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Ein kritischer Überblick der dem Darwinismus und Christentum zugrunde liegenden
naturwissenschaftlichen und geistlichen Prinzipien
Von A. E. Wilder-Smith, - Dr. phil., Dr. rer. nat., Dr. es. Sc.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Mensch - ein Tier höchster Intelligenz?
a) Was lehrt die Deszendenztheorie?
b) Was lehrt die Bibel?
II Sind die Hauptpostulate des Darwinismus von der Naturwissenschaft her tragbar
?
1. Die Ähnlichkeiten zwischen Menschen, Tieren und allen lebenden Zellen
2. Ist eine Emporentwicklung durch Zufall theoretisch möglich oder wahrscheinlic
h?
3. Etwas mehr über den zweiten thermodynamischen Hauptsatz
4. Einige Gedanken zur Frage der Umwandlung einer Spezies in eine andere während
der Entwicklung
5. Das Problem der rudimentären Organe
III. Das Problem des Alters der Menschheit nach der Bibel und nach der Evolution
stheorie.
1. Biblische Chronologie
2. Stammbäume
3. Der Turmbau zu Babel
4. Geologische Zeitrechnung
5. Die C/14 - Datierungsmethode
6. Leitfossilien (Index Fossils)
7. Der Piltdown-Mensch
8. Professor Dr. S. B. Leakey
9. Fußtritte eines Dinosauriers und eines Menschen in einem Flußbett
10. Menschliche Fußtritte in Karbonformationen
11. Das Problem der Zwischenstufen
12. Zeitrechnung und Alter, ihre Zusammenhänge mit der Schöpfung
IV. Gesteuerte Evolution
1. Aufbesserung einer Rasse durch gezielte Züchtung
2. Die synthetische Erzeugung des Lebens und Verleugnung des Postulats eines Got
tes
3. Evolution mit Gottespostulat?
4. Einige Folgen der Darwinsdien Lehre in der politischen Welt . . .
V. Die Zukunft des Menschen
1. Nihilismus des einzelnen im Darwinismus
2. Stoffwechsel und Individualität
3. Das Tao
4. Die Wesensstruktur des Menschen
5. Metamorphose des Leibes anläßlich der Auferstehung Jesu
6. Die Metamorphose des Menschen
- Vorliegender Beitrag ist ein von mir stark gekürzter Auszug aus dem oben ge
nannten Buch. Dabei geht es mir weniger um die Darstellung einer wissenschaftlic
hen Auseinandersetzung als um dieFolgen der Evolutionstheorie in der politischen
Welt. H. Koch, im Mai 2006 -
Vorwort
Von zahlreichen Pfarrern, Predigern und sogenannten Laien bin ich in den letzten
Jahren aufgefordert worden, das schon seit einigen Jahren vergriffene Heft Die P
roblematik der Deszendenzlehre"
Ich weiß, daß die Naturwissenschaft zu dem von Gott geschenkten Glauben nichts b
eitragen kann. Doch habe ich auf meinen Reisen oft feststellen müssen, daß es ma
nchen bibeltreuen Pfarrern und Predigern Not bereitet, denen, die ihnen anvertra
ut sind, eine wissenschaftlich und theologisch tragbare Basis zur Bibel als Wort
Gottes zu ermöglichen. Es genügt in diesem technologischen Alter durchaus nicht
, dem jungen gläubigen Menschen zu beteuern, daß er blind" glauben muß, auch wenn
die Bibel sagt, die Welt sei in sieben Tagen erschaffen, Eva sei aus Adams Seit
e genommen worden, und eine Schlange habe die ersten Menschen zum Sündenfall ver
führt. Man meint, daß die sicheren Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft" all
e diese Berichte der Bibel überzeugend widerlegen. An offenbaren Unsinn" kann ich
jedoch nicht glauben - und sowohl die Naturwissenschaft als auch die Theologie,
die oft hinter der Naturwissenschaft herhinkt, behaupten, daß es gerade das ist
, was viele Bibelchristen tun, nämlich, daß sie an diesen offenbaren Unsinn" glau
ben.
Sicher muß der Glaube, um wirksam zu werden, oft blind" sein, und die Gebete Alte
n und Neuen Testaments beweisen dies. Aber beim besten Willen könnte ich, auch w
enn die Bibel mich dazu auffordern würde, zum Beispiel nicht glauben, daß der Pr
ophet Jona einen Wal veschluckt habe - das wäge doch Unsinn", intellektuell unehr
lich und deshalb zu verwerfen. Umgekehrt aber, daß ein großer Fisch den Jona ver
schluckt habe, ist schon möglich, wenn es auch rein menschlich gesehen unwahrsch
einlich ist. Doch ist diese Angelegenheit nicht unsinnig. Es wird nun heutzutage
oft so getan, als ob der biblische Bericht über die Entstehung der Welt und des
Menschen unglaubwürdig, ja fast unsinnig sei, wenigstens vom naturwissenschaftl
ichen Standpunkt aus.
Wenn aber Jesus an die sieben Tage der Schöpfung, an Adam und Eva, an den Garten
Eden, an die Schlange, an den Sündenfall usw. naiv glaubte, dann müssen wir uns
ernsthaft fragen, ob diese Berichte naturwissenschaftlich gesehen unsinnig sind
. Die moderne Naturwissenschaft und die Theologie lehren uns fleißig, daß das We
ltbild der Bibel heutzutage unhaltbar geworden sei, daß also Jesus ein Kind sein
er Zeit war und an diese Märchen (Unsinn), wie alle seine Zeitgenossen, glaubte.
Wenn nun der Herr Jesus wirklich an Unsinn" glaubte, kommt der gottesfürchtige C
hrist in intellektuelle Schwierigkeiten, die für seinen Glauben ernsthafte Folge
n haben können. Sagte Jesus uns nicht immer die exakte, präzise Wahrheit, war se
in Geist mit allerlei der Wahrheit nicht entsprechenden Vorstellungen über die S
chöpfung erfüllt? Er nannte sich doch selbst die Wahrheit"! Wußte der Sohn Gottes
alles oder nicht alles, hatte er als Mensch falsche Vorstellungen über irgend e
twas? Konnte man ihn irgendwie täuschen? Judas versuchte es. War sein Weltbild e
in Niederschlag seiner Generation - und also falsch?
Ich glaube es nicht. Ich bekenne mich, auch als Naturwissenschaftler, zu der Übe
rzeugung, daß Jesus, auch bezüglich seines biblischen Weltbildes, die Wahrheit w
ar und daß auch die Naturwissenschaft ihn und seine Ideen nie überholt hat noch
überholen wird. Durch und für ihn sind doch alle Dinge erschaffen worden. Er dür
fte also Bescheid wissen.
Ich hoffe, daß die nachfolgenden Ausführungen dazu beitragen werden, es dem bibe
ltreuen Menschen leichter zu machen zu glauben, daß die großen Linien der modern
en Wissenschaft die Aussagen der Heiligen Schrift auch über Schöpfungsfragen völ
lig bestätigen, daß man naturwissenschaftlich durchaus intellektuell ehrlich sei
n und zur gleichen Zeit an Jesus Christus von Herzen glauben kann. - A. E. Wild
er-Smith
(Brockhaus-Verlag, Wuppertal-Vohwinkel 1949) neu herauszugeben. Einige Jahre sin
d nun seit der Abfassung dieser Abhandlung vergangen, Jahre des Fortschritts in
allen geistigen Bereichen. Viele neue Erkenntnisse sind auch auf diesem Gebiet g
ewonnen worden. Trotzdem stelle ich mit Freude fest, daß die neuen Erkenntnisse
mich in meiner ersten These nur bestärkt haben. Obwohl ich jetzt manches berücks
ichtigen muß, was vor wenigen Jahren noch unbekannt war, bleibt die Hauptsache n
och fester bestehen als vor fünfzehn Jahren.
I. Der Mensch -- ein Tier höchster Intelligenz?
Seit alters her beschäftigt den Menschen die Frage seiner Herkunft. Heutzutage s
tehen sich zwei Meinungen dabei gegenüber: einmal die allgemeine Auffassung, die
in allen Universitäten, Hochschulen und Schulen des Westens sowie auch des Oste
ns ohne ernsten Widerspruch gelehrt wird, der Mensch habe sich aus den niederen
Lebewesen zu seinem jetzigen Stand nach den Vorstellungen von Darwin und seinen
Schülern emporentwickelt. Der Mensch sei also letzten Endes nichts anderes als e
in Tier höchster Intelligenz. Zum andern aber der Bericht der Bibel, der den Men
schen als fertige Schöpfung hinstellt. Auf die verschiedenen Vorstellungen gewis
ser heidnischer Religionen über die Schöpfung kann ich hier nicht eingehen.
Wollen wir über das eine gleich am Anfang ganz klar sein, nämlich daß der Darwin
ismus und der Neodarwinismus in den Händen der Atheisten die Hauptwaffen gegen c
hristliche Lehre und christlichen Glauben überall in der modernen Welt gewesen s
ind. Die Kommunisten benutzen offiziell die Tatsachen" der Evolution, um allen Gl
auben theistischer oder christlicher Art unmöglich, ja lächerlich zu machen. Ath
eismus und Darwinismus sind im Osten offizielle Staatslehre, und der Darwinismus
bietet dafür die wissenschaftliche Basis.
Im folgenden wollen wir untersuchen, ob
a) der moderne Darwinismus den Gottgedanken überflüssig macht und deshalb wirkli
ch als Waffe in der Hand der Atheisten dienen kann, und
b) ob Gott durch Evolution in der Pflanzen- und Tierwelt die heutige Schöpfung z
ustande brachte, d. h. ob man Gott in der Tat in der Evolution am Werke sieht.
Beide Meinungen geben eine Evolution als Tatsache zu. Allerdings werden wir im L
aufe unserer Ausführungen noch prinzipiell prüfen müssen, ob diese in beiden Auf
fassungen enthaltene Annahme einer langsamen Evolution von Tieren und Pflanzen n
ach oben naturwissenschaftlich zu begründen ist.
A) Was lehrt die Deszendenztheorie?
a) Alle Tiere und Pflanzen, die wir in der heutigen Naturwelt kennen, entstammen
einer primitiven Urzelle. Das Leben, vom primitivsten Anfang an, ist also konti
nuierlich, und alle Lebensformen sind deshalb genetisch verwandt und voneinander
abgeleitet.
b) Aber wenn alle Lebensformen von einer Form (Urzelle) abgeleitet sind, haben s
ich diese Formen offenbar im Laufe der Zeit verändert. Die Verschiedenartigkeit
hat sich aus einer genormten" Primitivität herausentwickelt. Die Entwicklungslehr
e versucht, eine Erklärung der Methodik dieses Entwicklungsverfahrens darzustell
en.
Die postulierte Methodik ist die, daß Modifikationen durch Zufall entstanden sin
d. Man nennt diese Veränderungen Mutationen, die dann genetisch, d. h. in der Na
chkommenschaft der Zelle, erhalten bleiben. Die zufälligen Mutationen, die der Z
elle oder dem Organismus im Kampf ums Dasein einen Vorteil verleihen, bleiben al
so erhalten - die Besitzer der Mutationen haben einen Vorsprung vor den Nichtbes
itzern und können sich deshalb zahlreicher fortpflanzen als die anderen. Es gibt
kleine und große Veränderungen, die durch ionisierende Strahlen oder auch durch
chemische Substanzen hervorgerufen werden. Einige entstehen ohne besonders fest
stellbare Ursache bei der Zellteilung. Die Distribution dieser Veränderungen wir
d dem Gesetz des Zufalls zugeschrieben. Mutationen (Megamutationen) erklären die
sprunghaften Erscheinungen von neuen Spezies, die man in den geologischen Schic
hten festgestellt zu haben meint.
c) Zwischen allen Organismen besteht ein Kampf ums Dasein. Friedliches Zusammenl
eben (Symbiose) kommt weniger vor als Kampf. Aber nur auf Grund dieses Kampfzust
andes ist eine Entwicklung nach oben im Darwinschen Sinne möglich. Ohne Kampf gä
be es keine Vorteile im Kampf für die neu hervorgerufenen Mutationen den älteren
Organismen gegenüber, und darum gäbe es auch keine fortschreitende Entwicklung
ohne Kampf. Evolution ohne den Grundsatz des Kampfes ums Dasein kann man nicht e
rklären, denn sie ist von Vorteilen gerade in diesem Kampf abhängig.
d) Weil Evolution so langsam vor sich geht, nimmt sie ungeheuer große Zeitspanne
n in Anspruch - Millionen von Jahren.
An Hand dieser vier Hauptpostulate zeigt sich, wie eine primitive Zelle - nach d
er Methode des Darwinismus und vorausgesetzt, daß überhaupt Leben vorhanden ist
- sich langsam in der Rangordnung der lebenden Organismen von unten" nach oben" em
porentwickelt, und zwar ganz automatisch", d. h. ohne d?ß irgendein Gott nötig wä
re, der alles ordnet oder leitet. Deshalb lehrt man heute, d?ß vom wissenschaftl
ichen Standpunkt aus der Gottgedanke vertrieben worden ist. Seine leitende Hand
ist heute ein überflüssiges Postulat.
Die meisten Darwinisten tun noch einen weiteren Schritt. Sie behaupten, weil das
primitive Leben und die primitive Zelle so sehr einfach gewesen sein müssen, se
i sie auch durch reinen Zufall entstanden. In einem Urmeer, in dem anorganische
Salze, Ammoniak, Kohlensäure usw. in den richtigen Proportionen vorhanden waren,
entstanden zufällig Aminosäuren, die sich dann zu Polypeptiden kondensierten. A
us den Polypeptiden entstanden Eiweiße, die dann Nukleinsäuren usw. produzierten
. Schließlich stand die primitive lebende Zelle da (Urzeugung), und zwar ohne je
glichen Schöpfungsakt Gottes. Der einzige Schöpfer, der am Werk war, heißt Zufal
l, der über große Zeitspannen verfügt, um sein Werk zu vervollkommnen.
So weit die Deszendenzlehre in ihren groben Zügen!
B) Was lehrt die Bibel?
Was lehrt uns nun die Bibel, die sich ausgibt, Offenbarung Gottes zu sein, auch
in bezug auf die Entstehung der Naturwelt und des Weltalls, also in bezug auf da
s gleiche Thema, das die Entwicklungslehre behandelt? Skizzenhaft müssen wir den
biblischen Bericht schildern, denn manches wird der Bibel in die Schuhe geschob
en, besonders auf diese Gebiet, was sie gar nicht lehrt.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die wüst und leer waren. Nach dieser erste
n Handlung werden sieben spezifische Tage genannt, während derer Gott das, was w
ir heute kennen, erschaffen oder geformt hat. Alle Tiere und Pflanzen werden ihr
er Art gemäß erschaffen, und ihrer Art gemäß besamen sie sich und tragen Frucht.
Das heißt also, daß der Bibel nach die lebendigen Organismen relativ konstant i
n ihren Spezies bleiben und daß die verschiedenartigen lebendigen Wesen genetisc
h nicht kontinuierlich sind - im Gegensatz zu der Deszendenzlehre.
Andererseits aber ist nach dem biblischen Bericht keine absolute Konstantheit de
r Spezies postuliert. Es wird z. B. berichtet, daß die verschiedenen menschliche
n Rassen, die schwarze, die weiße, die semitische usw., sämtlich von einem Paar
stammen, nämlich von Noah und seinem Weib.
Nach dem biblischen Bericht sind also kleine Veränderungen beschrieben; es wird
aber nicht behauptet, daß alle Tiere und Pflanzen von einer primitiven Urzelle a
bstammen. Wenn man es in die Bibel nicht bewußt hineinliest, würde man wohl nie
auf die Idee kommen, daß die Schöpfung des dritten Tages (Pflanzen) und die des
fünften und sechsten Tages (Tiere und Menschen) eine langsame Evolution von eine
r Lebensform in eine andere durch Millionen von Jahren darstelle.
"Die Erde bringe hervor lebendige Tiere, ein jegliches nach seiner Art" (1. Mose
1, 24) und: Jehova formte den Menschen, Staub der Erde, und hauchte ihm den Hauc
h des Lebens in seine Nase ein" (1. Mose 2, 7) und:
"Jehova ließ einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, und er entschlief. Und
er nahm eine von seinen Rippen und verschloß ihre Stelle mit Fleisch; und Jehov
a baute aus der Rippe .... ein Weib, und er brachte sie zu dem Menschen." (1. Mo
se 2, 21. 22.)
Alle diese Stellen klingen kaum wie die Darwinschen Beschreibungen eines Million
en von Jahren hindurch währenden Vorgangs, in dem ein Tier sich allmählich aus a
nderen primitiveren Formen herausentwickelt habe, und zwar nicht unter der persö
nlich formenden Hand Gottes, sondern unter der Macht des Gesetzes des Zufalls un
d des Kampfes ums Dasein. Wenn das erste Buch Mose in Wirklichkeit die Prozesse
der Entwicklungslehre durch Millionen von Jahren hindurch tatsächlich beschriebe
, warum ist diese wahre" Bedeutung und Auslegung der Bibel nicht klarer beschrieb
en worden?
II. Sind die Hauptpostulate des Darwinismus von der Naturwissenschaft her tragba
r?
In diesem Abschnitt wollen wir der Reihe nach einige Hauptpostulate der Deszende
nzlehre auf ihren naturwissenschaftlichen Inhalt und auf ihre wissenschaftliche
Basis prüfen.
1. Die Ähnlichkeiten zwischen Menschen, Tieren und allen lebenden Zellen
Es ist klar, daß Ähnlichkeiten zwischen allen lebenden Zellen, zwischen Menschen
und Tieren und zwischen den verschiedenen Pflanzen bestehen. Die Ähnlichkeiten
zwischen Menschenaffen und Menschen sind einmal da; sie sind Tatsachen, die man
nicht leugnen soll und nicht leugnen will, wenn man ehrlich ist. Die Entwicklung
slehre erklärt nun diese Ähnlichkeiten auf der Basis der genetischen Verwandtsch
aft aller Lebewesen: Weil Menschen direkt oder indirekt vom Menschenaffen abstam
men - miteinander verwandt sind -, sehen sie sich ähnlich. Alle Lebewesen sind s
ich also ähnlich, weil sie miteinander verwandt sind, voneinander abstammen. Je
näher sie miteinander verwandt sind, desto größer ist die Ähnlichkeit.
Jetzt müssen wir daher die Frage stellen, ob Ähnlichkeit genetische Verwandtscha
ft voraussetzt.
a) In der ganzen Welt kommt das Phänomen des Doppelgängers vor. Oft sind sich Do
ppelgänger so täuschend ähnlich, daß man sie kaum auseinanderhalten kann. Es wär
e aber ein Trugschluß, anzunehmen, daß die Doppelgänger, je mehr sie sich ähneln
, desto näher verwandt miteinander sein müssen. Ähnlichkeit kann Verwandtschaft
bedeuten, ist aber in keinem Fall ein zwingender Beweis für Verwandtschaft. Oft
sind Familienglieder sich weniger ähnlich als Doppelgänger, die gar nicht verwan
dt sind.
b) Es ist bekannt, daß das Krakenauge sehr viel Ahnlichkeit mit dem menschlichen
Auge aufweist. Doch hat, nach der Deszendenzlehre, die Ontogenie des Krakenauge
s und des menschlichen Auges mit deren Phylogenie sehr wenig gemeinsam; sie sind
genetisch nicht miteinander verwandt, sehen sich aber sehr ähnlich. Ähnlichkeit
ist kein zwingender Beweis des Verwandtseins.
c) Es ist bekannt, daß es unter den Beutetieren in Australien eine wolfähnliche
Art (Thylacinus) gibt, die nicht zu den Säugetieren gehört. Doch sehen diese Wölf
e" dem Säugetierwolf ähnlich. Zur Gattung der Beutetiere gehören auch Mäuse" und B
ären", die den echten Mäusen und den echten Bären unter den Säugetieren ähneln.
Aber diese Ähnlichkeit wird in wissenschaftlichen Kreisen nie als Beweis ihres n
ahen Verwandtseins gedeutet. Man sagt, daß diese Ähnlichkeit das Resultat von Ko
nvergenz in der Entwicklung sei. Weil die Habitate solche Tiere verlangten, ents
tanden sie durch Evolution von selbst, ganz gleich wie die Urbewohner des Gebiet
s beschaffen waren. Australien brauchte einen Wolf, darum entstand ein Wolf" aus
den vorhandenen Beuteltieren. Weil letztere nun Beuteltiere waren und keine Säug
etiere, mußten diese Wölfe" eben aus Beutetieren entstehen. Meines Erachtens ist
in dieser Beziehung die darwinistische Denkweise weniger als wissenschaftlich. S
ie erklärt nichts.
2. Ist eine Emporentwicklung durch Zufall theoretisch möglich oder wahrscheinlic
h ? Die Entropiefrage
2. Die synthetische Erzeugung des Lebens und Verleugnung des Postulats eines Got
tes
Wir erwähnten schon am Anfang, daß es in vielen Ländern christliche und theistis
che Naturwissenschaftler gibt, die die ganze spontane" Entstehung und Entwicklung
des Lebens durch Millionen von Jahren hindurch von der ursprünglichen amöbenart
igen Urzelle bis zum homo sapiens hin als die Handlungsweise oder gar Schöpfungs
methodik Gottes ansehen. Mutation und darauffolgende Darwinsche Selektion sind -
nach ihrer Ansicht - die praktischen Methoden gewesen, die Gott benutzte, um di
e heutige Tier- und Pflanzenwelt (einschließlich der Menschen) zustande zu bring
en. Darwinismus stellt also demnach einen Teil von Gottes Schöpfungsmethoden dar
. Die Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt durch Millionen von Jahren hindurch
zeigt uns Gott an der Arbeit. Er bedient sich der Mutation und der darauffolgen
den natürlichen Selektion im Kampf ums Dasein, um die Schöpfung, wie wir sie heu
te kennen, ins Dasein zu bringen.
Abgesehen von den thermodynamischen Prinzipien, die wir bereits besprachen und d
ie eine spontane Entstehung des Lebens und daraufhin eine spontane Emporentwickl
ung nicht gestatten, wäre es natürlich möglich, daß ein Schöpfer sich der langsa
men Entwicklung nach oben bedienen könnte - thermodynamisch steht ihm als Schöpf
er nichts im Wege. Er würde die langsame Entwicklung nach oben als der große Expe
rimentator" benutzen. So würde man die Saurier usw. und andere ausgestorbene Art
en als Versuche Gottes" in der Schöpfung ansehen, die er als Zwischenstufe gebrau
chte, um zu höheren Organismen, einschließlich Menschen, zu gelangen.
Wie sollte nun prinzipiell ein Christ oder Theist zu dieser Vorstellung der Schö
pfungsmethodik Gottes stehen? Es ist wahrscheinlich, daß die Mehrzahl der europä
ischen Theisten und Christen, die zur gleichen Zeit Naturwissenschaftler sind, t
atsächlich glauben, daß sie in der Evolution Gott an der Arbeit sehen, so daß di
e Frage in keiner Weise bloß akademisch ist.
Wir wollen zuerst das Problem ein wenig vom philosophischen und ethischen Standp
unkt aus analysieren. Der Darwinismus ist von Mutationen und darauffolgender nat
ürlicher Selektion im Kampf ums Dasein abhängig. Mutation findet heute ständig s
tatt, da sollen und können wir vom philosophischen Standpunkt aus nichts gegen d
iese Mutationen als Schöpfungsprinzip Gottes einwenden, auch wenn sie meist dege
nerativer Art sind. Denn die Möglichkeit einer Synthese durch Mutationen und som
it einer Neuschöpfung besteht, wie wir schon besprochen haben.
Wie steht es aber vom christlichen und theistischen Standpunkt aus um die natürl
iche Selektion im Kampf ums Dasein? Was für philosophische und ethische Prinzipi
en walten hier? Was für philosophische und ethische Folgen können entstehen?
Nach dem Prinzip der natürlichen Selektion im Kampf ums Dasein stirbt der schwac
he, kranke oder minderbegabte Organismus langsam oder schnell aus. Der Stärkere
behauptet sich und siegt über den Schwächeren. Zugunsten des Wohls der Gesamtras
se wird der einzelne zurückgedrängt und erwürgt. Wenn nun der Schöpfer dieses ph
ilosophische und ethische Prinzip der natürlichen Selektion benutzt, um die Rass
e aufzubessern, heißt das mit anderen Worten, daß Gott prinzipiell als Schöpfung
smethodik die Kranken, die Schwachen und Minderbegabten zugunsten der Starken, G
esunden und Höherbegabten ausradiert. Hier geht es um Prinzipielles: um die Prin
zipien der Arbeitsmethoden Gottes.
Die Frage, die wir uns nun stellen müssen, ist die: Kann ein Christ sich vorstel
len, daß Gott diese Arbeitsmethode wählen würde? Ist Gottes Charakter, der in de
r Bibel eingehend geoffenbart wurde, so gestaltet, daß diese Arbeitshypothese de
nkbar ist?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst einige Beschreibungen des Cha
rakters Gottes erwähnen, und dann wollen wir uns die Frage stellen, ob sein Char
akter es zulassen würde, nach der postulierten Methodik des Darwinismus seine Sc
höpfung zustande gebracht zu haben.
Nur eine Person (vernunftbegabtes Individuum) kann einen Charakter besitzen. Die
Bibel lehrt uns, daß Gott eine Person ist und daß er einen ausgesprochenen Char
akter hat: Er liebt den Sünder, er haßt die Sünde. Weil er die Person des Univer
sums ist, hat er einen Plan für jeden Menschen. Ferner lehrt uns die Bibel, daß
derjenige, der den Sohn als Mensch gesehen hat, zur gleichen Zeit den Vater gese
hen hat (Joh.14, 9). Daraus schließen wir, daß, wenn Gott eine Person ist und ei
nen Charakter hat, dieser Charakter uns in der menschlichen Form von Jesus Chris
tus gezeigt wurde. Es ist durchaus verständlich, d?ß viele Menschen zurückschrec
ken, wenn man sie bittet, den Charakter Gottes zu analysieren. Doch ist der Begr
iff Liebe" ( Gott ist Liebe") eine Charaktereigenschaft Gottes. Davor schrickt man
nicht zurück. Eine Person, die Liebe besitzt, wird auch andere Charaktereigensch
aften aufweisen (Geduld, Treue, Beständigkeit, Wahrhaftigkeit usw.).
Trotzdem ist es schwierig, sich die Charaktereigenschaften Gottes vorzustellen,
gerade deswegen, weil er ewig ist, allmächtig, allwissend, allgegenwärtig usw.,
d. h. daß er unendlich ist. Wenn sich Gott aber in menschlicher Gestalt als mens
chlicher Charakter geoffenbart hat, dann ist die Situation viel leichter; Mensch
en haben klar definierbare, vorstellbare Charakterzüge, anhand derer wir uns vor
stellen können, ob sie nach dieser oder einer anderen Methode in bestimmten Lage
n vorgehen werden oder nicht. Die Bibel lehrt uns deutlich, daß der Charakter Go
ttes für uns Menschen im Charakter des Menschen Jesus Christus geoffenbart und v
erständlich gemacht worden ist.
Unsere Frage wird jetzt also bedeutend einfacher: Könnte Jesus Christus nach der
Methodik der Selektion im Kampf ums Dasein vorgegangen sein, um seine Welt zu e
rschaffen? Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Frage nicht bloß eine akade
mische ist, denn die Bibel lehrt uns, daß alle Dinge in dieser Welt von ihm (Chr
istus) und für ihn (Christus) in der Tat erschaffen worden sind (Kol. 1, 16).
Wir haben also sozusagen das doppelte Recht, uns zu fragen, ob Christus die Prin
zipien der Selektion im Kampf ums Dasein als Schöpfungsmethodik benutzen konnte.
Gott in Christus ist der Schöpfer, und Christus offenbart uns Gottes Charakter.
Was sagt Christus über seinen eigenen Charakter aus? Wir können erst, wenn wir
seinen Charakter kennen, feststellen, wie er wahrscheinlich in Schöpfungsfragen
vorgehen würde.
Eine der ausführlichsten Enthüllungen des Charakters Jesu Christi (und deshalb G
ottes) finden wir im Matthäus-Evangelium, Kapitel 5. Wir zitieren einige Verse:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr ...
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen ...
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen ...
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen." (Matth. 5,
3.5.7.9.)
Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen,
die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr
Kinder seid eures Vaters im Himmel; denn er läßt seine Sonne aufgehen über die B
ösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte darum sollt
ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist." (Matth. 5,
44.45.48.)
Der Herr Jesus Christus zeigt uns hier, was in den Augen des Vaters (und deshalb
auch des Sohnes) Vollkommenheit des Charakters ist, und mahnt uns zur gleichen
Zeit, diese Vollkommenheit des Charakters für uns selbst in Anspruch zu nehmen.
Laßt uns seine Äußerungen, wie oben zitiert, ein wenig unter die Lupe nehmen!
Selig sind, die geistlich arm sind."
Hier ist kaum eine Beschreibung des sich im Kampf ums Dasein brutal Durchsetzend
en zu finden. Hier handelt es sich um einen Charakter, der höhere intellektuelle
Eigenschaften besitzt, aber sich demütig korrigieren und zurechtweisen läßt. We
r das nicht tut, bleibt brutal und hochmütig und lernt keine höheren Eigenschaft
en. Der geistlich Arme wird das Himmelreich, also das Höchste, besitzen. Im Kamp
f ums Dasein kommt nach Darwin und den Neodarwinisten ein solcher Charakter (auc
h im heutigen Geschäftslebenskampf?) gar schnell um, ein Beweis, daß Selektion n
ach den Prinzipien des Kampfes ums Dasein die gröberen (niedrigeren?) intellektu
ellen und charakterlichen Eigenschaften begünstigt (eine geistige Entwicklung na
ch unten?).
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen."
Menschlich gesehen, könnte man es eher verstehen, wenn es die Schlauen" heißen wü
rde. Durch Sanftmut setzt man sich im Kampf ums Dasein nicht durch. Der Herr Jes
us war sanftmütig und von Herzen demütig und wurde gekreuzigt. Wie könnte der Sa
nftmütige selber Selektion im Kampf ums Dasein als seine Schöpfungsmethodik benu
tzen? Heute besitzen die Sanftmütigen nicht die Erde. Selbst Gandhis Indien, das
diese Methode zur Politik machte, ging anders als sanftmütig mit Rotchina um, a
ls letzteres Indien angriff. Goa wurde den Portugiesen von den Indern nicht durc
h Gandhis Sanftmut abgenommen. Und die Inder besitzen diesen goaischen" Teil des
Erdreichs noch immer, jedoch nicht durch Sanftmut.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen." Ist denn
der Kampf ums Dasein barmherzig? Wenn er das wäre, würde er aufhören, Kampf zu s
ein.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen." Gerade die
Friedfertigen sind doch die, die sich im brutalen Kampf nicht behaupten; sie lie
ben eben den Frieden, nicht den Kampf. Und wie steht es um das Lieben des Feinde
s im Kampf ums Dasein, der darum geht, ob man überhaupt weiter existieren soll?
Wir wollen uns darüber im klaren sein, daß diese Prinzipien der Bergpredigt für
die heutige Welt unvorstellbar und unmöglich sind. Hier in dieser Welt herrscht
brutaler Kampf, hier herrscht Rücksichtslosigkeit, hier herrschen Leid, Schmerz,
Kampf und Tod, genau wie Darwin es beobachtet hat, weil die ganze Schöpfung unt
er der Gewalt des Fluchs der Sünde seufzt. Wir müssen Realisten sein: Dies ist d
er heutige Zustand!
Eine andere Frage ist, ob der Christ bewußt mitmachen soll. Wenn wir Jesus Chris
tus lieben, werden wir seine Worte halten (Joh. 14, 23), auch die Worte der Berg
predigt. Weil Jesus Christus nicht mitmachte, wurde er gekreuzigt (Er verzichtet
e auf die zwölf Legionen Engel (Matth. 26, 53), die seine Feinde augenblicklich
ausgerottet und ihn befreit hätten. So widerstand er dem Bösen nicht).
Was aber für uns hier wichtig ist, ist die Enthüllung des vollkommenen Charakter
s Gottes. Er ist vollkommen, deshalb schätzt sein Charakter geistliche Armut, li
ebt Sanftmut, übt Barmherzigkeit aus und bevorzugt die Friedfertigen. Welche Ent
hüllung seines Innenlebens, seines Charakters! Er ist vollkommen, und er wird de
shalb sofort mit einem Schöpfungsakt - seinem Charakter nach zu urteilen - eine
vollkommene Schöpfung nach einer Methodik zustande gebracht haben, die seinem vo
llkommenen Charakter entspricht. Er wird hier nie mit unvollkommenen Zwischenstu
fen in seiner Schöpfung herumexperimentiert haben, bis er den Gipfel, die Krone
der Schöpfung gefunden hat. Er ist allezeit vollkommen. Er sagt ein Wort und sie
he, es geschieht Vollkommenheit! Er wird nie seinen eigenen vollkommenen Charakt
er dadurch kompromittiert haben, indem er Schöpfungsmethoden benutzt, die nach s
einem eigenen Wort weniger als vollkommen sind.
Wenn nun seine Schöpfungsmethode als Prinzip die Unfriedfertigen" bevorzugen soll
, könnte er sie dulden? Könnten seine Schöpfungsmethoden davon abhängig sein, da
ß Feinde sich hassen und sich gegenseitig ausradieren, wenn er selber seine Fein
de liebt und für sie am Kreuz stirbt? Er stirbt lieber selber, als daß er seine
Feinde sterben läßt. Er gebietet uns, unsere Feinde zu lieben; wenn sie hungern,
sie zu speisen. Hier in Matth. 5 sehen wir wenig von nacktem Kampf ums Dasein a
ls Methodik Gottes. Eher umgekehrt: Er stirbt, um einengeistlichen - nicht biolo
gischen - Sieg zu gewinnen. Es wäre nach der Bergpredigt fast eine Gotteslästeru
ng, die Schöpfungsmethodik des Kampfes ums Dasein Gott zuschieben zu wollen als
seine freiwillig bevorzugte Art zu arbeiten.
Nun wendet jemand ein: Im Neuen Testament mag das wohl sein. Im Alten Testament
war das aber nicht der Fall. Da gab es Kampf, Gericht und Tod im Auftrag Gottes.
Sicher gibt es mehr Gericht im Alten Testament als im Neuen, obwohl es am Ende
des Neuen Testamentes viel mehr Gericht geben wird als im ganzen Alten Testament
von Mose bis Maleachi. Denn die ganze Welt, alle, die da leben, und alle, die t
ot sind, werden vor Gericht - am Ende des Neuen Testaments - erscheinen, und da
wird es ein schreckliches,jedoch gerechtes Gericht geben.
Jesus Christus selber wird nach den Aussagen des Alten und Neuen Testaments der
Richter sein, gerecht und barmherzig. Man sagt, daß Kampf ums Dasein einfach Ger
icht sei und daß Gott, wenn er richtet, Kampf ums Dasein ausübt.
Nein, das kann nicht sein, denn wir müssen uns die Frage stellen, ob Gericht dad
urch verdient wird, daß man krank, unterentwickelt oder schwach ist, was die Bas
is von Selektion nach dem Darwinismus ist. Er richtet ein gerechtes Gericht.
Aber auch im Alten Testament mit den vielen Gerichten findet man einen David, de
r ein Mann nach Gottes Herzen war und der, wie Gott, das Gericht nicht liebt. Sc
hauen wir uns einmal Davids Charakter an! Er hatte zwei Möglichkeiten, den Mann
zu töten, der ihm nach dem Leben stand, nämlich den König Saul. Einmal in der Hö
hle zu Engedi hätte er Saul ohne Lärm oder Schwierigkeiten töten können. Davids
eigene Leute sagten zu ihm: Siehe, das ist der Tag, davon dir der Herr gesagt hat
: ,Siehe, ich will deinen Feind in deine Hände geben, daß du mit ihm tust, was d
ir gefalle.`" (1. Sam. 24, 5.)
David zog es vor, seinen Erzfeind zu lieben und nahm einen Zipfel von Sauls Rock
, um Saul den Beweis zu liefern, daß er ihn ohne weiteres hätte töten können, da
ß er aber seinen Feind liebte. Diese Begebenheit stellt keinen Einzelfall dar, d
enn David wiederholte das gleiche in der Wüste Siph. Als Saul und seine Leute sc
hliefen, kam David mit Abisai und stahl Saul Spieß und Wasserbecher, die zu sein
er Seite waren. Als Abisai das sah, flüsterte er David zu: Gott hat deinen Feind
heute in deine Hand beschlossen; so will ich ihn nun mit dem Spieß stechen in di
e Erde einmal, daß er's nicht mehr bedarf" (1. Sam. 26, 8). Aber David wollte ke
ine Hand an ihn legen. David kannte eine Ritterlichkeit und eine Abneigung gegen
Gericht, was ihm wichtiger war als alle Gedanken seiner eigenen Sicherheit oder
Vorteile. David nützte seine Machtposition nicht aus. Er hätte im Kampf ums nac
kte Dasein zweimal leicht siegen können, verzichtete aber aus höheren Gründen da
rauf und liebte seinen Erzfeind.
Nach dem Tode Sauls zeigte David wiederum die gleiche Gesinnung. Er suchte irgen
deinen Entronnenen des Hauses Jonathans, des Sohnes Sauls, um ihm Güte zu erweis
en (2. Sam. 9). Er findet den Krüppel Mephiboseth, der an beiden Füßen lahm war,
läßt den armen Mann kommen und stellt ihn den eigenen Königssöhnen gleich, so d
aß der Krüppel Mephiboseth alle seine Tage an des Königs Tisch mit den Königssöh
nen essen durfte. Mephiboseth bekam auf ausdrücklichen Befehl Davids hin alle Äc
ker seines Großvaters Saul - des Feindes Davids - zurück, damit er nicht als Bet
tler an des Königs Tisch zu erscheinen brauchte. Welche Feinfühligkeit! Und Davi
d war ein Mann nach Gottes Herzen. So ging er mit seinen Feinden um.
Die andere Seite dürfen wir natürlich auch nicht übersehen. Als Gott den Befehl
gab, gerechtes Gericht auszuüben, gehorchte David auch. Auch hier zeigte er das
Herz Gottes.Gott richtet aber nur dann, wenn andere Methoden nicht mehr helfen.
Er will nicht den Tod des Sünders, sondern daß dieser sich von seinen Sünden bek
ehrt und lebt.
Diese gerechte Strenge des Charakters Gottes bewahrt uns vor einer weichlichen V
orstellung des Charakters Gottes. Strenge und Güte sind beide da. Es ist immer d
as Wesen einer Karikatur, einige Gesichtszüge auf Kosten anderer zu betonen: Die
Nase wird zu lang, das Kinn zu klein, der Hals zu kurz, obwohl man trotzdem den
Gegenstand der Karikatur erkennen kann. Durch diese Über- oder Unterbetonung wi
rd das Bild lächerlich und somit eine Karikatur. So dürfen wir mit dem Charakter
Gottes nicht verfahren. Wir dürfen Liebe und Geduld nicht auf Kosten von Streng
e und Gerechtigkeit überbetonen, sonst entsteht ein Zerrbild seines Wesens und s
omit eine Karikatur. Alle Charakterzüge müssen gezeigt werden, und zwar in der b
iblischen Betonung und in den richtigen Proportionen, sonst entsteht eine Karika
tur Gottes.
Können wir uns nun angesichts seines vollkommenen Charakters, seiner Liebe, Gedu
ld, Sanftmut, Friedfertigkeit, Gerechtigkeit, Strenge, Allmacht, Allgegenwart, A
llwissenheit usw. vorstellen, daß er sich der Methodik der Selektion im Kampf um
s Dasein bedienen würde, um seine Schöpfung zustande zu bringen? Damit hätte er
seinen ganzen Charakter kompromittiert. Der Vorschlag, daß er diese Methodik ben
utzte, kam offenbar von einem Mann, der die heutige gefallene Schöpfung genau be
obachtete. So geht es ohne jeglichen Zweifel heute zu.
Hat Gott aber die Methoden einer gefallenen Schöpfung benutzt, um eine vollkomme
ne, nicht gefallene Schöpfung, wie sie am Anfang war, zu erschaff?n?
Am Anfang, sagt Gott, war alles sehr gut". Was sollen wir aber unter sehr gut" ver
stehen? Die Bibel gibt uns darüber klaren Aufschluß, denn am Ende dieser Schöpfu
ng wird Gott wieder alles sehr gut" machen. Er beschreibt diesen Zustand am Ende
der heutigen Schöpfung mit folgenden Worten:
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr
sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist
vergangen" (Offb. 21, 4).
An anderen Stellen nennt sich dieser Zustand die Wiederherstellung aller Dinge" (
Apg. 3, 21).
Der Urzustand kehrt wieder zurück, wo kein Kampf, kein Geschrei, noch Schmerzen,
Tod oder Tränen sind. Wenn dies der Zustand am Anfang der Schöpfung war, daß al
les in Harmonie lebte, und wenn eines Tages alles wieder in Harmonie leben wird,
wie kann man behaupten, daß alles durch Selektion im Kampf ums Dasein entstand!
Es gab eben am Anfang der Schöpfung keinen Kampf, sondern Harmonie, weil Gottes
Charakter harmonisch ist.
Dieser Kampf soll nach Darwin schöpferisch sein, denn durch Millionen von Jahren
Selektion im Kampf entstand eine schöpferische Leistung, etwas Neues. Die Bibel
lehrt uns, daß Kampf erst dann begann,nachdem die Schöpfung schon da war und zu
sündigen anfing. Der Kampf ist also ein Beweis für Degenerierung. Der Kampf ist
ein Ausdruck der Zunahme von Entropie und Probabilität (Degenerierung) und kein
Ausdruck von Senkung der Entropie und Probabilität (Schöpfung).
Wir fassen zusammen: Nach Darwin soll die Evolution die Folgen des Sündenfalls i
n der Schöpfung, nämlich Leid, Tränen, Schmerz und Tod, dazu benutzt haben, um d
ie Schöpfung zustande zu bringen.
Welche Verwirrung der Logik unter den Christen und Theisten, dies überhaupt eine
Sekunde für möglich zu halten! Denn die Erschaffung der Welt fand vor dem Sünde
nfall statt. Nach Darwin und den an Darwin glaubenden Christen geht die Wirkung
vor der Ursache. Denn nach der Bibel war alles am Anfang harmonisch und vollkomm
en: Leid, Schmerz und Tod gab es nicht.
Erst nachher kam der Sündenfall, der Kampf und Tod mit sich brachte. Wie können
nun diese Folgen des Sündenfalls (Kampf und Tod) in einer bereits bestehenden Sc
höpfung die Ursache derselben sein?
4. Einige Folgen der Darwinschen Lehre in der politischen Welt
Die Geschichte der politischen Welt ist mit wenigen Ausnahmen von jeher die Gesc
hichte von Krieg, Gewalttat, Ausrottung ganzer Völker, Tyrannei und Versklavung
der vielen zugunsten der Herrschaft von wenigen gewesen. Doch erkannten zu fast
allen früheren Zeiten wenigstens einige Menschen, daß diese ständigen Kämpfe zur
Vernichtung oder wenigstens zur Verrohung der Menschheit im ganzen (auch der Si
eger) führen würde. Individuelle Tapferkeit und Ritterlichkeit im Kampf mögen Tu
genden sein, und die besten mögen sich im Einzelkampf behaupten und davonkommen.
Aber im großen ganzen wirkten sich diese Kriege mit ihren Massenvernichtungen z
um Nachteil der Menschheit aus, denn wenn Men¬schen umkamen, waren es meistens d
ie Besten im Volk.
Aber seit der Publikation des Origin of Species" von Darwin verbreitet sich ungeh
indert die Lehre der Tugend des Kampfes": Der Kampf an sich ist eine Tugend, denn
durch ihn allein wird die Emporentwicklung der Rasse gefördert. Wenn die ganze
Schöpfung, wie wir sie heute kennen, wenn die ganze Realität" (Huxley) der Empore
ntwicklung der kosmischen wie auch der biologischen Welt durch den erbitterten K
ampf ums Dasein geradezu zustande kam, was kann man, moralisch gesehen, gegen de
n Kampf an sich einwenden? Der Kampf ums Dasein nebst seinen Schattenseiten (Ang
st, Schmerz, Agonie, Tod) muß eigentlich gut" sein, denn er ist mit wunderbaren E
rfolgen gekrönt worden. Professor Dr. C. Waddington kommt gerade zu diesem Schlu
ß (vgl. Science and Ethics, S. 14), als er schrieb: An existence which is essenti
ally evolutionary is itself the justification for an evolution towards a more co
mprehensive existence." ( Eine Existenz, die wesensgemäß evolutionär ist, besitzt
in sich selbst die Rechtfertigung für eine Entwicklung in die Richtung einer all
umfassenden Existenz.") Evolution muß gut" sein, auch wenn die Begleiterscheinung
en (Sich-gegenseitig-Auffressen, Sieg der Brutalsten und Rohsten) abscheulich si
nd, denn das Endresultat ist etwas Umfassenderes, eine vollkommenere Existenz in
der Zukunft. Mit anderen Worten: Das fait accompli" (Emporentwicklung) erlaubt a
lle Methoden, es zu erreichen.
Für Menschen, die zu dieser Überzeugung gekommen sind, daß Emporentwicklung nach
Darwinscher Lehre gut" sein muß, weil ihre Früchte" (eine bessere Rasse) gut sind
, kann es nicht verwerflich sein, wenn man der Emporentwicklung ein wenig dadurc
h nachhelfen" will, indem man die natürliche Selektion im Kampf ums Dasein bei Pf
lanzen, Tieren und Menschen fördert. Demnach muß es eine gute" Tat sein, wenn wir
gewisse minderwertige Individuen oder Rassen aussterben lassen bzw. ausradieren"
. Die Natur (bzw. Gott) hat doch praktisch diese Methode selber benutzt, was kön
nen wir also auf intellektueller oder moralischer Basis dage¬gen einwenden? Dadu
rch, daß wir die gleiche Methode benutzen, werden wir die Emporentwicklung zu ei
nem Supermenschen, ja zu einer Superschöpfung nur beschleunigen. Nach diesen Pri
nzipien müssen wir die Ausrottung minderwertiger Rassen und Individuen zum Wohl
der Rasse gutheißen. Auch die Beherrschung der Sklavenrassen" vom Herrenvolk", das
den Plan für die Emporentwicklung der Rasse" entwirft, kann im gleichen Licht be
trachtet werden. So steigert man die Integrierung und Emporevolution der biologi
schen Welt. Es ist eigentlich nur logisch, so zu denken, auch wenn die Darwinist
en dagegen Protest erheben.
Also ist die erste Folge der Darwinschen Lehre in der politischen und auch in de
r biologischen Welt die Verherrlichung des Kampfes schlechthin. Alles, was zum K
ampf und deshalb zur Selektion (Auslese) im Kampf führt, dient zur Emporentwickl
ung und muß gutgeheißen werden. Unsere intellektuellen Darwinisten lieben es nat
ürlich nicht, wenn man diese Folgerung zieht. Aber obwohl sie diesen logischen S
chluß nicht ziehen wollen, haben es andere für sie lange getan, wie z. B. Hitler
, Mussolini, Castro, Karl Marx, Lenin, Stalin und andere. Man muß bedenken, daß
Darwinismus die offzielle Staatslehre der Kommunisten ist und sich nicht nur auf
die biologische Welt, sondern auch auf die politische bezieht. Die überholte" ka
pitalistische Welt wird sich nach den Prinzipien des politischen Darwinismus" in
die sozialistische umwandeln; auch diese Umwandlung stellt eine Evolution" dar. D
ie heutige Literatur der Kommunisten und Sozialisten ist durchtränkt von Darwini
smus dieser Art.
Viele unserer westlichen Intellektuellen sind Darwinisten, und viele von ihnen s
tehen auch extrem links in ihrer politischen Überzeugung. Beides hängt wohl zusa
mmen.Aber merkwürdigerweise ist Darwinismus nicht nur die offizielle Doktrin der
Kommunisten, er ist auch die Basis der Nationalsozialisten gewesen, auch wenn d
ie äußere Form etwas umgeändert wurde.
Die Nationalsozialisten entwickelten natürlich ihre Ideen von Blut und Boden etw
as anders als die Russen, aber folgende Zitate aus Hitlers Mein Kampf" werden genü
gen, um unter Beweis zu stellen, daß Hitler vom Darwinismus begeistert war und s
eine Rassenpolitik darauf basierte
Hitler schrieb ( Mein Kampf", Verlag Franz Eher Nachfolger, München 1933): So große
Bedeutung im völkischen Staat die Art der körperlichen und geistigen Erziehung
haben wird, ebenso wich¬tig wird auch die Menschenauslese (Selektion) an sich fü
r ihn sein" (S. 44). (Der Staat) hat, was irgendwie ersichtlich krank und erblich
belastet und damit weiter belastend ist, zeugungsunfähig zu erklären und dies a
uch praktisch durchzusetzen ... er muß ohne Rücksicht auf Verständnis oder Unver
ständnis, Billigung oder Mißbilligung in diesem Sinn handeln" (S. 447/448). Eine
nur sechshundertjährige Verhinderung der Zeugungsfähigkeit und Zeugungsmöglichke
it seitens körperlich Degenerierter und geistig Erkrankter würde ... zu einer Ge
sundung beitragen, die heute kaum faßbar erscheint. Wenn so die bewußte, planmäß
ige Förderung der Fruchtbarkeit der gesündesten Träger des Volkstums verwirklich
t wird, so wird das Ergebnis eine Rasse sein, die ... die Keime unseres heutigen
körperlichen und damit auch geistigen Verfalls wieder ausgeschieden haben wird"
(S. 448). - Ist es aber wahr, d?ß körperlicher Verfall die gleiche Erscheinung
ist wie geistiger Verfall, wie Hitler behauptet?
Eins ist von vornherein klar: Ein Diktator ist die letzte Person, die absolute M
acht über die persönliche Zukunft eines Untertanen ausüben soll. Denn als Hitler
über genügend Macht verfügte, um erblich Belastete" auszuscheiden, waren es sehr
oft politisch Belastete" die tatsächlich liquidiert wurden. Hitlers Feinde wurde
n in der Praxis liquidiert - neben all den wirklich kranken Kindern und anderen,
die in die Gaskammern kamen -, wie bei allen Diktaturen von Anfang der Welt an.
Die Doktrinen mögen noch so gut klingen, aber ihre praktische Durchführung vers
agt, weil der Mensch selber moralisch versagt. Er ist in der Praxis ein gefallen
es Wesen, das von Haß und Neid mehr bestimmt wird als von Tugenden. Also in der
Praxis wurden von Hitler ganze Volksgruppen ohne Rücksicht auf Verständnis oder U
nverständnis, Billigung oder Mißbilligung" vergast. Die Lehre, die wir offensich
tlich daraus ziehen müssen, ist daher, keinem System zuzustimmen, das irgendeine
m Mann oder irgendeiner Gruppe absolute Macht in die Hände gibt. Macht korrumpier
t, und absolute Macht korrumpiert absolut", sagte der weise Engländer Lord Alton
. Der Mensch ist derart gefallen (die Geschichte beweist es), daß er absolute Ma
cht nie in die Hände bekommen darf. Er ist moralisch zu unterentwickelt, um unei
ngeschränkte Macht verkraften zu können; sie wird ihn nur noch mehr korrumpieren
, als er es vorher war. In der Praxis also, als Hitler einmal die absolute Macht
in Händen hatte, erwürgte er seine Feìnde, wie nur zu erwarten war. Er rechtfer
tigte dies aber mit der Lehre, seinem Volk einen Dìenst getan, nämlich die Reinig
ung" des Volkes dadurch gefördert zu haben.
Auf der anderen Seite ist es klar, daß, wenn der Mensch ein Engel" wäre, der wed
er die Kranken noch die Schwachen mißbraucht, man sicher viel gesunde Vernunft i
n Hitlers Worten finden könnte. Man muß sich aber die praktische Tatsache fest v
or Augen halten, daß Hitlers und der Darwinisten an sich vernünftig klingende Wo
rte die Basis einer Massenvernichtung der Juden und anderer und einer Massenverr
ohung der Deutschen wurde, wie die Welt in der Vergangenheit sie kaum je gesehen
hat.
Hitler meinte aber durch diesen Glauben und durch seine dadurch bedingten Taten
ein edles" Zeitalter herbeiführen zu können. Durch diesen Glauben wollte er die s
tarken, reinrassigen Arier zum Wohl der ganzen arischen Welt emporheben: Der völk
ischen Weltanschauung muß es im völkischen Staat endlich gelingen, jenes edlere
Zeitalter herbeizuführen, in dem die Menschen ihre Sorge nicht mehr in der Höher
züchtung von Hunden, Pferden und Katzen erblicken, sondern im Emporheben des Men
schen selbst" (S.449).
Hitler läßt uns über seine menschlichen Züchtungsziele nicht im dunkeln: Der völk
ische Staat hat in dieser Erkenntnis seine ganze Erziehungsarbeit ìn erster Lini
e nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüch
ten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der gei
stigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakter
s, besonders die Förderung der Willens- und Entschlußkraft, verbunden mit der Er
ziehung zur Verantwortungsfreudigkeit und erst als letztes die wissenschaftliche
Schulung." - Im schweren Schicksalskampf unterliegt selten, der am wenigsten we
iß, sondern immer derjenige, der aus seinem Wissen die schwäch¬sten Konsequenzen
zieht" (S. 452/453).
Der Darwinsche Kampf ums Dasein beherrschte Hitlers ganzes Denken, und durch die
Auslese in diesem Kampf wollte er der Natur ein wenig nachhelfen, indem er eini
ge minderwertige" Rassen ausradierte". In diesem Kampf sollte der arische Mensch z
um Supermenschen erhoben werden. Die Ironie der ganzen Situation besteht darin,
daß Hitlers Halbaffen" (d. h. seine Feinde, die Juden) wissenschaftlich besser ge
schult waren als er, mit der Folge, daß sie im bitteren Existenzkampf siegten. S
o siegte ein kerngesunder Geist" über den kerngesunden Körper".
Als vor hundert Jahren Professor Dr. Sedgwick aus Cambridge Darwins Origin of Spe
cies" ausgelesen hatte, bemerkte er, daß die Folgen dieses Buches, wenn es allge
meinen Anklang fände, eine Verrohung und eine Brutalisierung der Menschheit auf
bisher nie erlebte Weise sein würde. Professor Dr. Sedgwick hatte recht. Dr. R.
E. D. Clarke (Darwin before and after; Paternoster Press, London 1948) schreibt:
Unsere eigene Generation hat lange genug gelebt, um die unvermeidlichen Folgen d
er Evolutionslehre zu sehen, ein Resultat, das Sedgwick voraussah, sobald er ,Or
igin of Species` ausgelesen hatte. Mussolinis Lebensanschauung war von Evolution
total beherrscht. In seinen öffentlichen Reden benutzte er ständig die Darwinsc
hen Slogans und spottete der Idee eines ewigen Friedens, weil dadurch das Evolut
ionsverfahren verhindert würde. In Deutschland finden wir das gleiche. Hitlers W
esen war von evolutionärer Doktrin beherrscht, wahrscheinlich von seiner Jugend
auf. Evolutionsideen stehen unverblümt hinter den abscheulichsten Gedanken von ,
Mein Kampf` und seinen öffentlichen Reden."
Noch einige Zitate aus Mein Kampf" (schon der Titel ist doch , darwinistisch") sol
len dazu dienen, diese Eindrücke zu erhärten. Hitler pries z. B. das Boxen als e
ine Methode, den Angriffsgeist" zu fördern: Es gibt keinen Sport, der wie dieser d
en Angriffsgeist fördert" (S. 454).
Hören wir auch folgendes Wort: Doch hat der völkische Staat eben nicht die Aufgab
e, eine Kolonie friedsamer Ästheten und körperlicher Degeneraten aufzuzüchten. N
icht im ehrbaren Spießbürger oder der tugendsamen alten Jungfer sieht er sein Me
nschheitsideal, sondern in der trotzigen Verkörperung männlicher Kraft und in We
ibern, die wieder Männer zur Welt zu bringen vermögen" (S. 455).
Wiederum: Von Zeit zu Zeit wird in illustrierten Blättern dem deutschen Spießer v
or Augen geführt, daß da oder dort zum ersten Mal ein Neger Advokat, Lehrer, gar
Pastor, ja Heldentenor oder dergleichen geworden ist. Während das blödsinnige B
ürgertum eine solche Wunderdressur staunend zur Kenntnis nimmt, voll von Respekt
für dieses fabelhafte Resultat heutiger Erziehungskunst, versteht der Jude sehr
schlau, daraus einen neuen Beweis für die Richtigkeit seiner den Völkern einzut
richternden Theorie von der Gleichheit der Menschen zu konstatieren. Es dämmert
dieser verkommenen bürgerlichen Welt nicht auf, daß es sich hier wahrhaftig um e
ine Sünde an jeder Vernunft handelt, daß es ein verbreche¬rischer Wahnwitz ist,
einen geborenen Halbaffen so lange zu dressieren, bis man glaubt, aus ihm einen
Advokaten gemacht zu haben ..." (S. 479.)
Dieses letzte Zitat stammt aus einem Kapitel von Mein Kampf", das die Überschrift
trägt: Staatliche Auslese der Tüchtigen". Hitler und die Nationalsozialisten bet
rachteten die Neger, die Juden und auch andere als Zwischenstufen im Darwinschen
Sinne des Wortes. Sie stellten Zwischenstufen zwischen dem arischen Menschen un
d den Menschenaffen dar, waren also, genau wie Hitler sich ausdrückte, Halbaffen .
Es ist also klar, daß auch dieser Gedanke des Halbaffen seinen Ursprung in der Dar
win¬schen Denkweise Hitlers hatte, auch wenn sein Darwinismus primitiv war. Viel
e seiner Ideen auf biologischem Gebiet würden ortho¬doxe Darwinisten mit Recht a
blehnen, so z. B. seine Gedanken zum Thema Rassenreinheit, Blut und Boden, usw.
Eins aber steht fest: Hitler glaubte mit ganzem Herzen an den Sieg der Tüchtigen
im Kampf ums Dasein und war der Überzeugung, daß dieser Kampf durch Auslese für
die Emporentwicklung einer arischen Superrasse unumgänglich war. Dieses Gedanke
ngut stellt natürlich den Kern und Eckstein der Darwinschen Methodik und Lehre d
ar. Und Sedgwicks prophezeite Verrohung und Brutalisierung des Volkes und der Pa
rtei ließ auch nicht lange auf sich warten. Wer diese fast unvorstellbare Brutal
isierung der Nationalsozialisten verfolgen will, möge Kogons Der SS-Staat" (Europä
ische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main, 1964) lesen.
Will man den Keim dieser Brutalisierung finden, braucht man nur bei Hitler nachz
ulesen, wenn er schreibt: Wenn man bedenkt, daß außerdem noch eine möglichst groß
e Einschränkung der Zeugung an sich erfolgt, so daß der Natur jede Auslese unter
bunden wird, da natürlich jedes auch noch so elende Wesen erhalten werden muß ..
." (S. 275). Hitler lebte begeistert in der Welt der biologischen Auslese; für i
hn bedeutete das arme Kind, das in der Auslese zugrunde geht, nichts. Wie anders
ist die Denkweise Jesu, wenn er uns sagt, daß Gott selbst um die Spatzen auf de
m Dach besorgt ist und daß jedes Haar unseres Hauptes gezählt ist (Matth. 10, 29
. 30)!
Aber es blieb leider nicht nur bei schwachen, elenden Kindern; ganze Rassen wurd
en genauso behandelt: Dann muß man ... nach einer neuen Kraft suchen, die gewillt
und fähig ist, den Kampf für ein solches Ideal aufzunehmen. Denn um einen Kampf
handelt es sich hierbei, insofern die erste Aufgabe nicht heißt: Schaffung eine
r völkischen Staatsauffassung, sondern vor allem: ,Beseitigung der vorhandenen j
üdischen`." (S. 505.) Es blieb natürlich nicht bei der Beseitigung einer jüdische
n Staatsauffassung", sondern es kam bald zu der Ausrottung des ganzen jüdischen
Volkes, zu der Endlösung des Judenproblems".
Das waren also einige Folgen und Auswirkungen der Darwinschen Lehre bei der nati
onalsozialistischen Bewegung. Erstaun¬licherweise findet man eine ähnliche Entwi
cklung bei den Kommunisten.
Es ist z. B. bekannt, daß Karl Marx sein Buch Das Kapital" Charles Darwin widmen
wollte, weil er einige Grundprinzipien Darwins in die politische Welt übernommen
hatte. Aber aus politischen Gründen lehnte Darwin ab. Wer die politische und an
tireligiöse Propaganda der modernen Kommunisten liest, weiß, daß sie von primiti
vstem Darwinismus durchtränkt ist. Man findet die gleichen Gedankengänge wie bei
den Nationalsozialisten, und die brutalisierende Wirkung bleibt auch nicht aus.
Dr. J. C. Pollock beschreibt in seinem vor einigen Monaten erschienenen Buch The
Christians from Siberia" (Hodder and Stoughton Ltd., London E. C. 4, 1964; für D
eutschland: Friedrich Bahn Verlag, Konstanz, 1966) die Entwicklung der atheistis
chen Propaganda im heutigen Rußland. Um diese Propaganda zu intensivieren, gab 1
964 die kommunistische Partei die Gründung verschiedener Universitätslehrstühle
für wissenschaftlichen Atheismus" bekannt (S. 129). Nun, wenn der Staat der ehrli
chen Überzeugung ist, daß Atheismus die Wahrheit und wissenschaftlich zu begründ
en ist, darf man gegen die Gründung dieser Universitätslehrstühle nichts einwend
en. Aber ein Zweck dieser Neugründungen ist folgender: Wir wollen nicht, daß unse
re Jungen und Mädchen bezüglich religiöser Fragen bloß unwissend erzogen werden.
Wir wollen, daß sie überzeugte, kämpferische Atheisten werden." (S. 129.) Die K
ommunisten halten alle Religion für falsch, für Opium für das Volk". Religion ist
schädlich für das Volk, sie macht die Leute zu moralischen Krüppeln". (Diesen Au
sdruck finden wir oft.) Die Neugründungen der Lehrstühle in den Universi¬täten s
ollen also propagandistischen Zwecken dienen, um das Übel der Religion aller Arten
zu entfernen.
Dieser aktive Kampf gegen alle Religion wird streng durchgeführt, und der Schaup
latz ist natürlich vor allen Dingen die Schule. Die kommunistische Auffassung is
t, daß kein Junge und kein Mädchen normal" oder voll entwickelt" sein kann, wenn R
eligion ihr Leben bedingt. Sie müssen moralische Krüppel" sein, wenn sie sich auf
die Spuren der toten Vergangenheit" (d. h. Religion irgendwelcher Art) verlassen
: Es ist die Pflicht der Schule, so zu kämpfen, daß die Kinder religiöser Eltern
keine moralischen Krüppel, sondern tätige Erbauer des Kommunismus und voll ent¬w
ickelte Menschen werden" (S. 130). Der Kommunist betrachtet Kinder, die gläubig
erzogen sind, als Heuchler mit zwei Gesich¬tern" (S. 130). Da Kinder aus gläubige
n Häusern Gefahr laufen, moralische Krüppel" zu werden, muß sich die Partei noch
mehr Mühe geben, den neuen kommunistischen Menschen" zu erziehen, der selbstsicher
, hochmütig ist, der Bescheidenheit und Demut verabscheut, der kopfhoch als Meis
ter seines eigenen Schicksals durchs Leben marschiert. Die Brüder und Schwestern
in Christus verbiegen und zerstören selbst den Charakter eines Menschen, stehle
n einem Mann alles, was er hat, führen ihn irre, so daß er seinem Traum des Glüc
ks nach dem Tode nachjagt und seinen Stolz und Vertrauen zu seinen eigenen Kräft
en verliert" (S. 131). Es liest sich fast wie Mein Kampf" von Adolf Hitler. Die P
hilosophie ist ja die gleiche und die wissenschaftliche" Basis die des Darwinismu
s, die Philosophie des Kampfes, der zur Emporentwicklung notwendig ist und der d
eshalb an sich und in sich tugendsam" sein muß.
Wenn ein christliches Ehepaar dieser Propaganda Widerstand leistet und die eigen
en Kinder dazu erzieht, den Schöpfer über alles zu lieben, verlieren sie heutzut
age immer häufiger ihr Elternrecht. Die Kinder werden von den Eltern entfernt un
d in Internate beson¬derer Art verschickt, wo sie fern von den Eltern und dem El
ternhaus nach atheistischen, d. h. für den Kommunisten nach Darwinschen Prinzipi
en, erzogen werden.
Dr. Pollock zitiert folgendes Beispiel, das diese Tendenz beleuchtet, und zeigt,
daß das Volk oft nicht mitgehen will. Wie in allen Diktaturen setzt sich aber d
ie politische Minorität rücksichtslos durch: Ein Junge, namens Sasha Turkin, sie
bzehn Jahre alt und gläubig, wollte Mitglied des Bundes junger Kommunisten werde
n. Sein Antrag wurde vor den Komsomolzen seiner Klasse vorgelesen, die die Macht
haben, den Antrag abzuweisen. Alles ging gut, und man bereitete sich zur Abstim
mung vor, als Vitaly Bonzhenko aufstand und die Frage stellte: Glaubst du an Gott
?" Die ganze Klasse hielt den Atem an, denn Sasha war als überzeugter Christ bek
annt und auch sehr beliebt. Außerdem war er fähig und intelligent. Alle hatten i
hn gern, aber diese Frage könnte ihm die Mitgliedschaft kosten, was seine Chance
n weiteren Studiums beeinträchtigen würde. Ja", sagte Sasha ruhig, ich glaube an G
ott." War das nun möglich: Sasha, der an der Tafel gestanden und die Darwinsche
Theorie erklärt hatte, glaubte an Gott? Einige Mitglieder der Klasse retteten pl
ötzlich die Situation, indem sie ausriefen, daß alles ein Witz sei. Ohne ein wei
teres Wort zu verlieren, wurde Sasha Turkin einstimmig gewählt. Die Zeitung Koms
omolskaja Prawda erstattete über obige Begebenheit Bericht und war sehr betrübt
darüber, daß der Bund junger Kommunisten in Sasha seinen ideologischen Feind nic
ht erkannt hatte (S.137-138).
Als Sasha seine Mitgliedskarte entgegennahm, bekannte er sich noch einmal eindeu
tig zu seinem Glauben. Die Zeitung war regel¬recht schockiert und kritisierte Sc
hule, Klasse und Rathaus, die alle direkt oder indirekt diesen schrecklichen Zus
tand gebilligt hatten.
In den Universitäten geht es aber oft härter zu. Im Jahre 1963 wurde eine Studen
tin des Ingenieurinstituts und des Ökonomischen Instituts in Moskau entlassen, n
ur weil sie gläubig war.
Die Kommunisten betonen immer wieder, bis man es kaum noch hören kann, daß Darwi
nismus die wissenschaftliche Basis des Kom¬munismus sei. Das Leben entstand nach
Darwinschen Gesetzen spontan aus totem Stoff. Gott war nicht die Ursache des Le
bens, sondern der Zufall war allein die Ursache. Nur die Priester postulieren Go
tt, damit sie ein Schmarotzerleben führen können, damit sie dem dummen Volk Angs
t machen können, das ihnen dann Geld gibt. Nicht nur Leben und Weltall sind aber
Produkte toter Einflüsse, die nach den Prinzipien des Darwinismus funktionieren
, selbst die Geschichte, auch die politische Geschichte unserer Erde, ist das Pr
odukt toter Gesetze. Gott ist total und absolut ausgeschlossen, Atheismus ist di
e einzige Wahrheit. Alles andere verbiegt den Charakter, ruiniert die Menschen u
nd ist ein Feind des kommunistischen Systems, der zugunsten des kommunistischen
Paradieses ausradiert" werden muß. Wer nicht an Zufall, Selektion, Mutation und K
ampf als Erklärung für alles glaubt, der ist ein Feind, der für die Liquidierung
reif ist.
Also auch die Darwinisten roter Färbung glauben wie ihre westlichen Vettern, daß
tote Materie im Grunde genommen schöpfe¬risch ist, daß sie imstande ist, im ges
chlossenen System Entropie zu senken, was in Wirklichkeit heißt, daß tote Materi
e göttliche, schöpferische Eigenschaften besitzt.
Warum entwickelt sich die kommunistische Doktrin nicht diesen Fortschritten gemä
ß? Warum verharrt der Kommunismus und auch westliche Biologie doktrinmäßig in mi
ttelalterlichen Vorstellungen, die mit heutigen Erkenntnissen gar nicht zu verei
nbaren sind? Sie sind durch ihre veraltete Naturwissenschaft dazu gezwungen word
en, an eine schöpferische" Materie zu glauben, eine Naturwissenschaft, die der nü
chternen Wirklichkeit nicht mehr entspricht. Und ihre westlichen Brüder sind nat
ürlich in der glei¬chen Lage. Materie ist in beiden Lagern zum Schöpfer geworden
. So haben die Kommunisten, wie alle Darwinisten, auch ihren Gott, der sich vom
Gott der Christen darin unterscheidet, daß er pantheistisch ist. Gott ist die Ma
terie, die Welt, der Kosmos - es ist ganz gleich, wie wir es ausdrücken wollen,
wenn wir den Kern der Lehre verstehen. Die Kommunisten sind also in Wirklichkeit
religiöse Leute, nur haben sie einen anderen Gott als wir. Und weil sie religiö
s sind, besitzen sie einen Missionseifer, der den christlichen oft beschämt.
Wir wollen also den einen Punkt festhalten: Die kommunistische Lehre der Entwick
lung des Kosmos, des Lebens und der Ge¬schichte ohne Gott ist genauso unbegründe
t - wissenschaftlich gesehen - wie der Darwinismus selber. Weil aber die Doktrin
bei den Kommunisten verfassungsmäßig festgelegt ist, kann sie nicht geändert we
rden. Mit wachsender wissenschaftlicher Erkenntnis darf sich beim Kommunismus ni
chts ändern. Lenin, Marx und die anderen haben alles vor Jahren festgelegt. Da m
uß nun auch alles so bleiben, sonst fällt man unter das Urteil der Reaktion. Aus
die¬sem Grund muß der Kommunismus immer fanatischer werden, sonst wird er sich
nicht durchsetzen können. Liberalisierende Einflüsse kann er nicht vertragen, so
nst wird das Ganze aufgedeckt, die ganze Unwahrheit kommt an den Tag.
Wir sind jetzt in der Lage, bezüglich der Auswirkungen Darwinscher Lehre einen S
chluß zu ziehen. Alle Bewegungen und Na¬tionen, die den Darwinismus offiziell un
d praktisch ausgewertet haben, sind Professor Dr. Sedgwicks vorausgesagten Auswi
rkungen nicht entgangen: Die Verrohung der Lehre des Kampfes um des Kampfes will
en hat ihre Wirkungen nicht verfehlt. Man betrachte Mussolinis Faschismus, Hitle
rs Nationalsozialismus oder Stalins oder Maos Kommunismus: Sie alle lehnen die h
öheren Eigenschaften wie Demut, Enthaltsamkeit, Geduld, Sanftmut, objektive Wahr
heit (im Gegensatz zu tendenziöser Propaganda) zugunsten des nackten Kampfes ab.
Sie ziehen den Kampf um des Kampfes willen vor, um der natürlichen Auslese nach
zuhelfen. Die Parole ist, daß Schöpfung nach oben dort stattfindet, wo Kampf das
Minderwertige niedermetzelt. Hitlers letzte öffentliche Äußerung vor Kriegsende
(1945) faßte alles zusammen, als er den Befehl gab, alle Lebensmittellager, all
e lebenswichtigen Werke (wie Wasserwerke, Kanalisation, Brücken usw.) restlos zu
vernichten. Die Deutschen hätten im harten Existenzkampf versagt, hinfort seien
sie des Lebens und der Existenz also unwürdig, man solle sie deshalb allesamt au
sradieren". Ob Greise und Kinder, Mütter und Kranke elend verenden, spielt keine
Rolle in diesem Denksystem. Das Volk habe im Kampf versagt, deshalb habe es kei
ne Existenzberechtigung mehr. Deshalb sollten alle Lebensmittelvorräte sofort ve
rnich¬tet werden, die Wasserversorgung sollte sofort unterbunden werden, alles s
ei dem Tode geweiht. Der Nihilismus und die Verrohung waren vollkommen.
Bei den Nationalsozialisten und bei den Kommunisten sehen wir die Folgen des Dar
winismus in einem etwas drastischen Licht. Aber sie bleiben auch in unserer west
lichen Welt nicht aus, auch wenn die Symptome der gleichen Krankheit etwas milde
r ver¬laufen. In den Schulen wird der Darwinismus gelehrt, wonach der Mensch ein
intelligentes Tier ist, das sich im Daseinskampf empor¬gearbeitet habe. Man leh
rt das Evangelium des Kampfes, damit die Rasse - und der einzelne - vorwärts kom
me. Man kann es also verstehen, wenn die Schüler die Konsequenzen ziehen und sog
ar der Behörde den Kampf ansagen. Die jungen Men¬schen sind auch Tiere , die Geschl
echtstriebe besitzen. Die Tiere unterdrücken diese Triebe nicht und sind dabei gl
ücklich". Gut, machen wir es auch so! Durch Verhütungsmittel verhütet man die Fo
lgen des geschlechtlichen Verkehrs. Was hindert uns, daß wir uns ausleben" und g
eschlechtlichen Verkehr mit jedem haben, der uns gefällt? Triebe sind natürliche
Instinkte, die der Erhaltung der Rasse dienen; laßt sie also ihren Zweck erfüll
en!
Dagegen lehrt die Bibel, daß der Geist Gottes in uns ein Geist der Enthaltsamkei
t ist (Gal. 5, 16.24). Enthaltsamkeit veredelt den Charakter. Aber heutzutage sp
richt man lieber nicht darüber. Die Musik ist ausschweifend, die Kunst surrealis
tisch oder pornographisch, die Literatur besteht aus brutalen Kriminalromanen un
d Kämpfen im Raum und auf den Planeten. Was schön ist, was wohllautet, was sanft
und edel ist, findet heute wenig Anklang. Eher hört man sich Musik an, die Laut
e wie die einer explodierenden Dampflokomotive produziert. Und die Spieler in so
lchen Orchestern gleichen sehr den Spielern von Dschungelmusik im Herzen Afrikas
, ehe der weiße Missionar kam. Ihre Bewegungen sind wild, ihre Instrumente geben
eher Rhythmus und Schwung als Musik von sich. Und wenn die Beatles" erscheinen u
nd gestikulieren, schreien die jungen Mädchen und fallen ohnmächtig zu Boden. Di
e Verrohung und Brutalisierung bleiben nicht aus, auch wenn die Temperatur ander
s ist und die Symptome milder sind als die, die wir beim Kommunismus und Nationa
lsozialismus feststellten.
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die schmale, aber immerhin vorhanden
e interne Diskussion (z.B. Zillich-Limmer 1997, Winiarski 1997, Weerth 1992), un
d auf kritische Eindrücke von außen (zum Bremerich-Vos 1997, Beispiel Stiftung W
arentest 1997, Saum-Aldehoff 1997, Geyer 1996, Federspiel/Lackinger-Karger 1996,
Möller 1995, Der Spiegel 1993, Trenkler 1989). Man muß darüber hinaus anerkenne
n, daß selbst Insider der NLP-Szene das Problem verbreiteter Quacksalberei im Bl
ick haben (zum Beispiel Henes-Karnahl 1999). Angemerkt werden muß allerdings auc
h, daß die unkritischen Darstellungen in der internen Literatur des NLP, in der
Tagespresse usw. weit überwiegen und inzwischen unüberschaubar geworden sind. Da
her wird auf eine Auflistung verzichtet. Deutschsprachige Lehrbücher finden sich
v.a. im Programm des Junfermann-Verlags Paderborn, daneben ist z.B. hinzuweisen
auf Birker/Birker (1997), Grinder (1995), Köster (1995).
Nach den Angaben von Bandler und Grinder (1984) entstand das NLP, indem die Auto
ren erfolgreiche Therapeuten verschiedener Schulen beobachteten und ihre Interv
entionen analysierten, nämlich Fritz Perls (Gestalttherapie), Virginia Satir (Fa
milientherapie) und Milton H. Erickson (Hypnosetherapie). Daraus ergab sich das
NLP in einem jahrelangen Forschungsprozeß, der von Walker (1998) nacherzählt wir
d, als eine Meta-Methodik der Psychotherapie. Diese Ursprungslegende ist jedoch ni
cht recht plausibel, da der Prozeß der Analyse therapeutischer Interaktionen, de
r angeblich induktiv zu ihren Ergebnissen führte, von Bandler und Grinder nirge
nds dokumentiert wurde. Wahrscheinlich war es eher so, daß Bandler und Grinder,
inspiriert von den in der Tat eindrucksvollen Arbeiten von Satir und Erickson[2]
, ihre eigene Interpretation therapeutischer Prozesse auf linguistischer und bew
ußtseinspsychologischer Grundlage entwickelten, sie in sprachlich einprägsame Fo
rm brachten und dafür Beispiele bei den ihnen bekannten Therapeuten heranzogen.
Mir selbst sind die Arbeiten von Milton H. Ericksonaus eigener Beschäftigung mit
Theorie und Praxis bekannt. Die Behauptung, die NLP-Gründer hätten Ericksons th
erapeutische Sprachstrategien bis ins kleinste Detail entschlüsselt (Winiarski 199
7 S. 8) ist schlicht abwegig. Wesentliche Elemente Ericksonscher Interventionen,
zum Beispiel die Verwendung von Paradoxien, kommen im NLP nicht mehr vor.
Die Vermutung einer Legendenbildung liegt auch deshalb nahe, weil das Werk Bandl
ers und Grinders von Behauptungen wimmelt, man habe angeblich empirische Sachver
halte (zum Beispiel neurophysiologische) festgestellt, für die es in Wirklichkei
t keine empirische Grundlage gibt (s.u.). Ohne Begründung - die viel zu weit füh
ren würde - muß deshalb hier festgestellt werden, daß die neurophysiologischen V
orstellungen des NLP falsch sind. Der kognitive Verarbeitungsweg von Sinneserfah
rungen, der schließlich durch unzählige assoziative Verknüpfungen zu einer inner
en Repräsentation der Welt führt, ist viel komplizierter, als das NLP annimmt.
Der Zusammenhang zwischen dieser komplexen Hierarchie assoziativer Verknüpfungen
und sprachlichen Äußerungen ist ebenfalls viel komplizierter, als es die NLP-Th
eorie will, die vom NLP benutzten Analyseverfahren sind deshalb neurophysiologis
ch und psychologisch mehr als unzulänglich. Eine genauere Widerlegung findet sic
h bei Bremerich-Vos (1997). Zum Beispiel gibt es für die angebliche Bedeutung vo
n Augenbewegungen keinen empirischen Beweis, sie wird einfach behauptet und funk
tioniert in der Praxis vermutlich mehr oder weniger, weil alle Beteiligten davon
überzeugt sind. Winiarski könnte recht haben wenn er schreibt: Es stellt sich di
e Frage, ob die Lerneffekte nicht allein schon durch die genaue Beobachtung und
Zergliederung des Erlebens in Teilbereiche (visuell, auditiv, emotional) zustand
e kommen. Denn durch das Unterteilen in einzelne Elemente gewinnt der Klient an
Übersicht und Distanz... (a.a.O. S. 37).
Man muß nüchtern feststellen, daß das NLP nicht wegen, sondern trotz seiner fals
chen neurobiologischen Grundlagen effektiv sein kann. Dem Schluß von Weerth (199
2) ist auch heute noch nichts hinzuzufügen:
1. Die NLP-Theorie ist lückenhaft und z.T. wissenschaftlich nicht haltbar...
2. Die NLP-Techniken sind zum großen Teil anderen Therapie-Methoden entnommen un
d in der angewendeten Form anfechtbar, die behauptete durchgreifende Wirkung ist
nicht genügend belegt...
3. Das NLP-Modell weist Widersprüche auf und beinhaltet Gefahren...
Exkurs:
Die Sprachanalyse, die beim NLP verwendet wird, um defizitäre kognitive Repräsen
tationssysteme ( Innenwelten ) zu erkennen, beruft sich (in sehr freier Form) auf di
e linguistische Transformationsgrammatik nach Noam Chomsky. Diese Grammatik anal
ysiert eine Aussage danach, was auf ein bestimmtes Sprachelement im Rahmen einer
gegebenen Sprachkonvention folgen könnte und definiert damit einen syntaktische
n und semantischen Raum, der für einen bestimmten Sprachprozeß zur Verfügung ste
ht. Diesem Möglichkeitsraum gegenüber sind alle tatsächlichen Aussagen transform
iert, schon deswegen, weil sich viele Möglichkeiten gegenseitig ausschließen. Di
e Transformation kann laut Bandler und Grinder legitim sein, dann geht kein Wirkli
chkeitszugang verloren, oder sie kann nicht legitim sein. Tilgung, Verzerrung un
d Generalisierung sind danach die drei Zerrspiegel , durch die ein Wirklichkeitsver
lust der inneren Repräsentation von Erfahrung eintritt, weil nämlich die assozia
tiven Verbindungen des Gehirns entsprechend der Ausdrucksweise festgelegt sind.
Damit deuten Bandler und Grinder die rein theoretische Konstruktion der Sprachst
ruktur, die Chomsky vornimmt, als neuronale Realität - und begehen dabei vermutl
ich ihren entscheidenden Irrtum. Zum Beispiel führt der im NLP übliche Begriff th
erapeutisch fehlgeformte Sätze in die Irre, denn die These, daß die mentale Struk
tur von Wahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken eines Menschen tatsächlich ebenso r
eduziert sei wie die sprachlichen Äußerungen, ist äußerst unplausibel. Auch die
logische Folgerung, man könne durch sprachliche Veränderungen in Richtung therape
utisch wohlgeformter Sätze neurale Veränderungen im Gehirn bewirken, ist falsch.
Eine ausführliche Kritik dieser Vorstellungen findet sich bei Bremerich-Vos (199
7).
Die tiefenpsychologische These, daß reduzierte Aussagen unter dem Einfluß von emot
ionalen (motivationalen) Strukturen auf das Sprachverhalten zustande kommen, ist
viel plausibler als die NLP-Theorie und ebenso oder besser zur Analyse der Spra
chverhaltens in Beratung, Therapie und Pädagogik geeignet. Ebenso plausibel ist
z.B. das kommunikationstheoretische Modell, nach dem das Sprachverhalten, will m
an die Botschaft auf allen Ebenen ihres Codes erfassen, nicht nur syntaktisch und se
mantisch zu analysieren ist, sondern im Kontext der Situation, der nonverbalen S
ignale usw. Geschieht dies, erweist sich eine semantisch unvollständige Botschaf
t als emotional und sozial schlüssig und vollständig. Ein Beispiel:
Man ist immer gegen mich.
Die typische NLP-Betrachtungsweise solcher Aussagen als Unsinn (Bandler) führt zu
Rückfragen, durch die (in diesem Fall) Generalisierungen und Tilgungen revidiert
werden sollen:
Wer ist man...? Wann und wo genau war jemand gegen Sie? Warum gegen Sie und nicht
gegen andere? usw.
Solche Rückmeldungen können durchaus sinnvoll sein, um unausgesprochene Ängste,
Aspekte des Selbstbildes, verzerrte Situationswahrnehmungen usw. der Reflexion z
ugänglich zu machen. Andere Schulen würden evt. zu ähnlichen Interventionen komm
en. Nahezu jede gängige Beratungsausbildung würde Rückfragen nahelegen wie
Das sollten Sie mir näher erklären. Können Sie ein Beispiel geben?
Damit wäre ebenso oder besser möglich, die Beschäftigung mit dem Problem anzureg
en und die Wahrnehmung weiterzuführen.
Ebenso sinnvoll könnte es aber sein, nicht auf die semantische, sondern auf die
nonverbale Botschaft zu reagieren.
Das klingt sehr resigniert. Fühlen Sie sich wirklich so?
Diese Möglichkeit eröffnet NLP wegen seines eingeengten Menschenbilds mindestens
von der Theorie her kaum. Von daher ist verständlich, daß den NLP-Anwendern emo
tionale Unterströmungen der Beziehung leicht entgehen, und sie ihre eigene Emoti
onalität zu wenig im Blick und unter Kontrolle haben.
Die Theorie des NLP enthält neben sprachanalytischen weitere kognitionspsycholog
ische Feststellungen. Dabei verfolgt sie einen individualpsychologischen Ansatz,
so daß Unterschiede zwischen Individuen theoretisch nicht reflektiert werden, m
it Ausnahme der angeblich unterschiedlichen sensorischen Repräsentationssysteme.
(Für den schon erwähnten Öko-Check und für die win-win-Strategie gibt es m.W. k
eine theoretische Grundlage.) Die Rückführung aller Probleme auf persönliche, ko
gnitive Defizite führt zu einem vollständigen Verzicht auf psychologische Diagno
stik und auf alle sozialpsychologischen Ansätze. Es versteht sich von selbst, da
ß es sich dabei um eine wissenschaftliche Engführung mit der Auswirkung handelt,
daß menschliches Fühlen, Denken und Verhalten nur soweit erfaßt wird, als es me
hr oder weniger allgemeingültigen Regeln der kognitiven Informationsverarbeitung
folgt. Dabei handelt es sich in der Tat um einige Grundeigenschaften menschlich
en Denkens und Wahrnehmens, die das NLP für seine Interventionen nutzt. Es ist e
in Verdienst dieser Methode -aber auch anderer, z.B. der Kurztherapie - demonstr
iert zu haben, wieviel selbst auf dieser Basis bereits praktisch erreicht werden
kann (zu den Gründen s.u.). Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Problem-
und Konfliktlagen, in denen ohne Kenntnisse der Psychopathologie, ohne Persönlic
hkeitsdiagnostik oder ohne eine Analyse von Beziehungssystemen nicht auszukommen
ist.
Zum Beispiel können paranoide Wahrnehmungsstrukturen (einfache Paranoia), obwohl
sie sich zum Teil reichhaltig verbal äußern, durch sprachliche Interventionen i
n aller Regel nicht beeinflußt werden. Jede Intervention wird so verzerrt , daß sie
das paranoide System stützt. Nach derzeitigem Wissen helfen, wenn überhaupt, be
i solchem Personen nur veränderte Lebensumstände weiter. Da paranoid strukturier
te Beratungsersuchen z.B. in der Weltanschauungsarbeit ziemlich oft auftauchen,
wäre eine alleinige NLP-Ausbildung für Weltanschauungsbeauftragte unangebracht.
Ein anderes Beispiel: Bei einfachen chronifizierten Phobien (Hundephobie oder äh
nliches) und bei Agoraphobien - auch milder Ausprägung - sind sämtliche verbalen
Einwirkungen nutzlos, aus welcher Schule auch immer sie kommen. Nach derzeitige
m Kenntnisstand helfen nur verhaltenstherapeutische Interventionen über eine län
gere Zeit, in einfachen Fällen auch pädagogische Maßnahmen. Agoraphobien und and
ere Angstsymptome sind aber in der Bevölkerung keineswegs selten und können in B
eratung und Seelsorge jederzeit vorkommen. Dieser Punkt ist besonders brisant, w
eil Bandler in den achtziger Jahren behauptete, mit einer sogenannten Phobie-Tec
hnik (nichts anderes als eine in der Verhaltenstherapie gängige Dissoziations- u
nd Desensibilisierungstechnik) Phobien in wenigen Minuten beseitigen zu können.
Dieser Anspruch ist erwiesenermaßen falsch (Krugmann 1985).
Bei depressiven Verstimmungen (auch reaktiver Herkunft) kann es ein gravierender
Fehler sein, mit verbalen Interventionen vom NLP-Typ zu arbeiten. Es gibt zwar
ein Konzept kognitver Therapie für Depressionen (Beck 1981), das aber weit weg v
on der NLP-Methode liegt und großenteils auf Langzeitwirkungen setzt. Eine gewis
se Kenntnis der verschiedenen Formen und Verläufe depressiver Verstimmungen gehö
rt jedoch zu einer kirchlichen Seelsorgeausbildung unbedingt dazu. Das ist berei
ts für den Umgang mit Trauerfällen in der Gemeinde erforderlich. NLP kann hier (
wieder im Gegensatz zu zahlreichen unfundierten Behauptungen) nur wenig weiterhe
lfen.
Soweit einige auf der Hand liegenden Beispiele für Kontraindikationen.
Da das NLP meist von Personen benutzt wird, die sonst wenig oder keine human- un
d verhaltenswissenschaftlichen Kenntnisse besitzen, besteht die Gefahr der Selbs
t- und Methodenüberschätzung. Bei vielen positiven Stimmen zu NLP stellt man die
motivierende Wirkung eigener Aha-Erlebnisse bei den Autoren fest. Sie haben die
anregende und kompetenzsteigernde Wirkung erlebt, die davon ausgeht, wenn man s
ein Erleben und Verhalten auf einer kognitiven Meta-Ebene reflektiert. Was diese
Autoren in der Regel nicht wissen ist, daß fast jede beliebige Theorie diese Ah
a-Effekte hervorruft, von der Transaktionsanalyse über die Individualpsychologie
bis hin zum Enneagramm. Daher findet man nahezu identische persönliche Erfolgsg
eschichten unter den Verfechtern sämtlicher Schulen (s.u.). Man findet aber eben
so eine typische Unkenntnis aller sonstiger Schulen, die zu einer Überschätzung
von NLP aufgrund der eigenen positiven Erfahrungen führt. Das gilt für Zillich-L
immer (1997) ebenso wie für einen Satz, der sich in einer kirchlichen Beschlußvo
rlage findet: NLP ist also Grundlagenforschung in der Anthropologie mit sehr weit
reichenden praktischen Möglichkeiten. In Wirklichkeit verfügt das NLP weder über
die empirische Basis noch die theoretische Qualität, die von einer Theorie der G
rundlagenforschung gefordert wird. Seine Stärke liegt allein in der Praxis, und
seine Interventionen funktionieren - wenn sie funktionieren - zum Teil aus ander
en Gründen, als die Theorie angibt (s. dazu auch Winiarski 1997). Gegen therapeu
tische Machbarkeits- und Größenideen ist das NLP gerade seiner theoretischen Sch
wäche wegen nur unzureichend abgesichert, wie Bremerich-Vos (1997) mit Recht fes
tstellt. Da es sich um eine ausgesprochen direktive Methode handelt, bewirken di
e Größen- und Machbarkeitsideen der NLP-Praktiker Gefahren für die Klienten.
2.2 Ideologie und Anthropologie beim NLP
Die Ideologiehaltigkeit des NLP wird von Befürwortern heftig bestritten, man bev
orzugt das Bild eines neutralen Werkzeugs [3], das den Klienten vermittelt werde. A
ber jedem unbefangenen Betrachter - und sogar internen Kritikern (Ulsamer 1994)
- fallen Ideologie-Elemente auf Anhieb mindestens auf zwei Ebenen auf:
Zum einen wird NLP mit inflationärer Tendenz für sämtliche Probleme und Wünsche
des menschlichen Lebens empfohlen, so daß der Eindruck eines Allheilmittels ents
teht und der Schritt zur Weltrettungsideologie teilweise nicht mehr weit erschei
nt. Allerdings handelt es sich um eine individualistische Glücks- und Rettungsvo
rstellung, das NLP ist apolitisch. Selbst bei kirchlichen Befürwortern, die sich
gegen solche säkularreligiöse Tendenzen wehren und den Werkzeugcharakter von NL
P besonders betonen, stößt man auf die Unfähigkeit, praktische Grenzen des NLP z
u benennen. Es scheint kein Problem zu geben, für das eine andere Methode besser
geeignet wäre - man kann als fachkundiger Leser teilweise kaum der Versuchung w
iderstehen, die Autoren zu fragen, bei welcher Art Problem man statt mit dem NLP
besser mit einem tiefenpsychologischen Ansatz, mit einem klassisch seelsorgerli
chen Ansatz, mit einer Persönlichkeitsdiagnostik usw. operieren sollte? Man erhä
lt den Eindruck, daß solche Überlegungen nicht angestellt werden. Selbst diejeni
gen NLP-Anwender, die NLP nicht immer für indiziert halten, geben keine Richtlin
ien vor, aus denen man entnehmen könnte, wann das NLP angebracht wäre und wann e
twas anderes. Dieser Tendenz zum Allheilmittel entspricht ein optimistisches Men
schenbild, nach dem der Mensch an sich immer als gut und kompetent betrachtet wi
rd, auch wenn seine Ergebnisse derzeit nicht gut sein sollten.
Kürzlich betonte Richard Bandler: Das Stärkste am NLP ist eine geistige Haltung,
die sagt, daß alles besser werden kann. (Amsler 1999) Tatsächlich? Bisher klang e
s so, als sei das Stärkste am NLP seine Effizienz und technikförmige Verläßlichkei
t. In Wirklichkeit spielen sogenannte starke Glaubenssätze eine wichtige Rolle i
n den direktiven Interventionen des NLP:
Jedes Verhalten hat eine positive Absicht.
Jeder hat alle Fähigkeiten, die er braucht, in sich.
Solche positiven beliefs , die durch das NLP vermittelt werden, sind sicherlich ein
seitig, wenn auch wohl christlich noch irgendwie einholbar. Die Vorstellung, daß
es für jeden menschlichen Konflikt eine win-win-Situation geben könne, ist dage
gen offenkundig falsch. Von daher muß eine realistische Anthropologie für die ki
rchliche Praxis auf jeden Fall über das hinausgehen, was durch die meisten NLP-A
nwender vermittelt wird.
Das gilt noch mehr für die besonders in der Werbung für das NLP vorherrschende,
mehr oder weniger schrille Glücks- und Erfolgsideologie.
Wir alle glauben etwas. Was wir glauben, beeinflußt unseren Erlebnis- und Handlun
gsspielraum. Erleben Sie, welche Horizonte sich öffnen, wenn Sie einschränkende
Glaubenssätze über sich selbst ablegen , hieß es schon vor Jahren in der Werbung f
ür einen NLP - Kompaktkurs. Und wie sehen die nicht einschränkenden Glaubenssätze
beispielsweise aus?
In der Werbung heißt es weiter: Der höchste Glückswert aus Ihrer Quelle soll Ihne
n zur Verfügung stehen, wann immer sie ihn brauchen. Lernen Sie diesen Zustand a
brufen, damit Sie ihn auch bei einem Geschäftstermin oder in der überfüllten U-B
ahn aufrechterhalten können.
Die praktische Schlußfolgerung, daß Glück eine Frage der richtigen Psychotechnik
sei, läßt sich für NLP-unerfahrene Leser kaum vermeiden. Erst später erfährt ma
n vielleicht, daß ein simpler und wissenschaftlich fragwürdiger Psychotrick wie
das Anchoring gemeint war, und daß hier Glück selbst im besten Fall nur gute Laun
e bedeutet. Die Wirkung der Bilder von Glück und Erfolg hängt jedoch in einer Atm
osphäre therapeutischer Generalisierung (s. 3.2) kaum von praktischen Erfahrunge
n ab, sie werden nicht nüchtern überprüft, man glaubt an sie. Viele NLP- Autoren
entwerfen ein zeitgemäßes Bild vom guten Leben und von den Werten, an denen man s
ich orientieren sollte, weil sie selbst an diese Werte glauben und weil sie wiss
en, daß es sich um werbewirksame Entwürfe handelt. Diese Ideologie wird nicht nu
r werbend eingesetzt, sondern auch praktisch übermittelt, wie Erfahrungsberichte
belegen (Möller 1995). Wer das besonders hemmungslos tut, wie der Superstar der
Management-Trainings in den USA, Anthony Robbins, hat besonders viel Erfolg - r
uft aber auch Unbehagen in den eigenen Reihen hervor (Walker 1998).
Nun kann man eine Figur wie Anthony Robbins nicht dem NLP insgesamt anlasten. Tr
otzdem kommt es in der Praxis zur Konkurrenz zwischen einer christlichen Lebenso
rientierung und anderen Lebensorientierungen, wie sie im NLP-Umfeld überwiegende
Geltung besitzen.
Ein Beispiel aus einem Erfahrungsbericht:
Eines Tages kündigte unser Trainer eine Übung zum Thema einschränkende Glaubenssät
ze mit etwa den folgenden Worten an:
Und nun folgt eine Technik zu Problemen der Art, daß man ein langgehegtes Ziel ni
cht umsetzen kann, da man einfach nicht daran glauben kann. Beispiel: man möchte
langfristig weniger arbeiten und gleichzeitig mehr Geld verdienen, hat aber die
ses Ziel noch nie in Angriff genommen, weil man glaubt, das sei unmoralisch...we
r hat ein ähnlich gelagertes Problem zur Hand? Bitte zur Demonstration hervortre
ten!
Dieses Beispiel aus einer NLP-Ausbildung (Möller 1995 S. 17) macht deutlich, wie
unmöglich es ist, das NLP als Methode ohne Ideen- und Wertetransfer zu vermitte
ln. Die Tatsache, daß Lebensorientierungen meist nicht als ausformuliertes Glaub
enssystem auftreten, sondern als praktische Entwürfe für den Alltag, ändert dara
n nichts, im Gegenteil. In einer individualistischen und erlebnisorientierten Ge
sellschaft wirken praktische Beispiele, charismatische Präsentationen und persön
liche Lebensentwürfe stärker als intellektuelle Systeme. Dieser Sachverhalt läßt
sich in der Weltanschauungsarbeit laufend beobachten. Eine Fortbildung im NLP k
ann zu konversionsählichen Lebensveränderungen führen, den Zerbruch der bisherig
en Beziehungen und radikale Lebenswenden bewirken. Der penetrante Erfolgsoptimis
mus mancher NLP-Anbieter ist im kirchlichen Umfeld nicht automatisch wirkungslos
oder immer leicht von der Methode subtrahierbar, sondern er hat seine Wirkung -
allerdings von Fall zu Fall und je nach Persönlichkeit und Situation der Klient
en.
2.3 Allgemeine Wirkfaktoren beim NLP und anderswo
Warum wirkt das NLP, wenn es wirkt? Die Antwort liegt, wie gesagt, einmal darin,
daß einige Interventionsmethoden (die fast alle aus anderen Schulen bekannt sin
d) lange erprobt und unstreitig wirksam sind. Doch darin liegt - höchstens die
halbe Antwort. In der Forschung ist seit längerem bekannt, daß viele Methoden au
fgrund allgemeiner Faktoren positive Effekte haben können, die von den schulmäßi
gen Ideenkonstruktionen und Handlungsanweisungen unabhängig sind.[4] Dazu zählen
Faktoren wie eine positive Beziehung zwischen Klienten und Helfern (Lang 1990,
Grawe 1995). Dazu zählt zum Beispiel ein Kureffekt . Das heißt die bloße Tatsache,
daß man auf einem Wochenendkurs in einer neuen Umgebung den alltäglichen Verpfli
chtungen entkommt, erleichtert Anpassungsprozesse. Der wichtigste allgemeine Fak
tor scheint jedoch die Anregung zu sein, sich mit den eigenen Problemen zielorie
ntiert und verantwortlich (werteorientiert) zu befaßen. Die Klienten sollen ihr
Problem als etwas betrachten, wofür sie Verantwortung tragen und woran sie etwas
verändern können. Die bloße Tatsache, daß man einen Begriffsrahmen (eine Metaeb
ene) erwirbt, um über sich selbst nachzudenken, hat schon eine tendenziell probl
emlösende Wirkung. Manchmal wird dafür der Begriff der Remoralisierung benutzt. An
leiter und Methoden, die diesen remoralisierenden Effekt erzeugen, haben Erfolge u
nd vermitteln Erfolgserlebnisse. Dafür wiederum spielt die Glaubwürdigkeit der M
ethode und der Anleiter eine entscheidende Rolle. Wer im Rahmen einer positiven
Beziehung Ideen und Handlungsanweisungen überzeugend zu vermitteln versteht, wir
d nützliche Lernprozesse und Verhaltensänderungen (coping) anregen. Der Realität
sgehalt der transferierten Ideen ist dabei kurzfristig unwesentlich - die Langze
itfolgen können aber sehr wohl davon bestimmt werden (s.u.). Diesen Sachverhalt
belegen z.B. Trainingsangebote aus dem Bereich des Positiven Denkens , die kaum kon
kretes Wissen oder Handlungsmuster vermitteln und trotzdem Erfolg haben können.
Daraus ergeben sich einige Schlußfolgerungen: Zum einen sagen gute Erfahrungen m
it einer Methode, persönliche Begeisterung und Erfolgsgeschichten nichts über dere
n theoretischen und praktischen Wert aus. All das gibt es - ebenso wie individue
lle Versagensgeschichten - in und mit allen Schulen, vom Kristallkugelsehen bis
zur orthodoxen Analyse. Nur kontrollierte Effektforschung ist zum Vergleich zwis
chen den Methoden dienlich. Zum anderen sind gerade aus der distanzierten Sicht
der Effektforschung religiöse (und ideologische) Glaubenssysteme selbst Quelle m
ächtiger aktivierender und remoralisierender Einwirkungen. Untersuchungen der Erfo
lge psychotherapeutischer Kliniken belegen, daß diejenigen, die Therapie in ein
religiöses System einbetten, bessere Erfolge haben als säkulare Einrichtungen (W
ittmann 1999). Das gilt für christliche Angebote ebenso wie für esoterische. All
erdings hängt dieser Effekt von der inneren Überzeugung der Klienten ab - wenn u
nterschiedliche Glaubenssysteme aufeinandertreffen, drohen negative Nebenfolgen.
Die effektorientierte Betrachtungsweise führt also zu dem Ergebnis, daß psychol
ogische Bildungsangebote und Hilfen in kirchlicher Trägerschaft, wenn immer mögl
ich, in einem theologischen und seelsorgerlichen Rahmen verbleiben sollten, der
die christliche Anthropologie zur Geltung bringt und auf die Gottesbeziehung von
Mensch und Welt verweist. Ein Outsourcing von Angeboten bei säkularen Anbietern m
acht diese weniger effektiv.
2.4 Negative Nebenwirkungen beim NLP
Warum nützen die jeweils einige Jahre bei den Aus- und Fortbildungswünschen führ
enden Methoden sich im Lauf eines Jahrzehnts ab und werden durch andere verdräng
t? Der Grund liegt einerseits im Wandel des Zeitgeists (s. 3.1), andererseits in
sich allmählich anhäufenden Negativerfahrungen und Frustrationen, die jede Meth
ode ebenso mit sich bringt, wie sie auf der anderen Seite von allgemeinen Wirkfa
ktoren (und ihren besonderen Stärken) profitiert. Denn jede Einwirkung ist mit u
nabsichtlichen, teils unerwünschten, Nebenwirkungen verbunden. Eine psychologisc
h-pädagogische Methode, die nur erwünschte Effekte hätte, gibt es nicht. Daher g
ehört zum Einsatz einer Methode in der kirchlichen Arbeit auch die nüchterne Übe
rlegung, was damit erreicht werden soll und was vermieden werden muß. Die Entsch
eidung, diese Methode, eine andere oder gar keine zu benutzen, fällt nur dann re
alistisch aus, wenn sie auf einer Abwägung von Vorzügen und Risiken beruht. Die
meisten Problemquellen des NLP wurden bereits benannt, hier eine Auflistung:
Die individualistische Engführung von Theorie und Methode läßt soziale Problemur
sachen wie systemische Aspekte, Gruppenvorgänge, gesellschaftliche Faktoren usw.
aus dem Blick geraten.
Die Vernachlässigung emotionaler/motivationaler Grund- und Tiefenstrukturen des
Menschen engt das Verstehen längerer biographischer Prozesse (z.B. der kindliche
n Entwicklung) ein und führt zu einer einseitigen Sprachwahrnehmung.
Da es keine psychologische Diagnostik, keine Persönlichkeitspsychologie usw. gib
t, geraten die zum Teil gravierenden Unterschiede zwischen Menschen aus dem Blic
k.
Irrtümer in Bezug auf Physiologie und Psychologie menschlichen Verhaltens bewirk
en Vermittlungsprobleme zur Fachwelt. Diese werden durch eine verbreitete Unfähi
gkeit zu selbstkritischer Fortentwicklung des NLP verstärkt (Gegenbeispiele Weer
th 1992, Winiarski 1997). Die kirchliche Bildung marginalisiert sich selbst, wen
n sie zu unkritisch oder einseitig auf das NLP setzt.
Das NLP hat wie jede andere Einwirkungsmethode nicht nur psychologische Effekte,
sondern führt zum Ideen- und Ideologietransfer: Deutungen für Probleme, Werte,
Lebensziele, Lebensentwürfe werden vermittelt. Sind die vermittelten Ideen mit d
enen der Klienten unverträglich, kommt es zu Konflikten. (Deckungsgleichheit der
Glaubenssysteme ist jedoch nicht nötig und nicht wünschenswert.) Die Gefahr kon
kurrierender Glaubenssysteme ist beim NLP im kirchlichen Kontext offenkundig geg
eben, hängt allerdings weitgehend von den vermittelnden Personen ab. Die Integra
tion von NLP-Orientierungen und eigenem Glauben von Fall zu Fall stillschweigend
den Klienten zu überlassen, ist jedenfalls kaum zu verantworten. Dafür muß von
Anbieter-Seite Sorge getragen werden.
Auch wenn Lebensorientierungen akzeptiert und integriert werden, können sie sich
(bei kurzfristig positiver Wirkung) langfristig als unrealistisch herausstellen
und zu einem Wirklichkeitsverlust beitragen. Dadurch wird ein Denken und Verhal
ten gefördert, das neue Probleme und Konflikte schafft. Diese Gefahren sind gege
ben, sobald die Glückszusagen der NLP-Ideologie einen zu hohen Stellenwert für d
ie Menschen erhalten: Unrealistische Glücks- und Erfolgshoffnungen werden verfol
gt, man überschätzt sich selbst, alte Beziehungen werden auf der Jagd nach dem n
euen, besseren Leben geopfert usw. Immer wieder beobachtet man nahezu klassische
Konversionsmuster, die zeigen, wie sehr die Ideen und Erfahrungen des NLP exist
entielle Hoffnungen an sich binden können. Auch ein beruflich und persönlich pro
blematischer Missionseifer kann dann auftreten.
3. Psycho-Boom und Fachwissenschaft in den Kirchen
Das modische Auf und Ab der Schulen hat weder mit ihrem wissenschaftlichen Wert
zu tun noch mit ihrem praktischen Erfolg. Die mit dem Aufkommen jeder Mode verbu
ndenen Erfolgsgeschichten kommen durch immer dieselben allgemeinen Wirkfaktoren
zustande (s.o.). Für fast alle gibt es bis heute keine wissenschaftliche Effektf
orschung, auch für das NLP nicht, so daß über den relativen Erfolg nur subjektiv
e Urteile möglich sind. Die Ideenkonstrukte der meisten Methoden halten einer wi
ssenschaftlichen Prüfung nur teilweise oder gar nicht stand, der Diskurs mit der
einschlägigen Forschung fehlt entweder oder findet (wie im Fall der Gestalt-Bew
egung) erst statt, wenn die Methode ihren Höhepunkt als Mode - Richtung bereits
hinter sich hat. Wissenschaftliche Irrtümer beeinflussen die Nachfrage ebensowen
ig wie fehlende Wirkungsnachweise. Diese hängt so gut wie ausschließlich von der
Plausibilität der Methode für ihre Zielgruppe ab. Und diese wiederum hängt weit
gehend vom Zeitgeist ab, also von den derzeit für die Zielgruppe geltenden Lebenso
rientierung, die mit Hilfe der Methoden in die Praxis umgesetzt werden soll, ode
r deren Defizite mit Hilfe der Methoden aufgefangen werden sollen.
Der Zusammenhang zwischen dem Erfolg einer Methode und den jeweiligen Zeitlagen
läßt sich an allen genannten Beispielen aufzeigen, was aus Platzgründen hier nic
ht durchgeführt werden kann (s. Hemminger, Keden 1998). Hinter dem schnellen Wec
hsel der Moden steht jedoch eine viel konstantere Bedürfnislage unseres gebildet
en Bürgertums, die sich bereits über Jahrzehnte durchhält, und die (je nach Blic
krichtung) als Psychobewegung (Hemminger/Keden 1998), als Psychologisierung des
Alltags, als therapeutische Generalisierung (Zygowski 1991) oder als neue Innerlich
keit bezeichnet werden kann. Gemeint ist damit ein Bedürfnis nach Selbstveränderu
ng mit psychologischen Mitteln als Reaktion auf Lebensprobleme, auf seelische Be
lastungen, aber auch als Mittel der Selbstverwirklichung und der Steigerung der
persönlichen Glücksfähigkeit. Zygowski meint zu Recht, daß viele Menschen des ge
bildeten Bürgertums über die sich selbst abverlangte Fähigkeit zur therapeutische
n Selbstverwirklichung ihre ansonsten fragil gewordene Identität definieren. Es i
st jedoch keineswegs selbstverständlich, daß Menschen auf Ängste und Belastungen
vorzugsweise mit dem Versuch einer Renovierung ihrer Innenwelt reagieren, oder
daß sie Glücks- und Heilshoffnungen auf diesem Weg zu realisieren suchen.
Hans Asmussen schrieb noch 1939 unter dem Eindruck des Kirchenkampfs:
Meidet die Tiefen des Herzens, soweit Gott sie verbirgt! Verschließt den Blick vor
den Tiefen des Herzens nicht, soweit Gott sie aufdeckt! Haltet vor Augen, daß e
s besser ist, Gott zu erkennen, als sich selbst zu erkennen! [5]
Heute klingt diese Passage wie die Stimme aus einer anderen Welt. Innerkirchlich
hat sich - nicht so sehr als ausformuliertes System, sondern als Praxis - unter
dem Einfluß der therapeutischen Generalisierung eine Sichtweise durchgesetzt, die
Gottes- und Selbsterkenntnis nahezu identifiziert, und die deshalb das methodis
ch erzeugte Selbsterlebnis als einen zentralen Teil kirchlicher Arbeit betrachte
t. Diese Feststellung soll nicht gewertet werden: Es ist keineswegs ausgemacht,
daß der Standpunkt Asmussens - in den die bürgerlichen Lebensentwürfe seiner eig
enen Zeit und die Erfordernisse des Kampfs gegen die nationalsozialistische Ideo
logie einflossen - heute authentischer christlich wäre als die gegenwärtige Inne
rlichkeit. Auf jeden Fall muß jedoch bedacht werden, wie sehr die Generalisierun
g des Therapiebegriffs (in einer individualisierten Form) heute unsere Lebensfüh
rung prägt und in die Kirchen hineinwirkt.
Daraus ergibt sich zweierlei:
Einmal kann das kulturell vermittelte Bedürfnis der Menschen nach Selbsterfahrun
g und Selbstveränderung von der kirchlichen Aus- und Fortbildung nicht ignoriert
werden. Es muß Angebote geben, die dieses Bedürfnis positiv aufnehmen. Anderers
eits können die Angebote nicht nur im Rahmen dieses Bedürfnisses verbleiben oder
gar mit dem allgemeinen Trend kritiklos von Modeströmung zu Modeströmung wechse
ln. Vielmehr muß die kirchliche Bildung von ihrem Auftrag her auf fachliche Qual
ität achten, sie muß Distanz und Kritikfähigkeit gegenüber der Therapeutischen Ge
neralisierung sowie der Psychobewegung in der Gesellschaft fördern und auf der Gr
undlage theologischer Einsichten den Horizont für eine realistischere Selbst- un
d Weltwahrnehmung ausweiten.
5. Zusammenfassende Thesen
Das NLP wird häufig mit einem suggestiv wirksamen Begründungshintergrund angebo
ten, der Züge eines platten Erfolgsglaubens, eines apolitischen Individualismus
usw. aufweist. Daher bedeutet eine Ausbildung im NLP nicht nur Wissenstransfer,
sondern auch Ideologietransfer und evtl. den Umbau von Lebensorientierungen. Im
Einzelfall kommt es zu existentiellen Bindungen, in deren Rahmen das NLP Züge ei
nes Glaubenssystems annimmt. Für die kirchliche Arbeit kommt das NLP daher nur i
n entideologisierter Form in Frage.
NLP bietet folgende Vorteile: Praktisch anwendbare Elemente der Methode stehen
schnell zur Verfügung, die Grundlagen sind leicht erlernbar. Die mit der Methode
ereichbaren Ziele (z.B. Anregung der Problemreflexion) lassen sich rasch erreic
hen, die Terminologie ist anschaulich und deshalb einprägsam. Hier ähnelt das NL
P z.B. der Kurztherapie und der kognitiven Therapie, auch einigen Einwirkungsmet
hoden der Logotherapie und der Individualpsychologie, die ähnlich leicht vermitt
elbar und einsetzbar sind. Zu solchen Methoden bietet das NLP derzeit eine popul
äre Alternative.
Aus fachlicher Sicht gibt es für das NLP als Werkzeug psychologischer, pädagogi
scher und seelsorgerlicher Arbeit in den Kirchen nur begrenzte Anwendungsmöglich
keiten. Die von der Theorie des NLP vorgegebene Problemwahrnehmung weist aufgrun
d von Engführungen Lücken auf: Ihre physiologischen Grundlagen sind teilweise fa
lsch oder unplausibel, eine psychologische Diagnostik fehlt ganz. Weder Theorie
noch Praxis des NLP sind derzeit wissenschaftlich abgesichert, in der wissenscha
ftlichen Psychologie und Pädagogik spielt NLP eine marginale Rolle. Würde die ki
rchliche Arbeit zu sehr auf das NLP setzen, würde sie sich in eine fachliche Auß
enseiter-Position begeben.
Die NLP- Ausbildung ersetzt nicht annähernd psychologische, psychotherapeutisch
e oder sozialpädagogische Fachkenntnisse. Wenn solche Kenntnisse fehlen, befähig
t das NLP auch auf den höheren Ausbildungsstufen nicht zu therapeutischer, seels
orgerlicher oder beratender Arbeit. Eine reine NLP-Ausbildung für Pädagogen und
Theologen durch kirchliche Bildungsträger ist deshalb kaum zu verantworten, auße
r im Rahmen einer Fortbildung für Personen mit einschlägigem Fachwissen. Unveran
twortlich wäre es, in kirchlicher Trägerschaft ausgebildete Personen durch exter
ne Ausbildungsinstitute zertifizieren zu lassen und sie so in eine Laufbahn als
NLP-Anbieter auf dem grauen Psychomarkt einzuschleußen. Dies würde mindestens zu I
nteressenkonflikten und manchmal zu direkter Konkurrenz mit dem kirchlichen Auft
rag führen.
Elemente des NLP können in ein Trainingsprogramm für Pädagogen und Theologen usw
. aufgenommen werden, das nicht auf eine veränderte Berufstätigkeit, sondern auf
größere Kompetenz für die derzeit ausgeübte Tätigkeit (Pfarrer, Lehrer etc. zie
lt). Allerdings sollte ein Training nicht allein auf NLP beruhen, sondern in fac
hlicher Hinsicht und in ideologiekritischer Hinsicht über das NLP hinausführen.
In fachlicher Hinsicht wären zum Beispiel systemische Elemente, gruppenpsycholog
ische Elemente o.ä. notwendig. Als Basis einer ideologiekritischen Distanz zum i
deologischen Überbau von NLP bietet sich theologische, anthropologische und zeit
geschichtliche Arbeit an.
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Die Verführung der Jugend
Wir haben die Vision vom neuen Geist, einer neuen Denkweise. . . .
Michail Gorbatschow auf dem Weltforum 1996
Als Gesellschaft haben wir uns an die Schande gewöhnt Millionen schal ten sich i
n die endlose Parade von Unmoral und Absurdität in unserem täg lichen Fernsehpro
gramm ein In unserer Musik und unseren Filmen ver herrlichen wir Gewalt. Wir ver
götzen vulgäre Entertainer und Transvestiten-Sportler. Wir wählen Politiker wied
er, die Kokain kiffen und Knaben verfüh ren Wir haben das Konzept von Recht und
Unrecht über Bord gewor fen. . .
Linda Chavez in »Counterpoints«, USA Today
Dave Hunt
Holistische Pädagogik
Der neue Fahrplan für eine weltweite Pädagogik besteht aus denselben holistische
n Konzepten, die auch im Gesundheitswesen um sich greifen. Jeffrey Kane, Herausg
eber einer Zeitschrift für holistische Pädagogik, gesteht, dass »Holismus sich a
uf das Heilige bezieht«. Was aber bedeutet »heilig« für Humanisten? Und was hat
»heilig« mit der staatlichen Pä dagogik in den USA zu tun, wo Kirche und Staat a
ngeblich getrennt sind? Wenn Kane sagt, das Ziel holistischer Pädagogik werde »d
as Kind zur Entfaltung seiner Spiritualität befähigen«, wissen wir, dass er dami
t nichts meint, was mit dem Christentum auch nur vergleichbar wäre.
Das Huma nist Magazine schreibt sogar:
Das Klassenzimmer wird und muß zur Arena des Kampfes werden zwischen dem faulend
en Kadaver des Christentums und dem neu en Glauben des Humanismus.
Humanismus ist die Religion des Menschen als sein eigener Gott mit unendlicher M
acht und seinen eigenen »Werten« in sich selbst. Er ist die Religion der »Human-
Potential«-Bewegung der okkulten Religion von übersinnlichen Kräften, die der Me
nsch mittels »höherer Bewußtseinszustände« zu entwickeln hofft. Imagination ist
die wichtigste Triebfeder holistischer Pädagogik und das Mittel, mit dem dieser
Bewußtseinszustand am einfachsten erreicht wird und mit dem man den Wesenheiten
der okkulten Sphäre begegnen kann. Donald A. Cowan, früherer Rektor der Universi
tät von Dallas, sagte:
Was wird im kommenden Zeitalter den Platz von Logik, Fakten und Analyse einnehme
n? In dieser Ära wird die Imagination der zentrale Weg des Denkens sein. Imagina
tion wird das aktive, kreative Werk zeug der Kultur sein und primitives Gedanken
gut in einen höheren, greifbaren Zustand verwandeln
In ihrem Buch Growing Up Gifted (»Begabt aufwachsen«) spricht sich Barbara Clark
für Yoga und Visualisierung und die Entwicklung über sinnlicher Kräfte aus. »Tr
anszendenz« soll erreicht werden, indem die Schüler einen Sinn für das Einheits-
Bewußtsein entwickeln. Das soll mit tels »transpersonaler Kommunikation« gescheh
en, die zu einem Vertrauen auf eine innere Reinheit führt, wie U Thant sie vertr
itt:
Transpersonale Kommunikation ist dazu konzipiert, Menschen zu hel fen, dass sie
Vertrauen auf die Gültigkeit ihrer persönlichen Erfah rung entwickeln und das an
nehmen, was sie aus diesen Erfahrungen als ihre beste Quelle der Weisheit und Wa
hrheit lernen.
Als er noch Gouverneur von Arkansas war, gründete Bill Clinton mit seiner Frau H
illary die »Governor s School« als »Umstrukturierung« der öffentlichen Schulen die
ses US-Staates.
Als Bestandteil einer systemati schen Gehirnwäsche wurde u.a. ein vulgärer Sprac
hgebrauch gefördert. Ziel war dabei, die Schüler aller biblischen Moralmaßstäbe
zu entledi gen. Homosexualität, freier Sex, New-Age-Gedankengut und -Praktiken (
einschließlich der Anbetung des Selbst und des Universums als Gott), Auflehnung
gegen Autorität und Entfremdung von den Eltern wurden als Vorbereitung auf die F
ührerschaft in einer Neuen Weltordnung in dreister Weise vorangetrieben. Die Cli
nton-Regierung zielt ab auf die Umstrukturierung des gesamten öffentlichen Schul
systems der USA nach diesem Muster.
In dieser Atmosphäre der offenen Feindseligkeit gegenüber dem christ lichen Glau
ben müssen unsere Kinder und Enkel nun aufgezogen wer den. Wer den Kompromiß ein
geht und mitläuft, wird Stück um Stück zugrunde gehen.