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Rudolf'Bernet:''Was'kann'Phänomenologie'heute'bedeuten?

'

Ein$doppeltes$Versäumnis$$!!

Husserls!Bestimmung!des!eigenen!phänomenologischen!Denkens!als!eine!
Transzendentalphilosophie!ist!schon!bald!auf!Widerstand!und!Ablehnung!gestoßen.!Wie!
verschieden!die!Gründe!dafür!bei!den!Göttinger!Schülern,!bei!Scheler!und!Heidegger,!bei!
Sartre!und!MerleauFPonty!auch!gewesen!sein!mögen,!die!Verwerfung!des!Begriffs!eines!
durch!die!phänomenologische!Reduktion!erschlossenen!transzendentalF
konstituierenden!ichlichen!Bewusstseins!sowie!des!sich!daraus!ergebenden!
phänomenologischen!Idealismus!ist!eine!Konstante!der!postFhusserlschen!
Phänomenologie.!Die!nächste!Generation!der!Phänomenologen!hat!sich!dann!–!mit!
einigen!bemerkenswerten!Ausnahmen!–!in!ihrem!defensiven!Bestreben,!die!Aktualität!
von!Husserls!Philosophie!zu!verteidigen,!oftmals!einfach!um!das!Thema!herumgedrückt.!
Diese!Tabuisierung!hat!dann!dazu!geführt,!dass!die!Berechtigung!der!früheren!Kritiken!
an!Husserls!Transzendentalphilosophie!kaum!noch!kritisch!geprüft!wurde!und!dass!auch!
der!Versuch!einer!Beurteilung!der!Relevanz!von!Husserls!Phänomenologie!des!
transzendentalen!Bewusstseins!für!ein!zukünftiges!phänomenologisches!Denken!
weitgehend!unterblieben!ist.!!!!

Die!Folgen!dieses!doppelten!Versäumnisses!drohen!der!Fortsetzung!husserlschen!
Philosophierens!fatal!zu!werden.!Wer!sich!nicht!mit!Husserls!Kerngedanken!der!
eidetischen!und!der!transzendentalFphänomenologischen!Reduktion,!des!
konstituierenden!intentionalen!Bewusstseins!und!des!transzendentalen!Subjekts!sowie!
mit!dem!Status!einer!phänomenologischen!Wesenswissenschaft!auseinandersetzt,!darf!
sich!nicht!anmaßen,!Husserls!Erbschaft!für!sich!in!Anspruch!zu!nehmen.!Eine!solche!
Auseinandersetzung!ist!aber!nur!dann!kritisch,!wenn!sie!nicht!unterstellt,!dass!jede!
Phänomenologie!sich!notwendig!zur!Transzendentalphilosophie!bekennen!muss!und!
dass!eine!zeitgemäße!Transzendentalphilosophie!nur!in!Form!einer!Phänomenologie!
möglich!ist.!!!!

Eine!unphänomenologische.neue.Transzendentalphilosophie!hat!etwa!der!Marburger!
Neukantianismus!entwickelt,!dem!die!ichlichFsubjektiven!Erkenntnisleistungen!als!
notwendige,!logische!Erkenntnisbedingungen,!jedoch!nicht!als!intuitiv!erforschbare!
Phänomene!galten.!Dieser!Auffassung!gemäß!sind!die!Bedingungen!der!Erfahrung!zwar!
die!Bedingungen!der!Erfahrungsgegenstände,!selbst!aber!keine!Gegenstände!von!
Erfahrung!mehr.!!

Einer!phänomenologischen!Transzendentalphilosophie!obliegt!also!die!Aufgabe,!die!
anschauliche!Zugänglichkeit!und!evidente!Gegebenheit!des!subjektiven,!konstituierenden!
Bewusstseins!aufzuweisen.!Dies!ist!die!Aufgabe!der!transzendentalFphänomenologischen!
Reduktion,!welche!sich!also!u.!a.!gegen!eine!rein!logische!Bestimmung!der!
transzendentalen!Erkenntnisleistungen!richtet.!!!Eine!Phänomenologie.ohne.
Transzendentalphilosophie!dagegen!trat!zuerst!in!der!Gestalt!entweder!einer!rein!
deskriptiven!phänomenologischen!Psychologie!oder!einer!existentiellen!Phänomenologie!
auf,!welche!die!Subjektivität!des!konstituierenden!reinen!Bewusstseins!durch!die!
Faktizität!eines!weltF!und!selbsterfahrenden,!leiblichen!Lebensvollzugs!ersetzte.!Auch!
gegen!diese!sich!bereits!zu!seinen!Lebzeiten!abzeichnenden!Strömungen!führte!Husserl!
die!phänomenologischFtranszendentale!Reduktion!ins!Feld,!die!in!diesem!Fall!das!
Abgleiten!der!Transzendentalphilosophie!in!einen!phänomenologischen!Empirismus!bzw.!
„Anthropologismus“!oder!„Naturalismus“!abwehren!sollte.!!!!

Die$Phänomene$der$Phänomenologie$$!!

Was!alle!Phänomenologen!miteinander!verbindet,!ist!ein!Stil!des!Philosophierens,!in!
welchem!nicht!begriffliche!Konstruktionen!und!logisch!konsistente!Argumentation,!
sondern!das!vorurteilslose!Eingehen!auf!„die!Sachen!selbst“!bzw.!deren!anschauliche!
„Erfahrung“!den!Ausschlag!geben.!Nicht!logisch!korrektes!Urteilen,!sondern!der!
sachgerechte!Zugang!zu!den!Phänomenen,!deren!philosophische!Relevanz!und!deren!
sachnaher!sprachlicher!Ausdruck!gelten!der!Phänomenologie!als!das!eigentliche!
Kriterium!von!Wahrheit.!Damit!verbindet!sich!ein!phänomenologischer!Intuitionismus,!
der!weder!dem!Mythos!der!unmittelbaren!Gegebenheit!verfallen!ist!noch!sich!in!seiner!
Berücksichtigung!geschichtlicher,!sprachlicher!und!sozialer!Vermittlung!des!Zugangs!zu!
den!Phänomenen!von!der!Dialektik!ins!Schlepptau!nehmen!lässt.!

!Was!ist!das,!ein!phänomenologisches!Phänomen?!Ein!erster!hilfreicher!Hinweis!ergibt!
sich!schon!aus!der!Beobachtung,!dass!es,!genau!besehen,!keine!naturwissenschaftlichen!
Phänomene!gibt!und!geben!kann.!Die!objektiven!Tatsachen!und!realen!Sachverhalte,!
welche!vom!Physiker!experimentell!beobachtet!und!dann!der!Formulierung!von!
Naturgesetzlichkeiten!zu!Grunde!gelegt!werden,!sind!keine!Phänomene.!Von!einem!
echten!Phänomen!kann!erst!dann!die!Rede!sein,!wenn!etwas!als!das,!was!es!ist!und!so!wie!
es!ist,!d.!h.!seiner!eigenen!Seinsart!entsprechend,!erscheint.!Was!sich!in!einem!Phänomen!
zeigt,!muss!aber!nicht!nur!von!sich!selbst!her!zur!Erscheinung!kommen,!es!muss!auch!
jemandem!hic.et.nunc!erscheinen.!Beides!gehört!notwendig!zusammen,!und!die!Frage,!ob!
die!Selbstgegebenheit!des!Erscheinenden!primär!von!der!Sache!her!verstanden!werden!
muss!oder!von!einem!menschlichen!Verhalten!her,!welches!diese!Selbstgegebenheit!der!
Sache!erst!ermöglicht,!ist!sekundär.!Es!gibt!kein!originäres!Phänomen!ohne!sachliche!
Selbstgegebenheit!und!ohne!einen!Dativ!dieser!Gegebenheit.!Man!kann!mit!Husserl!
diesen!Zusammenhang!als!die!Subjekt<Relativität!der!sachlichen!Selbstgegebenheit!
bezeichnen,!ohne!sich!dabei!schon!auf!einen!bestimmten!Begriff!des!Subjekts!festlegen!zu!
müssen.!Man!kann!des!Weiteren!darauf!hinweisen,!dass!es!auch!Phänomene!gibt,!in!
denen!sich!eine!Sache!vermittels!einer!anderen!Sache!zeigt!sowie!Phänomene,!in!denen!
sich!die!Sache!nur!verstellt!oder!gerade!nicht!so!zeigt,!wie!sie!in!Wahrheit!ist.!!!!

Bevor!die!Phänomenologie!sich!der!Aufgabe!der!näheren!Bestimmung!dieses!
Erscheinens!der!Phänomene,!seiner!Voraussetzungen!und!der!Methode!seiner!
wissenschaftlichen!Erforschung!widmen!kann,!muss!sie!erst!zeigen,!dass!es!solche!
Phänomene!überhaupt!gibt.!Wem!muss!das!gezeigt!werden?!Natürlich!dem!
wissenschaftlichen!Objektivismus,!der!nicht!nur!unsere!Denkweise,!sondern!auch!unser!
natürliches!Leben!beherrscht.!Der!erste!Schritt!zur!Phänomenologie!besteht!also!
notwendigerweise!in!einer!Problematisierung!der!universalen!Geltung!der!Ontologie!des!
wissenschaftlichen!Objektivismus!durch!die!Aufweisung!von!solchen!subjektFrelativen!
Phänomenen,!welche!sich!auch!schon!innerhalb!des!Forschungsgebietes!und!der!
Forschungspraxis!der!Naturwissenschaften!aufdrängen.!Dies!ist!der!Weg,!den!Husserl!in!
der!Krisis.der.europäischen.Wissenschaften!eingeschlagen!hat,!und!dieser!Weg!erscheint!
heute!mehr!denn!je!als!das!einzig!richtige!Vorgehen!einer!beginnenden!Phänomenologie.!
Eine!von!der!apodiktischen!Selbstgegebenheit!des!intentionalen!Bewusstseins!
ausgehende!Phänomenologie,!die!sich!mit!dem!Nachweis!von!dessen!transzendentalF
konstitutiven!Leistungen!sowie!des!sich!daraus!ergebenden!transzendentalen!Idealismus!
begnügt,!kann!im!heutigen!Kontext!philosophischen!Denkens!weniger!denn!je!
überzeugen.!Der!„Abschied!vom!Cartesianismus“!findet!also!statt,!bevor!man!mit!der!
Phänomenologie!überhaupt!erst!richtig!angefangen!hat.!!!!

Obwohl!es!der!Phänomenologie!ausschließlich!an!der!subjektFrelativen!
Gegebenheitsweise!der!Dinge!gelegen!ist,!so!darf!man!sich!aber!nicht!zur!Behauptung!
verleiten!lassen,!es!sei!der!Phänomenologie!vorbehalten,!solche!Phänomene!offen!zu!
legen.!Man!braucht!nämlich!kein!Phänomenologe!zu!sein,!um!die!subjektFrelative!
Bedeutung!des!Personalpronomens!„ich“,!der!okkasionellen!Ausdrücke!„hier“!und!„jetzt“!
oder!der!Farbprädikate!sowie!anderer!so!genannt!„sekundärer!Qualitäten“!einzusehen.!
Es!gibt!also!zwar!keine!objektiven,!aber!durchaus!vor<phänomenologische!Phänomene,!
die!sich!darauf!beziehen,!wie!einem!etwas!erscheint!und!wie!es!in!seinem!Erscheinen!auf!
den!eigenen!subjektiven.Gesichtspunkt!bezogen!ist.!Von!einer!phänomenologischen!
Philosophie!kann!also!erst!dann!die!Rede!sein,!wenn!alle!Dinge,!Sachverhalte!und!
kulturellen!Werke!oder!Institutionen!auf!ihre!subjektFrelative!Gegebenheit!hin!
untersucht!werden.!Sich!im!Umgang!mit!allen!Gegenständen!auf!deren!
Gegebenheitsweise!zu!besinnen!ist!ein!unnatürliches,!reflektierendes!Verhalten,!das!
einer!besonderen!Anstrengung!bzw.!einer!„phänomenologischen!Einstellung“!bedarf.!
Echt!phänomenologische!Phänomene!ergeben!sich!also!erst!aus!der!Entscheidung,!alle!
wirklichen!oder!möglichen!Gegenstände!von!ihrer!subjektiven!Gegebenheitsweise!her!zu!
bestimmen.!Dies!ist!die!Grundbedeutung!der!„phänomenologischen!Reduktion“,!ohne!
welche!von!phänomenologischen!Phänomenen!und!somit!auch!von!Phänomenologie!
nicht!die!Rede!sein!kann.!!!!

Die$Gegebenheit$der$Phänomene$$$$

Diese!phänomenologischen!Phänomene!müssen!nun!aber!erst!noch!in!verschiedenen!
Hinsichten!näher!bestimmt!werden,!bevor!man!sich!zum!Begriff!der!Phänomenologie!als!
Wissenschaft!von!diesen!Phänomenen!äussern!kann.!Insbesondere!das!Subjekt!als!Dativ!
der!Gegebenheit,!die!Weise!und!Umstände!verschiedener!Gegebenheitsformen!sowie!die!
VorF!und!Nachgeschichte!einer!jeweiligen!Gegebenheit!bedürfen!der!näheren!Klärung.!
Allerdings!sind!diese!verschiedenen!Hinsichten!so!sehr!miteinander!verflochten,!dass!
man!sie!nicht!gesondert!behandeln!kann,!ohne!dem!Wesen!der!phänomenologischen!
Phänomene!untreu!zu!werden.!Ob!das!Subjekt!bzw.!der!Dativ!phänomenologischer!
Gegebenheiten!als!reines!Ich!(Husserl),!als!Dasein!(Heidegger),!als!subjektiver!Leib!
(MerleauFPonty)!oder!als!ein!durch!das!Widerfahrnis!eines!fremden!Anspruchs!oder!
einer!übermäßigen!Gabe!zugleich!verunsicherter!und!sich!neu!affirmierender!
Antwortender!(Levinas,!Waldenfels,!Marion)!gefasst!wird,!hängt!nämlich!zugleich!davon!
ab,!wie!man!die!Weise!und!Umstände!der!Gegebenheit!der!Phänomene!versteht.!Auf!vorF
transzendentalem!Niveau!ist!wohl!keine!der!später!entwickelten!Bestimmungen!des!
Subjekts!der!Gegebenheit!mit!Husserls!Phänomenologie!unvereinbar.!Husserl!war!
nämlich!mit!dem!Phänomen!einer!der!subjektiven!Zuwendung!und!Erfassung!
vorangehenden!bzw.!„vorgegebenen“!Sinnhaftigkeit!ebenso!vertraut!wie!mit!passiv!
erlittenen!Ereignissen!des!Sinnverlusts.!Auch!dass!sich!einem!der!Sinn!„geistiger“!
Gegenstände!erst!im!faktischen!und!möglicherweise!Hand!anlegenden!Umgang!mit!ihnen!
erschließt,!war!Husserl!bekannt.!Er!bestimmte!den!Verweisungszusammenhang!dieser!
Gegenstände!zudem!unmissverständlich!als!eine!„geistige!Welt“,!mit!der!subjektives!
Leben!so!unzertrennlich!verwoben!ist,!dass!sie!als!dessen!„Lebenswelt“!bezeichnet!
werden!muss.!Auch!Husserls!Analysen!des!sinnlichen!Erscheinungsfeldes!und!seiner!
Beziehung!auf!ein!leibliches!Wahrnehmungssubjekt!mit!seinem!„Hier“!und!seinen!
leiblichen!Vermögen!des!Empfindens!und!der!freien!kinästhetischen!Beweglichkeit!sind!
oft!schon!bis!in!die!letzten!Einzelheiten!ausgearbeitet.!!!!

Die!Auflistung!des!Reichtums!von!Husserls!phänomenlogischen!Beschreibungen!der!
verschiedenen!subjektiven!Verhaltensweisen!sowie!der!verschiedenen!
Gegebenheitsweisen!der!verschiedensten!Phänomene!ließe!sich!unter!Heranziehung!des!
Nachlasses!beinahe!beliebig!weiterführen,!ohne!dass!man!auf!Bruchstellen!mit!den!
Analysen!seiner!Nachfolger!stoßen!würde.!Wenn!es!diese!Bruchstellen!dennoch!gibt,!so!
müssen!sie!entweder!mit!bisher!noch!nicht!berücksichtigten!phänomenologischen!
Phänomenen!oder!aber!mit!der!Methode!des!Phänomenologisierens!und!ihren!
Voraussetzungen!zu!tun!haben.!Es!besteht!der!begründete!Verdacht,!dass!beides!mit!
Husserls!Bestimmung!des!transzendentalen!Subjekts!zusammenhängt!–!in!seiner!
doppelten!Eigenschaft!als!konstituierendes!und!als!phänomenologisierendes!Subjekt.!!!!
Husserls$transzendentale$Phänomenologie$$$$

Was!ein!transzendentales!Subjekt!ist,!bestimmt!sich!bei!Husserl!primär!und!wesentlich!
vom!Begriff!der!transzendentalen!Konstitution!her!(und.nicht.umgekehrt!).!Der!Begriff!
der!Konstitution!macht!die!Grundbestimmung!dessen!aus,!was!Husserl!unter!
transzendentaler!Phänomenologie!versteht.!!!!

Ein!Minimalbegriff!der!transzendentalen!Konstitution!ergibt!sich!daraus,!dass!das,!was!
einem!erscheint,!einem!als!etwas!erscheint.!Dieses!„Als“!lässt!sich!dann!weiter!in!ein!
„Was“!und!in!ein!„Wie“!bzw.!„Dass“!differenzieren!–!mit!Husserl!gesprochen:!in!Sinn!und!
Seinsweise!bzw.!Seinsgeltung!eines!intentionalen!Gegenstandes.!Der!Sinn,!den!etwas!
Erscheinendes!hat,!trägt!die!Spuren!eines!Prozesses!der!konstitutiven!Sinnbildung,!und!
seine!Seinsgeltung!erscheint!je!nach!der!(leeren!oder!anschaulich!erfüllten)!
Vollzugsweise!dieses!Konstitutionsprozesses!entweder!als!bloß!präsumtiv!oder!als!
ausgewiesen.!Solche!Sinnbildung!und!Geltungsausweis!sind!meistens!schrittweise!
Prozesse,!die!sich!vorzugsweise!in!der!Form!einer!sachgerechten!und!sachnahen,!
anschaulichen!und!zusammenhängenden!bzw.!synthetischen!Erfahrung!der!„AlsF„!
Bestimmungen!der!erscheinenden!einheitlichen!Gegenständlichkeit!realisieren.!Zum!
Minimalbegriff!der!transzendentalen!Konstitution!gehört!also!das!Ineinandergreifen!bzw.!
die!Korrelation!der!subjektiven!Erfahrung!mit!der!Bestimmung!gegenständlichen!Sinnes!
und!gegenständlicher!Seinsweise!–!wobei!in!beiden!Richtungen!nach!der!Bildung!von!
Einheit!aufgrund!von!Mannigfaltigkeiten!gefragt!wird.!!!!

In!diesem!ersten!und!weitesten!Sinne!des!als!Funktion!der!Sinnbildung!und!der!
Ausweisung!einer!gegenständlichen!Seinsweise!verstandenen!Konstitutionsprozesses!
liegt!in!jeder!Phänomenologie!eine!Anlage!zu!einer!transzendentalen!Phänomenologie.!
Ebenso!unbestreitbar!ist,!dass!das!phänomenologische!Verständnis!dieses!
Konstitutionsprozesses!sich!auf!ein!im!weitesten!Sinne!Gegenständliches!und!auf!ein!
(wie!immer!auch!näher!zu!bestimmendes)!Subjekt!des!Verhaltens!bzw.!des!Bewirkens!
oder!Erleidens,!des!Erzeugens,!Empfangens!oder!Antwortens!bezieht.!!!!

Husserls!Nachfolger!haben!sich!in!ihrer!Ablehnung!des!Begriffs!eines!transzendentalen!
Konstitutionsprozesses!zu!sehr!auf!die!Frage!nach!dem!Wesen!des!transzendentalen!
Subjekts!kapriziert!und!die!anderen!Bestimmungen!des!Konstitutionsbegriffs!entweder!
vernachlässigt!oder!ganz!dem!Subjektbegriff!untergeordnet.!Viele!von!ihnen!haben!die!
Plastizität!und!Dynamik!von!Husserls!Verständnis!des!transzendentalen!Subjekts!und!
seiner!Verstricktheit!in!den!Konstitutionsprozess!entweder!unterschätzt!oder!
schlichtweg!missverstanden.!Das!in!den!Konstitutionsprozess!verwickelte!
transzendentale!Subjekt!ist!für!Husserl!in!Wirklichkeit!das!Subjekt!einer!Erfahrung,!die!
entweder!aktiv!vollzogen!oder!passiv!erlitten,!ursprünglich!stiftend!oder!tradierte!
Sinnstiftungen!übernehmend,!in!leiblicher!Bewegung!verwurzelt!oder!durch!geistige!
Einsichten!gebannt,!selbstbewusst!oder!selbstvergessen!sein!kann.!In!all!diesen!
verschiedenen!Weisen!der!Erfahrung!ist!zwar!eine!Art!von!intentionalem!Bewusstsein!
impliziert,!aber!dessen!Reichweite!übersteigt!bei!weitem!die!Akte!des!Stiftens!von!Sinn!
und!der!Setzung!von!Seinsgeltung.!Es!gibt!nämlich!neben!den!aktiven!Synthesen!auch!
passive!und!in!einem!bestimmten!Sinne!„unbewusste“!Synthesen!der!Konstitution!bzw.!
Sinnbildung.!Auch!die!aktiven!Synthesen!beruhen!noch!auf!mannigfaltigen!
gegenständlichen!Erscheinungsweisen,!die!sie!nicht!selbst!produziert!haben!und!die!
ihren!Antizipationen!und!Absichten!möglicherweise!widersprechen.!!!

Dass!Husserls!Verständnis!des!transzendental!konstituierenden!Bewusstseins!im!Begriff!
der!Selbstbestätigung!eines!selbstsicheren!Subjekts!gründen!und!somit!der!Erfahrung!
des!Unvorhersehbaren!und!Neuen!unzugänglich!sein!soll,!erscheint!dem!Leser!seiner!
Schriften!eher!als!eine!voreingenommene!Unterstellung!denn!als!ein!bloßes!
Missverständnis.!!!!

Ohne!die!eine!oder!andere!Art!von!Bewusstsein!bzw.!von!Erfahrung!und!ohne!die!eine!
oder!andere!Art!von!Erfahrungssubjekt!wird!eine!phänomenologische!Analyse!der!
Sinnbildung!und!des!Erscheinens!gegenständlicher!Seinsweisen!nie!auskommen.!Ebenso!
wie!Husserls!Verständnis!des!Erfahrungssubjekts!keineswegs!durch!den!cartesianischen!
Begriff!des!ego.cogito!abgedeckt!wird,!so!ist!auch!die!sich!konstituierende!
Gegenständlichkeit!nicht!ohne!weiteres!ein!bloßes!cogitatum,!d.h.!ein!Gegenstand!des!
Denkens.!!!!

Ideale!Gegenständlichkeiten!können!ohne!sinnlichen!Anhalt!kaum!gedacht!werden,!und!
das!Erfahrungssubjekt!ist!von!dem,!was!ihm!sinnlich!erscheint,!auch!so!sehr!
eingenommen,!dass!ihm!das!Erscheinende!kaum!je!als!ein!bloß!vorhandenes!Objekt!
gegenübersteht.!Handelt!es!sich!bei!der!Erfahrung!gar!um!ein!Wertgefühl,!so!ist!die!
erscheinende!Gegenständlichkeit!so!sehr!mit!diesem!subjektiven!Gefühl!verwoben,!dass!
eine!einheitliche!Stimmung!entstehen!kann,!in!welcher!der!Himmel!als!fröhlich!oder!
mein!Gemüt!als!bewölkt!erfahren!werden.!Eine!ähnliche!Art!von!Wechselwirkung!lässt!
sich!nach!Husserl!auch!in!der!bewussten!Erfahrung!des!eigenen!Wollens!und!Handelns!
beobachten.!Wenn!das!Subjekt!nämlich!seinem!Willen!das!„fiat“!erteilt!und!zu!handeln!
beginnt,!dann!tut!es!dies!aufgrund!seiner!Bewertung!des!antizipierten!Resultats!dieser!
Handlung!und!nicht!aus!Willkür!oder!Eigenmächtigkeit.!Es!gibt!also!auch!bei!Husserl!
allerlei!Arten!von!Gegenständen!und!gegenständlichen!Seinsweisen,!das!triviale!
Beschreiben!des!bezugslos!Vorhandenen!war!nie!Husserls!Sache.!Was!erscheint!und!wie!
etwas!erscheint,!ist!vielmehr!abhängig!von!einem!Netzwerk!intenFtionaler!Implikationen,!
welches!das!vordergründig!Erscheinende!mit!horizontmäßig!Miterscheinendem!oder!
Verborgenem!verknüpft,!und!es!ist!auch!abhängig!vom!Verhalten!desjenigen,!dem!es!sich!
erscheinend!offenbart.!Gleichermaßen,!wie!es!so!viele!Arten!von!Subjektivität!gibt!wie!
Arten!der!Erfahrung,!gibt!es!für!Husserl!auch!so!viele!Arten!von!Gegenständlichkeit,!wie!
es!Arten!des!Erfahrenen!gibt.!Beide!Arten!von!Arten!sind!überdies!durch!ihre!Korrelation!
so!sehr!miteinander!verkoppelt,!dass!es!die!einen!nie!ohne!die!anderen!gibt.!!!

!Drei$monierte$Grenzen$einer$transzendentalen$Konstution$$

$!Nach!der!Meinung!der!postFhusserlschen!Phänomenologen!stößt!dieser!mit!dem!Begriff!
einer!transzendentalen!Konstitution!wesentlich!verbundene!Gedanke!einer!intentionalen!
Korrelation!jedoch!auf!eine!dreifache!Grenze.!!

!!Der.erste.Einwand...

Eine!erste!Grenze!offenbare!sich!in!dem!Umstand,!dass!nicht!alle!Phänomene!einer!
subjektivFkonstitutiven!Sinngebung!bedürfen,!um!als!sinnvoll!erscheinen!zu!können.!Als!
Paradebeispiel!für!eine!solche!asubjektive!Sinnhaftigkeit!gilt!die!Weise,!wie!ein!
Wahrgenommenes!sich!von!sich!selbst!her!zu!einer!sinnvollen,!einheitlichen!Gestalt!
strukturiert.!Andere,!von!Heidegger!geprägte!Phänomenologen!haben!vor!allem!auf!
Phänomene!von!der!Art!der!Ereignisse!hingewiesen,!die!einer!subjektiven!Sinngebung!
nicht!nur!unbedürftig,!sondern!sogar!unzugänglich!sind.!!!!

Husserls!Phänomenologie!steht!dem!nicht!hilflos!gegenüber.!Was!die!von!
Phänomenologen!wie!A.!Gurwitsch!und!M.!MerleauFPonty!bemühten!Einsichten!der!
Gestaltpsychologie!betrifft,!so!streiten!sie!höchstens!mit!einer!spezifisch!egologischen!
Interpretation!des!Konstitutionsprozesses.!Dass!wahrnehmungsmäßige!Erscheinungen!
einen!Sinn!machen!und!dass!die!Konstitution!ihres!Sinnes!mitbestimmt!wird!durch!
empirische!Verhältnisse!zwischen!Figur!und!Hintergrund!sowie!durch!
Wahrnehmungsumstände,!die!sich!auf!Beleuchtung,!räumliche!Distanz!usw.!beziehen,!
befremdet!nur!einen!Idealisten,!der!Erscheinungen!mit!bezugslosen!Eindrücken!
verwechselt,!denen!erst!durch!die!Anwendung!subjektiver!Verstandesbegriffe!ein!Sinn!
zuwächst.!Ein!solcher!Idealist!konnte!Husserl!schon!deswegen!nie!sein,!weil!sein!Begriff!
der!Intentionalität!ihn!dazu!nötigte,!Erscheinendes!und!dessen!subjektive!Erfahrung!als!
eine!ursprüngliche!und!unauflösbare!Einheit!zu!sehen.!!!

!Während!der!Einwand!sich!in!seiner!ersten!Formulierung!noch!immer!auf!die!sinnvolle!
Gestaltung!von!gegenständlichen!Phänomenen!bezieht,!beruft!sich!der!Einwand!in!seiner!
zweiten!Formulierung!auf!Ereignisse,!denen!jede!Gegenständlichkeit!abgesprochen!wird.!
Ereignisse!sind!zwar!in!der!Tat!keine!objektiven!Gegenstände,!aber!Husserls!
transzendentale!Korrelationsbetrachtung!beschäftigt!sich!gerade!nicht!mit!objektiven!
Gegenständen,!sondern!mit!Phänomenen,!d.!h.!mit!Erfahrenem!in!der!Weise!seiner!
erfahrungsmäßigen!Gegebenheit!für!einen!Erfahrenden.!Im!Falle!der!erfahrungsmäßigen!
Gegebenheit!eines!sinnvollen!Ereignisses!mag!es!in!der!Tat!oft!schwer!fallen,!den!
sinnstiftenden!Beitrag!des!Ereignisses!in!der!Weise!seiner!Offenbarung!einerseits!und!
des!erfahrenden!Subjekts!anderseits!auseinanderzudividieren.!Husserl!trägt!dem!
Rechnung,!indem!er!subjektive!und!intersubjektive,!aktive!und!passive!
Konstitutionsprozesse!unterscheidet,!die!zudem!in!der!Form!von!Urstiftungen!und!
Nachstiftungen!vollzogen!werden!sowie!durch!Horizonte!der!Erfahrung!und!des!
Erfahrenen!motiviert!sein!können.!!!!

Eine!echte!Herausforderung!für!den!Gedanken!einer!recht!verstandenen!
sinnverleihenden!Konstitutionsleistung!bilden!nur!die!beiden!gegensätzlichen!Arten!von!
Phänomenen,!in!denen!ein!Ereignis,!ein!Sachverhalt!oder!ein!Werk!entweder!eine!
Überfülle!an!Sinn!hat!oder!gar!keinen!Sinn!mehr!macht.!Phänomene!ersterer!Art!sind!
(religiöse)!Offenbarungen,!evokative!Hinweise!auf!unüberschaubare!
Sachzusammenhänge!und!Kunstwerke.!In!all!diesen!Phänomenen!erscheint!dem!Subjekt!
mehr!und!ergibt!sich!ihm!mehr!Sinn,!als!es!zu!erfassen,!geschweige!selbst!zu!bilden!
vermag.!Phänomene!letzterer!Art!sind!alle!sinnlosen!Ereignisse.!Im!Extremfall!führt!die!
Erfahrung!eines!sinnlosen!Ereignisses!zu!einem!psychischen!Trauma!des!Subjekts.!Derart!
traumatisierende!Ereignisse!verweisen!in!ihrer!sinnlosen!Gegebenheit!sicher!nicht!auf!
eine!bereits!geleistete,!subjektive!Sinngebung.!Der!Sinn,!der!diesen!Ereignissen!und,!
genauer,!dem!Subjekt!fehlt,!kann!ihnen!bestenfalls!erst!nachträglich!zuwachsen.!!!!

Konstitution!als!Sinnbildung!heißt!für!Husserl,!dass!etwas!in!seinem!Erscheinen!für!das!
erfahrende!Subjekt!einen!Sinn!macht!und!nicht,!dass!das!Subjekt!diesen!Sinn!ganz!von!
alleine!macht.!Solange!man!das!Band,!das!den!transzendentalen!Konstitutionsbegriff!im!
intentionalen!Korrelationsbegriff!verankert,!nicht!durchschneidet,!ist!jede!Sinnbildung!
das!Resultat!einer!Wechselwirkung!von!erfahrendem!Verstehen!und!geordneter!
Kohärenz!des!Erscheinenden.!Das!besagt!allerdings!nicht,!dass!alle!Phänomene!und!alle!
Ereignisse!einer!solchen!wechselseitigen!Sinngebung!zugänglich!sind.!Es!gibt!nämlich!in!
der!Tat!phänomenologische!Phänomene,!die!sich!einer!transzendentalen!
Konstitutionsleistung!widersetzen.!Somit!gibt!es!auch!einen!phänomenologischen!Zugang!
zu!solchen!Phänomenen,!die!sich!nicht!in!den!Rahmen!einer!transzendentalen!
Phänomenologie!einordnen!lassen.!Es!gibt!mit!anderen!Worten!eine!Phänomenologie!
diesseits!und!jenseits!einer!Transzendentalphilosophie.!Im!Gegensatz!zur!
phänomenologischen!Reduktion!hat!also!der!Begriff!einer!transzendentalen!
Konstitutionsleistung!keinen!absoluten!Anspruch!auf!phänomenologische!Universalität.!
Dass!es!sinnlose!Phänomene!gibt!und!Ereignisse,!welche!durch!eine!Überfülle!an!Sinn!
gekennzeichnet!sind,!liegt!aber!nicht!nur!am!Wesen!des!transzendentalen!Subjekts!allein,!
sondern!vor!allem!an!den!Phänomenen!selbst!und!zumeist!an!beiden.!!!!

Der.zweite.Einwand!!!

Eine!zweite!Grenze!von!Husserls!Konstitutionsbegriff!liege!darin,!dass!ihm!der!volle!Sinn!
einer!Wechselwirkung!zwischen!Konstituierendem!und!Konstituiertem!fremd!geblieben!
sei.!Solange!man!nämlich,!wie!Husserl,!auf!der!Weltlosigkeit!des!transzendentalen!
Bewusstseins!beharre,!könne!man!nicht!verstehen,!dass!das!Erfahrene!dem!Erfahrenden!
ebenso!gut!die!Möglichkeit!und!Weisen!seiner!Erfahrung!vorschreibe!wie!der!Erfahrende!
dem!Erfahrenen.!!!!

Bezeichnet!man!den!Bereich!des!Konstituierten!global!als!„Welt“,!dann!wäre!das!Wesen!
des!welterfahrenden!Subjekts!wiederum!ebenso!sehr!durch!die!Welt!bestimmt!wie!der!
Sinn!der!Welt!durch!das!ihn!konstituierende!transzendentale!Subjekt.!Ein!solches!
Wechselspiel!im!konstitutiven!Korrelationsverhältnis!bringt!mit!sich,!dass!
transzendental!konstituierendes!Bewusstsein!von!einem!InFderFWeltFSein!des!Subjekts!
her!verstanden!werden!muss.!Diese!Auffassung!wird!nun!aber!von!Husserl!entschieden!
zurückgewiesen!und!unter!Hinweis!auf!die!Lehre!von!der!transzendentalF
phänomenologischen!Reduktion!als!Rückfall!in!einen!Anthropologismus!gebrandmarkt.!
Husserls!transzendentalFphänomenologische!Reduktion!scheint!auf!der!Überzeugung!zu!
beruhen,!dass!das!Gegebenheitsbewusstsein!von!weltlichen!Dingen!nicht!selbst!ein!
weltliches!Ding!sein!kann.!Das!wird!in!Wahrheit!aber!auch!kein!Phänomenologe!ernstlich!
behaupten!wollen.!!!!

Was!etwa!Heidegger!gegen!Husserl!geltend!macht,!ist!vielmehr!die!Einsicht,!dass!das!
Gegebenheitsbewusstsein!zwar!kein!Ding,!aber!dennoch!wesentlich!weltbezogen!ist.!Sein!
Einwand!stützt!sich!auf!die!Überlegung,!dass!subjektives!Bewusstsein,!das!als!subjektiver!
Gesichtspunkt!verstanden!wird,!sich!von!den!Dingen!der!objektiven!Welt!nicht!durch!
seine!Weltlosigkeit!zu!unterscheiden!braucht,!sondern!dass!ihm!vielmehr!eine!andere,!
nicht!dinglichFobjektive!Form!der!Welthaftigkeit!eignen!kann.!Diese!Überlegung!verdankt!
ihre!Berechtigung!somit!der!doppelten!Einsicht,!dass!die!Welt!kein!objektiver!
Gegenstand!ist!und!dass!der!Gesichtspunkt,!von!dem!aus!weltliche!Dinge!und!Ereignisse!
einen!Sinn!machen,!nicht!außerhalb!der!Welt!anzusiedeln!ist.!Nicht!ein!weltloses,!
sondern!nur!ein!sich!in!der!Welt!bewegendes!Subjekt!kann!weltlichen!Erscheinungen!
einen!Sinn!abgewinnen.!Für!ein!außerweltliches!Subjekt!hingegen!müssten!weltliche!
Angelegenheiten!prinzipiell!unverständlich!bleiben.!!!!

Merleau<Ponty!hat!wiederholt!den!Versuch!gemacht,!diese!einleuchtende!Überlegung!des!
frühen!Heidegger,!d.h.!die!Bestimmung!des!InFderFWeltFSeins!des!Daseins,!in!die!Sprache!
von!Husserls!Transzendentalphilosophie!zurückzuübersetzen.!Dieser!Versuch!kommt!
allerdings!einer!Transformation!der!phänomenologischen!Transzendentalphilosophie!
gleich,!denn!MerleauFPonty!verknüpft!damit!die!Behauptung,!dass!weltlichen!
Erscheinungen!eine!Sinn!konstituierende!Funktion!zukommt.!Dabei!handelt!es!sich!
insofern!noch!immer!um!eine!Transformation!der!transzendentalen!Phänomenologie,!als!
auch!Husserl!sich!progressiv!mit!dem!Gedanken!befreundet,!dass!das!transzendentale!
Subjekt!sich!selbst!von!seinem!Weltbezug!her!verstehen!muss.!!!!

Die!zweite!Grenze!von!Husserls!Gedanken!einer!transzendentalen!Sinnbildung!hat!also!
weniger!mit!seinem!vermeintlich!cartesianischem!Bewusstseinsbegriff!zu!tun!als!mit!
seiner!These!der!(zumindest)!prinzipiellen!Unabhängigkeit.des.konstituierenden.
Bewusstseins.von.der.durch.es.konstituierten.Welt.!Es!geht!hier!somit!letztlich!um!den!Sinn!
der!phänomenologischen!Reduktion,!die!einem!den!(weltlichen!oder!außerweltlichen?)!
Standpunkt!erschließt,!von!dem!aus!alles!sich!in!ein!phänomenologisches!Phänomen!
verwandelt.!!!!

Der.dritte.Einwand...

Einer!dritten!Grenze!von!Husserls!transzendentaler!Phänomenologie!begegnet!man!
schließlich!in!seiner!Bestimmung!des!Standpunktes,!von!dem!her!der!Phänomenologe!
das!Geschehen!der!Weltkonstitution!überblicke.!Daraus!ergibt!sich!dann!der!Vorwurf,!
dass!Husserl!der!Verstricktheit!des!Phänomenologen!in!den!faktischen!Gang!der!
Welterfahrung!und!damit!auch!der!Beschränktheit!seiner!Einsicht!in!das!Wesen!der!
phänomenalen!Welt!zu!wenig!Rechnung!getragen!habe.!!!!

Bei!Husserl!heißt!die!Reduktion!deswegen!„transzendentalFphänomenologisch“,!weil!sie!
transzendentale!Konstitutionsprozesse!einer!phänomenologischen!Analyse!zugänglich!
machen!will.!Das!Phänomen!einer!transzendentalen!Phänomenologie!ist!also!nicht!nur!
die!subjektFrelative!Gegebenheit!von!etwas!weltlich!Gegenständlichem,!sondern!letztlich!
der!konstitutive!Prozess!der!Sinnbildung!und!Offenbarung!der!Seinsweise!aller!
Gegenständlichkeiten!im!Korrelationszusammenhang!von!Erscheinen!und!
Erscheinendem.!Auch!begnügt!sich!diese!transzendentale!Phänomenologie!nicht!mit!der!
Beschreibung!dieses!korrelativen!Konstitutionszusammenhangs,!sondern!sie!erforscht!
diesen!im!Hinblick!auf!seine!Wahrheit.!Sie!untersucht!das!Verstehen!von!Sinn!und!
Seinsweise!einer!Gegenständlichkeit!im!Hinblick!darauf,!ob!es!deren!Weise!der!
Selbstgegebenheit!gemäß!ist!und!ob!es!ihr!genügt.!Die!transzendentale!Phänomenologie!
wird!sich!also!hüten,!die!Wahrheit!von!Sinn!und!Sein!eines!Phänomens!mit!einem!Maß!zu!
messen,!das!der!Art!der!erscheinenden!Gegenständlichkeit!nicht!angemessen!ist.!So!wird!
sie!sich!trotz!ihrem!Streben!nach!apodiktisch!gültigen!Aussagen!über!transzendentale!
Konstitutionszusammenhänge!davor!hüten,!über!die!Existenz!perspektivisch!gegebener!
weltlicher!Dinge!apodiktische!Aussprachen!machen!zu!wollen.!!!!

Allerdings!meint!Husserl,!dass!die!Gründe!von!inadäquater!Wahrheit!adäquat!erfassbar!
und!wissenschaftlich!apodiktisch!formulierbar!sind.!Genau!an!diesem!Punkt!verläuft!die!
dritte!Grenze,!welche!Husserl!von!seinen!phänomenologischen!Nachfolgern!trennt.!Deren!
kritische!Nachfrage!lautet!genauer,!ob!der!Phänomenologe!über!einen!absoluten!
Standpunkt!verfügt,!der!ihn!zu!apodiktischen!wissenschaftlichen!Aussagen!auch!über!
Formen!inadäquater!Erfahrung!befähigt.!In!Frage!steht!also!mit!anderen!Worten,!ob!der!
transzendental!phänomenologisierende!Phänomenologe!sich!der!Endlichkeit!der!durch!
ihn!analysierten!und!zur!Sprache!gebrachten!stummen!Erfahrungen!entziehen!kann.!
Wenn!er!das!nicht!kann,!dann!muss!man!nach!Ansicht!der!neueren!Phänomenologen!den!
Anspruch!der!transzendentalFphänomenoloFgischen!Reduktion!einschränken.!!!

!Es!gilt,!erst!einige!Missverständnisse!und!Unklarheiten!auszuräumen,!bevor!man!sich!
der!einen!oder!anderen!Partei!anschließt.!Dies!insbesondere!deswegen,!weil!diese!dritte!
Grenzfrage!in!den!Kernbestand!von!Husserls!transzendentaler!Phänomenologie!
vordringt,!nämlich!zur!Frage!nach!dem!Wesen!einer!Reduktion!aller!Phänomene!auf!den!
Gesichtspunkt!nicht!mehr!eines!welterfahrenden!Subjekts,!sondern!des!
phänomenologisierenden!Phänomenologen.!!!

!Die$Radikalität$des$phänomenologischen$Fragens$$

$!Wie!jede!andere!Weise!echten!Philosophierens,!so!hebt!sich!auch!Husserls!
Phänomenologie!durch!ihre!Einstellung!eines!systematischen!Fragens!vom!Gang!des!
natürlichen!Lebens!ab.!Wer!fragt,!übt!hinsichtlich!des!Fraglichen!notwendigerweise!eine!
Epoché.!Epoché!bedeutet!also!nicht!einfach!eine!generelle!Haltung!von!Reserve!oder!
Enthaltsamkeit,!sondern!die!Epoché!muss!immer!neu!vollzogen!werden,!und!dieser!
aktive!Vollzug!gehört!wesentlich!zur!dezidierten!Tätigkeit!des!Fragens.!Fragt!die!
phänomenologische!Reduktion!für!alle!Gegenständlichkeiten!nach!der!Art!und!Weise,!wie!
sie!einem!Subjekt!gegeben!sind,!so!wird!die!Radikalität!dieses!Fragens!daran!bemessen,!
wie!sehr!es!sich!von!allen!VorFurteilen!darüber,!was!diese!intentionalen!
Gegenständlichkeiten!über!ihre!Gegebenheitsweise!hinaus!auch!noch!sind,!zu!befreien!
vermag.!Die!sich!an!die!Epoché!anschließende!transzendentalFphänomenologische!
Reduktion!fragt!dann!danach,!wie!solchen!phänomenalen!Gegenständlichkeiten!im!
Wechselspiel!zwischen!subjektivem!Meinen!und!weltlich!Erscheinendem!ein!
einheitlicher!Sinn!und!ein!bestätigter!Seinsmodus!zuwachsen!können.!Wer!so!fragt,!muss!
ins!Leere!fragen,!d.h.!ohne!sich!von!vorgefassten!logischen!und!ontologischen!Kategorien!
von!gegenständlichem!Sinn!und!Sein!leiten!zu!lassen.!Nur!dann!ist!nämlich!gewährleistet,!
dass!die!Gegenstände!einem!zum!Phänomen!und!die!Welt!zum!Universalhorizont!aller!
Phänomene!werden!können.!!!!

Erst!der!Übergang!in!die!phänomenologischFtranszendentale!Einstellung!macht!einen!
darauf!aufmerksam,!dass!die!nach!Sinn!und!Geltung!selbstverständlichen!
Vorgegebenheiten!des!natürlichen!Lebens!in!Wahrheit!wesentlich!durch!aktive!und!
passive!subjektive!Verhaltensweisen!mitgeprägt!sind.!Mit!Heidegger!gesprochen:!Erst!die!
phänomenologische!Reduktion!eröffnet!ein!Verständnis!für!die!Transzendenz!und!
Erschlossenheit!des!Daseins!als!Fundament!natürlichen!Lebens!und!Besorgens.!!!

!Aus!diesem!neuen,!phänomenologischen!Verständnis!ergibt!sich!eine!neue!Einsicht!in!
die!Einseitigkeit!sowie!die!unbegründeten!Voraussetzungen!des!natürlichen!Lebens.!Die!
phänomenologische!Reflexion!bringt!also!nicht!nur!einen!verborgenen!Grund!ans!Licht,!
sie!führt!auch!zu!einer!Kritik!an!den!grundlosen!Vorurteilen!des!natürlichen!Lebens.!Es!
stellt!sich!dann!aber!sogleich!die!Frage,!ob!das!besagt,!dass!das!neue!phänomenologische!
Leben!sich!so!weit!vom!natürlichen!Leben!entfernt,!dass!es!ihm!gewissermaßen!den!
Rücken!kehrt.!Und!es!stellt!sich!auch!die!weitere!Frage,!wie!die!phänomenologische!
Erforschung!des!Wesens!der!transzendentalen!Korrelation!von!Konstituierendem!und!
Konstituiertem!sich!zum!wirklichen!Vollzug!dieser!Konstitutionsleistungen!verhält.!!!

!Die!deutlichste!Antwort!auf!diese!Doppelfrage!stammt!nicht!von!Husserl!oder!Heidegger,!
sondern!von!Fink.!Nach!Fink!besteht!die!Aufgabe!des!Phänomenologen!darin,!die!im!
natürlichen!Leben!verborgen!waltenden!transzendentalen!Konstitutionsprozesse!in!
reflexiver!Einstellung!zu!thematisieren.!Das!im!natürlichen!Leben!verborgen!waltende!
transzendentale!Subjekt!konstituiert!die!Welt.!Als!weltkonstituierendes!Subjekt!ist!es!
zwar!wesentlich!weltbezogen,!aber!als!transzendentalFkonstituierendes!Subjekt!kann!es!
selbst!nichts!Weltliches,!d.!h.!der!konstituierten!Welt!Zugehöriges!sein.!Während!das!
transzendentale!Subjekt!als!weltkonstituierendes!zwar!unweltlich,!aber!dennoch!
wesentlich!weltbezogen!ist,!gilt!dies!nach!Fink!nicht!mehr!für!das!
phänomenologisierende!Subjekt.!Der!Phänomenologe!als!Beobachter!des!Prozesses!der!
Weltkonstitution!durch!das!transzendentale!Subjekt!interessiert!sich!nur!noch!für!die!
Leistungen!dieses!Subjekts!bzw.!die!Weise!seiner!Weltkonstitution.!Das!heißt!nach!Fink,!
dass!ihm!das!Wesen!der!Welt!gleichgültig!geworden!ist.!Der!Phänomenologe!als!
unbeteiligter!Zuschauer!der!Weltkonstitution!übt!demnach!eine!doppelte!Epoché:!Er!
macht!den!Weltglauben!des!natürlichen!Lebens!nicht!mit!und!er!macht!auch!die!
Weltkonstitution!des!transzendentalen!Subjekts!nicht!mehr!mit.!!!

!Finks!Lösungsversuch!verblüfft!zwar!durch!seine!Klarheit,!aber!sachlich!bleibt!er!hinter!
Husserls!und!Heideggers!komplexeren!Gedankengängen!zurück.!Man!gewinnt!den!
Eindruck,!dass!Fink!sowohl!Heidegger!als!Husserl!Recht!geben!wollte!und!dass!er!gerade!
deswegen!keinem!von!beiden!gerecht!wird.!Heideggers!Fundamentalontologie!des!InF
derFWeltFSeins!ist!nämlich!wesentlich!mehr!als!eine!Beschreibung!der!impliziten!
Grundstrukturen!natürlichen!Lebens.!Und!Husserls!phänomenologischer!Zuschauer!ist!
mit!dem!Geschehen!der!Weltkonstitution!zu!sehr!verbunden,!um!jedes!Interesse!an!der!
Welt!fahren!zu!lassen.!!!

!Der!phänomenologische!Zuschauer!befindet!sich!also!nicht!auf!einer!absoluten,!
unnahbaren!Warte,!sondern!er!wird!vom!Geschauten!–!etwa!dem!Scheitern!eines!
Konstitutionsprozesses!–!selbst!betroffen.!Seine!Einsicht!in!den!Verlauf!faktischer!
transzendentaler!Konstitutionsprozesse!ist!beschränkt.!Man!muss!bezüglich!des!
intuitiven!Charakters!der!phänomenologischen!Reflexion!auf!Konstitutionsprozesse!
genauer!unterscheiden!zwischen!der!Eröffnung!einer!neuen!Form!der!Sichtbarkeit!und!
dem,!was!innerhalb!dieser!neuen!Dimension!effektiv!sichtbar!wird.!Die!Eröffnung!einer!
neuen!Dimension!der!erscheinungsmäßigen!Gegebenheiten!ist!zwar!das!unleugbare!
Verdienst!der!phänomenologischen!Reduktion.!Daraus!folgt!aber!keineswegs!eine!
phänomenologische!Hellsichtigkeit!bzw.!die!Möglichkeit!einer!totalen!
phänomenologischen!Reflexion.!Vielmehr!ergibt!sich!aus!dem!intuitiven!Charakter!der!
phänomenologischen!Reflexion,!dass!sie!dem!faktischen!Gang!des!transzendentalF
konstituierenden!Lebens!nicht!vorauseilen!kann,!sondern!ihm!nachfolgen!muss.!Das!
apriorische!Vorwissen!von!den!Voraussetzungen!bzw.!von!der!Wesensstruktur!der!
Prozesse!einer!transzendentalen!Sinnbildung!kann!dem!Phänomenologen!also!nicht!
ersparen,!dass!er!von!unerwarteten!und!vielleicht!auch!weitgehend!unverständlichen!
Sinnereignissen!überrascht!wird.!!

!!Phänomenologie$als$Wesenswissenschaft$vom$transzendentalen$Bewusstsein$$!!

Das!Schauen!des!Phänomenologen!ist!aber!nicht!nur!abhängig!vom!faktischen!Verlauf!des!
Prozesses!seiner!Welterfahrung,!sondern!auch!von!der!Eigenart!und!Potenzialität!der!
weltlichen!Gegenständlichkeiten!und!ihrer!Verweisungshorizonte.!Der!Phänomenologe!
wird!in!seinem!Interesse!an!der!Komplexität!weltlicher!Phänomene!auch!immer!wieder!
auf!das!weltkonstituierende!Leben!einwirken!und!Prozesse!neuer!Sinnbildung!in!Gang!
bringen!wollen.!Aus!seiner!philosophischen!Berufseinstellung!in!die!natürliche!
Einstellung!zurückgekehrt,!wird!er!z.!B.!den!Voraussetzungen!des!
naturwissenschaftlichen!Objektivismus!nicht!ohne!Misstrauen!begegnen.!Umgekehrt!
wird!er!sich!aber!in!seinem!Philosophieren!von!objektivFwissenschaftlichen!Fakten!und!
Theorien!inspirieren!lassen,!um!bisher!unbeachtete!transzendentale!
Konstitutionszusammenhänge!zu!erforschen.!Sodann!wird!er!auf!Grund!seiner!Einsicht!in!
diese!Konstitutionszusammenhänge!wissenschaftliche!Geltungsansprüche!wiederum!
einer!kritischen!philosophischen!Prüfung!unterwerfen.!!!

!Husserls!Bestimmung!der!Einstellung!des!Phänomenologen!bleibt!jedoch!mit!einer!
störenden!Zweideutigkeit!behaftet.!Diese!ergibt!sich!aus!der!doppelten!Charakterisierung!
der!Phänomenologie!als!ErfahrungsF!und!als!Wesenswissenschaft.!Als!
Erfahrungswissenschaft!widmet!sie!sich!der!reflexiven!Aufklärung!faktischer!
verborgener!transzendentaler!Konstitutionsprozesse.!Als!universale!phänomenologische!
Wissenschaft!geht!es!ihr!nur!noch!um!das!generelle!Wesen!dieser!Konstitutionsprozesse.!
Die!Bezeichnung!des!Phänomenologen!als!einen!unbeteiligten!Zuschauer!streitet!zwar!
mit!dessen!Interesse!an!der!Welt,!sie!hat!aber!ihre!Berechtigung!für!denjenigen!
Phänomenologen,!dem!es!nur!noch!um!eine!allgemeine!Theorie!vom!Wesen!der!
Weltkonstitution!überhaupt!geht.!Während!es!dem!Phänomenologen,!der!sich!mit!dem!
faktischen!Verlauf!des!weltkonstituierenden!Lebens!auseinandersetzt,!an!der!
verborgenen!phronesis!des!natürlichen!Lebens!und!deren!Erneuerung!gelegen!ist,!bewegt!
sich!die!phänomenologische!Wesenswissenschaft!in!der!Einstellung!einer!rein!
theoretischen!Kontemplation.!Als!eine!solche!Prinzipienwissenschaft!oder!Erste!
Philosophie!ist!die!Phänomenologie!eine!sophia,!der!es!um!eine!allgemeine!Bestimmung!
ihres!Gegenstandes,!um!eine!systematische!Ordnung!ihrer!prinzipiellen!Einsichten!und!
um!die!Frage!nach!der!Wahrheit!ihres!eigenen!Wissens!geht.!!!

!Natürlich!weiß!auch!Husserl,!dass!es!diese!absolute,!transzendentalFphänomenologische!
Wesenswissenschaft!und!diesen!austauschbaren!Phänomenologen!nie!in!Reinkultur!
geben!kann.!Zum!einen!gibt!es!neben!der!absoluten!phänomenologischen!Wissenschaft!
durchaus!so!etwas!wie!eine!deskriptive!phänomenologische!Wissenschaft,!die!ebenfalls!
eidetisch!verfährt.!Zum!anderen!wird!es!auch!der!absoluten!Phänomenologie!
möglicherweise!nicht!gelingen,!alle!für!sie!relevanten!Sachverhalte!unter!der!Form!von!
apodiktisch!geltenden!Wesensgesetzen!endgültig!zu!bestimmen.!Drittens!wird!sich!der!
unbeteiligte!phänomenologische!Zuschauer!bei!seiner!Festlegung!von!
phänomenologischen!Wesensgesetzen!noch!immer!auf!seine!eigenen,!individuellen!und!
faktischen!Erfahrungen!stützen!müssen,!denn!es!gibt!zwar!Erfahrung!von!Allgemeinem,!
aber!keine!allgemeinen!Erfahrungen.!!!

!Aber!selbst!als!unerreichbares!Ideal!lastet!der!Begriff!einer!absoluten!
phänomenologischen!Wesenswissenschaft!noch!schwer!auf!dem!Gewissen!des!
phänomenologischen!Forschers.!Er!ist!sich!zwar!bewusst,!dass!phänomenologische!
Wesensgesetze!sich!noch!immer!auf!die!Möglichkeit!von!faktischen!
Bewusstseinsabläufen!beziehen!und!dass!er!als!unbeteiligter!Zuschauer!immer!zugleich!
auch!noch!ein!wirkliches!individuelles!Subjekt!bleibt.!Aber!der!ehrliche!Phänomenologe!
wird!nicht!darum!herumkommen,!sich!einzugestehen,!dass!die!Absicht!auf!die!
Formulierung!von!apodiktisch!notwendigen!Wesensgesetzen!ihm!die!philosophische!
Relevanz!mancher!einmaliger!Phänomene!möglicherweise!verdeckt,!und!dass!sie!alle!
Phänomene!einer!Objektivierung!unterwirft,!die!ihrer!Phänomenalität!möglicherweise!
Zwang!antut.!!!

!Auch!eine!deskriptive!phänomenologische!Wesenswissenschaft!stößt!an!ihre!Grenzen,!
und!zwar!dann,!wenn!der!Sinn!der!faktischen!Erfahrungen,!die!sie!erforscht,!sich!nicht!
verallgemeinern!lässt.!Das!beste!Beispiel!dafür!ist!sicherlich!das!Phänomen!der!
Geschichte.!Zwar!lässt!sich!durchaus!so!etwas!wie!ein!Wesen!geschichtlicher!Phänomene!
ausmachen,!aber!der!philosophische!Sinn!von!partikulären!geschichtlichen!Fakten!und!
von!deren!historischer!Wirkung!lässt!sich!nicht!mehr!unter!ausschließlicher!Berufung!auf!
die!Wesensgesetzlichkeiten!eines!subjektiven!Bewusstseins!aufklären.!Auch!derjenige,!
der!daran!glaubt,!dass!die!Weltgeschichte!einen!Sinn!hat!–!und!zwar!nicht!nur!einen!
kontingenten,!sondern!einen!notwendigen!Sinn,!der!muss!in!seinem!Glauben!Zuflucht!
nehmen!zu!einem!teleologisch!bestimmten!Ideal,!das!durch!keine!phänomenologische!
Eidetik!mehr!eingeholt!werden!kann.!!!

!Die!phänomenologische!Wesenswissenschaft!vom!reinen!Bewusstsein!und!seinen!
notwendigen!Wesensgesetzlichkeiten!verschattet!aber!nicht!nur!Phänomene!jenseits!
ihres!Kompetenzbereichs,!sondern!auch!solche,!die!sich!diesseits!davon!befinden.!
Letztere!Phänomene!gehören!einer!Empirie!zu,!die!missverständlicherweise!pauschal!als!
„naturalistisch“!bezeichnet!wird.!Dazu!gehört!etwa!der!Umstand,!dass!die!Phänomene,!
mit!denen!der!Phänomenologe!sich!beschäftigt,!nicht!nur!subjektivFrelativ,!sondern!auch!
speziesFrelativ!sind.!So!ist!der!subjektive!Gesichtspunkt!des!Phänomenologen!immer!ein!
menschlicher!(und!kein!tierischer!oder!gespenstischer).!Ein!Naturalismus,!der!das!Wesen!
des!transzendentalen!Bewusstseins!in!den!AnpassungsF!und!Selektionsvorgängen!der!
Evolution!begründen!will,!in!der!Beschaffenheit!und!im!Funktionieren!des!menschlichen!
Gehirns!oder!in!den!psychologischen!Gesetzlichkeiten!einer!„Denkökonomie“,!ist!sicher!
im!Unrecht.!Husserls!Argumente!haben!diesbezüglich!nichts!von!ihrer!Gültigkeit!
verloren.!Aber!damit!ist!keineswegs!gesagt,!dass!es!keine!naturalen!Bedingungen!des!
Phänomenologisierens!gibt!oder!dass!solche!Bedingungen!für!das!Selbstverständnis!des!
Phänomenologen!irrelevant!sind.!!!

!Bekanntlich!hat!sich!auch!Husserl!selbst!schon!mit!der!Differenz!zwischen!dem!
transzendentalen!Bewusstsein!und!dem!tierischen!Bewusstsein!sowie!mit!der!
Widerlegung!des!psychoFphysischen!Parallelismus!beschäftigt.!Seine!diesbezüglichen!
Ausführungen!gipfeln!regelmäßig!in!der!Feststellung,!dass!den!phänomenologischen!
Wesensgesetzen!vom!transzendentalen!Bewusstsein!eine!absolute,!den!sich!auf!Hunde!
und!Gehirnfunktionen!beziehenden!naturwissenschaftlichen!Gesetzen!hingegen!nur!eine!
vorläufige!Geltung!zukomme.!Überdies!lasse!sich!vom!Standpunkt!der!transzendentalF
phänomenologischen!Wesenswissenschaft!her!nicht!mehr!ausmachen,!als!dass!der!Hund!
mit!seinem!Spürsinn!die!Umwelt!des!Jägers!„mitkonstituiere“!sowie!dass!die!
wissenschaftliche!Bestimmung!des!Zusammenhangs!von!neurologischen!Prozessen!und!
Bewusstseinsprozessen!nicht!die!Aufgabe!des!Phänomenologen,!sondern!des!
empirischen!Naturforschers!sei.!!
!!Erweitert!man!den!Begriff!der!phänomenologischen!Phänomene!aber!auf!die!
Gegebenheit!eines!Sinnzusammenhanges!zwischen!einem!zielgerichteten!Verhalten!und!
einer!bestimmten!umweltlichen!Situation,!dann!darf!nicht!nur!das!expressive!Verhalten!
unserer!Mitmenschen,!sondern!auch!dasjenige!der!Tiere!als!ein!genuines!Phänomen!
gelten.!Dadurch!wird!auch!der!Unterschied!zwischen!einem!menschlichen!und!einem!
tierischen!Verhalten!phänomenologisch!greifbar,!und!es!eröffnet!sich!die!Einsicht!in!eine!
bestimmte!naturale!Bedingung!transzendentalen!Bewusstseins.!Husserl!hat!zwar!Recht,!
wenn!er!schreibt:!„Meine!Gehirnwindungen!erscheinen!mir!nicht.“!Aber!er!hat!Unrecht,!
wenn!er!meint,!dass!die!naturwissenschaftliche!Erforschung!von!menschlichen!
Gehirnfunktionen!deswegen!auch!phänomenologisch!irrelevant!sei.!Die!Erforschung!des!
Unterschieds!zwischen!denjenigen!Funktionen!meines!Leibkörpers,!die!mir!selbst!
erscheinen!und!denjenigen,!die!mir!prinzipiell!nicht!erscheinen!können,!ist!sicher!eine!
genuine!Aufgabe!der!Phänomenologie.!!

!!Auch!die!Frage,!welche!menschlichen!Bewusstseinsphänomene!einer!
neurophysiologischen!Analyse!zugänglich!sind!und!welche!nicht,!kann!dem!
Phänomenologen!nicht!gleichgültig!sein.!Diese!Frage!kann!zwar!in!der!Tat!letztlich!nur!
durch!die!Philosophie!beantwortet!werden,!aber!dann!doch!nur!durch!eine!mit!den!
Erkenntnissen!der!empirischen!Forschung!vertraute!Philosophie.!Die!Berufung!auf!die!
apriorisch!notwendige!Geltung!der!phänomenologischen!Wesensgesetze!des!
transzendentalen!Bewusstseins!reicht!nicht!mehr!aus.!Umgekehrt!ist!es!aber!auch!
denkbar,!dass!die!phänomenologische!Erforschung!menschlichen!Bewusstseins!und!
leiblichen!Verhaltens!der!Neurophysiologie!neue!Impulse!geben!und!sie!etwa!von!ihren!
atomistischen!Vorurteilen!abbringen!kann.!Bekanntlich!hat!MerleauFPonty!schon!in!
seinem!frühen!Werk!über!Die.Struktur.des.Verhaltens!Wege!einer!solchen!gegenseitigen!
Befruchtung!aufgezeichnet.!!!

!All!dies!zeigt,!dass!es!auch!innerhalb!der!Phänomenologie!Grenzen!der!Sinnbildung!und!
Grenzen!einer!allgemeinen!Wesensbestimmung!des!transzendentalen!Bewusstseins!gibt.!
In!beiden!Fällen!müssen!diese!Grenzen!allerdings!weniger!überF!als!unterschritten!
werden.!Der!letzte!Grund!aller!Phänomenologie!liegt!nämlich!in!nichts!anderem!als!in!der!
Empirie!der!Erfahrung.!Das!bedeutet!zwar!nicht,!dass!der!Phänomenologe!sich!von!dieser!
Empirie!ans!„Gängelband“!nehmen!lassen!und!sich!damit!begnügen!muss,!einfach!die!
Geschichte!der!eigenen!Erfahrungen!zu!erzählen.!Aber!es!sind!letztlich!doch!die!
erfahrenen!Phänomene!selbst,!die!darüber!befinden,!welche!Wissenschaft!von!ihnen!
möglich!und!wie!viel!von!dieser!Wissenschaft!der!phänomenologischen!Forschung!
zuträglich!ist.!!!!

Von.der.Redaktion.gekürzter.Text.!!!!

UNSER!AUTOR!:!!!Rudolf'Bernet!ist!Professor!für!Philosophie!an!der!Universität!Leuven!
und!Leiter!des!dortigen!HusserlFArchivs.!!

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