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Technik

Geplanter Durchgangsbahnhof Stuttgart (Entwurf)

DB-PROJEKT STUTTGART 21 / DAPD


VERKEHR

Rennbahn in der Randlage


Das Projekt „Stuttgart 21“ und die Neubaustrecke nach Ulm sind ein verkehrspolitischer Irrweg.
Die Großinvestition bietet kaum Vorteile für den Fernverkehr. Andere Schienenprojekte wären
weit wichtiger. Fachleute und sogar ein Bahn-Vorstand warnten frühzeitig – und wurden übergangen.

E
s gibt Hunderte kleiner Gründe, ge- schen Verkehrspolitik – und mit Abstand „Stuttgart 21“ und der Neubaustrecke
gen „Stuttgart 21“ zu sein. Die meis- die umstrittenste. nach Ulm?
ten sind Bäume. Auf deren Ästen Eine Werbekampagne der Initiatoren Eine Antwort liefert Bahn-Chef Rüdi-
im Schlossgarten der Landeshauptstadt greift die Argumente der Kritiker inzwi- ger Grube. Das Bauprojekt, erklärt er,
hocken derzeit erboste Bürger und pro- schen auf und stellt vermeintlich bessere „beseitigt den größten Engpass auf der
testieren gegen die Motorsägen der dagegen. Was die Bäume betrifft, fällt das Hochgeschwindigkeitsstrecke von Paris
Macht. Die Großdemonstration gegen die noch vergleichsweise leicht: 282 werden nach Bratislava“.
Tieferlegung des Hauptbahnhofs gewinnt gefällt, 293 sollen neu gepflanzt werden. Grube ist seit gut einem Jahr für die
zunehmend Volksfestcharakter. Was das Geld betrifft, ist die Argumen- Bahn tätig und hat sich offensichtlich noch
Und es gibt einen großen, wirklich trif- tationslage schlechter. „Es stimmt“, er- nicht ausreichend eingearbeitet. Hilfreich
tigen Grund gegen „Stuttgart 21“, einen, fährt der Bürger von den Plakatwänden, für ihn wäre etwa eine Bahnfahrt von
der alle Deutschen angeht, ob sie in Stutt- „dass ,Stuttgart 21‘ eine teure Angelegen- Paris nach Bratislava. Gut 13 Stunden Rei-
gart wohnen oder nicht: Geld. Das viele, heit wird.“ Doch dafür gebe es „Milliar- sezeit würden wohl genügen, um zu er-
viele Geld, das dort vergraben werden soll. den von Bahn, Bund, Land und EU“. kennen, dass es diesen Expresskorridor
4,1 Milliarden Euro sollen nach derzei- Welch ein Trost. gar nicht gibt und dass auch ein Tunnel-
tiger Schätzung in die Untertunnelung Die Adressaten dürften schlau genug komplex durchs schwäbische Karstgestein
der baden-württembergischen Hauptstadt sein, um zu wissen, dass sie nicht nur die Verbindung nicht wesentlich attrakti-
fließen, knapp 3 weitere in die sich an- Stuttgarter sind, sondern auch Deutsche ver machen dürfte.
schließende Neubaustrecke nach Ulm. und Europäer, dass das Geld des Bundes „Für den Fernverkehr bringt ,Stuttgart
„Stuttgart 21“ ist eine der teuersten Infra- auch von ihnen kommt. Was aber hat die 21‘ nichts“, konstatiert der Düsseldorfer
strukturmaßnahmen der aktuellen deut- Bahn, der Bund oder gar die EU von Ingenieur Sven Andersen. Anders als
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Grube verbrachte er ein gesamtes Berufs- Und die Situation war auch nicht an- Dürr, ein Branchenfremder wie heute
leben bei der Bahn, zuletzt als Fachmann ders, als Professor Gerhard Heimerl 1988 Grube, war begeistert von „Stuttgart 21“
für betriebliche Fragen. Andersen zählt erstmals die Tunnelidee vorstellte. Bahn- und resistent gegen kompetente Warner.
zu den kompetentesten Kritikern des Experten erteilten dem Plan denn auch Im Februar 1994 legte Ulf Häusler, Vor-
deutschen Schienenwesens und sieht in eine klare Absage. Eberhard Happe, Lei- stand im Unternehmensbereich Fahrweg,
„Stuttgart 21“ und der damit verbundenen ter Zugförderung der Bahn in Hamburg, ein Informationspapier zur Beantragung
Neubaustrecke Wendlingen–Ulm „ein analysierte den Entwurf im Februar 1992 des Raumordnungsverfahrens für die Stre-
verkehrspolitisches Desaster“. in einem Fachaufsatz. Es sei sinnvoll, cke Stuttgart–Ulm vor. Unter Punkt 2,
Das Projekt dokumentiere eine totale heißt es darin, „die Reisenden zwischen „Antragstrasse“, steht: „Die Anfahrt Stutt-
Verkennung der Rolle Stuttgarts im deut- Rhein/Ruhr, Frankfurt und München auf gart Hbf wie heute“.
schen und europäischen Schienennetz: die Züge über Würzburg zu bringen“. Zu den „Kernforderungen des Landes
„Stuttgart ist kein Durchgangsort, son- Und dann der entscheidende Satz: „Da- (Fernbahntunnel Stuttgart mit Anbindung
dern ein Zielort. Der Umbau zum Durch- des Hauptbahnhofs)“ schreibt Häusler:
gangsbahnhof verbessert keine nennens- Bahn-Chef Dürr reagierte „Diese Forderungen konnten nicht Ein-
werte Reiseverbindung.“ gang finden.“ Betriebswirtschaftlich wür-
Schon ein Blick auf die Landkarte zeigt: auf die Kritik an „Stuttgart 21“ mit de sich der Bau „selbst bei der Addition
Die Landeshauptstadt befindet sich in ei- einem Disziplinarverfahren. günstigster Annahmen“ nicht rechnen.
ner Randlage. Alle schnellen Verbindun- Doch Landes- und Stadtregierung blie-
gen zwischen wichtigen Wirtschaftsräu- mit entfällt aber die Notwendigkeit, die ben am Ball. Zu verlockend war ein sol-
men gehen über andere Orte: Die Strecke Strecke Stuttgart–Ulm mit Milliardenauf- ches Bauprojekt für die regionale Wirt-
von Frankfurt nach Zürich läuft über wand extrem schnell zu machen.“ schaft, geradezu paradiesisch die Vorstel-
Karlsruhe und Basel; die Strecke von Noch schärfer kritisierte Bahn-Mana- lung für die Stadt, die riesige Fläche des
Frankfurt bis München führt über Würz- ger Happe den geplanten Tunnel unter bisherigen Gleiskörpers erwerben und in
burg und Nürnberg. Die Bahn sieht auf Stuttgart mit seinem im Gefälle liegenden Baugrund umwandeln zu können. Die
diesen wichtigen Routen auch große Bahnhof: „Eine Bahnsteiggleisneigung in Kunst bestand nun darin, auch Bund und
Zuwächse voraus. Der Korridor Stutt- einem Großstadtbahnhof von mehr als Bahn für den Schwabenstreich zu gewin-
gart–Ulm–München dagegen bleibt ein 16 Promille – die nach der Eisenbahn-Bau- nen. An den Schaltstellen saßen immer-
dürrer Strich auf der Prognosekarte (siehe und Betriebsordnung nicht zulässig ist – hin zwei Landsleute.
Grafik). „Hinter Stuttgart bricht der Ver- muss als kriminell angesehen werden.“ Zwei Monate nach dem negativen Be-
kehr stark ab“, erklärte der damalige Lei- Das scharfe Urteil hatte Folgen – für scheid seines Vorstandskollegen verkün-
ter Netzmanagement Wolfgang Weinhold Happe. Der damalige Bahn-Chef Heinz dete Dürr auf einer heute legendären
im Juni 2007 auf einer Fachtagung der Dürr strengte gegen ihn ein Disziplinar- Pressekonferenz mit Verkehrsminister
Technischen Universität Darmstadt. verfahren an – ohne Erfolg. Matthias Wissmann, Ministerpräsident Er-

Nebenschiene Stuttgart Bahnstrecken mit besonders hoher Auslastung


Flensburg Flensburg
PROGNOSE FÜR

2004 Hamburg
Kiel
Lübeck Rostock 2015 Hamburg
Kiel
Lübeck Rostock

Emden Schwerin Neustrelitz Emden Schwerin Neustrelitz


Bremen Bremen
Stendal Berlin Stendal Berlin
Hannover Hannover
Osnabrück Magdeburg Osnabrück Magdeburg
Frankfurt (Oder) Frankfurt
Emmerich Braun- Emmerich Braun- (Oder)
Münster schweig Münster schweig
Duisburg Duisburg
Dortmund Halle Dortmund Halle
Düsseldorf Kassel Leipzig Dresden Düsseldorf Kassel Leipzig Dresden
Köln Köln
Aachen Gießen Erfurt Gießen Erfurt
Aachen
Fulda Zwickau Koblenz Fulda Zwickau
Koblenz Frankfurt am Main Frankfurt am Main

Trier Mainz Würzburg Trier Mainz Würzburg

Mannheim Nürnberg Mannheim Nürnberg


Saarbrücken Karlsruhe Regensburg Karlsruhe
Saarbrücken Regensburg

Stuttgart Augsburg Passau Stuttgart Augsburg Passau


Ulm
U
München München
Freiburg Salzburg Freiburg Salzburg
Basel Basel
Quelle: Deutsche Bahn

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Technik

win Teufel und Stuttgarts Oberbürger- lässigte Altstrecke schon einmal in besse- muss dann einen Zug entwickeln, der
meister Manfred Rommel den Startschuss rem Zustand. Eine Viertelstunde ließe eigentlich für einen simplen Fahrdienst
für das Großprojekt. Alle vier sind Schwa- sich auch durch ihre Modernisierung ge- mit bis zu 250 Stundenkilometer gedacht
ben, alle plädierten für den Tunnelbau. winnen. Die Kosten wären geringer und ist, gleichwohl aber die anspruchsvolls-
Der Grundstein für eine gigantische Geld- die Reisezeit von München nach Stuttgart ten derzeit verfügbaren Bremsen haben
vernichtung war gelegt. mit gut zwei Stunden durchaus attraktiv. muss – nur wegen eines kleinen Stre-
Die Frage, was Dürr motiviert haben Rechtfertigen ließe sich der Neubau ckenabschnitts zwischen Stuttgart und
mag, „Stuttgart 21“ zu fördern, lässt nur, wenn er auch in großer Zahl mehr Ulm.
Raum für Interpretationen. Der Spross Menschen auf die Schiene locken würde. „Stuttgart 21“, so die bittere Bilanz, be-
einer Stuttgarter Industriellenfamilie Die Bahn preist in einer Präsentation zum deutet keinen Fortschritt, sondern hor-
konnte sicher beurteilen, was so ein Bau- Thema jedoch nur die verbesserten Ver- renden Aufwand mit kaum messbarem
projekt der lokalen Wirtschaft bringt. bindungen von Mannheim, Frankfurt Nutzen. Doch anders als andere, wirklich
Dass es der Bahn schadet, hat der zustän- oder Köln in das Städtchen Ulm an. dringende Bauprojekte ist es durch alle
dige Vorstand ihm rechtzeitig mitgeteilt. Die weit wichtigere Verbindung Frank- Genehmigungsinstanzen durch.
Doch zunächst einmal ruhte das Vor- furt–München wird weiter über Nordbay- Seit Jahren wünschen sich Netz-Fach-
haben. Dürrs Nachfolger Johannes Lude- ern laufen, wie es der von Dürr geschol- leute der Bahn etwa eine Hochgeschwin-
wig, ein farbloser und vorsichtiger Mann tene Kritiker Happe bereits vor 18 Jahren digkeitstrasse zwischen Mannheim und
aus dem Polit-Betrieb, legte „Stuttgart darstellte. Über diese Strecke erreichen Frankfurt – von der auch Stuttgart profi-
21“ fürs Erste auf Eis. die Reisenden schon heute schneller ihr tieren würde. Sie soll eine entscheidende
An die Schwelle zur Vollstreckung Ziel, als es über Stuttgart und Ulm nach Lücke im deutschen Schienenverbund
brachte das Bauprojekt erneut ein Bran- dem kompletten Ausbau möglich wäre. schließen, scheitert aber bislang an Ab-
chenfremder. Wenn Dürr im Rückblick Die Rennbahn in der Randlage ist zu- stimmungsquerelen mit den Stadtregie-
der Bahn-Chef des Unvermögens war, Lu- dem ein sehr delikates Bauwerk. Sie führt rungen von Mannheim, Darmstadt und
dewig der des Zauderns, dann war Hart- durch Karstgestein, mit von außen schwer Frankfurt.
BERND WEISSBROD / PICTURE-ALLIANCE / DPA (L.); BEN BEHNKE (R.)

„Stuttgart 21“-Förderer Dürr, Rommel, Wissmann, Teufel 1995, Kritiker Happe: „Die Bahnsteiggleisneigung muss als kriminell angesehen werden“

mut Mehdorn der Bahn-Chef des Mach- detektierbaren Hohlräumen, die die Bau- Auch mit einer besseren Schienenver-
barkeitswahns. Der frühere Luftfahrtma- kosten noch weiter in die Höhe treiben bindung nach Paris wäre Stuttgart mehr
nager, der den Schienenbetrieb um jeden könnten. geholfen als mit einem Bahnhof im Kel-
Preis an die Börse bringen wollte, der die Und auch die Züge, die diese Trasse be- lergeschoss. Die Reisezeit liegt noch im-
Bahn beinhart in die Qualitätskatastro- fahren dürfen, werden außergewöhnlich mer bei vier Stunden, obwohl auf der
phe sparte, hatte eine Vorliebe für über- teuer sein. Die an der Autobahn entlang- Strecke inzwischen ICE- und TGV-Züge
dimensionale Bauwerke. „Stuttgart 21“ geführten Gleise beschreiben in einem 16 verkehren. Was fehlt, ist ein gutes Gleis –
ging in die Realisierung. Kilometer langen Abschnitt ein mittleres jedenfalls auf deutscher Seite.
Nicht einmal eine professionelle Infra- Gefälle von knapp 25 Promille. Eine Steil- Die französische Bahn legte bereits
strukturplanung gelang. Als das Schwei- strecke von solcher Länge „entspricht der eine Hochgeschwindigkeitstrasse bis nah
zer Verkehrsplanungsbüro SMA das Kon- Charakteristik von Alpenbahnen“, urteilt an die Grenze. Deutschlands und Frank-
zept 2008 im Auftrag des Landes unter- Andersen. Als Hochgeschwindigkeitskor- reichs Verkehrsminister unterzeichneten
suchte, stießen die Experten auf blamable ridor stellt sie enorme Ansprüche an An- vor über 18 Jahren eine Vereinbarung,
handwerkliche Fehler. trieb und Bremsen des Zuges. nach der auch die Deutschen für eine An-
Vor allem erweist sich der enge acht- Von allen in Europa verkehrenden bindung an ihr Hochgeschwindigkeitsnetz
gleisige Transitbahnhof als völlig unge- Hochgeschwindigkeitszügen könnte der- sorgen sollten – ein Versprechen, das sie
eignet für die Bedürfnisse der Stadt. „En- zeit nur der ICE 3 dort eingesetzt werden, bis heute schuldig blieben.
dende Züge müssen so gut wie möglich da er über Unterflurantriebe und eine zu- Der Lückenschluss nördlich an Straß-
vermieden werden“, urteilte SMA – für sätzliche Wirbelstrombremse verfügt, die burg vorbei würde gut 40 Minuten Reise-
Stuttgart als klassischen Zielort im Bahn- elektromagnetisch und damit ermüdungs- zeit einsparen, errechnete Bahn-Experte
netz eine absurde Forderung. frei arbeitet. München–Stuttgart ist aber Andersen. Die Verbindungen von Frank-
Weitere Probleme bereitet die Neubau- eine klassische Intercity-Linie, die vor- furt und Stuttgart nach Paris wären erst-
strecke nach Ulm. Sie wird die Reisezeit wiegend von alten, lokbespannten Zügen mals konkurrenzfähig mit dem Flugzeug.
auf der Route Richtung Osten tatsächlich bedient wird. Die Baukosten lägen bei 1,5 Milliarden
um eine halbe Stunde verkürzen. Aller- Die Bahnindustrie wird für diese im Euro – weniger als ein Viertel des Budgets
dings war die inzwischen stark vernach- laufenden Jahrzehnt Ersatz schaffen. Sie für „Stuttgart 21“. C�������� W���

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