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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 14.2.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

Das Verbotsverfahren ge-


gen die NPD, von der rot-
grünen Bundesregierung
zum symbolhaften Höhepunkt
ihres „Aufstands der Anständi- München
gen“ gegen Rechtsextremismus 2. Februar
erklärt, in Wirklichkeit schon
lange zum mageren Rest eines
2002
schon wieder eingestellten „Auf-
stands“ geworden, ist durch die
an Betrug grenzenden Machen-
schaften der Verfassungs-
schutzämter und das dilettanti-
sche Agieren Schilys, der die
Dienste auf Teufel komm raus
schützen will, in eine schwere
Krise geraten.

Das Verfassungsgericht hat richtig


reagiert, als es die mündliche Ver-
handlung nach Auffliegen des Zeu-
gen Frenz und seiner 36 Jahre
währenden Spitzeltätigkeit für die
Dienste aussetzte. Dass die VS-
Ämter in Bund und Länder über-
haupt gewagt haben, das Gericht
und auch den Bundestag monate-
Technisches KO
lang über diese wichtige Tatsache
im Unklaren zu lassen, zu täu-
schen, ist ungeheuerlich und zeigt
in der Vorrunde von Ulla Jelpke, MdB
wieder einmal: Diese Dienste sind
ein Fremdkörper in der Demokra- schen Gegner als den Partner im Geiste. an Straftaten beteiligt waren. All das sei
tie. Ihr Geschäft besteht im Lügen Diese Grundstruktur ist bis heute geblie- außerdem unwichtig, nebensächlich,
und Betrügen. Offensichtlich ha- ben. Das ist für mich auch der Grund, „Kleinigkeiten“, Hysterie.
ben sie dabei selbst vor obersten warum alle VS-Ämter und alle Innenmi- Pure Heuchelei ist auch das Verhalten
Verfassungsorganen keinen Re- nister jetzt „schutzwürdige Interessen“ der CDU/CSU. Im Herbst 2000, bei Be-
spekt. Sie betrachten sich als Staat der V-Leute vorschieben, um zu verhin- ginn des Verfahrens, konnte Beckstein
im Staat und lassen sich von nie- dern, dass ihr Netz auffliegt. Diese Nazis gar nicht genug V-Leute-Aussagen in die
mandem in die Karten gucken. Sie haben für mich keine „schutzwürdigen In- Klageschriften hineinkriegen. Auf seinen
gehören abgeschafft. teressen“. „Schutzwürdige Interessen“ ha- Druck wurde damals in SPD und
ben die Opfer der Neonazis. Diese aber CDU/CSU über eine „Lex-NPD“, eine
Im Kalten Krieg entstanden, ha- werden durch die Vorgänge der letzten Änderung des G-10-Gesetzes debattiert,
ben Verfassungsschutz und V-Leu- Tage erneut mit Füßen getreten. damit V-Leute im Verfahren auftreten
te der Rechten „traditionell“ ein können. Ich habe das schon damals strikt
Verhältnis zueinander wie alte Ka- Der V-Leute-Skandal verweist auch auf abgelehnt – offensichtlich zu Recht.
meraden. Beide Seiten sehen eine ein weiteres strukturelles Problem: Die
Zusammenarbeit nicht als Tabu- Dienste haben ein Eigeninteresse an der Die gründliche Überarbeitung der An-
bruch. Der VS sah in den Rechten Geheimhaltung ihrer Verbindungen in die tragsschriften, die Streichung aller V-Leu-
schon immer weniger den politi- NPD. Mit dem Preisgeben ihrer Quellen te-Aussagen, ist die einzige Möglichkeit,
würden sie einen wesentlichen Teil ihrer das Verbotsverfahren nicht weiter zu ge-
Existenzberechtigung aufgeben. Selbst fährden.
Aus dem Inhalt: die Innenminister wissen nicht genau, Doch solange die Antragsteller Bundes-
wem ihre Ämter in der NPD alles vertrau- tag, Bundesrat und Bundesregierung nicht
Trotz Verbot - Tausende en und was da noch kommen kann. Den- volle Kenntnis über das gesamte V-Leute-
demonstrierten gegen noch wollen Schily, Beckstein & Co die- Netz in der NPD bekommen, ist dies un-
NATO-Konferenz . . . . . . . . 8 ses Netz nicht offenlegen. Stattdessen le- möglich. Schily, Beckstein und die ande-
Als der Jacques gitimieren sie das Führen von hohen ren Innenminister aber mauern weiter und
mit Jean-Marie . . . . . . . . . 11 NPD-Funktionären als V-Leute, behaup- bringen so das gesamte Verfahren in Ge-
Register 2001 ten frech, dass diese V-Leute weder die fahr.
Partei maßgeblich beeinflusst haben noch Fortsetzung Seite 2
Ich teile die Sorge von vielen, dass
das Verbotsverfahren durch den V-Leu-
te-Skandal und das Agieren von Schily
und den anderen VS-Ämtern und Innen-
ministern am Ende sogar scheitern kann.
In der Sache aber ist ein Verbot der NPD
weiter vollauf berechtigt und gut be-
gründet. Es ist zur Genüge belegt, dass
die NPD eine verfassungsfeindliche, ge-
walttätige, aggressive und in ihrem Anti-
semitismus und Rassismus zutiefst men-
schenverachtende Partei ist. Antifaschi-
stInnen haben dies in der Vergangenheit
zweifelsfrei belegt. Daher mein Appell:
Die antifaschistische Öffentlichkeit
muss sich äußern! Schließlich hat das
Gericht die Möglichkeit, auch selbst
Sachverhalte aufzuklären und andere
Zeugen zu laden.
Ulla Jelpke
Berlin, den 7.2.2002 ■

Zwei der drei vom Gericht für


die Verhandlung bestellten
Gutachter gelten als äußerst
Den Bock zum Gärtner
umstritten, da ihnen selbst ein
unkritisches Verhältnis zu rechten
Positionen nachgesagt wird:
gemacht
Vom Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsver-
Eckhard Jesse und Uwe Backes.
fahren bestellte Gutachter sind umstritten
So bagatellisierte Eckhard Jesse (Jg.
1948), Professor für Politologie an der verteidigte, der in einem Aufsatz die mo- warf darauf hin dieser „Neuen Rechten“
Technischen Universität Chemnitz, ralische Rechtmäßigkeit des Hitler-At- um Zitelmann und Co. vor, „verstaubte ,
jüngst unverhohlen rechtsextreme Um- tentats von Georg Elser im Münchner antidemokratische Vorstellungen“ zu
triebe in Deutschland. Bürgerbräukeller 1939 in Frage gestellt „neuem Leben zu erwecken und dabei
Wer die „Existenz ,national befreiter hatte. Das HAIT, schrieb daraufhin Der die Grenze zwischen Konservatismus
Zonen’ behauptet, schreibt Jesse, „wertet Spiegel, „steht mancherorts in Verdacht, und Rechtsextremismus zu verwischen.“
die Propaganda des gewaltbereiten sich zu einem Think-Tank neokonserva- Jesse attackierte daraufhin in der FAZ
Rechtsextremismus auf.“ Jese wandte tiver Überzeugungstäter zu entwickeln, (9.4.1997) den NRW-Verfassungsschutz
sich mit seiner Aussage gegen eine Jury die das Geschichtsbild des Dritten Rei- und warf ihm vor „auch konservative
von Sprachwissenschaftlern, die „natio- ches revidieren wollen.“ Gruppierungen ins Zwielicht zu rücken“.
nal befreite Zonen“ zum Unwort des Jah- 1994 waren Jesse und Backes Unter- Weiter beklagte Jesse, dass in den Ver-
res 2000 erklärt hatten. Der Begriff, so zeichner einer Solidaritätserklärung für fassungsschutzberichten mehrerer Län-
die Sprachwissenschaftler, beschreibe den „Wortführer der Neuen Rechten“ der über die „Neue Rechte“ berichtet
auf zynische Weise Gebiete in den östli- (Der Spiegel) Rainer Zitelmann (Jg. wird, die er für eine Erfindung der 68er
chen Bundesländern, die von Rechtsex- 1957). Zitelmann wurde trotz der Solida- halte (Der Tagesspiegel).
tremisten terrorisiert werden. Weniger ritätsbekundungen von Jesse und Backes Der Einsatz von Jesse und Backes für
zimperlich geht Jesse stattdessen mit An- als Ressortleiter der Tageszeitung „Die Zitelmann ist menschlich verständlich.
tifaschisten ins Gericht. Diese verdienen Welt“ nach massivem Protest der Redak- Alle drei waren 1990 Herausgeber des
seiner Auffassung nach „gesellschaftli- tion abgesetzt. Das Fass zum Überlaufen Buches „Der Schatten der Vergangenheit.
che Ächtung“. hatte der „PR-Mann einer national ge- Impulse zur Historisierung des National-
Erschienen ist der Jesse-Aufsatz pein- sinnten Szene“ (Die Woche) gebracht, sozialismus“, ein Buch, das in rechten
licherweise in der Zeitschrift „Aus Poli- als er ein „widerliches Machwerk“ (Die Kreisen auf starken Zuspruch stieß.
tik und Zeitgeschichte“, der Beilage zur Zeit) abdruckte, in dem jüdischen KZ- Auch der dritte vom Bundesverfas-
Wochenzeitung „Das Parlament“, die Häftlingen vorgeworfen wurde, „ihre sungsgericht bestellte Gutachter, der Par-
von der Bundeszentrale für politische Leidenszeit hier und da etwas zu drama- teienforscher Jürgen Falter, war Autor in
Bildung herausgegeben wird. tisieren“. diesem Band und gehört seit vielen Jah-
Ebenfalls Autor in dieser Ausgabe – Bundesweit bekannt wurde Zitelmann ren dem Beirat des von Jesse und Backes
vom 9. Novemeber (!) 2001 – ist Uwe 1995 als Mitinitiator des geschichtsrevi- herausgegebenen „Jahrbuchs Extremis-
Backes (Jg. 1960), stellvertretender Di- sionistischen Aufrufs „8. Mai 1945 – ge- mus & Demokratie“ an.
rektor am Hannah-Arendt-Institut für To- gen das Vergessen“. In dem Appell wur- Die NPD begrüßte die Nominierung
talitarismusforschung an der Techni- de dazu aufgerufen, den 8. Mai als Tag von Backes und Jesse in einem Email-
schen Universität Dresden (HAIT). Er der Befreiung vom Nationalsozialismus Rundschreiben vom 10.1.02: „Beide sind
lamentiert über eine angeblich in nicht mehr so wichtig zu nehmen. Das in letzter Zeit von ganz links außen unter
Deutschland verbreitete „Hypersensibi- Rechtsaußenblatt „Junge Freiheit“ jubi- Beschuß gekommen... Beiden wird auch
lität gegenüber allen Anflügen nationali- lierte über Zitelmann: „Zum ersten Mal eine eher konservative Postion vorge-
stischen Denkens“. Backes geriet zur geht von der ,Rechten’ substantielle Ge- worfen.“
Jahreswende 1999/2000 in die Schlag- fahr für das Establishment aus.“ Der aus: Archiv-Notizen Januar 2002,
zeilen, als er einen HAIT Mitarbeiter nordrhein-westfälsche Verfassungsschutz hrsg. vom DISS Duisburg (gekürzt) ■

2 :antifaschistische nachrichten 4-2002


: meldungen, aktionen

Jahreskongress in Blanken- heit“ für den Film geworben. Der ent- Oberland“ an der Feier der „Landsmann-
burg puppte sich jedoch als Flop. „An den Ki- schaft Oberschlesien“ zum 80. Jahrestag
nokassen bleibt dem Film....der dringend der Volksabstimmung in Oberschlesien
Blankenburg. Vom 28. Februar bis benötigte finanzielle Erfolg versagt“, in der Nürnberger Meistersingerhalle
zum 7. März führen „Die Deutschen heißt es bedauernd in der „Jungen Frei- nicht teilnehmen konnte.
Konservativen“ um Joachim Siegerist heit“ (JF 6/02). hma ■ Voller Zorn hatten sich die Freikor-
und Heinrich Lummer ihren diesjährigen psanhänger daraufhin an das bayerische
Jahreskongress in Blankenburg bei Erneuter Anlauf Innenministerium – Abteilung Verfas-
Quedlinburg durch. Neben dem Berliner sungsschutz – gewandt, um sich dort be-
CDU-Rechtsaußen Heinrich Lummer Frankfurt/Main. Auf Einladung des stätigen zu lassen, dass gegen die „Ka-
und Bruno Bandulet, früher beim „Bund Bundesvorsitzenden der „Deutschen Par- meradschaft Freikorps und Bund Ober-
Freier Bürger“ aktiv, referieren dort der tei“, Dr. Heiner Kappel, fand am 12. Ja- land“ „überhaupt nichts vorliegt“ („Der
emeritierte Bonner Prof. Hans-Helmuth nuar in Frankfurt ein Treffen mehrerer Oberländer“ Nr. 30). Anscheinend sind
Knütter, im vergangenen Jahr noch Refe- kleiner Rechtsparteien und –verbände die bayerischen „Verfassungsschützer“
rent bei der neofaschistischen „Gesell- statt. Gefolgt waren der Einladung Joa- derart mit der Linken in Bayern beschäf-
schaft für Freie Publizistik“, der Hitler- chim Siegerist und Heinrich Lummer tigt, dass für eine Beobachtung der rech-
Biograph Prof. Werner Maser und der von den „Deutschen Konservativen“, Dr. ten Szene keine Zeit mehr bleibt. Dabei
Orientalist und „Junge Freiheit“-Autor Alfred Mechtersheimer von der ließe sich ohne großen Aufwand feststel-
Hans-Peter Raddatz. hma ■ „Deutschland-Bewegung“, der Vorsit- len, dass zu den Trägern des verbandsei-
zende der „Deutschen Sozialen Union“ genen „Oberlandehrenzeichens in Sil-
Identitätsstörungen (DSU), Roberto Rink, stellvertretend für ber“ der langjährige Leiter des Kasseler
die Vorsitzende der „Freiheitlichen Deut- „Thule-Seminars“, Dr. Pierre Krebs, im
Berlin. Das „Institut für Staatspolitik“ schen Volkspartei“(FDVP), Claudia vergangenen Jahr Interviewpartner des
um die „Junge Freiheit“-Autoren Karl- Wichmann (ehemals DVU), deren Ge- NPD-Organs „Deutsche Stimme“, eben-
heinz Weissmann und Götz Kubitschek schäftsführer, Franz-Josef Reischmann, so gehört wie der Ministerialrat a.D. Dr.
führt am 16. März sein „4. Berliner Kol- Wilfried Biedermann von der „Freiheitli- Franz Ruhwandl, der bis zu seinem Tod
leg“ unter dem Titel „Identität“ durch. chen Initiative“ und Baldur Springmann. im Jahre 2000 „jahrzehntelanges Mit-
„Kein Kollektiv kann umhin, Eigenes Nicht teilgenommen an diesem Treffen glied der NPD“ war („Deutsche Stimme“
von Fremden zu unterscheiden“, heißt es hatten der Vorsitzende der sog. „Republi- 2/2000).
in der Ankündigung. Das müsse „nicht in kaner“, Rolf Schlierer und der Sprecher Wer nur einige Ausgaben des Mittei-
aggressiver Absicht erfolgen, aber es der „Stattpartei“, Dr. Bruno Hollnagel. lungsblattes „Der Oberländer“ gelesen
wirkt in jedem Fall“. Gewirkt zu haben Diese hätten jedoch, heißt es in der hat, weiß auch, dass dort, zumeist ohne
scheint es jedenfalls bei dem einstigen „Deutschland Post“ (1/02) der „Deut- Quellenangabe, Beiträge aus den ver-
SDS-Aktivisten Bernd Rabehl, der be- schen Partei“, eine „positive Haltung“ zu schiedensten neofaschistischen Publika-
reits 1998 bei der Münchener „Bur- Kappels Zielsetzung signalisiert. Wie tionen abgedruckt werden. In der aktuel-
schenschaft Danubia“ als Referent auf- schon bei ähnlichen Treffen aus der Zeit, len Ausgabe des „Der Oberländer“ findet
getreten war und dafür heftige Kritik ein- als Kappel noch Vorsitzender des „Bund sich gar ein Aufsatz von Thomas Brehl
stecken und als Vertrauensdozent der Freier Bürger“ war, wurde festgestellt, unter dem Titel „Ich bin stolz ein Deut-
Hans-Böckler-Stiftung seinen Hut neh- dass die Gruppierungen jeweils allein scher zu sein!“ der mit den Worten endet:
men musste. Nachdem sich der Wirbel „keine überzeugende Änderung“ bun- „Gegen Multikultur! Für den Stolz der
um seine Person an der FU Berlin gelegt desrepublikanischer Politik durchsetzen Völker und den Bestand der Nationen!“.
hat, will Rabehl nun am 16. März mit ei- könnten. Eine eigens gegründete „Ar- Der Fuldaer war Weggefährte in Michael
nem Vortrag über „die Linke und die Na- beitsgemeinschaft“ soll nun „das poli- Kühnens Ende 1983 verbotenen
tion“ beim „Institut für Staatspolitik“ tisch Verbindende“ erarbeiten und ANS/NA (Aktionsfront Nationaler So-
auftreten. Gleich nach Instituts-Mitgrün- zukünftig auch gemeinsame Aktivitäten zialisten /Nationale Aktivisten). 1999
der Weissman, versteht sich, der mit ei- festlegen. Der „Deutschen Partei“ unter gehörte Brehl zu den Mitgründern des
nem Referat zum Thema „Volk – Nation Kappels Vorsitz haben sich eine Reihe neofaschistischen „Kampfbund Deut-
– Staat“ aufwartet. Zum Schluss der Ta- seiner früheren Mitstreiter aus den Zei- scher Sozialisten“ (KDS).
gung wird eine Neuauflage des Kalten- ten des „Bund Freier Bürger“ ange- Mit dem Freibrief vom Amt gerüstet
Kriegs-Klassikers aus den 50er Jahren schlossen. waren die Wogen beim „Bündnispartner“
mit dem Titel „So weit die Füße tragen“ Abgedruckt wird in der „Deutschland schnell geglättet. So habe der Landes-
gezeigt. Anschließend stellt sich der Co- Post“, die in einer Auflage von 10 000 vorsitzende der „Landsmannschaft der
Produzent des Filmes über einen aus ei- Exemplaren auch der aktuellen Ausgabe Oberschlesier“ in Bayern, Rupert A. Ba-
nem sowjetischen Kriegsgefangenenla- der „Jungen Freiheit“ beiliegt, auch eine ron, in einem Schreiben an „Kamerad-
ger geflüchteten Wehrmachtssoldaten, Todesanzeige für die „Deutsche Mark“, schaftsführer“ Rudolf Hüfner „diesen
Bastian Cleve, zu einem Gespräch zur die dem Titelblatt der neofaschistischen unrühmlichen Ablauf“ in der Meistersin-
Verfügung. Cleve hatte erst kürzlich in Zeitschrift „Nation & Europa“ entnom- gerhalle im Nachhinein „bedauert“, heißt
einem Interview mit der „Jungen Frei- men wurde. hma ■ es in „Der Oberländer“. „Unverständ-
lich“ fand diesen Vorgang auch die Vor-
Veranstaltung: Freunde fürs Leben sitzende der „Landsmannschaft der
Oberschlesier“ in München, Gertrud
„Hundert Tage sind genug!“ Rosenheim. Antifaschistische Pro- Müller. Vor etwa 300 Teilnehmern dank-
Erster Versuch einer gemeinsamen teste und die Drohung des Oberbür- te die Münchener „Landsmannschaft“-
Bewertung des neuen Hamburger Senats germeisters, die Schirmherrschaft Funktionärin auf der jährlichen Anna-
Hamburg, 16.2.2002, 13 Uhr, über die Veranstaltung niederzule- berg-Gedenkfeier am Schliersee im Mai
Hochschule für Wirtschaft und Politik, gen, hatten im März vergangenen vergangenen Jahres dem scheidenden
Cafe Knallhart, Von Melle Park 5 Jahres dazu geführt, das die „Kame- „Kameradschaftsführer“ Rudolf Hüfner
radschaft Freikorps und Bund für seinen Einsatz.

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Weitere gemeinsame Aktivitäten der deren Haus 1940 zwangsverkauft wurde, (AABA) ruft dazu auf: „Heute wie im
Freikorpsanhänger mit den Münchener sie wurden am 27.9.1942 nach The- November 2000 ist es richtig und wich-
Oberschlesiern waren für letzten Dezem- resienstadt deportiert und starben wenige tig, gegen den Rassismus der Parlamen-
ber geplant. So sollte die „Kamerad- Monate später. te, der Amtsstuben, der Gerichtssäle und
schaft“ für die neue Fahne der Ober- Quelle: FR 30.1.2002 – u.b. ■ der Straßen zu demonstrieren. Geändert
schlesier die Patenschaft übernehmen hat sich wenig - jedenfalls nicht zum Po-
und ein Fahnenband stiften. Für den 8. DVU tritt nicht zur Wahl an sitiven. Im Gegenteil, es herrscht wieder
Dezember war geplant im Kasino der Krieg und Deutschland will diesmal
Bundeswehrverwaltung in der Dachauer- Magdeburg. Die rechtsextremistische ganz vorne mit dabei sein. Wir demon-
str.128 in München die Patenschaft der Deutsche Volksunion (DVU) tritt nicht strieren am 16. Februar nicht nur gegen
neuen Oberschlesierfahne zu überneh- zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an. Taten wie die von Aystetten, sondern
men. Landesparteichef Dieter Kannegießer er- auch gegen das gesellschaftliche Klima,
Bis zur nächsten Annaberg-Feier am klärte gegenüber dem MDR-Radio Sach- das solche rassistischen Übergriffe er-
26. Mai im Kurhaus von Schliersee wer- sen-Anhalt, dies habe personelle und vor möglicht.“ ■
den noch zahlreiche Treffen der „Kame- allem auch finanzielle Gründe. Er ver-
radschaft“ stattfinden. Unter dem neuen wies dabei auf die Hamburger Niederla-
„Kameradschaftsführer“, Jürgen Popp ge, wo die DVU trotz eines aufwändigen Pro Köln contra Verfassungs-
aus Rosenheim, treffen sich die Frei- Wahlkampfs an der Fünf-Prozent-Hürde
korpsanhänger jeweils Samstag den scheiterte. schutz – Demo für den
23.2., 13.4., 15.6., 10.8., 12.10. und Bei der letzten Landtagswahl war die 9. März 2002 angekündigt
21.12.2002 ab 16 Uhr im Lokal „Ober- DVU mit 12,9 % mit 16 Abgeordneten in Köln. Nachdem das öffentliche Interes-
land“ in Holzkirchen. hma ■ den Landtag eingezogen. Inzwischen se am Kölner Straßenstrich in den ver-
gab es etliche Austritte und eine Spal- gangenen Wochen doch stark nachgelas-
tung der Fraktion. Parteifinanzier Dr. sen hat, scheinen Manfred Rouhs und
„Traumatisierte Täternach- Frey kalkuliert jeweils sehr genau, ob es „seine“ Bürgerbewegung PRO KÖLN
sich lohnt, Millionen in einen Wahl- nun nach neuen Betätigungsfeldern zu
kommen“ kampf zu investieren oder nicht. Er über- suchen. Zu ihrem Glück bieten ihnen die
Messel/Hessen. In der Gemeinde Mes- lässt das Feld der Schill-Partei, die mit (angeblich) die Verfassung schützenden
sel im Kreis Darmstadt-Dieburg gibt es dem Klinik-Konzernchef Marseille als Organe der BRD im Moment genügend
Streit um das richtige Gedenken. Schon voraussichtlichem Spitzenkandidaten in Ansatzpunkte. Wo nun auch die Zentrale
Mitte der 90er Jahre hatte der FDP-Bei- den Wahlkampf ziehen wird. des Bundesamtes in Köln liegt, hätte
geordnete Karl Wenchel versucht, in der Quelle jW 5.2.02 – u.b. ■ man fast schon davon ausgehen können,
4000-Seelen-Gemeinde einen Gedenk- dass Rouhs seine Chance sieht und nutzt.
stein mit den Namen der Messeler NS- Haft für Roeder Auf der einen Seite argumentieren die
Opfer zu errichten. Vergeblich. Gedenk- sich einen bürgerlichen Anstrich geben-
stein ja, hieß es, aber keine Namen. Die Frankfurt. Der vielfach vorbestrafte den rechten Parteien und Organisationen
Gemeinde ließ eine Tafel am Friedhofs- 72jährige Manfred Roeder ist vom Land- schon seit geraumer Zeit, dass es „eine
parkplatz aufstellen mit der Aufschrift gericht Frankfurt zu zwei Jahren Gefäng- vom Verfassungsschutz ausgearbeitete
„allen NS-Opfern“. nis ohne Bewährung verurteilt worden. Ideologie Rechtsextremismus gebe, mit
Als Wenchel jetzt einen erneuten Ver- Im April 2000 hatte Roeder in einem deren Inhalten politische Nonkonformi-
such unternahm, das Schicksal von sie- Schreiben den Bundestagsabgeordneten sten zu kontaminieren versucht“ würden.
ben NS-Opfern, Juden und Christen, na- „Völkermord am eigenen Blut wegen Zum anderen ist es wieder ein Thema,
mentlich in Erinnerung zu rufen durch bodenloser Asylpolitik“ vorgeworfen. bei dem tatsächlich und berechtigt auch
eine Tafel in der Nähe des örtlichen Krie- Zum Holocaust-Denkmal in Berlin tatsächlichen Bürgern der Hut hoch geht.
gerdenkmals, begründete die CDU-Frak- meinte er, es sei eine „Kriegserklärung So hat PRO KÖLN die Durchführung
tion ihre Ablehnung folgendermaßen: an das Deutsche Volk“. Er forderte die einer Kundgebung auf dem Pariser Platz
Wer die Namen der Opfer nenne, stifte Abschaffung der Bundesrepublik – „ein in Chorweiler um 16.00 Uhr geplant und
Unfrieden und traumatisiere die Nach- käuflicher Saustall“, so Roeder – und er- angekündigt, um danach gegen 17.00
kommen möglicher Täter. Eine solche klärte: „Das Reich muss wieder her“. Uhr zum VS in der Merianstr. zu ziehen,
Tafel würde nur unnötig „die Emotionen Das Gericht stellte fest, es gehe Roeder um unter der Losung „Keine Freiheit für
im Dorf aufputschen“ und sei für eine um die „Wiederherstellung des Nazi-Un- die Feinde der Freiheit“ die Auflösung
sachliche Auseinandersetzung mit dem rechtstaates“, er sei ein „Lobredner des des VS zu fordern. Als Redner ist neben
Thema nicht geeignet. Nationalsozialismus“. Während die Ver- Rouhs selbst Markus Beisicht genannt,
„Verkehrte Welt“ kommentierte die teidigung auf Freispruch plädierte, er- der als Rechtsanwalt aus Leverkusen an-
FR: „Wer vor diesem historischen Hin- kannte das Gericht auf Haft, aufgrund gekündigt wird.
tergrund von einer Traumatisierung der der vielen Vorstrafen ohne Bewährung. Die Nennung Leverkusens ist in so-
Täter-Nachkommen spricht, der ver- Revision allerdings wurde zugelassen. fern interessant, da sich seit einiger Zeit,
höhnt die Opfer und deren Familien, Die wird Roeder jetzt wohl beantragen, auch in der Presse, leichter Wirbel um
denn nur sie können diesen Begriff zu beim BGH hat er bereits wegen ähnli- eine sog. „Schwesterorganisation“ Pro-
Recht in Anspruch nehmen“. cher Verurteilungen in Marburg und Kölns, die „Leverkusener Offensive“
Dabei sind die Opfer durchaus be- Schwerin Einsprüche laufen. regt. Von einer ziemlich mageren Home-
kannt: Zu den namentlich bekannten Quelle FR 31.1.2002 – u.b. ■ page abgesehen, auf der lediglich betont
gehört die psychisch kranke Marie Wen- wird nicht in die Rechte Ecke zu
chel, eine entfernte Verwandte Karl Wen- gehören, sondern ausschließlich „gute
chels. Nach seinen Recherchen wurde sie Gegen Krieg, Überwa- Kontakte zu Pro Köln zu unterhalten“,
in die psychiatrische Anstalt Eichberg ist diese zwar bisher nicht in Erschei-
gebracht, die Teil der „Euthanasie-Ma- chungsstaat und Rassismus nung getreten. Doch wird es zu beobach-
schinerie“ war. Sie verstarb dort 1944. Augsburg: Demonstration am 16.2. ten bleiben, in wie weit es den Rechten
Bekannt ist auch das Schicksal des jüdi- um 13 Uhr ab Königsplatz. Das Antifa- gelingen wird, sie aufzubauen.
schen Ehepaars Eduard und Berta Neu, schistische Aktionsbündnis Augsburg CHR ■

4 :antifaschistische nachrichten 4-2002


PRO in Dinslaken
Dinslaken. Am 25.1.02 fand ab 19 Uhr Personenschutz
in der Gaststätte „Gambrinus“ in Dinsla-
ken eine Informationsveranstaltung zur für Neonazis
Gründung der Partei der Rechtstaatli-
chen Offensive statt. Hierzu hatten die bei Aufmarsch in Bielefeld
ehemaligen Mitglieder der Bürgerbewe- Während in München ein kom-
gung Dinslaken bzw. der CDU Herr plettes Demonstrationsverbot
Mühmert und Herr Glembock eingela- über sämtliche Aktionen gegen
den. Um 18.30 Uhr fanden sich etwa 20 die NATO-Sicherheitskonferenz ver-
jugendliche Antifaschist/innen ein, um hängt wurde, durften in Bielefeld am
gegen die Veranstaltung mit Transparen- 2. Februar rund 1700 Neofaschisten
ten („Keine Schill-Partei in Dinslaken“) den Schutz des Grundgesetzes für
und Trillerpfeifen zu protestieren. Es sich in Anspruch nehmen und erneut
wurden Flugblätter an die BesucherIn- gegen die Ausstellung des Hambur-
nen der Gaststätte sowie der Anwohne- ger Instituts für Sozialforschung über
rInnen verteilt, die sich gegen den Ras- die Verbrechen der Wehrmacht de-
sismus, Sicherheitswahn und Ausgren- monstrieren. Rund 2000 Beamte aus
zung richteten. Die Jugendlichen be- ganz Nordrhein-Westfalen schirmten
schlossen dann, sich an der Veranstal- den Neonaziaufmarsch ab.
tung zu beteiligen.
Der nicht enden wollende Applaus bei Aus dem gesamten Bundesgebiet und
der Vorstellung des Konzeptes der Partei aus Schweden waren die Rechten am
bei Begriffen wie „Sicherheit“, „Auslän- Samstag angereist. Dass die neofaschisti- von den Rechten bedroht worden. Ge-
derkriminalität“ fand jedoch nicht die sche Szene jedoch nicht, wie so gerne genüber jW berichteten sie von körperli-
Zustimmung der Veranstalter der PRO. von ihr dargestellt, in trauter Einheit chen Misshandlungen und Beleidigun-
Nach dem Skandieren von „Schill - Pa- marschiert, wurde deutlich, als sich gen. Des weiteren hätten die Nazis ihre
rolen“ drohte Herr Mühmert die Jugend- NPDler und „Freie Kameraden“ nach ei- „Personalien kontrollieren wollen“ und
lichen des Raumes zu verweisen. Sicht- ner Rede von Steffen Hupka in die Haare Bilder von ihnen gemacht, welche auf
lich überfordert versuchten die Veran- gerieten. Dieser hatte in seinem Beitrag der Internetseite der neofaschistischen
stalter die Jugendlichen in die Veranstal- die Politik der NPD kritisiert, woraufhin „Initiative der weißen Art“ ausgestellt
tung zu integrieren. Nachfragen zur Re- es zu Rangeleien zwischen dem Dort- werden werden sollten. Nach Aussage
sidenzpflicht, der Brechmittelvergabe in munder Nazikader Siegfried Borchardt der Jugendlichen ist der Vorfall von ei-
Hamburg, der Asylpolitik sowie der Ar- und einem NPD-Mitglied kam. nem Beamten des Bundesgrenzschutzes
beitslosigkeit konnten von den Rednern In einem vom örtlichen DGB organi- (BGS) beobachtet worden, der jedoch
auf dem Podium nicht beantwortet wer- sierten Sternmarsch machten sich rund nicht eingeschritten sei. Ein Sprecher des
den. Nach zwei Stunden kritischer Fra- 8000 Menschen auf den Weg, um gegen BGS Bielefeld wies die Vorwürfe ge-
gen und Dauerapplaus wurde die Veran- die neofaschistische Provokation zu de- genüber jW zurück. Der Polizei sei „ein
staltung ergebnislos beendet. monstrieren. Die Bielefelder Antifa kriti- solcher Vorfall nicht bekannt“.
„Zur Zeit gibt es uns in NRW noch gar sierte indes die Zusammenarbeit zwi- Während des Aufmarsches wurden
nicht. Die Gründung des Landesverban- schen DGB und Polizei sowie die Einla- drei NPD-Anhänger festgenommen.
des ist im Zeitraum Februar/März ge- dung der Gewerkschaft an den Oberbür- Nach Angaben von Polizeisprecher
plant. Erst im Anschluss sollen Kreis und germeister von Bielefeld, Eberhard Da- Wolfgang Seifried hatten sie Polizisten
Stadtverbände ins Leben gerufen wer- vid (CDU). In einem Flugblatt stellten mit Flaschen und Steinen beworfen und
den“, unterstrichen Mühmert und Hans- die Antifaschisten klar, dass David eine getreten, Barrikaden errichtet und ange-
Gerd Glembock und rechnen da mit brei- Partei vertrete, „die für rassistische (Leit- zündet sowie einen Polizeiwagen be-
ter Zustimmung beim Wahlvolk. kultur-)Kampagnen bekannt“ sei und de- schädigt. Zudem sei ein 24jähriger vor-
Die AntifaschistInnen versprachen, ren Kanzlerkandidat gerne von einer läufig festgenommen worden, weil auf
jede Veranstaltung der Initiative zur „durchrassten Gesellschaft“ schwadro- seiner Kopfhaut SS-Runen tätowiert wa-
Gründung der PRO zu besuchen. niere. Daher dürfe es kein Rederecht für ren. Gegen ihn sei ein Strafverfahren ein-
Junge Linke Wesel ■ David geben. geleitet worden. Redeverbote wurden ge-
Rund 500 meist jugendliche Linke gen den früheren Chef der verbotenen
Angriffe auf ausländischen wollten sich nicht damit begnügen, in Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP),
der Innenstadt gegen die Nazis zu de- Friedhelm Busse, und den Hamburger
Wissenschaftler in Jena monstrieren. Daher machten sie sich, Neonazi Christian Worch verhängt. Der
Jena. In der Thüringer Universitätsstadt nachdem ihr Weg zunächst an einer Poli- Versammlungsleiter der NPD, Timo Pra-
Jena ist erneut ein ausländischer Wissen- zeisperre endete, in Kleingruppen auf, del, sei von der Veranstaltung ausge-
schaftler vermutlich von drei Rechtsex- um sich den Neofaschisten direkt in den schlossen worden, weil er „Ruhm und
tremisten angegriffen worden. Der 32- Weg zu stellen, was aufgrund der einge- Ehre der Waffen-SS“ skandiert habe,
jährige russische Gastdozent der Frie- setzten Polizeikräfte jedoch nicht glück- sagte Seifried. Auch gegen ihn werde ein
drich-Schiller-Universität wurde nieder- te. Die Beamten lieferten sich immer Strafverfahren eingeleitet.
geschlagen und im Gesicht schwer ver- wieder Rangeleien mit den Linken und Die „Freien Kameradschaften“ kün-
letzt. Die Polizei geht von einem auslän- setzten mehrfach den Schlagstock ein. digten unterdessen einen erneuten Auf-
derfeindlichen Hintergrund aus. Dem Dabei wurden einige Demonstranten marsch gegen die Wehrmachtsausstel-
Vorfall war ein Streit vorausgegangen, leicht verletzt. lung in Bielefeld an. Laut Christian
wobei die Täter den Wissenschaftler be- Auch bei der Anreise der Neofaschi- Worch soll dieser am 2. März stattfin-
schimpft und beleidigt hätten. Vor einer sten kam es zu einem Zwischenfall: den. Die überarbeitete Wehrmachtsaus-
Woche war bereits ein 38 Jahre alter chi- Zwei linke Jugendliche waren aus Verse- stellung ist noch bis 17. März im Histo-
nesischer Gastprofessor zusammenge- hen in einen eigens für die Nazis bereit- rischen Museum Bielefeld zu sehen.
schlagen worden. Fortsetzung Seite 6 gestellten Sonderzug gestiegen und dort Peter Schulz , Jw vom 4.2.2002 ■

: antifaschistische nachrichten 4-2002 5


Fortsetzung von Seite 5
Inzwischen nahm die Polizei einen 34- Landsmannschaft Ostpreußen
jährigen Tatverdächtigen fest. Nur weni-
ge Stunden später stellten sich zwei wei-
verliert erneut
tere Männer in Begleitung ihrer Rechts-
anwälte dem Staatsanwalt. Einer habe
Klage gegen PDS
zugegeben, dem Mann mit dem Kopf ins
Gesicht gestoßen zu haben, sagte der Das Oberlandesgericht Celle hat eine Staaten Osteuropas untergrüben und ge-
Leitende Staatsanwalt Sauter. Berufungsklage der Landsmannschaft gen die Verfassung der Bundesrepublik
Die Thüringer Hochschulen verurteil- Ostpreußen gegen den früheren Vorsit- Deutschland verstießen.“
ten unterdessen die Übergriffe. Rund zenden der PDS-Bundestagsfraktion, Diesen Vorwurf muss die Lands-
5 000 Studenten, Dozenten und Jenaer Gregor Gysi, und gegen die Abgeordne- mannschaft Ostpreußen „im öffentli-
Bürger nahmen am 5.2. an einem Pro- te Ulla Jelpke abgewiesen. chen Meinungskampf hinnehmen“, ur-
testmarsch gegen Fremdenfeindlichkeit Anlass der Klage war eine Anfrage teilte das Gericht.
und Gewalt in Jena teil. „Wissenschaft der PDS-Bundestagsfraktion an die
ist international und braucht den Aus- Bundesregierung aus dem Jahr 2000, in Bereits im Frühjahr 2001 hatte das
tausch“, erklärte Rektor Prof. Dr. Karl- der die Satzung der Landsmannschaft Landgericht Lüneburg in erster Instanz
Ulrich Meyn. Wenn Ausländerfeindlich- Ostpreußen scharf kritisiert und als Sat- eine entsprechende Klage der Lands-
keit nicht Einhalt geboten werde, dann zung, die Annexion sanktioniert, einge- mannschaft abgelehnt. Das Urteil des
seien diese wichtigen Austauschbezie- stuft worden war. OLG Celle bestärkt die PDS in ihrer
hungen gefährdet. Fremdenfeindlichkeit, Wörtlich heißt es dazu in dem Urteil Kritik und Ablehnung aller Versuche
so Meyn, sei aber nicht nur ein Phäno- des OLG Celle: aus Vertriebenenverbänden, die beste-
men rechtsradikaler Parteien. Auch man- „In der Anfrage bringen die Beklag- henden Grenzen in Europa zu relativie-
cher Bürger freue sich klammheimlich, ten ... ihre politische Überzeugung zum ren und in Frage zu stellen.
wenn Ausländer beschimpft oder verprü- Ausdruck, dass alle Bestrebungen, die
gelt werden, was sich in Stammtischpa- bestehenden Staatsgrenzen in Europa in Das schriftliche Urteil ist zu erhalten
rolen offener entlade. Der Rektor rief die Frage zu stellen und territoriale An- im Büro Ulla Jelpke MdB, Tel. 030-
Bürger Jenas auf, nicht wegzusehen, sprüche gegen Nachbarländer zu erhe- 227-75816, Fax 030-227-76793,
wenn Gewalt gegen Menschen ausgeübt ben, den Frieden gefährdeten, jede Poli- Mail: ulla.jelpke@bundestag.de.
werde. tik der guten Nachbarschaft mit den ■
Daniel Gohlke vom Studentenrat der
Universität, dessen Zeitung „Akrützel“
extra eine Sonderausgabe zur Demo ver-
teilte, befürchtet, ebenso wie die Univer-
sitätsleitung, dass ausländische Studen- stoffanschlag auf einen Eisenacher Dö- Revanchisten-Konzert
ten den Studienort Jena künftig meiden. nerimbiss zu 2 Jahren und 3 Monaten Frankfurt. Am 17. Februar um 16.00
Golhke machte auch auf die fast unwi- verurteilt. Eine Woche später wurde er Uhr ist ein Benefiz-Konzert zu Gunsten
dersprochen hingenommene Erhebung erneut verhaftet, nachdem er gemeinsam des von Erika Steinbach und dem „Bund
von Daten ausländischer Studenten per mit einem zweiten Täter versuchte, Geld der Vertriebenen“ (BdV) geplanten
Rasterfahndung nach dem 11. September von einem Opfer mit Gewalt zu erpres- „Zentrum gegen Vertreibung“ in der
aufmerksam. Auch das sei wenig ver- sen. Paulskirche in Frankfurt geplant. Reden
trauensbildend. In den Demonstrations- Am 31.1.2002 wurde die Demonstrati- sollen neben Frau Steinbach Minister-
zug reihten sich unterwegs noch viele onsanmeldung dahingehend verändert, präsident Koch und Petra Roth.
Menschen ein. dass Christian Worch jetzt als Anmelder Der BdV hat sich immer gegen die
Am Rande der Demonstration gab es und Marco Polzius als Stellvertreter fun- Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze
Protest gegen den an der Uni Jena leh- gieren. Als Ordnungsdienstleiter wurde und der Grenze zur Tschechischen Repu-
renden Professor Zehm, der im letzten Dieter Riefling angegeben. Sprechen blik ausgesprochen. Insbesondere die
Jahr wegen den Holocaust relativieren- sollen Steffen Hupka, Reinhold Leiden- Beneš-Dekrete zur Umsiedelung der
der Positionen in die Kritik geraten war. frost und Gerd Ittner. Deutschen aus der Tschechoslowakei
Zehm soll im Sommersemester wieder Wie ist die Situation in Weimar? standen in der letzten Zeit im Mittel-
den Lehrbetrieb übernehmen. Am 16.1.2002 gab es ein erstes Bünd- punkt ihrer Agitation. Ausgeblendet wird
diverse Berichte in der antira- nistreffen. Hier wurden erste Strategien dabei, dass die Mehrheit der Sudeten-
mailing-liste ■ und Konzepte diskutiert, um den Na- deutschen an der Zerschlagung der
ziaufmarsch zu verhindern. Durch das Tschechoslowakei und der folgenden
Worch meldet Demo für Bündnis wurde bereits vor den Nazis Vertreibung, Verfolgung und Ermordung
eine Demonstration angemeldet, so dass hunderttausender Juden, Roma und Sinti,
20.4.2002 in Weimar an sich diese in der Position des Zweitan- Tschechen und deutscher Antifaschisten
Weimar. Anfang Dezember meldete melders wiederfinden. Da diese jedoch beteiligt waren. Ziel des BdV ist die Re-
Marco Polzius eine Demonstration in keine eigene Route angemeldet haben, lativierung (und teilweise die Leugnung)
Weimar unter dem Motto „Meinungs- sondern von der Stadt einen Vorschlag der deutschen Verbrechen. Dafür wird
freiheit für Deutsche – Jetzt und überall“ für eine freie Wegstrecke einfordern, auch mit Nazis zusammengearbeitet. Ge-
an. Im Internet wird seitdem auf den Sei- bringt die Erstanmeldung lediglich den fährlicher ist aber der Einfluss der „Ver-
ten des Nationalen und Sozialen Akti- Vorteil, dass die Innenstadt wohl Nazi- triebenenverbände“ in den demokrati-
onsbündnis Westthüringen (NSAW) für frei bleiben wird. schen Parteien.
diese Demo geworben. Als Stellvertreter Die Anmeldung durch Worch lässt Informationen über die Geschichte des
von Polzius war bisher der Eisenacher vermuten, dass die Neonazis bundesweit BdV bis 1996 unter „Nie wieder Hei-
Neonazi Patrick Wieschke gemeldet. mobilisieren werden und alle juristischen mat“: www.nadir.org/nadir/archiv/Anti-
Anfang Januar wurde Wieschke in ei- Möglichkeiten einsetzen werden, um ein faschismus/Themen/Revanchismus/nwh
nem noch nicht rechtskräftigen Urteil Verbot zu verhindern! /inhalt.html.
wegen der Beteiligung an einem Spreng- Büro Hübner ■ www.antifa.frankfurt.org ■

6 :antifaschistische nachrichten 4-2002


Zur Antwort der Bundesregie- Jahresbilanz 2001: Im 4. Quartal 2001 wurden
rung auf ihre Anfrage zu
rechtsextremen und fremden-
feindlichen Gewalt- und Straftaten im
Erneut insgesamt 185 antisemitisch
motivierte Straftaten, hier-
Dezember 2001 erklärt die innenpoli-
tische Sprecherin der PDS-Bundes- viele Opfer von 41 Propagandadelikte
sowie 6 Körperverletzun-
gen gemeldet. Niedersach-
tagsfraktion, Ulla Jelpke:

Mit den Zahlen für Dezember liegt nun


rechter Gewalt sen liegt mit 31 gemeldeten
antisemitischen Straftaten
an der Spitze der Bundes-
die offizielle Jahresbilanz rechter Straf- Jugendlichen in Vorpommern getötet. länder, gefolgt von NRW
und Gewalttaten 2001 vor. 10.113 De- ● Am 29. Mai erlag ein 27-Jähriger aus Bad Blanken- (18), und Bayern und Ba-
likte meldet die Bundesregierung für burg nach einer Schlägerei seinen Verletzungen. Der den-Württemberg mit je-
2001. Davon sind 6.823 Propagandade- Täter aus der rechten Szene ist einschlägig vorbe- weils 17 Straftaten. 108
likte, 579 Gewaltdelikte und 508 Angrif- straft. Tatverdächtige wurden er-
fe gegen Personen. 385 Menschen sind ● Am 9. August prügelten fünf Jugendliche in Dahle- mittelt, Festnahmen gab es
von Rechtsextremisten verletzt worden, witz einen Obdachlose zu Tode. keine. Bei den fremden-
sieben Fälle versuchter Tötungen wur- Bei all diesen Fällen leugnet die Regierung einen feindlich und rechtsextremi-
den erfasst. Dies zeigt, wie gefährlich rechtsextremen Tathintergrund. Ihre Bilanz ist also wei- stisch motivierten Straftaten
die rechte Szene nach wie vor ist. 7463 ter unvollständig. Unglaubwürdig wird sie auch, wenn wurden im Dezember 2001
Tatverdächtige, 731 vorläufig Festge- man die Regierungszahlen mit Zahlen aus den Ländern insgesamt 321 gemeldet,
nommene und 155 Haftbefehle nennt die vergleicht. davon 230 Propaganda-
Statistik der Regierung. Nicht aufgeführt So zählt Brandenburg für das gesamte Jahr 2001 delikte und 16 Gewaltde-
sind aber erneut mehrere Todesopfer rund 1900 rechte Taten. Die Berliner Sicherheitsbehör- likte. Von den 180 Tatver-
rechter Gewalt: den erfassten 2001 504 rechte Delikte. dächtigen wurden 5 festge-
● Am 28. März 2001 wurde ein 51- Dagegen meldet die Bundesregierung für Branden- nommen, in keinem Fall
jähriger Sozialhilfeempfänger aus burg 930 und für Berlin 82 rechte Straf- und Gewaltta- Haftbefehl erlassen. 15 Per-
Grimmen zu Tode getreten. ten – wobei die rechtsextremistischen Propagandade- sonen wurden verletzt, To-
● Ende März wurde ein 38-jähriger likte für November und Dezember in der Statistik der desfälle waren laut Bundes-
Mann in Milzau von rechtsextremen Bundesregierung erstmals nicht mehr nach Regionen regierung nicht zu verzeich-
Jugendlichen so schwer verletzt, dass aufgeschlüsselt werden. nen.
er wenig später starb. All dies verbietet jede Entwarnung. Bagatellisierun- BT 14/7990 und 14/7991
● Im April wurde ein Algerier von vier gen lassen potentielle Opfer rechter Schläger allein. ■

Warschau, 26.1.02. Am Mittag


erschienen einige gutgekleidete
Mercedes „spendet“ für Zwangsarbeiter
Vertreter der deutschen Zentrale Limousinen für die Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen
der Daimler-Benz-AG mit ihren Dolmet- Wer bei dieser Meldung stutzt, tut das AktivistInnen gegen Rassismus, Sexis-
scherinnen in der Daimler-Benz-Ver- völlig zu Recht. Tatsächlich ist Daimler- mus und Faschismus mit der Forderung,
kaufsstelle in der Warschauer Innenstadt. Benz nicht bereit eine Radkappe mehr zu den Beitrag der deutschen Wirtschaft
Dem Personal überbrachten sie die spenden, als es der Firma in den vergan- und damit auch den von Daimler Benz
schriftliche Anweisung der Stuttgarter genen Jahren für die Stiftungsinitiative für eine wirkliche und angemessene Ent-
Zentrale, unverzüglich fünf hochwertige abgenötigt werden musste, und die Fir- schädigung der ehemaligen Zwangsar-
Limousinen zur Entschädigung ehemali- mendelegation bestand in Wirklichkeit beiter und Zwangsarbeiterinnen zu er-
ger ZwangsarbeiterInnen zu spenden. aus Personen, die der Firmenpolitik der höhen und alle Hindernisse für eine
Entsprechende Hinweistafeln hatte die Daimler-Benz AG sehr kritisch gegenü- schnelle und vollständige Auszahlung
Firmendelegation gleich mitgebracht, berstehen. Auch die Anweisung sah ech- endlich zu beseitigen.
auch Mechaniker in Mercedes-Benz- ter aus, als sie es war, und die Hinweis-
Overalls, die sofort mit der Ausschilde- schilder an den Wagen sind inzwischen Zitate aus einem Flugblatt der deutsch-pol-
rung der Wagen begannen und sie für den wohl wieder entfernt worden. Zeitgleich nischen „Initiative gegen den Schluss-
Abtransport vorbereiteten. zu dieser Aktion versammelten sich vor strich“, das in Warschau verteilt wurde.
der Filiale http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildar-
über hun- chiv/ereignis/260102warschau1.html Deut-
dert polni- sche Version und http://www.umbruch-bild-
sche und archiv.de/bildarchiv/ereignis/260102war-
deutsche schau2.html,polnische Version ■

: antifaschistische nachrichten 4-2002 7


Trotz Verbot – Tausende demonstrierten
gegen NATO-Sicherheitskonferenz
Trotz eines völligen Versammlungs-
verbots im gesamten Stadtgebiet ha-
ben 7000 Menschen am Freitag und
Samstag 1./2.2. gegen die NATO-Si-
cherheitskonferenz in München de-
monstriert. Rund 850 von ihnen wur-
den von der Polizei in Gewahrsam
oder festgenommen. Zu Ausschrei-
tungen kam es zu keinem Zeitpunkt.

München glich einem Heerlager. Was-


serwerfer sicherten den Platz rund um
das Tagungshotel „Bayerischer Hof“.
Schwere Polizeistiefel trampeln über die
Gedenkplatte des dort 1919 ermordeten
sozialistischen Ministerpräsidenten Kurt
Eisner. Demonstrativ in den nach Mün-
chen einfahrenden Polizeikolonnen auf-
gespannte Landesfahnen erinnerten an
den Einmarsch der Freikorps 1919. Auf
dem Odeonsplatz vor der Feldherrenhal-
le hatte der Bundesgrenzschutz eine pro-
visorische Kaserne aus Einsatzfahrzeu-
gen, Gefangenentransportern und Ver-
pflegungswagen errichtet. Das Herz der
Stadt, der Münchner Marienplatz, war
fest in der Hand der Brandenburger Ein-
satzhundertschaften.
Während Oberbürgermeister Christian
Ude am Freitag Nachmittag die Teilneh-
mer der Sicherheitskonferenz begrüßte,
veranstaltete das Bündnis gegen die
NATO-Konferenz zusammen mit dem
Fraktionschef der Münchner Grünen
Siegfried Benker und dem Liedermacher
Konstantin Wecker eine öffentliche
Pressekonferenz auf dem Marienplatz.
Diese Pressekonferenz wurde zum Kri-
stallisationspunkt für Tausende von De-
monstranten, die jetzt auf den Platz
strömten. Einige Jugendliche begannen

www.arbeiterfotografie.com
zu tanzen und Parolen gegen die NATO
zu rufen. Viele Menschen hatten sich
den Mund mit Klebeband verklebt - als
Zeichen für das unterdrückte Grundrecht
auf freie Meinungsäußerung.
Info:

Als sich die friedliche Menge trotz


mehrfacher Polizeiaufforderung nicht
zerstreut, kesselten Einsatzhundertschaf-
ten sie ein. Über 300 Menschen wurden
im Polizeigriff abgeführt. „Ich habe ge-
sehen, wie die Polizei völlig willkürlich Erstaunlich einhellig die Meinung von gewahrsam genommen worden. Der
Menschen aus der Menge griff und bru- Münchner Passanten, die das Kesseltrei- Pressesprecher des Bündnisses Hans-
tal festgenommen hat. Auch der Ingol- ben beobachten. Die Kommentare reich- Georg Eberl war bereits am Donnerstag
städter PDS-Vorsitzende war dabei“, er- ten von „Soll die NATO sich doch auf für die Dauer der Sicherheitskonferenz
zählt die bayerische PDS-Abgeordnete einer einsamen Insel treffen“ bis zu inhaftiert worden, da – so die Polizei –
Eva Bulling-Schröter, die zur Gefange- „Eine Schande für die Demokratie“. die Gefahr bestände, dass der sich an ge-
nensammelstelle im Polizeipräsidium an Trotz eines erneuten Großaufgebotes walttätigen Aktionen beteiligen könne.
der Ettstraße geeilt war. Erst, als die Ab- der Polizei versammelten sich Samstag Kurzfristig erlaubte die Polizei der in-
geordnete ihren Parlamentsausweis zeig- Mittag wiederum Tausende von Demon- zwischen auf über 6000 Menschen ange-
te, war die Polizei bereit, einigen verun- stranten auf dem Marienplatz. Der Spre- wachsenen Menge, sich zu einem De-
sicherten Eltern Auskünfte über das cher des Bündnisses gegen die NATO- monstrationszug zu formieren. Doch
Schicksal ihrer in Gewahrsam genom- Sicherheitskonferenz Claus Schreer war schon wenige hundert Meter weiter am
menen minderjährigen Kinder zu geben. zuvor von der Polizei in Unterbindungs- Isartorplatz kesselte die Polizei die De-

8 :antifaschistische nachrichten 4-2002


monstration ein und ließ Wasserwerfer Aus der Presseerklärung um die ganze Welt gegangen und haben
und Räumpanzer auffahren. Immer wie- des „Bündnis gegen die deutlich gezeigt, dass hier verfassungs-
der wurden Männer in schwarzen Kapu- mäßig garantierte Grundrechte, von
zenpullis beobachtet, die – aus Polizei- NATO Sicherheitskonferenz“ bayerischen Politikern außer Kraft ge-
wagen kommend – sich unter die De- Es steht außer Frage, München war ein setzt wurden. Letztendlich haben sie dem
monstranten mischten. politischer Erfolg für uns, der Brücken- Ansehen der Stadt München , der soge-
Eine für alle Seiten gerechte friedli- schlag zwischen den Bewegungen gegen nannten „Weltstadt mit Herz“, einen
che Lösung sei unmöglich, erklärte Poli- Globalisierung und Militarismus ist ge- „Bärendienst“ erwiesen.
zeieinsatzleiter Limmbacher. Schließlich lungen. Und dies obwohl seitens der Uns ging es weder an diesem Wochen-
habe es Gewaltakte gegeben. Auf Nach- bayerischen Institutionen seit Wochen ende, noch in der Vorbereitung unserer
frage konkretisierte er: Es seien einige versucht wird, unsere Vorbereitungen Aktivitäten gegen die NATO-Sicherheits-
Äste abgeknickt worden. Während Grü- massiv zu behindern: Angefangen beim konferenz, um eine Konfrontation mit der
nen-Fraktionschef Benker noch mit der Druck des Münchner OB, auf von der Polizei. Permanent wurde uns eine Di-
Polizei verhandelte, gelang es den Ein- Stadt finanziell abhängige Einrichtungen, stanzierung von sogenannten Gewalttä-
kesselten, die Polizeikette zu durchbre- über die Kündigung unseres Kontos tern abverlangt. Unsere politischen Be-
chen. So wird es noch den ganzen Tag durch die Stadtsparkasse, bis zur Krimi- weggründe, gegen die Kriegsstrategen
gehen. Immer wieder formieren sich ei- nalisierung eines Mobilisierungsflugblat- aus NATO und EU zu demonstrieren,
nige Hundert Demonstranten zu Pro- tes und -plakats durch das Münchner wurde schlichtweg ignoriert und die poli-
testzügen, dann werden sie wieder ein- Landgericht. tische Breite des Bündnisses so gut wie
gekesselt. Mehrfach kam es zu Knüppel- Um nicht missverstanden zu werden, nicht zur Kenntnis genommen. Mit dem
einsätzen und Festnahmen. es gibt keinen Grund die Sektkorkenknal- Aufruf „Von Genua nach München“
Hunderte Menschen, die auf dem Weg len zu lassen. Über 700 Festnahmen und wollten wir verdeutlichen, dass die politi-
zu einer internationalen Diskussionsver- zahlreiche Verletzte sprechen für sich! sche Auseinandersetzung nicht isoliert in
anstaltung des Bündnisses ge- den Teilbereichsbewegungen geführt
gen die NATO-Sicherheits- werden kann, wenn an den herrschenden
konferenz im Münchner Ge- Unterdrückungs- und Ausbeutungsver-
werkschaftshaus waren, wur- hältnissen gerüttelt werden soll. Die
den bis zu sechs Stunden in Bekämpfung dieser kapitalistischen Ver-
einem Polizeikessel in der hältnisse, kann keinen Erfolg haben,
Nähe des Veranstaltungsortes wenn nicht auch deren militärisches
festgehalten. Fast 500 De- Durchsetzungsinstrument, die NATO, in
monstranten wurden bis Mit- den Focus von Protest und Widerstand
ternacht widerstandslos in die gerückt wird.
verschiedenen Gefangenen- Unser politisches Interesse liegt darin,
sammelstellen der Stadt ab- die GegnerInnen des globalisierten Kapi-
transportiert. talismus mit Denen zusammenzubringen,
Mehrere Stunden lang um- die den „militärischen Arm“ desselben,
stellten Brandenburger Ein- als Schwerpunkt ihrer politischen Aus-
satzhundertschaften zudem einandersetzung betrachten.
das Gewerkschaftshaus. Nie- Wir haben die AktivistInnen dieser bei-
mand durfte mehr hinein oder den Bewegungen nach München mobili-
hinaus. Die Polizei forderte die Teilneh- Bei genauerem Blick auf den Verbotsbe- siert, um unsere Anliegen gemeinsam auf
mer der Diskussionsveranstaltung auf, scheid des Kreisverwaltungsreferates die Straße zu tragen und den Kriegspla-
einzeln das Gebäude zur Personalien- bleibt zu befürchten, dass die Durchsu- nern aus NATO und EU zu verdeutlichen:
feststellung zu verlassen. „Dies ist das chung des Infoladen München, vom „Ihr seid weder hier noch anderswo er-
erste Mal seit 1933, dass die Polizei das 31.1., lediglich den Beginn weiterer Re- wünscht!“ Außerdem haben wir im Rah-
Gewerkschaftshaus umstellt. Aber dies- pressionsmaßnahmen gegen das „Bünd- men der Internationalen Veranstaltung,
mal werden wir uns zu wehren wissen“, nis gegen die NATO-Sicherheitskonfe- einen Ort des Austausches und der ge-
erklärt ein Ver.Di.-Funktionär gegenüber renz“ markiert. Das Bündnis wird noch meinsamen Diskussion schaffen wollen,
Neues Deutschland. „Zur Not übernach- geraume Zeit damit beschäftigt sein, die der über München hinaus die Perspektive
ten wir im DGB-Haus“. Nach zwei „Nachwehen“ dieses Wochenendes auf- einer internationalen Zusammenarbeit
Stunden der Belagerung konnten sich zuarbeiten, es geht darum den angewach- eröffnen könnte.
die Eingeschlossenen durchsetzen und senen Schuldenberg abzuarbeiten, sich Insgesamt betrachtet, beurteilen wir
die Polizei zog sich zurück. Offensicht- um die Verfahren zu kümmern, die auf ei- die Aktivitäten gegen die NATO-Sicher-
lich war die Aktion ein Alleingang des nige TeilnehmerInnen zukommen wer- heitskonferenz als Erfolg. Der erste sicht-
schon vorher als Scharfmacher aufgefal- den oder um die Feststellungsklage, die bare Beweis war die Verlegung des Emp-
lenen Einsatzleiters Limmbacher. Von gegen das Urteil des Bayerischen Verwal- fangs der Teilnehmer der NATO-Sicher-
einer Belagerung des DGB-Hauses sei tungsgerichtshofs, durchgefechtet sein heitskonferenz, durch OB Ude, vom „Al-
nichts bekannt, erklärte die Pressestelle will. ... Das Verhalten der Bayerischen ten Rathaus“ in ihre „Tagungsfestung“,
der Polizei. Staatsregierung, das eher einem Obrig- den „Bayerischen Hof“. – Wir gehen da-
Bis auf einige während eines Polizei- keitsstaat, als einer Demokratie zu Ge- von aus, dass uns im nächsten Jahr die
übergriffs geringfügig beschädigte Ein- sicht steht, ist nicht nur in Deutschland Anwesenheit der Kriegsstrategen aus
satzfahrzeuge wusste der Polizeibericht zur Kenntnis genommen worden. Aus NATO und EU erspart bleiben wird.
für die Dauer der Sicherheitskonferenz Protest gegen das Totalverbot in Mün- Natürlich ist dies nicht die Lösung des
keinerlei Ausschreitungen oder Gewalt- chen kam es z.B. in mehreren italieni- Problems, sie sollen sich auch nicht wo
taten durch die Demonstranten zu be- schen Städten zu Kundgebungen vor anders treffen können. Letztendlich geht
richten. Von der Beschädigung des deutschen Botschaften und Konsulaten. es um die Auflösung der NATO, über-
Grundrechts auf Versammlungsfreiheit Auch in Porto Alegre und New York war haupt um die Abschaffung sämtlicher mi-
sprach der Bericht freilich nicht. der Ausnahmezustand in München The- litärischen Interventionsarmeen und
Nikolaus Brauns ■ ma. Die Bilder dieses Wochenendes sind -bündnisse. ■

: antifaschistische nachrichten 4-2002 9


„Euch Toten gehört der Dank, Deutsches Fallschirmjäger-Denkmal auf Kreta am Ende –
die ihr fern der Heimat, getreu
eurem Fahneneid das Leben ga-
bet unserem Großdeutschland“, lautet die
Die Traditionspflege
Inschrift auf dem 1941 von den deut-
schen Okkupationstruppen errichteten
Fallschirmjäger-Denkmal in der Kommu-
geht weiter! Von Carsten Hübner
ne Nea Kidonia am Rande Chanias, der
früheren Hauptstadt Kretas. Es erinnert ihre Ablehnung der Rekonstruktion mit sich versteckte oder zu fliehen versuchte,
an das Unternehmen „Merkur“, die Be- ihrem Beschluss vom 30. November wurde auf der Stelle erschossen. Nur vier
setzung der Insel durch deutsche Luftlan- 2000 deutlich bestätigt“ berichtete etwa der in Chania lebenden JüdInnen entka-
deeinheiten. Bei den Gefechten vom 20. deren Bürgermeister Nikos Apostolakis men der nächtlichen Menschenjagd. Die
bis 28. Mai 1941 verloren allein auf deut- Mitte November der Tageszeitung „junge übrigen wurden am 5. Juni auf einen
scher Seite 6580 der rund 23.000 einge- Welt“. Um dann unmissverständlich zu Frachter gebracht, der auf der Überfahrt
setzten Soldaten das Leben oder wurden ergänzen: „Meines Erachtens stellt das von Chania zum griechischen Festland
verletzt – viele bereits in der Luft. Mehr Denkmal eine Verhöhnung der Opfer und sank. Ende Juli 1944 ging der letzte
als 10.000 Briten, Neuseeländer, Austra- ihrer Angehöriger dar. Die deutschen Transport mit griechischen JüdInnen von
lier und Griechen starben bei dem Ver- Fallschirmjäger haben Tausende von Zi- Rhodos in die Gaskammern nach Ausch-
such, die Insel gegen die deutschen Trup- vilisten ermordet und ganze Dörfer auf witz. Insgesamt wurden fast 85 Prozent
pen zu verteidigen, etwa ebenso viele ge- Kreta dem Erdboden gleichgemacht.“ der jüdischen Bevölkerung Griechen-
rieten in Gefangenschaft. Bei keiner ver- Mit System, wie der bereits am 31. Mai lands, etwa 60.000 Menschen, ermordet.
gleichbaren deutschen Militäroperation 1941, also wenige Tage nach der Besat- Der Heldenverehrung scheinen diese
war es zuvor zu derart hohen eigenen zung, von General Kurt Student erlassene Greueltaten und Kriegsverbrechen jedoch
Verlusten an Menschen und an Kriegs- Befehl über Vergeltungsmaßnahmen ge- keinen Abbruch zu tun. In einem Nachruf
gerät gekommen. Von den 492 eingesetz- gen die sich tapfer zur Wehr setzende Be- auf den in Kreta eingesetzten Chef des 9.
ten „Ju 52“ wurden 151 abgeschossen völkerung erkennen lässt: „Es kommt Fallschirmjäger-Sturmregiments und spä-
oder stürzten durch gegenseitige nun darauf an, alle Maßnahmen mit größ- teren Oberst der Bundeswehr, Rudolf
Berührung ab. Nahezu alle 98 „DFS ter Beschleunigung durchzuführen, unter Witzig, bemüht der derzeitige Vorsitzen-
230“-Lastensegler gingen zu Bruch. Beiseitelassung aller Formalien und unter de des BDF, Heinz Bliss, sogar die ger-
Die Operation „Merkur“ – die wohl bewusster Ausschaltung von besonderen manische Edda: „Besitz stirbt, Sippen
größte Luftlandeoperation der Kriegsge- Gerichten. Bei der ganzen Sachlage ist sterben, du stirbst wie sie. – Eines weiß
schichte – gilt dennoch, oder gerade des- dies Sache der Truppe und nicht von or- ich, was ewig lebt – der Toten Taten-
halb, bis heute nicht nur in einschlägigen dentlichen Gerichten. Sie kommen für ruhm.“ Und der müsse wachgehalten
Kreisen und bei den Traditionsverbänden Bestien und Mörder nicht in Frage.“ Al- werden, wie er in seiner Rede anlässlich
der Wehrmacht als Heldentat. Auch von lein in den ersten Wochen der Besetzung, der Kommandoübergabe der Bundes-
den Luftlandeeinheiten der Bundeswehr so griechische Schätzungen, sollen min- wehrbrigade 26 am 22. September 2000
wird ihr mit sog. Kreta-Feiern am 20. destens 2000 Zivilisten getötet worden in Saarlouis unterstrich: „...stelle aber
Mai jeden Jahres gedacht. Weshalb noch sein. Bis Kriegsende stieg ihre Zahl auf fest, dass wir uns als Glied in der Kette
Mitte 1998 das Fernsehmagazin „Kenn- etwa 10.000 an. Aber davon ist weder auf der stolzen Familie der Männer mit dem
zeichen D“ in einem Bericht „die Erinne- den Websites der „Kameradschaft Fall- stürzenden Adler fühlen. Diese Familie
rung an die Operation Merkur“ als ein schirmjäger-Denkmal“ noch auf denen wurde 1935 gegründet und weitergetra-
„lebendiges Stück Tradition innerhalb der des „Bund deutscher Fallschirmjäger“ gen durch Kameraden wie die Generale
Bundeswehr“ charakterisierte und das (BDF), dem bisherigen Pächter des Kroh und Gehricke, die Obristen Witzig,
Denkmal bei Chania einen „Wallfahrtsort Geländes, etwas zu lesen. Kein Wort zu Herrmann und Gentz in die Bundes-
für alte, aber auch junge Soldaten, die der Ermordung der männlichen Bevölke- wehr.“ „Die alten Adler“, so fügt er in ei-
den Geist von Hitlers Fallschirmjägern rung des Dorfes Kondomari am 2. Juni ner Rückbetrachtung auf diese Rede hin-
lebendig halten wollen“, nannte. 1941 durch deutsche Fallschirmjäger zu, „haben ihre Pflicht getan, wie es der
Dieser Form der Traditionspflege oder zu der Erschießung von fast 500 Be- Fahneneid verlangte“.
scheint auch die „Kameradschaft Fall- wohnerInnen der Gemeinde Viannos, zu- Doch selbst vor den Hauptverantwort-
schirmjäger-Denkmal anzuhängen, die meist Frauen und Kinder, am 14. Septem- lichen des Terrors auf Kreta und verur-
seit Monaten im Internet zur Rettung des ber 1943. Ebensowenig wie zu der Betei- teilten Kriegsverbrechern wie General
Denkmals aufruft. Wenn auch ohne den ligung der Wehrmacht am Genozid der Kurt Student oder Bruno Bräuer macht
gewünschten Erfolg, wie ihr aktueller kretischen JüdInnen. diese Form der Heldenverehrung und
„Situationsbericht und Hilferuf“ offen- Am 12. Mai 1944 war die Weisung des Traditionspflege nicht halt – bis in die
bart. Denn trotz massiven Engagements Reichsführers SS, Heinrich Himmler, er- Kasernen der Bundeswehr hinein. Aus-
gegenüber „Behördenvertretern auf Kre- gangen, die JüdInnen auf Korfu und Kre- druck dafür war nicht zuletzt der Einsatz
ta“, „Vereinigungen und Medien usw.“ ta beschleunigt zu internieren und zu de- von Soldaten der Saarlandbrigade zur In-
erhielten sie bis jetzt „von keiner Seite portieren. Die Wehrmacht erließ darauf- standhaltung des Denkmals in Chania im
ein positives Echo!! Es scheint manchmal hin Befehl zur Erfassung und Verhaftung Jahre 1998.
sogar so, als wolle man uns bewusst Stei- der jüdischen Bevölkerung, stellte Trans- Die entsprechende Signalwirkung
ne in den Weg legen.“ portmittel bereit und vielfach auch das bleibt nicht aus. Rechte Vorfälle, gerade
Dem mag durchaus so sein. Denn Bewachungspersonal für die Deportatio- bei Spezialeinheiten wie den Fallschirm-
tatsächlich zeigt weder der Besitzer des nen. Mitte Mai 1944 erhielt Fallschirmjä- jägern, nehmen seit Jahren kontinuierlich
Geländes Interesse an der Verlängerung ger-General Bruno Bräuer schließlich die zu. Das Diskussionsforum auf der Web-
des Anfang Oktober diesen Jahres ausge- Weisung, alle Jüdinnen der Stadt Chania site „Deutsche Fallschirmjäger“ musste
laufenen Pachtvertrages noch die Kom- festzunehmen. In der Nacht vom 20. auf zeitweilig abgeschaltet werden, weil sich
mune Nea Kidonia an der Reparatur des den 21. Mai umstellten seine Einheiten nazistische Einträge häuften. Nun ist es
aufgrund von Winterstürmen und Alters- das jüdische Viertel der Stadt. Alle Be- mit einem Vorwort versehen, wonach ent-
schwäche inzwischen erheblich rampo- wohnerInnen hatten sich binnen 15 Mi- sprechende Beiträge nicht weiter gedul-
nierten Ehrenmals. „Die Kommune hat nuten vor ihrem Haus einzufinden. Wer det würden.

10 :antifaschistische nachrichten 4-2002


Ein Journalist der konservati-
ven Tageszeitung Le Figaro,
Eric Zemmour, hat es geschafft,
Als der Jacques
ein wenig Pfeffer auf politische Wun-
den der jüngeren Vergangenheit zu
mit dem
streuen und dadurch den französi-
schen Vorwahlkampf zu beleben. In
seinem am 17. Januar 02 erschiene-
Jean-Marie...
nen Buch über Jacques Chirac – das Und Jean-Marie Le Pen hatte 14,4 Pro- es stimmt, dass es das ist, was zählt –
den Titel „L¹homme qui ne s¹aimait zent erzielt – und damit seinen bisher Mitterrand und den Sozialismus zu ver-
pas“ trägt und die Karriere des aktu- größten Wahltriumph gefeiert. hindern, diejenigen werden für den übrig-
ellen Insassen des Elyséepalasts nach- Den Rest hat Le Pen dem Journalisten gebliebenen Kandidaten votieren.“ An-
zeichnet – enthüllt der Spezialist für und Buchautor bei einem privaten Tref- ders ausgedrückt: für Jacques Chirac.
französische Innenpolitik, dass Chirac fen im Januar 2001 folgendermaßen be- Am 5. Mai 1988 suchte die Chirac-Re-
im Jahr 1988 den rechtsextremen Poli- richtet : „Chirac war sehr nervös. Er gierung dann autoritäre Handlungsfähig-
tiker Jean-Marie Le Pen heimlich ge- scharrte mit den Füßen. Er rauchte Ziga- keit unter Beweis zu stellen, indem In-
troffen habe. Und zwar, das gibt der rette auf Zigarette. Es war ihm peinlich. nenminister Charles Pasqua drei Tage vor
Sache ihren Reiz, zwischen den bei- Und seine Peinlichkeit war mir peinlich. dem alles entscheidenden Wahlgang die
den Wahlgängen der Präsident- Er sagte zu mir : ,Ich kann Ihnen keine berühmt gewordene „Grotte von Ouvéa“
schaftswahl von Ende April und An- politischen Konzessionen machen.’ Ich stürmen ließ. Es handelt sich um eine
fang Mai 1988. antwortete ihm, dass man unter diesen Höhle auf der durch Frankreich koloni-
sierten Insel Neukaledonien, in welcher
Beide Politiker, der Bürgerliche Jacques sich melanesische Unabhängigkeits-
Chirac und der Rechtsextreme Jean-Ma- kämpfer verschanzt hatten, die einige
rie Le Pen, waren damals und sind heute französische Gendarmen als Geisel hiel-
Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl; ten. Pasqua suchte an diesem politisch
für dieses Jahr ist der Wahltermin nun- brisanten Datum die Kraftprobe, und ließ
mehr endgültig auf den 21. April und 5. das Feuer eröffnen. Resultat: zwei Gen-
Mai festgelegt worden. Dem Figaro-Jour- darmen und 19 melanesische Neukaledo-
nalisten zufolge soll dabei Chirac – der nier kamen zu Tode. Doch am 8. Mai
dann im entscheidenden zweiten Wahl- 1988 verlor Chirac, in einem Kräftever-
gang, also in der Stichwahl zwischen den hältnis von 45 zu 55 Prozent, die Wahl
zwei aussichtsreichsten Kandidaten, gegen Amtsinhaber François Mitterrand.
durch François Mitterrand geschlagen Letzterer löste daraufhin das Parlament
wurde – den Chef des Front National um auf und schrieb Neuwahlen aus, die im
„diskrete Unterstützung“ gebeten haben. Jean-Marie Le Pen Juni 1988 stattfanden. Bei diesen verwei-
Die hatte er auch nötig: Chirac hatte im gerte Chirac, als Chef des bürgerlichen
ersten Wahlgang am 24. April 1988 nur Bedingungen nichts machen könne. Er Lagers, jede Listenverbindung mit den
19,9 Prozent der Stimmen erhalten, ein forderte mich auf : ,Helfen Sie mir, aber Rechtsextremen, die deswegen – die kon-
weiterer bürgerlicher Kandidat – Ray- sprechen Sie bloß keine Wahlempfehlung servative Regierung Chiracs hatte 1986
mond Barre – hatte ihm Konkurrenz ge- für mich aus.’“ das Mehrheitswahlrecht eingeführt – ih-
macht und 16,5 Prozent auf sich verei- Das Treffen fand demnach in der Woh- rer Parlamentsfraktion beraubt wurden.
nigt. nung des Generals Pierre Guillain de Jean-Marie Le Pen scheint seitdem, und
Bougainville statt, der im Dezember mit fortschreitender Altersstarrheit, nur
2001 verstarb, und wurde durch Chiracs noch ein Ziel zu kennen: Sich an Chirac
damaligen Innenminister – den konserva- zu rächen. Am 1. Mai 1995, der wieder-
Dem baufälligen Denkmal in Chania tiven Rechtsaußen Charles Pasqua – ein- um zwischen zwei Durchgänge der Präsi-
wird diese deutsche Normalität wohl gefädelt. Der Autor Eric Zemmour hat im dentschaftswahl fiel, gab er diesmal die
nicht mehr zur Rettung verhelfen. Und Übrigen, im Zuge der Arbeit an seinem Formel aus : „Chirac, c’est Jospin en
auch das Vorhaben der „Kameradschaft Buch, auch Pasqua mehrfach getroffen. pire“ (Chirac ist das Gleiche wie Jospin,
Fallschirmjäger-Denkmal“, notfalls „die Folgt man Zemmour, der sich auf Anga- nur schlimmer). Und für die Wahl 2002
Restteile des Denkmals zu sichern“ um ben von Pasqua stützt, dann hat ein zwei- lässt er ebenfalls seine Präferenzen
dann einen neuen „geeigneten Platz für tes Treffen stattgefunden. Bei dem hätten durchblicken – und träumt davon, Chirac
den Wiederaufbau des Denkmals zu fin- die Teams der beiden Politiker „die For- verlieren zu lassen, falls er das Bündnis
den“, scheint wenig Perspektive zu ha- mel zur wenig auffälligen Unterstützung“ mit ihm (was absolut zu erwarten ist) ver-
ben. Diskutiert doch die Gemeinde Nea zugunsten des Elysée-Kandidaten Chirac weigert.
Kidonia derzeit darüber, ob sie den Ort ausgehandelt. Der Ex-Innenminister und aktuelle na-
nicht im Rahmen einer kretisch-deut- Tatsache oder Legende? Fakt und in tionalpopulistische Präsidentschaftskan-
schen Initiative zu einem „Ort der Völ- den Archiven nachlesbar ist jedenfalls, didat Pasqua hat mittlerweile bestätigt,
kerverständigung und des Antimilitaris- dass Jean-Marie Le Pen in seiner Rede das damalige Zusammentreffen eingefä-
mus umwandet“, wie Nikos Apostolakis auf der Demonstration des Front National delt zu haben. In den Spalten des ,Figaro‘
der „jungen Welt“ gegenüber sagte. zum 1. Mai 1988 – in jenem Jahr ver- (22.1.02) erklärte er: „Ich war nicht nur
Carsten Hübner ist Mitglied der PDS- suchte die Partei erstmals, den Arbeiter- dabei, ich habe es organisiert !“
i Fraktion im Deutschen Bundestag. feiertag zum Aufmarschtag für die „Na- Chirac seinerseits leugnet. Le Pen –
Informationen zu den bisherigen tionalheilige“ Jeanne d’Arc umzufunktio- der die Zusammenkunft ebenfalls öffent-
Aktivitäten gegen das Denkmal sind über nieren – den Slogan ausgab : „Nein, nein, lich bestätigte – kommentierte dies mit
sein Bundestagsbüro zu erhalten: Platz nein, keine Stimme für François Mitter- den Worten, der in Korruptionsaffären
der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: 030- rand.“ verwickelte, aktuelle Präsident sei „nicht
22775831, Fax: 030-22776508, eMail: Und im folgenden führte er aus : „Die- nur ein Dieb, sondern auch ein Lügner“.
carsten.huebner@bundestag.de ■ jenigen, für die das Wichtigste ist – und Bernhard Schmid, Paris ■

: antifaschistische nachrichten 4-2002 11


: ausländer- und asylpolitik
polizeiliche Mittel mittlerweile unange-
messen sind (Größenordnung der Legali-
sierung in beiden Fällen rund 100.000
deportation.class stop! das Gericht der Lufthansa Argumentati- Personen). Beide Male schließt die Be-
Lufthansa verliert Prozess on nicht folgen würde. schäftigung ausländischer Frauen eine
„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Lücke, die durch deutsche Beschäftigte
Frankfurt. Mit Urteilsverkündung die künstlerische Freiheit dermaßen ein- nachweislich nicht geschlossen werden
vom 1. Februar 2002 hat das Landgericht geschränkt werden kann,“ kommentiert kann (nach massiven Bordellrazzien und
Frankfurt alle Teile einer Verfügung auf- Silke Wagner das Urteil. Die Verfügung der Vertreibung von rund 1000 Frauen
gehoben, mit der Lufthansa im Novem- gegen sie war vollständig aufgehoben sind Frankfurter Bordelle nur noch zu
ber 2001 die Nutzung eines Kleinbusses worden, und sie wird den Bus und die 50% ausgelastet – FR, 22.12.01). Beide
mit der Aufschrift „Lufttransa Deportati- damit durchgeführten politisch künstleri- Male handelt es sich um bereits im Lan-
on Class“ im öffentlichen Raum hat un- schen Performances in den nächsten Mo- de befindliche, von der Bevölkerung an-
tersagen lassen. naten weiter in Kunstausstellungen prä- erkannte Personengruppen, die im Un-
sentieren. terschied zu IT-Spezialisten nicht erst ins
Gegen Hagen Kopp Land geholt werden müssen. Beide Male
hatte das Landgericht die geht es um eine gesellschaftlich wün-
Verbotsverfügung zur schenswerte Abschaffung der Grauzone
Nutzung des Busses im von Illegalität und um die Verbesserung
öffentlichen Raum eben- der sozialen Lage der Betroffenen (Sozi-
falls aufgehoben, aber ei- alversicherung und Unfallschutz). Beide
nen zweiten Teil der Ver- Male besteht ein akuter Handlungsbe-
fügung aufrecht erhalten. darf. Deshalb fordert die in Frankfurt/
Bezugnehmend auf einen Main ansässige Prostituierten-Lobbyor-
Einfahrtsversuch in das ganisation Doña Carmen Minister Rie-
Lufthansa-Betriebsgelän- ster auf, Konsequenz an den Tag zu le-
de bleibt es untersagt, gen und die längst überfällige Green
ohne Sondererlaubnis mit Card für ausländische Prostituierte per
dem Bus auf Lufthansa- Änderung der Anwerbestoppausnahme-
Gelände zu fahren. verordnung ebenso unbürokratisch auf
„Das allerdings,“ so den Weg zu bringen wie im Falle aus-
Kopp, „ist ohnehin nicht ländischer Haushaltshilfen. Dies emp-
beabsichtigt. Aber Luft- fiehlt sich auch schon deshalb, weil aus-
hansa wird sich in Zu- ländische Prostituierte von sämtlichen
kunft vermehrt mit der angekündigten Verbesserungen des neu-
Anwesenheit des ,Ab- en bundesdeutschen Prostituiertengeset-
schiebebusses’ vor ihren zes bedauerlicherweise ausgenommen
Toren und Veranstaltun- wurden.
gen konfrontiert sehen.“ Jeder Verzicht auf eine von Bordellbe-
Silke Wagner, Künstlerin aus Frank- Weitere Informationen: treibern am Arbeitsamt zu beantragende
furt, sowie Hagen Kopp, Aktivist der http://www.aktiv Green Card müsste als Festhalten an der
„deportation class stop!“-Kampagne gegenabschiebung.de/lufttransa.html herkömmlichen Diskriminierung von
kündigten unmittelbar nach dem Urteil Pressemitteilung 1.2.2002, kein Prostitution und als regierungsamtliche
an, dass der Bus wieder zum Einsatz mensch ist illegal, Hagen Kopp ■ Doppelmoral gewertet werden, so Doña
komme. „Wir planen nun eine Städtetour Carmen. Und die isolierte Bewilligung
mit unserem Bus. Lufthansa stellt nach Green Card für ausländische der Green Card allein für Haushaltshil-
wie vor ihre Flugzeuge für Abschiebun- fen erschiene dann als Gefälligkeits- und
gen zur Verfügung, und ihr Vorstand soll Prostituierte! Klientelpolitik gegenüber der Bundesre-
merken, dass sich unser Protest gegen Frankfurt. Nach dem Beschluss der gierung politisch nahestehenden Krei-
diese deportation-class eher ausweitet, Bundesregierung vom 19.12.01 ist Mitte sen.
wenn sie uns mit Verboten und Prozes- Februar 2002 mit der Legalisierung der aus PM Doña Carmen, 23.1.02, udi ■
sen überziehen“. bislang illegalen Beschäftigung osteu-
Im mündlichen Verfahren am 25.1.02 ropäischer Haushaltshilfen zu rechnen. 2 Jahre „Landesunterkunft
hatten Lufthansa-Anwälte verzweifelt Doña Carmen, eine in Frankfurt ansässi-
geltend zu machen versucht, dass der ge Prostituiertenorganisation, nimmt die- für Ausreisepflichtige“
englischsprachige Begriff „deportation“ sen Vorgang zum Anlass, in einem Offe- (LufA) in Ingelheim
eine Assoziation mit der Deportationspo- nen Brief an Minister Riester mit Nach- Rheinland-Pfalz. Eine sofortige
litik in der NS-Zeit beabsichtige und des- druck auf die Dringlichkeit und Berech- Schließung des „Modellprojektes Lan-
halb, vor allem bei einer Benutzung im tigung einer für alle Seiten vorteilhaften desunterkunft für Ausreisepflichtige“ for-
öffentlichen Raum, als besonders Ruf Green-Card-Regelung für ausländische dert der Arbeitskreis Asyl Rheinland-
schädigend einzuschätzen und zu unter- Prostituierte hinzuweisen. Pfalz von der Landesregierung: „Die
sagen sei. Auf Nachfrage mussten sie al- In der Beschäftigung bislang illegaler Zielsetzung des Modellprojekts ist es,
lerdings einräumen, dass Lufthansa bei ausländischer Haushaltshilfen und der durch eine Kombination von ausländi-
Abschiebungen als Bezeichnung für die zumeist illegal hier tätigen ausländischen scher Beratung und psychosozialer Be-
Betroffenen selbst den Begriff des „de- Prostituierten bestehen bekannterweise treuung die freiwillige Ausreise von ab-
portee“ verwende. Insofern und auch gleiche strukturelle Bedingungen, die gelehnten Flüchtlingen zu erreichen.
weil es sich schließlich um eine interna- notwendigerweise gleichgerichtete Kon- Flüchtlinge werden unter Druck gesetzt
tionale Kampagne mit durchgehend eng- sequenzen zur Folge haben müssen. und sollen die Aussichtslosigkeit ihrer Si-
lischsprachigen Begriffen handelt, war Beide Male geht es um die Lösung ei- tuation erkennen. Diese Behandlung
schon in der Verhandlung absehbar, dass nes gesellschaftlichen Problems, für das ohne zeitliche Begrenzung verstößt ge-

12 :antifaschistische nachrichten 4-2002


Seit 1998 führt das Land Nie-
dersachsen das „Modellprojekt Das „Modellprojekt Identitäts-
für die Beschaffung von Heim-
reisedokumenten für Ausländer mit
ungeklärter Staatsangehörigkeit“
feststellung“ – Projekt X
durch. In einer Arbeitsgruppe der In-
nenminister der Bundesländer (der laut Nds. Innenministerium die „Durch- AsylbLG per Erlass des Innenministeri-
„AG Rück“), in der u.a. Maßnahmen setzung der Ausreisepflicht. (... ) Deswe- ums vom 28.5.99
zur Effektivierung von Abschiebungen gen würden sie (die Flüchtlinge) auf un- ◗ völlige Beschäftigungslosigkeit: Verbot
abgelehnter Flüchtlinge entwickelt bestimmte Zeit in die Aufnahmestellen von Deutschkursen, Verbot von gemein-
werden, hatte Niedersachsen die gebracht, in denen gut geschultes Perso- nütziger Arbeit mit Erlass vom 28.5.99
Durchführung dieses Modellversuchs nal auf sie einwirkt, damit sie ihren Wi- ◗ Reduzierung der „unabweisbaren Lei-
angeboten. Mit ihm demonstriert das derstand aufgeben“ (Frankfurter Rund- stungen“ auf drei (kohlenhydratdominier-
Land Niedersachsen außerdem die schau vom 22.10.1999). Aus dieser nüch- te) Mahlzeiten am Tag, eine Pritsche im
Einsatzmöglichkeiten (und damit den ternen Formulierung gehen Charakter Mehrbettzimmer und die ärztliche
Missbrauch) des Leistungsrechts als und Methodik des Modellversuchs nicht Grundversorgung in der ZASt
Vertreibungsinstrument. hervor, wohl aber aus der Begründung, ◗ regelmäßige Verhöre: bis zu zwei Mal
mit denen Flüchtlingen in gleichlauten- wöchentlich Befragungen („Interviews“
Auf eigene Kosten nimmt das Land Nie- den Schreiben die Zwangseinweisung in genannt) mit jeweils gleichem Inhalt
dersachsen in diesem Modellversuch seit das Modellprojekt Identitätsklärung
April 98 abgelehnte, geduldete Flüchtlin- angekündigt wird:
ge aus den Kommunen wieder in die ZA- „Sie sind nicht im Besitz von
Sten Braunschweig und Oldenburg auf, Passpapieren, und daher kann der
für die Reisepapiere zur Abschiebung zu Ihrer Aufnahme verpflichtete
fehlen und denen unterstellt wird, diese Staat nicht festgestellt werden. ...
vernichtet oder versteckt und ein falsches Dieses Ereignis erfordert intensive
Herkunftsland für Passersatzpapiere an- behördliche Maßnahmen zur Be-
gegeben zu haben. 100 Plätze bietet das schaffung der zu Ihrer Ausreise er-
Land Niedersachsen den Kommunen an, forderlichen Unterlagen. Die nun-
je 50 in den ZASten Oldenburg und mehr in o.g. Einrichtung durchge-
Braunschweig für die Zwangseinweisung führten Maßnahmen zur Passersatz-
so genannter Identitätsverschleierer. beschaffung dulden keinen Auf-
Zielbestimmung des Modellprojekts ist schub, da Sie kein Recht mehr ha-
ben, sich in Deutschland aufzuhal-
ten und sie darüber hinaus Ihren Le-
gen das Gebot der Menschenwürde und bensunterhalt aus öffentlichen Mit-
verletzt die Menschenrechte der hier teln bestreiten und dadurch über
zwangsweise Untergebrachten. Ihren unrechtmäßigen Aufenthalt
Das Modellprojekt ist gescheitert, weil hinaus eine besondere Belastung für
es seine Ziele nicht erreicht: Lediglich in das Land darstellen.“
drei Fällen sind Flüchtlinge ausgereist, Intern wird der Modellversuch
dazu kommen einige Abschiebungen. „Projekt X“ genannt, da er angeb-
Um dies zu erreichen, wurden weit mehr lich auf einer Besprechung der Be-
als 200 Flüchtlinge aus ihrem sozialen zirksregierungen als Tagungsord-
Umfeld gerissen, haben ihre Wohnung nungspunkt (römisch) „10“ auf-
aufgeben müssen, viele haben ihre Arbeit tauchte. Die Bezeichnung ist inhalt-
verloren. Die meisten Flüchtlinge tau- lich treffend, weil sie die Funkti-
chen unter oder halten sich tatsächlich onsweise des Modellversuchs Fotos: Containerlager in Köln-Kalk, Ausgabe der
nicht in der LufA auf. Das Modellprojekt kennzeichnet: Das Projekt X Sammelverpflegung arbeiterfotografie Köln
fördert somit die Illegalisierung statt der „durchkreuzt“ die Integration der
freiwilligen Ausreise. Die in Ingelheim Flüchtlinge und lässt ihnen keine
lebenden Flüchtlinge sind dauerhaft mas- Perspektive. Der Aufenthalt im Projekt X (Fragen zum Herkunftsland, zur Identität
siven Einschränkungen unterworfen: Nur ist unbefristet, einziger Ausweg für die etc.)
ein Dach über dem Kopf und täglich drei Flüchtlinge ist die Abschiebung, Ausreise ◗ Zerstörung aller Vertrauensbeziehun-
Mahlzeiten werden ihnen garantiert. In oder die Illegalität. Der Modellversuch gen: Einbinden von SozialarbeiterInnen
vielen Einzelgesprächen haben die Mitar- setzt auf den Einsatz psychologischen und DolmetscherInnen in das Aufspüren
beiter der Humanitären Hilfe in Ingel- Drucks, die zwangseingewiesenen von Hinweisen auf ein anderes Her-
heim in den vergangenen Monaten fest- Flüchtlinge werden „zermürbt“, um an kunftsland
gestellt, wie die Menschen dort leiden. ihrer Abschiebung mitzuwirken, „freiwil- ◗ Zerstörung der Intimsphäre: unregel-
Nicht wenige sind körperlich und see- lig“ auszureisen, identitätsbelegende Pa- mäßige Zimmerdurchsuchungen auf der
lisch krank geworden, alle beklagen den piere zu beschaffen oder aber abzutau- Suche nach Papieren, persönlichen Brie-
Verlust jeglicher Perspektive. chen. fen oder anderen Dokumenten, die Aus-
Bei einer kritischen Bilanz muss die Als Zermürbungs-Instrumentarien kunft über Herkunftsländer geben könn-
Landesregierung auch unter dem Ge- werden folgende Maßnahmen ange- ten. Gefundenes Geld, Handys u.a. wer-
sichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zum wandt: den konfisziert
Schluss kommen, dass die Einrichtung ◗ Einschränkung der Bewegungsfreiheit ◗ Schein-Illegalisierung: Verweigerung
geschlossen wird: Der massive personel- (per Auflage) auf einen extrem kleinen einer Duldung, so dass Betroffene ohne
le Auswand und die immensen Kosten Radius ( Stadtgebiet) Identitäts- und Aufenthaltsnachweis sind.
sind durch nichts zu rechtfertigen.“ ◗ völliger Entzug der Geldleistungen Manche Flüchtlinge besitzen nichts als
PM AK Asyl Rheinland-Pfalz ■ („Taschengeld“) mit Verweis auf §1a die Essens-Ausgabe-Karte der ZASt, um

: antifaschistische nachrichten 4-2002 13


sich bei Kontrollen auszuweisen (laut gen“. Festgeschrieben wurde in dieser die ZAST nicht entgegen, da es in derar-
Auskunft der Bezirksregierung Weser- zweiten Repressionsstufe damit eine Si- tigen Fällen sachgerecht ist, die Erwerb-
Ems, Dekanat Rückführung in Blanken- tuation der Ausweglosigkeit, die sich stätigkeit durch eine entsprechende Auf-
burg, nur in Braunschweig praktiziert). dem Einfluss der Flüchtlinge völlig ent- lage zur Duldung zu untersagen“. (Nie-
Der serienmäßige Eintrag in Duldungen zieht, denn begründet wurde ihre dersächsisches Innenministerium an die
„Gilt als Ausweisersatz“, wird bei denje- Zwangs-Einweisung in das Modellpro- Bezirksregierungen, 24.8. 2000). Im er-
nigen Flüchtlingen in Braunschweig, die jekt damit, dass sie nicht kooperations- sten Erlass zum Modellprojekt vom
eine Duldung ausgestellt bekommen ha- bereit seien. (Zitate aus dem Schreiben 6.2.1998 gehörten erwerbstätige Flücht-
ben, per Hand geschwärzt. des Nds. MI an die Bezirksregierungen linge zu den Flüchtlingsgruppen, die von
◗ Kriminalisierung: Einige Ausländer- Weser-Ems und Braunschweig vom einer Einweisung in das Projekt X expli-
behörden erstatten gegen Flüchtlinge, 28.5.99) zit ausgenommen wurden. Indem den
die in das Modellprojekt eingewiesen ◗ Innerhalb der bislang mehr als zwei- Flüchtlingen die Arbeitserlaubnis entzo-
werden, Anzeige wegen mittelbarer jährigen Dauer wurde die „Zielgruppe“ gen wird, schafft das Innenministerium
Falschbeurkundung („falsche Identitäts- für die Einweisung in den Modellver- nunmehr sogar die Voraussetzungen
angaben“). Da ein Anwalt mangels Geld such mehrfach ausgeweitet. Mit Rund- selbst, mit denen die Zwangseinweisung
nicht zu finanzieren ist, kann weder Wi- verfügung der Bezirksregierung Braun- in den Modellversuch von behördlicher
derspruch eingelegt noch ggf. ein ver- schweig vom 9.6. 2000 wurde der Kata- Seite legitimiert wird: Aus ihren Jobs
hängtes Bußgeld bezahlt werden. Die log von Herkunftsländern aufgehoben, vertrieben, müssen die Flüchtlinge
Folge: Strafhaft. Ebenso bei Bußgeldern deren Staatsangehörige bisher nicht in „ihren Lebensunterhalt aus öffentlichen
wegen fehlender Fahrscheine (nachdem den Modellversuch eingewiesen werden Mitteln bestreiten und dadurch über
ihnen sämtliche Geldleistungen gestri- sollten („Negativländerkatalog“). Jetzt ihren unrechtmäßigen Aufenthalt hinaus
chen wurden, verfügen die Flüchtlinge sollen Flüchtlinge aus allen Herkunfts- eine besondere Belastung für das Land
über kein Geld für Bustickets, um von ländern in den Modellversuch eingewie- darstellen.“ (s.o.)
dem jeweils außerhalb der Stadt gelege- sen werden können, selbst aus Ländern ◗ Schließlich beschneidet das Nds. In-
nen ZASt-Gelände in die Stadt zu fah- wie z.B. Libanon und Syrien, wo Kurd- nenministerium im Modellversuch auch
ren). Innen nicht als StaatsbürgerInnen aner- noch den Rechtsweg. Die Flüchtlinge
kannt und ihnen deshalb auch keine Pa- können gegen ihre Zwangseinweisung in
Schrittweise Verschärfung während
piere ausgestellt werden oder aus Län- den Modellversuch keinen Widerspruch
des Projekts dern, in die z.Zt. keine Abschiebungen mehr einlegen, sondern nur noch klagen.
In mehreren Schritten hat das Nieder- durchgeführt werden können. Als einzi- „Den Ausländerbehörden wird damit die
sächsische Innenministerium (Nds. MI) ges Einweisungskriterium gilt seit dem Möglichkeit eröffnet, insbesondere um
per Erlass die Kriterien für die Zwangs- Sommer 2000 ein erfolglos abgeschlos- eine Beschleunigung des Verfahrens zu
verlegung von Flüchtlingen in das Mo- senes Passersatzantragsverfahren, und erwirken, auf ein vorgeschaltetes Wider-
dellprojekt und die dort angewandten selbst dieses Kriterium lässt noch Aus- spruchsverfahren zu verzichten und in
Sanktionsmöglichkeiten erweitert und nahmen zu: Flüchtlinge, die angeblich der Rechtsbehelfsbelehrung zur Ertei-
den Druck auf die Flüchtlinge damit ver- durch „Verweigerungshaltung den Ab- lung einer wohnsitzbeschränkenden Auf-
schärft: schluss des ersten Passersatzantragsver- lage auf die Klage zu verweisen.“
◗ Während die Flüchtlinge im Modell- fahren“ verhindert hätten und aus Län- (Dienstbesprechung mit den Bezirksre-
projekt (auf Betreiben der Flüchtlingsso- dern kommen „wie zum Beispiel Liba- gierungen und dem LKA am 4.Nov.
zialberatung in den ZASten) zunächst non und Syrien, wo bekanntermaßen ein 1999, TOP 13, Protokoll des MI). Das
noch einen gekürzten „Taschengeld“- Passersatzantrag ohne Identitätsnach- Innenministerium stützt sich dabei auf
Betrag erhielten, schrieb das Nieder- weis sinnlos ist“, können auch ohne ei- die Rechtsansicht einer einzigen Kam-
sächsische Innenministerium mit Erlass nen ersten Versuch der Ausländerbehör- mer des Verwaltungsgerichts Hannover,
vom 28.5.1999 fest, dass dieser zu strei- den, Reisepapiere zu beschaffen, einge- obwohl sogar diese Kammer in ihren
chen ist: Die Flüchtlinge hätten wegen wiesen werden. Beschlüssen ausdrücklich auf die Diver-
ihrer „Verweigerung der Mitwirkung ... ◗ Ebenfalls ausgehebelt wurde der genz zur obergerichtlichen Rechtspre-
in der Regel den Anspruch auf den Bar- Schutz von Familien: Anfangs wurden chung hinweist. Für einen hier zur De-
betrag ... verwirkt“. Die Bezirksregie- nur alleinstehende Männer in den Mo- batte stehenden Rechtsbehelf gegen eine
rung Weser-Ems, Dekanat Rückführung dellversuch aufgenommen, seit Mitte 98 wohnsitzbeschränkende Auflage ist aber
in Blankenburg, hatte sich nach eigenen dann auch alleinstehende Frauen und laut Oberverwaltungsgericht Lüneburg
Angaben dafür eingesetzt, weiterhin ein kinderlose Ehepaare. Nach der Rundver- gemäß Beschluss vom 3.12.99, der
Taschengeld zu bezahlen – allerdings fügung vom Juni 2000 sind jetzt auch Rechtsprechung des Bundesverwal-
u.a. auch deshalb, um im Projekt selbst Ehepaare und Familien mit erwachse- tungsgericht folgend, nicht die Klage,
noch über Sanktionsmöglichkeiten zu nen, nicht schulpflichtigen Kindern nicht sondern der Widerspruch der rechtlich
verfügen. mehr vor einer Zwangseinweisung ge- zutreffende Rechtsbehelf.
◗ Ebenfalls per Erlass vom 28.5.1999 schützt.
Fazit
wurden den Flüchtlingen im Projekt X ◗ Laut der Rundverfügung der Bezirks-
Deutschkurse und die Teilnahme an regierung (9.6.2000) bieten schließlich Damit hat das Niedersächsische Innen-
Freizeitangeboten verboten, denn diese auch Arbeitsverhältnisse keinen Schutz ministerium innerhalb von zwei Jahren
dienten der Integration und könnten mehr vor Zwangseinweisungen. Mit Er- nicht nur den Repres sionskatalog im
„ggf. eine Verfestigung der `Verweige- lass vom 24.8.2000 hat das Nds. Innen- Modellversuch zur sogenannten Iden-
rungshaltung´ zur Folge haben“. Etwai- ministerium ausdrücklich klar gemacht, titätsklärung so weit verschärft, dass nur
ge Lockerungen der Sanktions-Daumen- dass jetzt auch Flüchtlinge eingewiesen noch – bei gleichzeitig steigendem psy-
schrauben durch die Verantwortlichen in werden sollen, die Arbeit haben und die- chischen Druck – das nackte körperliche
der ZASt wurden rigoros untersagt: Die se durch eine Verlegung in das Projekt Überleben gesichert ist. Darüber hinaus
Sanktionen seien auch aufrechtzuerhal- verlieren (so bei mehreren Flüchtlingen hat es den Personenkreis der potenziell
ten, „wenn die im Rahmen des Modell- schon geschehen). Verwaltungsrechtli- von Einweisung in das Modell X betrof-
projekts in den ZASten befindlichen che Vollzugshinweise auf den §1a Asyl- fenen Flüchtlinge beträchtlich erweitert:
Ausländer während ihres Aufenthalts bLG werden mitgeliefert: „Dabei steht Nach zwei Jahren Modellversuch sind
sich scheinbar kooperationsbereit zei- eine Erwerbstätigkeit der Aufnahme in alle Flüchtlinge mit Duldung, die keinen

14 :antifaschistische nachrichten 4-2002


: ostritt
Pass besitzen, von einer Zwangseinwei- Niedersächsische Innenministerium von
sung in das Zermürbungsmodell bedroht geklärter Identität, „da die Ausländer ihre
- nur Familien mit schulpflichtigen Kin- wahren Personalien angaben bzw. durch

W
dern bleiben noch ausgenommen. Ange- Nachbereitung der Ausländerakten sich ir hatten in der letzten Ausga-
sichts der bisherigen Entwicklungen ist Anhaltspunkte ergaben, die zur entspre- be über die Äußerungen des
allerdings unklar, wie lange noch. chenden Klärung führten“ (Niedersächsi- tschechischen Ministerpräsi-
Dass jetzt selbst Flüchtlinge aus Län- sches Innenministerium, 29.9. 2000: Ak- denten Zeman berichtet. Zeman hatte
dern in den Modellversuch eingewiesen tualisierung der Ergebnisse. Stand der ge- sich zu dem Verhältniss von Tschechien
werden sollen, für die es anerkannter- nannten Zahlen: 31.8. 2000). Nur 19 und Österreich geäußert und die Sudeten-
maßen keine Reisepapiere geben kann Flüchtlinge wurden auf dieser Grundlage deutschen die „fünfte Kolonne Hitlers“
oder in deren Herkunftsland überhaupt abgeschoben oder reisten „freiwillig“ genannt. Das hat die Landesmannschaf-
keine Abschiebung möglich ist, macht aus. Das widerlegt die These, die passlo- ten empört und die „Vertriebenenabge-
zweierlei deutlich: sen Flüchtlinge hätten es durch Ver- ordneten“ im Deutschen Bundestag ha-
1. Mit einer Einweisung in das Projekt schleierung der Identität selbst zu „ver- ben am 23. Januar 2002 eine Aktuelle
X sollen zukünftig nicht nur solche antworten“, dass sie nicht abgeschoben Stunde beantragt, um wüste Hetzreden
Flüchtlinge bestraft werden, die sich wei- werden könnten. Insgesamt sind es weni- anzustimmen. Zeman würde die Rassen-
gern, bei den Botschaften ihrer Her- ger als zehn Prozent aller Modellversuch- politik Edvard Benesch verteidigen und
kunftsländer vorzusprechen und dort TeilnehmerInnen, bei denen das Nieder- „Mörder von Sudetendeutschen“ würden
Passpapiere zu beantragen. Der Katalog sächsische Innenministerium, gemessen mit „Billigung des tschechischen Gesetz-
der Anforderungen an die Betroffenen an der offiziellen Zielvorgabe „Durchset- gebers frei und unbestraft herumlaufen“.
zur Mitwirkung bei ihrer eigenen Ab- zung der Ausreisepflicht“, einen „Erfolg“ Der Deutsche Ostdienst hat die Bundes-
schiebung wird erweitert auf Tätigkeiten verbuchen konnte. tagsdebatte weitgehend dokumentiert.
zum Nachweis der eigenen Identität (z.B. Knapp die Hälfte (47 %) der bislang Die Vertreter der Bundesregierung und
Briefe an Verwandte im Herkunftsland 226 dem Modellversuch zugewiesenen die Abgeordneten von SPD, Grüne und
zwecks Beschaffung von Urkunden, ei- Flüchtlinge aber verschwand nach an- FPD haben sich positiv auf die Deutsch-
genständige (telefonische) Vorsprache bei gekündigter oder vollzogener Zwangsein- Tschechische Erklärung bezogen und
den Behörden des Herkunftslandes etc.). weisung. 107 Menschen zogen ein Leben ganz vorsichtig von Zeman distanziert,
Damit wird einer Praxis Tür und Tor in der Illegalität den täglichen Diskrimi- wobei der FDP-Abgeordnete Irmer noch
geöffnet, unbequeme Flüchtlinge unter nierungen, Entwürdigungen und der einen wichtigen Hinweis brachte: „Viele
Hinweis auf ihre angeblich fehlende Mit- chronischen Angst vor einer Abschiebung tschechische Politiker haben einleuch-
wirkung bei der Beschaffung von Papie- im Projekt X vor. Ein Teil der Flüchtlinge tend erklärt, die Benesch-Dekrete entfal-
ren in das Modell X abzuschieben. meldete sich nach einiger Zeit wieder bei ten heute keine Wirksamkeit mehr, sie
2. Es spielt für das Innenministerium den Behörden. 87 Menschen jedoch, 38 seien in sich selbst Unrecht. Aber eine
offensichtlich nur noch eine untergeord- % aller Zwangseingewiesenen, blieben förmliche Aufhebung würde zu Proble-
nete Rolle, ob es überhaupt theoretisch dauerhaft verschwunden. Für das Nieder- men führen, genau so wie eine förmliche
möglich ist, Passersatzpapiere zu be- sächsische Innenministerium ein Erfolg, Aufhebung des Münchener Abkommens
schaffen und damit eine Abschiebung zu denn „der positive Ansatz besteht darin“, ex tunc für uns einen Rattenschwanz von
exekutieren. Der wesentliche Effekt des dass in diesen Fällen „zumindest keine rechtlichen Fragen nach sich zöge. Ich
Modellversuchs besteht darin, Flüchtlin- Leistungen beim Sozialamt beantragt ziehe diese Parallele hier ganz bewusst.
ge, die aufgrund fehlender Papiere nicht werden.“ (Frankfurter Rundschau v. 22.1. Wer die förmliche Aufhebung der Be-
abgeschoben werden können, in die Ille- 1999). Auch die Bezirksregierung Braun- nesch-Dekrete verlangt, müsste auch be-
galität zu treiben. Dies bestätigen die schweig zeigt sich zufrieden: „Aufgrund reit sein, das Münchner Abkommen ex
vom Innenministerium vorgelegten Zah- der vorgenannten Erfolge sind derzeit tunc, das heißt von Anfang an, für null
len: Nach mehr als zwei Jahren Dauer verstärkte Aufnahmen von Neufällen und nichtig zu erklären.“
wurde das erklärte Ziel des Modellver- möglich.“ (Rundverfügung vom 9.6.00) Außenminister Fischer erinnerte daran,
suchs bei weniger als einem Viertel (22 dass die schuldigen Wehrmachtsan-
%) der Zwangseingewiesenen erreicht. Aus: Rundbrief des Niedersächsischen gehörigen bereits über alle Berge waren
Bei 51 der 226 Flüchtlinge spricht das Flüchtlingsrates 72/72 ■ und „dass die Verbrechen im Rahmen der
Vertreibung hauptsächlich Unschuldige
getroffen haben: „Manche von ihnen sind
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über: nach 1945 in den Vertriebenenverbänden
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73.
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de wieder aufgetaucht, was nicht heißen
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Postfach 260 226, 50515 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach soll, dass in den Vertriebenenverbänden
hauptsächlich ehemaligen Nazis waren.“
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, Dass sich der Bundestagsabgeordnete der
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, PDS Wolfgang Gehrcke vom tschechi-
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln.
schen Ministerpräsidenten distanzierte,
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. war nicht nötig. Dass er den Schulter-
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Postfach 260 226, 50515 Köln. Sonderbestellungen sind schluss der „Vertriebenenabgeordneten“
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. mit der Haider-Politik nicht scharf
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- attackierte, sollte nachdenklich stimmen.
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung Vielleicht bekommt er ja noch die Kurve.
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Immerhin erklärte er: „Was ich in dem
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Interview von Herrn Zeman bedenkens-
Buntenbach (MdB Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsge-
meinschaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Friedens-
wert finde, ist die Warnung vor rechtspo-
zentrum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke, (MdB PDS); pulistischen Entwicklungen in Europa.
Jochen Koeniger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen Auch diese Warnung kann man mit Blick
(Mitglieder des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschisti-
sche Nachrichten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo
auf Österreich, mit Blick auf Italien und
Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried mit Blick auf Dänemark nicht einfach
Wolf); Volkmar Wölk. wegwischen.“ DOD Nr. 5/2002 – jöd ■

: antifaschistische nachrichten 4-2002 15


: aus der faschistischen presse
fioser Strukturen beigetragen ...“ 3. Die
Beibehaltung der Junker-Enteignung; 4.
„Bis heute werden Hunderttausende von
Schill-Partei wirbt bei CDU Von Bülow erklärt: „Inzwischen kann die kleinen und großen, durch Heimatver-
und anderen ab Öffentlichkeit nicht mehr unterscheiden bundenheit und Eigentum hochmotivier-
–was ist originär und was geht auf das te Investoren für die neuen Länder prak-
Junge Freiheit Nr. 5/2002 vom 25. Januar Konto von agent provocateurs.“ Von tisch gesperrt. Offiziell sind das insge-
Hatte Schill zunächst angekündigt, seine Bülow behauptet zudem eine unentwirr- samt immerhin 2,2 Millionen Restituti-
Partei werde nur zum Bundestag kandi- bare Verquickung in- und ausländischer onsberechtigte.“ 5. Die Beibehaltung der
dieren, wenn Angela Merkel Kanzler- Geheimdienste. Zum Verbotsverfahren „ungesunden Agrarstruktur“, sprich die
kandidatin der Unionsparteien werde, selbst erklärt er: „Ich war schon 1956 ge- Fortführung der LPG in Agrargenossen-
hat sich die Beschlusslage der Partei nun gen das KDP-Verbot und bin heute ge- schaften; 6. „Die versäumte und zuneh-
geändert. Ein entgültiger Entschluss nauso gegen das NPD-Verbot. Solche mend hintertriebene Gleichbehandlung
werde am 27. April auf einem Bundes- Parteien muss man politisch bekämpfen. von SED- und NS-Opfern“ und 7. „Die
parteitag gefasst, nach den Landtags- Durch den Missbrauch von V-Män- fehlende oder halbherzige Kontrolle über
wahlen in Sachsen-Anhalt. Inzwischen nern/V-Frauen durch Geheimdienste die jährlichen Milliarden-Transfers.“ Der
hat die Partei mit der ehemaligen CDU- können über Nacht Skandale ausgelöst Graf beklagt in Wirklichkeit, dass er das
Landtagsabgeordneten Gudrun Schnirch werden, die Wahlkämpfe beeinflussen Junkereigentum seiner Familie nicht in
eine Abgeordnete im Landtag von Sach- oder das Bild Deutschlands in der Welt seine Finger bekommt. Die Vernichtung
sen-Anhalt. Sie war übergetreten, nach- beeinträchtigen sollen.“ von Betrieben und öffentlichen Struktu-
dem sie nicht erneut auf der Landesliste Die Kanzlerkandidatur Stoibers beob- ren durch bundesdeutsches Kapital ist
der CDU aufgestellt worden war. Der achtet das Blatt abwartend. Carl Gustav ihm nicht aufgefallen. Dass Junkereigen-
Landesverband behauptet: „Wir stehen Ströhm beschreibt seine Erwartungen: tum nicht zum Aufschwung Ost führt,
mit sieben weiteren Landtags- und einem „Letztlich müsste Stoiber begreifen, dass dürfte ihm aus der Geschichte eigentlich
Bundestagsabgeordneten in aussichtsrei- ihm kein noch so routinierter Boulevard- hinreichend bekannt sein. uld ■
chen Übertrittsverhandlungen.“ schreiber helfen kann ... Warum hört man
Die Deutsche Partei unter Vorsitz des von Stoiber nichts über die geistig-politi-
ehemaligen BFBlers und F.D.P.lers Hei- sche Lage der Nation? Ohne eine seeli- Deutsche Opferlogik in
ner Kappel berichtet in der „Deutschland sche und moralische Gesundung kann es Dresden – Volkstrauertag
Post“, die derselben Ausgabe der Jungen auch keinen materiellen Aufschwung ge- mit Neo-Nazis
Freiheit beiliegt: „Der Bundesvorstand ben.“ Das Blatt erwartet eindeutige Posi- Alljährlich legen Rechtsextremisten am
begrüßte auf seiner Sitzung am 20.1. die tionierung zur Einwanderungsfrage – auf Vormittag des 13. Februar auf dem
positive Antwort aus Hamburg. Dr. Kap- jeden Fall eine eindeutige Ablehnung des Dresdner Heidefriedhof ihre Kränze
pel wurde beauftragt, den Kontakt zur Zuwanderungsgesetzes. nieder. Jahr für Jahr marschieren dann
Schill-Partei zu intensivieren und Mög- abends Jung- und Alt-Nazis mit wach-
lichkeit einer zukünftigen Gemeinsam- Abschwung Ost – und der sender Teilnehmerzahl durch die säch-
keit näher zu erörtern.“ Dennoch ist die sische Landeshauptstadt. Das bürgerli-
Partei mit der Kandidatur in Sachsen- Graf von Schwerin
che Dresden hat damit keine Probleme.
Anhalt spät dran. Sie hat die Landesliste Junge Freiheit Nr. 7/2002 Trauern doch alle gemeinsam.
erst Anfang Februar aufgestellt. vom 8. Februar 2002 Für 2002 hat wiederum die “Junge
Sieben Sünden beim Aufbau Ost hat der Landsmannschaft Ostpreußen“ den
NPD-Verbotsverfahren: Graf gefunden. Die Sünden haben alle braunen Marsch – mit anschließender
einen Tenor: Der Machtapparat der ehe- Kranzniederlegung und Mahnwache
Von Bülow greift Geheim- maligen DDR bestünde fort. 1. seien die am Denkmal der Trümmerfrau vorm
dienste an „Funktionseliten“ der DDR noch in Amt Rathaus – von 18.30 Uhr bis 21.30 Uhr
Junge Freiheit Nr. 6/2002 und Würden und die von ihnen einge- angemeldet. Treffpunkt für die Jung-
vom 1. Februar 2002 richtete Treuhandanstalt habe diese be- und Alt-Nazis ist am 13. Februar hinter
Mit einer zweiteiligen Interview-Serie günstigt; 2. Die „Ableitung von Trans- der Semperoper. Mobilisiert wird für
(2. Teil in Nr. 7/2002) befasst sich das fermilliarden in andere Kanäle hat in er- diesen Nazi-Marsch im wohl bisher
Blatt mit dem NPD-Verbotsverfahren. heblichem Umfang zur Entwicklung ma- größten Stil. Zu erwarten sind zirka
1.000 Teilnehmer der braun-obskuren
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
Veranstaltung, teilweise vermischt mit
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro trauernden Dresdendeutschen. Nur die
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro
Erscheinungsweise: deutschnationale Trauer zählt an die-
14-täglich
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro sem Abend, nur die Trauer um die eige-
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro ne Opferrolle. Wer für diese Trauer
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro voranschreitet, ist in Dresden schon
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell wieder egal.
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 60,- DM). Der Neo-Nazi-Gedenkauftakt zum
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten 13. Februar 2002 fand bereits am 9. Fe-
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) bruar im Dresdner Club ,Müllerbrun-
nen’ statt. Dort versammelten sich zirka
Name: Adresse:
70 Rechtsextremisten, darunter be-
kannte Neo-Nazi-Kader. Der Club
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts
Müllerbrunnen wird übrigens von der
Unterschrift
Stadt Dresden finanziell nicht unerheb-
lich unterstützt.
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 - 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de AntifaRechercheTeam Dresden
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507 aus Platzgründen gekürzt ■

16 :antifaschistische nachrichten 4-2002

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