tradition oft auch als Ausdruck von Barbarei
verfolgen, während sie von einigen indischen Brahmanen zum Brauchtum deklariert wurde.

78
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation.
Wien: Verlag Turia+Kant 2008. S.87.

24
Erhebungen der Briten machten jedoch eine eher geringe Durchführungsquote deutlich. So
wurde schätzungsweise lediglich eine von 430 Frauen zusammen mit der Leiche ihres
Mannes auf dem Scheiterhaufen verbrannt.79
In der westlichen Wahrnehmung bekleidet die Tradition eine konflikthafte Position. Schon
in ersten Reiseberichten europäischer „Pioniere“ taucht das Ritual auf. Mit der Ausdehnung
des imperialen Strebens und des Handels begannen Europäer sich dem Sati-Brauch entgegen
zu stellen. Auffällig ist an der Berichterstattung, dass diese überproportional auszufallen
scheint, sprich Sati als weit signifikanter für die indische Kultur dargestellt wird, als
tatsächlich zutreffend war. Mit Berechtigung kann sich hier die Frage gestellt werden, was
Aufklärer und große Denker antrieb, wenn sie über den Brauch schrieben.
Auf diese Frage findet Dorothy Figueira eine mögliche Antwort. Ihrer Annahme nach
stilisieren deutsche und französische Denker Sati zu einem gewichtigen Thema, da auf diese
Art Indien als exotisch und fremdartig dargestellt werden konnte. Das so genannte Prinzip
des „Othering“80 lässt sich an diesem Beispiel nahezu in seiner charakteristischsten Form
nachvollziehen. Dabei diene, so Eske Wollrad, die Fremdheit Anderer hauptsächlich der
Selbstkonstitution derer, die sich befremdet fühlten und schwanke in seiner Ausgestaltung
immer zwischen binären Oppositionen.81
Auch das Herausarbeiten irrationalen Aberglaubens lässt sich in Berichten wieder finden,
wie beispielsweise in Texten von Voltaire. Dies war nicht zuletzt ein Instrument zur
Manifestierung der Aufklärung.82
Figueira weist außerdem darauf hin, dass das Wissen des späten 18. und frühen 19.
Jahrhunderts quasi schon als Second-Hand Wissen bezeichnet werden könne, da erst zu
diesem Zeitpunkt einige Reiseberichte publiziert wurden, welche schon länger nicht mehr im
Stande waren, die Realität abzubilden. Zudem gesellten sich häufig sentimentale und
übermoralische Sinneswandlungen der Autoren hinzu, die sich in eigentümlichen und hoch
personalisierten Verzerrungen widerspiegelten. In dieser Art sei Sati benutzt worden um

79
Die Informationen zur Witwenverbrennung sind nachzulesen in: Pöppelmann, Christa: 111 Mal Wissen
Weltreligionen. München: Compact Verlag 2010. S.89.
80
„Othering“ wird im Weiteren verstanden als: „die Konstruktion einer (nach der weitgehenden
Diskreditierung des Denkens in Rassekategorien heutzutage meist kulturell definierten) Gruppe als „anders“,
die dazu dient, die Identität einer Wir-Gruppe davon abzugrenzen, zu konstituieren und somit politische
Ansprüche und Ausschlüsse zu rechtfertigen“. Entnommen aus: Ziai, Aram: Postkoloniale Perspektiven auf
„Entwicklung“. In: Peripherie Nr. 120. S.404.
81
Vgl. Wollrad Eske: Konstruktionen von Fremdheit und postkoloniale Kritik - feministisch-theologische
Überlegungen. In: Deplatziert! Interventionen postkolonialer Kritik. Hg. v. Nadine Golly und Stephan Cohrs.
Berlin: wvb 2008. S. 133.
82
Vgl. Lewis, Robin Jared: Comment: Sati and the Nineteenth-Century British-Self. In: Sati - the Blessing and
the Curse. The Burning of Wives in India. Hg. v. John Stratton Hawley. New York: Oxford University Press
1994. S. 72.

25
einerseits die passionierte Liebe der Frauen zu ihren Männern zu glorifizieren und
andererseits als mächtige Waffe des ideologisches Arsenals, die in der Lage war religiöse
Riten in den eigenen Gesellschaften zu dekonstruieren. Gerade auch in Großbritannien
wurde Sati als Inbegriff religiösen Eifers verstanden.83

An den Ausführungen Figueiras wird deutlich, dass die Aufgreifung des Sati-Rituals durch
westliche Gelehrte zumindest fragwürdig ist respektive das richtige Maß zu verfehlen
scheint. Sowohl die verhältnismäßig geringe Zahl der Durchführung des Brauchs, als auch
die schwankende Darstellung, divergierend zwischen den Polen „Romantisierung“ und
„Verurteilung“, illustrieren die meist emotionale Herangehensweise an das Thema der
Witwenverbrennung. Diese Feststellung korrespondiert mit der Tradition des europäischen
Barbarendiskurses. Die Wahrnehmung der aus europäischer Sicht neuen Welt bewegte sich
zwischen der Dichotomie von „edlen Wilden“ oder „rohen Barbaren“ und diente nicht
zuletzt oft der Bestärkung eigener Merkmale. Letztlich führte diese Sichtweise auch zu einer
Verschärfung des europäischen Überlegenheitscharakters, der durch Autoren wie Gobineau
und dessen Rassentheorie geprägt wurde.84
In Bezug auf das Witwenopfer muss somit zumindest konstatiert werden, dass, wenn auch
Skepsis mehr als verständlich ist, eine Überrepräsentation des Themas zumindest nicht
ausgeschlossen werden kann. Dies wiederum nährt den Eindruck, dass das Ritual nicht
zuletzt auch einem Mechanismus der europäischen Selbstkonstitution Vorschub leistete und
somit differenziert betrachtet werden sollte.
Stefanie Arend diagnostiziert, dass das Abendland eben genau diese Wahrnehmung Indiens
aber auch anderer Regionen schürte, denn

„schon in der Antike und besonders seit den frühneuzeitlichen Entdeckungsfahrten glaubt
Europa sich im Spiegel der Barbaren zu erkennen. Die Fata von den vermeintlichen
Menschenfressern verhelfen dem Abendland dazu, sich als zivilisierten Teil der Welt zu
konstituieren.“85

In der weiteren Betrachtung des Sati-Rituals darf folglich nicht vergessen werden auch dem
europäischen Sendungsbewusstsein Rechnung zu tragen.

83
Vgl. Lewis, Robin Jared: Comment: Sati and the Nineteenth-Century British-Self. In: Sati - the Blessing and
the Curse. The Burning of Wives in India. Hg. v. John Stratton Hawley. New York: Oxford University Press
1994. S. S.73.
84
Vgl. hierzu: de Gobineau, Arthur : Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen. Hg. von Ludwig
Schemann. 1. Bd. Stuttgart: Frommanns Verlag. 1922.
85
Arend, Stefanie in: Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische koloniale Welt. Bd. 11. Hg. von
Hans-Jürgen Lüsebrink. Göttingen: Wallstein Verlag 2006. S.326.

26
4.2 „Weiße Männer retten braune Frauen vor braunen Männern“86

In diesem Gliederungspunkt wird es darum gehen das im vorangegangenen Kapitel


dargestellte Dilemma der Repräsentation Subalterner, im Konkreten die Repräsentation der
subalternen Frau Indiens, am Beispiel der Witwenverbrennung zu illustrieren.
Der Ritus des Witwenopfers, Sati genannt oder als Suttee transkribiert, stellt laut Vathsala
Aithal einen Eckpunkt in der „Triade des Frauenleidens“ 87 dar, und biete sich somit an,
Widersprüchliches in der Konstruktion aufzudecken. Aithal betont, dass es
selbstverständlich nicht darum gehen könne, einer barbarischen Praxis das Wort zu reden,
sondern vielmehr solle ein Paradox aufgezeigt werden. Offenbart werde nämlich, dass eine
der schlimmsten Formen der Menschenrechtsverletzungen von Frauen einen der wichtigsten
Züge der Menschenrechte beinhalte – die Wahlfreiheit von Frauen.88
Wie bereits in Gliederungspunkt 4.1 dargestellt wurde, handelt es sich bei Sati keineswegs
um einen für den Hinduismus konstitutiven Ritus. Wie auch Aithal es nahe legt, soll es im
Weiteren darum gehen, Sati zunächst einmal losgelöst von einer westlichen Skandalisierung
zu kontextualisieren.89 Spivak sieht in der Abschaffung des Rituals durch die Briten 1829
einen klassischen Fall von „weiße Männer retten braune Frauen vor braunen Männern“.
Um Sati ernsthaft aufarbeiten zu können, bedarf es einer Beschäftigung mit zeitgenössischen,
indischen Gesetzestexten. In den Dharmashastras kann nachgelesen werden, dass
Selbstmord als unzulässig und unmoralisch angesehen wurde. Im Falle einer Erleuchtung
war der Suizid Männern vorbehalten. Dieser „philosophische Raum“90 des Suizids war für
Frauen nicht vorgesehen.
Aus den Gesetzestexten lässt sich nur eine einzige Ausnahme rekonstruieren, die es Frauen
zubilligte, den Freitod zu wählen. Vollzieht sich der Selbstmord an einer heiligen Stätte, so
ist er laut Dharmashastras auch für Frauen zulässig. Spivak sieht hier im Speziellen aber nur
den Scheiterhaufen des eigenen Ehemannes als akzeptierte Methode des Selbstmordes für
indische Frauen und konstatiert, dass paradoxerweise gerade dieser für Frauen die
Möglichkeit der freien Willensausübung eröffnet.91

86
Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien:
Verlag Turia+Kant 2008. S.81.
87
Teng, Jinhua Emma zitiert in: Aithal, Vathsala: Von den Subalternen lernen. Frauen in Indien im Kampf um
Wasser und soziale Transformation. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2004. S.172.
88
Vgl. Aithal, Vathsala: Von den Subalternen lernen. Frauen in Indien im Kampf um Wasser und soziale
Transformation. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2004. S.172-173.
89
Vgl. ebd. S.94.
90
Spivak, Gayatri Chakravorty ebd. S.86.
91
Vgl. Aithal, Vathsala ebd. S.95.

27
Der von den Briten sanktionierte Brauch des Sati kann demnach als eine der wenigen
Formen von Handlungsfreiheit angesehen werden, die der indischen Frau damals
zugestanden wurde, wenn auch insofern limitiert, als dass die letztliche Handlung vom Mann
und dessen Tod abhängig blieb. Das eigentlich erschütternde an dem Ritual stellt die
Einsicht dar, dass „der tote Ehemann zum externalisierten Beispiel und Ort des
ausgelöschten Subjekts wird und die Witwe zu jener (Nicht-) Handelnden, die dies
ausagiert“92.
Spivak sieht im Sati-Ritual zum einen die Ideologie des dislozierten Ortes des weiblichen
Subjekts, zum anderen aber auch die Option der Wahlfreiheit der Frau zu Tage befördert.
Darüber hinaus stellt sie klar, dass die Tötung von Witwen ohne jedweden Zweifel nicht zu
befürworten ist. Dennoch empfindet Spivak die Barbarisierung des Rituals seitens der Briten,
wonach jene, die den Brauch praktizierten schlechte Hindus seien, die zur Grausamkeit
neigten, als irreführend und falsch. Sati sei so in dieselbe Kategorie wie Mord eingeordnet
worden und damit sei dem ohne jeden Zweifel fragwürdigen Rahmen des freien Willens der
Frau ein Stigma angehaftet worden. An dieser Stelle fällt es schwer der Argumentation
Spivaks zu folgen, nach welcher der Wahlfreiheit das Stimmrecht zu geben ist und nicht dem
Leben der einzelnen Frau. Dennoch wird verständlich, inwiefern britische Kolonialherren
mithilfe einer alternativen Ideologie, die Sati als grausam erachtete, Stimmen von Frauen
unterdrückten.
Dabei unterschlägt Spivak nicht die Ironie, mit welcher die Positionierung des freien Willens
der Frau innerhalb der Selbstopferung einhergeht:

„Solange die Frau sich nicht anlässlich des Todes ihres Ehemannes im Feuer verbrennt,
wird sie niemals von ihrem weiblichen Körper entbunden werden.“93

Natürlich sei offenkundig, dass es als Unglück empfunden werde, einen weiblichen Körper
zu haben. Der freie Wille trete also lediglich auf, um sich dessen zu entledigen.
Spivak möchte in Bezug auf Sati zudem offen legen, dass jenes Ritual „das Gedächtnis eines
grammatikalischen Fehlers seitens der Briten in sich trägt“. 94 Sati heiße lediglich gute
Ehefrau und sei durch die englische Transkription Suttee fälschlicherweise mit dem Ritual
der Witwenverbrennung gleichgesetzt worden, wodurch die „gute indische Ehefrau zu einem

92
Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien:
Verlag Turia +Kant 2008. S.87.
93
Ebd S.93.
94
Ebd. S.98.

28
zu schützenden Objekt, welches durch die wohlmeinenden Imperialisten gerettet wird“ 95
avanciert sei. Maria Varela und Nikita Dhawan sind der Auffassung, dass die britischen
Administratoren in der Sati-Praxis die Versinnbildlichung des barbarischen und inhumanen
Indiens sahen, das einen gewaltsamen Imperialismus im Namen einer zivilisatorischen
Mission rechtfertigte. Beide bezeichnen es als Schlüsselmanöver, dass hier ein unterdrücktes,
indisch-weibliches Subjekt konstruiert werde, das quasi auf ein befreiendes und progressives
Regime des Empires angewiesen sei. Als besonders zynisch erscheint es Spivak zudem, dass
Frauen vor einer brutalen Praxis geschützte werden sollten, die Kolonialherren aber nicht
einmal in der Lage waren, die Namen derer zu buchstabieren, die sie retten wollten.
Vielmehr wurde so, anstatt die weibliche Handlungsmacht zu verteidigen und zu stärken, der
Körper der Witwen als ideologischer Kampfplatz ausgenutzt und instrumentalisiert. Sowohl
das koloniale als auch einheimische Patriarchat spreche für die subalterne Frau, ohne dass
die Stimme dieser selbst einmal hörbar sei. Der imperialistische wie auch autochthone
Imperativ stelle so eine Bevormundung für die Subalterne dar. Die Aussagen „Die Frau will
tatsächlich sterben“ seitens hinduistischer Brahmanen und „Rettet die Frau“ legitimierten
sich so gegenseitig. Genau aber in der Lücke zwischen diesen beiden Äußerungen könne
man die subalterne Frau lokalisieren, in der Aporie des zum Schweigenbringens. An dieser
Stelle wird deutlich, dass die Frage, ob die subalterne Frau sprechen kann vielmehr eine
Frage danach ist, ob dieser zugehört wird. Es geht demzufolge weniger um die
Sprachlosigkeit dieser, als um die hegemoniale Strukturierung des Zuhörens.96
An Gayatri Spivak und ihrem Werk „Can the Subaltern speak?“ ist viel Kritik geübt worden,
nicht zuletzt auch weil es den Anschein macht, als verurteile diese das Sprechen für die
subalterne Frau des globalen Südens, nur um sich selber dazu zu befähigen. Dazu wird es im
Weiteren um die konkretere Kritik von Benita Parry gehen.
Wenn auch die Argumentation Spivaks von Brüchen durchzogen scheint, so kann zunächst
festgehalten werden, dass es ihr darum geht die „subalterne Erfahrung als unerreichbare

95
Shetty, Bellamy zitiert in: Varela, Maria do Mar Castro; Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine
kritische Einführung. Bielefeld: transcript Verlag 2005. S. 74-75.
96
Vgl.Varela, Maria do Mar Castro; Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung.
Bielefeld: transcript Verlag 2005. S.75-76.

29
97
Leere zu erhalten“ , wodurch die Limitationen der westlichen Fürsprache und
Wissensproduktion aufgezeigt werden können.98

4.3 Parrys Kritik an Spivak

Die südafrikanische Literaturwissenschaftlerin Benita Parry, die sich ebenso wie Spivak
einen Namen als postkoloniale Theoretikerin gemacht hat, steht den Ausführungen zur
Witwenverbrennung seitens der „Can the Subaltern speak?“ Autorin kritisch gegenüber.
Parry sieht bei Spivak den Mechanismus am Werk, der überhaupt erst zur Subalternisierung
führt und der auch im westlichen Diskurs vorherrschend sei. Spivak treffe generelle
Aussagen im Sati-Diskurs und in Bezug auf die Objektformation subalterner Frauen. Damit
erschaffe diese eine homogene Subalterne und lasse eine Differenzierung vermissen, ebenso
vernachlässige Spivak die Anerkennung von Widerstand, der schon zu Kolonialzeiten
geleistet worden sei. Parry sieht die weibliche Stimme nicht als verschüttet an und verweist
auf die gesellschaftliche Rolle von Heilerinnen, Asketinnen und Sängerinnen, sowie auf
einen umfassenden nationalen Widerstandsdiskurs (Raj-Diskurs). Die Stimmlosigkeit, die
dargestellt werde, entspreche der westlichen Wahrnehmung der Anderen, nicht aber deren
eigener. Durch die Ignorierung dieser Fakten und somit Verunglimpfung geschichtlicher
Prozesse erschaffe Spivak eine schwache, subalterne Frau und werde der Rollenverteilung
des Westens gerecht.99
Parry kritisiert zudem, dass Spivak hohe Theorie nutze, um die historische und politische
Marginalisierung und Unterdrückung von Frauen aufzuzeigen. Genau dies habe jedoch dazu
geführt, dass diese verstummt sei. Mit sarkastischem Unterton merkt Parry an, dass die
Indigenen durchaus in der Lage seien sich zu artikulieren. Es scheitere eher daran, dass
Spivak nicht zuhöre. Spivak konterte dies mit der Aussage, sie sei selber Indigene.100

97
Spivak zitiert in: Varela, Maria do Mar Castro; Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische
Einführung. Bielefeld: transcript Verlag 2005. S.77.
98
Vgl. ebd. S.77.
99
Vgl. Parry, Benita: Postcolonial Studies. A Materialist Critique. New York: Routledge 2001. S.19-20.
100
Parry zitiert in: Varela, Maria do Mar Castro; Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische
Einführung. Bielefeld: transcript Verlag 2005. S.76-77.

30
4.4 Kapitel-Zusammenfassung

Spivak möchte am Beispiel der indischen Witwenverbrennung illustrieren, wie die


subalterne Frau sowohl vom imperialen als auch vom nationalen Patriarchat bevormundet
und ideologisiert wurde ohne dass ihre Stimme wahrgenommen worden wäre. Dass gerade
die Witwenverbrennung Raum für weibliche Willensfreiheit zu generieren schien, hinterlässt
einen schalen Beigeschmack. Parry kritisiert an Spivaks Darstellung zudem, dass diese eine
Differenzierung der Subalternen vermissen lasse, ebenso wie eine Wahrnehmung des reell
geleisteten Widerstandes in der zeitgenössischen Literatur und Kunst.
Die Rezeption des Sati-Rituals in westlicher Literatur wirft einige Fragen auf. Wie Figueira
andeutet, diente die Darstellung der Witwenverbrennung häufig dem Prinzip des Othering
und trug so dazu bei, eine Optik binärer Oppositionen zu stilisieren.

5. Der zweifache Differenzbegriff in Bezug auf die subalterne Frau – Kultur und
Geschlecht

5.1 Kulturelle Differenz verstehen?

„Um die Frage, was kulturelle Differenz ist, beantworten zu können muss grundsätzlich
festgehalten werden, dass es sich bei der Wahrnehmung von kultureller Differenz bzw.
Fremdheit um eine Konstruktion auf der Grundlage einer Referenzstruktur handelt. Das
heißt, dass das Empfinden des Fremden vorrangig von der persönlichen Erfahrungsweite des
Einzelnen abhängig ist. Fremdheit ist nichts Gegebenes, sondern etwas Konstruiertes.“101

In Bezug auf subalterne Frauen in Indien wird ein doppelter Differenzkontext deutlich, der
sich gut am Fallbeispiel der indischen Witwenverbrennung skizzieren lässt. Die
Bevormundung in der Rolle als Frau durch die einheimische und imperiale Dominanz der
Männer lässt auf der einen Seite den Aspekt der Geschlechterdifferenz aufscheinen. Auf der
anderen Seite wird auch der Faktor der kulturellen Differenz ersichtlich, der sich darin äußert,
dass die subalterne Frau als hilfloses Objekt verstanden wird, dem es zu helfen gilt und die
durch westliche Hilfe von dem „barbarischen“ Ritual der Witwenverbrennung befreit werden
soll. In diesem Kapitel soll illustriert werden, inwiefern Differenzen verstanden werden
101
Hellmann zitiert in: Wissenschaftliche Definition von kultureller Differenz und Fremdheit. Essay. Verfasst
von Paul Peters. Grin (Online-Verlag für akademische Texte) 2004. S. 2. Abgerufen unter:
http://www.grin.com/de/e-book/72335/wissenschaftliche-definition-von-kultureller-differenz-und-fremdheit
(18.01.2013).

31
müssen, um der Rolle der indischen Frau aber auch dem westlichen Verständnis gerecht
werden zu können.
Der Begriff der Kultur ist ein sehr ambivalenter und wird des Öfteren als eine Art
„Begriffsdschungel“ dargestellt. 102 In den folgenden Ausführungen soll es um die Rolle
kultureller Differenzen gehen, weswegen der komplexe Bedeutungsbereich des Terminus
nur angerissen werden kann. Wichtig ist in der folgenden Darstellung vor allem die
identitätsstiftende Wirkung von Kultur und kultureller Differenz.103
Rekurrierend auf Hellmann lässt sich feststellen, dass es verschiedene
Konstruktionsmerkmale zu geben scheint, die das Fremde als fremd erscheinen lassen. Als
wichtige Punkte treten dabei das strukturelle Nicht-Verstehen, die Unvertrautheit mit etwas
Neuem, der Umgang mit Unvertrautem als einem Problem und letztlich die Ambivalenz beim
Umgang mit Fremden/Fremdem auf. Die Annahme etwas sei fremd lässt sich demzufolge
häufig auf ein strukturelles Nichtverstehen zurückführen, was mit einer Art Missverständnis
gleichzusetzen ist. Das Nichtverstandene avanciert zum Fremden. Das Gesehene kann
hierbei nicht in ein bereits existierendes Werte- respektive Bezugssystem eingeordnet
werden. Hellmann leitet daraus die Konsequenz ab, dass ein „irritierender Verlust an
Erwartungssicherheit“ 104 auftrete, woraus letztlich Wertkonflikte entstehen könnten. Des
Weiteren führe dies zu einer Manifestierung von Kulturstandards und Orientierungssystemen.
Die Begegnung mit dem Fremden verlaufe zumeist zwischen den Polen der Bedrohung
durch etwas Fremdes und der Entdeckung von etwas Neuem. Erscheint das Entdeckte als
Bedrohung, führe dies zu einer Abnahme der Lernwahrscheinlichkeit und einer
Manifestierung der Ablehnung. Wird dem Fremden mit Neugier begegnet, komme es
hingegen zu einem Lernprozess und einer neuen Festlegung der Erwartungen, um einer
weiteren Enttäuschung entgegen zu wirken.105 Bei der Konstruktion von Fremdheit handelt
es sich demnach wie bereits erwähnt um ein strukturelles Nichtverstehen „da die Erfahrung
des Fremden den Erwartungshorizont des Vertrauten beim Versuch, es strukturell zu
verstehen sprengt und überschreitet“106.

102
Vgl. Wieviorka, Michel: Kulturelle Differenzen und kollektive Identitäten. Hamburg: HIS 2003. S. 21.
103
Die Vielfalt des Kulturbegriffs ist beispielsweise unter http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-
bildung/59917/kulturbegriffe?p=all nachzulesen. (abgerufen am 18.01.2013)
104
Hellmann zitiert in: Wissenschaftliche Definition von kultureller Differenz und Fremdheit. Essay. Verfasst
von Paul Peters. Grin (Online- Verlag für akademische Texte) 2004. S. 3. Abgerufen unter:
http://www.grin.com/de/e-book/72335/wissenschaftliche-definition-von-kultureller-differenz-und-fremdheit
(18.01.2013).
105
Vgl. Hellmann in ebd..
106
Hellmann Kai-Uwe: Fremdheit als soziale Konstruktion. Eine Studie zur Systemtheorie des Fremden. In:
Die Herausforderung durch das Fremde. Hg. v. Herfried Münkler. Berlin: Akademie Verlag 1998. S. 416.

32
Die Ausführungen machen deutlich, wie sehr Fremdes zur Konstruktion der eigenen
Identität benötigt wird:

„Das Eigene setzt das Fremde voraus. Um etwas von sich als Eigenes zu veranschlagen,
muss es sich vom Fremden unterscheiden. Um obendrein Mensch zu werden, wird es sich im
Unterschied mit dem Anderen assoziieren.“107

In diesem Kontext sind kulturelle Differenzen zwar identitätsstiftend, werden aber auch vom
Eigenen konstruiert, sind somit nicht in der rigiden Form vorhanden, in der diese
wahrgenommen werden.
Julia Kristeva plädiert dafür, kulturelle Differenzen in ihrer entwaffnendsten Form zu
betrachten. Die Verletzung des Rechts auf Unterschiedlichkeit habe fatale Auswirkungen.
Differenz sei eine unerlässliche Voraussetzung für unser Sein mit anderen und somit der
Grundstein eines Kosmopolitismus neuer Art. Dabei müsse die innere Differenz erkannt und
akzeptiert werden. Ungleichheit gelte es demnach nicht zu diskriminieren, sondern sich
vielmehr als eine Gemeinschaft von Fremden zu denken.108
In Bezug auf die subalterne Frau lässt sich feststellen, dass der Kolonialismus seinen Opfern
häufig eine Art Fremdheit attestierte, die als Konsequenz beinhaltete, dass man es mit einem
„unmöglichen Anderen, der keinen Anderen hat“109 zu tun hätte. So wurde indischen Frauen
110
eine „subalterne, wertlose, nicht einmal philosophisch einzuholende Andersheit“
übergestülpt.
Jochen Schütze ist der Auffassung, dass eine postkoloniale Denkweise in der Lage ist, mit
der Binarität zwischen Eigenem und Fremdem zu brechen:

„Die postmoderne Ethik des Pluralen und die postkoloniale Logik der Differenz sprechen
bereits die Sprache dieser Utopie. Sie stellt auch die Anderen und das Fremdsein zur
Disposition. Nichts ist mehr verschwunden, niemand mehr abwesend. Es gibt keinen Anderen
mehr.“111

Kulturelle Differenz wird immer auch anhand eines Zentrums festgelegt, das Abweichende
demnach als fremd bezeichnet. Im Sinne der Dekonstruktion ist es wichtig, Mechanismen
aufzudecken, die das Fremde diskursiv konstruieren und somit auch Ausgrenzungen

107
Schütze, Jochen: Vom Fremden. Wien: Passagen Verlag 2000. S. 76-77.
108
Vgl. ebd. S.79-80
109
Ebd. S.89.
110
Ebd.
111
Ebd. S.97.

33
verschleiern oder gar legitimieren. 112 Das von Hellmann angedeutete strukturelle Nicht-
Verstehen impliziert die Akzeptanz von Differenzen in dialogischen Austausch-Prozessen,
die jedoch auch dazu führen, das Andere weniger als fremd und mehr als anders
wahrzunehmen, um somit enttäuschen Erwartungen vorzubeugen.
Festhalten lässt sich in Bezug auf kulturelle Differenzen, dass diese nicht in Stein gemeißelt
sind, sondern vielmehr menschlichen und somit auch willkürlichen Konstruktionsprozessen
unterliegen, die der Identitätsbildung dienen. Durch dialogischen Austausch kann ein
wechselseitiger Lernprozess entstehen, der nicht mehr pauschal den Status fremd zuschreibt.
Für die subalterne Frau und die Witwenverbrennung bedeutet dies nicht, dass die Tradition
des Frauenmords legitimiert werden soll. Vielmehr soll das strukturelle Nicht-Verstehen in
den Vordergrund gerückt werden, dass zwischen Kolonialherren und Inderinnen,
beziehungsweise zwischen Männern und Frauen vorherrschend war und teilweise auch heute
noch ist.

5.2 Geschlechterdifferenz denken

„Die Geschlechterdifferenz ist eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort geben kann,
die aber immer wieder gestellt werden muss“113

Wenn es um die Rolle der subalternen Frau geht, erscheint zwangsläufig ein doppelter
Differenzbegriff. Im vorangegangenen Gliederungspunkt ist bereits die Bedeutung
kultureller Differenz thematisiert worden, worauf nun die Geschlechterdifferenz beleuchtet
werden soll.
In dem obigen Zitat von Judith Butler wird deutlich, welche Problematik sich durch das
Thema der Geschlechterdifferenz zieht. Getreu dem dekonstruktivistischen Credo fordert
diese keine starren Differenzierungen vorzunehmen, sondern vielmehr fortlaufend nach
Antworten zu suchen. Gegen den Versuch die Geschlechterdifferenz zu verabschieden
wendet Butler ein, dass diese ein notwendiger Rahmen des Denkens, der Sprache und der
Existenz der Körper sei. Die Stoßrichtung der Annullierung von Geschlechterdifferenz
bestärke vielmehr die Struktur gegen die diese sich wenden wolle. Der Versuch des

112
Vgl. Sancar, Annemarie: Geschlechterdifferenz und Ethnisierung in Migrationsdiskurs und
Migrationspolitik. In: Als hätten sie uns neu erfunden. Beobachtungen zu Fremdheit und Geschlecht. Hg. v.
Heike Walz, Doris Strahm (u.a.). Luzern: Exodus 2003. S. 55.
113
Butler, Judith zitiert in: Die Geschlechterdifferenz denken. Probleme, Gründe, Motive. In: Paradigma
Geschlechterdifferenz. Ein philosophisches Lesebuch. Hg. v. Anke Drygala und Andrea Günter.
Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2010. S. 36.

34
Abschaffens bezeuge erst die Stärke und Wirksamkeit der binären Logik. Auf Luce Irigaray
rekurrierend plädiert Butler dafür, Geschlechterdifferenz nicht als Tatsache, sondern als
Frage zu verstehen, die ungelöst bleibt. 114
Aber worum kann es in der Frage der Geschlechterdifferenz gehen, wenn nicht um eine
Beantwortung respektive Festlegung?
Irigaray versteht es als Primärziel, der theoretischen Maschinerie selbst Einhalt zu gebieten.
Es könne nicht die Aufgabe sein, eine neue Theorie aufzuarbeiten, deren Subjekt die Frau ist.
Das Dilemma liege nicht in den Geschlechtern selbst, sondern generiere sich aus dem
Anspruch auf die Produktion einer viel zu eindeutigen Wahrheit und eines viel zu
eindeutigen Sinns.115 Geschlechterdifferenz soll somit durchaus vorhanden sein, jedoch nicht
in festgelegten Paradigmen. Butler versteht die Kategorie der Geschlechterdifferenz als
besonders, da es gerade nicht darum gehe, sich über Konstanten wie Biologie, Psychologie,
Diskursives oder das Soziale fremdbestimmen beziehungsweise verorten zu lassen.
Geschlechterdifferenz sei vielmehr eine Art Grenzvorstellung, die stetig zu einer
Reformulierung nötige.116
Irigaray spricht des Weiteren davon, dass Mann und Frau einander in dem Sinne
Transzendente seien, dass keine/r von Beiden auf den anderen reduzierbar oder gar
anpassbar sei - nicht einmal vergleichen könne man diese. Die zwischen Mann und Frau
bestehende Differenz werde durch ein „nicht“ erzeugt, bei dem es um die Akzeptanz einer
Grenze gehe117:

„Deshalb: ich bin nicht Du, Mann, ich bin nicht alles und in diesem Sinne stelle ich keine
Einheit des menschlichen Geschlechts dar. Ich bin eine Frau, und das menschliche
Geschlecht besteht aus zwei Geschlechtern. Ich bin also durch die Zugehörigkeit zu meinem
Geschlecht begrenzt, und das Gleiche gilt für Dich, Mann, der auf keinen Fall mein Modell
ist. Zwischen uns hält sich ein „nicht“ (ne…pas): ich bin und werde niemals Du sein, Du
wirst niemals mein sein. Dieses Nicht-Anzuzeigende oder diese nicht zu erfassende Differenz
werden immer bestehen (…).“118

Irigaray befürwortet ein komplexes Verständnis von Geschlechterdifferenz. Auf der einen
Seite versteht Sie dieses als Kritik eines identitätslogischen Denkens des Einen und
andererseits als Grundlegung einer weiblichen Subjektivität. Darüber hinaus plädiert Irigaray

114
Vgl. Butler, Judith: Das Ende der Geschlechterdifferenz? In: Konturen des Unentschiedenen. Interventionen.
Hg. v. Jörg Huber und Marin Heller. Basel/Frankfurt: Stroemfeld/Roter Stern 1997. S. 284-285.
115
Vgl. Irigaray, Luce: Macht des Diskurses, Unterordnung des Weiblichen. Übersetzt von Hans-Joachim
Metzger. In: Das Geschlecht, das nicht eins ist. Berlin: Merve Verlag 1979. S.80.
116
Vgl. Butler, Judith in: Die Geschlechterdifferenz denken. Probleme, Gründe, Motive. In: Paradigma
Geschlechterdifferenz. Ein philosophisches Lesebuch. Hg. v. Anke Drygala und Andrea Günter.
Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2010. S.65.
117
Vgl. ebd. S. 66.
118
Vgl. Irigaray, Luce in: ebd. S.69.

35
für eine geschlechtertheoretische Ethik der Andersheit. Gebrochen werden müsse
demzufolge mit einem Denken nach dem die Frau traditionell als defizitäres und
unvollständig nachgeahmtes Abbild des Mannes betrachtet werde. Vielmehr müsse die
Differenz zwischen den Geschlechtern positiv gedacht werden. Dies könne gelingen, indem
man die Irreduzibilität zwischen den Geschlechtern wahrnehme und somit die Andersheit
anerkenne.119

Sowohl das Denken der kulturellen als auch der geschlechtlichen Differenz offenbart in
Bezug auf subalterne Frauen eine große Gestaltungskraft. Gibt man beiden Ansätzen eine
Chance, so ergibt sich als Konsequenz zwangsläufig, dass die Grenze des eigenen Seins,
Erkennens und auch Verstehens anerkannt oder vielmehr akzeptiert werden muss. Nur durch
ein Verständnis der eigenen Begrenztheit, sowohl durch die Geschlechtlichkeit als auch
durch den Kulturkreis maßgeblich geprägt, kann eine Kommunikation stattfinden, in der
nicht für andere gesprochen wird ohne deren Erfahrungen und Empfindungen konkret
nachvollziehen zu können. Die Visualisierung dieser irreversibel vorliegenden Grenze kann
zu einer besseren und präziseren Verständigung führen und mit dem Mechanismus der
Fürsprache brechen. Die nicht zu erfassende Differenz gilt es zu akzeptieren.
Das Denken über die kulturelle und geschlechtliche Differenz führt zwangsläufig dazu, die
Ebene des Dialogs stärker zu nutzen. Diese adressierten Unterschiede können nur im
Zusammenspiel der Akteure betrachtet werden und auf diese Weise ist es vermeidbar, dass
Differenzen zum machtpolitischen Spielball avancieren und sich Positionen angeeignet
werden, die sich der Erfahrungswelt der Handelnden entziehen.

119
Vgl. Irigaray, Luce in : Paradigma Geschlechterdifferenz. Ein philosophisches Lesebuch. Hg. v. Anke
Drygala und Andrea Günter. Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2010. S.74-75.

36
5.3 Kapitel-Zusammenfassung

Die als subaltern betrachtete indische Frau formt sich aus einem doppelten
Differenzverständnis. Wie in den obigen Ausführungen dargestellt, zeigt sich diese Differenz
sowohl im kulturellen als auch im geschlechtlichen Bereich. Dabei ist kulturelle Differenz
als ein Mechanismus zu verstehen, über den sich das Eigene formt, der somit der
Identitätsbildung dient. Empfinden wir etwas als fremd respektive unvertraut, erfolgen
Abgrenzungen und Rückgriffe auf erlernte Kultur- und Ordnungssysteme. Die Fremdheit des
indischen Rituals der Witwenverbrennung führte zu dem strikten Eingreifen seitens der
englischen Kolonialherren. Diese Form des kulturellen Nichtverstehens führte zur
„Leerstelle“ Frau, bei der das Empfinden der Betroffenen nicht wahrgenommen, sondern für
diese agiert wurde. In der Rolle des Fremden, Anderen konnte die indische Frau ihre eigene
Position und ihr Verständnis des Rituals nicht kundtun, wodurch diese ihrer Stimme beraubt
wurde, was auch Spivak zu der Frage führt, ob die Subalterne sprechen könne.
Ein ähnlicher Mechanismus zeigt sich auch auf der Geschlechterdifferenz-Ebene. Neben
dem kulturellen Nicht-Verstehen liegt im Fall der indischen Subalternen auch ein
geschlechtliches Nicht-Verstehen vor. In der Annahme für die indische Frau sprechen zu
können und somit ihre Wahrnehmung und Gefühle zu kennen, eigneten sich Kolonialherren
und indisches Patriarchat die Rolle der Frau an. Judith Butler verweist hier auf die
unabänderliche Geschlechterdifferenz, die nie eindeutig beantwortet werden könne, aber
dennoch vorhanden sei. Irigaray appelliert, die Grenze des Nicht-Verstehens der
Geschlechter untereinander zu erkennen und zu akzeptieren, da keines der beiden
Geschlechter die Welt des jeweils anderen in deren oder dessen Wahrnehmung
nachempfinden könne. Um zu vermeiden, dass für andere gesprochen und somit eine
Position vereinnahmt wird, deren Erfahrungswelt jedoch unbekannt bleibt, gilt es den
diskursiven Austausch zu stärken und alle Standpunkte und Perspektiven einzubeziehen. Auf
der anderen Seite sollten pauschale Zuschreibungen und Charakterisierungen vermieden
werden, da Differenzstrukturen nicht zu einer Art Stigma stilisiert werden sollten.

37
6. Dekonstruktion und Transdifferenz – Wege aus dem Dilemma?

6.1 Dekonstruktion bei Derrida

„Jeder Andere ist jeder Andere“120

Jacques Derrida, der als Begründer der Dekonstruktion gilt, fokussiert sich vor allem auf das
Denken der Differenz und die gezielte Hinterfragung von Sprache 121 Der Terminus der
Dekonstruktion lässt sich auf Heidegger zurückführen, der diesen nicht im Sinne einer
negativ zu verstehenden Abschüttlung ontologischer Traditionen versteht, sondern vielmehr
als positives Verfahren, Tradiertes in seinen Grenzen abzustecken.122
In der deutschen Politischen Theorie hat lange nur eine sporadische Auseinandersetzung mit
Derridas poststrukturalistischen Diskurstheorien stattgefunden. Habermas rekurrierte Ende
der 1990-er Jahre auf das Konzept123, verhinderte vielleicht aber auch durch seine Rezeption,
in der er von Neokonservatismus sprach, eine weitere dekonstruktivistische
Theoriebildung. 124 Er sah bei Derrida die Möglichkeit von Lernprozessen marginalisiert,
ebenso wie die produktive Kraft von Sprache. Diese Kluft zwischen Habermas und Derrida
entsteht nicht zuletzt aus einem kontroversen Zugang zu Sprache. Während Habermas einen
verständigungsorientierten Sprachgebrauch vor Augen hat, sieht Derrida den Prozess der
Begriffsbildung als Fokus an.125
In diesem Kapitel soll das theoretisch-analytische Potential dargestellt werden, welches das
Konzept der Dekonstruktion an die Hand gibt, vor allem auch in Bezug auf subalterne
Frauen und westliche Dominanz im Bereich der Diskursbestimmung. In den folgenden

120
Derrida, Jacques: Donner la mort. Paris: Galilée 1999. S.98. Im Original heißt der Ausspruch; „tout autre est
tout autre“. Eine andere Übersetzungsoption wäre „alles, was anders ist, ist so, wie alles was anders ist“. Die
zwei Möglichkeiten rekurrieren auf den doppelten Bezug zum Anderssein, den Derrida mit dem Denken der
différance und dem Denken des inkommensurablen Anderen benennt. Vgl. hierzu: Düttmann, Alexander Garcia:
Derrida und ich. Das Problem der Dekonstruktion. Bielefeld: transcript Verlag 2008. S.13.
121
Derrida gewinnt seinen linguistischen Zugang zur Thematik der Differenz zu einem großen Teil aus den
Erörterungen de Saussures, von dem er sich aber auch abgrenzt. Vgl. hierzu: de Saussure: Grundfragen der
allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin: de Gruyter 1967.
122
Vgl. Heidegger, Martin: Sein und Zeit. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2006. S.22-23.
123
Derrida würde selber nicht von einem Konzept der Dekonstruktion sprechen, da dies den Anschein eines
Dogmas erwecken könnte. Im Weiteren wird dennoch von einem Konzept die Rede sein, womit kein
Dogmatismus attestiert werden soll. Vielmehr dient dies der sprachlichen Umschreibung.
124
Vgl. Nonhoff, Martin: Politische Theorie zwischen Dekonstruktion und Pragmatismus. In: PostModerne
Diskurse zwischen Sprache und Macht. Hg. v. Johannes Angermüller und Martin Nonhoff. Hamburg/Berlin:
Argument Verlag 1999. S.23.
125
Vgl. Heinle, Andreas: Dekonstruktion und /oder kommunikative Realität? Eine Untersuchung zu Jacques
Derrida und Jürgen Habermas. Göttingen: vr-unipress 2012. S.173-174.

38
Unterpunkten wird ergänzend Spivaks Vorstellung von Dekonstruktion Gehör finden, sowie
das Konzept der Transdifferenz als Ergänzung zur Dekonstruktion dargestellt.

Der Theoriediskurs des Poststrukturalismus126, der vor allem im französisch-amerikanischen


Raum beheimatet ist, schenkt den Größen Sprache und Macht besondere Beachtung, was
schon bei den Ausführungen von Foucault und Deleuze in Kapitel 3 deutlich wurde. Wie
wichtig Texte und Sprache für das Politische in der Moderne respektive für Demokratien
sind, ergibt sich nicht zuletzt aus den bürokratischen Systemen, den Regierungen und
Parlamenten. Ernesto Laclau nennt Sprache das „Schmieröl“ 127 zwischen Akteuren und
Struktur. Eine Betrachtung von Sprache zieht meist noch weitere Konsequenzen nach sich,
so muss folglich auch Kultur, Geschichte und Kontingenz Aufmerksamkeit gewidmet
werden.128
In Bezug auf das Erkennen und Akzeptieren von Differenzen plädiert Derrida dafür,
Unterschiede und Einzigartigkeiten in den Blick zu nehmen, nicht zuletzt auch um
Totalitarismus entgegen zu wirken. An dem Begriff der „différance“ verdeutlicht jener sein
Verständnis von Sprache. Ursprünglich leitet sich das Wort vom Verb „différer“ ab und wird
als Nomen „différence“ geschrieben. Durch das von Derrida eingesetzte „a“ ändert sich
folglich das Schriftbild, auch wenn die Aussprache unverändert bleibt. Dies diene dazu, das
Irreduzibelste unserer Epoche zu denken.129 Dabei sei dem Geschriebenen der Vorzug zu
geben, wie das Wort der différance zeige, da es Unterschiede aufweise, die im mündlichen
Diskurs unerkannt blieben. So könne man dem näher kommen, was keine Identität habe,
womit der Blick auch auf jene geschwenkt werden soll, die aufgrund ihrer Differenz in der
Geschichtsschreibung der Sieger nicht auftauchten und folglich ihrer Stimme beraubt

126
Die Begriffe Poststrukturalismus, Postmoderne und Dekonstruktion werden häufig irrtümlicherweise
synonym verwendet. Hans-Peter Schütt differenziert die Begriffe wie folgt auseinander: „Postmoderne
bezeichnet eine kulturgeschichtliche Periode nach der Moderne, deren Beginn meistens in den 60-er Jahren
des 20. Jahrhunderts verortet wird. Poststrukturalismus hingegen bezeichnet meist eine Anzahl von
Philosophen (vor allem Deleuze, Derrida, Foucault, Lyotard, Irigaray) Literaturkritikern (…), Soziologen (…)
und Psychoanalytikern, deren Theorien fast ausschließlich im französischen Sprachraum entstanden. (…) Die
entstandenen Theorien beziehen sich fast alle auf Theoriekonstrukte meist ebenfalls französischer
Strukturalisten (…). Dekonstruktion kann man als spezielle Richtung innerhalb der poststrukturalistischen
Bemühungen sehen, wobei sie neben der Foucaultschen Diskurstheorie die einzige Theorie zu sein scheint, die
bislang konturiert aus der Masse des poststrukturalistischen Denkens herausgehoben und „zur
Anwendung“ gebracht werden konnte.“ Schütt, Hans-Peter: Was ist Dekonstruktion? Akademische
Abschlussarbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium. Abgerufen unter: http://www.christian-
hoffstadt.de/Daten/ma.pdf (18.12.2012).
127
Laclau zitiert in: Nonhoff, Martin: Politische Theorie zwischen Dekonstruktion und Pragmatismus. In:
PostModerne Diskurse zwischen Sprache und Macht. Hg. v. Johannes Angermüller und Martin Nonhoff.
Hamburg/Berlin: Argument Verlag 1999. S.24.
128
Vgl. ebd. S.23-24.
129
Vgl. Derrida, Jacques: La différance (Vortrag vor der Société française de philosophie am. 27.01. 1968. In:
Marges de la Philosophie. Minuit, Paris 1972. S.82

39
wurden – getreu dem Motto: the winner takes it all. So würden Unterschiedlichkeiten
ausgelöscht und Repräsentation unmöglich gemacht. Die différance soll dazu dienen,
Unterschiedlichkeiten wieder zu entdecken, anstatt diese zu eliminieren:

„Was sich différance schreibt, wäre also jene Spielbewegung, welche diese Differenzen,
diese Effekte der Differenz, durch das „produziert“, was nicht einfach Tätigkeit ist. Die
différance, die diese Differenzen hervorbringt, geht ihnen nicht etwa in einer einfachen und
an sich unmodifizierten, in-differenten Gegenwart voraus. Die différance ist der nicht-volle,
nicht-einfache Ursprung der Differenzen (…).“130

Differenzen müssten hierbei sowohl aus der Perspektive der Gegenwart, als auch aus Sicht
früherer und zukünftiger Unterschiede anvisiert werden.131
Die durch Sprache aufgeworfenen Probleme gelte es wahrzunehmen, wenn diese auch nicht
verhindert werden könnten. Vielmehr müsse nach Möglichkeiten gesucht werden, Sprache
als System aufzubrechen. Kritisch zu bewerten sei in diesem Kontext die Wiederholung
durch die eine Benennung des Inkommensurablen unmöglich gemacht werde.132 An dieser
Stelle lässt sich eine Verknüpfung zur subalternen Frau ausmachen. In Diskursen kommen
häufig ähnliche Protagonistinnen zu Wort, womit der Aspekt der Wiederholung gegeben ist.
Durch dieses repetitive Moment wird die Differenz einzelner Betroffener unkenntlich und
das Inkommensurable unsichtbar. Die Anhörung einer ausgewählten Sprecherin, Dhawan
und Varela nennen diese token victim, ist demnach ein ebenso affirmativer Teil der
Diskursbestimmung, wie die Auswahl des Themas.

Sowohl in seiner Schrift „Gesetzeskraft“ als auch in „Grammatologie“ verdeutlicht Derrida,


dass Dekonstruktion als emanzipatorisches Ideal zu begreifen ist und als Anspruch die Dinge
zu ändern und auf eine Weise einzugreifen, die wirksam und verantwortlich ist.133 Die häufig
geäußerte Kritik, dass Dekonstruktion nicht kurz und prägnant definiert werden könne,
retourniert Derrida wie folgt:

130
Nonhoff, Martin: Politische Theorie zwischen Dekonstruktion und Pragmatismus. In: PostModerne Diskurse
zwischen Sprache und Macht. Hg. v. Johannes Angermüller und Martin Nonhoff. Hamburg/Berlin: Argument
Verlag 1999.S.86.
131
Vgl. die Ausführungen zur différance in: Bialluch, Christoph: Das entfremdete Subjekt. Subversive
psychoanalytische Denkanstöße bei Lacan und Derrida. Gießen: Psychosozial-Verlag 2011. S. 373-377.
132
Vgl. Schmidt, Jochen: Vielstimmige Rede vom Unsagbaren. Dekonstruktion, Glaube und Kierkegaards
pseudonyme Literatur. Berlin: de Gruyter 2006. S.49.
133
Derrida, Jacques: Gesetzeskraft. Der „mystische Grund der Autorität“. Frankfurt a.M: Suhrkamp 1996.
S.18-19.

40
„I have no simple and formalizable response to this question. All my essays are attempts to
have it out with this formidable question.”134

Ulrich Weiß bemüht sich um eine Definition des Konzepts. Für ihn leistet Dekonstruktion
Abbauarbeit von innen, wohl wissend um die Unmöglichkeit eines echten Außen. Somit
handele es sich um eine Strategie der Subversion und Destabilisierung gegenüber den
Geltungsansprüchen traditioneller - einschließlich kritischer - Theorien, Disziplinen und
Paradigmen.135
Die Thematisierung gewisser Sachverhalte und Konzepte geht für Derrida immer mit Macht
einher. Der Diskurs der geführt wird, ist demnach auch immer die Ursache für die
Ausgrenzung eines anderen. Dekonstruktivisten achten so stärker auf das, was nicht
angesprochen wird, als auf das, was die tatsächliche Information vermittelt. Die getroffenen
Aussagen in Diskursen geben wiederum Aufschluss über verfolgte Strategien und
favorisierte Weltanschauungen.
In einem Interview sagte Derrida Folgendes über sein Verständnis von Dekonstruktion:

„Es geht in der Dekonstruktion nicht um eine bereits konstituierte Differenz, sondern um eine
reine Bewegung, welche den Unterschied hervorbringt. Man darf den Ausdruck
"Dekonstruktion" nicht im Sinne von Auflösen oder Zerstören verstehen. Gemeint ist das
Analysieren der verfestigten Strukturen, in denen wir denken. (…) Wenn ich eine knappe
Beschreibung der Dekonstruktion geben wollte, würde ich sagen, dass sie das Denken über
den Ursprung und die Grenzen der die gesamte Philosophie dominierenden Frage ist,
nämlich der Frage: "Was ist das?"136

Wie Derrida verdeutlicht, geht es nicht zwangsläufig um die Destruktion von Bestehendem,
sondern vielmehr um die Dekonstruktion von Verfestigtem, das unser oft starres Denken
respektive vorab festgelegtes, tradiertes Wissen dominiert. Anvisiert werde demzufolge die
Prozesshaftigkeit des Dekonstruierens als eine Form von Bewegung in der Abgrenzung zum
Stagnieren in oft fehlerhaften oder mechanisierten Denkmustern. Die ursprüngliche und
essentielle Frage „Was ist das“ darf nicht als geklärt und somit trivial abgekanzelt erscheinen,
sondern muss immer wieder neu zur Disposition gestellt werden. Um relativistische Züge zu

134
Derrida, Jacques: „Letter to a Japanese friend“, Derrida and Différance, ed. David Wood and Robert
Bernasconi, Warwick: Parousia, 1985. S. 4.
135
Vgl. Weiß, Ulrich: Konstruktivismus – Dekonstruktivismus. In Digitale Bibliothek Band 79: Lexikon der
Politik. Hg. von Dieter Nohlen., C.H. Beck 1998. S. 671 ff.
136
Derrida in: Dekonstruktion und Destruktion Gespräche. Hg. v. Michail Ryklin. Aus dem Russischen von
Matthias Neumann und Dirk Uffelmann. Zürich: Diaphanes 2004. Klappentext.

41
vermeiden, gilt es sich zunächst zu verdeutlichen, wie auch schon von Deleuze angeregt,
Dekonstruktion nicht als absolute Theorie zu begreifen, sondern vielmehr als Werkzeug.137
Derrida betont, dass es nicht die Wahrheit gebe, genauso wenig wie die Dekonstruktion, weil
eben diese Verabsolutierung von Konzepten und Rollen dazu führe, dass das Dekonstruieren
erschwert werde.
Vielmehr könnten sich Dekonstruktionen überall vollziehen und seien an lokale und
punktuelle Ereignisse gekoppelt. Immer müssten diese als individuell verstanden werden.
Dekonstruktionsmodelle, die beispielsweise in französischen Diskursen auftauchten,
müssten noch lange keine Relevanz für andere historische, politische oder ideologische
Dekonstruktionsversuche aufweisen. Für jedes Verfahren bedürfe es demnach einer eigenen
Vorgehensweise, wenn auch eine vage Vorstellung der Dekonstruktion vorliege.138
Derrida begegnet in „Der ´mystische Grund der Autorität´“ der Frage danach, ob
Dekonstruktivisten etwas mit Gerechtigkeit zu tun hätten. Diese werde nie konkret adressiert,
was dazu beitrage Bedingungen der Möglichkeiten von Gerechtigkeit zunichte zu machen.
Derridas Ansicht nach nehme Dekonstruktion Gerechtigkeit sehr wohl in den Blick, wenn
auch auf vermittelte, indirekte Weise. Gerechtigkeit könne ohnehin nicht unmittelbar und
direkt thematisiert oder gar objektiviert werden. Man könne in keinem Fall sagen, dies ist
gerecht und jenes ist ungerecht, ohne bereits das Recht zu verraten. Die Dekonstruktion gebe
an dieser Stelle nicht nach, da sie stets die Befragung des Ursprungs, der Grundlagen und der
Grenzen des begrifflichen, theoretischen und normativen Apparates der um die Gerechtigkeit
kreist in Atem hielte. Aus diesem Vorgehen lasse sich vieles ableiten aber sicher nicht die
Neutralisierung des Interesses an Gerechtigkeit.139
Dekonstruktion bietet zusätzlich Ansätze, Geschlechterrollen und Stereotype zu hinterfragen.
Derrida setzt sich in dieser Frage intensiv mit den Gedanken Jacques Lacans auseinander,
der sich auch mit der Bedeutung von Sprache und (geschlechtlicher) Identität beschäftigt.
Von Lacan stammt das Diktum: „Es gibt nicht die Frau“140. Lacan versteht dabei die Frau,
trotz der Erkenntnis diese nicht pauschal darstellen zu können, als per se unterworfen, was
wiederum ein unauflösbares Dilemma sei:

137
Deleuze in: Nonhoff, Martin: Politische Theorie zwischen Dekonstruktion und Pragmatismus. In:
PostModerne Diskurse zwischen Sprache und Macht. Hg. v. Johannes Angermüller und Martin Nonhoff.
Hamburg/Berlin: Argument Verlag 1999. S.32.
138
Vgl. Derrida in: Dekonstruktion und Destruktion Gespräche. Hg. v. Michail Ryklin. Aus dem Russischen
von Matthias Neumann und Dirk Uffelmann. Zürich: Diaphanes 2006. S.19-20.
139
Vgl. Derrida in: Gesetzeskraft. Der „mystische Grund der Autorität“. Frankfurt a.M: Suhrkamp 1991. S.8-9,
21;41.
140
Lacan, Jacques: Séminaire XX: Encore, Paris 1975, S.68. dt.Seminar XX Encore, übersetzt von Norbert
Haas, Vreni Haas und Hans-Joachim Metzger. Weinheim/Berlin: Quadriga-Verlag 1986. S.80.

42
„Weil die Frau nicht hat, was der Mann besitzt - den Penis - und sie damit eine andere ist,
hält das phallische Gesetz des Mannes die Frau durch die Wirkung der Ursprünge stets in
der Position des Signifikanten, ja sogar des Fetisch.“141

Derrida zweifelt dies an, kann sich dem Thema der Geschlechteridentitäten aber nur
annähern, weil er befürchtet, dass sein Intervenieren dazu führt, dass die Karten zum
Nachweis der sexuellen Identität lediglich erneut ausgegeben werden.142
Drucilla Cornell deutet Derridas spezifische Intervention gegen Lacan als die Offenlegung
einer Lüge, nämlich jene der symbolischen Identifizierung des Weiblichen als Wahrheit der
Kastration.
Derrida sieht bei Lacan eine Unerschütterlichkeit der geschlechtlichen Konstruktion
verzeichnet, womit jener selber einer Essentialisierung von Fetischen gerecht werde. Die
symbolische Signifikanz der Frau sei lediglich der Mangel des Phallus. Cornell sieht bei
Derrida die Bemühung, die Regeln eines Phallozentrismus offenzulegen, wenn er auch vor
einer Refigurierung und Remetaphorisierung der Frau zurückschrecke. Derrida erkenne aber
sehr genau die Notwendigkeit, den Referenten Frau zu beschreiben und die Art wie mit
diesem in der Geschichte umgegangen worden sei, wie dieser nämlich im Konkreten Frauen
in die Falle gelockt, unterdrückt und untergeordnet habe. Ein rigides Agieren mit
geschlechtlicher Identität, wie Derrida es bei Lacan vorzufinden meint, sei jedoch immer in
der Vorstellung gefangen, die Wahrheit der Frau zu kennen, ohne zu bemerken, dass es sich
um Fantasien handele. Frauen dürften weder mit Wahrheit noch mit der Abwesenheit von
Wahrheit identifiziert werden.143 Vielmehr müsse sich vor Augen gehalten werden, dass

„die Frau sich nicht einnehmen lässt. In Wahrheit die Frau, lässt die Wahrheit sich nicht
einnehmen. Was sich in Wahrheit nicht einnehmen lässt ist, weiblich, was nicht eilfertig mit
Weiblichkeit (…) und anderen essentialisierenden Fetischen gleichgesetzt werden darf, die
gerade das sind, was man zu fassen vermeint, wenn man in der Albernheit des dogmatischen
Philosophen, des kraftlosen Künstlers oder des Verführers ohne Erfahrung befangen
bleibt.“144

Im Kontext der subalternen Frau und der Fürsprache für diese lässt sich der Dekonstruktion
einiges abgewinnen, sowohl in Bezug auf die Hinterfragung von Sprache und Denkmustern,
als auch bezüglich des Dekonstruierens respektive nicht Festschreiben-Wollens von

141
Lacan zitiert in: Masanek, Nicole: Männliches und Weibliches Schreiben? Zur Konstruktion und Subversion
in der Literatur. Würzburg: Könighausen&Neumann 2005. S.36.
142
Vgl. Derrida, Jacques: Choreographies. In: The Ear oft he Other. Otobiography, Transference, Translation.
Lincoln/London: University of Nebraska Press 1975. S.169.
143
Vgl. hierzu Cornell, Drucilla: Das feministische Bündnis mit der Dekonstruktion. Die dekonstruktive
Allegorie der Frau. In: Dekonstruktiver Feminismus. Literaturwissenschaft in Amerika. Frankfurt a.M.:
Suhrkamp 1992. S. 279-282.
144
Derrida zitiert in ebd. S.286.

43
Geschlechteridentitäten. Rekurrierend auf historisches Unrecht und Wiedergutmachung
stellt sich erneut die Frage, wie die Leerstelle Frau neu kontextualisiert werden kann ohne
erneut in die Falle der Fetische zu tappen.
Im nächsten Unterpunkt wird Spivaks Verständnis von Dekonstruktion Gehör finden, die in
diesem Denkmodell ebenfalls Ansätze gegeben sieht, mit einer männlichen Dominanz zu
brechen.

6.1.1 Dekonstruktion aus (Spivaks) weiblicher Perspektive

„Man könnte eine ganze Sammlung (…) aus Literatur und Philosophie zusammenstellen, um
zu zeigen, wie unauffällig aber folgenreich eine bestimmte Metapher der Frau einen Diskurs
hervorgebracht (…) hat, den wir „historisch“ als den Diskurs des Mannes bezeichnen
müssen. (…) Man könnte dies reformulieren: der Diskurs des Mannes besteht in der
Metapher der Frau.“145

Das Konzept der Dekonstruktion kann wichtige Anhaltspunkte liefern, um die Rolle der Frau
oder vielmehr ihre Verdrängung im Diskurs zu verdeutlichen. Spivak sieht in der Metapher
der Frau die Dominanz des Mannes begründet, was sich historisch nachvollziehen ließe.
Derridas Kritik am Phallozentrismus rekapituliert Spivak so, dass dieser das Patronymische
weiterhin als Aufrechterhaltung des transzendentalen Egos der Dynastie verstehe. Deutlich
werde dies an der historischen Tradition der Rückführung auf den Vater. Es sei dabei das
Vorrecht des Phallus, sich selbst zur souveränen Quelle zu erklären. Hierdurch werde
deutlich, dass es einer Konsolidierung von Referenz und Bedeutung benötige. Spivak fragt
sich diesbezüglich, ob Derrida es ermöglicht, ein Netzwerk von begrifflichen Metaphern zu
generieren, in dem sich niemand die Frau aneignet und sie ebenso wenig verschoben wird.
Als positiv erachtet Spivak, die auf Freud und Nietzsche rekurriert,146 dass Derrida durch
seine Kritik der beiden „Denker“ die Privilegierung des Phallus hinterfrage. Dessen
Aufforderung die irreduzible Verschobenheit eines jeden Menschen zu denken, hält Spivak
für bemerkenswert. Aus dieser Annahme resultiere Derridas Bestreben mit Zentrismen und
binären Oppositionen zu brechen beziehungsweise diese zu verschieben.147

145
Spivak, Gayatri Chakravorty: Verschiebung und der Diskurs der Frau. In: Dekonstruktiver Feminismus.
Literaturwissenschaft in Amerika. Hg. v. Barbara Vinken. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1992. S. 183.
146
Die Bezugnahme auf Freud und Nietzsche kann im Umfang dieser Masterarbeit nur angerissen werden. In
dem Aufsatz „Verschiebung und der Diskurs der Frau“ ist detailliert nachzulesen, wie sowohl Freud als auch
Nietzsche aus Spivaks Sicht zur Affirmation eines Phallozentrismus beitragen.
147
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty ebd. S.183-186.

44
Spivak gibt in ihrem Aufsatz „Verschiebung und Diskurs der Frau“ ihre Meinung zur
Dekonstruktion zu erkennen. Es handele sich dabei um eine erhellende Methode in Bezug
auf die Kritik eines Phallozentrismus. Positiv zu bewerten sei vor allem, dass das Konzept
von Derrida auch keinen hysterazentrischen Gegendiskurs stilisieren wolle und somit einer
schlichten Umkehrung der Verhältnisse widerstehe. Dennoch sei Dekonstruktion auf der
anderen Seite auch als feministische Praxis in der sexuellen Differenz gefangen.148
Spivak sieht es zudem als problematisch an, die Frau mithilfe von Metaphern mit der
Dekonstruktion zu korrelieren, da genau dies wieder dazu führe, diese zu vereinnahmen.
Dennoch könne Dekonstruktion als ernsthafter und authentischer Versuch verstanden
werden, eine Feminisierung der Praxis der Philosophie herbeizuführen. 149

6.2 Das Konzept der Transdifferenz

Das Konzept der Transdifferenz schließt thematisch an die dekonstruktive Denkart an, die in
den vorangegangenen Unterpunkten vorgestellt wurde. Charakteristisch für das Konzept, so
Peter Ackermann, ist das Credo, Differenzen nicht aufheben oder gar transkulturell 150
harmonisieren zu wollen, sondern vielmehr als Spannungen wahrzunehmen, die erfahrbar
sind und einer Vielzahl von Interpretationen Gültigkeit einräumen.151 Ilja Srubar umreißt den
Kern der Transdifferenz, wenn er diese als einen Prozess der Sinnkonstitution versteht, bei
der heterogene Sinnbereiche miteinander relationiert werden ohne Unterschiede oder
Fremdheit aufzuheben.
Als charakteristisch für die Idee der Transdifferenz kann somit angesehen werden, dass das
Auftreten unterschiedlicher Semantiken, Sinn-Komponenten und Zugehörigkeiten nicht als
unlösbares Problem beziehungsweise zu lösendes Dilemma wahrgenommen wird, sondern

148
Vgl. Spivak, Gayatri Chakravorty: Verschiebung und der Diskurs der Frau. In: Dekonstruktiver Feminismus.
Literaturwissenschaft in Amerika. Hg. v. Barbara Vinken. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1992. S.204.
149
Vgl. Kommentar von Babka, Anna zu dem Text: Verschiebung und der Diskurs der Frau. In:
Dekonstruktiver Feminismus. Literaturwissenschaft in Amerika. Hg. v. Barbara Vinken. Frankfurt a.M.:
Suhrkamp 1992. Abgerufen unter http://differenzen.univie.ac.at/bibliografie_literatursuche.php?sp=716 .
Forum für Differenz- und Genderforschung. (07.01.2013).
150
Die Begriffe der Transkulturalität und Transdifferenz werden häufig zusammen verwendet. Transkulturalität
nimmt als Konzept vor allem die Auflösung alter und die Entstehung neuer kultureller Differenzen in den Blick.
Vgl. hierzu Näcke-Allolio,Lars, Kalscheuer, Britta: Bausteine zu einer Kulturtheorie der Transdifferenz.
Resümee und Ausblick In: Differenz anders denken. Bausteine zu einer Kulturtheorie der Transdifferenz.
Frankfurt/New York: Campus Verlag 2005. S.445.
151
Vgl. Ackermann, Peter: Transkulturalität und Pädagogik: Grundsatzüberlegungen zur Entwicklung eines
kommunikativen deutsch-japanischen Austauschs. In: Transkulturalität und Pädagogik. Interdisziplinäre
Annäherungen an ein kulturwissenschaftliches Konzept und seine pädagogische Relevanz. Hg. v. Michael
Göhlich (u.a). Weinheim/München: Juventa Verlag 2006. S.80.

45
als eine spannungsreiche Kopräsenz eben dieser gegensätzlichen Systeme. Transdifferenz
zielt vielmehr auf die

„Untersuchung von Momenten der Ungewissheit, der Unentscheidbarkeit und des


Widerspruchs, die in Differenzkonstruktionen auf der Basis binärer Ordnungslogik
ausgeblendet werden.“ 152

Aus dieser Definition lässt sich eine Gleichzeitigkeit in Bezug auf Sinnkonstitutionen
ableiten, die auf mehrere Sinnwelten rekurriert, woraus sich wiederum eine zeitliche
Transitivität für diese ergibt. Die entstandenen Sinnkonstruktionen sollen demnach weder als
stabil noch irreversibel betrachtet werden, sondern sind vielmehr vorübergehender Natur. Es
handele sich, so Srubar, um Zeitkonstrukte und nicht um Substanzen. Die nicht zu
eliminierende Fremdheit führe dazu, dass mit Ungewissheit, Unentscheidbarkeit und
Widersprüchlichem umzugehen sei, was sich sowohl in Form von subjektiver Sinn- und
Identitätsbildung zeige, als auch im intra- und interkulturellen Kommunikationsgeschehen.
„Kultur“ und „Kulturvorstellungen“ müssen als Produkt dieser Konstitutionen zwangsläufig
erodieren, da Kultur nicht mehr als ein dauerhaftes Gebilde betrachtet wird, sondern als
Vielzahl sinnkonstituierender Praktiken.153
Matthias Hildebrandt sieht im Begriff der Transdifferenz eine Sichtbarmachung jener Zonen
gegeben, die unbestimmt sind und deren Kommunikation nicht zu einer Assimilation,
Synthese oder Auflösung, sondern vielmehr zu einem permanenten Austausch und einem
Wandlungsprozess von Kulturen führen sollte.154
Durch Dekonstruktion soll eine Hinterfragung überlieferter Gedankengänge,
Handlungsmuster und Sprachmechanismen angestoßen werden. Anschließend daran macht
es sich das Konzept der Transdifferenz zur Aufgabe, das sichtbar zu machen, „was sich einer
Sinnkonstitution entzieht, die sich auf ein ausschließlich binäres System begründet“155.
Sowohl Dekonstruktion als auch Transdifferenz betonen den prozesshaften und zeitlich
begrenzten Charakter der Erschaffung von Identität und Differenz und erwehren sich der
Festschreibung binärer Differenzen. Differenzen sollen demnach in beiden Denkmodellen
als Ordnungskategorie beibehalten werden, um auf diese eingehen zu können. Das

152
Lösch zitiert in: Srubar, Ilja: Transdifferenz, Kulturhermeneutik und alltägliches Übersetzen. Die
soziologische Perspektive. In: Zur Unüberwindbarkeit kultureller Differenz. Grundlagentheoretische
Reflexionen. Hg. v. Jochen Dreher und Peter Stegmaier. Bielefeld: transcript Verlag 2007. S. 43.
153
Vgl. ebd. S. 43-44.
154
Vgl. Hildebrandt, Mathias: Von der Transkulturalität zur Transdifferenz. In: Differenz anders denken.
Bausteine zu einer Kulturtheorie der Transdifferenz. Frankfurt/New York: Campus Verlag 2005. S. 351.
155
Breinig und Lösch zitiert in: Klawitter, Arne, Ostheimer, Michael: Literaturtheorie. Ansätze und
Anwendungen. Göttingen: V&R 2008. S. 205.

46
ursprüngliche Differenzdenken, so Britta Saal, ist jedoch von einer binären
Oppositionsstruktur gekennzeichnet. Durch die Transdifferenz soll das „in dichotomen
Differenzmarkierungen Ausgeschlossene“156 sichtbar gemacht werden.157

6.3 Kapitel-Zusammenfassung

Die Dekonstruktion bietet als Werkzeug wichtige Ansatzpunkte, sowohl Diskurs-Logiken,


als auch Geschlechterstereotype zu hinterfragen und zu dekonstruieren. Gerade im
postkolonialen und feministischen Kontext erscheint es wichtig, mit Pfadabhängigkeiten zu
brechen aber auch Differenzen nicht als dauerhafte Gebilde festzuschreiben, sondern
vielmehr permanent dialogisch zu betrachten. Spivak sieht in Derridas Konzept die
Möglichkeit, einen Phallozentrismus offenzulegen und zu hinterfragen, ohne zwangsläufig
einen übermächtigen Gegendiskurs der Frau zu installieren.
Das Denken der Transdifferenz fügt sich gedanklich in das Muster der Dekonstruktion ein,
wenn es dafür plädiert, Differenzen als Spannungen wahrzunehmen und zu akzeptieren.
Wichtig sei es, ein System von Kopräsenzen zu gestalten, bei dem Unterschiedlichkeiten
nebeneinander existieren könnten und Widersprüche dazu gehörten. Darüber hinaus sieht das
Konzept Differenzen als transitive Gebilde an und möchte mit binären Gedankensystemen
brechen, da genau diese zu einer permanenten Festschreibung von Attributen führten.

156
Lösch zitiert in: Saal, Britta: Zur Begrifflichkeit von Transkulturalität. In: Transkulturelle Genderforschung.
Ein Studienbuch zum Verhältnis von Kultur und Geschlecht. Hg. v. Michiko Mae und Britta Saal. Wiesbaden:
VS Verlag 2007. S. 32.
157
Vgl. ebd. S. 32.

47
7. Was die mediale Darstellung der (subalternen) Frau bewirkt – eine Medienkritik

7.1 Geschlechterdarstellungen in den Nachrichten

Bisher ist in den vorgestellten Gliederungspunkten die Dominanz westlicher


Wissensproduktion aus Sicht postkolonial-feministischer respektive poststrukturalistischer
Studien beleuchtet worden. Neben der Wissenschaft stellen aber gerade die Medien und mit
Ihnen politische Nachrichtensendungen einen Großteil der politischen Kommunikation dar,
sowohl national als auch international. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Frauen im
Bereich des Politischen nach wie vor marginalisiert werden.
Im Folgenden wird es daher um die Rolle von Medien bezüglich der internationalen
Repräsentation von Frauen gehen, sowie um die These, dass Frauenrechte zuweilen zur
Kriegslegitimation avancieren. Abschließend widmet sich das Kapitel auch der stereotypen,
medialen Darstellung subalterner Frauen.
Medien und durch Medien vermittelte Inhalte sind Teil unseres täglichen Lebens. Sei es in
Form des Fernsehens, Internets, in Tageszeitungen, dem Radio oder Ähnlichem.
Geschehnisse aus der ganzen Welt werden häufig innerhalb weniger Minuten zu uns nach
Hause transportiert oder aber auch nicht. Aber warum erreichen uns manche Meldungen,
während andere eher in der Peripherie verschwinden?
Zunächst einmal ist offensichtlich, dass Nachrichten von Menschen zusammengestellt
werden und somit auch einem gewissen Konstruktionsprozess unterliegen. Medial
Vermitteltes ist also immer auch Konstruiertes. Dabei werden Themen nach
wahrgenommener Relevanz aufgegriffen, komprimiert und meistens zumindest auch
ansatzweise interpretiert.
Birgit Wolf spricht Medien eine machtvolle und wirkungsmächtige Position zu, sowohl in
Bezug auf die Auswahl von Themen, als auch deren letztendlichen Codierung. So könnten
diese die Marginalisierung und Stereotypisierung von Gruppen forcieren oder aufbrechen.
Auch am Prozess des doing-gender seien sie somit maßgeblich beteiligt. Frauenbewegungen
der 1970-er Jahre appellierten mehrfach, diese Bedeutung der Medien in Bezug auf die
Darstellung von Geschlecht wahrzunehmen und forderten Regierungen auf, Maßnahmen
bezüglich der Geschlechterperspektiven in den Medien zu ergreifen, da eine starke Tendenz
zur Unterrepräsentation, Diskriminierung und letztlich auch Marginalisierung von Frauen in
Medienberichterstattungen festgestellt wurde.

48
In Form des so genannten Global Media Monitoring Project (GMMP) wurde beispielsweise
die quantitative Repräsentation von Frauen und Männern als Nachrichtensubjekte in 71
Ländern erhoben. 158 Vielfältige empirische Studien kamen zu dem Resümee, dass Frauen
im Vergleich zu Männern noch immer eine sehr geringe Repräsentation zukommt. Der
Frauenanteil in der Nachrichtenberichterstattung läge bei etwa einem Fünftel, woraus
geschlossen werden könne, dass Geschlechterungleichheit durch diese Codierung
aufrechterhalten und reproduziert werde.159
Diese marginalisierende Repräsentation betrifft zwangsläufig und eventuell sogar in
stärkerem Maße die subalterne Frau des globalen Südens. Die Frage danach, ob die
Subalterne sprechen kann, verlagert sich zeitgleich auch in den Raum der medialen
Berichterstattung. Wird über Missstände berichtet und kommen Betroffene zu Wort oder
wird national wie international eher das Bild der Inderin beziehungsweise Subalternen
dargestellt, das Figueira als exotisch und unverständlich beschreibt (s.3.1)?
Die Auswertung internationaler Media-Monitoring-Ergebnisse zeigt, dass Frauen als
Subjekte der Hauptnachrichten am häufigsten in Nordamerika und im pazifischen Raum
(26%) auftauchen, gefolgt von den karibischen Ländern (25%). Europa liegt im Mittelfeld,
während der Mittlere Osten bei einem geringen Wert stagniert (15%). Afrika bewegt sich
ebenfalls im Mittelfeld.
Generell lässt sich feststellen, dass so genannte „harte“ Ressorts respektive Themen nur
einen Frauenanteil von 14%, in Wirtschaftberichten von 20%, ausmachen, was aufhorchen
lässt, weil diese den größten Raum in der Nachrichtenberichterstattung einnehmen. In
„weichen“ Themenfeldern (z.B. Klatschgeschichten, Kunstberichte) ließen sich hingegen
wesentlich höhere Frauenanteile messen (28%). Irene Nervela spricht hier von einer
Trivialisierung und Annullierung der Welt der Frauen seitens der Medien. Dabei ist
Annullierung als Synonym für Nichtbeachtung zu verstehen. Frauen seien gemessen an
gesellschaftlichen Bedingungen und Bevölkerungsanteilen unterrepräsentiert. Als Paradox
erscheine hier auch die Tatsache, dass die Marktlogik nicht ohne den Themenkomplex der
Emanzipation auskomme und gewisse Modifikationen zu erkennen seien, was dennoch aber
nicht dazu führe, dass Frauen weniger sexualisiert und warenförmig dargeboten würden.
Diese Darstellungen der Frau unterstützten die Mythenbildung und somit die Affirmation

158
In den Jahren 1995, 2000 und 2005 wurden die Stichproben in 71 Ländern erhoben. Die letzte Durchführung
des Projekts im Jahre 2010 wird im späteren Verlauf des Kapitels noch aufgegriffen. 2010 wurde bereits in 76
Ländern mithilfe des GMMP die mediale Repräsentation der Geschlechter analysiert.
159
Vgl. Wolf, Birgit: Geschlechterdarstellung in den Nachrichten: Monitoring, Quoten und Befunde. In:
Medien-Politik-Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: VS
2008. S. 66.

49
von Geschlechterstereotypen und Dualismen, was sich sowohl an latenten als auch
manifesten medialen Botschaften erkennen lasse. 160
Experten in Nachrichtensendungen sind mit einem Prozentanteil von 83% in den meisten
Fällen männlich, während persönliche Meinungen und Stellungnahmen von Betroffenen
häufig weiblich sind (31%). In der lokalen Berichterstattung sind Frauen weit präsenter als
in der nationalen oder internationalen. Wolf stellt hier Praxen der Selektion von
Nachrichtensubjekten fest, die sowohl das doing-gender Prinzip verdeutlichten, als auch
einer Trivialisierung der Frau bestärkend gegenüber stehen, was wiederum eine männliche
Dominanzkultur begünstige. Brigitte Armbruster hält dies für eine strukturelle
Benachteiligung der Frau, die aus dem Geschlechterdualismus hervorgehe. Dies zeige sich
an der Nichtexistenz der Frau im Zeichensystem:

„Die Perspektive von Männern bestimmt nicht nur die Sprache, sie bestimmt auch die
Medienproduktion. Dies betrifft sowohl die politisch Handelnden wie die Medienproduzenten.
Frauen sind in diesem perspektivischen System der Öffentlichkeit und der Medien wie auch
im perspektivischen System von Sprache, von Kunst und Kultur nur implizit enthalten; im
Terminus der Diskurstheorie ist die Frau im Zeichensystem des Patriarchats nur
„eingeschrieben“, nur symbolisch repräsentiert. Ihr Wesen wird nur aus der Sicht des
Mannes beschrieben.“161

Das Thema Gleichberechtigung mache nur lediglich 4% der Nachrichten aus, wenn es
jedoch aufgegriffen werde, dann vermehrt im Kontext von Menschenrechten,
Familienbeziehungen und Aktivismus von Frauen. Trotz der Maßnahme des Gender
Mainstreaming und Budgeting seitens der EU und UNO kommt dem Thema
Gleichberechtigung ein äußerst geringer Anteil in der internationalen Berichterstattung zu
(Politik 3%; Wirtschaft 1%).162
Im Jahre 2010 wurde das bisher vierte und letzte Global Media Monitoring Projekt
durchgeführt. Auch die hier ermittelten quantitativen Repräsentationen von Frauen lagen mit
23 % national (in Bezug auf Deutschland) und 24 % international erschreckend niedrig. Es
ist auf beiden Ebenen nur eine Verbesserung von rund einem Prozent festgestellt worden. In

160
Nervela, Irene zitiert in: Luca, Renate: Medien und weibliche Identitätsbildung. Körper, Sexualität und
Begehren in Selbst- und Fremdbildern junger Frauen. Frankfurt a.M./New York: Campus Verlag 1998. S.35-38.
Zusätzliche die Seiten 40-41 ( vgl. auch Rolf Haubl „manifeste und latente Botschaften/Mythenbildung“)
161
Armbruster, Brigitte: Weiblicher Blick. Frauenfilme und die Suche nach Identität. In: Was Medien aus
Frauen machen: Weibs-Bilder. Hg. v. Dieter R. Bauer und Birgit Volk. Rottenburg/Stuttgart: Akademie der
Diözese Rottenburg-Stuttgart 1990. S.21.
162
Die Informationen entstammen den Ergebnissen des Global Media Monitoring Project aus den Jahren 1995,
2000 und 2005. Vgl. Wolf, Birgit: Geschlechterdarstellung in den Nachrichten: Monitoring, Quoten und
Befunde. In: Medien-Politik-Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung.
Wiesbaden: VS 2008. S. 66-70.

50
diese wie auch die vorherigen Erhebungen flossen rund 13.000 Nachrichten aus Zeitungen,
Hörfunk- und Fernsehsendungen in 76 Ländern ein.163
Aus diesen mittlerweile nicht mehr ganz aktuellen Zahlen lässt sich zumindest erahnen, dass
Politik noch immer ein männlich konnotiertes Terrain zu sein scheint, in dem Frauen eher in
der marginalisierten oder Statistenrolle auftauchen und das innerhalb von 71 respektive 76
verschiedenen Ländern. Wenn auch ein weltweit real ansteigender Frauenanteil in Politik
und Wirtschaft zu verbuchen ist, so sind Frauen dennoch nicht präsenter in der medialen
Berichterstattung. Jutta Röser spricht hier von einer Bevorzugung männlicher Akteure in
Bezug auf den Nachrichtenfaktor.164
Wolf konstatiert letztlich, dass die Unterrepräsentation von Frauen in den letzten 30 Jahren
nur leicht verbessert wurde. Sie fordert eine weitere Decodierung von
Geschlechterkonstruktionen, ebenso wie eine weitgehende Kritik am Androzentrismus
seitens der Medien. Darüber hinaus appelliert Wolf, sich dem poststrukturalistischen
beziehungsweise postmodernen Ansatz zu verschreiben, der keine starren
Geschlechteridentitäten anvisiere, sondern vielmehr auf dahinter stehende Bedeutungsfelder
verweise.165
Armbruster gibt darüber hinaus zu bedenken, dass die symbolische Ordnung, das sprachliche
System und auch die Medien sich im Patriarchat über den Ausschluss der Frau konstituieren.
Die vom Mann beschriebene Frau erstarre zum stummen Bild und bleibe so ohne Sprache
und folglich auch ohne Identität.166
In Bezug auf die Rolle und Repräsentation subalterner Frauen lässt sich somit festhalten,
dass diese nicht nur in der wissenschaftlichen Kommunikation eher an der Peripherie
auftauchen, sondern dass Selbiges auch für die mediale Berichterstattung und Inszenierung
von Politik gilt. Wenn es sich hierbei auch nicht um ein genuines Problem des globalen
Südens handelt, da auch im Norden Frauen massiv unterrepräsentiert sind, so erschwert es
Subalternen doch, ihre Lebenswelt darzustellen, sich politisch zu positionieren und als
mündig wahrgenommen zu werden. Die These ließe sich hier auch insofern erweitern, als
dass Frauen in westlichen Sphären ebenfalls als subaltern in Bezug auf ihre politische

163
Der aktuellste Stand des GMMP ist online einsehbar und stammt aus dem Jahr 2010. 2012 haben neue
Stichproben begonnen: http://www.journalistinnen.de/projekte/monitoring.html; Bonn 05.03. 2010. Abgerufen
am 01.12.2012.
164
Röser zitiert in: Wolf, Birgit: Geschlechterdarstellung in den Nachrichten: Monitoring, Quoten und Befunde.
In: Medien-Politik-Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden:
VS 2008. S.76.
165
Vgl. ebd.
166
Vgl. Armbruster, Brigitte: Weiblicher Blick. Frauenfilme und die Suche nach Identität. In: Was Medien aus
Frauen machen: Weibs-Bilder. Hg. v. Dieter R. Bauer und Birgit Volk. Rottenburg/Stuttgart: Akademie der
Diözese Rottenburg-Stuttgart 1990. S.22.

51
Wahrnehmung und Inszenierung begriffen werden können. Die von Spivak skizzierte
Fragestellung „Can the Subaltern speak?“ scheint genau hierin eine Beantwortung zu finden,
als dass der Geschlechterdualismus und das doing-gender seitens der medialen
Berichterstattung einen großen Teil dazu beitragen, dass Frauen subaltern werden und
bleiben.

7.2 Die Instrumentalisierung von Frauenrechten

Was für Bilder sind in westlichen Diskursen oder Medienberichten präsent, wenn es um das
Thema Frauenrechte geht? Vielleicht sehen wir verschleierte Frauen in Afghanistan vor
unserem inneren Auge oder auch in der medialen Berichterstattung?
Elisabeth Klaus und Susanne Kassel befassen sich in ihrem Aufsatz Frauenrechte als
Kriegslegitimation in den Medien mit dem komplexen Verhältnis von Medien, Krieg und
Geschlecht. Die drei Dimensionen stehen in einem besonderen Interaktionszusammenhang
und sind miteinander verschränkt. Bei genauerer Betrachtung der Trias Geschlechter-,
Kriegs- und Medienlogik wird deutlich, wie diese zu einer Manifestierung von Subalternität
führen können.167
Zum einen stellt sich die Frage, wie Geschlecht im Kontext von Krieg thematisiert und
dargestellt wird und welche Konsequenzen diese erzeugten Bilder und Konstruktionen für
das Geschlechterverhältnis auch über Kriegszeiten hinaus haben. Klaus und Kassel sehen
eine deutliche Stereotypisierung der Geschlechter in Kriegszeiten. Dies geschehe durch die
Kopplung der Geschlechter an Konzepte, wie auch Attribute. Frauen würden so prinzipiell in
der Opferrolle gesehen und mit Zuschreibungen, wie wehrlos, schwach und passiv in
Verbindung gebracht, während die männliche Rolle die des aggressiven, starken und
zuweilen tapferen Kriegsherren respektive Soldaten sei. Dies führe auch dazu, dass die
Opfer häufig umgehend in den Kontext der Verletzung von Frauenrechten eingeordnet
würden, was sich am Beispiel Afghanistans oder auch Bosniens nachvollziehen ließe. Die
von Medien in Kriegszeiten bediente Geschlechterlogik ist demnach strikt in Täter und
Opfer, beziehungsweise (aktiv) Handelnde und (passiv) Betroffene unterteilt. Frauen werden

167
Vgl. Klaus, Elisabeth; Kassel, Susanne: Frauenrechte als Kriegslegitimation in den Medien. In: Medien-
Politik-Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: VS 2008.
S.266-267.

52
kaum als Agitatoren wahrgenommen. 168 Franziska Martinsen und Tanja Hitzel-Cassagnes
verweisen hier auf eine Zunahme der Fälle, in denen Frauen tatsächlich als Kombattantinnen
auftreten, sodass der Opferstatus ihnen keineswegs per se gerecht werde.169
Neben dieser Geschlechterlogik stellen Klaus und Kassel auch eine Kriegslogik seitens der
medialen Berichterstattung fest, die daran erkennbar sei, dass das Prinzip des Othering sich
in Kriegszeiten vermehrt beobachten lasse. So werde der Westen als Hort der Aufklärung
illustriert und eine Art Krieg der Welten skizziert. In dieser binären Optik von Barbaren und
Zivilisation scheint folglich der Handlungsimperativ für den Westen impliziert zu sein.
Als dritte Komponente neben einer so genannten Geschlechter- und Kriegslogik machen
Klaus und Kassel eine Medienlogik aus. Diese generiere sich zunächst einmal durch einen
massiven Qualitätsverlust in Kriegszeiten, da gewisse Standards in Bezug auf die
Qualitätssicherung der Berichterstattung unterlaufen würden und zudem das Credo: „bad
news is good news“ gelte.170 Thomas Dominikowski legt die Vermutung nahe, Medien seien
„strukturell militarisierbar“171.
Aus dem Dreischritt der Kriegs-, Medien und Geschlechterlogik ergibt sich eine für die
Wahrnehmung von Frauenrechten nachteilige Berichterstattung. Das Bild der subalternen
Frau als schwach und exotisch kann auf dem Nährboden der Geschlechter- wie auch
Kriegslogik gedeihen, während die Medienlogik mit der Vernachlässigung gängiger
Qualitätsstandards in Kriegszeiten zur Militarisierung der Medien und somit auch der
Öffentlichkeit beiträgt.
Klaus und Kassel erläutern die beschriebene Symbiose der Logiken am Beispiel des
Afghanistankrieges. Seit 1995 habe sich die Situation für afghanische Frauen kontinuierlich
und auf dramatische Weise verschlechtert, worüber aber in der internationalen Presse kaum
berichtet worden sei. Erst nach dem 11. September seien die Missstände in Bezug auf
Frauenrechte von westlichen Medien thematisiert worden. Dies erwecke den Eindruck, als
würden Frauenrechte als Kriegslegitimation herangezogen.172
Zudem machen Klaus und Kassel eine ikonografische PR-Vorgehensweise aus. Im
Mittelpunkt dieser Inszenierung stehe demnach die Burka, die als Zeichen für die
168
Vgl. Klaus, Elisabeth; Kassel, Susanne: Frauenrechte als Kriegslegitimation in den Medien. In: Medien-
Politik-Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: VS 2008.
S.266-267.
169
Vgl. Hitzel-Cassagnes, Tanja, Martinsen, Franziska: Recht auf Wiedergutmachung.
Geschlechtergerechtigkeit und die Bewältigung historischen Unrechts. Unveröffentlichtes Diskussionspapier
(auf Nachfrage). S. 4.
170
Vgl. Klaus, Elisabeth; Kassel, Susanne: ebd. S.269.
171
Dominikowski, Thomas: Massenmedien-Historische Annäherung an eine unfriedliche Symbiose. In: Krieg
als Medienereignis 2. Krisenkommunikation im 21. Jahrhundert. Hg. v. Martin Löffelholz. Wiesbaden: VS
Verlag 2004. S.78-80.
172
Vgl. Klaus, Elisabeth; Kassel, Susanne: ebd. S.275.

53
Rückständigkeit des Islam und der Taliban-Regierungen gedeutet werde. Die Burka-
tragende Frau erscheint so besonders häufig im Kontext des Afghanistankrieges. Auch der
Kontrast einer nicht verschleierten Frau in der Runde mit verschleierten Frauen sei eine
gängige Darstellungsweise seitens der Medien und transportiere die Nachricht der
Befreiung.173
Bei genauerer Betrachtung stellt sich genau an dieser Stelle erneut die Frage: Can the
Subaltern speak? Ähnlich wie beim Sati-Ritual wird hier nicht die Meinung der betroffenen
Subalternen eingeholt, sondern das imperiale Patriarchat drängt darauf, das nationale
abzulösen. Zwischen diesen beiden Positionen erscheint erneut die Leerstelle der
subalternen Frau, in deren Namen gesprochen wird respektive deren Stimme aufgrund der
hegemonialen Funktionsweise des Zuhörens nicht gehört wird. Frauenrechte scheinen in
diesem Fall zu einer Legitimationsstrategie für militärische Interventionen degradiert zu
werden.
Natürlich soll nicht der Versuch Missachtungen von Frauenrechten anzumahnen, verdammt
werden. Vielmehr sollten im Kontext von Missachtungen vielfältige Lösungswege anvisiert
werden. Skeptisch zu betrachten ist zudem, dass sich in vielen Postkonfliktgesellschaften die
Gewaltexposition für Frauen kaum ändert, diese über die Konflikt- und Befriedungsphase
hinaus einem Kontinuum an (sexueller) Gewalt ausgesetzt sind, was frauenrechtlich
174
orientierten Interventions-Legitimationsstrategien keine stärkere Position einbringt.
Kriegerische Interventionen als einzigen Lösungsansatz darzustellen, führt häufig zu eben
jener Instrumentalisierung von Frauenrechten, die Klaus und Kassel in ihren Ausführungen
feststellen.

7.3 Kapitel-Zusammenfassung

In den bisherigen Ausführung zur Rolle der subalternen Frau des globalen Südens mit dem
Fokus auf Indien wurde deutlich, dass das westliche Sendungsbewusstsein in Bezug auf die
Wissensproduktion vermutlich dazu beiträgt, dass häufig für die subalterne Frau gesprochen
wird, ohne dass die Sprechenden ihre Lebensumstände erfassen oder vielmehr

173
Vgl. Klaus, Elisabeth; Kassel, Susanne: Frauenrechte als Kriegslegitimation in den Medien. In: Medien-
Politik-Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: VS 2008.
S.275-276.
174
Vgl. Hitzel-Cassagnes, Tanja, Martinsen, Franziska: Recht auf Wiedergutmachung.
Geschlechtergerechtigkeit und die Bewältigung historischen Unrechts. Unveröffentlichtes Diskussionspapier
(auf Nachfrage). S.6.

54
nachempfinden könnten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die dargestellte Kontroverse zwischen
Spivak, Foucault und Deleuze.
Abseits der akademischen Wissensproduktion lässt sich in der Funktionsweise von Medien
weltweit feststellen, dass Frauen nur am Rande der politischen Berichterstattung auftauchen.
Männer dominieren den Raum des Politischen und Frauen werden häufig als stereotypisch
unpolitisch dargestellt. Zusätzlich wird ein Geschlechterdualismus in Kriegsberichten
forciert, der langfristig dazu beiträgt, dass Frauen als wehrlos und schützenswert angesehen
werden. Frauenrechte, die vermeintlich durch Interventionen geschützt werden sollen,
erfahren so einer Instrumentalisierung, die der Rolle der Frau langfristig abträglich ist, da sie
als passiv und schutzbefohlen wahrgenommen wird. Für Männer ist diese duale Darstellung
ebenso negativ, da diese oft pauschal als Agitatoren oder auch Aggressoren betrachtet
werden

8. Fazit: Die subalterne Frau des globalen Südens – ein Objekt ohne (eigene)
Stimme?

Indiens verachtete Töchter begehren auf – mit Titeln wie diesen beschreiben Medien
derzeit die Situation in Indien. Nach einer Welle brutaler Vergewaltigungen junger Frauen
und dem besonders schweren Schicksal einer jungen Studentin, die in Folge einer
Vergewaltigung ums Leben kam, wurde in vielen Zeitungen von weiblichen
Demonstrantinnen berichtet. Frauen trugen Transparente mit Aufschriften wie „Ensure
Safety for India´s Daughters“ oder „Save Women, Save India“.175
Die Demonstrationen nach den Gewalteskalationen gegen Frauen sind nur die Spitze eines
Eisberges. In kaum einem anderen Land der Erde gelten Frauen so wenig, wie in Indien.
Möchte man umgangssprachlich einen Mann verfluchen, so wird dies häufig mit den Worten
„Möge Dir eine Tochter geboren werden“ getan. Viele Väter fürchten die Geburt von
Töchtern, die es zu verheiraten und mit einer Mitgift zu versorgen gilt.176
Die Rolle der indischen Frau hat sich als Fokus durch diese Hausarbeit gezogen und
dennoch gibt es subalterne Frauen über den gesamten Globus verteilt. In dem Bemühen
Ihnen zu helfen, kommt es häufig zu einem weiteren Dilemma, nämlich dem, dass nur für

175
Vgl. hierzu: Indiens verachtete Töchter begehren auf. Zeit-Online. Abgerufen unter:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-12/indien-vergewaltigung-studentin-protest (26.01.2013).
176
Vgl. hierzu: Nichts schlimmer als ein Mädchen. Zeit-Online. Abgerufen unter:
http://www.zeit.de/1996/04/Nichts_schlimmer_als_ein_Maedchen (26.01.2013).

55
diese oder in ihrem Namen gesprochen wird, wenn auch häufig mit den besten Absichten.
Kann die subalterne Frau Indiens in dem sie umgebenden Geflecht aus männlicher und
kultureller Dominanz ihrer eigenen Stimme den nötigen Nachdruck verleihen, um gehört zu
werden?

Sich der Thematik der subalternen Frau anzunähern bedeutet sich zwischen den Polen
„eigene Grenzen erkennen“ und „eigene Grenzen überschreiten“ zu bewegen. Es heißt
zudem, Anderssein anzuerkennen ohne alles zu dulden und es erfordert die Rolle der
subalternen Frau zu denken, die es eben nicht als pauschales Subjekt, sondern nur
individuell gibt. Die von Gayatri Spivak aufgeworfene Frage, ob die Subalterne sprechen
könne, speist sich aus vielen verschiedenen Themengebieten. Wer ist subaltern und
inwiefern gilt das im Speziellen für die Frau des globalen Südens respektive Indiens?
Welche Rolle spielt westliche Wissensproduktion und Repräsentation in diesem Kontext?
Wie lässt sich die Vereinnahmung der Stimme der Frau deutlich machen und welche Wege
gibt es, Frauen zu stärken ohne sie zu bevormunden oder sich selbst zu überlassen? Welchen
Ansatz kann Dekonstruktion liefern?

Zunächst lässt sich sagen, dass es gesellschaftliche Gruppen gibt, die von anderen
gesellschaftlichen Gruppen dominiert werden. Diesen Sachverhalt hatte Antonio Gramsci
vor Augen als er Subalternität anhand süditalienischer Bauern verdeutlichte. In diesem
Kontext sollte gezeigt werden, dass diesen der Zugang zur Macht fehle, was wiederum auch
an deren fehlendes Klassenbewusstsein gekoppelt sei. Durch die Subaltern Studies Group
wurde der Begriff der Subalterne zu einem Schlagwort der imperialen Geschichtsschreibung,
bei der Großteile der indischen Bevölkerung ausgeklammert wurden. Letztlich versteht
Spivak die Frau Indiens als besonders subaltern, da diese von einem imperialen und
einheimischen Patriarchat unterdrückt wurde und zum Teil immer noch wird. Der Terminus
„subaltern“ behält durch all diese Modifikationsstufen einen kritischen Beigeschmack, den
auch Martin Fuchs anmerkt. Pauschal verwendet erschaffe dieser ein homogenes Subjekt der
Marginalisierten, das in Realität aber nicht bestehe. Auch Spivak warnt davor, eine
homogene subalterne beziehungsweise indische Frau zu erschaffen. Der Begriff der
Subalternität lässt sich somit als eine Art Indikator verstehen, der in sprachlicher Weise auf
gesellschaftlich marginalisierte Gruppen hinweist, er kann jedoch in seiner breit angelegten
Art keine Differenzierung leisten. Wenn von subalternen Frauen im globalen Süden sie Rede
ist, dann kann damit maximal eine gesellschaftliche Unterordnung dieser angedeutet werden.

56
Keineswegs wird dadurch jedoch die Lebenswelt der einzelnen subalternen Frau dargestellt.
Wenn die Frage „Can the Subaltern speak?“ auftaucht, dann impliziert diese nicht, dass alle
Frauen vom Diskurs vereinnahmt werden. Die Subalterne kann es demnach nicht geben auch
wenn Frauen in Indien einen Platz am Rande der Gesellschaft einzunehmen scheinen. An
dieser Stelle ist häufig Kritik an Spivak geübt worden, wie beispielsweise durch Parry, da
Spivak durch die Formulierung ihrer Frage, ob die Subalterne sprechen könne, sowohl eine
Pauschalisierung der Frau zulasse als auch ein Eingeständnis der wirksamen
Marginalisierung mache. Der Begriff der Subalterne alleine kann keine Feinarbeit leisten,
sondern nur eine Art gesellschaftliche Diagnostik darstellen, wenn es darum geht
Hierarchien und Machtstrukturen zu verdeutlichen. Dies gilt es sich stets zu verdeutlichen,
um nicht dem Trugschluss zu erliegen, man könne ein einheitliches subalternes Subjekt zum
Vorschein bringen und es so gleich wieder vereinnahmen.

Als Schlüsselbegriff in Bezug auf die Rolle subalterner Frauen kristallisierte sich in dieser
Hausarbeit die politische Repräsentation heraus. Vor allem ist in dieser Hinsicht die
Mehrdeutigkeit des Begriffes zu erwähnen, der sowohl verweisen als auch stellvertreten
bedeuten kann. Spivak betrachtet es als fatalen Fehler, der mit einem gewissen Machtgestus
versehen sei, wenn Foucault und Deleuze die Repräsentation vorschnell verabschiedeten.
Dieses leichtfertige „zu Grabe tragen“ des Darstellungsmodells zeige wie wenig sich die
Intellektuellen in die Rolle Marginalisierter hineinversetzen könnten. Auch wenn Spivak,
ebenso wie Varela und Dhawan einen Machtmechanismus im Repräsentationsmodell
beheimatet sieht, der Zentrum und Peripherie festlege, hält sie die Vorgehensweise von
Foucault und Deleuze für überstürzt.
Tatsächlich scheint bei Deleuze und Foucault, wie von Spivak attestiert, ein undifferenzierter
Repräsentationsbegriff Einzug gehalten zu haben. Dieser fällt insofern hinter Marx zurück,
als dass er den Willen sich zu vertreten mit der Möglichkeit dies auch realistisch zu tun
gleichsetzt. In einer emanzipatorisch anmutenden Geste sprechen die französischen
Intellektuellen davon, Repräsentation durch Aktion zu ersetzen, da Repräsentation längst
überflüssig geworden sei. Diejenigen, die handelten und kämpften hörten auf repräsentiert zu
werden.
Wie Marx am Beispiel der französischen Parzellenbauern verdeutlich, benötigt eine
politische Repräsentation jedoch zwingend die Ausformung eines Klassenbewusstseins. Die
Bauern hätten dieses nicht gehabt und somit in Louis Bonaparte den Repräsentanten für sich
erkannt, der jedoch ihren Interessen zuwider handelte. Um sich politisch vertreten und nicht

57
nur darstellen zu können, bedarf es demzufolge einer Bewusstwerdung und eines
Lernprozesses,

„damit aus einer Klasse für sich, die durch Situationsgleichheit ökonomischer
Existenzbedingungen von Menschen gekennzeichnet ist, eine Klasse an sich entstehen kann,
das heißt ein handlungsfähiges Kollektiv.“177

Es ist folglich nicht ausreichend, Repräsentation zu verabschieden und durch Aktion zu


ersetzen, zumal politische Repräsentation in Bezug auf subalterne Frauen mit einer
doppelten Last zu kämpfen hat, die sich sowohl in der kolonialen Herrschaft und der
patriarchalen Dominanz äußert, als auch in einer Gegen-Geschichtsschreibung, die sich
wiederum auf aufständische Männer konzentriert.178
Demzufolge ist Aktion für subalterne Frauen sicher ein probates Mittel, letztlich aber nicht
ausreichend um ein Klassenbewusstsein zu forcieren, das geschlossen und einheitlich nach
außen getragen werden kann. Spivak sieht es als Aufwertung der Marginalisierungserfahren
subalterner Frauen, wenn man diesen zuspreche, sie könnten sich politisch vertreten wie alle
anderen. An dieser Stelle entfaltet das Marxsche Diktum: „Sie können sich nicht vertreten,
sie müssen vertreten werden“ eine starke Wirkung, da es auf dieses fehlende, kollektive
Bewusstsein verweist.
Ein weiteres Dilemma in Bezug auf politische Repräsentation Subalterner äußert sich darin,
dass westliche und postkoloniale Intellektuelle nicht nur in der Rolle des Bevollmächtigten
für diese auftreten, sondern fatalerweise auch ein Bild der Marginalisierten generieren, dass
den vielfachen Differenzen und der allgemeinen Heterogenität subalterner Frauen in keinem
Fall gerecht werden kann. Der westliche Diskurs als solcher wird von einem schemenhaften
Bild Subalterner überlagert, das bei genauerem Betrachten die Betroffenen nicht abzubilden
vermag und diesen langfristig insofern schadet, als dass es ihnen eine Opferrolle oder
ähnliches zuschreibt.
Für einen postkolonialen Feminismus muss demzufolge eine zweifache Zielsetzung anvisiert
werden. Zum einen gilt es weibliche Subjektivität und Handlungsfähigkeit in einem von
Kolonialismus, Imperialismus und Patriarchat geprägten Gesellschaftssystem wie dem
indischen wiederzuentdecken und stärker zu fördern. Zum anderen müssen Schritte
eingeleitet werden, um die Subalterne aus dem mächtigen Wissens- und

177
Löw, Christine: Frauen aus der Dritten Welt und Erkenntniskritik? Die postkolonialen Untersuchungen von
Gayatri C. Spivak zu Globalisierung und Theorieproduktion. Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2009. S.
105.
178
Vgl. ebd. S.106

58
Repräsentationssystem auszutragen und in einer mündigen und selbstverantwortlichen Form
179
neu einzutragen. Das bloße Plädieren für Aktion greift an dieser Stelle zu kurz und
skizziert abermals das Bild westlicher Intellektueller, die in ihrer privilegierten Lebenswelt
die Schwierigkeiten eines durch Kolonialismus gezeichneten Gesellschaftssystem
unterschätzen und dieses undifferenziert mit westlichen Gesellschaftsmodellen gleichsetzen,
wodurch letztlich auch wieder eine Vereinnahmung der Frau praktiziert wird.
Es gilt also in Bezug auf die politische Repräsentation Subalterner zu konstatieren, dass die
Problematisierung des subalternen Subjekts in westlichen Diskursen eine negative Wirkung
für die Betroffenen entwickelt.180 Die Argumentation Varela und Dhawans, Repräsentation
diene nicht der Enthüllung von Wahrheit, sondern der Verschleierung von
Machtverhältnissen weist zusätzlich darauf hin, dass es nicht nur zu einer falschen und
bruchstückhaften Darstellung der Marginalisierten kommt, sondern eben auch zu einer
gewollten Affirmation des „Zentrums“ und zu einer Schwächung der „Peripherie“.181
An dieser Stelle muss erneut kritisch auf die Vereinnahmung der Stimmen subalterner
Frauen durch Spivak selbst aufmerksam gemacht werden. Allein durch die Wahl der
Fragestellung „Can the Subaltern speak?“ läuft diese Gefahr eine schwache subalterne Frau
zu installieren, die erst durch Spivaks Sichtbarmachung der Problematik gehört aber somit
auch wieder vereinnahmt werden könnte.
Vathsala Aithal verweist an dieser Stelle darauf, dass das Primärziel in Bezug auf subalterne
Frauen sein müsse, dass der Diskurs zu einer Selbstverständlichkeit der weiblichen
Subjekthaftigkeit als Ausgangsposition gelange. 182 Nicht der Anerkennungsdiskurs als
solcher müsse vorangetrieben werden, sondern vielmehr sollte eine Ebene höher angesetzt
werden. Als Kategorie fordert Aithal Agency ein, was für sie so viel wie
Handlungskompetenz bedeutet und folgendermaßen definiert wird:

„Agency ist die Fähigkeit der postkolonialen Subjekte, Handlungen zu initiieren, die auf
Engagement und Widerstand gegen lokale, nationale und globale Machtverhältnisse abzielt.
Sie unterscheidet sich insofern von Empowerment183 als diese einer Intervention von außen
(…) nicht bedürfen.“184

179
Vgl. Löw, Christine: Frauen aus der Dritten Welt und Erkenntniskritik? Die postkolonialen Untersuchungen
von Gayatri C. Spivak zu Globalisierung und Theorieproduktion. Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2009.
S.106.
180
Vgl. ebd.
181
Vgl. Kap. 3.2 S.18.
182
Vgl. Aithal, Vathsala: Von den Subalternen lernen? Frauen in Indien im Kampf um Wasser und soziale
Transformation. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2004. S.167.
183
Empowerment heißt wörtlich übersetzt so viel wie Selbstbemächtigung, Stärkung von Autonomie,
Selbstbestimmung und bezeichnet (zusammengefasst), dass Menschen über einen gewissen Zeitraum genügend
Kraft aufbringen, ein Leben zu gestalten, das nach ihren eigenen Maßstäben als „besseres“ definiert werden
kann. Häufig ist hierzu Mithilfe und Unterstützung von außen notwendig, um eine Stärkung von Autonomie zu

59
Wie problematisch und zum Teil tief erschüttert die von Aithal genannte
Selbstverständlichkeit weiblicher Subjekthaftigkeit als Grundvoraussetzung ist, illustriert das
von Spivak dargelegte Beispiel der indischen Witwenverbrennung. Die zu Recht umstrittene
Tradition, die Witwen mit ihren verstorbenen Männern in den „Tod schickte“, offenbart auf
paradoxe Art und Weise genau die Vereinnahmung der subalternen Frau, die dazu führt, dass
es erst wieder zu einem Anerkennungsprozess ihrer Selbstverantwortlichkeit kommen muss.
Zwischen einheimischem und imperialem Patriarchat taucht die Perspektive der indischen
Frau in der Geschichtsschreibung in keiner Form auf. Nicht nur, dass Namen geschwärzt
oder gar nicht erst dokumentiert wurden, die Position der Frau wurde auch von Mann zu
Mann verschoben.
Das Sati-Ritual illustriert sehr stark, wie Frauen in Indien disloziert wurden. Von der Sicht,
die Tradition sei barbarisch hin zu der Perspektive, diese zeichne eine gute Ehefrau aus oder
wie Spivak es nennt „weiße Männer retten braune Frauen vor braunen Männern“. Die
einzige Option des Selbstmordes, die Frauen ohne gesellschaftliche Ächtung zugestanden
wurde, konnte an der Seite des verstorbenen Mannes praktiziert werden, worauf Spivak
zusätzlich den Blick lenken möchte. Letztlich bleibt es irrelevant, ob Frauen dem Ritual
bereitwillig folgten oder ob diese gezwungen wurden, zumindest so lange bis ihre eigene
Position vernehmbar ist und das ist es auch was Spivak vermitteln möchte. Durch die
doppelte Verschiebung der indischen Frau in Bezug auf das Witwenopfer zeigt sich ihre
vermeintliche Schwäche, die auch heute noch dazu führt, dass diese sich ihre Subjektposition
erkämpfen muss. Dass ein Selbstmordritual wie das der Witwenverbrennung der britischen
Kolonialmacht zuwider war, ist sicher nicht der Stein des Anstoßes, vielmehr zeigt sich aber
in diesem gewählten Politikum, wie subalterne Frauen gerade auch in kolonialen und
postkolonialen Gesellschaftssystemen zu Marginalisierten und vor allem Stimmlosen wurden,
weil die hegemoniale Struktur des Zuhörens diesen keinen Raum gibt. Ein weiteres und
aktuelleres Beispiel für diese Art von Positionsvereinnahmung kann in Afghanistan
ausgemacht werden. Wie im Kapitel zur Mediendarstellung von Frauen gezeigt wurde,
diente das Kopftuch der afghanischen Frau für die westliche Berichterstattung häufig als ein
Indiz der Unterdrückung und Rückständigkeit des Taliban-Regimes. Auch in diesem Fall
scheint sich die Kontroverse zwischen westlichen Kräften und Taliban auszutragen, während
die Perspektive der Schleier-tragenden Frau im Diskurs wenig Raum einnimmt. Auch wenn

gewährleisten. Vgl. hierzu: Herringer, Norbert: Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 3.
erweiterte und aktualisierte Ausgabe. Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2006. S.13.
184
Aithal, Vathsala: Von den Subalternen lernen? Frauen in Indien im Kampf um Wasser und soziale
Transformation. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2004. S.169.

60
Spivak ein weiter zurückreichendes Ritual auswählt, um die Objektivierung von Frauen
aufzuzeigen, so lässt sich doch in aktuellen Fällen eine ähnliche Tendenz vernehmen.
Das dargestellte Beispiel kann jedoch auch dazu dienen einen generellen Dualismus
zwischen westlicher und postkolonialer Herangehensweise zu verdeutlichen, den Christine
Sylvester überspitzt beschreibt:

„Entwicklungsforschung tendiert dazu, Subalternen nicht zuzuhören und postkoloniale


Studien tendieren dazu, sich nicht darum zu kümmern, ob die Subalterne zu Essen hat.“185

Ein großes Problem in der Betrachtung der subalternen Frau stellt offensichtlich dar, dass
auf westlicher Seite die materiellen Bedingungen und der Status von Frauen im Vordergrund
zu stehen scheinen, im positiven Sinne auch das Leben als solches, während Postkoloniale
Akteure primär die angestrebte Subjektposition vor Augen haben. Letztlich lassen sich aber
beide Stoßrichtungen eher als Teil einer Symbiose verstehen und weniger als konträr. Nur
wenn Frauen langfristig befähigt werden beziehungsweise selber in der Lage sind ihre
Position zu verdeutlichen und ihre Bedürfnisse zu artikulieren, erst dann können materielle
Probleme auf eigenständige Art und Weise gelöst werden ohne auf die Hilfe anderer
angewiesen zu sein. Andernfalls wird jedes Mal wieder eine Abhängigkeitsbeziehung oder
auch eine Vereinnahmung ermöglicht, welche die Subjektposition gefährdet.
Für die Stärkung der weiblichen Subjektposition ist auch eine veränderte Wahrnehmung von
Differenzstrukturen nötig. In Bezug auf subalterne, postkoloniale Frauen greifen zwei
Differenzmerkmale, die in der Vergangenheit zu ihrer gesellschaftlichen und politischen
Marginalisierung beigetragen haben - der gesellschaftliche und der kulturelle Unterschied.
Doch wie soll nun mit Differenzen umgegangen werden? Sollen sie gestärkt oder relativiert
werden?
Der postkoloniale beziehungsweise poststrukturalistische Diskurs bietet in dieser Hinsicht
selber eine Optik binärer Oppositionen. Einige ForscherInnen stärken das Denken der
Differenz und versuchen auf dem Weg der Identitätsbildung zu einer Wiederaneignung von
Handlungsmacht zu gelangen.

185
Sylvester, Christine zitiert in: Ziai, Aram: Postkoloniale Perspektiven auf „Entwicklung“. In: PERIPHERIE
- Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt. Nr. 120, 30. Jg. 2010, Verlag Westfälisches
Dampfboot, Münster. S. 399.

61
Hierbei handelt es sich um eine kritische Aneignung von Differenz die auf strategischen
Essentialismen basiert. 186 Andere poststrukturalistische Ansätze, wie in Gliederungspunkt
5.1 von Schütze dargestellt, streben eine dezentrierte und aufschiebende, sowie prozesshafte
Denkart an, bei der Identitäts- und Differenzzuschreibungen im Kontext der différance
gedacht werden. 187 Im Vordergrund steht hier vor allem auch der transitive Aspekt von
Differenz:

„Dieser zeitlich-räumliche Prozess der differentiellen Bedeutungszuschreibung eröffnet


Spielräume, in denen Alterität als ambivalente oder widersprüchliche Repräsentation des
Eigenen und die Konstruktion des Anderen somit als unterbewusster Prozess der
Identifikation mit ihm lesbar wird: als ständiger, unerfüllbarer Vorgang der Überschreitung
und Verschiebung, in dem das Begehren (des Anderen) über ein metonymisches Gleiten
entlang einer Signifikantenkette verläuft.“188

Während die VerfechterInnen mit dekonstruktivistischer Lesart von Differenzen das starke
Insistieren auf Unterschiedlichkeiten für kontraproduktiv halten, empfinden VertreterInnen
der kritischen Differenz und Identitätspolitik das dekonstruktivistische Verfahren als
idealistisch und wenig subversiv.
Peter Hallward kritisiert den postkolonialen Hang zur Vernachlässigung des
Gleichheitsaspekts, der durch das Beharren auf Differenz in eine Sackgasse geführt habe.
Durch eine Vielzahl singulärer Subjekte, die allen anderen gegenüber inkommensurabel
erschienen, entstünde eher ein autistisches Universum.189
Tatsächlich liegt die „Wahrheit“ vielleicht zwischen den dargestellten Positionen der
Differenzbetonung und Differenzeinebnung. Die Tendenz, Differenzen stark in den Fokus zu
rücken, ist im Kontext der Postkolonialen Studien sicher auch einem übermächtigen
kolonialen, wie nationalen Patriarchat zuzuschreiben, dass lange Zeit keinerlei Raum für
Unterschiedlichkeit zuließ und somit auch eine starke, teilweise zu starke Einforderung von
Differenz forcierte. Wichtig erscheint es, sowohl in Bezug auf die geschlechtliche als auch
kulturelle Differenz, Disparitäten zuzulassen ohne diese zwangsläufig in einem binären
Oppositionssystem zu verankern. An dieser Stelle ist es sinnvoll, einem durchlässigen und
flexiblem Denken der Differenz den Vorzug zu geben, da genau das starre Betonen

186
Vgl. Feldmann, Doris: Differenzen ohne Ende? Möglichkeiten und Grenzen der Differenzkategorie aus
kultur- und literaturwissenschaftlicher Sicht. In: Identität und Unterschied. Zur Theorie von Kultur, Differenz
und Transdifferenz. Hg. v. Christian Alvarado Leyton und Philipp Erchinger. Bielefeld: transcript Verlag 2010.
S.62.
187
Vgl. ebd.
188
Ebd.
189
Hallward, Peter zitiert in: Steyerl, Hito: Die Gegenwart der Subalternen. In: Spivak, Gayatri C.: Can the
Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Wien: Turia+Kant 2008. S.14.

62
bestimmter Unterschiedlichkeiten ein rigides Differenzsystem erzeugt, durch das letztlich
auch der Diskurs erschwert wird.
Um der subalternen Frau gerecht werden zu können, muss von männlicher Seite anerkannt
werden, dass die Geschlechterdifferenz sich nicht aus einer Perspektive allein erschließen
lässt, sondern wie auch Butler und Irigaray betonen, nur durch Zusammenarbeit ganzheitlich
gedacht werden kann. Auch im Kontext kultureller Differenz gilt es das strukturelle
Nichtverstehen anderer Kulturen zu akzeptieren und anstelle der Festschreibung von
Merkmalen den Dialog zu stärken. Das Credo muss verkürzt lauten: Differenzen: ja, binäre
Oppositionen: nein.
Bezüglich der stigmatisierenden und stereotypischen Zuschreibung von
Geschlechtercharakteristika muss in einem starken Maße auch die weltweite, politische
Berichterstattung in Augenschein genommen werden. Wie in Kapitel 7 dargestellt, werden
Frauen weltweit unterrepräsentiert. Das Global Media Monitoring Project offenbart, wie
sehr Politik als Einzugsgebiet der Mannes verstanden wird, während Frauen als genuin
unpolitisch betrachtet werden. Diese Konstruktion schwächt die Subjektpositionen aller
Frauen, in verstärktem Maße die der subalternen Frau. Kritisch zu bewerten ist auch die
Geschlechterlogik in „Kriegsberichten“, die eine nachhaltige und folgenschwere
Geschlechterdualität hervorbringt, nach der Männer Aggressoren und Frauen Opfer seien.
Diese medial verkürzte Darstellung und Vernachlässigung der weiblichen Perspektive
bewirkt über Krisenzeiten hinaus, dass Frauen nicht als selbstverantwortlich und
„stimmhaft“ wahrgenommen werden und stützten somit die Vorstellung, Frauen bräuchten
einen Repräsentanten, der sich ihrer schwachen Position annimmt. Diese mediale
Marginalisierung der politischen Position der Frau ist ein weltweites Problem, dem es zu
begegnen gilt, wenn die Subjektwerdung der Frau ernsthaft anvisiert werden soll.

Im Hinblick auf die Zielsetzung, Frauen in ihrer Subjektposition zu bestärken stellt sich die
Frage, welchen Beitrag Dekonstruktion leisten kann.
Die von Derrida initiierte Methode kann, wenn sie als Werkzeug verstanden wird, kritischen
Interventionen Raum geben, die sich sowohl gegen Folgen des Kolonialismus als auch gegen
aktuelle globale Politik wenden müssen. Postkolonialer Feminismus und Dekonstruktion
weisen viele Parallele auf. Das Aufspüren von verschwiegenen Annahmen und Strategien ist
ein wichtiger Schritt um überholte und diskriminierende Wahrheitsregime zu sprengen und

63
um mit der Übermacht von Diskursen zu brechen, die Subalternität affirmativ
gegenüberstehen. 190
Dabei unterliegt auch die Derridasche Methode der Gefahr gegenüber dem Status-Quo
bestärkend zu wirken, wenn diese nur schlicht einen Gegendiskurs installiert. Auf diese
Weise würde der dualistischen Logik das Wort geredet. Das Ziel muss jedoch sein
Subalternität zu verringern und nicht bloß zu verschieben. Deswegen muss der Diskurs
ungradlinig verlaufen und zu einer Dezentrierung von Subjekten führen. Spivak geht es in
diesem Kontext vor allem darum, Leerstellen und Begrenzungen der einzelnen Diskurse zu
verdeutlichen, um auf koloniale Spuren zu verweisen und kritisch zu unterbrechen. Dabei
schwebt ihr eine hybride Diskursform vor, die sich durch Verhandlung und Interruption
auszeichnet. Nicht vergessen werde darf aus dekonstruktiver und postkolonial-feministischer
Sicht auch die Kraft machtvoller Bezeichnungen, wie beispielsweise die Wahrheit oder die
Frau. 191 Derrida verweist darauf, dass die Wahrheit ebenso wie die Frau sich nicht
einnehmen lässt.

Was aber bedeuten die gesammelten Erkenntnisse für die Stimmhaftigkeit der subalternen
Frau?

Ein Diskurs über die subalterne Frau bestärkt genau die Tendenz gegen die dieser sich
richten möchte, nämlich die Vereinnahmung, Homogenisierung und fortwährende
Marginalisierung der Frau. Subalterne Frauen haben eigene Stimmen, doch diese müssen
erst noch als aktiver, dauerhafter Part in die Debatten einbezogen werden. Nur wenn von
Angesicht zu Angesicht über Probleme subalterner Frauen gesprochen wird, können diese
eine Subjektposition einnehmen und so den Kräften entsagen, die sie so lange dominiert
haben. Dabei gilt es sich immer die von der Subalternen verkörperte unerreichbare Leere
vor Augen zu führen, die sich nicht einnehmen lässt. Wie schon Derrida sagte, ist und bleibt
„jeder Andere jeder Andere“.

190
Vgl. Varela, Maria, Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld: transcript
Verlag 2005. S.62.
191
Vgl. ebd. S.63.

64
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http://www.zeit.de/1996/04/Nichts_schlimmer_als_ein_Maedchen
(26.01.2013).

Schütt, Hans-Peter: Was ist Dekonstruktion? Akademische Abschlussarbeit zur Erlangung des
Grades eines Magister Artium. Abgerufen unter:

http://www.christian-hoffstadt.de/Daten/ma.pdf
(18.12.2012).

Zeitschriften

Sylvester, Christine zitiert in: Ziai, Aram: Postkoloniale Perspektiven auf „Entwicklung“. In:
PERIPHERIE - Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt. Nr. 120, 30. Jg. 2010,
Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster.

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Selbstständigkeitserklärung

Der Arbeit ist folgende Erklärung beizufügen:

Hiermit versichere ich, dass ich die schriftliche Hausarbeit selbstständig verfasst und
keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen
meiner Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken und Quellen,
einschließlich Quellen aus dem Internet, entnommen sind, habe ich in jedem Fall
unter Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.

( Datum, Unterschrift)

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