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Zweiter Weltkrieg: Heinrich Rothmund rehabilitiert

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Nummer 23 — 8. Juni 2017 – 85. Jahrgang – Fr. 8.50 (inkl. MwSt.) – Euro 6.90

George Washington, US-Präsident Winston Churchill, Premierminister Oliver Hardy, Schauspieler Wolfgang Amadeus Mozart, Komponist

John Wayne, Schauspieler Franklin D. Roosevelt, US-Präsident

Die Freimaurer
Eine längst verdiente
Würdigung
Jonas Furrer, Bundesrat Friedrich der Grosse, König

Johann Wolfgang von Goethe, Dichter Felix Salten, «Bambi»-Erfinder Wilhelmine von Bayreuth, Markgräfin John Glenn, Astronaut
Italienischer Patriot Giuseppe Garibaldi. Amerikanischer Gründervater Benjamin Franklin. Bundesrat Friedrich Frey-Herosé.

Gesellschaft

Humanität, Toleranz, Freiheit


Von Roger Köppel _ Die moderne Freimaurerei feiert Geburtstag. Vor 300 Jahren, am 24. Juni 1717,
wurde in einer Londoner Spelunke die erste Grossloge gegründet. Der Bund verschwiegener Männer
hat die Welt zum Guten verändert. Höchste Zeit für eine Würdigung.

Gefährlicher Geheimbund? Weltverschwörer? Erwachsenenlebens der eigenen Vervoll­ und Zirkel, mit Senkblei, Hammer und Kelle
Naive Esoteriker? Okkultisten mit einem kommnung widmen und nach Absolvierung nichts Geringeres als Lebenssinn, Selbst­
Hang zur Finsternis? Das alles sind unsinnige von vielen Graden vom Lehrling zum Gesellen wertgefühl und eine grundsätzlich optimisti­
Vorurteile. Sie ranken sich um die Tatsache, und schliesslich zum Meister aufrücken. Da­ sche Weltsicht: «Siehe, die Erde ist nicht
dass die Freimaurer ihre innersten Geheimnis­ bei verstehen sich die Freimaurer ausdrück­ ­verdammt.»
se gewahrt haben. Diese Diskretion hat schon lich nicht als Anbieter eines Religionsersatzes. Der Beitrag der Freimaurerei als Ganzes und
früher irritiert, und sie mag uns Heutige im Sie stehen vielmehr Menschen jeden Bekennt­ einzelner Freimaurer an unsere Politik, Kul­
Zeitalter völliger Transparenz erst recht irri­ nisses offen, üben Toleranz und brüderliche tur, Wirtschaft und Wissenschaft ist unermess­
tieren. Doch Bedenken sind fehl am Platz. Nächstenliebe und leisten enorm viel Gutes. lich. Schon unmittelbar nach der Gründung
Zum einen, weil die Freimaurerlogen längst Das soziale Engagement der Frei­ von 1717 gelang es, unter den «frei­
privatrechtliche Vereine mit demokratischen maurer erfolgt nicht im Stil auf­ en Männern mit gutem Ruf»
Strukturen sind. Und zum anderen, weil eine geblasener Gutmenschen, die sich ­einflussreiche Persönlichkeiten zu
Gesellschaft von Freien eine freie Gesellschaft ­ihrer Taten laut rühmen. Vielmehr gewinnen, etwa Franz Stephan
nicht gefährdet, sondern bereichert. Unser soll die rechte Hand beim Spenden von Lothringen, den späteren
freiheitliches Staatswesen macht es sich glück­ nicht wissen, was die linke tut. ­römisch-deutschen Kaiser Franz I.
licherweise zur Pflicht, staatsfreie Sphären zu Beim Geben herrscht also genau Auch der Prinz von Wales und
schützen: die Familien, die Vereine, die Kir­ wie bei der Tempelarbeit wohl­ Friedrich der Grosse liessen sich
chen – und auch die Freimaurer mit ihren Ge­ tuende ­Verschwiegenheit. nicht lange bitten. Doch tages­
heimnissen. Darum konnte und kann die Frei­ Die Zahl von weltweit einigen politische oder konfessionelle
maurerei nur in freiheitlichen Ländern Millionen Freimaurern ist gross und klein zu­ Streitigkeiten blieben tabu; als Leitidee etab­
gedeihen. Wo immer rote, braune oder isla­ gleich. Gross bezüglich der Auswahl einer Eli­ lierte sich die brüderliche Gemeinschaft. Der
mistische Diktatoren triumphierten, haben te in verschiedensten Berufen, die in ihrer Um­ englisch-schottische Ritus setzte sich bis heute
sie die Logen verboten und die Freimaurer ver­ gebung zweifellos überdurchschnittlichen zur Hauptsache durch, auch wenn sich maure­
folgt, vertrieben und leider oft genug sogar Einfluss ausübt. Bezüglich einer Weltbevölke­ rische Nebenlinien entwickelten und unter
­ermordet. rung von siebeneinhalb Milliarden Menschen dem Deckmantel der Freimaurerei selbstver­
stellen die Freimaurer indessen einen ver­ ständlich auch Missbrauch und Scharlatanerie
Vom Lehrling zum Meister schwindend kleinen Anteil, was Vorwürfe getrieben wurde.
Ein Weiteres kommt hinzu: In unserer Zeit der über ihre angebliche Weltmachtstellung lä­
Vermassung und Verblödung, in der fast alle cherlich macht. Nach wie vor fasziniert die ein­ Aufgeklärte Geister
Menschen fast gleich aussehen, dasselbe tra­ zelnen Freimaurer aber das rituelle Erlebnis, Ob sich die Freimaurer zu Recht auf antike Vor­
gen und konsumieren, ist jedermann, der sich das verinnerlichte Geheimnis. Zudem deckt bilder, mittelalterliche Tempelritter, Stein­
von der Masse absetzt, eine Bereicherung. Dies die Freimaurerei das Bedürfnis nach mensch­ metzzünfte oder Dombauhütten zurückfüh­
gilt ganz besonders für die Freimaurer, die ei­ licher Nähe und Freundschaft. Der Einzelne ren, darf hier offenbleiben – und kann der
nen erheblichen Teil ihrer Freizeit und ihres findet in der Tempelarbeit mit Winkelmass wissenschaftlichen Forschung wohl kaum
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Bilder: (2) Wikimedia Commons, IBA-Archiv (Keystone)
Amerikanischer Präsident Gerald Ford. Britischer König Edward VII. Komponist Joseph Haydn.

standhalten. Was sich in der Neuzeit an maure­ sen-Reformer Stein. Bei der nationalen Eini­ verfassung, die heute allzu viele darauf verei­
rischem Gedankengut von England nach gung Italiens wirkten maurerische Patrioten digte Politiker ignorieren oder für persönliche
Schottland und Irland, nach Frankreich, Italien, wie Giuseppe Garibaldi, Giuseppe Mazzini Interessen umdeuten. Der Berner Albert Steck
Deutschland und ganz besonders in die ameri­ oder Luigi Settembrini mit, Letzterer das lite­ gründete 1888 die Sozialdemokratische Partei
kanischen Kolonien ausbreitete, ist eindrück­ rarische Vorbild von Thomas Manns Freimau­ der Schweiz. Er sagte von sich, er wäre ohne
lich genug. Das Zeitalter der Aufklärung hat die rer im «Zauberberg». In neuerer Zeit sorgte ­Loge nicht Sozialdemokrat geworden, denn
Freimaurer geprägt – und die Freimaurer haben ­allerdings die 1982 wegen Mafiaverbindungen diese habe ihm «den verlorenen Zusammen­
die Aufklärung geprägt: Die Franzosen Voltaire, und Staatsstreichplänen aufgelöste Römer hang mit den Menschen wiedergegeben».
Lafayette, Talleyrand oder Napoleons Brüder ­Loge P2 für unliebsame Schlagzeilen. In Gross­ Weil die englische Mutterloge das Bekenntnis
waren ebenso Freimaurer wie in Deutschland zu Gott als «allmächtigem Baumeister aller
Dichter und Denker wie Klopstock, Wieland, Mit den Dogmen der katholischen Welt» verlangte, im Grand Orient de France
Herder, Fichte, Schlegel und selbstverständlich seit 1877 aber auch Atheisten aufgenommen
Johann Wolfgang G ­ oethe. Gotthold Ephraim
Kirche steht die Freimaurerei bis wurden, kam es in der Schweiz noch im
Lessing nannte die Freimaurerei «ein Notwen­ heute in Konflikt. 20. Jahrhundert zu erheblichen Spannungen
diges, das in dem Wesen des Menschen und der und Abspaltungen.
bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist». In der britannien stehen noch immer Vertreter des Mit den Dogmen der katholischen Kirche
Wiener Loge wirkten die Komponisten Joseph Hochadels an der Spitze der Grosslogen, in steht die Freimaurerei bis heute in Konflikt.
Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Mo­ Skandinavien sind es gar gekrönte Vertreter Wirklich gefährlich war allerdings die Verfol­
zarts «Zauberflöte» ist – sofern man sich nicht der jeweiligen Monarchien. gung durch Mussolini und Hitler. Zuvor hat­
einfach durch die Musik verzaubern lässt – in­ ten viele Menschen in der Zwischenkriegszeit
haltlich ohne Kenntnis der Freimaurerei schwer Knigge, Bambi, Toblerone vergeblich auf eine deutsch-französische Ver­
verständlich. Offiziere in französischen Diensten brachten ständigung gehofft. Eine solche verkörperten
Am Ursprung der amerikanischen Unab­ die Freimaurerei 1736 in die Westschweiz, spä­ zwei Freimaurer und Friedensnobelpreisträ­
hängigkeit standen bedeutende Freimaurer, ter nach Basel und Zürich. Im 19. Jahrhundert ger, nämlich Gustav Stresemann und Aristide
etwa der Gründervater Benjamin Franklin. waren die Logenbrüder zumeist Angehörige Briand. Im Zweiten Weltkrieg konnten die fa­
Der erste Präsident, George Washington, legte des liberalen Bürgertums. 1847 organisierte schistischen Gewaltherrscher sogar mit guten
den Grundstein des Kapitols mit umgehäng­ die Zürcher Loge Modestia cum Libertate im Gründen drei prominente Freimaurer als Tod­
ter Freimaurerschürze. Unter den späteren Sonderbundskrieg einen unparteiischen, zivi­ feinde ihrer Diktaturen benennen: Winston
vierzehn US-Präsidenten, die dem Bund der len Verwundetentransport und nahm damit Churchill, Franklin D. Roosevelt und Harry S.
Freimaurer angehörten, seien hier James Mon­ die Rotkreuzidee vorweg. Dem bedeutenden Truman.
roe, Andrew Jackson, Theodore Roosevelt oder Staatsdenker und Freimaurer Ignaz Paul Vital Wir verdanken Freimaurern die Dampfma­
Gerald Ford genannt. Die Dollarnote krönt das Troxler verdanken wir das Zweikammersys­ schine, den Knigge, die Ausgrabung Trojas,
Auge Gottes über einer Pyramide, zwei wichti­ tem nach amerikanischem Vorbild. Die ersten den Detektiv Sherlock Holmes, das «Dschun­
ge Symbole der Freimaurerei. Nur gerade 500 Bundesräte Friedrich Frey-Herosé und Stefa­ gelbuch», das Reh Bambi, die Automarken
Zuschauer fanden sich 1884 zur Grundsteinle­ no Franscini waren ebenso Freimaurer wie Ford und Chrysler, das Penicillin, die
gung der amerikanischen Unabhängigkeits­ Bundespräsident Jonas Furrer, der 1848 zu­ Suchard-Schokolade und die Toblerone. Der
statue ein, darunter hundert Freimaurer. gleich als «Grossredner» der Schweizer Gross­ 300-jährige Bruderbund der Freimaurer ver­
Denn die «Miss Liberty» war ein Werk der loge Alpina amtete. In deren Grundsätzen dient mindestens weitere 300 Jahre. Er widmet
Freimaurer Frédéric-Auguste Bartholdi, steht wörtlich: «Der schweizerische Freimau­ sich vorbildlich jenem Auftrag, den G ­ oethe so
Gustave Eiffel und Richard Morris Hunt. rer macht es sich zur Pflicht, die Freiheit und formuliert hat: «Die Pflege des reinen Men­
Dass Freimaurer dem Internationalismus Unabhängigkeit des Vaterlandes zu verteidi­ schentums – der Humanität und Bruderliebe
huldigten und den Nationalstaat ablehnten, gen und zur Erhaltung des inneren Friedens – frei von allen Vorurteilen der Rasse, des Stan­
widerlegen in Deutschland die Beispiele von in Wort, Schrift und Tat nach Kräften beizutra­ des und einer allein seligmachenden Religion,
Fürst Blücher, General Scharnhorst oder Preus­ gen.» Dies entspricht exakt unserer Bundes­ das ist die Aufgabe der Freimaurer.» g
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Bilder: (2) Wikimedia Commons, Photo12 (UIG, Getty Images),
Einblicke

Eine kosmopolitische Bewegung


Von Roman Weissen _ In 86 Schweizer Logen verpflichten sich die Freimaurer zur
­P­ersönlichkeitsbildung und zur konkreten Umsetzung der angestrebten Ideale.
Gegenseitige Achtung ist besonders wichtig.

Die Organisation der modernen Freimaurerei


hat ihre Wurzeln in England, wo am 24. Juni
1717 die «Grossloge von London und Westmins­
ter» gegründet wurde. Der eigentliche Ur­
sprung reicht je nach Theorie zurück bis zum
Bau des Tempels Salomons und in die Zeit der
Baumeister der mittelalterlichen Dome und
Kathedralen. Der schottische Theologe James
Anderson formulierte 1723 als erster Gross­
meister die erste freimaurerische Verfassung.
Dieses Grundgesetz («Alte Pflichten») der Frei­
maurer regelt das Verhältnis der Mitglieder
­untereinander sowie zu Politik, Reli­gion und
Wirken in der Öffentlichkeit. An der Spitze
­jeder einzelnen Bruderschaft steht der «Stuhl­
meister» als demokratisch gewählter Vorsteher.
Anderson schloss Frauen von der Teilnahme
aus. Inzwischen gibt es weltweit analog der
zeitgemässen Gleichstellung von Mann und
Frau auch engagierte Frauenlogen. Das Ritual
der Freimaurer wurde nach Gründung der ers­
ten Grossloge modifiziert und das Aufnahme­
ritual in drei Teile gegliedert. ­Daraus entstan­ Hort der geistigen Selbstbefreiung: Logenhaus «Zum Neuen Venedig» in Basel.
den um 1730 die noch heute gültigen Grade der
Lehrlinge, Gesellen und Meister. stehen, sondern als Respekt vor der Freiheit Der Freimaurerbund ist in nationalen Gross­
des anderen, der jedoch immer dann endet, logen organisiert; jede Grossloge arbeitet sou­
Humanitär und weltumspannend wenn ethische Werte, vorab die Menschen­ verän und unabhängig. Ein internationaler
Unzählige Bücher und Dokumente im Web rechte, gefährdet sind. Bei der Freimaurerei ­Informationsaustausch ist Garant für das ver­
thematisieren Fragestellungen bezüglich der handelt es sich um ein philosophisches Lehr­ traute Miteinander der weltumspannenden
ältesten und weltweit grössten «Bruder­ gebäude, das nach einer Menschheit strebt, die Brudergemeinschaft. Ihr Ziel besteht in der
schaft» der Welt. Die Freimaurerei beschäftigt in Frieden und gegenseitiger Achtung lebt. Erziehung seiner Mitglieder zum wahren
Menschen und Öffentlichkeit seit Jahrhun­ ­Ihre Mitglieder aus allen Berufen und Schich­ Menschentum. Die Lehre läuft einerseits auf
derten: Geheimbund, Weltherrschaft, Teufels­ ten, die das Individuum in den Mittelpunkt die Persönlichkeitsbildung und anderseits auf
kult, Verschwörungen, Geld und Macht sind ihrer Tätigkeit setzen, engagieren sich für die die Verpflichtung hinaus, die maurerischen
Begriffe, die in allen Ländern und auf allen Grundrechte und die Würde aller Menschen. Ideale in den Logen und im täglichen Leben
Kontinenten Interesse und Irritati­ Der Freimaurerbund anerkennt
onen hervorriefen – Assoziationen und verteidigt jederzeit und über­
Ausstellung
und Vorurteile, die Idee, Wirklich­ all die Freiheit des Glaubens und
keit und Einfluss der Freimaurerei Gewissens. Er respektiert jede reli­
in ein völlig falsches Licht stellten. giöse Überzeugung und deren Aus­ «Die Freimaurer. Les Francs-Maçons.­
Die modernen Freimaurer und ihre übung und gibt keiner bestehen­ The Freemasons»: Bernisches Historisches
Organisa­tionsstrukturen sind kei­ den Religionsgemeinschaft ein ­Museum in Kooperation mit der Berner Frei­
neswegs geheim. Dementspre­ Primat. Die Bezeichnung «All­ maurerloge zur Hoffnung, 15. 6.–3. 9. 2017.
chend ist die Freimaurerei nicht als mächtiger Baumeister aller Wel­ Die Ausstellung befasst sich mit der Ge­
­Geheimbund zu betrachten; ihre ten» überlässt jedem Einzelnen ein schichte und der Gegenwart der Freimau­
Sat­zungen sind in Archiven und Bibliotheken persönliches Gottesverständnis. Die Werkzeu­ rerei, thematisiert ihre Ziele, Rituale und
für j­ edermann frei zugänglich. ge sind das Winkelmass und der Zirkel mit ih­ Symbole und lädt Besucherinnen und Besu­
Die Freimaurerei versteht sich als humani­ rer starken Symbolik: Sinnbilder für Ordnung cher ein, sich mit den Geheimnissen der
täre, kosmopolitische und international ver­ und Gesetz sowie umfassende Liebe. ­Logen und mit den Vorurteilen gegenüber
netzte Vereinigung, die gegen sechs Millionen den Freimaurern auseinanderzusetzen.
Mitglieder zählt. Allein in der Schweiz gibt es Erziehung zum wahren Menschentum ­Höhepunkt der Ausstellung bildet das Er­
86 Logen, die sich den Werten der Aufklärung Das freimaurerische Gedankengut ist heute leben eines Rituals im mit originaler Aus­
wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Men­ überall auf der Welt verankert. Entsprechende stattung nachgebauten Tempel der Loge
schenwürde und Toleranz verpflichten. Die Leitelemente finden wir in den Verfassungen zur Hoffnung in Bern.
gelebte Toleranz ist nicht als Passivität zu ver­ vieler Länder, insbesondere in Demokratien.

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Bild: Georgios Kefalas (Keystone)
durch das eigene, persönliche Handeln aktiv
umzusetzen. Diese maurerische Grundhal­ Freimaurer
tung erklärt auch, weshalb kollektives Han­
deln und Auftreten in der Öffentlichkeit Wie kam es zur Gründung? tung und Antworten auf viele Fragen auf­
schwierig sind und der einzelne Freimaurer Männer verschiedenen Standes verspürten grund eines humanistischen Weltbildes.
vor allem als stiller Einzelkämpfer wahr­ das Bedürfnis, uraltes Wissen und spezifi­
genommen wird. sche Kenntnisse weiterzugeben und le­ Worin besteht das Programm?
Die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit benslang an der eigenen Vervollkomm­ Der Freimaurer soll in seinem Umfeld – in
über freimaurerische Rituale, Gepflogenhei­ nung zu arbeiten. Zudem suchten sie nach Familie, Beruf und Gemeinschaft – beispiel­
ten im Tempel sowie private und vertrauliche einer Sphäre des Vertrauens und gegensei­ haft und positiv wirken und so die Gesell­
Informationen über andere Mitglieder ver­ tigen Austausches. schaft im Rahmen seiner Möglichkeiten
pflichtet. Dieser Schutz der Privatsphäre ist für weiterbringen.
Freimaurer die Grundvoraussetzung für den Welche Rolle spielen sie heute?
freien Ideenaustausch und die offene Mei­ Ihre öffentliche Rolle ist sicher geringer als Wie wird man Freimaurer?
nungsäusserung. Gerade in der heutigen Zeit in früheren Jahrhunderten. Wie bei allen Es gibt keine öffentliche Anwerbung. Wer
gewinnen die geschützten Räume der Logen Vereinigungen, Parteien oder Klubs, die ei­ sich angesprochen fühlt, wendet sich an
an Bedeutung. Sie sind ein Hort der Diskretion ne gewisse Verbindlichkeit verlangen, gibt ­einen Freimaurer oder an eine Loge. Der
und Verschwiegenheit, um sich untereinander es gewisse Nachwuchssorgen. Doch ange­ Suchende klopft an die Pforte und wird bei
jederzeit vertrauensvoll begegnen zu können. sichts der Komplexität der Welt suchen die Eignung mit allen Pflichten und Rechten
Überall auf dem Globus können Freimaurer Menschen wieder vermehrt Verantwor­ aufgenommen.
über ihre «Erkennungszeichen» und auf
«Maurerwort» Gespräche führen und einen
brüderlichen Informations- und Gedanken­ von den 55 Mitgliedern der konstituierenden denn je. Sie verkörpert ein modernes Welt­
austausch pflegen. Nationalversammlung deren 50. Sämtliche bild und ein zeitgemässes «Weltethos».
Gouverneure der 13 Gründungsstaaten waren ­Jeder einzelne Freimaurer engagiert sich in
Wirken und Einfluss der Freimaurerei Freimaurer, ebenso 20 von den 29 Generälen. Gesellschaft, Staat und Völkergemeinschaft
Die Blütezeit der Freimaurer bildete das Zu einer Zeit, in der in Europa vorwiegend für Humanität, Freiheit, Gleichheit, Brüder­
18. Jahrhundert, die Zeit der Aufklärung. In Fürsten und absolutistische Herrscher das lichkeit, Menschenrecht, Toleranz und
den Logen wirkten viele Persönlichkeiten, die ­Sagen hatten, erarbeiteten Freimaurer das rei­ Glaubensfreiheit als Voraussetzung für die
mit ihrer kosmopolitischen und freigeistigen bungslos funktionierende Modell eines frei­ Demokratie und ein friedliches globales
Einstellung, ihrem Engagement für Toleranz heitlichen, föderalen Staatenbundes. Das Miteinander.
und Humanität in den Augen konservativ-­ Gedankengut der freimaurerisch geprägten
reaktionärer Kreise suspekt erschienen. Mit amerikanischen Verfassung widerspiegelt sich
Roman Weissen ist Mitglied der Berner Freimaurerloge
dem Ausbruch der Französischen Revolution in fast allen nachfolgenden Nationalverfas­ zur Hoffnung und Inhaber einer Management- und
bestätigten sich vermeintlich solche Vorurteile sungen der freien Welt. In Frankreich traten Kommunikationsagentur. Er war Gemeindepräsident
zur selben Zeit unter dem Einfluss der Frei­ von Unterbäch, Walliser CVP-Grossrat, Stabsmitarbeiter
bei zwei Generalstabschefs, Info-Beauftragter des
Die Mitglieder sind zur maurer die Generalstände in Versailles zusam­ ­damaligen Auslandsgeheimdienstes SND und Info-Chef
men und bildeten eine Nationalversammlung von Seilbahnen Schweiz (SBS).
Verschwiegenheit über Rituale mit dem Ziel, dass sie und nicht der König die
und Gepflogenheiten verpflichtet. wahren Repräsentanten des französischen
Volkes seien.
über die Freimaurer. Das Motto «Freiheit, Auch der moderne schweizerische Bundes­
Gleichheit, Brüderlichkeit» empfanden man­ staat wurde von Freimaurern nachhaltig ge­
che geradezu als Inbegriff freimaurerischer prägt und mitgestaltet. Der Wandel vom Rajasthan
Grundsätze. Staaten­bund zum schweizerischen Bundes­ Marc Faber, Börsenexperte
Die Freimaurerei entfaltete in den 300 Jah­ staat im Jahre 1848 und dessen Konsoli­ Nachdem ich seit bald 50 Jahren in Asien
ren ihres Bestehens in Politik, Gesellschaft dierung entwickelten sich zu wesentlichen ­lebe, habe ich viel mehr gesehen, als an was
und Öffentlichkeit eine grosse Wirkung. Es Teilen aus freimaurerischem Gedankengut. ich mich erinnern kann, und ich kann mich
ist zwar nicht die Organisation als solche, die Jederzeit haben Freimaurer auch hierzulande ebenfalls an mehr erinnern, als was ich tat-
Einfluss nimmt. Das Engagement erfolgt politische Verantwortung übernommen und sächlich gesehen habe. Was der schönste
aber durch das Tun und Handeln des Einzel­ sich an der Gestaltung von Staat und Öffent­ Ort sei, ist eine sehr individuelle Frage, wel-
nen. Überall auf der Welt, wo Freiheit und lichkeit beteiligt. Alltags­politik oder gar Par­ che ich so beantworten will: Angenommen,
Rechtsstaatlichkeit herrschen, gab und gibt teipolitik wurde in den Logen indessen nie ich könnte nur noch ein Gebiet für 10 Tage
es im ö­ ffentlichen Leben einflussreiche Frei­ betrieben. Dies sehen die «Alten Pflichten» besuchen, bevor ich sterben würde, wäre es
maurerpersönlichkeiten. Die Logen waren nicht vor. Die Logen waren aber stets ein ethi­ noch einmal Rajasthan in Indien, weil es eine
letztlich die Keimzellen und der Hort der sches Biotop für viele Freimaurer, die über ­märchenhafte, mystische und geschichtlich
geistigen Selbstbefreiung des Menschen, sei­ politische Ämter und Funktionen freimaure­ reiche Gegend ist. Falls mir Gott nur einen
nes Aufbruchs aus der nach Kant selbstver­ rische Grundsätze und ­Ideale in die Parla­ Tag einräumen würde, so würde ich diesen
schuldeten Unmündigkeit. mente und Regierungen ­getragen haben und letzten Tag in Pattaya noch
Ihren wohl augenfälligsten Beitrag haben auch heute noch – vorwiegend in diskreter ­gebührend sündigend
die Freimaurer bei der Erarbeitung der nord­ und zurückhaltender Form – Einfluss neh­ ­verbringen.
amerikanischen Verfassung geleistet, die am men.
17. September 1787 unterzeichnet wurde. Von Die Freimaurerei mit ihren Leitprinzipien
den 56 Unterzeichnern waren 53 Freimaurer, bleibt nach dreihundert Jahren aktueller

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Unterdrückung Zusammenarbeit zur Vernichtung Deutsch­
­
lands» orteten und die Freimaurer als «künst­

«Fort mit der Freimaurerpest!» liche Juden» bezeichneten. Die Unterstellung,


die «Weltfreimaurerei» verschwöre sich mit den
Juden und Bolschewisten gegen das Deutsche
Von Christoph Mörgeli _ Kaum war er gegründet, verteufelten die
Reich, vergiftete die gesamte Ära der Weimarer
­katholische Kirche, absolutistische Herrscher, Diktatoren Republik. 1925 verbot M ­ ussolini die italie­nische
und politische E
­ xtremisten den angeblichen Geheimbund. Freimaurerei, zehn Jahre später folgte Hitler sei­
nem Beispiel in Deutschland, 1938 in Österreich.
Thron und Altar sahen angesichts der unge­ sam mit den Juden der «Weltverschwörung» Führende Freimaurer wurden vertrieben, ins KZ
ahnten Ausbreitung des Logenwesens im bezichtigten. Als vielerorts durch Leistung gesteckt oder umgebracht.
18. Jahrhundert die gottgewollte Ordnung und Stand tatsächlich privilegierte Minder­ Auch in der Schweiz erlebten die Freimaurer
­heraus­gefordert. 1738 verdammte Papst Cle­ heit zogen sich die Logenbrüder auch den Hass heftige Anfeindungen. Die Statuten der Berner
mens XII. in einer Bulle die Freimaurerei «als der Linken zu, die sie des politischen Liberalis­ Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB)
der Ketzerei höchst verdächtig» und drohte mit mus und der Zugehörigkeit zur ausbeuteri­ ­unter­sagten die gleichzeitige Mitgliedschaft in
Exkommunikation. Etwa zeitgleich wurden die schen Hochfinanz anklagten. In den Jahren einer «geheimen Gesellschaft». 1934 rich­tete
immer zahlreicheren Geheimgesellschaften in 1864 («80 Irrtümer») und 1884 («Freimaurer­ die Volksfront von Ex-Generalstabschef Emil
Frankreich, Österreich, Polen, Schwe­ Sonderegger scharfe Ausfälle gegen
den und im Osmanischen Reich verbo­ Freimaurer («Fort mit der Freimau­
ten. Besonders resolut ging die Inqui­ rerpest!»), ­Juden und Linke. Letztere
sition auf der Iberischen Halbinsel vor. wollten zumindest nach dem Willen
Man fürchtete das revolutionäre Po­ des Genfer Sozialisten Léon Nicole
tenzial dieser Vereinigungen, in denen ebenfalls keine Freimaurer in ihren
Adel und Bürgertum einträchtig zu­ Reihen dulden. Beim Berner Prozess
sammenwirkten. Auch die gnädigen betreffend die gefälschten antisemi­
Herren in den Republiken von Ham­ tischen «Protokolle der Weisen von
burg, Genf, Venedig, Bern oder Zürich Zion» trat 1934 der Schoko­ laden­
wollten vorerst k­ eine Freimaurer dul­ fabrikant Theodor Tobler für die Frei­
den. 1751 bestätigte Papst Benedikt maurer als Zeuge auf. 1937 kam eine
XIV. die Verurteilung seines Vorgän­ Volksinitiative des Waadtländer
gers und untersagte den Katholiken ­Faschisten Arthur Fonjallaz zum Ver­
jegliche freimaurerischen Kontakte. bot der Freimaurerei zur Abstim­
mung. Auch Migros-Gründer Gott­
«Enthüllte Weltverschwörung» lieb Duttweiler unterstützte das
Mit besonders rabiaten Abrechnun­ Freimaurer­ verbot. Doch Volk und
gen wandten sich ehemalige Freimau­ Stände versenkten das Begehren 1937
rer an die Öffentlichkeit, die aus ihren mit 69 Prozent Nein-Stimmen; einzig
Logen ausgetreten ­waren. So publi­ der Kanton Freiburg nahm es an.
zierte der Regierungsbeamte Ernst Nach dem Krieg wurden vielerorts
August von Göchhausen aus Weimar vorher verbotene Logen wieder ge­
1786 anonym die Schrift «Enthüllun­ gründet. Hinter dem Eisernen Vor­
gen des Systems der Weltbürger-­ hang änderte sich indessen an der
Politik» und beschwor den globalen ­Repression nichts. Die evangelischen
Umsturz durch Freimaurer, Illumina­ Kirchen beurteilen die Freimaurerei
tenorden und Jesuiten. Überhaupt nicht als Religionsgemeinschaft und
wurden die Freimaurer von ihren sehen in der Mitgliedschaft keinerlei
­protestantischen Gegnern regelmäs­ Ausschlussgrund. Vorsichtige Kon­
sig zusammen mit den verhassten taktnahmen katholischer Freimaurer
­Jesuiten verteufelt. Nach der Franzö­ mit dem Wiener Kardinal Franz
sischen ­Revolution standen weniger Aufrührerisch-freiheitlich: Verbotsinitiative 1937. König scheiterten am päpstlichen
­
vermeintliche maurerische Laster wie ­Widerstand. Bis heute sind nach der
Karrieredenken, Klüngelei und Korrup­tion in sekte») verurteilten die jeweiligen Päpste den Lehre der römisch-katholischen Kirche Frei­
der ­Kritik als die aufrührerische, weil freiheit­ Männerbund erneut in scharfen Erklärungen. maurer «im Stand der schweren Sünde und
liche Ideo­logie. Vor allem kirch­liche, konserva­ können die heilige Kommunion nicht emp­
tive und royalistische Kreise b ­ ezichtigten die Juden, Freimaurer, Bolschewisten fangen». Dennoch wirken längst sogar hohe
Freimaurer, die bestehende Ordnung zu zerstö­ Für Furore sorgte 1919 das esoterische, ver­ geistliche Würdenträger in verschiedenen
ren, ihre Umgebung zu ­ manipulieren und schwörungstheoretische Werk «Die Entente-­ ­Logen mit. Doch Vorbehalte und Vorur­teile
rücksichtslos die eigene Herrschaft anzustre­ Frei­
maurerei und der Weltkrieg» des nach­ halten sich hartnäckig: 2003 verlangte ein
ben. maligen Nationalsozialisten Karl Heise. Der Walliser SVP-Grossrat mittels Vorstoss, dass
Im 19. Jahrhundert boten die überkonfes­ Anthroposoph Rudolf Steiner hatte hierzu ein sich Freimaurer in öffentlichen Posi­tionen zu
sionellen, aufklärerischen und toleranten Logen Vorwort geliefert und sich an der Finanzierung erkennen geben müssten. Und 2015 verlangte
zahlreichen Juden die Möglichkeit einer ge­ beteiligt. Noch heftiger in dieselbe Kerbe hieben die Walliser SVP, dass gewählte Grossräte ihre
wissen Emanzipation. Dies rief Antisemiten General Erich Ludendorff und seine Frau Ma­ Zugehörigkeit zur Freimaurerei erklären
auf den Plan, welche die Freimaurerei gemein­ thilde, die eine «freimaurerisch-­ jesuitische müssten. g
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Bild: zVg
Geschlechter

Frauen und Freimaurerei


Von Claudia Schumacher _ Frauen werden bis heute offiziell
von den Grosslogen als Freimaurerinnen nicht anerkannt.
Trotzdem gibt es e­ inige hundert in der Schweiz.

«Warum ich als moderne Frau in einem anti- «Ich glaube, dass die Arbeit an sich selber eine
quierten Klub sein will, der sehr geheimnisvoll Pflicht für jeden Menschen ist, unabhängig
tut und Frauen auch noch ausschliesst?», fasst vom Geschlecht», sagt die Basler Freimaurerin
eine Basler Freimaurerin die Vorurteile, die häu- davon unbeeindruckt. Die 49-jährige Hand-
fig an sie herangetragen werden, in e­ iner Frage werksmeisterin mit eigener Firma in Basel
zusammen. Ihre Antwort folgt auf dem Fusse: will anonym bleiben. Das hänge einerseits mit
«Ich schliesse mich nicht einem Männerbündnis dem für die Freimaurerei typischen Hang zur
an, sondern einer Organisa­tion, die Humanis- Diskretion zusammen, aber auch damit, dass
mus und die Arbeit an sich selber über alles stellt. sie lieber exemplarisch für die Sache spreche
Dieser Gedanke ist grös­ser und älter als die als von sich selbst. Sie ist in der Basler Frauen-
Grossloge von England.» loge «Kette der Hoffnung» – eine
Besagte englische Grossloge aner- von zwanzig reinen Frauenlogen,
kennt Frauen auch nach 300-jähri- welche der Schweizer Frauengross-
gem Bestehen nicht als Freimaurer. loge unterstellt sind. Dazu kom-
Nach wie vor gilt der Entscheid von men etwa noch einmal so viele
1723, gemäss dem Frauen in den Freimaurer­logen in der Schweiz,
­Logen nicht ­erlaubt sind. 1785 er- die als gemischte Logen neben
schien auch im Teutschen Merkur eine «Brüdern» auch «Schwestern» auf-
Erklärung deutscher Freimaurer nehmen. Insgesamt gibt es einige
zum Thema: «Die Herzen der Frei- hundert Freimaurerinnen in der Diskret: Tänzerin Baker.
maurer stehen den Frauen offen, aber die Logen Schweiz, die Zahl der Männer geht hingegen
sind ihnen verschlossen.» Die Präsenz von Frau- in die Tausende. vorgezeichnet? «Dafür sind sie noch zu jung»,
en er­schwere Männern die innere Einkehr. «Ich finde es schade, dass der spirituelle Weg findet Gross. «Um sich für die Freimaurerei zu
der Freimaurerei nach wie vor einigen Frauen, entscheiden, braucht es eine gewisse Reife. In
Weibliches und männliches Prinzip für die er eigentlich richtig wäre, verschlossen Einzelfällen können Freimaurer sehr jung sein,
Heute ist der Umgang mit Freimaurerinnen et- bleibt», sagt Anita Gross aus Zürich. «Verschlos- aber das ist ganz selten.» Ein Beitritt mit 25 Jah-
was lockerer. An den Grundfesten männlicher sen vor allem deshalb, weil viele gar nicht wissen, ren sei früh; die meisten sind beim Eintritt über
Exklusivität rütteln die Grosslogen dennoch dass es weibliche Freimaurerei überhaupt gibt.» dreissig Jahre alt.
nicht. In der Schweiz, wo die erste Frauenloge Gross ist 46 Jahre alt und seit acht Jahren Mit- Dass weibliche Freimaurerei kaum bekannt
1964 in Genf gegründet wurde, erklärte die glied der gemischten Loge Isis und Osiris in ist, dürfte auch am Mangel an Aushängeschil-
Grossloge Alpina (SGLA) 2009: «Soweit wir dies ­Zürich. Gross hat einen naturwissenschaftlichen dern liegen. Die amerikanische Tänzerin und
beurteilen können, praktizieren Frauenlogen Hintergrund, ihren Beruf will sie jedoch nicht Sängerin Josephine Baker war die einzige promi-
­eine qualitativ gute Freimaurerei, welche, mit nennen. «Welchen Beruf einer hat, spielt bei der nente Freimaurerin. Es gab noch ein paar Adels-
der Ausnahme, dass sie Frauen aufnehmen, Freimaurerei keine Rolle. Wichtig ist, dass man damen, aber keinen weiblichen Mozart oder
sonst im Sinne der SGLA nahezu regulär wäre.» den Wertekanon teilt», so Gross. ­Goethe. Hinzu kommt, dass nicht nur Freimau-
Man respektiert die Frauen zwar, will sie aber rer, sondern auch Schweizer tendenziell diskret
nicht offiziell als Freimaurer anerkennen. Man- Eine gewisse Reife sind. Ein Charakterzug, der die Freimaurerei bei
che Männerlogen teilen ihre Häuser mit Frauen- Gross fand über einen Bekannten zur Freimau- Frauen hierzulande nicht bekannter macht. In
logen, und es kann zu kollegialem Umgang rerei. Sie war damals 38 Jahre alt, und «die Frage Deutschland geht man einen anderen Weg. Teil-
kommen – eine richtige Zusammenarbeit in nach Werten im Leben war zu dieser Zeit sehr weise werden auf den Websites der Logen Fotos
Form gemeinsamer Projekte gibt es jedoch nicht. wichtig» für sie. Freiheit, Gleichheit, Gemein- von den «Schwestern» gezeigt; bei «Gästeaben-
schaft, Toleranz und Humanität – für diese klas- den» wird interessierten Frauen ein unverfäng-
sischen Werte steht die Freimaurerei. Je mehr licher Erstkontakt ermöglicht. Die deutsche
sich Gross einlas, desto faszinierter war sie. Ihr Frauengrossloge hat mit Sylvia Gräber sogar
Grund, einer gemischten statt einer rein weib­ ­eine Pressesprecherin. «Wir sind nicht von
lichen Loge beizutreten? «Alles im Leben ist ein ­gestern – und so müssen wir auch mit der Zeit
Zusammenspiel des weiblichen und männli- ­gehen», sagt Gräber, die als Journalistin beim
chen Prinzips. Daher fand ich es für mich richtig, Westdeutschen Rundfunk (WDR) arbeitet. Es
meine spirituelle Entwicklung in einem ge- gebe heutzutage so vielfältige Möglichkeiten
mischten Umfeld anzugehen.» Ihren Partner der Sinn- und Erkenntnissuche – da sei es ange-
fand Gross in der Zeit, als sie eingeweiht wurde bracht und wichtig, auch über Freimaurerei
– allerdings ausserhalb der Loge. «Mein Mann ­offen zu informieren. «Nun liegt es nicht im
ist kein Freimaurer, steht meiner Zugehörigkeit ­Wesen der Freimaurerei, zu missionieren und
aber offen und positiv gegenüber.» Ist den Werbung zu machen», so Gräber. «Aber verste-
Sinn- und Erkenntnissuche: Freimaurerin Gräber. ­gemeinsamen Kindern ein Freimaurerdasein cken müssen wir uns auch nicht.» g
Weltwoche Nr. 23.17 23
Bilder: The Granger Collection (Keystone), zVg

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