PZ Pforzheim vom 14.10.

2017
40 SAMSTAG, 14. OKTOBER 2017 GE S CHICH T EN AUS DER R E GION  $ #" ! UND VON DAH EIM PFORZHEIMER ZEITUNG NUMMER 238

1 Nein,
Igel ernähren sich von Obst – Irrtum!

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Wer im Herbst einen Igel durch den Garten streifen
sieht, trifft ihn auch schon mal unter einem Obst-
baum an. Doch im Gegensatz zum Volksmund, der den

Igel ernähren sich

Igel als Obstfresser kennt, wissen Biologen, dass Igel kei-
nesfalls Vegetarier sind, sondern vielmehr Insektenfres-
ser, um nicht zu sagen: Fleischfresser. Für die Verdauung
pflanzlicher Nahrung ist der relativ kurze Magen-Darm-

nicht von Obst!

Trakt des Igels auch gar nicht eingerichtet. Deutsche und
britische Wissenschaftler, die die Ernährungsvorlieben
der kleinen Raubtiere genauer untersucht haben, kom- „Igel sind sehr niedlich.
men übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Igel sich in Aus diesem Grund habe
der freien Natur vor allem von Käfern und ihren Larven, ich einem kranken Tier
insbesondere nachtaktiven Laufkäfern, Schmetterlings-
larven sowie auch von Regen- und Ohrwürmern ernähren. TEXT: CHRISTIAN SATORIUS geholfen. Leider ist es
Schnecken hingegen machen nur einen geringeren Anteil gestorben. Am Hunde-
der aufgenommenen Nahrung aus. Igel fressen also kei- Igel fressen sich in diesen Tagen ihren Winterspeck an futter lag es aber nicht.
nesfalls in erster Linie Schnecken – wieder so ein Irrtum,
den der Volksmund den kleinen Stachelträgern gerne un-
und viele Menschen möchten ihnen dabei helfen – machen aber leider vieles falsch. Das soll wirklich helfen.“
terstellt. Läuft ein Igel also des Nachts unter einem Obst- Die größten Irrtümer über Igel räumt deshalb „Heimatstark“ heute aus dem Weg. Dana Funk aus Eisingen
baum umher oder wird er gar im Schein der Taschen-
lampe dabei erwischt, wie er seine Nase tief hinein in
einen Apfel steckt, dann sucht er dort vor allem eines:

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Insekten und ihre Larven.

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Igel werden steinalt – Irrtum!
Igel sehen sich untereinander recht ähnlich, zu-
mindest dann, wenn man sie mit Menschenau-
gen betrachtet. Zwar lässt sich der Braunbrustigel (Er-
inaceus europaeus) noch recht gut vom Nördlichen
Weißbrustigel (Erinaceus roumanicus) – die beide
hierzulande vorkommen und ihrem jeweiligen
Namen alle Ehre machen– unterscheiden, aber „Süß sind Igel meiner
das war es dann auch schon mit den Unter- Meinung nach über-
scheidungsmerkmalen, die einem Laien sofort haupt nicht. Sie sind
auf Anhieb ins Auge springen.
Eine Ausnahme gibt es aller- meist verlaust. Igel sind
dings: Die Größe bezie- Ratten mit Stacheln.“
hungsweise das Alter. In
Michael Mulorz aus Pforzheim
menschlicher Obhut ha-
ben es manche Igelme-
thusalems schon auf ein
Alter von über zehn Jah- Z AHL ZUM THEMA
ren gebracht. Aber das

8000
ist die Ausnahme. „Ein
siebenjähriger Igel ist in
der freien Natur eine abso-
lute Seltenheit“, weiß die
Lindauer Igelexpertin Monika
Neumeier. „Nur sieben von ein-
tausend Igeln werden so alt.“ So Stacheln können große Igel
liegt die durchschnittliche Lebenserwar- haben. Eigentlich sind die
tung dann auch gerade einmal bei zwei bis vier Jahren. Stacheln umgewandelte Haare.
Das hat verschiedene Gründe, haben Forscher festge-
stellt. Viele Igel leiden an Untergewicht oder fallen
dem Straßenverkehr zum Opfer, aber auch Parasitenbefall Babys und vor allem Igel, die durch ihre Tagaktivität auf-
ist ein Problem. Steinalt werden Igel aber keinesfalls. fallen. Tierarzt und Tierschutz wissen, was zu tun ist.

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„Der Igel. Der Igel sprach zur Igelin: ,Du
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Abgemagerten Igeln helfen ein paar Schüsseln
Milch – Irrtum!
Wer einem Igel noch ein paar Gramm Hüftgold für
den Winterschlaf spendieren möchte, stellt ihm gerne mal
eine Schüssel Milch hin. Doch genau das ist völlig falsch,
denn Igel vertragen die Laktose der Kuhmilch nicht.
Durchfall und Darmentzündungen können die Folge sein.
Besser ist es, frisches und sauberes Wasser anzubieten, ra-
ten Biologen. Milchprodukte, Essensreste, Nüsse oder
aber auch wie schon gesagt Obst und Gemüse haben im
Igelfutter nichts zu suchen. Am besten vertragen die Tiere
immer noch Katzendosenfutter, weil Katzen ebenso wie
sie selbst Fleischfresser sind. Im Handel ist mittlerweile
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weißt nicht, wie verliebt ich bin! Ich liebe Auf meinem Grundstück ist der Igel in Sicher-
dich wie nichts so.‘ Dann drückte er sie fest heit – Irrtum!
Hat es ein Igel aber erst einmal auf unser Grund-
an sich, worauf sie schrie: ,Auch ich lieb’ stück geschafft und ist nicht etwa schon auf dem Weg
dich, doch lass das sein, du stichst so!‘ “ dorthin auf der Straße überfahren worden, ist er aber
noch lange nicht in Sicherheit. Katzen und Hunde stellen
Gedicht von Heinz Erhardt (1909–1979)
auf jeden Fall eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Alle
Arten von ausgelegten Giften und Fallen, etwa um Schne-
sogar spezielles Igelfutter erhältlich. Gefüttert wird immer cken oder Mäuse zu töten, sind natürlich ebenfalls gefähr- „Alle Igel müssen
abends. Wichtig ist auch, die Futterstelle am nächsten lich. Kellerschächte müssen abgedeckt sein, Kellertreppen weiblich sein, schließlich
Morgen zu reinigen, denn durch eine unsaubere Futter- sollte man mit zusätzlichen Backsteinen auf den Stufen besitzen sie Stacheln.“
stelle können Krankheiten übertragen werden. Kranke oder sonstigen Kletterhilfen entschärfen. Eine nicht zu
oder verletzte Tiere brauchen Hilfe, ebenso wie verwaiste unterschätzende Gefahr sind Teiche mit steilen Ufern. Burak Bagdat aus Pforzheim

KURIOS E MEL DUNG EN UND STACHELIG E S CHL AGZ EIL EN

Der Igel, das mediengeile Tier

Immer wieder schafft es der Igel
in die Schlagzeilen – und häufig
geht es darum, wie den stacheli-
gen Freunden in winterkalten
Notzeiten zu helfen ist.
Vor zwei Jahren berichtete die
„Pforzheimer Zeitung“ beispiels-
weise über die beiden Igelmütter
Conny Walz und Conny Eck-
stein, denen in Unterreichenbach
gleich fünf kleine Igelkinder zuge-
laufen waren, die dann von Hand
aufgepäppelt wurden.
PZ-Mitarbeiterin Ulrike Faul-
haber versorgte im März 2016 ei-
nen zu früh erwachten Igel in
Königsbach mit Katzenfutter –
und hielt das Ganze für die Leser
natürlich gleich im Bild fest.
Familie Hennefarth aus Pfinz-
weiler berichtet der PZ im Som-
mer 2016: „Als wir unser Zelt im
Garten nach drei Wochen wieder
abbauen wollten, haben wir unter
der Vorzeltplane ein Igelnest
mit fünf jungen Igeln entdeckt.“
Die Stacheltiere, die so großen
Wert auf ihre Privatsphäre gelegt
hatten, mussten sich einen neuen
geschützten Ort suchen.
Aber der Igel treibt es auch ger-
ne mal bunt – wiederholt mussten
Schmaler Kopf, dicker Popo: Diesem Igel
in Bonn musste die Feuerwehr mit einer
Zange helfen. FOTO: FEUERWEHR BONN/DPA
deshalb Ordnungshüter und Ret-
tungskräfte ausrücken:
Im sächsischen Kamenz hörte
ein Anwohner seltsame Tiergeräu-
sche aus einem Kleidercontainer
und wähnte eine Katze in missli-
cher Lage. Die Feuerwehr rückte
dem Container mit einem
Spreizer zu Leibe und fand – hin-
ter dem Container zwei Igel, die
sichtlich Spaß aneinander hatten.
Lautes Stöhnen und Schnaufen
ließen einen Mann im niedersäch-
sischen Tostedt glauben, ein
Schwerverletzter liege in seinem
Vorgarten. Der Besorgte rief die Po-
lizei, die das Gebüsch umstellte
Weiße Igel wurden kürzlich in einem
Garten in Ertingen bei Biberach gesich-
tet. FOTO: DPA
– und ein Igelpaar fand, das sich
laut offiziellem Bericht, „offenbar
seit zwei Stunden intensiv mit der
Familienplanung beschäftigt hat“.
Die Polizei rief auch eine Frau
aus Mannheim, weil sie „Feilge-
räusche“ unter ihrem Fenster
hörte – es waren sich aneinander-
reibende Igelstacheln.
Und das wilde Geschnaufe
kürzlich in einem Hauseingang in
Erlangen? Nachdem sie in flagran-
ti beim Liebesspiel erwischt wur-
den, ergriffen die beiden tieri-
schen Täter im Schein der Ta-
schenlampen die Flucht, so die
Polizei. Und eine Tier-Expertin
Gleich fünf Igelbabys nahmen Conny
Walz (rechts) und Conny Eckstein 2015
in Unterreichenbach auf. FOTO: PZ-ARCHIV
der Uni München klärte auf: „Igel
fauchen laut während des stun-
denlangen Aktes – und am meis-
ten Krach macht das Männchen.“
Aber nicht nur stören lässt sich
der Igel hin und wieder, sondern
auch retten – ganz spektakulär
und von offizieller Seite, so dass
die Medien auch ganz sicher dar-
auf anspringen:
Noch lange wird die Polizei
Göppingen an den Juni 2007 den-
ken, als sie gleich fünfmal binnen
weniger Tage Igel befreien musste,
die ihre Schnauze zu tief in Eis-
becher und andere Essensverpa-
ckungen gesteckt hatten.
Gefährlich: Auf der Suche nach Fressen
bleiben Igel häufig in Essensverpackun-
gen stecken. FOTO: DPA
In Münsingen bei Reutlingen
zwängte sich einer der stacheligen
Freunde in ein rund 40 Zentime-
ter tiefes Abwasserrohr, um sich
von jungen Leuten finden und von
der Polizei „durch vollen Körper-
einsatz“ und mit der Ausstattung
ihres Streifenwagens – dazu gehö-
ren etwa Handschuhe und ein Be-
sen – befreien zu lassen. In der PZ
schaffte es der Igel damit immer-
hin in die Rubrik „Tier des Tages“.
Vor gut einer Woche musste in
Bonn gar die Feuerwehr mit dem
Bolzenschneider anrücken, weil
der Kopf eines Igels zwar noch
durch die Stäbe eines Metall-
zauns passte, der Hintern aber
zu dick war. Die Deutsche Pres-
se-Agentur schrieb: „Das Tier
überstand die Rettungsaktion
unbeschadet.“ Der Zaun nicht.
Die meisten Igel sind braun,
manche auch weiß und seltene
Exemplare sogar blau. Wie zum
Beispiel der, der vor zwei Jahren
in den Niederlanden eine zerbro-
chene Eierlikörflasche leer-
schleckte. Ein Spaziergänger ret-
tete die stachelige Rumkugel von
der Straße. Im Tierasyl in Arn-
heim durfte der Igel seinen
Rausch ausschlafen. Und das Tier-
heim ließ wissen: „Sobald er den
Kater überstanden hat, kann er
wieder sicher ausgesetzt werden.“
Zu trauriger Berühmtheit
brachte es ein Igel aus Neusee-
land. Ein 27-Jähriger griff mit
dem Tier einen 15-Jährigen an.
Der trug von dem ungewöhnli-
chen Wurfgeschoss – das die At-
tacke nicht überlebte – mehrere
Stichwunden am Bein davon. Der
Ältere wurde daraufhin festge-
nommen und wegen „Körperver-
letzung mit einer Waffe“ ange-
klagt, wie der „Herald on Sun-
day“ berichtete. ben