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i r n a c h

Fo l g e m t s c h r i ft f ü r j unge C h r i s ten

Zei

erhardt
Paul G

erusalem
ord inJ
Justizm

8/2004
Folge mir nach
1
Inhalt/Impressum

Inhalt
Aus aktuellem Anlass:
Menschen zum Herrn Jesus bringen ............................................................ 4
Bibel praktisch:
Geistliche Arbeit .......................................................................................... 7
Vom Egoismus zur Machtanmaßung – Diotrephes .................................... 10
Streiflicht:
Der Prophet Sacharja ................................................................................ 15
Zum Nachdenken:
Pinnwand .................................................................................................. 18
Bibelstudium:
Psalm 119 (Teil 3) ...................................................................................... 20
Lebensbeschreibung:
Paul Gerhardt ............................................................................................ 26
Zum Nachdenken:
Freiwillige gesucht! ..................................................................................... 29
Jesus Christus:
Justizmord in Jerusalem ............................................................................ 30
Gute Botschaft:
Fahren Sie los! ........................................................................................... 36

Impressum
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bitte an den Herausgeber. Bibelübersetzung: Elberfelder © imagelibrary: 5, 6, 7, 10 12, 14
Übersetzung Version 2003

2
Das persönliche Grußwort

D as folgende Erlebnis, das ich vor einiger Zeit las, hat mich
beeindruckt: Religionsunterricht in einer dritten Klasse im Ruhrge-
biet. Thema: die 10 Gebote. Die Lehrerin fragt ihre Schüler: „Wie
würde es in unserer Welt aussehen, wenn sich alle Menschen an
diese Gebote halten würden?“ Da fällt den Kindern manches ein:
Es würde keinen Krieg mehr geben, die Polizei wäre überflüssig,
man könnte sein Fahrrad unverschlossen vor der Schule stehen
lassen. Dann meldet sich ein Junge und sagt: „Und meine Eltern
wären noch zusammen“. Einige der Jungen und Mädchen schlie-
ßen sich an: „und meine auch“. Es ist still geworden in der Klasse.
Man kann die Betroffenheit spüren.

Der Mensch mag darüber philosophieren, dass Gottes Gebote und


Wertmassstäbe die Freiheit des Menschen einengen, die Realität
unserer Welt zeigt jedoch, dass Gottes Gedanken für den Men-
schen nur zum Segen sind. Doch kein Mensch ist in der Lage,
Gottes gute Gebote zu halten. Was der Sünder in unserer dunklen
Gesellschaft braucht, ist das Licht des Evangeliums. Wir Christen,
die den Herrn Jesus als Herrn und Heiland kennen, dürfen diese
Botschaft weitersagen. Dürfen „Menschen zum Herrn Jesus brin-
gen“ (S. 4).

Bedürfnisse und Arbeit gibt es genug. Auch unter Christen werden


(und wurden immer schon) Arbeiter gesucht. Ob es Paulus war,
der um das geistliche Wohl der Gläubigen besorgt war (Geistliche
Arbeit, S. 7). Oder Paul Gerhardt (heute würde man ihn wohl
einen Liedermacher nennen), der durch seine Lieder ganze Gene-
rationen von Christen getröstet und ermuntert hat (S. 26). Oder,
ob du es bist! Denn Freiwillige werden immer noch gesucht (S. 29).

Ich wünsche dir eine nicht nur interessante, sondern auch inspirie-
rende Lektüre.

Folge mir nach


3
Menschen zum Herrn
Jesus bringen –
Herausforderung und Chance

M enschen zum Herrn Jesus zu bringen ist eine Aufgabe, die vie-
len von uns schwer fällt. Doch lässt uns der Herr oft Menschen kennen
lernen – unsere „Nächsten“, für deren Rettung wir Verantwortung haben
(vgl. Lk 10,25 ff.). Kommt es zu einem Gespräch und versuchen wir,
ihnen den Herrn Jesus näher zu bringen – wer hätte dann nicht schon
einmal ein Gefühl der Machtlosigkeit gehabt? Wie oft spürt man Blo-
ckaden bei dem Nächsten, der nicht verstehen kann oder will, dass er
Buße tun, sich bekehren und an den Herrn Jesus glauben muss, um
ewiges Heil zu haben! Wie oft sind dabei Hindernisse im Spiel – Ver-
wandte, Freunde, (Ab-)Neigungen, Fehlvorstellungen –, die dem Nächs-
ten scheinbar den Weg zu dem Herrn Jesus verstellen!

In solchen Situationen hilft es uns mögli- geben, der will, dass alle Menschen errettet
cherweise wenig zu wissen, dass niemand werden, und der unseren Glauben belohnt,
zum Herrn Jesus kommt, wenn Gott, der wenn wir Menschen zu Ihm führen. Übertra-
Vater ihn nicht zieht (Joh 6,44). Völlig klar: gen wir einmal dieses Erlebnis auf uns:
Wir können niemanden bekehren. Aber es
geht doch um das Heil von Menschen. Wir
sind Arbeiter, die dem Herrn nützlich sein 1. Ein Gelähmter ist ein Gelähmter.
möchten. Da können solche Hindernisse
schon frustrierend sein. Wir müssen realistisch sein. Ein Mensch
In Markus 2,1 ff. und Lukas 5,17 ff. (bitte kann nicht von sich aus zu dem Herrn
nachlesen!) ist ein Erlebnis beschrieben, das Jesus kommen. „Da ist keiner, der Gott
Menschen mit dem Herrn Jesus hatten, als sucht“ (Röm 3,11). Wir können von unse-
sie einen Gelähmten zu Ihm brachten. Zu rem Nächsten nicht erwarten, dass er uns
sehen, wie der Herr dabei wirkte, kann uns nach dem Weg zu Gott fragt. Er kann ihn
das Gefühl der Machtlosigkeit nehmen. Es ja gar nicht gehen – und er sucht ihn erst
kann uns Vertrauen zu dem Herrn Jesus gar nicht. Nein, wir müssen Hand anlegen.

4
Menschen zum Herrn Jesus bringen

Wer nicht gehen kann, muss getragen Mitarbeiter (vgl. 1. Kor 3,9) – hier waren
werden (Lk 5,18). Das gilt selbst dann, es (mindestens) vier Menschen, die sich
wenn Gott die Sehnsucht unseres Nächsten um den Gelähmten kümmerten (Mk 2,3).
nach ewigem Heil geweckt und Interesse an Wissen wir, ob es nicht in der Vergangenheit
dem Herrn Jesus bewirkt hat, wie es hier schon Bemühungen um unseren Nächsten
bei dem Gelähmten der gab, an die wir anknüpfen? Oder ob es
Fall war. Seine natürli- in Zukunft solche geben wird, für die wir
che Unfähigkeit, Gott vielleicht nur Vorarbeit leisten? Wir können
zu suchen, bleibt. uns jedenfalls (zumindest) dadurch Ver-
Deshalb gilt es in stärkung holen, dass wir zusätzliche Beter
gewisser Hinsicht hinzuziehen. Vielleicht kann Gott auch
zu „überreden“ noch andere Menschen gebrauchen, die
(2. Kor 5,11), möglicherweise besser Zugang zu unserem
denn wo die Nächsten finden.
Ausrichtung
Gott-feind-
lich ist (Röm 3. Hindernisse kann man
5,10), bedarf überwinden.
es der Über-
redung, um Die Helfer kamen mit dem Gelähmten
nicht an den Herrn Jesus heran. Menschen
waren im Weg (Mk 2,4). Wie oft erleben wir
Ähnliches! Da gibt es nur eins: Überwinden!
Ich glaube, da sind wir gefordert. Wir haben
natürlich immer die Verantwortung, dafür zu
beten, dass Gott im Herzen unseres Nächs-
ten wirkt. Aber beachten wir, dass die Helfer
nicht warteten, bis der Herr Jesus aus dem
Haus zu ihnen kam, sondern dass sie selbst
aktiv (und kreativ) wurden. Wo wir Hinder-
nisse sehen, die unserem Nächsten schein-
bar den Weg zum Herrn Jesus verbauen,
sind wir gefragt. Dabei können wir – auch
wenn wir keine Häuser abdecken möchten
– ruhig auch andere „beanspruchen“, die
jemanden Gott näher zu bringen. Wir dürfen den Herrn Jesus (bildlich gesprochen) in ihr
nicht erwarten, dass uns unser Nächster die Haus aufgenommen haben (Mk 2,4).
Aufgabe an ihm leichter macht.

4. Wir können Menschen dem


2. Ein Arbeiter ist nicht allein. Herrn Jesus „vorlegen“.

Sowieso hat der tätige Arbeiter Gott auf So steht es in Lukas 5,18. Ohne den Herrn
seiner Seite, der selbst am Gewissen jedes Jesus sind alle unsere Bemühungen ver-
Menschen wirkt (vgl. Hiob 33,14 ff.). Aber geblich. Und es kommt auch ein Moment
in der Regel gibt es auch noch andere – früher oder später –, da haben wir getan,

Folge mir nach


5
Menschen zum Herrn Jesus bringen

was wir konnten. Der Gelähmte war fortbe- 5. Mein Glaube macht einen
wegt worden. Hindernisse waren beseitigt Unterschied.
worden. Das Ziel des Ganzen: der Herr
Jesus. Ihm können wir unseren Nächsten Ich zitiere diesen Vers, damit er sich uns ein-
vorlegen. Bei Ihm ist er in besten Händen: prägt: „Als er ihren Glauben sah, sprach er:
Seine Kraft zu heilen ist da (Lk 5,17). Natür- Mensch, deine Sünden sind dir vergeben“
lich bleiben wir weiter „am Ball“ – wir haben (Lk 5,20). Ihren Glauben! Lassen wir einmal
weiter Verantwortung. Aber sein ewiges Heil beiseite, dass Voraussetzung für die Verge-
entscheidet sich dann, wenn er von dem bung der Glaube desjenigen ist, der errettet
Herrn Jesus persönlich angesprochen wird. werden möchte. Das ist und bleibt so. Hier
geht es aber (auch) um
meinen Glauben, wenn
ich Menschen zum Herrn
Jesus bringen möchte.
Mein Glaube kann (nicht
der Grund, aber) der
Anlass für die Bekehrung
meines Nächsten sein.
Wäre mir das doch wich-
tiger! Mein Glaube ist
nicht grundlos. Er kann
sich auf Gottes Wort
stützen – zum Beispiel,
dass Er alle Menschen
erretten will (1. Tim 2,4).
Um was irgend ich Gott,
den Vater, im Namen des
Herrn Jesus bitte, das
wird Er mir geben (Joh
Er kann sich gegen Gott entscheiden (s. Lk 16,23). Im Glauben zu beten heißt: bitten,
10,16), mit der Folge ewigen Gerichts, oder ohne zu zweifeln (vgl. Jak 1,6; 1. Tim 2,8;
Buße tun und das ewige Heil erlangen. Mk 11,23). Wie stark sind Gottes Zusagen!
Das liegt bei ihm, nicht bei uns. Gott will Kann ich da eigentlich riskieren, nicht zu
ihn erretten. glauben?

Thorsten Attendorn

Darum sage ich euch: Alles, um was


ihr betet und bittet – glaubt, dass ihr
es empfangt, und es wird euch werden.
Markus 11, 24

6
Geistliche Arbeit

Geistliche Arbeit –
„... wie eine nährende Frau ihre
eigenen Kinder pflegt.“

P aulus vergleicht seine Arbeit unter den Gläubigen in Thes-


salonich und seine Haltung ihnen gegenüber mit einer Mutter.
Und er hatte sich um diese noch jungen Gläubigen gekümmert,
als wären es seine Kinder.

Obwohl Paulus nicht lange bei ihnen ver- „Wie eine nährende Frau ...“
weilen konnte – es war über einen Zeitraum
von drei Sabbaten (vgl. Apg 17,2) –, hat Die beiden Bilder, die der Apostel benutzt,
er sich gegenüber den Thessalonichern (in um seinen Dienst zu beschreiben, sind sehr
geistlicher Weise) wie eine Mut-
ter und wie ein Vater verhalten.
In diesem kurzen Beitrag wollen
wir gemeinsam darüber nach-
denken, was wir von ihm und
seiner „geistlichen Erziehung“
lernen können.

„Wir sind in eurer Mitte zart ge-


wesen, wie eine nährende Frau
ihre eigenen Kinder pflegt“ (1.
Thes 2,7).

„Ebenso, wie ihr wisst, wie wir


jeden Einzelnen von euch, wie
ein Vater seine eigenen Kinder,
euch ermahnt und getröstet und
euch bezeugt haben, würdig des Gottes zu anschaulich. Sie sind dem täglichen Leben
wandeln ...“ (1. Thes 2,11.12). entnommen. Eine nährende Frau ist ge-

Folge mir nach


7
kennzeichnet durch zärtliche und liebevolle zu ermahnen und zu trösten. Die Väter
Pflege. Diese bringt sie pausenlos ihrem in Ephesus werden darauf hingewiesen,
Baby (oder Kleinkind) entgegen. So war ihre Kinder in der Zucht und Ermahnung
auch Paulus unter den Thessalonichern: des Herrn auf zu erziehen (vgl. Eph 6,4).
Sie hatten sich gerade „von den Götzen- Dabei dürfen wir eher an Kinder denken,
bildern zu Gott bekehrt“ (Kap. 1,9) und die schon etwas mehr Verständnis haben.
waren geistlich gesehen im Stadium eines Wie wichtig ist die geistliche Ermahnung!
Kleinkindes. So waren sie sehr auf die Hilfe Schon im alten Bund des Volkes Israel
des Apostels angewiesen. Er gab ihnen die sollten die Eltern in jeder Situation ihren
angemessene Nahrung und schützte sie vor Kindern die Worte Gottes lehren (vgl. 5.
Gefahren, die sie selbst vielleicht noch gar Mo 11,18.19).
nicht wahrnehmen konnten.
Paulus nahm diese Aufgabe sehr ernst. Sei-
ne „Ermahnung war nicht aus Betrug, noch
„... und wie ein Vater ...“ aus Unreinheit, noch mit List“ (Kap. 2,3).
Diese üblen Beweggründe kennzeichnen
Was kennzeichnet dagegen einen Vater? falsche Arbeiter, die entweder den Gläubi-
Er übernimmt – neben manchen anderen gen Dinge vorgaukeln, die nicht wahr sind
Aufgaben – die Funktion, seine Kinder (vgl. 2. Kor 11,13) oder sie mit fleischlichen
Begierden anlocken (vgl. 2. Pet
2,18). Beides führt dazu, dass die
Gedanken abgewendet werden
von der Einfalt gegenüber dem
Christus (vgl. 2. Kor 11,3). Da-
gegen bestand für Paulus das Ziel
darin, dass die Gläubigen ihres
Gottes würdig wandeln. Und wie
tat er das? Er nahm sich die Zeit,
jeden Einzelnen zu „erziehen“. Der
Apostel richtete sich nicht nur mit
allgemeinen Ermahnungen an alle,
sondern gab auch jedem persön-
lich Hilfestellung.

... der die Gläubigen tröstet ...

Manchmal benötigen gerade junge


Gläubige Trost – besonders dann,
wenn sie Erfahrungen machen
müssen, die bei ihnen tiefe Wun-
den hinterlassen. Paulus kannte
den Gott allen Trostes und war
in der Lage, die zu trösten, die in
allerlei Bedrängnis sind – das traf
besonders auf die Thessalonicher

8
Geistliche Arbeit

zu (vgl. Kap. 1,6) – durch den Trost, mit „... und nicht als Menschengefällige“
dem er selbst von Gott getröstet worden
war (vgl. 2. Kor 1,3.4). Andererseits ließ der Apostel sich auch
nicht von den Thessalonichern binden. So
wie Vater und Mutter sich nicht vorrangig
... wie seine eigenen Kinder ... an den Vorstellungen ihrer Kinder orientie-
ren, so suchte Paulus nicht die Gunst der
Noch etwas fällt auf, wenn wir Paulus als Thessalonicher. Er lebte vor seinem Gott,
geistlichen Vater beobachten. Er muss und es war sein Wunsch, die ihm übertra-
solch eine Hingabe und Liebe gegenüber gene Aufgabe treu auszuführen: „Sondern
den Thessalonichern gezeigt haben, dass so, wie wir von Gott als bewährt befunden
er sie wie seine eigenen Kinder behandelt worden sind, mit dem Evangelium betraut
hat. Ist dieses Verhalten nicht nachahmens- zu werden, so reden wir, nicht um Men-
wert? Leider treffen wir es nicht so häufig schen zu gefallen, sondern Gott, der unsere
an. Damals war das nicht anders: „Denn Herzen prüft“ (Kap. 2,4).
wenn ihr zehntausend Erzieher in Christus
hättet, so doch nicht viele Väter“, schrieb Wie ausgewogen und Frucht bringend war
Paulus an die Korinther (1. Kor 4,15). Im doch die geistliche Erziehung von Paulus!
Gegensatz zu einem Erzieher, der seine Sie ist beispielhaft für alle, denen „geistli-
Aufgabe letztlich nur als Beruf ausübte, che Kinder“ anvertraut sind.
leistete Paulus – wie ein Elternpaar – eine
Betreuung mit ganzem Herzen. An einer
Stelle lesen wir von ihm: „Darum wacht, Auch wir sind nicht verwaist!
und denkt daran, dass ich drei Jahre lang
Nacht und Tag nicht aufgehört habe, ei- Vielleicht ist unter den Lesern jemand,
nen jeden mit Tränen zu ermahnen“ (Apg der wie die Thessalonicher noch jung
20,31). Seine Mühe ging so weit, dass er im Glauben ist und sich auch eine gute
sogar sein Leben aufs Spiel setzte. Warum geistliche „Erziehung“ wünscht. Hast du
tat er das? „So, da wir ein sehnliches Ver- schon nach solchen Erziehern Ausschau
langen nach euch haben [oder: von Liebe gehalten oder um sie gebetet? Möglicher-
zu euch erfüllt sind] ... weil ihr uns lieb ge- weise beklagst du dich aber auch zu Recht
worden wart“ (Kap. 2,8). darüber, dass niemand da ist, der dir die
nötige Betreuung gibt. Dann lass dich
daran erinnern, dass der Herr Jesus ge-
„... ohne Selbstliebe ...“ sagt hat: „Ich werde euch nicht verwaist
zurücklassen, ich komme zu euch“ (Joh
Obwohl Paulus die Thessalonicher wie 14,18). Er selbst ist in der Person des
seine eigenen Kinder behandelte, hütete Heiligen Geistes zu uns gekommen und
er sich davor, die Gläubigen an sich zu möchte (in Ehrfurcht gesagt) die Rolle von
binden. Es ging ihm keineswegs um sei- Vater und Mutter übernehmen. Niemand
ne eigene Person. Er wollte nicht gerühmt kann uns näher sein als Er – geschweige
werden. Sein Ziel bestand einzig darin, denn eine liebevollere Zuwendung geben!
dass Christus verherrlicht wurde. Deshalb Lasst uns Ihm stets dafür danken!
suchte er auch keine Ehre von Menschen,
weder von den Thessalonichern, „noch Hartmut Mohncke
von anderen“ (Kap. 2,6).

Folge mir nach


9
Vom Egoismus zur
Machtanmaßung –
Diotrephes

M achtmissbrauch – fast täglich errei-


chen uns Nachrichten darüber. Unwillkür-
lich denken wir dabei an karrierebesessene
Managertypen und machthungrige Politi-
ker. Aber sind das wirklich die Einzigen?

Dass Machtmissbrauch selbst vor einem durchaus heute noch vorhanden sind. Und
Christen nicht halt macht, sehen wir an sie betreffen nicht nur „gestandene Chris-
Diotrephes, jenem Mann, über den uns ten“, sondern in gleicher Weise auch junge
der dritte Brief des Apostels Johannes Gläubige, die Ziele vor Augen haben und
berichtet: etwas erreichen wollen. Daher möchten wir
im Folgenden darüber nachdenken, wo wir
„Ich schrieb etwas an die Versammlung, selbst in der Gefahr stehen, der Versuchung
aber Diotrephes, der gern unter ihnen der zu erliegen.
Erste sein will, nimmt uns nicht an. Des-
halb, wenn ich komme, will ich an seine
Werke erinnern, die er tut, indem er mit 1. Diotrephes wollte gerne der Erste
bösen Worten gegen uns schwatzt; und unter ihnen sein
sich hiermit nicht begnügend, nimmt er die
Brüder nicht an und wehrt auch denen, die Bei den Führern, von denen uns Gottes
es wollen, und stößt sie aus der Versamm- Wort berichtet, handelt es sich nicht um
lung“ (Verse 9.10). Menschen, die eine bestimmte Position
innehatten. Für sie ging es nicht um die
Im engeren Sinne geht es in diesen Versen Befriedigung eigener Machtgelüste. Ihnen
darum, dass Diotrephes zu verhindern lag es am Herzen, den Willen ihres Herrn
suchte, dass solche Brüder eine Unterkunft im Glauben zu verwirklichen. Diese Männer
fanden, die durchs Land zogen, um das waren Täter des Wortes (Jak 1,22). Ihr
Wort Gottes zu predigen1. Bei genauerem überzeugendes Glaubensleben verlieh ihnen
Hinsehen stellen wir jedoch fest, dass die geistliche Autorität. Darum wurden sie als
Merkmale, die Diotrephes kennzeichneten, Führer und Ratgeber anerkannt. Keiner
1
Zu der Zeit, als der Apostel Johannes seinen dritten Brief schrieb, waren diese Männer auf die Unterstützung der Gläubigen
angewiesen, in deren Gegend sie das Evangelium verkündeten. Ohne diese Unterstützung hatten sie weder einen Schlafplatz, noch
bekamen sie eine Mahlzeit. (Vergleiche die kurze, treffende Ausführung in: Robert Lee, Abriss und Gliederung der biblischen Bücher;
erhältlich beim Herausgeber von „Folge mir nach“.)

10
Vorsicht Machtfalle

von ihnen maßte sich diese Stellung selbst 3. Der Apostel will an die Werke
an. Doch Gott drückt sein Siegel unter ihr des Diotrephes erinnern
Glaubensleben, indem Er auch uns heute
auffordert, den Glauben dieser Männer War Diotrephes darauf aus, die Erinnerung
nachzuahmen (siehe Heb 13, 7). der Gläubigen an seine eigenen Werke zu
verwischen? Zumindest können wir den
Bei Diotrephes war das anders. Gottes Eindruck haben. Warum sonst wollte der
Wort berichtet uns nicht, wie andere die Apostel die Gläubigen an die Werke dieses
Begabungen oder den Wandel dieses Mannes erinnern? „Deshalb, wenn ich
Mannes beurteilen. Aber wir lesen von komme, will ich an seine Werke erinnern,
seinen Beweggründen. Es ging ihm um die er tut.“
seine eigene Person. Er wollte der Erste in
der Versammlung sein. Es ist immer wieder erschreckend, mit
welcher Dreistigkeit manche Menschen ihr
Welche Beweggründe haben wir für unser Fähnlein in den Wind hängen. Sie reden
Handeln und Reden? Der bewusste oder und handeln immer gerade so, wie es zu
unbewusste Wunsch in unseren Herzen, ihrem Vorteil ist. Das Schlimmste, was so
Ansehen bei unseren Mitmenschen zu jemandem passieren kann, ist, dass seine
haben, ist häufig der erste Schritt auf dem Mitmenschen an seine Taten oder Worte
Weg zur Machtanmaßung. erinnert werden. In diesem Moment bricht
ihr sorgfältig gehütetes Kartenhaus zusam-
men.
2. Diotrephes nahm den Apostel
Johannes nicht an Als Christen dürfen wir uns genau entgegen-
gesetzt verhalten. Nicht nur, dass wir stets
Wir wissen nicht, was der Apostel an die die Wahrheit reden sollen, der Herr möchte,
Versammlung geschrieben hat. Tatsache ist dass wir auch in unserem Handeln zu dem
aber, dass Diotrephes diesen anerkannten stehen, was wir sagen. Dann haben wir es
Führer des Volkes Gottes nicht akzeptierte. auch nicht nötig, bei unseren Mitmenschen
Auf den Brief des Apostels zu hören, bedeu- die Erinnerung an unsere Worte oder unsere
tete für Diotrephes, wie es scheint, einen Taten zu verwischen. Der Herr Jesus hat das
anderen neben oder gar über sich dulden zu einmal so formuliert: „Eure Rede sei aber:
müssen. Er hätte nicht mehr im Mittelpunkt Ja – ja; nein – nein; was aber mehr ist als
gestanden und über die anderen bestimmen dieses, ist aus dem Bösen“ (Mt 5, 37).
können.

Uns werden keine Briefe von Aposteln 4. Diotrephes redete schlecht über
mehr geschrieben. Aber wir besitzen apos- den Apostel Johannes und andere
tolische Belehrung in dem Wort Gottes.
Durch die Bibel spricht Gott zu uns. Aber Die Geschichte ist schon sehr alt, doch hat
wie gehen wir damit um? Hat Gottes Wort sie nichts von ihrer Aktualität verloren:
in allen Teilen uneingeschränkte Gültigkeit
für uns? Gottes Wort seine Gültigkeit zu Eine Überlieferung berichtet, wie zu dem
lassen, ist ein wirksamer Schutz vor der Philosophen Sokrates eines Tages ein guter
Machtfalle. Freund kam. „Hast du schon gehört, was
die Leute über dich sagen?“, fragte der

Folge mir nach


11
Freund. „Nein“, antwortete Sokrates. „Dann
muss ich es dir sofort erzählen“, drängte der
Freund. „Warte bitte noch einen Moment“,
bat Sokrates. „Erst möchte ich wissen, ob du
das, was du mir sagen willst, von demjenigen
gehört hast, der es gesagt hat?“ Der Freund
schüttelte den Kopf. Nein, das hatte er nicht.
„Hast du dich erkundigt, ob es wahr ist,
was die Leute über mich erzählen?“ Wieder
musste der Freund verneinen. „Ist es denn
wenigstens etwas Gutes?“, wollte Sokrates
nun wissen. Auch das war nicht der Fall.
„Dann will ich es auch nicht wissen“, erklärte
Sokrates dem Freund und ging davon. –
Was reden wir über andere? Die Aufforde-
rung des Apostels Paulus an die Philipper
ist eindeutig: „Wenn es irgendein Lob gibt,
dies erwägt“ (Phil 4,8).Wie viele schlechte – gestützt auf das Wort Gottes – mitteilen,
Worte würden gar nicht erst gesprochen, anzuerkennen und zu praktizieren? Und erin-
würden wir unser Reden mehr anhand der nern wir uns auch stets daran: Was der Herr
Fragen des Sokrates oder, noch besser, an Jesus für uns getan hat, hat Er auch für alle
den Maßstäben der Bibel überprüfen. Und anderen getan, die Ihn im Glauben ange-
noch einmal so viele böse Worte würden nommen haben. Einem Kind Gottes Gast-
nicht gesprochen, wenn wir mehr miteinan- freundschaft zu erweisen, ist das Gleiche,
der statt übereinander sprächen2. wie den Herrn selbst zu beherbergen (lies
einmal Mt 25,31–46). In diesem Bewusst-
sein werden wir die Liebe unseres Heilands
5. Diotrephes versucht, andere daran zu uns auch unseren Mitgeschwistern
zu hindern, Gastfreundschaft zu üben entgegenbringen. Andere dazu anzustiften,
bestimmte Gläubige auszugrenzen, weil es
Offensichtlich begnügte sich Diotrephes meinen persönlichen Interessen zuwider ist,
nicht mit seiner üblen Nachrede. Um sicher verbietet sich dann von ganz alleine.
zu gehen, dass seine schlechten Worte auch
die nötige Wirkung zeigten, versuchte er
andere, wie den Briefempfänger Gajus (Vers 6. Diotrephes hört nicht auf
5), dazu zu bringen, es ihm gleich zu tun. Sie die Brüder
sollten den Boten Gottes die Gastfreund-
schaft verweigern, so wie er selbst es tat. Der Apostel Johannes war nicht der Einzige,
Und er wollte auch verhindern, dass seine der die Absichten des Diotrephes erkannte.
Mitgeschwister die biblische Unterweisung Einige Brüder besuchten die Geschwister
dieser Brüder empfingen. in der Gegend, um das autoritative Wort
Gottes zu verkündigen. Vielleicht suchten
Und wir? Sind wir bereit, die Diener des sie auch das Gespräch mit Diotrephes. Dann
Herrn aufzunehmen und das, was sie uns taten sie das, wozu der Apostel Paulus auch
2
In dem Textzusammenhang geht das Reden gegen einen Apostel natürlich noch viel weiter und entspricht heute
einer Kritik am Wort Gottes selbst.

12
Vorsicht Machtfalle

die Thessalonicher aufforderte (2. Thes dabei nur, dass der andere seinen „Wohltä-
3,14). Sie achteten Diotrephes als Bruder ter“ kennt. Denn dann kann ich zu gegebe-
und versuchten, ihn zurechtzuweisen. ner Zeit die „Daumenschrauben“ anziehen.
Doch statt dankbar die Belehrungen über „Eine Hand wäscht die andere. Gestern
die Wahrheit und auch die persönlichen habe ich dir geholfen, heute musst du etwas
Hinweise seiner Brüder anzunehmen, sein für mich tun.“
Verhalten zu prüfen und zu ändern, lehnte
Diotrephes sie und ihren Dienst ab. Gegenseitige Hilfestellung ist gut und wich-
tig, besonders unter Christen in Zeiten,
Wie verhalten wir uns, wenn wir auf etwas in denen die Ablehnung gegenüber Gott
hingewiesen werden? Es bringt viel Segen immer offensichtlicher wird. Problematisch
mit sich, wenn wir auf den anderen hören wird es, wenn ich dieses eigentlich selbst-
und über seine Hinweise nachdenken. Oft verständliche Verhalten zu meinem eigenen
genug fahren wir statt dessen aber sofort die Vorteil ausnutze und dabei andere an einem
Stacheln aus – „Der will mir was Schlechtes!“ richtigen Verhalten hindere. Und genau das
– und gehen auf Abwehr. ist Machtmissbrauch.

Bin ich immer im Recht und lasse jeden Hin-


weis an mir abprallen, so komme ich schnell 8. Diotrephes stößt die aus der
dahin, mich über andere zu stellen. Vom Versammlung, die eine abweichende
Hochmut zum Machtmissbrauch ist es dann Meinung haben
leider oft nur noch ein kleiner Schritt.
Allen Anstrengungen des Diotrephes zum
Trotz gab es solche in der Gemeinde, die ihm
7. Diotrephes will die Annahme nicht folgten, sondern auf die Brüder hörten.
dieser Brüder durch die Für diese Geschwister war das Wort Gottes
Versammlung verhindern

Doch die Aktivitäten des Diotrephes sind


noch stärker. Er geht in seinem Bestreben,
der Erste unter ihnen zu sein, so weit, dass
er sich in die Beziehungen seiner Mitge-
schwister einmischt. Diotrephes übte allem
Anschein nach Druck auf diejenigen aus,
die auf die Ermahnungen und Hinweise
der Brüder hören wollten, die er selbst
ablehnte.

Ich brauche gar nicht massiven Druck auf


andere auszuüben, um meine Ziele zu errei- oberste Autorität
chen. Die Mittel, die uns der Feind Gottes und nicht die Meinung
zur Verfügung stellt, sind viel schwieriger eines Einzelnen.
zu durchschauen als plumpe Drohungen.
Hier ein Gefälligkeitsdienst, da eine kleine Wenn wir so weit sind, andere Gläubige aus
Zuwendung, so können unbemerkt Abhän- der Versammlung Gottes hinauszustoßen,
gigkeiten geschaffen werden. Wichtig ist weil sie nicht unserer Meinung sind, sind wir

Folge mir nach


13
Vorsicht Machtfalle

genau da, wovor auch Petrus warnt („die da Motive klar zu machen. Die Bitte Davids in
herrschen über ihre Besitztümer“, 1. Pet 5,3). Psalm 139 ist dafür beispielhaft:
Hat doch der Herr Jesus durch sein Erlö-
sungswerk am Kreuz von Golgatha alle, die „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein
an Ihn glauben, zu einem Leib – seinem Leib Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedan-
– zusammengefügt. Jeder Gläubige ist ein ken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei
Glied an diesem Leib. Und kein Glied dieses mir ist, und leite mich auf ewigem Weg!“
Leibes kann zu einem anderen Glied dieses (Verse 23.24).
Leibes des Herrn sagen: „Ich brauche dich
nicht“ (1. Kor 12,21). Wie kann ich dann Nun war Diotrephes sicher kein junger Christ.
einen treuen Christen aus der Versammlung Also kannst du die Gedanken des Artikels
stoßen wollen? getrost wieder vergessen? Zum Nachdenken:
Wie sieht es denn im Kreis der Jugendlichen
Ein jeder aber prüfe sich selbst aus? Der Erste sein wollen, andere ablehnen,
(1. Kor 11, 28)! nicht aufnehmen, hinausdrängen – kommt
dir das nicht vielleicht bekannt vor?
Häufig ist es uns leider gar nicht bewusst,
dass gerade wir uns ganz oder teilweise so Unser Herr allein kann die Kraft und Weis-
verhalten, wie es der Apostel Johannes bei heit schenken, unser Verhalten so zu ändern,
Diotrephes anklagt. Deshalb tun wir gut dass wir nicht in die Machtfalle geraten.
daran, unser Verhalten und unser Reden
immer wieder auf diese Punkte zu überprü- „Alle aber seid gegeneinander mit Demut
fen. Und wenn wir dabei feststellen, dass der fest umhüllt; denn Gott widersteht den
eine oder andere Aspekt häufiger in unserem Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er
Leben in Erscheinung tritt, ist es richtig und Gnade“ (1. Pet 5,5).
wichtig, den Herrn zu bitten, uns unsere
Stefan Busch

„Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und
erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei
mir ist, und leite mich auf ewigem Pfade!“
Psalm 139, 23.24

14
Streiflicht: Der Prophet Sacharja

Der Prophet Sacharja

N ach Haggai kommen wir nun in unserem Streifzug durch die kleinen
Propheten zu Sacharja. Diese beiden Propheten wirkten zur gleichen Zeit.
Inhaltlich überschneiden sich ihre Botschaften teilweise, doch ihr Stil ist ganz
unterschiedlich: Haggai ist einfach und direkt; Sacharja vielschichtig und
bildreich. – Werfen wir einen Blick hinein in den ausdrucksstarken Prophe-
ten Sacharja!

Der Bote Tempelbaus in Jerusalem gebracht wurden


(1,1; 1,7; 7,1). Im Mittelpunkt stehen dabei
Der Prophet Sacharja stammte aus pries- die acht Nachtgesichte Sacharjas (1,7–6,15).
terlichem Geschlecht (vgl. Neh 12,16); er Kapitel 9-14 bilden den zweiten Teil. Diese
war also Priester und Prophet zugleich. Mit undatierte Botschaften wurden nach dem
seinem Prophetendienst begann Sacharja Tempelbau gegeben. Die Kapitel 9–11
schon als junger Mann (2,8). Seine erste zeigen das erste Kommen des Messias und
Weissagung geschah zwei Monate nach seine Verwerfung durch die Juden, die Kapi-
der ersten Weissagung Haggais – das war tel 12–14 das zweite Kommen des Messias
wahrscheinlich am 01.11.520 v. Chr. (Hag und seine Annahme, was auch aus heutiger
1,1; Sach 1,1). Man nimmt an, dass das Sicht noch zukünftig ist.
Buch Sacharja erst einige Jahrzehnte später
abgeschlossen wurde (um 480 v.Chr.), da in Streiflicht aus der
Kapitel 9,13 Griechenland als eine bekannte Prophezeiung Sacharjas:
Macht vorausgesetzt wird. Folglich dürften zu
diesem Zeitpunkt die siegreichen Schlachten „Dies ist das Wort des HERRN an Serubbabel:
der Griechen gegen die Perser (490/480 v. Nicht durch Macht und nicht durch Kraft,
Chr.) schon stattgefunden haben. Das Leben sondern durch meinen Geist, spricht der
Sacharjas fand ein blutiges Ende: Er wurde HERR der Heerscharen. Wer bist du, großer
von seinen eigenen Landsleuten an heiliger Berg, vor Serubbabel? Zur Ebene sollst
Stätte umgebracht (vgl. Mt 23,35). du werden! Und er wird den Schlussstein
herausbringen unter lautem Zuruf: Gnade,
Gnade ihm! Und das Wort des HERRN erging
Die Botschaft: an mich, indem er sprach: Die Hände Serub-
babels haben dieses Haus gegründet, und
Sacharja beschäftigt sich besonders mit der seine Hände werden es vollenden; und du
Gegenwart und Zukunft Jerusalems. Seine wirst erkennen, dass der HERR der Heerscha-
Prophezeiung zerfällt in zwei große Teile. ren mich zu euch gesandt hat. Denn wer
Der erste umfasst die Kapitel 1–8: Das sind verachtet den Tag kleiner Dinge? Und mit
genau datierte Botschaften, die während des Freude werden jene Sieben das Senkblei in
Folge mir nach
15
der Hand Serubbabels sehen: Die Augen die Hilfe lag nicht in menschlicher Macht
des HERRN, sie durchlaufen die ganze Erde.“ und Kraft, sondern in der Macht Gottes.
(Sacharja 4,6–10) Er wollte die Wege ebnen, damit der Bau
seines Hauses vollendet werden konnte (V.
Bei dem Wiederaufbau des Tempels in 8). Das bedeutete nicht, dass Serubbabel die
Jerusalem spielten zwei Männer unter den Hände in den Schoß legen durfte; er sollte
zurückgekehrten Juden eine Schlüsselrolle: sie vielmehr fleißig benutzen (V. 9), um den
Josua, der Hohepriester, und Serubbabel, Tempelbau im Vertrauen auf Gott voranzu-
der Statthalter der Provinz Judäa (Esra treiben. Zwar war der Tempel im Vergleich
3,8 ff.). Diese beiden waren es, die den zum prächtigen Tempel Salomos wie nichts
ins Stocken geratenen Tempelbau wieder (vgl. Hag 2,3), aber Serubbabel und seine
aufnahmen. Die Propheten Haggai und Gefolgsleute wurden daran erinnert, dass
Sacharja ermutigten sie dazu und unter- sie den Tag kleiner Dinge nicht verachten
stützten sie dabei (Esra 4,24 ff.). Das Buch sollten. Gott hatte Freude daran, wenn sie
Haggais wendet sich vornehmlich an Josua an seinem Haus bis zum Ende weiterbauten
und Serubbabel (Hag 1,1; 2,2; 2,20), und (V. 10; Hag 1,8).
in Sacharja gibt es jeweils ein Kapitel, das
ihnen „gewidmet“ wird. In Sacharja 3 Die „Bauarbeit“ heute: Aufgeben
geht es um den Hohenpriester Josua, den oder Durchstarten?
besonders der innere Zustand des Volkes
Gottes beschäftigte. Wie konnte das Volk, Heute ist auch ein Tag kleiner Dinge, an
das er als Hoherpriester repräsentierte, mit dem wir vielleicht wehmütig an die Zeiten
seiner Schuld vor Gott bestehen? Satan großer Erweckungen denken. Die Arbeit für
verklagte es deswegen und Josua konnte das geistliche Haus Gottes (vgl. 1. Kor 3) ist
nicht ein Wort darauf erwidern. Was nun? gegenwärtig oft schwach, wird wenig beach-
Gott handelt: Er nimmt die Ungerechtigkeit tet und bringt nur geringe Ergebnisse. Das
weg, er vergibt (V. 4.9). gilt zum einen für die evangelistischen
Bemühungen, die darauf abzie-
Kapitel 4 gilt speziell dem Statthalter Serubba-
bel, der aus königlichem Geschlecht stammte.
Er hatte mehr den äußeren Zustand des
Volkes Gottes im Auge. Die Juden waren
zahlenmäßig sehr schwach und standen
unter der Herrschaft der Perser. Konnten sie len, dass
so überhaupt ein Zeugnis für Gott sein – ein Menschen zu lebendi-
Leuchter, der Licht verbreitete (vgl. V. 2)? Wie gen Steinen am Haus Gottes werden. Nicht
ein Berg stand das Bauverbot des persischen viele sind es, die auf eine Einladung zur
Königs Artasasta vor ihnen (V. 7), der auch Evangelisation reagieren, an Büchertischen
die Arbeit am Tempel zum Erliegen gebracht stehen bleiben, aufmerksam Traktate lesen
hatte (Esra 4,21–24). Was war zu tun? Sollte oder sich Zeit nehmen, um über den Glau-
sich Serubbabel mit anderen Mächten ver- ben zu sprechen. Und was – zum anderen
binden, um den Feinden entgegen treten zu – die Arbeit unter dem Volk Gottes betrifft,
können? Sollte er alle seine intellektuellen sieht es vielleicht so aus: Der Bruder, den wir
Kräfte und organisatorischen Fähigkeiten zum Bibellesen animieren wollten, versinkt
in die Waagschale werfen, um Artasasta mehr denn je in seinem Beruf. Die traurige
eine Baugenehmigung abzuringen? Nein, Schwester, um die wir uns bemühten, scheint

16
Streiflicht: Der Prophet Sacharja

beinahe resigniert zu haben. Die Jugend- Der gerechte, rettende, demütige König
stunde bricht mangels Interesse auseinander, – auf einem Esel reitend, Kap. 9,9 (Mt
und für die Büchertischarbeit und ähnliche 21,5);
Aktivitäten kann man nur schwer jemand Der Frieden bringende, große Herrscher,
mobilisieren. Und jetzt? Alles sein lassen? Kap. 9,10 (Jes 9,5);
Nein, denn das hieße, den Tag kleiner Dinge Der Eckstein, Kap. 10,4 (Ps 118,22; Eph
zu verachten. Also Ärmel hochkrempeln, 2,20);
um allen zu zeigen, wie es geht? Auch das Der Pflock, Kap. 10,4 (Jes 22,23);
ginge am Ziel vorbei. Gott möchte, dass Der Kriegsbogen, Kap. 10,4 (1. Mo
wir im festen Vertrauen auf seine Hilfe das 49,24);
tun, was Er von uns haben möchte. Er kann Der wahre Hirte, der schlecht entlohnt
Hindernisse aus dem Weg räumen, Wider- wird, Kap. 11,4–14 (Joh 10,11; Mt 27,3
stände brechen und Dinge gelingen lassen, ff.);
an die kaum einer mehr geglaubt hat. Ja, Der Durchbohrte, über den man weh-
auch heute noch! klagt, Kap. 12,10 (Off 1,7);
Der Genosse seines Volkes, der von
Christus im Buch Sacharja ihnen geschlagen wird, Kap. 13,5.6 (Joh
19,14–16);
Übrigens sind der Herrscher Serubbabel Der Genosse des HERRN, der von Ihm
und der Hohepriester Josua auch Vorbilder geschlagen wird, Kap. 13,7 (Jes 53,10);
auf den Herrn Jesus, wie Sacharja 6,12.13 Der zum Kampf Erscheinende – auf dem
deutlich macht: Christus wird einmal den Ölberg, Kap. 14,3.4 (Off 19,11 ff.; Apg
Tempel bauen und als Herrscher sowie als 1,11.12).
Priester auf dem Thron sitzen. Das ist nur
eine von vielen Bibelstellen in Sacharja, Wer den Propheten Sacharja studiert, erfährt
die auf den Herrn Jesus hinweisen. In der manches über den Herrn Jesus. Spornt das
nachfolgenden, unvollständigen Auflistung nicht an, sich einmal mit Sacharja gründlich
nennen wir 14 davon. Sie sollen zum auseinander zu setzen?
weiteren Studium anregen, wozu auch die
Bibelstellenangaben in Klammern dienen. Gerrid Setzer
Wichtig und interessant ist, jeweils der Frage
nachzugehen, ob das, was von dem Herrn
Jesus in den genannten Stellen gesagt wird,
sich bereits erfüllt hat oder noch aussteht.
Die Augen des Herrn
durchlaufen die
Der Herr Jesus ist nach dem
Propheten Sacharja: ganze Erde, um sich
Der Knecht des HERRN, Kap. 3,8 (Mt mächtig an denen
12,18);
Der Spross, Kap. 3,8 und 6,12 (Jes 4,2; zu erweisen, deren
Jes 53,2);
Der Stein mit sieben Augen, Kap. 3,9 (Jes Herz ungeteilt auf
28,16; Off 5,6);
Der Priester-König auf dem Thron, Kap.
ihn gerichtet ist.
6,13 (Heb 7,1–3); 2. Chronika 16,9
Folge mir nach
17
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18 19
Bibelstudium
Psalm 119 (Teil 3)

In den ersten beiden Teilen des Bibelstudiums über Psalm 119


hast du einen Überblick über diesen Psalm erhalten und den ersten
großen Teil bereits selbst studiert. Dort stand das Wort mit dem
„Blickwinkel nach innen“ im Vordergrund, also was das Wort in
deinem persönlichen Leben bewirken soll. Jetzt kommt der zweite
große Teil, der „nach außen“ schaut.

II. Das Wort und die Beziehung zu Studienhilfen:


den Mitmenschen (Blickwinkel „nach
außen“): Verse 57–112 (Vers 57): „Mein Teil, HERR, habe ich gesagt,
ist, deine Worte zu bewahren (1)“
8. Das Wort – Quelle der Gemeinschaft (1) oder: Mein Teil ist der HERR, habe ich
(V. 57–64 ) gesagt, um deine Worte zu bewahren.
Wer das Wort Gottes bewahrt, kann mit
Kommentar: Recht sagen: Der Herr ist mein Teil. Gehor-
(V. 57–58) Der Mensch Gottes bekennt, sam gegenüber Gottes Wort führt zum
dass der Herr sein Teil ist (s. Fußnote Genuss der Gemeinschaft mit Ihm.
Elberfelder Übersetzung). Das Ergebnis ist:
Er wünscht den Willen dessen zu tun, der (Vers 58):„Von ganzem Herzen habe ich
sein Teil ist und verlangt nach der Gnade dich angefleht; sei mir gnädig nach deiner
seines Gottes. Zusage!“
(V. 59–60) Dieses Verlangen führt ihn dazu, Die Gewissheit, dass der Herr unser Teil ist,
sein Leben zu überdenken und mit Energie macht das Gebet nicht überflüssig, sondern
das Wort Gottes in die Praxis des täglichen treibt uns geradezu ins Gebet.
Lebens umzusetzen.
(V. 61–62) Ein solcher Weg bringt Wider- (Vers 59): „Ich habe meine Wege überdacht
stand. Doch der Treue lässt sich nicht abhal- (1), und meine Füße zu deinen Zeugnissen
ten von der Nachfolge seines Herrn. gekehrt.“
(V. 63–64) Doch nicht nur das Vorhan- (1) Hag 1,5.7; Klgl 3,40
densein von Feinden ist die Erfahrung Ein sorgfältiges Überdenken unserer Wege
des Gläubigen. Er erfährt erst recht die kann uns zurückführen auf den Weg nach
Gemeinschaft Gleichgesinnter und die Gottes Gedanken.
Güte Gottes.

20
Bibelstudium – Psalm 119

(Vers 60): „Ich eile und säume nicht, deine 9. Das Wort – die Quelle des Guten
Gebote zu halten.“ (V. 65–72)
So wie der Sünder eilen soll, um seine Seele
zu retten, so eilt der Gläubige, das Wort Kommentar:
seines Gottes zu erfüllen. (65–67) Der Psalmist rechtfertigt das Tun
Gottes, auch wo es schmerzhaft für ihn war.
(Vers 61): „Die Fesseln der Gesetzlosen Er gibt zu, dass er geirrt hatte. Aber Gottes
haben mich umgeben; dein Gesetz habe Wege haben ihn zurückgeführt.
ich nicht vergessen.“ (68) Hinter allem Handeln Gottes erkennt er,
Alle Bande (Stricke) der Ungläubigen dass dies alles „zum Guten mitwirkt“. Des-
können den Gläubigen nicht von Gott und halb verlangt ihn nach Gottes Belehrung.
Gott nicht von dem Gläubigen fernhalten. (69–70) Als der Psalmist in die Irre ging, war
er den Übermütigen ziemlich egal. Aber
(Vers 62): „Um Mitternacht(1) stehe ich jetzt, wo er wieder mit Gott lebt, verbreiten
auf, um dich zu preisen wegen der Rechte sie Lügen über ihn.
deiner Gerechtigkeit.“ (71–72) Den Wert von Gottes Wort hat
(1) Ps 4,4; 63,6 der Psalmist gerade in schwierigen Zeiten
Wie oft verbringen wir „die halbe Nacht“ mit gelernt.
nutzlosem Zeitvertreib. Haben wir die Zeit
auch schon genutzt zur Gemeinschaft mit
dem Herrn? Studienhilfen:

(Vers 63): „Ich bin der Gefährte (1) aller, die (Vers 65): „Du hast Gutes getan an deinem
dich fürchten, und derer, die deine Vor- Knecht (1), HERR, nach deinem Wort.“
schriften halten.“ (1) Vers 17
(1) Spr 13,20; Ps 16,3 Dass alle Dinge im Leben des Gläubigen
Finden alle unsere Verbindungen und Kon- zu seinem Guten mitwirken, ist das Thema
takte das Wohlgefallen Gottes? dieses Abschnitts. Das Handeln Gottes und
auch die Versuche des Feindes bringen
(Vers 64): „Von deiner Güte, HERR, ist die letztlich gute Ergebnisse im Glaubensle-
Erde erfüllt (1); lehre mich deine Satzun- ben.
gen!“
(1) Ps 33,5 (Vers 66): „Gute Einsicht und Erkenntnis
Die für den Glauben überall sichtbare Güte lehre mich; denn ich habe deinen Geboten
Gottes führt zu dem Wunsch, mehr von geglaubt (1).“
diesem gütigen Herrn belehrt zu werden. (1) Vers 88
Der Psalmist hat dem Wort Gottes geglaubt,
Zitat: denn es ist Gottes Wort, aber ihn verlangt
„Viele werden ja mit David sprechen: Der auch danach, das Wort zu verstehen.
Herr ist mein Teil, aber worauf es hier
ankommt, ist: Wie beweisen sie dies? Wenn (Vers 67): „Bevor ich gedemütigt wurde, irrte
Gott wirklich ihr Teil wäre, würden sie ihn ich; jetzt aber halte ich dein Wort.“
lieben, und wenn sie ihn liebten, so würden Die erziehenden Wege Gottes hatten das
sie sein Wort lieben und es zur Richtschnur Ziel, ihn wieder zum Gehorsam gegen
ihres Lebens machen“ (William Cowper, Gottes Wort zurückzuführen. Dies erkennt
gestorben 1619). der Psalmist an.

Folge mir nach


21
(Vers 68): „Du bist gut und tust Gutes; lehre eben frisch aus seinem Munde zu unseren
mich (1) deine Satzungen.“ Ohren geredet“ (C.H.Spurgeon)
(1) lehre mich: Verse 12.26.33.64.66.68.10
8.124.135.
Was Gott tut, ist in Übereinstimmung mit 10. Das Wort – die Quelle zu einem
seinem Wesen. Er tut Gutes, weil Er gut Leben, ohne beschämt zu werden
ist. (V.73–80)

(Vers 69): „Lügen (1) haben die Übermüti- Kommentar:


gen gegen mich erdichtet; ich bewahre (2) (73–74) Der Psalmist erkennt an, dass Gott
deine Vorschriften von ganzem Herzen.“ ihn erschaffen hat, und bittet um Erkenntnis,
(1) Ps 27,12; 35,11 um nun auch zur Ehre dieses Schöpfers zu
(2) oder: werde bewahren leben. Ein solches Leben wird mit Freude
Erst haben sie ihn verspottet (Vers 51), dann von anderen Gläubigen bemerkt werden.
angegriffen (Vers 61), jetzt wollen sie ihm die (75–77) Der Psalmist rechtfertigt auch Gott
Ehre rauben durch böse Gerüchte. in all seinem Handeln mit ihm – auch wenn
dieser ihn erziehen musste. Der Psalmist
(Vers 70): „Ihr Herz ist dick geworden wie freut sich an Gottes Wort und vertraut in
Fett; ich habe meine Wonne an deinem jeder Lage auf Gottes Gnade und Trost.
Gesetz.“ (78) Wenn Gott in Treue mit ihm gehandelt
Der Ungläubige liebt den Luxus, das Wohl- hat, so doch nicht die Ungläubigen. Er
leben, der Gläubige erfreut sich an Gott und überlässt sie dem Urteil Gottes.
seinem Wort – wenn es recht um ihn steht. (79–80) Nachdem er den Trost des HERRN
Wie sieht es damit bei mir aus? in den Umständen erfahren hat, sehnt
er sich auch nach der Gemeinschaft der
(Vers 71): „Es ist gut für mich, dass ich Gläubigen.
gedemütigt wurde (1), damit ich deine
Satzungen lernte.“
(1) Hebräer 12,5–11 Studienhilfen:
In der Schule Gottes gibt es beides: Erzie-
hungsmaßnahmen und ein Lehrbuch. (Vers 73): „Deine Hände haben mich
gemacht und bereitet; gib mir Einsicht, und
(Vers 72): „Besser ist mir das Gesetz deines ich will deine Gebote lernen.“
Mundes als Tausende von Gold und Silber Der Psalmist schlussfolgert zu Recht, dass
(1).“ der, der ihn geschaffen hat, auch der ist,
(1) Psalm 19,10.11 der ihm Einsicht geben kann für einen Weg
Das Wort Gottes war dem Psalmisten mehr nach Gottes Gedanken.
wert als aller Reichtum der Welt.
(Vers 74): „Die dich fürchten, werden mich
Zitat: sehen und sich freuen (1); denn ich habe
„Das Gesetz deines Mundes – eine schöne auf dein Wort geharrt.“
und ausdrucksvolle Bezeichnung des (1) Vers 63
Wortes Gottes. Das Wort kommt aus Gottes Für den Christen ist es eine Freude und
eigenem Mund mit voller Frische und Kraft Ermunterung, solche zu treffen, die ihrem
in unsere Seelen ... Wir tun wohl daran, das Herrn in Treue folgen möchten.
Wort des HERRN so anzusehen, als wäre es

22
Bibelstudium – Psalm 119

(Vers 75): „Ich weiß, H ERR , dass deine Der Psalmist bittet um ein untadeliges Herz.
Gerichte Gerechtigkeit sind und dass du Äußere Frömmigkeit, die auf Heuchelei
mich gedemütigt hast in Treue (1).“ beruht, ist bei Gott nichts wert.
(1) Heb 12,10
Gott ist nicht nur treu, trotz der Prüfungen, Zitat:
die Er sendet, sondern Er ist treu, indem Er „Um den göttlichen Befehlen gehorsam sein
sie sendet. Hinter allem steht seine Liebe zu zu können, müssen wir sie genau kennen,
uns – auch wenn wir das nicht immer sofort daher auch uns viel mit ihnen beschäftigen,
verstehen können. darüber sinnen ... Die Übermütigen sind
keines ernstlichen Gedankens wert. Das
(Vers 76): „Lass doch deine Güte mir zum Schlimmste, was sie uns antun könnten,
Trost sein, nach deiner Zusage an deinen wäre, wenn sie uns von dem stillen Umgang
Knecht (1).“ mit Gott und seinem Wort abbrächten“
(1) Vers 50 (C. H. Spurgeon).
Gottes Erziehungswege ohne seinen Trost
würden uns mutlos und verzweifelt machen. 11. Das Wort – die Quelle der Kraft
in Prüfungen (V.81–88)
(Vers 77): „Lass deine Erbarmungen über
mich kommen, so werde ich leben (1); denn Kommentar:
dein Gesetz ist meine Wonne.“ (V. 81–84) Die Antwort auf die Gebete des
(1) Ps 118,17 Psalmisten lässt auf sich warten. Widrige
„So werde ich leben“ – der Herr Jesus Umstände verzehren seine Kraft. Doch dient
spricht auch von einer neuen „Lebensqua- seine ganze Lage nur dazu, sein Vertrauen
lität“ (Joh 10,10). auf Gott zum Vorschein zu bringen.
(V. 85–87) Die Gottlosen haben den Psal-
(Vers 78): „Lass beschämt werden die misten ohne Ursache verfolgt. Aber sie
Übermütigen; denn sie haben mir ohne sind nicht nur seine Feinde, sondern auch
Grund Unrecht getan: Ich sinne über deine die Feinde Gottes, dessen Gesetz sie
Vorschriften (1).“ verachten.
(1) Vers 23 (V. 88) In seiner Not wendet sich der Psal-
Die Übermütigen waren Menschen, die mist an Gott, nicht nur wegen der Befreiung
es dem Psalmisten sehr schwer gemacht aus den Umständen, sondern auch, um
hatten. Er erwähnt sie sechsmal in diesem innerlich belebt zu werden.
Psalm: Verse 21.51.69.78.85.122.

(Vers 79): „Lass sich zu mir wenden, die Studienhilfen:


dich fürchten und die deine Zeugnisse
kennen!“ (Vers 81): „Meine Seele schmachtet(1) nach
In Vers 63 sagt der Psalmist, dass er sich deiner Rettung, ich harre auf dein Wort.“
zu den Gottesfürchtigen hält. Hier bittet (1) V. 123
er darum, dass diese auch zu ihm stehen Der HERR wird das Vertrauen nicht enttäu-
möchten. schen, dass sein Wort selbst hervorgerufen
hat.
(Vers 80): „Lass mein Herz untadelig sein
in deinen Satzungen, damit ich nicht (Vers 82): „Meine Augen schmachten (1)
beschämt werde.“ nach deiner Zusage, indem ich spreche:

Folge mir nach


23
Wann wirst du mich trösten?“ Mundes bewahren (2).“
(1) Jes 38,14 (1) V.25.37.40.107.149.154.156.159
Das lange Ausharren ist eine besondere Not (2) beachten
für den Psalmisten. Wenn unsere inneren Kräfte vom Herrn
belebt werden, können wir auch dem Feind
(Vers 83): „Denn wie ein Schlauch im Rauch mit neuer Kraft entgegensehen.
bin ich geworden; deine Satzungen habe ich
nicht vergessen (1).“ Zitat:
(1) Vers 16 „Diese Verse, mit denen wir an die Mitte
Die Hitze (der Rauch) des ständigen Wider- des Psalms kommen, sind zugleich auch
standes hatte ihn ausgedörrt, aber an gleichsam seine Mitternacht, und sehr
Gottes Wort hielt er fest. düster ist ihr Dunkel. Doch leuchten
Sterne durch die Finsternis, und der
(Vers 84): „Wie viele werden der Tage deines letzte Vers lässt schon das Morgengrauen
Knechtes sein? Wann wirst du Gericht üben ahnen. Der Ton, die ganze Stimmung des
an meinen Verfolgern?“ Psalms wird fortan freudiger werden“
Die beiden Fragen scheinen zusammen zu (C. H. Spurgeon).
gehören, so dass der Psalmist fragt: Wie
viele Tage muss ich noch in diesen
Umständen sein? Wann wirst Du mich 12. Das Wort – die Quelle der
befreien? Stabilität (V. 89–96)

(Vers 85): „Die Übermütigen haben mir Kommentar:


Gruben (1) gegraben, sie, die nicht nach (V. 89) Trotz aller Probleme und Nöte auf
deinem Gesetz sind.“ der Erde: Gottes Wort steht unerschütter-
(1) Ps 35,7 lich fest in den Himmeln.
Es war gut für David, dass seine Feinde (V. 90–91) Nicht nur im Himmel, auch auf
auch Gottes Feinde waren, deren Tun nicht der Erde gibt es Zeugnisse für Gottes
die Billigung des HERRN fand. Treue. In jeder Generation gibt es solche,
die dies gerne bestätigen. Und auch die
(Vers 86): „Alle deine Gebote sind Treue. Schöpfung ist ein gewaltiges Zeugnis
Sie haben mich ohne Grund(1) verfolgt: für Gottes Treue – Er erhält täglich seine
Hilf mir!“ Schöpfung.
(1) V. 78 (V. 92–93) Das Bekenntnis des Psalmisten
Die Gebote des HERRN sind treu und der zu der Treue Gottes wird auf die Probe
Geber dieser Gebote ist treu. Er wird sein gestellt. Fast wäre er umgekommen, wenn
Wort in Treue erfüllen. da nicht die Freude an Gottes Wort gewe-
sen wäre, die ihn immer wieder belebt und
(Vers 87): „Wenig fehlte (1), so hätten sie gestärkt hat in seinen Problemen.
mich vernichtet auf der Erde (2); ich aber, ich (V. 94–96) Noch hat sich seine Lage nicht
habe deine Vorschriften nicht verlassen.“ geändert, noch ruft er zu Gott um Rettung.
(1) Ps 94,17 Aber in dieser Situation bleibt ihm das
(2) oder: im Land Nachdenken über Gottes Wort, die Quelle
seiner Kraft in allen Lagen.
(Vers 88): „Belebe (1) mich nach deiner
Güte, und ich will das Zeugnis deines

24
Bibelstudium – Psalm 119

Studienhilfen: wirksamen Begründung (ich bin dein)


– der HERR wird die Seinen nicht im Stich
(Vers 89): „In Ewigkeit, HERR, steht dein Wort lassen.
fest in den Himmeln (1).“
(1) Ps 89,3 (Vers 95): „Die Gottlosen haben mir aufge-
Sein Wort ist fest, unerschütterlich. Diese lauert, um mich umzubringen; ich achte auf
Festigkeit hat ihren Sitz da, wo Gott ist, deine Zeugnisse.“
dessen Thron ebenfalls unerschütterlich Sich von nichts und niemand davon abbrin-
ist. gen lassen, auf Gottes Wort zu achten
– eine vorbildliche Haltung!
(Vers 90): „Von Geschlecht zu Geschlecht
währt deine Treue; du hast die Erde festge- (Vers 96): „Von aller Vollkommenheit habe
stellt, und sie steht.“ ich ein Ende gesehen; sehr ausgedehnt ist
Die Treue Gottes haben Generationen von dein Gebot.“
Gläubigen erfahren. Alles Irdische hat seine Grenze, seine
Tipp für ein Wortstudium: „von Geschlecht Unvollkommenheit. Gottes Wort ist ewig.
zu Geschlecht“.
Zitat:
(Vers 91): „Nach deinen Verordnungen
stehen sie heute da, denn alle Dinge (1) „Im vorigen Abschnitt sahen wir den
dienen dir (2).“ Psalmisten in großer Bedrängnis, hier
(1) eig. das Ganze (d.h. das ganze Weltall) aber atmet er erleichtert auf, denn die ihn
Gott ist nicht nur der Schöpfer, sondern umgebende Dunkelheit ist gewichen ...
auch der Erhalter des Universums. Solche Aussprüche in der Heiligen Schrift
(2) Die Schöpfung ist für Gott, für den Herrn beweisen aufs Deutlichste, welchen Vorteil
Jesus geschaffen( vgl. Kol 1,16). derjenige hat, der seine Freude am Worte
Gottes findet“ (Paul Grobety).
(Vers 92): „Wäre nicht dein Gesetz meine
Wonne gewesen, dann wäre ich umgekom-
men in meinem Elend.“ Michael Vogelsang
Das gleiche Wort, das das Universum
erhält, hält auch den Gläubigen aufrecht in
schwierigen Umständen.

(Vers 93): „Auf ewig werde ich deine Vor-


schriften nicht vergessen, denn durch sie
hast du mich belebt.“
Wenn wir einmal die belebende Kraft eines
Bibelwortes erfahren haben, werden wir es
so schnell nicht wieder vergessen.

(Vers 94): „Ich bin dein (1), rette mich;


denn ich habe nach deinen Vorschriften
getrachtet.“
(1) Ps 79,13
Eine konkrete Bitte (rette mich) mit einer

Folge mir nach


25
Paul Gerhardt –
Dichter der Christenheit
12.03.1607 – 27.5.1676

L ieder wie „Befiehl du deine Wege“ „Du meine Seele,


singe“ und „O Haupt voll Blut und Wunden“ sind wohl manchen
der Leser gut bekannt. Sie entstammen der Feder eines Mannes,
der vor ungefähr 400 Jahren geboren wurde.

Paul Gerhardt wurde Wirren des Dreißigjährigen Krieges werden


am 12. März 1607 sicher auch den Universitätsbetrieb mehr
in Gräfenhainichen oder weniger zum Erliegen gebracht haben.
geboren. Die ersten Ende 1651 wurde er Propst1 in Mittenwalde
Schulkenntnisse bei Berlin und Inspektor der umliegenden
wurden ihm in der Landpfarreien.
aus zwei Klassen beste-
henden Schule seiner Der Liederdichter
Heimatstadt vermit-
telt. Später brachte Immer wieder, eigentlich sein ganzes Leben
ihn sein Vater auf eine lang, hat Gerhardt gedichtet. Einen Großteil
der drei berühmten der uns heute noch bekannten Gedichte hat
sächsischen Landesschulen, die Domschule er bereits zwischen 1643 und 1653, also im
nach Grimma. Schon recht früh trat das Leid Alter von 37 bis 47 Jahren, verfasst. Er hatte
in sein Leben. Zuerst starb sein Vater. Als er Kontakte zu Johan Crüger, dem Kantor2 der
14 Jahre alt war, wurde auch seine Mutter Berliner Nicolai-Kirche, einem begabten
abgerufen. Mit drei Geschwistern stand er Kirchenmusiker, der damals auch Gesang-
jetzt allein auf der Welt. bücher im Berliner Raum zusammenstellte.
Schon in diesem Alter durfte er Erfahrungen Dadurch gelangten Gerhardts Dichtungen,
mit seinem Gott machen und lernte, sein mit eingängigen Melodien aus Crügers Feder
Vertrauen auf Ihn zu setzen. Aus erhalten versehen, in die Gesangbücher. So fanden
gebliebenen Zeugnissen der Jahre 1624 und sie schnelle, weite und lang anhaltende
1625 lässt sich entnehmen, dass er ein fleißi- Verbreitung. Die letzte von Crüger redigierte
ger, gut gesitteter Schüler war. Im Dezember Ausgabe im Jahr 1667 enthielt bereits 95
1627 verließ er Grimma und begann an der Lieder von Paul Gerhardt.
Wittenberger Universität das Studium der Eine ganz bemerkenswerte Dichtung ist das
Theologie. Es ist jedoch nicht bekannt, wo Lied „Befiehl du deine Wege“: Jede Strophe
er sich in den Jahren 1628-42 aufhielt. Die beginnt mit einem Wort aus Psalm 37,5, so

1
In der evangelischen Kirche Titel des Stellvertreters eines Bischofs in der Kirchenleitung für eine bestimmte Region
oder Oberhaupt eines Kirchenbezirks.
2
Vorsänger bzw. Chorleiter im Gottesdienst

26
Paul Gerhardt – Dichter der Christenheit

dass insgesamt 12 Strophen entstanden. Die Tröster aus eigenem Erleben


erste (und einige weitere) sind zum erneuten
Einprägen sicher sehr wertvoll, weshalb wir Am 19. Mai 1656 wurde ihnen am Geburts-
sie hier wiedergeben: tag von Anna Maria eine Tochter geschenkt.
Aber sie blieb den Eltern nicht lange
Befiehl du deine Wege, erhalten. Ein halbes Jahr später, am 28.
Und was dein Herze kränkt, Januar 1657, ist das Kind in der Kirche
Der allertreusten Pflege, zu Mittenwalde begraben worden. Noch
Des, der den Himmel lenkt, drei Mal mussten die beiden Eheleute an
Der Wolken, Luft und Winden Gräbern ihrer Kinder stehen. Ein zweites
Gibt Wege, Lauf und Bahn, Töchterchen starb bereits 14 Tage nach
Der wird auch Wege finden, seiner Geburt. Ihr Sohn Andreas, zwei
Da dein Fuß gehen kann. Jahre später geboren, scheint ebenfalls
wenige Tage nach seiner Geburt gestor-
Ehe in bitterer Armut ben zu sein. Nach der Geburt des dann
folgenden Söhnchens Paul Friedrich wurde
Er heiratete im Februar 1655 Anna Maria, seine Frau sehr leidend. Noch einmal gab
geb. Berthold. Es folgte eine glückliche Zeit, sie einem Kinde das Leben; es starb jedoch
aber wenig später schon kamen so manche bald nach der Geburt. Dann wuchs sich ihr
notvolle Umstände. Eine alte Geschichte Brustleiden zu unheilbarem Siechtum aus.
berichtet davon. Als nicht einmal mehr ein Zwei Ärzte mühten sich um sie, aber sie
Stäublein Mehl im Kasten und keine Rinde vermochten die Schwindsucht nicht mehr
Brot mehr im Schrank gewesen war, sei zu bannen. Bewegend ist die Geschichte
seine Frau mit Sorgen zu Paul Gerhardt ihres Heimgangs. Der Gatte sah, wie es
gekommen mit den Worten: „Gib mir nur mit ihr zu Ende ging. Er wollte sie gern
einen Groschen, dass ich das Allernötigste auf die Todesstunde vorbereiten, ohne sie
zu erschrecken. Als sie ihn bat, ihr doch
aus seinem geschriebenen Gesangbuch
Sterbe- und Passionslieder vorzulesen, ver-
suchte der Dichter der großen Trostchoräle
seine Frau mit seinen eigenen Liedern zu
trösten:

Wenn ich einmal soll scheiden,


so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
kaufen kann. Sonst kann ich dir heute so tritt du dann herfür;
nicht einmal den Tisch zu Mittag decken!“ wenn mir am allerbängsten
Aber nicht ein Kreuzer3 fand sich. Der treue wird um das Herze sein,
Ehemann tröstete: „Ich will dir eine Speise so reiß mich aus den Ängsten
besorgen, die nicht vergeht.“ Er setzte kraft deiner Angst und Pein.
sich in sein Gartenhaus und schrieb das
Lied „Befiehl du deine Wege“, welches Von Anna Maria Gerhardt liegt ein ergrei-
wohl zu den bekanntesten der 133 Lieder fendes Tagebuch vor, in dem sie ihren
gehört, die aus der Feder Paul Gerhardts persönlichen Empfindungen bei vielen,
hervorkamen. meistens schmerzlichen Anlässen Ausdruck
gab. Es endet vor ihrem Heimgang mit den
beeindruckenden Worten: „In deine Hände
3
Ein Geldstück mit geringem Wert, vergleichbar dem heutigen Cent.
Folge mir nach
27
Paul Gerhardt – Dichter der Christenheit

befehle ich Seele und Leib! Ich kann nicht Gerhardt in dem kleinen Spreewaldstädtchen
mehr – die Hand zittert! Christus ist mein gewirkt, still und bescheiden, wie es seinem
Leben und Sterben, mein Gewinn“4. Wesen entsprach.
Am 5. März 1668 ist sie dann heimgegangen. In diesem Mann haben wir einen Christen
Sie wurde neben ihren Eltern und Kindern kennen gelernt, der in den von Gott gesand-
in der Nikolaikirche beigesetzt. ten Prüfungen und Nöten nicht zerbrochen
ist, sondern in seinem Gottvertrauen gewach-
Gewissensnot im Kirchenstreit sen ist. Durch den Trost, mit dem er selbst
von Gott getröstet wurde, war er in der Lage,
Es waren nicht nur die Kriegsnöte des 30- andere zu trösten, die in ähnliche Umstände
jährigen Krieges und die tiefen Leiden in der gekommen sind. Durch seine Lieder und
eigenen Familie sowie die Anfeindungen Verse erleben auch heute noch manche
neidischer Amtskollegen, die ihn mit seinen leidgeprüfte Menschen diesen Trost. Woher
Liedern zum großen Tröster der Christenheit nimmt ein Mensch in solchen Leiden und
machten, sondern die traurigen Erfahrungen, schwierigen Umständen noch Freude und
die er als bekennender Christ in der Kirche Kraft zum fröhlichen Christsein? Fragen wir
seiner Zeit machte. Nachdem Paul Gerhardt Paul Gerhardt selbst und lassen ihn durch
im Sommer 1657 als Kirchendiener an St. seine Lieder antworten:
Nikolai nach Berlin kam, verwaltete er dort
fünf Jahre friedlich sein Amt. Als sich der Kur- Warum sollt ich mich denn grämen?
fürst dann der reformierten Lehre verpflich- Hab ich doch Christum noch;
tete, kam er jedoch in tiefe innere Konflikte. Wer will mir den nehmen?
Paul Gerhardt hielt aus Gewissensgründen an
der lutherischen Lehre fest und wurde deswe- Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden,
gen seines Amtes enthoben. Zwar wurde er Du bist mein, ich bin dein;
nach einer Zeit aufgrund vieler Bittschriften Niemand kann uns scheiden.
und Bemühungen wieder in sein Amt einge-
setzt, verzichtete aber um seines Gewissens Sollt ich meinem Gott nicht singen?
und Bekenntnisses willen im Februar 1667 Sollt ich ihm nicht dankbar sein?
darauf. In der folgenden Berliner Zeit blieb Denn ich seh in allen Dingen,
er ohne Anstellung, war aber nicht untätig Wie so gut er’s mit mir mein’.
und auch nicht mittellos. Die Frucht der freien Ist’s doch nichts als lauter Lieben,
Jahre waren seine reifsten Lieder. Dabei ist es Das sein treues Herz bewegt,
schön zu sehen, dass Paul Gerhardts Lieder Das ohn’ Ende hebt und trägt,
frei sind von jeder konfessionellen Polemik Die in seinem Dienst sich üben.
und weiterhin Trost im Glauben vermitteln, Alles Ding währt seine Zeit,
der allen Christen gilt. Gottes Lieb in Ewigkeit.

Das Gedächtnis des Gerechten Zudem sind die Lieder über das Leiden
ist zum Segen des Herrn (zum Teil aus alten lateinischen
Hymnen abgeleitet) ebenfalls bis heute von
Doch das Leben ging weiter. 1669 bot ihm großem Wert. Seit Jahrhunderten singen
Lübben in der Lausitz die Stelle des Archidi- Christen mit innerer Anteilnahme Lieder
akonus an. So verließ er Kurbrandenburg wie „O Haupt voll Blut und Wunden“ und
und kehrte nach Kursachsen zurück. Von profitieren damit auch von der Wertschätzung
mehreren Kindern war nur ein Sohn, Paul Gerhardts für seinen Herrn und Heiland.
Friedrich, übrig geblieben, der ihn überlebt
hat. Bis zum Tode am 27. Mai 1676 hat Paul Rainer Möckel
4
Zitiert aus Dr. E. Dönges, Ich singe dir mit Herz und Mund, Dillenburg 1989, S. 19

28
Freiwillige gesucht!

Freiwillige gesucht!

W er möchte gerne Freiheit und


Freude haben? Wer will das tun, was
für ihn das Beste ist? Aber bitte nur
freiwillig. Das kannst du erleben, wenn
du mit dem Herrn Jesus lebst.

Das Vorbild aller Freiwilligen ist der Herr christliche Freiheit, um geleitet durch den
Jesus selbst: Er wurde Mensch, um den Heiligen Geist seinen Willen zu tun. Die
Willen Gottes zu tun. Er erniedrigte sich Belohnung ist sein Segen für dein Leben,
selbst, war gehorsam bis zum Tod am Kreuz. sein Beistand in allen Lagen.
Er hätte seinen Leiden aus dem Weg gehen Du darfst deine Zeit für Ihn einsetzen, in
können, hätte seine Macht gebrauchen seinem Werk arbeiten. Aber du musst es
können, um sich selber zu helfen. Aber Er litt nicht. Du kannst auch für dich leben, für
und starb – freiwillig, aus Liebe –, um mich deine Hobbys, für dein Vergnügen. Wundere
und dich zu retten. dich dann aber nicht, wenn dich manchmal
Im eigentlichen Sinn war Er der Einzige, der ein Gefühl von Leere überkommt, der
wirklich freiwillig und in Gehorsam auf dieser Gedanke, du würdest etwas verpassen.
Erde lebte – und starb. Seit dem Sündenfall Freude und Befriedigung schenkt Er nur in
Adams sind die Menschen nämlich geknech- seiner Nachfolge und in seinem Dienst.
tet unter die Sünde, die ihr Leben beherrscht Wofür verbrauchst du dein Geld? Für dich,
– es sei denn, Gott schenkt Glauben, Sün- oder hast du etwas für Ihn übrig? Gib Ihm,
denerkenntnis und Vergebung. Dies kann aber „nicht mit Verdruss oder aus Zwang,
Gott tun, und tut Er, weil der Herr Jesus denn einen fröhlichen Geber liebt Gott“
durch seinen Opfertod die Grundlage dafür (2. Kor 9,7). Wie antwortet Gott darauf? Er
geschaffen hat. vermag jede Gnade gegen uns überströmen
Darum lädt Gott dich freundlich ein, zu Ihm zu lassen (Vers 8)!
umzukehren und den Heiland im Glauben Ich möchte nicht noch mehr aufzählen. Mach
anzunehmen, auch wenn es natürlich wahr dir einmal selbst Gedanken, welche Bereiche
bleibt, dass Er jedem Menschen gebietet, deines Lebens dieser christliche Grundsatz
Buße zu tun (Apg 17,30). Aber Er überlässt noch betrifft. Vorschriften und Anordnungen
dir die Entscheidung. Er bittet um dein Herz. gibt es im Neuen Testament wenige, „damit
Und wir bitten an Christi Statt: „Lasst euch deine Wohltat nicht wie gezwungen, sondern
versöhnen mit Gott.“ Und dann schenkt Gott freiwillig sei“ (Phlm 14).
ewiges Leben.
Bist du ein Christ, dann bittet der Herr dich, Matthias Franke
Ihm nachzufolgen. Er zeigt dir wirkliche,
Folge mir nach
29
Justizmord in
Jerusalem

I st es jemals vorgekommen, dass jemand sechsmal vor verschiedenen welt-


lichen und religiösen Gerichten verhört, öffentlich mehrmals für unschuldig
erklärt und dann doch hingerichtet wurde? Ja. In Jerusalem. Vor fast 2000
Jahren geschah dort ein klassischer Justizmord1. Wahrscheinlich vermutest du es
schon: Ich meine den Kreuzestod unseres Heilandes und Herrn, Jesus Christus.
Wir wollen uns diesen Prozess einmal genauer ansehen und werden feststellen,
dass die innere, moralische Herrlichkeit des Herrn Jesus umso größer erstrahlte,
je mehr die Bosheit des Menschen zutage trat.

Alles begann mit der Gefangennahme in vorbereitet und Judas Iskariot für den bil-
Gethsemane. Zwar hatten die Obersten ligen Verrat gewinnen können. Aber die
in Israel schon vorher heimlich ihre Tat Verschwörung gegen den Herrn tritt erst
dort richtig ans Licht. Judas kommt mit einer
beträchtlichen Anzahl von Männern nach
Gethsemane. Wie einen Verbrecher nehmen
sie Jesus fest und führen Ihn zuerst zu Annas,
dem Schwiegervater des Kajaphas, des
Hohenpriesters. Ob bereits dies eine straf-
prozessrechtlich zulässige Festnahme war, ist
sehr zu bezweifeln, denn sie war nicht von
den Herrschern im Land, den Römern, in
die Wege geleitet worden.

Hier beginnt der beispiellose „Gerichtspro-


zess“ gegen den Herrn Jesus, der sich über
6 Verhöre, viele Misshandlungen bis zur
Hinrichtung am Kreuz von Golgatha hinzieht
– für den sensationslüsternen Menschen von
damals ein interessantes Schauspiel, aber
für den Gläubigen ein Anlass zur Anbetung
1
Hinrichtung eines Unschuldigen infolge von Justiz-
irrtum oder Rechtsmissbrauch (Brockhaus, Enzyklo-
Der Garten Gethsemane pädie).

30
Justizmord in Jerusalem

des Sohnes Gottes, der dies alles über sich begann, hatten sie keinen Zeugen, denn
ergehen ließ, weil Er uns so sehr liebte und Judas war nicht zugegen. Daher mussten
sich selbst für uns hingeben wollte (vgl. sie Zeugen suchen (Mt 26,59).
Eph 5,2). Sie stachelten also Zeugen an, aber diese
waren in ihren Aussagen nicht überein-
1. Das informelle erste Verhör vor stimmend – das hätten sie auch sorgfältiger
Annas (Joh 18,13.19–23) planen müssen. Deshalb wurde der Ange-
klagte selbst aufgefordert, zu den wider-
Es war ungefähr Mitternacht, als der Herr sprüchlichen Zeugenaussagen Stellung zu
sich dem ersten Verhör vor Annas unterzie- nehmen oder gar seine eigene Anklage zu
hen musste. Annas versuchte, dem Herrn formulieren (Mk 14,60)!
eine Falle zu stellen, und begann, Ihn über
seine Gefolgschaft und Lehre zu befragen Zwei Anklagepunkte
(Joh 18,19). Der Herr antwortete ihm
nur, er solle diejenigen fragen, die seine Seine Verkläger brachten insbesondere zwei
Lehre gehört hatten, woraufhin sich einer Vorwürfe vor:
erdreistete, den unverurteilten, noch dazu
gebundenen Angeklagten, zu schlagen. Hier 1. Jesus hatte gesagt, Er wolle den Tempel
erfüllte sich zum ersten Mal das Wort des abbrechen und in drei Tagen einen anderen
Propheten aus Jesaja 50,6: „Ich bot meinen aufbauen, der nicht mit Händen gemacht
Rücken den Schlagenden und meine wäre (Mk 14,58).
Wangen den Raufenden“. Obwohl Gott es 2. Man warf Ihm vor, Er habe gelästert,
schon prophezeit hatte und es also eintreten indem Er behauptet hätte, der Sohn Gottes
musste, nimmt dies nicht die Verantwortung zu sein (Mt 26,63.65).
des Menschen für sein Tun hinweg. Es war
eine hinterhältige, ungesetzliche Handlung. Als der Herr zum ersten Vorwurf befragt
Der Herr war erstens unschuldig, zweitens wurde, schwieg er nur. Gegen diese absurde
gebunden, außerdem war das Schlagen Anklage war keine Verteidigung erforderlich.
eigenmächtig und entbehrte damit jeder Aber Kajaphas wollte eine Antwort erzwin-
gesetzlichen Grundlage. gen, also ging er zum zweiten Anklagepunkt
über, indem er sagte: „Ich beschwöre dich
2. Das inoffizielle Verhör vor bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst,
Kajaphas und vor dem Synedrium ob du der Christus bist, der Sohn Gottes“.
(Mk 14,53–64; Mt 26,57–66) Es scheint fast, als sei in Kajaphas eine
schreckliche Ahnung aufgestiegen bezüglich
Trotz der späten Stunde sandte Annas den der Identität dieses still leidenden, schwei-
Herrn gebunden zu Kajaphas, wo eine der genden Mannes, der sich noch nicht einmal
schändlichsten illegalen Gerichtsverhand- verteidigte.
lungen der Menschengeschichte stattfinden
sollte. Endlich hatte man diesen Menschen Die Juden meinten, der Herr Jesus habe
gefangen, der nach Meinung der Obersten sich der Gotteslästerung schuldig gemacht,
der Juden nur das Volk verführte und damit indem Er Gott seinen Vater nannte (vgl.
ihr eigenes Ansehen gefährdete. Seine Joh 5,18). Dies bedeutete nämlich, dass Er
Aburteilung ließ keinen Aufschub zu. Also sich Gott gleich machte, was, wäre der Herr
musste es möglichst noch in der Nacht nur Mensch gewesen, einer Gotteslästerung
geschehen, damit das einfache Volk nichts gleich gekommen wäre. Auf diese stand
davon mitbekam. nach jüdischem Recht die Todesstrafe (3. Mo
Die Ältesten und Schriftgelehrten versam- 24,16). Aber Er hatte sich mehrmals als der
melten sich um Christus. Als das Verhör Christus erwiesen, so dass auch die Juden
Folge mir nach
31
Auf die Antwort des Herrn hin – der Sohn
Gottes zu sein – erklärten Ihn seine jüdi-
schen Richter für todesschuldig, obwohl
sie keinesfalls davon überzeugt waren, dass
Er wirklich nicht der Sohn Gottes war (vgl.
Joh 7,41; 12,46). Da sie aber aufgrund
der römischen Herrschaft das Urteil nicht
selbst vollstrecken konnten, mussten sie bis
zum Morgen warten. Den Rest der Nacht
überließen sie Jesus also der „Obhut“ der
Soldaten, die ihren gewalttätigen Spott mit
Ihm trieben ...

3. Das Verhör vor dem Synedrium


(Lk 22,6–71; Mk 15,1; Mt 27,1)

Am nächsten Morgen fand das erste recht-


mäßige Verhör statt – nämlich keines zur
Nachtzeit (vgl. Jer. 21,12) – aber es scheint
nur ein kurzes gewesen zu sein. Der Herr
wissen mussten, dass eben keine Gottes- hatte in der vergangenen Nacht deutlich
lästerung vorlag. Seine Macht, sein Reden, seine Gottheit bezeugt, so dass man es
alles an Ihm war vollkommen göttlich, was nicht unnötig in die Länge zu ziehen
die Juden auch bemerkt hatten (vgl. z.B. Joh brauchte. Also kamen seine Ankläger
7,46; 12,42). Und wie viele Prophezeiungen ohne Umschweife auf den entscheidenden
des Alten Testaments hatten sich schon in Punkt zu sprechen: „Wenn du der Christus
seiner Person erfüllt! bist, so sage es uns“ (Lk 22,67). Der Herr
Jesus bestätigte in aller Schlichtheit, dass
Er erfüllt das Gesetz

Nun schweigt der Herr Jesus aber nicht


mehr, sondern bejaht diese Frage und ent-
spricht mit dieser Haltung dem Gesetz, das
bei einem Schwur eine Antwort forderte (3.
Mo 5,1). Daraufhin zerreißt der Hohepries-
ter entgegen der gesetzlichen Anordnung
(3. Mo 10,6.7) seine Kleider. Wie sehr passt
das alles in den Rahmen eines alles Recht
beugenden Prozesses, dass dieser Hohe-
priester gegen das Gesetz handelt und vor
dem allein vollkommen gehorsamen Diener
Gottes seine Kleider zerreißt! Wer stand hier
eigentlich vor Gericht – der Mensch oder Er es sei (V. 70). Wir können Ihn in dieser
Gott? Wer könnte ganz verstehen, warum Szene erneut nur bewundern, dass Er sich
der Herr Jesus sich vor diesem falschen herabließ, seinen Geschöpfen auf diese
menschlichen Gericht so hat behandeln unverschämten Fragen zu antworten, und
lassen? Wir bewundern wiederum seine das in einer demütigen Weise, die ihresglei-
Liebe und seinen Gehorsam. chen sucht.

32
Justizmord in Jerusalem

Das Synedrium erkannte schließlich, dass richten. Aber die Juden wussten, dass sie
sie keine (falschen) Zeugen brauchten (V. den Gehassten auf diese Weise nicht zu
71), da Er den Anklagepunkt – dass Er Tode bringen konnten, da die Römer ihnen
behauptete, Christus, der Sohn Gottes zu dieses Recht genommen hatten. Außerdem
sein – selbst bestätigt hatte. Das genügte wollten sie keine Steinigung, sondern hatten
ihnen, den Herrn bei der eigentlichen Macht die furchtbare Hinrichtungsmethode der
im Land, der römischen Besatzung, anzu- Römer ins Auge gefasst. Also brachten sie
klagen. Sie wussten ohnehin, dass sie Ihn weitere „politische“ Tatvorwürfe vor, die
keiner wirklichen Straftat nach römischem – wie sie meinten – auch Pilatus interessieren
Recht bezichtigen konnten. mussten:

4. Das erste Verhör vor Pilatus Er verführt die Nation;


(Mt 27,2.11–14; Mk 15,1–5; Er „wehrt, dem Kaiser Steuer zu geben“
Lk 23,1–5; Joh 18,28–38) (Lk 23,2). Das war eine glatte Lüge.
Der Herr Jesus hatte gesagt: „Gebt dem
Frühmorgens führten die Juden den Herrn Kaiser, was des Kaisers ist ...“ (Mt 22,21;
zum Palast des Pilatus. Nur gingen sie in Mk 12,17; Lk 20,25), also die rechtmä-
ihrer heuchlerischen Scheinheiligkeit nicht ßigen Steuern;
hinein, um sich nicht zu verunreinigen, damit Er sagt, dass er selbst Christus, ein König
sie das Passah essen könnten (Joh 18,28). sei.
Die „religiöse“ Bosheit dieser Menschen ist
abschreckend. Notgedrungen kommt also Pilatus aber war von der Unschuld des Herrn
Pilatus zu ihnen heraus. überzeugt; umso mehr wunderte er sich
Was für ein Anblick muss sich ihm geboten darüber, dass der Herr sich nicht verteidigte,
haben? Inmitten der aufgebrachten jüdischen sondern schwieg 2. Einmal mehr erfüllte
Würdenträger mit prunkvollen Kleidern sah sich hier die Prophezeiung aus Jesaja 53,
er einen im Gegensatz dazu bescheidenen dass Er seinen Mund nicht auftat, „wie ein
ruhigen Mann, den aber eine unerklärliche Lamm, das zur Schlachtung geführt wird“
Hoheit und Majestät umgab ... (vgl. Jes 53,7).

Die Obersten der Juden wussten genau, Der römische Richter prüfte die Anklage-
dass der römische Richter ihre soeben punkte und musste schließlich feststellen:
festgelegte Todesstrafe nicht ohne weiteres „Ich finde keine Schuld an diesem Men-
anerkennen würde. Zumindest nicht mit der schen“ (Lk 23,4). Das brachte seine Kläger
„religiösen“ Begründung, der Angeklagte in Wut, weil sie ihre Hoffnung auf seine
habe gesagt, er sei Gottes Sohn. Also Hinrichtung schwinden sahen. So erwei-
versuchten sie zunächst, keine bestimmte terten sie ihre Anklage aufgeregt darauf,
Anklage vorzubringen, sondern verkündeten dass Er das ganze Volk sogar bis Galiläa
hochmütig: „Wenn dieser nicht ein Übeltäter durch seine Lehren aufgewiegelt hätte (vgl.
wäre, hätten wir ihn dir nicht überliefert“ Lk 23,5). Auch Pilatus hatte sicher von den
(Joh 18,30). Sie wollten kein ordentliches vielen Wundertaten gehört, die der Herr
Gerichtsverfahren, sondern die Erlaubnis, getan hatte; er wusste aber, dass Jesus
Jesus zu töten! keineswegs das Volk aufgewiegelt hatte,
sondern dass seine Ankläger Ihn nur aus
Doch auch Pilatus war schlau und schob Neid überliefert hatten (Mk 15,10). Ihre
ihnen den Fall wieder zu. Er schlug ihnen Wut machte sie sogar so blind, dass sie
vor, den Herrn nach ihrem Gesetz zu nicht einmal merkten, wie wenig schlüssig
2
Das Reden des Herrn zu Pilatus in Johannes 18,34-38 scheint eher ein Dialog zwischen Ihm und Pilatus abseits
der eigentlichen Verhandlung gewesen zu sein.
Folge mir nach
33
und sogar lächerlich ihre Anklage war. 6. Das zweite „Verhör“ vor Pilatus
Doch das Stichwort Galiläa griff Pilatus und das Urteil (Mt 27,25–30;
sofort auf, denn das eröffnete ihm die Mög- Mk 15,6–19; Lk 23,13–25;
lichkeit, dieses unangenehme Verfahren Joh 19,8–15)
loszuwerden! Er schickte den Gefangenen
also zuständigkeitshalber (Lk 23,7) zu Herodes hatte Jesus voll Verachtung zu Pila-
Herodes. tus zurückgesandt und diesem damit wieder
das Verfahren zugeschoben. Doch da kam
5. Das Verhör vor Herodes Pilatus ein guter Einfall. Es bestand ja der
(Lk 23,6-12) Brauch, beim Passahfest einen Gefangenen
freizulassen! Da konnte er ja doch noch zu
Herodes freute sich, diesen eigenartigen seinem Ziel kommen und den Unschuldigen
Jesus endlich einmal zu sehen. Offenbar loswerden, ohne sich mit den Juden zu über-
hielt er Ihn für eine Art Zauberer und hoffte, werfen – denn das wollte er auch nicht.
Er würde einige interessante Wunderwerke
vor ihm tun. Doch da hatte sich Pilatus verrechnet. Die
Der Herr Jesus aber – in seiner göttlichen Juden wollten lieber den aufrührerischen
Würde – ignorierte diesen „Fuchs“, wie Er Verbrecher Barabbas frei bekommen, diesen
ihn bei einer früheren Gelegenheit nannte Jesus hingegen wollten sie loswerden. Der
(Lk 13,32), und antwortete ihm nichts (Lk Herr Jesus stand in seiner göttlichen Ruhe
23,9). Jetzt zeigte auch Herodes seine ganze still zwischen den politischen Fronten. Er
war sozusagen ihr Spielball.
Alle Juden vereint – Hohe-
priester (Mk 15,11), Älteste
(Mt 27,20) und die wütende
Volksmenge – forderten nun
lautstark die Freilassung des
Barabbas.

Pilatus fragte anschließend


danach, was er denn mit
Jesus machen solle (Mk
15,12). Dies scheint eher ein
Ausdruck seines Erstaunens
über die seltsame Wahl als
ein echtes Interesse über das
weitere Vorgehen auszudrü-
Bosheit: Unter der oberflächlichen Kulti- cken. Diese Frage rief jedoch die furchtbare
viertheit kam die rohe, hässliche Gemein- Forderung der Volksmenge hervor, die im
heit dieses Mannes zum Vorschein, und er Begriff stand, ihren Messias umzubringen.
verlachte und verspottete den Sohn Gottes, „Kreuzige, kreuzige ihn!“ riefen sie. Man
der zwar in Menschengestalt demütig als meint, das Echo dieses folgenschweren
Gefangener und doch so unendlich erhaben Verlangens immer noch zu hören, denn die
vor ihm stand. Welt würde heute noch genauso den Tod
des Sohnes Gottes fordern.
Als Erlöste dürfen wir mit Staunen zurück-
blicken auf die Größe des Herrn in diesen In diesem Moment kommt es zu einer
Leiden. Wann haben wir es zum letzten Mal plötzlichen Unterbrechung des Prozesses:
von ganzem Herzen getan? Pilatus’ Frau, aus der Geschichte bekannt als

34
Justizmord in Jerusalem

Claudia Procula, lässt ihrem Mann ausrich- diesem Ausgang des Verfahrens zu bewah-
ten: „Habe du nichts zu schaffen mit jenem ren? Er sprach nicht ein Wort zu seiner
Gerechten; denn viel habe ich heute im Verteidigung. Wieder nur können wir auf
Traum gelitten um seinetwillen“ (Mt 27,19). seine Herrlichkeit hinweisen, die sich in all
Die letzte Warnung Gottes an Pilatus! Aber diesen Begebenheiten zeigt: In der Stunde
– er überhörte sie ... seiner tiefsten Erniedrigung stand Er hoheits-
voll und in heiliger Ruhe vor der gellend
Das Todesurteil trotz erwiesener schreienden Menge und ließ dadurch seine
Unschuld unvergleichliche, göttliche Erhabenheit und
Würde erstrahlen.
Pilatus hatte mehr Gefallen am Beifall der
Welt als an ehrbarer Rechtsprechung. So
trat der einzigartige Prozess, der sich zum
„Justizmord“ an dem menschgewordenen
Sohn Gottes entwickelte, in seine letzte
entscheidende Phase.

Der römische Richter wollte es mit den


Juden nicht verderben, weil ihn dies an
seinem politischen Fortkommen gehindert
hätte. Denn Rom wollte die unterworfenen
Völker befrieden, d.h. in Frieden kontrollie- Wenn wir die Geschichte weiter verfolgen
ren. Für einen einfachen Gefangenen, der würden, sähen wir schließlich, wie der
zwar unschuldig und irgendwie geheim- Sohn Gottes nach vielen weiteren Misshand-
nisvoll war, konnte er doch seine Karriere lungen, Schmähungen und Schlägen an
nicht aufs Spiel setzen! Nein, dieser Preis dem furchtbaren Kreuz hing – der Mensch
war ihm zu hoch. verachtete die Retterliebe seines Schöpfers
Also urteilte er, dass der Gefangene zu kreu- und warf Ihn endgültig hinaus. Doch die
zigen sei – so einfach ist das! Vorher jedoch Kreuzigung war das Letzte, was der Mensch
folgte er noch einem jüdischen Brauch (vgl. an dem Herrn Jesus tun durfte. Jetzt wurde
5. Mo 21,6–8) und wusch seine Hände vor der gerechte Gott tätig, der bisher nur alles
dem Volk, um ihnen seine Unschuld für das, zugelassen hatte, und ließ nach dem unge-
was er jetzt urteilen würde, zu demonstrie- rechten Prozess das gerechte Gericht über
ren. Was für ein Widerspruch! Von Jesus’ die Sünde (der Menschen) über seinen Sohn
Unschuld überzeugt ließ die tragische hereinbrechen ...
Gestalt eines Richters den Sohn Gottes gei- Voll Dankbarkeit verstehen wir durch den
ßeln3 und der Kreuzigung übergeben. Heiligen Geist, dass der Herr Jesus dort
für uns starb – der Gerechte für die Unge-
Eine schuldige Nation verwirft den rechten, um uns zu Gott zu führen (vgl. 1.
einzig Unschuldigen Pet 3,18).
Wir haben gesehen, wie sehr der Herr für
Sowohl Pilatus als auch Herodes hatten dich und mich gelitten hat. Egal, wie lange
öffentlich festgestellt, dass Jesus unschuldig du schon dem Herrn Jesus angehörst: Er
war (Lk 23,14–15), und das unabhängig möchte dein ganzes Herz und deine ganze
voneinander. Liebe haben. Gibst du sie Ihm?

Und was tat der Unschuldige, um sich vor Henning Brockhaus


3
Aus der Zeitangabe in Johannes 19,1 („Dann“) darf wohl geschlossen werden, dass die Geißelung zeitlich vor
der Verurteilung lag (Mk 15,15). Von zwei Geißelungen ist sicher nicht die Rede.
Folge mir nach
35
Fahren Sie los!
Siehe, ich habe dir heute das Leben und das Glück und
den Tod und das Unglück vorgelegt ... So wähle das
Leben, damit du lebst!
5. Mose 30,15.19

Eine Geschichte aus alter Zeit weiß von einem Professor zu berichten, der nach Dublin
reiste, um dort an einem Kongress teilzunehmen. Er kam verspätet an. In Sorge, die
Eröffnungsrede zu versäumen, sprang er in eine Droschke und rief dem Kutscher zu:
„Fahren Sie schnell, ich bin in Eile! Also los!“ Der Kutscher trieb seine Pferde an, und der
Wagen rollte in wildem Galopp durch die Straßen.

Plötzlich fiel dem Professor ein,


dass er dem Kutscher eigentlich
noch gar nicht gesagt hatte, wo-
hin die Fahrt gehen sollte. So rief
er ihm zu: „Wissen Sie denn, wo-
hin ich will?“ – „Woher denn?“,
entgegnete dieser lachend.
„Aber ich fahre, wie Sie sehen,
ganz nach Befehl: im Galopp!“
Er schien einer von der Art zu
sein, die „es faustdick hinter den
Ohren haben“, wie man so sagt.
Wer weiß, wohin er seinen Fahr-
gast noch gebracht hätte!

Aber wissen wir, wohin die Reise


unseres Lebens geht? Kennen wir
das Ziel? Oder „fahren“ wir ziellos in den Tag hinein? Die Bibel, Gottes Wort, lässt keinen
Zweifel daran, dass es für die Lebensreise des Menschen zwei mögliche Ziele gibt: Him-
mel oder Hölle, ewige Seligkeit oder ewige Pein. Gott legt uns beides vor, wie damals
den Israeliten: „das Leben und das Glück und den Tod und das Unglück“. Wir können
und müssen selbst wählen.
Wer den Himmel – das Glück, das Leben – zum Ziel haben will, muss jetzt zum Herrn Je-
sus Christus kommen. Solche will Er retten und mit Gott versöhnen. Das ist nur möglich,
wenn wir uns als Sünder erkennen, eine Sinnesänderung vornehmen und Gott unsere
Sünden bekennen. Noch ist Gnadenzeit!

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