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nachrichten g 3336 22.5.2008 24. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de
Proteste
gegen das
Gebirgs-
jägertreffen
in Mitten-
wald
„Knapp 500 Besucher pilgerten am kriegsregierungen sogar aktiv vor Verfol- stoppte die Vollstreckung deutscher Lie-
Sonntag zur traditionellen Gedenkfei- gung geschützt wurden, sieht man in den genschaften in Athen (u.a. des Goethe-In-
er auf den Hohen Brendten. Zu Spit- Forderungen der Opfer und Hinterbliebe- stituts). Daraufhin wandten sich die Klä-
zenzeiten sollen es schon mal 5000 nen nur einen Störfaktor deutscher Nor- ger nach Italien, wo die Gerichte die Voll-
gewesen sein“, berichtete das Gar- malisierungspolitik. Für die Bundesregie- streckbarkeit des griechischen Urteils zu-
misch-Patenkirchener Tagblatt am rung ist das Thema Entschädigung erle- nächst anerkannten, nicht aber die Bun-
5.5.08 – sicher auch ein Ergebnis der digt. Ihre Wunschvorstellung ist es, nach desregierung. Diese brachte den Fall vor
seit Jahren stattfindenden Proteste Abschluss des Projekts „NS-Zwangsar- den Kassationshof. Am 6.5. wurde jetzt
gegen dieses die Wehrmacht verherr- beiterentschädigung“, zum letzten Mal für dort verhandelt. Rechtsanwalt Joachim
lichende Treffen. Bundeswehrsolda- die deutschen Verbrechen während des Lau, der die Distomo-Kläger in Italien
ten unterstützten auch diesmal die Nationalsozialismus gezahlt zu haben.“ vertritt, machte nochmals deutlich, dass
Veranstaltung mit Kranzträgern, Bereits im Jahr 2000 war den Opfern der Grundsatz der Staatenimmunität für
Kraftfahrern und Ehrenposten, wäh- eines Massakers, das SS-Truppen an der Kriegsverbrechen nicht gilt. Dies hatte der
rend das österreichische Militär sei- Zivilbevölkerung des griechischen Ortes Kassationshof bereits 2004 im Fall eines
nen Soldaten verboten hatte, in Uni- Distomo verübten, von griechischen Ge- italienischen NS-Zwangsarbeiters ent-
form teilzunehmen. richten eine Entschädigungssumme von schieden.
28 Mio. Euro zugesprochen worden. Der Der Generalanwalt beim Kassationshof
Auf der antifaschistischen Demonstration Areopag (oberster Gerichtshof Griechen- hingegen schlug sich auf die Seite
am Samstag durch Mittenwald sprach lands) hatte den deutschen Einwand der Deutschlands und kritisierte die damalige
auch ein Vertreter des Arbeitskreises Dis- Staatenimmunität zurückgewiesen und Entscheidung des Kassationshofs. Er ver-
tomo. Er verwies darauf, dass seit Jahren die Bundesrepublik Deutschland zur Zah- trat die Auffassung, dass eine Vollstre-
die Überlebenden von Kriegsverbrechen, lung verpflichtet. Diese erkannte das Ur- ckung zu diplomatischen Verwicklungen
die Wehrmachts- und SS-Einheiten wäh- teil nicht an und verweigerte die Zahlung. und zu vielen weiteren gleichartigen Ver-
rend der deutschen Besatzung Griechen- Die griechische Regierung gab dem fahren in Italien führen könnte. Rechtli-
lands im zweiten Weltkrieg an der Zivil- Druck der deutschen Seite nach und che Argumente trug der Generalanwalt
bevölkerung verübten, um Anerkennung nicht vor.
Fotos: www.arbeiterfotografie.com
und Entschädigung kämpfen: „Die Bun- Mit einer Entschei-
desregierung verweigert bis heute jeden dung des Kassations-
Dialog mit den Opfern und Hinterbliebe- hofs wird in spätestens
nen. Kategorisch wird jegliche Zahlung 3 Monaten gerechnet.
abgelehnt, doch damit nicht genug, wer- Sollte das Gericht den
den viele der von deutschen Truppen be- Klägern aus Distomo
gangenen Kriegs- und Besatzungsverbre- Recht geben, so wäre
chen zu normalen Kriegshandlungen um- der Weg für eine ge-
interpretiert. Während die Täter niemals rechte Entschädigung
für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ge- frei. Dann könnten
zogen, ja von den bundesdeutschen Nach- z. B. zwei deutsche
Villen in Como, die
Aus dem Inhalt: bereits gepfändet sind,
Ein Denkmal für „Deserteure z w a n g s ve r s t e i g e r t
der Naziherrschaft“. . . . . . . . . . . 7 werden.
Sans Papiers-Streiks in der nach PM Arbeits-
Klemme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 kreis Distomo, Rom,
7. Mai 2008 ■
: meldungen, aktionen
satzungswidrig gehandelt zu haben, und
verlangen dessen vollständigen Rückzug
aus der Stiftung sowie die „Einstamp-
Sondierungsgespräche in ter-Treffen“ durchführen. Das unter dem fung“ des Buches. Das Buch sei „intel-
Sachsen Motto „Tag des Nationalen Widerstands lektuell grotesk“ und „weltanschaulich
im Rheinland“ geplante „Schlageter- haarsträubend“. Es zeichne sich durch ei-
Dresden. Im Dresdener Landtag haben Treffen“ fand im vergangenen Jahr bei nen „unbeholfenen Mischmasch und bib-
sich Anfang Mai führende Vertreter der dem NPD-Funktionär Ingo Haller in In- lischen Fundamentalismus“ aus. hma ■
sog. „Republikaner“ mit Funktionsträ- den-Pier statt. Für den 12. Juli wird eine
gern des „Bündnis für Sachsen e.V.“ und Demonstration „Freier Nationalisten“ Erfolgreiche Veranstaltung
der „Deutschen Sozialen Union“ (DSU) unter dem Motto „Für Meinungsfreiheit
getroffen. – gegen staatliche Zensur“ in Bonn ange- gegen Rechtsextremismus
Im Mittelpunkt der Gespräche stand kündigt. Als Treffpunkt wird um 12 Uhr Pulheim.Trotz des schönen Wetters ver-
die Vorbereitung der sächsischen Land- der „Bahnhof Bonn-Duisburg“ angege- sammelten sich am 8. Mai ab 18.00 Uhr
tagswahl 2009. Übereinstimmend wurde ben. Dabei dürfte es sich wohl eher um bis zu 350 Bürgerinnen und Bürger, Par-
festgestellt, dass „Sachsen eine seriöse den Bahnhof Bonn-Duisdorf handeln. teimitglieder des gesamten politischen
demokratische Alternative rechts der Bereits jetzt schon beworben wird auf Spektrums, Pressevertreter und zahlrei-
Union“ benötige, so die „Republikaner“ der Webseite ein „Trauermarsch“ von che Jugendliche in den Räumen des Ge-
in einer Pressemitteilung. Deshalb sei „Freien und parteigebundenen Kräften“ schwister-Scholl-Gymnasiums, um an
„eine Bündelung der demokratischen am 4. April 2009 in Stolberg. abk ■ der Informationsveranstaltung über „au-
Kräfte notwendig“. tonome Nationalisten“ und „Rechtsex-
An den Gesprächen nahmen u.a. der Henkels Visionen tremismus in der Mitte der Gesellschaft“
„Republikaner“-Bundesvorsitzende Rolf teilzunehmen.
Schlierer und der stellvertretende Lan- Dortmund. Hans-Olaf Henkel, bis 2000 Innerhalb der ersten Stunde konnte die
desvorsitzende der sächsischen „Repu- Präsident des „Bundesverbandes der sehr gelungene Ausstellung des Jugend-
blikaner“, Toralf Grau, teil. Unter den Deutschen Industrie“ (BDI), hat der Zeit- club Courage „Rechts um – und ab durch
Vorstandsmitgliedern des „Bündnis für schrift „Der Selbständige/DS-Magazin“ die Mitte!?“ betrachtet werden, eine Aus-
Sachsen e.V.“ befand sich auch deren ein Interview gegeben. In der vom „Bund stellung über rechtsextremes Gedanken-
Vorsitzender, der Landtagsabgeordnete der Selbständigen“ in NRW und der gut in der aktuellen Mitte der Gesell-
Klaus Baier. Das ehemalige NPD-Mit- „Bundesvereinigung mittelständischer schaft. Außerdem bot sich die Möglich-
glied gehört heute der DSU an. Zu den Unternehmer“ herausgegebenen Zeit- keit, mit Netzwerkmitgliedern in Kon-
weiteren anwesenden DSU-Funktions- schrift tritt Henkel u.a. für die Einfüh- takt zu kommen und mehr über die Ar-
trägern zählte die stellvertretende Lan- rung des Mehrheitswahlrechts in beit des Bündnisses zu erfahren.
desvorsitzende Gudrun Petzold. An den Deutschland ein. So könne man im Bund Die Teilnehmerzahl stieg gegen 19.00
Gesprächen nahm auch der Vorsitzende „hessische Verhältnisse“ verhindern. Er Uhr auf ca. 350 an. Pünktlich begann
der „Sächsischen Volkspartei“, Mirko könne sich vorstellen „dass wir DDR- Hans-Peter Killguss, Leiter der Info- und
Schmidt, teil. Der Landtagsabgeordnete ähnliche Verhältnisse in Gesamtdeutsch- Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus
gehörte früher ebenfalls der NPD an. land wiederbekommen. Und das durch (IBS) des NS-Dokumentationszentrums
hma ■ demokratische Wahlen“. Außer bei der der Stadt Köln seinen Vortrag. Nach ei-
FDP sieht Henkel bei allen Parteien ei- ner Stunde ging man in eine Diskussi-
„Pro Köln“ nimmt Lehrer ins nen „Linksruck“. Das „Feindbild der lin- onsrunde über und konzentrierte sich un-
ken Rattenfänger“, so Henkel, sei heute ter anderem auf die Frage „Was tun? Was
Visier die Wirtschaft. „Viele Begriffe, die die tun!“:
Kerpen. Nach Protesten gegen die Ver- Linken benutzen,“ erinnerten ihn „fata- „Vielleicht verlassen wir heute Abend
teilung der „Pro Köln“-Jugendzeitschrift lerweise an die Terminologie der dreißi- alle den Saal mit dem Entschluss, ein-
„Objektiv“ an der Kerpener Europaschu- ger Jahre“. Man brauche nur das Adjek- fach nur mal unsere Nachbarn, Freunde,
le geht die extrem rechte Gruppierung tiv „jüdisch“ auszulassen. Historiker Kollegen oder Vereinsmitglieder auf das
gegen einen Lehrer der Schule vor. Der wiesen nicht zu Unrecht darauf hin, so Thema aufmerksam zu machen“, so ein
namentlich benannte Lehrer habe, so Henkel: „Auch Nazis waren Sozis, wie Redebeitrag. Und weiter: „Die Diskussi-
„Pro Köln“, Anfang Mai angeblich drei auch der Name „Nationalsozialistische on und die Auseinandersetzung mit dem
„Objektiv“-Verteiler genötigt und den Deutsche Arbeiterpartei“ schon sage. Thema, das Erkennen von alltäglichen
Vorsitzenden der „Pro Köln“-Fraktion Henkel, Vorsitzender des „Konvent für Diskriminierungen und Rassismus wäre
im Stadtteil Chorweiler, Martin Schöppe, Deutschland“, schreibt auch gelegentlich der erste Schritt, an dem sich jeder betei-
gewürgt. „Pro Köln“ hatte daraufhin ein im Berliner Rechtsaußen-Blatt „Junge ligen könnte“.
Foto des Lehrers auf seiner Webseite ver- Freiheit“. hma ■ Insgesamt zieht das Netzwerk zieht
linkt. Gegen den als „Würger“ von Ker- eine sehr positive Bilanz aus dem gestri-
pen bezeichneten Lehrer laufe nun, so Zoff in der Stiftung gen 8. Mai: Die noch jungen Netzwerk-
„Pro Köln“, ein Strafverfahren wegen strukturen wurden erfolgreich bestärkt,
Körperverletzung. Zudem fordert die ex- Das im vergangenen Jahr in Gert Sud- mittlerweile gibt es zugesagte Unterstüt-
trem rechte Gruppierung „dienst-rechtli- holts Druffel&Vowinckel-Verlag er- zung von allen im Rat vertretenen Partei-
che Konsequenzen“. abk ■ schienene Buch „Feindliche Übernah- en und auch die Stadtverwaltung konnte
me? Der Kampf des Islam in Europa“ ei- von der Notwendigkeit einer solchen Ini-
Neue Naziaktivitäten nes Gideon J. Harvey hat zu einem Streit tiative begeistert werden.
innerhalb der extrem rechten „Kontinent- PM Netzwerk Buntes Pulheim
angekündigt Europa-Stiftung“ geführt, deren Vorsit- Freitag, 9. Mai 2008 ■
Aachen/Bonn. Auf der Webseite der zender der Verleger ist. In einer Presse- Aufgrund des zeitweiligen Verbotes der
neonazistischen „AG Rheinland“ werden mitteilung der Stiftungsmitglieder „Terre Veranstaltung und aufgrund einer provo-
neue Naziaktivitäten angekündigt. So & Peuple“ (Frankreich), „Tierre y Pueb- kativen Anmeldung einer Kundgebung
wollen „Freie Nationalisten“ am 31.Mai lo“ (Spanien) und „Thule-Seminar“ der „AG-Rheinland“ zum 8. Mai, de-
„im Raum Aachen“ erneut ein „Schlage- (Deutschland) werfen diese Sudholt vor, monstrierten auch Antifaschisten aus
Dokumentiert: Beschluss
des Bundesvorstandes des
Deutschen Gewerkschafts-
bundes vom 6. Mai 2008
I. Die Politik der NPD ist rassistisch, na-
tionalistisch, antisemitisch und demokra- Am Morgen des 8. Mai trafen Schul- schen Regierung, dass sie uns die Chan-
tiefeindlich. Die NPD ist verfassungs- klassen aus Krakow und andere Besu- ce geben, diesen Ort zu besuchen. Dan-
feindlich und will die demokratische Ord- cher der Region ein. Vor zwei Deportati- ken möchten wir vor allem aber auch al-
nung der Bundesrepublik abschaffen. Da- onswaggons der Deutschen Reichsbahn len Polen für ihre Gastfreundschaft.
her setzen wir uns nach wie vor für ein versammelten sich so am Tag der Befrei- Für die meisten deportierten Kinder
Verbot der Partei ein. Damit könnte ihr ein ung über 200 Teilnehmer zu einer Ge- und Jugendlichen war Auschwitz die
wesentlicher Teil der finanziellen Basis denkfeier, darunter der Direktor der Ge- Endstation. Wir aber können morgen
für ihre Propaganda entzogen werden. denkstätte Auschwitz sowie polnische Abend wieder nach Hause fahren. Wir
Die ablehnende Haltung der unionsge- Vertreter der Opferorganisationen. Ne- fahren mit einer Botschaft des Lebens
führten Länder gegen ein gut vorbereite- ben dem Direktor der Gedenkstätte zurück. Das Interesse der Nazis war es,
tes Verbotsverfahren ist für uns nicht Auschwitz sprachen die Vizepräsidentin alle Menschen umzubringen, die sie für
nachvollziehbar. Das Verfassungsgericht des Deutschen Bundestages, Frau Katrin nicht lebenswert befanden.
hat nicht gefordert, die Beobachtung ein- Göring-Eckardt sowie der Vorsitzende Dies ist ihnen nicht gelungen!
zustellen, sondern klarzustellen, dass des Zentralrates der Sinti und Roma in Wir haben das Glück, noch mit den
nicht Aussagen vom Verfassungsschutz Deutschland, Romani Rose. Im Namen letzten Zeitzeugen sprechen zu können
bezahlter NPD-Funktionäre zum Beweis der deutschen Spurensucher sagte Luise und von ihnen zu lernen.
der Verfassungsfeindlichkeit herangezo- Rauer (18) vom Friedrich-Engels-Gym- Diese Verantwortung übernehmen
gen werden. Die NPD hat schon das ge- nasium in Berlin-Reinickendorf: wir!
scheiterte Verbotsverfahren genutzt, um „Liebe Anwesende, liebe Gäste, liebe Diese Verpflichtung machen wir uns
offen mit Neonazis und rechtsextremen Vertreter der polnischen und deutschen zu eigen!
Kameradschaften zusammen zu arbeiten. Regierung, auf den Spuren der deportier- Dies versprechen wir vor den Wag-
Die öffentliche Ablehnung eines erneu- ten Kinder und Jugendlichen sind wir gons der Deutschen Reichsbahn, mit de-
ten Verbotsverfahrens gibt der NPD wie- seit Beginn der Woche mit dem Zug der nen die Kinder und Jugendlichen in den
derum Gelegenheit, sich als legale Partei Erinnerung unterwegs. Unsere Fahrt in Tod deportiert wurden.“
darzustellen. Statt einer öffentlich ge- die Vergangenheit hat jedoch schon viel Anschließend durchschritten die Ju-
führten Auseinandersetzung über das Für früher begonnen. Wir haben uns mit den gendlichen das Tor zum ehemaligen Ver-
und Wider eines Verbotsverfahrens und Schicksalen einzelner Kinder beschäf- nichtungslager Auschwitz II Birkenau, in
dessen mögliche Auswirkungen, sollten tigt. So wurden aus unfassbaren Zahlen dem zehntausende Kinder aus Deutsch-
die Innenminister von Bund und Ländern Gesichter! Gestern dann lief unser Zug land und ganz Europa den Tod fanden.
sich eindeutig für ein Verbot der verfas- in Oswiecim ein. In der Dämmerung sa- An den Baracken legten die Teilnehmer
sungsfeindlichen NPD aussprechen und hen wir zum ersten Mal das Tor von Erinnerungen an die Opfer nieder.
dann intern klären, wie die Voraussetzun- Auschwitz-Birkenau. Spätestens da wur- www.zug-der-erinnerung.eu ■
weiter Seite 6
: antifaschistische nachrichten 10-2008 5
gen für ein Verbotsverfahren geschaffen
werden können. Gedenkfeier in Bergen-Belsen
II. Der DGB ist überzeugt, dass als unver-
zichtbarer Bestandteil einer Gesamtstrategie Zu der Gedenkfeier in Bergen- sprach auch Peter Fischer vom Zentral-
zur Bekämpfung des Rechtsextremismus Hölsten anlässlich des 8. Mai hat- rat der Juden in Deutschland.
rechtsextremistische Organisationen konse- te die VVN/BdA den ehem. sow- Elke von Meding, Vorsitzende der
quent zu verbieten sind. Dazu gehört das jetischen Kriegsgefangenen Mark Tile- AG Bergen-Belsen eV berichtete über
längst überfällige Verbot der NPD. Ein er- witsch eingeladen. Er erzählte eindrucks- die Schul-Aktion „Namensziegel“, mit
neutes Verbotsverfahren beim Bundesverfas- voll über sein Leben und Leiden und der die Ermordeten vor der Vergessen-
sungsgericht bedarf der sorgfältigen Vorbe- über Solidarität vor mehreren Schulklas- heit bewahrt werden sollen.
reitung, um ein zweites Scheitern so weit ir- sen in Celle. Bei der Gedenkfeier von Umrahmt wurde die Feier von der
gend möglich auszuschließen, auf jeden Fall VVN/BdA, DGB und Liberal-jüdischer Bläsergruppe der Kirchenkreiskantorei
aber die Hindernisse auszuräumen, die zum Gemeinde auf dem Friedhof der sowjeti- Wolfsburg, die das gemeinsam gesun-
Scheitern des ersten Verbotsantrags geführt schen Kriegsgefangenen des Stalag XI gene „Lied der Moorsoldaten“ begleite-
haben. Deshalb nimmt der Deutsche Ge- C (Kriegsgefangenenstammlager) Bel- ten.
werkschaftsbund mit Sorge zur Kenntnis, sen-Hörsten sprach der fast 86-jährige Unter den 150 Anwesenden war
dass die Innenminister aus sieben CDU-ge- Moskauer. auch Dr. Habbo Knoch, neuer Ge-
führten Bundesländern (Baden-Württem- Mit 18 Jahren wurde er in die Rote
berg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Armee einberufen, wurde von der
Saarland, Sachsen, Hamburg, Hessen) und Wehrmacht gefangen genommen
der bayrische Innenminister sich der Koope- und ins Stalag Wietzendorf am Trup-
ration zur Vorbereitung eines erneuten An- penübungsplatz Bergen verschleppt.
trags der Bundesregierung für ein NPD-Ver- Dreimal floh er aus Arbeitslager
bot verweigern. Um ein erneutes Verbotsver- Meinkingsburg (bei Nienburg),
fahren erfolgreich vorzubereiten, müssen die Stammlager und Arbeitskommando,
Bundesländer ihren Widerstand gegen die wurde wieder gefasst, bis er im KZ
Sammlung von Daten und Informationen zur Sachsenhausen landete. Glück und
Verfassungsfeindlichkeit der NPD aufgeben. die Solidarität ließ ihn überleben.
Der DGB fordert Heute ist er Vizepräsident des Inter-
● verstärkte Aktivitäten der Bundesregie- nationalen Sachsenhausen-Komitees
rung zur Weiterführung der Vorbereitung ei- und des russischen Verbandes ehe-
nes erneuten Antrags der Bundesregierung maliger KZ-Häftlinge.
für ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Bun- Über 20.000 sowjetische Kriegs-
desverfassungsgericht gefangene wurden in Hörsten bei
● die Landesregierungen auf, sich an die menschenunwürdigen Bedingungen
im Jahr 2007 getroffenen Vereinbarungen zu ermordet. Ab 1940 bestand das Sta- Mark Tilewitsch, ehem. sowjetischer Kriegsgefangener
halten und der Bundesregierung ihre Er- lag in Hörsten, wo nebenan ab 1943 spricht in Belsen-Hörsten
kenntnisse und Informationen über verfas- das KZ Bergen-Belsen errichtet wur-
sungsfeindliche Aktivitäten der NPD und ih- de. Die erste Maßnahme der Wehrmacht schäftsführer der Stiftung Niedersächsi-
rer Unterstützervereine zu übermitteln, bestand darin, um die Kriegsgefangenen sche Gedenkstätten.
● den Bundesinnenminister auf, rechtsex- Stacheldraht zu ziehen, Wachtürme auf- Mechthild Hartung (VVN) verwies
treme Organisationen wie den Verein „Colle- zustellen und geringe Mengen von darauf, dass Militär wieder in alle Welt
gium Humanum“ zu verbieten, und rechtsex- Steckrüben als einzige Nahrung zu ge- geschickt wird und betonte, dass keine
tremen Vereinen und Stiftungen als erster ben. Zum Schutz vor Eiseskälte konnten Entwarnung vor den Nazis gegeben
Schritt umgehend die Gemeinnützigkeit ab- sie sich, mit bloßen Händen und Löf- werden könne. Die Armuts- und Reich-
zuerkennen. feln, in Erdhöhlen eingraben. Sie star- tumsentwicklung nutzen Nazis, um da-
Der DGB stellt fest, dass über ein Verbot ben an Hunger, Kälte und Seuchen. ran demagogisch anzuknüpfen. Währen
rechtsextremer Organisationen hinaus die In seiner langen bewegenden Rede die offizielle Politik keine Entschieden-
Bekämpfung des Rechtsextremismus eine sprach er vor allem von dem unbändi- heit im Kampf gegen Rechts zeige, wer-
dauerhafte gesellschaftliche und politische gen Hunger, der keinen anderen Gedan- den AntifaschistInnen gar von Polizei
Aufgabe sein muss. Erforderlich sind ver- ken aufkommen lassen wollte, von der bedroht und angegriffen.
stärkte Maßnahmen zur Bekämpfung der Ur- beißenden Kälte, gegen die sich die Ge- Auf die Übergabe von 175.000 Un-
sachen rechtsextremistischer Einstellungen fangenen auch durch die gegenseitige terschriften für NPD-Verbot habe der
in der Bevölkerung, verbunden mit der Un- Körperwärme etwas schützten – und: Bundestags-Petitionsauschuss nicht
terstützung der Zivilgesellschaft, sowie prä- von der Kraft der Solidarität. Kraftvoll reagiert. Sie berichtete von rechten
ventive und repressive Maßnahmen gegen stieß Mark Tilewitsch bei diesem Be- Straftaten und wie der Staat Flüchtlinge
rechtsextreme Gewalt. richt die Faust in den Himmel und sag- ausgrenzt. „149 Flüchtlinge töteten sich
In der ausführlichen Begründung zu die- te: „Solidarität hieß auch länger zu angesichts ihrer drohenden Abschie-
sem Beschluss heißt es abschließend: überleben, wenn jemand zu einem ziel- bung oder starben bei dem Versuch, vor
„Verbote von Parteien und Organisationen los Herumtaumelnden sagte: Komm in der Abschiebung zu fliehen. 746 Flücht-
sind notwendig, um ihnen die Legalität und unser Loch!“ linge verletzten sich aus Angst vor der
die Infrastruktur zu entziehen. Gleichwohl Weiter sprachen: Rolf Keller, Mitar- Abschiebung oder versuchten, sich um-
bedarf es weiterer Maßnahmen zur Beseiti- beiter der Stiftung Niedersächsische zubringen, 67 Flüchtlinge starben bei
gung der Ursachen rechtsextremer Einstel- Gedenkstätten, Autor zahlreicher Veröf- Bränden oder Anschlägen auf Flücht-
lungen und präventive und repressive Maß- fentlichungen zum Thema „Sowjeti- lingsunterkünfte, 14 Flüchtlinge starben
nahmen zur Bekämpfung rechtsextremer sche Kriegsgefangenenlager“, Paul durch rassistische Angriffe auf der Stra-
Straftaten. Gerade im Bereich der politisch Stern, ver.di-Vorstand Celle, Dimitri ße.“ Es sei ermutigend, dass anders als
motivierten Kriminalität – Rechts ist die An- Tukuser, Lib.-Jüd. Gemeinde Wolfsburg 1933, es gegen jede Regung von Nazis
zahl der Körperverletzungen im Jahr 2007 und Mechtild Hartung, Sprecherin öffentliche Gegenwehr gebe.
massiv gestiegen.“ ■ VVN/BdA Niedersachsen Spontan Charly Braun ■
Seit 1996 findet in Köln am 27. Ja- auf Kölner Fälle gesichtet werden. Es Erstens handelt sich bei den Quellen um
nuar eine Gedenkveranstaltung stellte sich heraus, dass die weitaus meis- offizielle Akten der NS-Militärjustiz. Zu-
zur Erinnerung an die Opfer des ten Akten unabgeschlossene Fälle behan- sammengestellt von Militärstaatsanwäl-
NS-Regimes statt. Im Jahr 2006 standen delten, doch dazu weiter unten mehr. ten, Polizei, Gerichten, um fahnenflüchti-
die Opfer der NS-Militärjustiz, Kölner De- Eine andere Quelle bilden die Akten der ge Soldaten, ihre Helferinnen und Unter-
serteure, im Mittelpunkt des Gedenkens. Divisionsgerichte. Die Akten der Divisio- stützer zu fassen und zu verurteilen. Diese
Im Anschluss an die beeindruckende Ver- nen sind nicht nach Delikten sortiert, ent- „Täter“-Akten geben wenig Auskunft da-
anstaltung entstand der Wunsch, einen Er- halten also alle möglichen Delikte, wie sie rüber, welche Beweggründe die einzelnen
innerungsort für die Menschen einzurich- auch vor zivilen Gerichten verhandelt wer- Angeklagten hatten. Wer klug war, ver-
ten, die sich – in welcher Weise auch im- den (Diebstahl, Urkundenfälschung, Un- suchte im Gegenteil möglichst harmlose
mer – dem mörderischen Krieg der Wehr- terschlagung, Mord, Leichenfledderei, und sozial adäquate Gründe für sein Ver-
macht entzogen und dabei oft ihr Leben usw.). Darüber hinaus enthalten sie auch halten anzugeben. Politische Motive konn-
riskiert oder gar verloren haben. Dies die Verfahren über Anklagen wegen Fah- ten den sicheren Tod bedeuteten.
schien besonders vor dem Hintergrund nenflucht, unerlaubter Ent-
heutiger völkerrechtswidriger weltweiter fernung, Wehrkraftzerset-
militärischer Einsätze notwendig. zung, Militärischen Unge-
Ratsbeschluss horsams, Wachvergehens,
Landesverrat und anderer
Ein am 28. September 2006 von der PDS- militärischer „Vergehen“. Je
Fraktion im Kölner Stadtrat eingereichter nach Fortlauf des Krieges
Antrag fand breite Unterstützung, und so sind diese Akten umfang-
beschloss der Rat, für „Deserteure, ‚Wehr- reich oder nicht. Sie enthal-
kraftzersetzer’ und Kriegsdienstverweige- ten neben den üblichen juris-
rer der Nazi-Herrschaft“ ein Denkmal zu tischen Dokumenten wie
errichten. Der Standort, so heißt es in dem Anklageschrift und Urteile
Beschluss, soll sich in die bisherigen Ge- auch persönliche Dokumen-
denkstätten für die Opfer der Naziherr- te wie Feldpostbriefe, Fotos,
schaft eingliedern. Die Art des Denkmals usw.
soll laut Ratsbeschluss mit betroffenen Or- Eine weitere Möglichkeit der Recher- Zweitens sind viele Fälle in den vorlie-
ganisationen und Personen besprochen che bot die sogenannte Todesurteilskartei. genden Akten nicht abgeschlossen. In eini-
werden, wobei sowohl eine einfache Ge- Diese Kartei ist keine originale Quelle, gen Fällen wird noch im Frühjahr 1945 er-
denktafel als auch eine anspruchsvollere sondern eine karteimäßige Erfassung von folglos gefahndet. Andere schließen mit
künstlerische Umsetzung als möglich an- Gerichtsakten und gleichzeitig ein Hilfs- einem beschlagnahmten Brief, den der
gesehen werden. Der Rat stellt für das mittel zum Auffinden solcher Akten. Die Soldat aus der Kriegsgefangenschaft an
Denkmal einen Betrag von 50.000 Euro Kärtchen sind nach den Nummern der Di- seine Angehörigen abgeschickt hat. Als
zur Verfügung, appelliert aber auch dafür, visionsgerichte geordnet und enthalten nur weitere Beweise für eine Kriegsgefangen-
zusätzlich Spenden einzuwerben. knappste Hinweise über die Verurteilten, schaft werden Flugblätter der sowjeti-
Gründung einer Projektgruppe in den seltensten Fällen die Geburtsorte, schen Armee herangezogen, die deutsche
aber nie Wohnorte. „Kölner“ konnte man Soldaten zitieren. Einige Akten enden mit
Das NS-Dokumentationszentrum der also so nicht ermitteln. dem Todesurteil und den Anweisungen zur
Stadt Köln hat daraufhin alle an der Vorbe- Deswegen haben wir uns dafür ent- geplanten Vollstreckung, ohne dass er-
reitung des Gedenktages zum 27. Januar schieden, die Todesurteile der in Köln an- sichtlich wird, ob der Soldat dem Henker
beteiligten Initiativen, Parteien und Ein- sässigen Gerichte des sogenannten Ersatz- tatsächlich zum Opfer gefallen ist. Wie-
zelpersonen eingeladen, an der Entwick- heers auszuwerten. Im Ersatzheer wurden derum andere Akten schließen damit ab,
lung von Vorschlägen für dieses Denkmal die Rekruten ausgebildet, und zu diesem dass der Vorgang an andere Dienststellen
teilzunehmen. Aus diesem Kreis bildete Ersatzheer gehörten auch die von der abgeben wird, weil die Fahndung im San-
sich eine dem Verein EL-DE-Haus e.V. Front zurückgekehrten verletzten oder de verlief. In allen diesen Fällen sind er-
(Förderverein des NS-Dokumentations- kranken Soldaten. gänzende Nachforschungen notwendig,
zentrums) angeschlossene „Projektgruppe Bei der Suche nach Todesurteilen haben um den Ausgang der Geschichten zu er-
‚Kriegsgegner/innen als Opfer der NS-Mi- wir uns dann auf solche Fälle konzentriert, mitteln. Die Quellenlage ist insofern para-
litärjustiz in Köln‘“. bei denen die Urteile auch in Köln voll- dox, als die Fälle der hingerichteten De-
Schon bei der Vorbereitung der Gedenk- streckt wurden. Gefunden haben wir ins- serteure klarer dokumentiert erscheinen
veranstaltung zum 27. Januar hatte sich gesamt 72, vermutlich waren es aber mehr. als diejenigen der untergetauchten, ver-
herausgestellt, dass die Quellenlage für Von 20 Verfahren, die mit Hinrichtungen schwundenen, ihrem Truppenteil abhan-
Köln mehr als dürftig war. Eine gründliche in Köln endeten, haben wir Akten gefun- den gekommenen Soldaten – also der
Recherche im Bundesarchiv, und zwar in den, darunter vier von in Köln geborenen möglicherweise erfolgreichen Deserteure.
der Zweigstelle Militärarchiv Freiburg, Soldaten. Dennoch geben die aufgefundenen
war daher notwendig. Ehrenamtlich wälz- Zur Quellenlage Quellen erste Einblicke in die Geschichte
ten fünf Leute die völlig verstaubten Ak- der Deserteure in der Kölner Region.
ten, um Kölner Fälle herauszufischen. Die Recherchen in den Gerichtsakten för- Ergebnisse in Zahlen
Konkret sah das so aus: Etwa 12.000 Ak- derten erste Ergebnisse, zugleich aber
ten des ehemaligen Zentralgerichts der auch viele Fragen zutage. Die Projektgruppe hat bei ihren Recher-
Wehrmacht in Gera, die Fälle von „Fah- Vorab: Zur Einordnung der Recherche- chen im Militärarchiv in Freiburg bisher
nenflucht“ enthalten, mussten mit Blick Ergebnisse sind zwei Punkte von Belang. 104 Fälle von Kölner Soldaten gefunden,
Die Tagespresse und selbst die Pariser Umsonstzeitungen wie Metro und
20-Minutes berichten täglich über die Auseinandersetzungen.
Die meisten der Betroffenen arbeiten seit über 10 Jahren in Frankreich. Weil
sie sich mit irgendwelchen Papieren beim Arbeitgeber angemeldet haben,
zahlen sie normal Steuer- und Versicherungsabgaben, ohne aber einen An-
spruch auf entsprechende Leistungen zu erwerben. Seit Sarkozys Zeit als In-
nenminister wurde ihnen der Anspruch auf Regulierung nach 10-jähriger Be-
schäftigung genommen und in eine willkürliche Kann-Regelung umgewan-
delt. Zur selben Zeit machen 100 Hungerstreikende im Abschiebegefängnis
in Vincenne von sich reden. Eine Demonstration von mehreren Hundert Teil-
nehmerInnen machte sich am Samstagnachmittag unter Begleitung dreier
bekannter Rap-Gruppen auf den langen Marsch von der Porte Dorré vorbei
am Bois de Vincenne bis zur Haftanstalt, um ihnen ihre Solidarität und die
Unterstützung ihrer Forderung zu bekunden. Pb ■