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Selbstliebe und

Selbstannahme?
Kritische Betrachtungen anhand der Bibel

Els Nannen
Der Aufsatz erschien zuerst in „Bibel und Gemeinde”
1985-4 und wurde bereits mehrfach nachgedruckt. Wir ge-
ben ihn im neuen Satz noch einmal heraus.
Anschrift der Verfasserin:
Frau Els Nannen
Prins Bernhardlaan 45
3972 AW Driebergen
NIEDERLANDE

Nachdruck aus „Bibel und Gemeinde” 1985-4


Bestellnummer: 0152
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© Bibelbund-Verlag: Hammerbrücke 2004


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Selbstliebe und Selbstannahme 3

Selbstliebe und Selbstannahme?


Kritische Betrachtungen anhand der Bibel
1. Erich Fromm und die Selbstliebe »Selbstsucht und Selbstliebe« in der
Zeitschrift »Psychiatry«. Die gleichen
In den letzten Jahren breitet sich die Gedanken arbeitete dann Fromm näher
humanistische Ideologie der Selbstliebe aus in »Furcht vor der Freiheit« (1941),
gewaltig aus, auch unter Christen und »Psychoanalyse und Ethik« (1947),
vor allem unter der christlichen Jugend. »Wege aus einer kranken Gesellschaft«
Sie ist wie eine Epidemie und übt einen (1955) und »Die Kunst des Liebens«
starken Einfluss aus auf solche Ausbil- (1971). Wiederholungen ließen sich an-
dungsrichtungen, die mit Menschen zu scheinend dabei nicht vermeiden.
tun haben, sowohl im beruflichen wie
auch im christlichen Bereich, z.B. in 1.1 Wer war Erich Fromm?
(Heil)Pädagogik, Psychologie, Psychia-
trie, Sozialarbeit oder Seelsorgeausbil- Erich Fromm (1900-1980) studierte
dung und Mitarbeiterschulung. Psychologie, Philosophie und Soziolo-
Von ihren Befürwortern und Ver- gie. 1926-1929 absolvierte er sein psy-
breitern wird allerdings die Selbstliebe choanalytisches Training in München
nicht als »ansteckende Krankheit« ange- und war anschließend Schüler von Hans
sehen, sondern gerade als Heilmittel ge- Sachs und Theodor Reik am Institut für
gen so mancherlei »psychische Krank- Psychoanalyse in Berlin. Nicht nur
heiten« wie Frustration, Depression, Freuds Psychoanalyse, sondern auch die
Süchte, Arbeitsunlust und Feindselig- Ideen von Johann Jakob Bachofen
keit. (1815-1887) in »Das Mutterrecht« präg-
Was ist nun die Ursache der bereit- ten Fromms Denken.
willigen Aufnahme dieser weltweiten 1930 war er Mitbegründer des Süd-
Botschaft der Selbstliebe? Bevor wir deutschen Instituts für Psychoanalyse in
Gottes Wort zu Rate ziehen, möchten Frankfurt am Main und außerdem bis
wir uns kurz mit zwei der bekanntesten 1932 Mitglied und Dozent am Institut für
Vertreter der Selbstliebe befassen: Mit Sozialforschung, aus dem die sog.
Erich Fromm und Walter Trobisch. »Frankfurter Schule« hervorgegangen ist,
Es war vor allem Erich Fromm, der zu der Hork-heimer, Adorno, Habermaß,
die humanistische Ideologie der Selbst - Bloch und Marcuse gerechnet werden.
liebe populär machte, in die Psychoana- Sie alle standen unter dem Einfluss von
lyse integrierte und damit pseudowissen- Hegel, Marx und Freud. Der größte Teil
schaftlich legitimierte. Schon 1939 be- von ihnen stammte aus jüdischen Fami-
fasste er sich mit diesem Thema in einem lien (1)1. Als 1933 das Institut für Sozial-
Aufsatz: forschung von der nationalsozialistischen
1
Die Zahlen in den Klammern beziehen sich auf die Quellen am Schluss der Abhandlung.
4 Els Nannen:

Regierung aufgelöst wurde, wanderten teressengebieten von Fromm niederge-


die einflussreichsten Mitarbeiter, darunter schlagen haben« (3).
Fromm, nach Amerika aus. Dort wurde Als Fromm später die Werke von
die Einrichtung 1934 der Colum- Karl Marx kennenlernte, versuchte er,
bia-University angeschlossen. 1934-1938 eine Synthese zwischen Marx und Freud
hielt Fromm Vorlesungen an verschiede- zu konstruieren, aus der seine Sozialpsy-
nen amerikanischen Instituten. 1951- chologie entstand. Vor ihm hatte schon
1965 war er dann Professor an der Natio- Wilhelm Reich versucht, Marx mit psy-
nal Autonmous University of Mexico, wo choanalyti-schen Theorien zu ergänzen,
er den Lehrstuhl für Psychoanalyse leite- wenn auch vergeblich.
te. Neben seiner Lehrtätigkeit war er auch Als etwa 26jähriger kam Fromm mit
Supervisor und Lehranalytiker und unter- dem Buddhismus in Berührung. Später
hielt außerdem eine psychoanalytische beschäftigte er sich auch mit dem Zen-
Praxis. 1980 starb Fromm im Tessin in buddhismus, wie wir es auch bei Fritz
der Schweiz, wo er seine letzten Lebens- Perls (1893-1970), einem anderen Psy-
jahre verbracht hatte. chologen und Psychiater jüdischer Her-
Wie viele Psychoanalytiker stammte kunft sehen.
auch Fromm aus jüdischem Elternhaus. »Erich Fromms Weg der Religion, seine
Seine Eltern waren fromme, orthodoxe Kritik an jedem Verweis auf irrationale
Juden, was ihn prägte. Offenbarung und Autorität
Bis zu seinem 26. Le- Fromm, der bis zu seinem 26. Le- und seine Vorliebe für die
bensjahr war Fromm bensjahr hr praktizierender Jude Verbindung von Vernunf-
selbst praktizierender war, atte eine Abneigung gegen terkenntnis und Mystik ha-
Jude, der sich auch in- jede übernatürliche Offenbarung ben hier eine wesentliche
tensiv mit dem Alten Prägung erhalten« (3,19)2.
Testament beschäftigte. Besonders fas- Fromms Abneigung gegen die über-
zinierten ihn die Verheißungen eines natürliche Offenbarung, d. h. gegen die-
weltweiten Friedens bei den Propheten jenige in Gottes Wort und gegen die Au-
Jesaja, Hosea und Amos (2). torität mag aber viel mehr zu tun haben
»Als Jugendlicher lernte er bei Rabbi J. mit dem wesentlichen Einfluss von Sieg-
Horowitz den Talmud kennen. Während mund Freud bzw. mit dessen Haß gegen
seines Studiums war er Schüler von Gott, Gottes Wort, Autorität und jegliche
Schneur Rabinkov in Heidelberg sowie Normen. Freud hat Fromms Psychoana-
von Nehemia Nobel und Ludwig Kraus in lyse entscheidend geprägt. Das Studium
Frankfurt. Der Einfluss dieser Lehrer auf dieser anti-theistischen Psychoanalyse
ihn ist insofern von weittragender Bedeu- und vor allem die eigene Lehranalyse
tung, als sich die sozialistische Ausrich- sind nicht wertneutral.
tung von Rabinkov und die mystische von Die religiösen Voraussetzungen sei-
Nobel thematisch in den Schriften und In- nes Denkens beschrieb Fromm am aus -

2
Die erste Zahl in der Klammer bezieht sich auf die Quellen am Schluss der Abhandlung,
die zweite Zahl hinter dem Komma gibt die Seitenzahl in den betreffenden Büchern an.
Selbstliebe und Selbstannahme 5

führlichsten in seinem Buch »Ihr werdet fer leugnet? Dass Gedanken des (evolu-
sein wie Gott« (4). tionistischen, humanistischen) Fromm
Wie des öfteren bei Psychologen jü- »in der Analyse meist hilfreich und zum
discher Herkunft zu beobachten ist, z. B. Teil brauchbar für den nach Wahrheit
auch bei Abraham Maslow, dem Be- und echtem Leben suchenden Men-
gründer der Humanistischen Psycholo- schen« (2) sein sollen, erinnert uns an
gie, bleibt auch Fromm nicht beim Glau- den Standpunkt des Psychoanalytikers
ben seiner Väter stehen, sondern wird Paul Tournier. Viele Christen, die sich
Humanist, und zwar im Sinne eines radi- an Tournier orientieren, denken ebenso,
kalen Humanismus. Außerdem muss dass zwar die Hilfe von oben kommen
man sich beim Lesen von Fromms Deu- muss, wir aber in bezug auf die Analyse
tungen und Lösungsversuchen ständig und Diagnose so manches von der
vor Augen halten, dass er durch und (durch und durch atheistischen, evolutio-
durch Evolutionist mit einem unwirkli- nistischen) Psychoanalyse lernen könn-
chen Entwicklungsoptimismus war, wie ten.
es z. B. in seinem Buch »Haben oder Wir sollten nicht vergessen, dass vie-
Sein« (5) zum Ausdruck le uns bekannte Worte
kommt. Weil Fromms Worte wie Gott, Liebe, wie Gott, Liebe, Ehr-
Bücher so durchtränkt Ehrfurcht, Selbsterkenntnis, furcht, Selbsterkenntnis,
sind von seinem marxis- Freiheit usw. haben bei Fromm Freiheit usw. bei
tisch-freudianischen, hu- einen ganz anderen Inhalt Fromm einen ganz an-
manistisch-evolutionisti- deren, d. h. humanisti-
schen Ansatz, ist es nicht recht verständ- schen Inhalt haben. Dazu gehört auch
lich, wenn man heute von »vielen zutref- sein Begriff der Selbstliebe.
fenden und wegweisenden Analysen« Gemäß seiner Orientierung am
spricht, oder davon, dass Fromm »funk- Buddhismus versteht es sich, dass das
tional die Veränderung des Menschen so erste Zitat des Humanisten Fromm in
sieht, wie sie auch in der Bibel beschrie- seinem Buch »Psychoanalyse und
ben wird«, und dass Fromms »Seins- Ethik« eines von Buddha ist. Es steht so-
mensch in Analogie zu dem neuen Men- gar vor dem Vorwort und heißt:
schen aus Gott« stehen würde (2). Wenn »Seid euer eigenes Licht,
bibeltreue Christen aufgefordert werden, Seid eure eigene Zuversicht.
bei Fromms Entwurf des neuen Men- Haltet euch an die Wahrheit in euch selbst
schen »das Kind nicht mit dem Bade- als das einzige Licht.«
wasser« auszuschütten (2), so kommt ei- Auch von dem römisch-katholischen
nem die Frage, was wohl »das Kind« Mystiker und Gnostiker Meister Ecke-
sein soll in der Analyse und im Entwurf hart (1250-1327) zitiert Fromm das, was
eines Menschen, der die Offenbarung in sein humanistisches Konzept passt. Er
des Wortes Gottes nicht nur verwirft, meint, es sei nur konsequent, dass Gott
sondern auch zum Teil verfälscht (z.B. 1. für Meister Eckehart »das absolute
Mose 3), und der Gott und Christus, den Nichts« ist, genau so wie Er für die Kab-
totalen Sündenfall und Christi Sühneop- bala »En Sof« (göttliche Energie im Uni-
6 Els Nannen:

versum) ist (6,94). Er scheint sich mit der gebnis ist die Annahme eines relativisti-
Kabbala (jüdische, mystisch-theoso- schen Standpunkts« (6,17).
phische Geheimlehre) beschäftigt zu ha- Fromm wehrt sich nun gegen die
ben (7). Vorstellung, als gäbe es nur eine einzige
Wahl zwischen Religion und Relativis-
1.2 »Psychoanalyse und Ethik« von mus. Er möchte eine andere Alternative
Fromm anbieten:
»Gültige ethische Normen können von der
Am Anfang dieses Buches »Man For menschlichen Vernunft, und zwar von ihr
Himself« (1947) weist Fromm darauf allein, aufgestellt werden. Der Mensch hat
hin, dass die Psychologie bzw. die Psy - die Fähigkeit, zu unterscheiden und Wert-
choanalyse nicht zu trennen ist von der urteile zu bilden ... Die große Tradition des
Philosophie und Ethik. Die Trennung, humanistischen Denkens hat die Grundla-
die nach seiner Meinung aber bestand, ge für die Wertsysteme geschaffen, die auf
führt Fromm auf Freud zurück, der nicht der menschlichen Autonomie und Ver-
über die Kritik an falschen ethischen nunft beruhen. Alle diese Systeme gingen
Normen hinaus kam und außerdem ver- von der Voraussetzung aus, man müsse
suchte, die Psychoanalyse in eine Natur- das Wesen des Menschen kennen, um zu
wissenschaft umzuwandeln (6,19). wissen, was für ihn gut oder schlecht sei ...
Fromm sieht für die Psychoanalyse Der Fortschritt der Psychologie ist ... in der
die Dringlichkeit, »objektive, gültige Rückkehr zu der großen Tradition der hu-
Normen der Lebensführung« aufzustel- manistischen Ethik. Diese ... vertrat die
len, darin, dass „die moderne Psycholo- Auffassung, dass es die Bestimmung des
gie zum Relativismus neigt« (6, 7). Die Menschen sei, er selbst zu werden. Die
Aufklärung hatte gelehrt, dass der Voraussetzung dafür ist, dass der Mensch
Mensch seiner eigenen Vernunft und ih- Selbstzweck sein kann« (6,18-19).
rer Führung vertrauen kann und soll, Mit diesem Buch, das so wichtig ist
auch im Blick auf die Aufstellung gülti- zum Verständnis der Selbstliebe-Ideo-
ger ethischer Normen. Um zu wissen, logie, will Fromm
was gut oder böse ist, bedürfe es »keiner »die Gültigkeit der humanistischen Ethik
Offenbarung und keiner kirchlichen Au- erneut unter Beweis stellen, indem ich zei-
torität«. Die Antwort auf die Aufklärung ge, dass unsere Kenntnis vom Wesen des
aber war der sog. Realismus, der nach Menschen nicht zum ethischen Relativis-
Fromm mus führt, sondern ganz im Gegenteil zu
»nur ein anderer Ausdruck für das Fehlen der Überzeugung, dass die Normen einer
jeglichen Glaubens an den Menschen ist... sittlichen Lebensführung in der menschli-
Der wachsende Zweifel an der menschli- chen Natur selbst begründet sind. Ethische
chen Vernunft und Autonomie schuf einen Normen beruhen auf Eigenschaften, die
Zustand moralischer Verworrenheit. Der dem Menschen inhärent (innewohnend)
Mensch sieht sich sowohl der Führung sind ... Ferner werde ich zu zeigen versu-
durch die Offenbarung als auch der Füh - chen, dass die charakterliche Struktur der
rung durch die Vernunft beraubt. Das Er- zu sich selbst gelangten Persönlichkeit,
Selbstliebe und Selbstannahme 7

der produktive Charakter also, Ursprung »hilflos, abhängig und ängstlich« ma-
und Grundlage der Tugend ist. Im Gegen- che. In der autoritären Ethik bestimmt
satz hierzu ist Laster nichts anderes als eine Autorität, was für den Menschen
Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen gut ist.
Ich, also Selbstverstümmelung. Die höch- Nach einem ausführlichen Kapitel
sten Werte der humanistischen Ethik sind über die Natur und den Charakter des
weder Preisgabe des eigenen Ich noch Menschen kommt Fromm nun zu dem
Selbstsucht, sondern Bejahung des eigent- für das Thema »Selbstliebe« wichtigsten
lich Menschlichen. Soll der Mensch Ver - Kapitel, nämlich zu dem vierten.
trauen in Werte haben, dann muss er sich
selbst und seine guten und kreativen Ei- 1.3 Das Menschenbild Erich Fromms
genschaften kennen« (20).
Im nächsten Kapitel des genannten Schon aus den obengenannten Zita-
Buches behandelt Fromm die humanisti- ten wird deutlich, dass Fromm in seinem
sche Ethik. Sie kann mittels formaler Denken, Deuten und Bestreben völlig
und materieller Kriterien erfasst werden. humanistisch ausgerichtet ist. Aber auch
Formal beruht sie auf schon der ursprüngli-
dem Prinzip, dass nur der Der Mensch ist tatsächlich ,das che Titel des Buches
Mensch selbst das Krite- Maß aller Dinge’ »Man For Himself«
rium für Gut und Böse spricht für sich. Der
bestimmen kann, »niemals aber eine Au- »Mensch für sich selbst« ist der Mensch
torität, die ihn transzendiert«. Das mate- in seiner Beziehung zu sich selbst, der
riale Kriterium beruht auf dem Prinzip: Mensch »pour-soi« des Existentialis-
,gut’ ist das, was für den Menschen gut mus. Er ist der Mensch, der sich selbst
ist, und ,böse’ was ihm schadet. bestimmen will und sich autonom
»Das Wohl des Menschen ist also wähnt, der meint, er könne erst „er selbst
,das einzige Kriterium für ethische Wer- sein«, wenn (und solange) er keine »irra-
te ... Humanistische Ethik ist anthropo- tionale Autorität« und keine »autoritäre
zentrisch ... so zu verstehen, dass seine Ethik« anerkennt. Deshalb wettert
Werturteile, wie alle seine Urteile und Fromm auch gegen »die Doktrin, Selbst-
auch sein Wahrnehmungsvermögen, in sucht sei ein Grundübel« und sagt dazu:
der Besonderheit seiner Existenz ihren » ,Sei nicht selbstsüchtig’ schließt
Ursprung haben...’ Der Mensch ist tat- ein: tue nicht, was du selbst möchtest,
sächlich ,das Maß aller Dinge’. Vom hu- gib deinen eigenen Willen zugunsten ei-
manistischen Standpunkt aus gibt es ner Autorität auf... Von seinem offen-
nichts Höheres und nichts Erhabeneres kundigen Sinn abgesehen, bedeutet
als die menschliche Existenz« (6, 26- es,liebe dich nicht’, ,sei nicht du selbst’,
27). sondern unterwirf dich einem Etwas, das
Als Gegensatz zu dieser humanisti- wichtiger ist als du selbst, unterwirf dich
schen Ethik mit ihrer »rationalen« Auto- einer außer dir liegenden Macht oder ih-
rität sieht Fromm die »autoritäre« Ethik rem inneren Gegenstück, der ‚Pflicht’
mit ihrer »irrationalen« Autorität, die ...(6,141).«
8 Els Nannen:

Es handelt sich hier um den in sich und Selbstverwirklichung bzw. zum


genügsamen und auf sich angewiesenen Wachstum und zur vollkommenen Entfal-
Menschen mit seinen schlummernden tung und Verwirklichung seiner Persön-
Fähigkeiten und ungeahnten menschli- lichkeit mit seinen dem menschlichen We-
chen Möglichkeiten und Kräften. Als sen eigenen Möglichkeiten kommt. Bei
humanistische »Variante« zu Ps 87, 7 Fromm sind das u. a. die (humanistischen)
könnte ein solcher Mensch sagen: »Alle Möglichkeiten der Vernunft, Liebe und
meine Quellen sind in mir«. Er hat z. B. Produktivität, wobei »der Begriff Produk-
in sich selbst »die Fähigkeit zum Gu- tivität eine Erweiterung des Begriffs der
ten«, d. h. die Fähigkeit, »zu erkennen, Spontaneität« (d. h. des gefühlsmäßigen
was gut ist«, und zu handeln »gemäß sei- Handelns und Reagierens) darstellt. Be-
ner natürlichen Fähigkeiten und seiner dingung dazu sind (humanistische) Selbst-
Vernunft« (6, 228). Allerdings begreift erkenntnis, Selbstliebe und Selbstinteresse,
Fromm, der die Bibel kennt, gut: d. h. »Interesse an der Verwirklichung der
»Dieser Standpunkt der humanisti- eigenen Möglichkeiten«. Nach Fromm ist
schen Ethik würde un- »das humanistische Ge-
haltbar, wenn das Dog- Das humanistische Gewissen sei wissen ein Ausdruck der
ma von der angeborenen ein Ausdruck der Interessiertheit Interessiertheit des Men-
natürlichen Schlechtig- des Menschen an sich und an schen an sich und an sei-
keit des Menschen rich- seiner Integrität ner Integrität« (6, 174).
tig wäre«... (6,228). »Handlungen, Gedanken
Um die humanistische Ethik zu ret - und Gefühle, die ein richtiges Funktionie-
ten, muss darum der biblische Bericht ren und die Entfaltung unserer Gesamtper-
über den historischen Sündenfall ver- sönlichkeit fördern, rufen ein Gefühl der
fälscht werden. Darüber später mehr. inneren Zustimmung der Richtigkeit her-
Dieser humanistische Mensch hat die vor... Gewissen ist also die Re-Aktion un-
Fähigkeit, zu lieben. Die Liebe ist »eine seres Selbst auf uns selbst« (6,173). Und
ihm eigene Kraft« (6, 27) - und die Fä - »um die Stimme unseres Gewissens zu
higkeit, »zu werden, was man potentiell hören, müssen wir auf uns selbst hören ...“
ist« (Spinoza; 6, 41). Ob diese oder an - (6,175).
dere der menschlichen Natur inhärenten Der Mensch ist auch darüber hinaus
(innewohnenden) Eigenschaften und Fä- seinem Wesen nach der gute Mensch,
higkeiten, der Mensch findet einfach Ge- der Mensch »mit seinen Fähigkeiten
fallen an sich selbst und liebt sich selbst. zum Guten«.
Es ist der Mensch, der Sinn und Ziel »Wir haben dargelegt, dass der Mensch
seines Lebens in sich selbst hat und darum nicht zwangsläufig böse ist, sondern nur
in sich selbst suchen und finden muss. Die- dann böse wird, wenn die für sein Wachs-
ser Mensch ist »Selbstzweck« (6,19). Er ist tum geeigneten Bedingungen fehlen. Das
der sich frei wähnende Mensch der »sich Böse führt kein unabhängiges Eigenleben;
selbst treu« sein will und »sich selbst ver- es ist... das Scheitern eines Verwirkli-
antwortlich« fühlt. Das äußert sich z. B. chungsversuches« (6,236).
darin, dass er zu seiner Selbstentfaltung
Selbstliebe und Selbstannahme 9

So kann Fromm nicht anders als gend, Macht usw. Oder: Ich glaube an
durch seine humanistische »Brille« se- mich selbst! Die Entthronung Gottes, die
hen. Durch seinen humanistischen und bewusste Abweisung seiner Autorität
vor allem evolutionistischen Ansatz mit und Normen einerseits und die Vergot-
seinem Entwicklungsoptimismus kommt tung des Menschen sowie des Menschli-
er letztlich zur Verfälschung des Wortes chen andererseits sind die Schlüssel zum
Gottes in bezug auf den Sündenfall des Verständnis der Selbstliebe-Ideologie.
Menschen und natürlich zur dement- Wenn man die Grundlage, nämlich die
sprechenden Leugnung der Tatsache, humanistische Anthropologie des sich
dass der Mensch ein gefallener Mensch von Gott und Gottes Wort emanzipier-
ist. »Erich Fromm polemisierte leiden- ten, gefallenen Menschen, nicht (genug)
schaftlich gegen die angeborene Sünd- kennt oder sie nicht ernst nimmt, steht
haftigkeit des Menschen« (7). man unweigerlich in der Gefahr, sich
Die Bemerkung »Erich Fromms Bild von der humanistischen Ideologie der
vom Christentum ist eine Karikatur« (7) Selbstliebe faszinieren und mitreißen zu
ist berechtigt. Diese Karikatur des Chris- lassen, so dass man meint, es stecke »et-
tentums bzw. die Ver- was Wahres« darin,
achtung des Christen, Erich Fromms Bild vom Christen- »etwas Hilfreiches«
der sich an Gottes Wort tum ist eine Karikatur und »Brauchbares«.
hält, sich seiner Sünd- Wir aber wollen uns das
haftigkeit und Ohnmacht bewusst ist, biblische Zeugnis nicht nehmen lassen,
sich darum aus Gnade von Jesus Chris- das da lautet: »Ich weiß, dass in mir, das
tus erretten ließ und nun dankbar und ist in meinem Fleisch, nichts Gutes
freiwillig dem Herrn gehorsam ist und wohnt« (Rö 7, 18); »Aber durch Gottes
dient, diese Verachtung hängt wohl eng Gnade bin ich, was ich bin ..., nicht aber
mit der traurigen Tatsache zusammen, ich, sondern Gottes Gnade«! (1Kor.
dass Fromm sich von seinem ortho- 15.10).
dox-jüdischen Hintergrund absetzte und
dafür einen radikalen Humanismus 1.4 Fromms humanistische Problem-
wählte. Besonders Calvin und Luther be- analyse
kommen das zu spüren. Die »Theologie,
für die der Mensch von Grund auf ein Es sind vor allem V. Frankl, Profes-
böses und machtloses Wesen« ist, irri- sor der Neurologie und Psychiatrie in
tierte Fromm maßlos. Er meinte: Wien und Vater der humanistischen Lo-
»Selbstverachtung und Selbsthaß sind gotherapie, und E. Fromm, die sich mit
die Wurzeln einer solchen Doktrin« (6, dem Gefühl der »Selbstentfremdung«
135). und der Sinnlosigkeit beschäftigt haben.
Dieses humanistische Menschenbild Beide betrachten das menschliche Ver-
Fromms kann in einem humanistischen halten als ein Suchen nach der eigenen
»Glaubensbekenntnis« zusammenge- Identität und nach dem Sinn des Lebens.
fasst werden: Ich glaube an den Men- Nebenbei sei bemerkt: Wenn man
schen, an seine Würde, Integrität, Tu- meint, dass »die Identitätsfrage das Zen-
10 Els Nannen:

tralproblem der heutigen Studentenge- ther vertretene Auffassung«, die Selbst -


neration« sei (8), so ist man, vielleicht liebe ist identisch mit Selbstsucht und
unbewusst, beeinflusst von humanisti- schließt die Nächstenliebe aus,
scher Psychologie. Die Leitgedanken »einen ungeheuren Einfluss... Sie (die bei-
sind dann folgende: den Reformatoren) gaben damit die
Wenn man nicht mehr weiß, wer Grundlagen für eine Verhaltensweise, die
»der Mensch in sich selbst« ist, dann soll das Glück des Menschen nicht als Lebens-
das seine Rückwirkung auf den »Re- zweck betrachtete; er wurde zum Mittel
spekt vor der Würde und Integrität des von Zwecken, die jenseits seiner selbst lie-
Menschen« und auf die Nächstenliebe gen: eines allmächtigen Gottes oder nicht
haben. Denn »die in der Liebe enthaltene weniger mächtiger verweltlichter Autori-
Bejahung gilt dem geliebten Menschen täten und Normen ...«(6,136).
als einer Inkarnation wesentlich mensch- Fromm schätzte dagegen z. B. Nietz-
licher Eigenschaften. Die Liebe zu ei- sche und Max Stirner, die »radikalsten
nem einzigen bedeutet Liebe zum Men- Verfechter« des Rechts des Einzelnen
schen an sich« (6, 144). Ebenso schlimm auf Glück. Diese richteten sich gegen die
ist es nach Fromm, wenn der Mensch Auffassung der christlichen Theologie,
nicht mehr weiß, wer »er in sich selbst« die fordern würde, »der Einzelne habe
ist und »wie er die in ihm schlummern- sich einer Macht oder einem Prinzip au-
den gewaltigen Kräfte freilegen könnte. ßerhalb seines Ich zu beugen und dort
Ebenso wenig weiß er, wie diese Kräfte sein Zentrum zu finden« (6,138).
produktiv eingesetzt werden könnten«
(6, 16-17). Und Mangel an (humanisti- 1.5 Fromms humanistische Problemlö-
scher) Selbsterkenntnis hat Mangel an sung
Selbstrespekt und Selbstliebe, an »Liebe
zum eigenen Ich« (6,143) zur Folge, was Logischerweise bestimmt Fromms
wiederum der Selbstentfaltung und vorwissenschaftliche Vorentscheidung
Selbstverwirklichung im Wege steht. eines humanistischen Menschenbildes
»Das Versagen unserer Kultur liegt nicht nicht nur seine Deutung, sondern auch
im Individualismus ..., nicht darin, dass seine Lösung der Probleme der Men-
sich die Menschen zu sehr mit ihren Inter- schen. Das Problem der (humanisti-
essen beschäftigen, sondern dass sie sich schen) Selbstentfremdung und Identi-
nicht genug mit den Interessen ihres wah- tätskrise soll sich durch (humanistische)
ren Ich beschäftigen; nicht darin, dass sie Selbsterkenntnis und Selbstfindung lö-
zu selbstsüchtig sind, sondern dass sie sich sen lassen, die dann zum Selbstrespekt
selbst nicht genug lieben« (6,153) und zur Selbstliebe führen. Das Problem
Ferner habe der Mensch »bei seiner der Sinnlosigkeit löse sich durch das Er-
zunehmenden Macht über die Materie kennen des (humanistischen) Sinnes des
den Blick auf das Ziel verloren, das al - Lebens, d.h. Selbstentfaltung und Selbst-
lein all dem einen Sinn zu geben vermag. verwirklichung in autonomer Selbstbe-
Das ist der Mensch selbst« (6,16). Darü- stimmung und Selbstverantwortung.
ber hinaus habe die »von Calvin und Lu-
Selbstliebe und Selbstannahme 11

»Der Mensch muss die Verantwortung für Fromm, keinen Gegensatz zwischen
sich selbst übernehmen und sich damit ab- Selbstliebe und Nächstenliebe. Bei die-
finden, dass er seinem Leben nur durch die sem Gedankengang, der prinzipiell den
Entfaltung seiner eigenen Kräfte Sinn ge- Sündenfall und damit die sündige Natur
ben kann ... Sieht er der Wahrheit furchtlos des Menschen leugnet, ist die Aussage
ins Auge, dann erfasst er, dass sein Leben Fromms so zu verstehen, als sei es ein
nur den Sinn hat, den er selbst ihm gibt, in- »logischer Fehlschluss«, zu meinen,
dem er seine Kräfte entfaltet (Hervorhe- Selbstliebe und Nächstenliebe würden
bung im Original): indem er produktiv einander ausschließen. Im Gegenteil,
lebt... Nur wenn er die menschliche Situa- Selbstliebe schließe immer Nächstenlie-
tion, die seiner Existenz innewohnenden be und Nächstenliebe immer Selbstliebe
Widersprüche und seine Fähigkeit der ein. Das (humanistische) Menschliche
Entfaltung erfasst, kann er seine Aufgabe ist ja unteilbar, in mir und im Nächsten.
lösen: er selbst und um Darum, so Fromm,
seiner selbst willen zu sein Selbstliebe schließe immer kann man überhaupt
und glücklich zu werden Nächstenliebe und Nächstenlie- nicht lieben, wenn man
durch die volle Verwirkli- be immer Selbstliebe ein nur andere lieben kann
chung der ihm eigenen bzw. nur das Menschli-
Möglichkeiten - der Vernunft, der Liebe che im anderen und nicht in sich selbst.
und der produktiven Arbeit« (6,60). Auch die Liebe zum menschlichen
Als Hilfe zur Erreichung dieser Ich ist nach Fromm unteilbar:
Selbstentfaltung und Selbstverwirkli-
chung führt Fromm nun die humanisti- »Ist es eine Tugend, wenn ich meinen
sche Ethik ein und plädiert für ihre Inte- Nächsten als ein menschliches Wesen lie-
gration in die Psychoanalyse. Das ist das be, so muss es auch eine Tugend, nicht
Ziel des obengenannten Buches: aber ein Laster sein, wenn ich mich selbst
„... so erörtere ich hier das Problem der liebe, da auch ich ein menschliches Wesen
Ethik, der Normen und jener Werte, die bin.
dem Menschen zur Verwirklichung seines Es gibt keinen Begriff des .Menschen’, der
Wesens und der in ihm schlummernden mich selbst nicht einschlösse. Eine Dok-
Möglichkeiten verhelfen sollen“ (6,7). trin, die mich ausschließen würde, enthiel-
te einen Widerspruch. Der Gedanke »Lie-
1.5.1 Fromms humanistische Deutung der be deinen Nächsten wie dich selbst«, wie
Selbstliebe er in der Bibel steht, bedeutet nichts ande-
Das (humanistische) Selbst, das zu res, als dass Achtung vor der eigenen Un-
verwirklichen ist, d. h. das, was man als antastbarkeit und Einmaligkeit, Liebe zum
Mensch in sich selbst ist und hat, gilt es, eigenen Ich und ein Begreifen des eigenen
zu lieben. Wo der Mensch an sich, d. h. Ichs nicht trennbar ist von der Achtung vor
das Ich mit seiner Würde und seinen dem anderen, der Liebe zum ändern und
Möglichkeiten, Kräften und Eigenschaf- dem Begreifen des ändern. Die Liebe zu
ten, sowohl in mir als im anderen, Ge- meinem Ich ist untrennbar mit der Liebe
genstand der Liebe ist, gibt es, nach zu jedem anderen Ich verbunden.
12 Els Nannen:

Somit sind wir zu der grundlegenden psy- Eigenschaften des Menschseins darin,
chologischen Voraussetzung gekommen, dass der Mensch Erfüllung und Glück
auf der die Schlussfolgerung unserer Be - nur in bezug auf seine Mitmenschen und
weisführung aufgebaut ist. Ganz allge- auf die Solidarität mit ihnen findet« (6,
mein handelt es sich um folgende Voraus- 27). So scheint diese Nächstenliebe doch
setzung: Nicht nur die ändern, sondern wieder Mittel zum Zweck zu sein. Au-
auch wir selbst sind das »Objekt« unserer ßerdem sei die Nächstenliebe »auch ein
Gefühle und Verhaltensweisen. Zwischen Gebot der humanistischen Ethik, aus
dem Verhalten zu uns selbst und dem Ver- dem Verantwortungsbewusstsein seiner
halten anderen gegenüber besteht kein Wi- selbst gegenüber« (6,182).
derspruch..., sondern ein fundamentaler
Zusammenhang... Im Prinzip ist Liebe un- 1.5.2 Fromms humanistische Deutung der
teilbar, soweit es den Zusammenhang zwi- Selbstsucht
schen anderen Objekten und dem eigenen Im Rahmen seines humanistischen
Ich betrifft ... Liebe ist Ausdruck der eige- Menschenbildes macht Fromm einen
nen Liebesfähigkeit. Die Liebe zu einem Unterschied zwischen »echter« Selbst-
einzigen Menschen be- liebe und Selbstsucht.
deutet Liebe zum Men- Mangel an echter Selbstliebe sei Für ihn sind Selbstliebe
schen an sich... Daraus die eigentliche Ursache der und Selbstsucht nicht
folgt, dass mein eigenes Selbstsucht identisch, sondern Ge-
Ich prinzipiell ebenso gensätze. Wohl gäbe es
Gegenstand meiner Liebe sein muss wie einen Zusammenhang zwischen beiden.
ein anderer Mensch. Die Bejahung des ei- Mangel an echter Selbstliebe sei die ei -
genen Lebens, des Glücks, der Entfaltung gentliche Ursache der Selbstsucht.
und der Freiheit wurzelt in meiner eigenen »Der Selbstsüchtige ist nur an sich selbst
Liebesfähigkeit ... Ein Mensch, der pro- interessiert, will alles für sich und hat nur
duktiv lieben will, liebt auch sich selbst. am Nehmen Freude, nicht aber am Geben.
Kann er nur andere lieben, so kann er Seine Umwelt betrachtet er nur daraufhin,
überhaupt nicht lieben« (6, 143-144). was sich aus ihr herausholen lässt. Die Be-
Damit beantwortet Fromm die Frage, dürfnisse der anderen interessieren ihn
die er vorher stellte, ob die psychologi- nicht, es fehlt ihm an Respekt vor der
sche Beobachtung die These bestätigt, Würde des Menschen und seiner Integri-
dass Selbstliebe und Nächstenliebe ein- tät... Sich selbst liebt der Selbstsüchtige
ander ausschließen. Er übersieht dabei, nicht etwa zu sehr, sondern zu wenig; tat-
dass seine, wie auch jede »psychologi- sächlich hasst er sich selber. Dieser Man-
sche“ Beobachtung nicht wertneutral ist, gel an Liebe für sich selbst... macht ihn
sondern geprägt wird von dem zugrun- leer und unbefriedigt...«(6,145).
deliegenden Menschenbild. Seine Theorie über die Natur, das
Im übrigen ist die Nächstenliebe Wesen der Selbstsucht, sieht Fromm
nach Fromm nicht nur »ein Gedanke in »deutlich bestätigt durch die psychoana-
der Bibel«. Entsprechend der humanisti- lytischen Erfahrungen in bezug auf neu-
schen Ethik »besteht eines der typischen rotische .Selbstlosigkeit’« (6, 146), z. B.
Selbstliebe und Selbstannahme 13

die Selbstlosigkeit der Mutter ihren Kin- schen Aussage ist. Geht es dem Herrn
dern gegenüber, gegen die Fromm wet- Jesus um die ewige Errettung des Men-
tert. Wohl dem Kind, das eine Mutter schen (Mt 16, 26), so handelt es sich bei
voller Selbstliebe hat: Fromm um die zeitliche und vergängli-
»Wer die Wirkung einer von echter che Verwirklichung des (humanisti-
Selbstliebe erfüllten Mutter beobachten schen) Selbst.
kann, wird feststellen, dass es für ein Kind
keine günstigeren Bedingungen gibt, um 1.6 »Die Kunst des Liebens«
zu erfahren, was Liebe, Freude und Glück
ist, als wenn es von einer Mutter geliebt Das Buch »The Art of Loving«
wird, die sich selbst liebt« (6,147). (1956) ist ebenfalls ganz und gar geprägt
Diese Aussage ist ein Beispiel vor- von Fromms humanistisch-evolutionis-
eingenommener »Beobachtung« eines tischem Menschenbild und nur von die -
humanistischen Psychologen (Psycho- sem Ansatz her zu betrachten. Liebe ist
analytikers). Es erinnert uns an die ge- bei Fromm »eine Kunst«, genauso wie
färbte »Beobachtung« eines anderen jü- Musik, Malerei, Medizin oder Technik
dischen Humanisten, der der Begründer (10,15).
der Humanistischen Psychologie wurde: Liebe ist eine dem Menschsein inhä-
Abraham Maslow (1908-1970). Er war rente »Fähigkeit, die voll entwickelt
von Fromm beeinflusst und fühlte sich werden muss« (10,9). Die eigene Lie-
besonders zu dessen politischer Orien- besfähigkeit entwickeln bedeutet, seine
tierung hingezogen. Maslow schrieb Persönlichkeit entwickeln und umge-
1965, es sei »eine empirische Aussage«, kehrt.
dass der Mensch bzw. die menschliche Die Liebe ist nach Fromm »eine akti-
Natur »gut« ist (9). Für Fromm bedeuten ve Kraft im Menschen« (10,31). Sie ist
Selbstlosigkeit und Selbstaufopferung »eine Aktivität und kein passives Gefühl.
wie Pflicht, Gehorsam oder eines ande- Sie ist etwas, was man in sich selbst entwi-
ren Werkzeug zu sein, soviel wie ckelt... Sie ist in erster Linie ein Geben und
»Selbstverkrüppelung« und »Selbstver- nicht ein Empfangen ... Für den produkti-
stümmelung«. Selbstsucht bedeutet nach ven Charakter ist das Geben höchster Aus-
Fromm, wenn es nicht mehr heißt: Ich druck seines Vermögens. Gerade im Akt
bin, was ich denke, sondern: Ich bin, was des Schenkens erlebe ich meine Stärke,
ich habe (Besitz) oder wonach ich strebe meinen Reichtum, meine Macht... Dieses
(Geld, Erfolg). Er weist dann auf Ibsens Erlebnis meiner gesteigerten Vitalität und
»Peer Gynt« hin, der allen Reichtümern Potenz erfüllt mich mit Freude. Ich erlebe
nachjagte, »aber dabei seine Seele oder - mich selbst als überströmend, hergebend,
wie ich es ausdrücken würde - sein Ich lebendig und voll Freude«. (10,33)
verlor« (6, 152). Denn das Ich, das Selbst So wie man etwas tun muss, um z. B.
mit seinen wichtigsten eigenen Möglich- die eigene musikalische Fähigkeit zu
keiten blieb »unverwirklicht«... entwickeln und Klavierspielen zu lernen,
Hier sehen wir, wie gefährlich eine so muss man »etwas tun, wenn man ler-
humanistische Umdeutung einer bibli- nen will, zu lieben«. Als drei notwendige
14 Els Nannen:

Schritte nennt Fromm: a) die (humanisti- ganz anderen Ergebnis und dient einem
sche) Theorie und b) die Praxis der Liebe anderen Zweck. Ihre Quelle liegt außer-
beherrschen (lernen), während »die halb des (gefallenen) Menschen. Sie
Meisterschaft uns mehr als alles am Her- stammt aus Gott (1. Joh. 4,8-10; Joh.
zen liegen muss; nichts auf der Welt darf 3,16). Nur nach der biblischen Bekeh-
uns wichtiger sein als diese Kunst« rung und Wiedergeburt wird die göttli-
(10,16). Und c), »wenn sich in mir die che, die echte Liebe ins Herz ausgegos-
Fähigkeit zu lieben entwickelt hat, kann sen (Rö 5, 1 und 5). Man muss also erst
ich gar nicht umhin, meinen Nächsten zu Gottes Liebe in Jesus Christus empfan-
lieben«, so meint Fromm. gen haben, um Liebe weitergeben zu
Er ist auch der Überzeugung, dass können. Jedes Kind Gottes, das zur bibli-
»Liebe Antwort auf das Problem der schen Selbsterkenntnis kommt, weiß:
menschlichen Existenz« ist. Das klingt »In mir... nichts Gutes«, auch keine »ei-
alles sehr schön, fast wie eine säkulare gene Fähigkeit« zu lieben (Rö 7, 18). Die
Variation auf 1Kor 13, vor allem, wenn erfahrene und empfangene Liebe Gottes
man diese Aussage aus seinem (huma- führt zur demütigen Freude an Jesus
nistisch-evolutionistischen) Zusammen- Christus, den Erretter, und zur Hingabe
hang löst, sie isoliert zitiert und kom- des Lebens, damit auch andere gerettet
mentiert. Es folgen einige Erwägungen werden (1. Kor. 5,14-15 und 20). Sie
zu Fromms Aussage: dient zur Ehre Gottes, zum Lob seiner
a) Welche Liebe ist es eigentlich, die herrlichen Gnade (Eph. 1,5-6).
Antwort auf das Problem der menschli- b) Wie wichtig auch die (biblische)
chen Existenz sein soll? Das ist die Liebe ist, sie darf niemals von der Person
Kernfrage eines Christen. Wir dürfen nie des dreieinigen Gottes losgelöst und ver-
aus dem Auge verlieren, dass Fromms selbständigt werden. »Liebe« darf kein
Begriff »Liebe« humanistisch gefüllt ist. säkularer oder frommer Ersatz für den
Diese sog. Liebe stammt aus den eigenen Herrn werden! Was der (gefallene)
Möglichkeiten des (gefallenen) Men- Mensch in erster Linie braucht, ist eine
schen und führt zur stolzen »Freude« Person, ist der, der von Gottes Gericht
über den eigenen »Reichtum«. Ich brau- rettet: Jesus Christus. »Wer den Sohn
che dabei nicht in erster Linie Liebe zu hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes
empfangen, um sie weitergeben zu kön- nicht hat, hat das Leben nicht« und »der
nen, sondern ich habe in mir selbst et- Zorn Gottes bleibt auf ihm« (1Joh 5, 12;
was, was ich zu geben imstande bin. Au- Joh 3, 36). Nur mit und in Jesus Christus
ßerdem dient die Entwicklung der eige- hat Gott alles geschenkt (Eph. 1,3).
nen Liebesfähigkeit der eigenen Selbst- c) Welches ist »das Problem der
entfaltung und Selbstverwirklichung, menschlichen Existenz«, auf das die Lie-
also mir selbst! be die Antwort sein soll? Fromm meint:
So steht Fromms »Liebe« der Liebe »Jede Theorie der Liebe muss mit einer
in Rö 14,8-10 oder 1Kor 13 diametral Theorie des Menschen beginnen.« Und
entgegen. Die biblische Liebe hat eine dann entfaltet er, zusammen mit einer
völlig andere Quelle, führt zu einem massiven Verfälschung der biblischen
Selbstliebe und Selbstannahme 15

Offenbarung über die Schöpfung und findet anstelle der vormenschlichen Har -
den Sündenfall des Menschen, eine haar- monie« (10,17).
sträubende evolutionistische Deutung Solange die Menschen im »vor-
der »Quelle von Angst, Scham und menschlichen«Stadium »eins mit der
Schuldgefühl« und des dem entspre- Natur« waren, waren sie auch unterein-
chenden »stärksten Strebens des Men- ander eins. Die Ursache der menschli-
schen, der Wunsch nach zwischen- chen Trennung liegt also in der evolutio-
menschlicher Vereinigung«. nären Abtrennung von der »Mutter
Fromm philosophiert also: Der Erde« begründet. In diesem besonderen
Mensch ist ein Teil der Natur. Darauf be- Kontext muss wohl die Aussage gelesen
ruht die Gleichheit aller Menschen. werden:
»Alle Menschen sind gleich, weil sie alle »Die Nächstenliebe enthält die Erfahrung
Kinder der Mutter Erde sind« (10, der Einheit mit allen Menschen, der
77).Im sog. Paradies gab es ursprünglich menschlichen Solidarität, des menschli-
das Einssein des Menschen mit der Na - chen Einswerdens. Die Nächstenliebe
tur, das Kindheitsstadium bzw. die in- gründet sich auf die Erfahrung, dass wir
fantile Periode der menschlichen Rasse. alle eins sind“ (10,58).
Dann kam die »notwendige Durch- Und diese »Liebe« soll also, nach
gangsphase« in der Evolution, die Ver- Fromm, Antwort sein auf »das Problem«
treibung aus dem Paradies (Ausführli- der Trennung des Menschen von der Na-
cher darüber auch im Literaturverzeich- tur bzw. von der »Mutter Erde« und ih-
nis Nr. 11). Nach ihrer Geburt als ren Folgen. Als ehemaliger orthodoxer
menschliche Wesen (1. Mose 3, 7) er- Jude weiß Fromm nur zu gut, dass es
kannten die Menschen, dass sie nackt sich in 1. Mose 3 um den Sündenfall des
waren, und schämten sich. Das heißt: Menschen seinem Gott und Schöpfer ge-
»Sie wurden sich selber und ihres Partners genüber handelt. Er weiß nur zu gut, dass
bewusst und damit ihrer Getrenntheit und das Hauptproblem des Menschen seine
Unterschiedlichkeit. Sie ... bleiben sich Trennung von Gott ist, aus der dann
fremd, weil sie noch nicht gelernt haben, Angst, Scham, Schuldbewusstsein und
sich zu lieben ... Das tiefste Bedürfnis der zwischenmenschliche Trennung resul-
Menschen ist demnach, ihre Abgetrennt- tieren. Welch eine Torheit, wenn man
heit zu überwinden und aus dem Gefäng- die Wahrheit Gottes uminterpretiert und
nis der Einsamkeit herauszukommen. Der die unverdiente Liebe Gottes und sein
Mensch sieht sich vor das Problem der Lö- Heil in Jesus Christus, die einzige Ant-
sung der einen Frage gestellt, wie er sein wort auf das einzige Hauptproblem des
Abgetrenntsein überwinden..., wie er das Menschen, abweist und durch Selbster-
Einswerden erreichen kann« (10,19). lösung ersetzt! »Der Mensch kann sich
In diesem Evolutionsprozess selbst finden und sich durch seine eigene
»kann der Mensch nur vorwärtsschreiten, Anstrengung, und ohne Akt der Gnade
indem er seine Vernunft entwickelt, indem von Gott, erlösen.« (7; vgl. aber Hebr
er eine neue, eine menschliche Harmonie 2,1-3).
16 Els Nannen:

Welch eine Verantwortung, wenn fern, als der Mensch es vermochte, wäh-
man die Rebellion des eigenen Herzens rend des gesamten Evolutionsprozesses
in ein pseudowissenschaftliches Ge- diese Kräfte in sich zu entwickeln. Nach
wand steckt und damit viele irreführt! dieser Auffassung besitzt das Leben kei -
Welch eine Verantwortung auch, wenn nen Sinn, außer dem, den der Mensch ihm
man sich an Fromm, an dessen »Selbst- gibt; die Menschen sind völlig allein und
liebe« und »Nächstenliebe« orientiert! können ihre Einsamkeit nur überwinden,
Auch dieses Buch, in welchem indem sie einander helfen« (10, 84)...
Fromm bewusst Gott, den Schöpfer, »Gott wird Wahrheit, Liebe und Gerech-
durch die Schöpfung (Natur) wie auch tigkeit. Gott, das bin ich, insofern ich
Gottes Liebe durch die menschliche menschlich bin« (10,82).
»Liebe« ersetzt und den Menschen mit Dementsprechend muss sich auch
seinen sog. menschlichen Möglichkeiten die »Liebe zu Gott« entwickeln: von ei-
vergottet, ist eine Illustration der Wahr- ner hilflosen Bindung an eine Mutter-
heit aus Rö 1, 21-23 sowie 25 und 28: gottheit über die Gehorsamsbindung an
»Gott hat sie dahinge- einen Vatergott bis zu ei-
geben in einen verwor- »Hast du dich selbst lieb, so hast nem »reifen« Stadium,
fenen Sinn ...«. Das du alle Menschen lieb wie dich »wo Gott aufhört, eine äu-
kommt auch zum Aus- selbst« ßere Macht zu sein, wo der
druck in dem Kapitel Mensch die Prinzipien der
»Liebe zu Gott« (10,75-94). In einem Liebe und Gerechtigkeit in sein eigenes
Selbstzeugnis sagt Fromm: Inneres hineingenommen hat, wo er mit
»Im Zusammenhang mit der Liebe zu Gott Gott so eins geworden ist, dass er schließ-
möchte ich klarstellen, dass meine Auffas- lich von ihm nur noch in einem poeti-
sung keine theistische ist. Ich halte die schen, symbolischen Sinne spricht«
Gottesvorstellung für historisch bedingt« (10,93).
(10,84). In bezug auf das Thema »Selbstlie-
Unter »historisch« versteht Fromm be« und »Selbstsucht« ist das genannte
aber nicht die wirkliche, sondern eine Buch zum größten Teil eine Wiederho-
evolutionistische Geschichte. Dabei lung der Ausführungen in den genannten
muss sogar Gott evolvieren (sich entwi- Büchern auf S. 386. Fromm schreibt,
ckeln), von einem despotischen Stam- dass man seine Gedanken über die
meshäuptling über die Gestalt eines lie- Selbstliebe »nicht besser zusammenfas-
benden Vaters bis hin zu einem Prinzip sen kann« als mit einem Zitat von Meis-
der Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit ter Eckehart:
im Menschen. »Hast du dich selbst lieb, so hast du
»In einem nicht-theistischen System gibt alle Menschen lieb wie dich selbst. So -
es einen solchen spirituellen, jenseits des lange du einen einzigen Menschen weni-
Menschen existierenden oder ihn tran- ger lieb hast als dich selbst, so hast du
szendierenden Bereich nicht. Der Bereich dich selbst nie wahrhaft liebgewonnen -,
der Liebe, Vernunft und Gerechtigkeit wenn du nicht alle Menschen so lieb hast
existiert als Realität nur deshalb und inso- wie dich selbst, in einem Menschen alle
Selbstliebe und Selbstannahme 17

Menschen, und dieser Mensch ist Gott »christianisieren«. Selbstliebe stammt


und Mensch. aus der gefallenen Natur und ist Sünde.
So steht es recht mit einem solchen Die neue Natur liebt Gott, den Bruder
Menschen, der sich selbst liebhat und und den Nächsten (1. Joh. 4,19; 5,1-2; 2.
alle Menschen so lieb wie sich selbst, Petr. 1, 7; Rö 13,8-10; Matth. 5,44).
und mit dem ist es gar recht bestellt«
(12). 2. Walter Trobisch und die Selbst-
liebe
1.7 Zusammenfassung
In einem warnenden Artikel bemerkt
Aus den obengenannten Ausführun- Dr. John Stott (von dem wir nicht alles
gen mag deutlich geworden sein, dass unterschreiben können, was er ander-
Fromms Ideologie der Selbstliebe ein weitig sagt. Siehe auch »Bibel und Ge-
Aspekt des einen Paradigmas (Muster- meinde« 4/1982, Seite 373ff.), dass
beispiels) ist: des humanistisch-evolu- »ein vielstimmiger Chor heute einstimmig
tionistischen Menschenbildes. Es dreht singt, ich müsse mich um jeden Preis lie -
sich alles um den Menschen ohne Bezug ben, dass Selbstliebe ein Gebot ist, das am
zu Gott und ohne innewohnende Sünde, meisten vernachlässigt wird, und der die
um das sog. Menschliche, das Ich, das Liebe zu Gott und zum Nächsten hinzuge-
Selbst im humanistischen, evolutionisti- fügt werden muss. Wenn ich mich hierzu
schen Sinne. verweigere, werden mich schreckliche
Ob es sich um Selbsterkenntnis (Er- Folgen überfallen: Frustration, Depressi-
kenntnis dessen, was ich angeblich in on, Feindschaft, Trägheit und vieles ande-
mir selbst bin und habe, aus mir selbst re mehr. Eine ganz neue Literatur ist um
heraus weiß und kann) und Selbstfin- dieses Thema entstanden« (13, 24).
dung handelt, um Selbstbejahung, Und dann weist Stott hin auf Bücher
Selbstrespekt, Selbstgefallen und Selbst- von CeciI G. Osborne (1976), Ray
liebe in Verbindung mit den sog. eigenen Ashford, Bryan Jay Cannon und Walter
Möglichkeiten, Fähigkeiten und positi- Trobisch (1977). Wir wollen uns nun-
ven Eigenschaften als Mensch, um dem- mehr mit dem Buch von Trobisch »Lie-
entsprechendes Selbstvertrauen, um be dich selbst« auseinandersetzen (14).
Selbstinteresse, dass es in Selbstbestim- So wie für Fromms Buch »Man For
mung und Selbstverantwortung zur Himself« das Anfangszitat von Buddha
höchsten Selbstentfaltung und Selbst- kennzeichnend ist, wird in diesem Büch-
verwirklichung kommt -, es sind alles lein von Trobisch zu Anfang bezeich-
Früchte der gleichen Wurzel: einer anti- nenderweise der ungläubige Hermann
biblischen, humanistischen Anthropolo- Hesse zitiert (Aus »Steppenwolf«):
gie (Lehre vom Menschen), die unzer- »...denn das »Liebe deinen Nächsten« war
trennlich damit verbunden ist. Wie die ihm so tief eingebläut wie das Hassen sei-
Wurzel - so die Frucht! Diese Selbstlie- ner selbst, und so war sein ganzes Leben
beideologie ist also nicht wertneutral. ein Beispiel dafür, dass ohne Liebe zu sich
Sie ist weder zu neutralisieren noch zu selbst auch die Nächstenliebe unmöglich
18 Els Nannen:

ist, dass der Selbsthass genau dasselbe ist »Liebe dich selbst« (14)
und am Ende genau dieselbe grausige Iso- Trobischs Sicht auf die Selbstliebe ist
liertheit und Verzweiflung erzeugt wie der eine Variante der humanistischen Selbst-
grelle Egoismus.« liebe-Ideologie.
Hermann Hesse war der Sohn gläubi-
ger Eltern, bei dem aber der große Ok- 1. Im ersten Kapitel geht der Verfasser
kultist und Illuminat Johann Wolfgang von folgenden Thesen aus:
von Goethe und nicht Jesus Christus eine dass »keiner sich selbst liebt bzw. die
zentrale Stellung einnahm, und der die Selbstliebe nicht angeboren ist, dass »die
hinduistische Religion »weit verlocken- Selbstliebe Bedingung für die Liebe zu
der« fand als die frohe Botschaft Jesu anderen ist«, und dass die Selbstannah-
Christi. Einige Hinweise auf seine innere me »Grundlage alles Existierens« (Guar-
Ausrichtung kann man bei G. Meskem- dini) ist. Indem sich Trobisch auf Groe-
per finden (15). ger und Guardini beruft, behauptet er, es
Und so wie Erich Fromm Spinoza, sei »eine bewiesene Tatsache, dass nie-
Max Stirner, Nietzsche und ein in sein mand mit der Fähigkeit zur Selbstliebe
Konzept passendes Zi- geboren wird« (14, 8),
tat von Meister Ecke- Selbstliebe sei Bedingung für die und dass darum die
hart als Kronzeugen für Liebe zu anderen Selbstliebe »erworben«
seine Selbstliebeideolo- werden muss ... Er meint
gie heranzieht, beruft sich W. Trobisch weiter, dass dieses »Erkenntnis der mo-
auf den Psychoanalytiker Dr. Guido dernen Tiefenpsychologie ist«, und be-
Groeger, auf den römisch-katholischen nutzt als Grundlage ein Zitat aus einem
Humanisten und Philosophen Romano „unveröffentlichten Brief« von Groeger.
Guardini und auf Josef Piper, um seine – Wir aber müssen vom biblischen Men-
Ideen über Selbstliebe und Selbstannah- schenbild ausgehen. Danach gehört die
me zu untermauern. Selbstliebe zur alten Natur des gefalle-
Es ist schon traurig, wenn ein ortho- nen Menschen und ist damit angeboren.
doxer Jude, wie Fromm, Gott und Gottes Groeger meint weiter, dass, »wer die
Wort den Rücken kehrt und sich am Hu- Selbstliebe nicht (genügend) erwirbt, ist
manismus bzw. an Humanisten orien- auch nicht (genügend) zur Liebe anderen
tiert. Noch trauriger ist es aber, wenn wie auch Gott gegenüber fähig«. Ist nach
sich einer, der sich Christ nennt, in der biblischem Verständnis die erfahrene
Frage der Selbstliebe an der atheisti- und empfangene Liebe Gottes in Christo
schen, evolutionistischen Tiefenpsycho- Jesu durch den Heiligen Geist die
logie und an einem römisch-katho- Grundlage unserer Liebe zu Gott und
lischen Humanisten orientiert. Am be- den Mitmenschen (1.Joh.4; Rö 5, 5), so
denklichsten dabei ist, dass Trobisch die ist demgegenüber für den Tiefenpsycho-
Idee aus atheistischer, humanistischer logen Groeger und mit ihm auch für Tro-
Quelle zu christianisieren versucht und bisch die sog. erworbene Selbstliebe die
diese Mischung in die Gemeinde Jesu grundlegende Basis!
Christi bewusst hineintragen will.
Selbstliebe und Selbstannahme 19

Trobisch stellt die Selbstliebe der wähnt, die das Gebot der Nächstenliebe
Selbstannahme gleich. Dagegen assozi- aus dem Alten Testament zitieren:
iert der Psychiater Dr. Erwin Scharrer Gal.5,14; Jak.2,8; Rö13,9. Dabei lässt er
(Hohe Mark) die Selbstliebe mehr mit den unmittelbaren Kontext weg, z. B.
»Selbstversöhnung« (»Wie bekomme »Die Liebe tut dem Nächsten nichts Bö-
ich ein gnädiges Selbst?«). Die Bibel ses« (Rö 13,10) und »Seid niemand ir-
sagt jedoch das Gegenteil: Die Annahme gend etwas schuldig, als nur einander zu
des Gnadenangebotes Gottes, des Herrn lieben; denn wer den anderen ... liebt, hat
Jesus Christus, ist die Grundlage »alles das Gesetz erfüllt« (Rö 13, 8). Darin ist
Existierens« (Joh. 1,12; 1. Kor. 3,11), kein Hinweis und erst recht kein Befehl
niemals aber eine (humanistische) zur Selbstliebe zu entdecken. Das Ge-
Selbstannahme. genteil ist der Fall. Da die kontextuelle
Bedeutung dieser drei Bibelstellen nicht
2. Der erste Satz des zweiten Kapitels ist in das Konzept der Selbstliebe-Ideologie
ein Schlüssel zum Verständnis des Irr- hineinpaßt, lässt Trobisch sie dann auch
weges von W. Trobisch. Nachdem er die außer acht. Wenn dort auch das ganze
Zitate von Groeger und Guardini bejaht alttestamentliche Gebot zitiert wird, geht
hat, schreibt er weiter: es nun gerade um den Nächsten oder den
»Von hier aus fällt nun ein ganz neues Bruder, den es zu lieben gilt, und nicht,
Licht auf das Gebot Jesu »Du sollst deinen wie Trobisch es meint, um »den schwer-
Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt wiegenden Zusatz: wie dich selbst«. Im
22,39ff.). übrigen gilt schon das Gleiche für die
Für einen bibeltreuen Christen gilt erste alttestamentliche Stelle über die
genau das Gegenteil: Gottes Wort ist die Nächstenliebe in 3. Mose 19,18 im Zu -
einzige Wahrheit, Autorität und Norm sammenhang mit den Versen 11-18.
und gibt uns Licht und Klarheit in den Dass in den obengenannten drei neu-
menschlichen Vorstellungen und Mei- testamentlichen Bibelstellen dieser an-
nungen. Das tun nicht die Hypothesen geblich »schwerwiegende Zusatz bei der
der gängigen Psychologie und Philoso- Aufforderung zur Nächstenliebe nie
phie. Die prinzipiell atheistische, evolu- fehlt«, ist logisch, weil diese Stellen ja
tionistische Psychoanalyse und der Hu- eine alttestamentliche Bibelstelle zitie-
manismus, die den Bezug auf Gott und ren. Dass der Zusatz »wie dich selbst«
die sündige Natur des Menschen leug- ein schwerwiegender sein soll, ist also
nen, können tatsächlich »ein ganz neues hineininterpretiert. Außerdem gibt es
Licht« auf das alttestamentliche Gebot viele andere Bibelstellen über die Liebe,
der Nächstenliebe werfen. Das kann aber in denen dieser alttestamentliche Zusatz
immer nur ein Irrlicht sein. Genau dieses fehlt. Diese Bibelstellen passen nicht in
beweist gerade das Büchlein von W. Trobischs Konzept der Selbstliebe. Er
Trobisch. lässt sie einfach weg. Das ist schuldhafte
Als nächstes ist aufschlussreich, dass Unterlassung.
Trobisch nur diejenigen drei Bibelstellen Man muss immer Schrift mit Schrift
in den neutestamentlichen Briefen er- vergleichen. Nur ein gründliches Bibels-
20 Els Nannen:

tudium wirft »ein ganz neues Licht« auf Gerade das alttestamentliche Kriteri-
das Thema der sog. Selbstliebe. Nehmen um »wie dich selbst« macht deutlich,
wir z. B. Joh. 13, 34, wo der Herr Jesus dass die Heilige Schrift die Selbstliebe
den Vergleich aus dem alten Testament als eine jedem Menschen angeborene
»wie (griechisch »hoos«) dich selbst« Tatsache voraussetzt. Sie entlarvt und
durch ein neues Kriterium ersetzt: widerlegt damit die Hypothese der nicht
»gleichwie (»kathoos«) ich euch geliebt angeborenen Selbstliebe und zeigt auf,
habe«. Deshalb spricht der Herr hier von dass gerade die Bruder- und Nächsten-
einem neuen Gebot. Das ist ein Gebot liebe keine angeborene Sache ist. Sie ist
Jesu (Joh. 13,34a), während Er in Matth. ein Geschenk von oben (Rö 5, 5), eine
22,36 »das größte Gebot im Gesetz« zi- Frucht des Geistes (Gal. 5, 22). Von da-
tiert. Rienecker schreibt zum griechi- her heißt das neutestamentliche Gebot:
schen Wort »kathoos« (gleichwie): Es »Liebet einander« (Jo 13, 34; 15, 12
hat »begründende und vergleichende usw.) und »Strebet nach der Liebe«
Bedeutung: der vergleichende Hinweis (1Kor 14, 1; 1. Tim. 6, 11). Statt nun
auf Christus enthält für christliches Han- fremde und eigene falsche Vorstellun-
deln stets eine Begrün- gen »unter den Gehor-
dung und ist damit von Die aus dem Humanismus stam- sam Christi gefangen«
verpflichtender Bedeu- mende Selbstliebetheorie ist zu nehmen (2Kor 10,
tung« (16, 453-454). nicht zu christianisieren 5-6), versucht Trobisch
Dieses Wort »kathoos« sie durch Hineininter-
hat eine stärkere Bedeutung als die Ver- pretieren zu retten (14,13). Er macht die
gleichspartikel »hoos« aus Mt 22, 39. Es gefährliche Aussage, dass das Kriterium
ist so »schwerwiegend«, dass es immer »wie dich selbst« auch »einen zweiten
dort gebraucht wird, wo Jesus Christus Befehl enthält« (14,14). Wir kommen in
als Beispiel und Maßstab vor Augen ge- Kapitel III noch darauf zu sprechen.
malt wird (Vgl. Jo 13,34; 15,12;
Eph 5, 2.25.29; Kol 3,13). Der einfa- 3. An Hand von 1Sam 18,1 und Eph. 5,
che unbetonte Vergleich »wie dich 21-33 versucht Trobisch ebenfalls zu be-
selbst« dagegen fängt nie mit »kathoos« weisen, dass die Selbstliebe die Voraus-
an. setzung für die Nächstenliebe ist. So
Andere Bibelstellen, welche die bi- macht er aus einem Vergleich eine Be-
blische Liebe betreffen, stehen in 1Kor dingung. Was steht aber in 1. Sam. 18, 1
13; 1. Jo 3,16; 1Jo 4; Gal. 5, 22; 1Tim 1, geschrieben? »Und es geschah, als er
5; 1Pt. 4,8; 2Pt 1, 7 usw. Dort ist von (David) aufgehört hatte, mit Saul zu re -
Selbstliebe nie die Rede. Auch von daher den, verband sich die Seele Jonathans
ist Trobischs Folgerung aus dem alttesta- mit der Seele Davids.« Den gleichen
mentlichen Gebot, es gäbe »keine Ausdruck »verknüpfen, verbinden, fes-
Nächstenliebe ohne Selbstliebe«, grund- seln, anhängen« (kaschar) finden wir in
falsch. Diese aus dem Humanismus 1Mo 44,30 hinsichtlich der Seele des
stammende Selbstliebetheorie ist nun Vaters Jakob zur Seele seines jüngsten
einmal nicht zu christianisieren. Sohnes Benjamin. Bei David und Jonat-
Selbstliebe und Selbstannahme 21

han heißt es dann weiter: »Und Jonathan ausdrücklich auf die leibliche Dimensi-
liebte ihn (David) wie seine Seele« on der Selbstannahme hinweist... Ich fra-
(1Sam 18,1; vgl. auch 19,1; 20,17). ge mich (so Trobisch): Liebe ich meinen
Wenn wir Trobisch richtig verstehen, so eigenen Leib?« (14,16).
meint er nun folgendes: »Jonathan liebte Von Selbstannahme ist aber weder in
sein Herz, und das machte ihn fähig zu Eph 5 noch sonstwo in der Bibel die
einer tiefen Freundschaft«. Er liest also: Rede. Die »leibliche Dimension« in den
Jonathan liebte David, weil er seine eige- Versen 28 und 29 hat wohl mit Vers 31
ne Seele liebte. Die Bibel aber sagt: »Jo- zu tun. Das ist ein Vers, den Trobisch
nathan liebte David wie seine eigene zum Schaden der Auslegung außer acht
Seele«. »Wie« bedeutet bekanntlich lässt. Vers 31 ist ein Zitat aus 1. Mose 2,
nicht »weil«. 24. Dieser Text beginnt mit »Deswe-
Als Beispiel und Maßstab für die gen«. Das heißt also, dass er im Zusam-
Liebe, die der Ehemann seiner Ehefrau menhang mit den vorangegangenen Ver-
gegenüber hegen sollte, führt die Bibel sen (2, 21-23) steht. Die Ehefrau ist von
in Eph 5, 25-38 die Liebe Christi zu sei- Gott erschaffen, aber nicht wie Adam
ner Gemeinde an. In aus der Erde, sondern
Vers 25 heißt es »gleich- »Jonathan liebte sein Herz, und aus dem Leib ihres
wie Christus« und in das machte ihn fähig zu einer Mannes. Darum sagte
Vers 28 »also die Män - tiefen Freundschaft« Adam: »Diese ist
ner«. Das Wesen und Fleisch von meinem
Kennzeichen dieser Liebe ist die sich Fleisch.« Und in der Ehe sind Mann und
verleugnende Selbsthingabe (zu Vers 25 Frau zu einem Fleisch zusammengefügt.
vgl. Eph 5, 2 und 1Jo 3,16). So ist auch Darum sollen Ehemänner ihre Ehefrau-
die Ehe eine Dauerschule sich verleug- en lieben »wie ihre eigenen Leiber«,
nender, selbstloser Selbsthingabe. Der (auch »als«). Weil Mann und Frau in der
neue Maßstab »gleichwie Christus«, den Ehe ein Fleisch sind, ist es logisch, dass
der Herr Jesus schon in Jo 13, 34 für die der Mann, der seine Ehefrau liebt, »sich
Liebe zu den geistlichen Geschwistern selbst liebt« (Vers 28b), d.h. »sein eige-
gebraucht, wird in Eph 5, 25, 26, 28-29 nes Fleisch (Vers 29: »Denn«).
auch auf das besondere Verhältnis von Die Feststellung »Wer sein Weib
Mann und Frau in der Ehe übertragen. liebt, liebt sich selbst. Denn ...“ (Vers 28)
Das Wesentliche dieses Abschnitts ist bedeutet weder einen Befehl noch eine
auch hier der verstärkte Ausdruck Bedingung noch einen Erweis, abgese-
»gleichwie (griechisch ‘kathoos’) Chris- hen davon, dass es hier nicht um
tus«. (»Selbst«-)Liebe im allgemeinen Sinne
Entsprechend seinem Vorverständ- geht, sondern um das spezifische Ver-
nis betont Trobisch dagegen, dass in hältnis von Mann und Frau in der Ehe.
Eph. 5 »nicht weniger als dreimal auf die Wenn Selbstliebe eine Bedingung wäre,
Selbstliebe hingewiesen wird« (14, 14). müsste Vers 28 gerade umgekehrt lau-
Das nimmt er als Aufforderung. Er meint ten: »Wer sich selbst liebt, liebt seine
auch, es sei »interessant«, dass »Paulus Frau«. Trobisch verwendet nämlich die-
22 Els Nannen:

sen Abschnitt im Zusammenhang mit Anfang dieses Kapitels zitiert. Anderer-


seiner These: »Nur wer sich selbst liebt, seits wagt er anschließend gewisserma-
kann den anderen lieben.« ßen verächtlich zu schreiben: »Wir sind
Es ist also eine Deutung, die nicht zu- so auf Selbstaufgabe, Selbstaufopferung,
lässig ist, wenn der Autor zu Vers 28 Selbstverleugnung getrimmt, die Angst
schreibt: vor jeglicher vermeintlichen .egoisti-
»Wer seine Frau liebt, erbringt damit den schen’ Regung ist uns so eingeimpft«.
Erweis, dass er die Fähigkeiten erlernt hat, Die gleiche Gesinnung gegen Selbstver-
sich selbst zu lieben« (14, 16). Die Frage: leugnung und Selbstaufopferung finden
»Liebe ich meinen eigenen Leib?« wir beim Humanisten Erich Fromm.
ist hier wohl nicht am Platze. Es geht hier Trobisch macht hier den gleichen ver-
gar nicht im allgemeinen um das Ver- heerenden Fehler, der ihm bei seiner Deu-
hältnis eines Menschen zu seinem Kör- tung von Mt 22 auf Grund des »neuen
per. Paulus beschreibt nur die Beziehung Lichtes« durch einen Psychoanalytiker
Christi zu seiner Gemeinde, die sein und Humanisten unterlaufen ist: Er orien-
Leib ist (Eph. 1, 22-23; 5, 23), und zwar tiert sich an Josef Piper, der in seiner
als Beispiel und Maßstab für das spezifi- Schrift »Zucht und Maß« eine »selbstlo-
sche Verhältnis des Ehemanns zu seiner se« und eine »selbstische« Selbstliebe un-
Ehefrau, mit der dieser ein Fleisch ist. terscheidet. Der Ausdruck »selbstlose
Vers 33 beginnt mit den Worten »Jeden- Selbstliebe« ist jedoch ein Widerspruch
falls« (griechisch plen). Dieser Aus- in sich selbst. Er hängt mit der Ideologie
druck bedeutet »die Erörterung abschlie- der Selbstfindung (Identitätsfindung) und
ßend und das Wesentlich hervorhebend« Selbstannahme eng zusammen. Trobisch
(17). Der Vers steht somit in engem Zu- unterscheidet also auch die Selbstliebe,
sammenhang mit den vorangehenden die »erworben« werden muss („ich liebe
Versen (25-32) und hat mit der Selbstlie- mich selbst« und bin fähig, von mir weg-
be-Ideologie nichts zu tun. zusehen), von dem Auto-Erotismus, der
Der Ansporn, die Ehefrau (5, 25 und angeboren ist (»ich liebe nur mein Ich«
33) nach dem Vorbild Christi zu lieben, und blicke ständig auf mich selbst zu-
zeigt, dass diese Liebe nicht selbstver- rück). Eine solche Unterscheidung ist je-
ständlich ist. Die Liebe zur Ehefrau wird doch unzutreffend. Selbstliebe ist immer
als eine heilige Pflicht dargestellt, die auf sich selbst konzentriert. Im Humanis-
Selbstliebe aber niemals. mus (vgl. Erich Fromm) meint man, dass
es eine »Liebe zum eigenen Ich«, zum
4. In Kapitel 3 macht Trobisch den glei- (humanistischen) Selbst gäbe, welches
chen unbiblischen Unterschied zwischen imstande wäre, von all dem wegzusehen,
»Selbstliebe« und »Selbstsucht« wie was der Selbstentfaltung und Selbstver-
Erich Fromm. Was Fromm »echte« wirklichung im Wege steht. Nach der Bi-
Selbstliebe nennt, heißt bei Trobisch bel aber ist das eigene Ich rechtmäßig mit
»selbstlose Selbstliebe«. Einerseits weiß Christus mitgekreuzigt (Rö 6, 6), und bei
Trobisch um Jesu eigene Worte in Jo 12, Paulus auch im praktischen Leben (Gal
25; Lk 14, 26 und Mt 16, 24, die er am 2,20).
Selbstliebe und Selbstannahme 23

Nachdem Trobisch über die Selbst- Wort seinen eigenen Ideen unterordnen
findung und die Selbstannahme ähnli- und anpassen möchte:
ches wie Erich Fromm aussagt, kommt »Jesus wusste, wer er war, und war einver-
er auch offensichtlich zu der gleichen standen mit sich selbst. Er hatte die .An -
falschen Analyse: „Unsere Zeit ist so nahme seiner selbst’ vollzogen. Darum
süchtig, so selbstsüchtig, weil es so we- konnte er sein Selbst loslassen und der
nig Selbstliebe, Selbstfindung, Selbstan- Selbstlose schlechthin werden.
nahme gibt« (14,19). Die Heilige Schrift Darum brauchte er auch sein Selbst, seine
nennt aber dagegen andere Gründe: weil Identität, sein Gleichsein mit Gott nicht
es an Liebe zu Gott und zur gesunden krampfhaft festzuhalten wie einen Raub ...
Lehre fehlt, und weil man nur äußerlich Pointiert könnte man es so sagen: Weil Je-
religiös ist (2Tim 3,1-4; 4, 3-4). Trobisch sus sich selbst liebte, war er selbstlos und
wiederholt dagegen Fromms These, dass konnte uns lieben, ,wie sich selbst’«
Selbstliebe und Selbstsucht »einander (14,24-25).
ausschließen« (14,19). Gefährlicher aber Durch seine eigenmächtige Deutung
noch ist seine Uminterpretierung von dieser Bibelstelle, in die er eine »Selbst-
1Kor 13,5, womit er sei- liebe« und »Selbstan-
ne These biblisch zu un- »Weil Jesus sich selbst liebte, nahme« hineinliest,
termauern versucht: war er selbstlos und konnte uns kommt Trobisch zu der
»Denn die Liebe sucht lieben, ,wie sich selbst’« Folgerung:
nicht das Ihre. Sie hat es »Durch diese enge Ver-
gefunden. Darum kann sie es verschen- klammerung (Selbstannahme und Selbst -
ken.« losigkeit Jesu) sagt die Bibel aus: Es gibt
keine Nächstenliebe ohne Selbstliebe.«
5. In Kapitel 4 meint Trobisch dann, dass Biblische Tatsache ist aber, dass uns
»die Verklammerung von Selbstliebe in dem einmaligen, wunderbaren Ab-
und Selbstlosigkeit, von Selbstannahme schnitt von Phil 2, 5-8 die innere Gesin-
und Selbstentäußerung« besonders deut- nung Jesu Gott gegenüber zum Vorbild
lich bei Jesus Christus zu beobachten ist und als Maßstab vor Augen geführt wird.
(14, 23). In Jo 13,1 handelteessich, nach Von einer Selbstliebe und Selbstannah-
Trobisch, um die »totale Selbstannah- me Jesu ist weder hier noch sonst wo in
me« und dann sagt er: »Auf diesem Hin- der Bibel die Rede, geschweige denn,
tergrund ... erfolgt die Beschreibung sei- dass beides die Grundlage und Bedin-
ner (Jesu) Selbsterniedrigung und gung für seine Retterliebe zu uns Sün-
Selbstentäußerung«. Noch schlimmer ist dern war. Wer so etwas denkt, hat wohl
die Umdeutung des Abschnitts aus Phil weder von dem Herrn Jesus Christus
2,6-7! Für einen bibeltreuen Christen ist noch von seinem Gehorsam dem Vater
dieses eine Gotteslästerung, die man ei- gegenüber noch von seiner Liebe zu uns
gentlich nicht wiederzugeben wagt. etwas verstanden. Das humanistische
Andererseits ist es vielleicht gut, ein- Vorverständnis von Trobisch führt nicht
mal zu sehen, wohin man (auch als nur zur falschen Deutung des Wortes in
Christ) kommen kann, wenn man Gottes Phil. 2, sondern auch zu weiteren fal-
24 Els Nannen:

schen Folgerungen, dass Phil 2,5 eine wie soll der Herr Jesus »Selbstliebe« ler-
Aufforderung sowohl zur »Selbstannah- nen, wo er doch von vielen gehaßt, von
me« als auch zur Selbstverleugnung ent- Judas verraten und von den Jüngern ver-
halten würde, ja, dass Nachfolge Jesu lassen wurde, während er sein ganzes
nicht ohne Selbstliebe bzw. Selbstan- Leben »einen so großen Widerspruch
nahme möglich sei: gegen sich« erdulden musste (Jo 15,
»Ist Jesus aber unser Leben, dann bedeutet 20-25; Mt 26, 56; Hebr 12, 3; siehe auch
das, dass die Selbstannahme tatsächlich in Jes 52, 13-14; Jes 53)?
einem, letzten und tiefsten Sinn, ,die Das Bedenkliche ist außerdem, dass
Grundlage alles Existierens’ ist. Nachfol- für Trobisch das »Sich lieben lassen« oft
ge ist ohne sie nicht möglich. Der Gehor- das Gleiche ist wie »Sich loben lassen«,
sam der Selbstverleugnung setzt den Ge - also »lieben« das Gleiche wie »loben«.
horsam der Selbstannahme voraus« Er meint sogar, ein Mensch könne nicht
(14,25). leben, wenn er von Menschen »nie ge-
Hinsichtlich der Nachfolge eines lobt wird« (14, 32). Wäre das nicht
Jüngers Jesu redet aber der Herr von furchtbar, wenn unser Leben vom Lob
Selbstverleugnung und vom Kreuz, das der Menschen abhängig wäre? Gottes
jeder täglich auf sich nehmen soll (Lk Wort sagt in Kol. 3, 17 und 23-24 etwas
9,24-25; 14, 26-27 und 33; vgl. auch Gal ganz anderes! Trobisch dagegen geht so-
2,20). Allerdings ist die Selbstverleug- gar so weit, dass er sagt, wir alle brau-
nung eines Jüngers Jesu dem Wesen chen Anerkennung »wie das tägliche
nach etwas grundlegend anderes als die Brot«. Das wäre dann eine Umdeutung
Selbstentäußerung Jesu. Gott möge in von Mrt 4,4. Weiterhin behauptet er in
uns die Gesinnung Jesu bewirken! Er be- bezug auf Luther, der eine schwere, lieb-
wahre uns jedoch vor der humanisti- lose Kindheit erlebt hatte: »Deshalb rang
schen Gesinnung der Selbstliebe und der er sein Leben lang mit der Selbstannah-
Selbstannahme! me« (14,32). Auch wird Trobisch hier
wieder einmal von seinem humanisti-
6. In den folgenden Kapiteln versucht schen Vorverständnis bestimmt, wenn er
Trobisch nun die für ihn so »bedrängen- mancherlei Sünden wie Süchte, Abtrei-
de« Frage zu beantworten: Wie kann ich bung, Freßsucht etc. als »Folgen man-
lernen, mich selbst zu lieben? Seine Ant- gelnder Selbstliebe« deutet (Kap. 8). Der
wort lautet: »Indem ich lerne, mich lie - Herr Jesus dagegen sagt: »Aus dem Her-
ben zu lassen. Ich kann mich nur anneh- zen kommen ...« (Mk 7,20-23). W. Tro-
men, wenn ich angenommen bin, mich bisch behauptet: Aus mangelnder Selbst-
nur lieben, wenn ich geliebt werde und liebe kommen …
mich selbst lieben lasse« (14,26-27).
Man fragt sich dann, wie nach Deu - 7. In Kapitel 7 bringt dann Trobisch eine
tung durch Trobisch unser Herr Jesus zur »Korrektur« an. In den ersten sechs Ka-
»Selbstannahme« kommen konnte, denn piteln wurden die Worte »Liebe« und
er kam in das Seinige, aber die Seinen »Annahme« »bewusst im Austausch
nahmen ihn nicht auf (Joh. 1,11). Und verwendet und miteinander gleichge-
Selbstliebe und Selbstannahme 25

setzt« (14, 35). Aber »wen Christus an- tigung, Erlösung und Heiligung (1. Kor.
nimmt, der wird verändert«. Von daher 1,30).
ist dem Autor der wichtige Vers Jo 1,12 Am Rande sei bemerkt, dass die
»ganz neu aufgegangen«: Handauflegung zum Segnen, die Walter
»Ich will diesen Vers hier umschrieben und Ingrid Trobisch »als einen wesentli-
wiedergeben: ,Wer Christus aufnimmt, chen Bestandteil im Beratungsvorgang«
wer langsam lernt, ihm immer mehr sein ansehen und ausüben, nicht unproblema-
Leben zu überlassen, sich von ihm lieben tisch ist (14, 70-71), auch deshalb schon
zu lassen, der erhält Macht, geschenkte nicht, weil Frau Trobisch als Rednerin
Kraft, an sich zu arbeiten, um ein Gottes- im Programm des ökumenisch-charis-
kind zu werden, um in das Bild hineinzu- matischen Zentrums Schloß Craheim zu
wachsen, das Gott mit ihm gemeint hat«. sehen war. Es ist eine Frage, ob sich ein
Das ist aber keine Umschreibung Berater als Mittler zwischen Gottes Se-
mehr, sondern Bibelkritik! Der Start- gen und den Ratsuchenden ausgeben
punkt für die Selbstveränderung ist nach darf oder ob er nur auf Jesus Christus,
Trobisch »Selbstannahme«. den einzigen Mittler, hinweisen soll. In
»Darum ist die Selbstannahme nur der ers- Jesus hat uns Gott mit jeder geistlichen
te Schritt, der Startpunkt, der notwendige, Segnung gesegnet (Eph. 1,3)! Außerdem
ein Not wendender Ansatzpunkt. Sie ent- haben wir uns die Warnung aus 1. Tim.
bindet mich aber nicht von der Arbeit an 5, 22 zu Herzen zu nehmen.
mir selbst. Im Gegenteil: Sie beauftragt Das Thema Selbstliebe und Selbstan-
mich damit und macht sie mir möglich« nahme scheint wie ein roter Faden durch
(14,36). fast alle Bücher von Walter und Ingrid
Zur Bekräftigung seiner »Selbsterlö- Trobisch zu gehen. Wenn auch manches
sungsvorstellung« zitiert Trobisch Dr. Richtige darin stehen mag, die Gefahr ist
Theodor Bovet: groß, dass unbemerkt die Mentalität und
»Wenn ich mich richtig selbst liebe, dann das Denken unter den Einfluss des Zeit-
ist es mir unmöglich, stehen zu bleiben, geistes bzw. des humanistischen Ansat-
sondern ich will mich ändern, bis ich der zes geraten. Gottes Wort aber sagt, dass
bin, den Gott haben will.« wir uns in unserem Denken, Streben, Re-
Nach dem biblischen Verständnis den usw. nicht dieser Welt anpassen,
aber ist biblische Bekehrung und Wie- sondern von Gottes Wort her korrigieren
dergeburt der Anfang des neuen Lebens. und erneuern lassen sollen (Rö 12, 2; 2.
Das ist der »Startpunkt« und »Ansatz- Kor. 10, 4-6). Falls wir uns von der
punkt« für Veränderung und Heiligung Selbstliebe-Ideologie (vielleicht unbe-
des Lebens. Was für einen humanistisch wusst) haben faszinieren lassen, sagt uns
orientierten Christen die »Selbstannah- Gottes Wort:
me« und »Selbstveränderung« ist, ist für »Da wir nun diese Verheißungen haben,
einen an der Bibel orientierten Christen Geliebte, so lasst uns reinigen von jeder
die Person und das Werk Jesu Christi. Befleckung des Fleisches und des Geistes,
Gottes Wort sagt, dass Jesus Christus die Heiligung vollendend in der Furcht
uns von Gott geworden ist zur Rechtfer- Gottes« (2. Kor. 6,14-7,1).
26 Els Nannen:

3. Selbstliebe – das Gebot der Stun- lich »agapao« und ist bedeutsam. Aga-
de? pao schließt immer Opfer und Dienst in
Selbstverleugnung ein. Das Substantiv
Beim Durchdenken der Selbstlie- »Agape« bedeutet: Totaler Einsatz, Hin-
be-Ideologie, die im deutschsprachigen gabe des Selbst im Dienst an anderen
Raum vor allem durch Walter Trobischs (Vgl. 1.Joh.3,16; Eph. 5,2 und 25; Gal
Büchlein »Liebe dich selbst« in christli- 2,20; Joh 15,13). Statt sagt, dass Agape
chen Kreisen verbreitet wurde, hat mir nie auf sich selbst gerichtet sein kann:
der Kommentar von Dr. John Stott hilf- Wie kann ich mich selbst dahingehen im
reiche Hinweise gegeben (13). Obwohl Dienst an mir selbst?! Die Agape
schon manches in den vorangegangenen schließt die Selbstliebe aus! Selbstliebe
Kapiteln l und II über die Selbstlie- ist niemals Selbsthingabe im Dienst für
be-Theorie ausgesagt worden ist, soll im Gott und den Nächsten. Selbstliebe ist
folgenden zusammenfassend noch eini- Selbstdienst in Selbstgefallen und
ges ergänzt werden. Selbstverehrung.

3.1 Die Äußerung über die Selbstliebe in 3.1.3 Der historische Aspekt
Matth. 22,29 ist kein Gebot der Bibel Mt 22, 37-40 steht in direktem Zu-
sammenhang mit den Versen 34-36, mit
3.1.1 Der grammatikalische Aspekt denen der Text eine Einheit bildet. Der
Das alttestamentliche Gebot lautet Herr zitiert 5Mo 6, 5 als Antwort auf die
nicht: Liebe sowohl deinen Nächsten als Fangfrage eines Pharisäers nach dem
auch dich selbst. Sondern es heißt: Liebe Verhältnis Jesu zum Gesetz.
deinen Nächsten wie dich selbst! Tro- Den weiteren Kontext bilden die
bisch und andere Vertreter der Selbstlie- Streitgespräche der Hohenpriester, Äl-
be machen praktisch aus den zwei Gebo- testen, Pharisäer, Herodianer und Saddu-
ten drei: zäer mit Jesus im Tempel (Matth. 22,
Liebe Gott, liebe deinen Nächsten 23-24,1). Der Herr entlarvt die Hohen-
und liebe dich selbst. Der Herr Jesus sagt priester und Ältesten in drei Gleichnis-
dagegen in Vers 39: »Das Zweite aber, sen. Daraufhin halten die Pharisäer Rat,
ihm gleich« und nicht: „Das zweite und wie sie Jesus in eine Falle locken können
dritte, ihm gleich«. Und in Vers 40 heißt (22, 15). Auf die dreimalige Entlarvung
es: »An diesen zwei Geboten hängt das durch den Herrn folgt ein dreimaliger
ganze Gesetz«, nicht: »An diesen drei Angriff der Pharisäer und Sadduzäer auf
Geboten«. Es gab im Alten Testament ja ihn.
auch nur zwei Tafeln des Gesetzes, eine Die Frage nach dem Hauptgebot ist
für unser Verhältnis zu Gott und eine für eine bewusst versucherische Frage (22,
das Verhältnis zu unserem Nächsten. 35). Wie in Matth. 4 kämpft hier der Herr
Jesus mit der geistlichen Waffe des Wor-
3.1.2 Der linguistische Aspekt tes Gottes: Es steht geschrieben, und
Das griechische Wort, das hier für zwar in 5Mose 6, 5. Jesu Antwort ist also
»lieben« gebraucht wird, heißt bekannt- weder eine Lehre, eine Predigt noch ein
Selbstliebe und Selbstannahme 27

Gebot, sondern eine Antwort auf eine 3.1.4 Der theologische Aspekt
Versuchung vonseiten der Frommen! Es »...wie dich selbst« ist Maßstab des
stimmt also nicht, was Trobisch aussagt, Gesetzes (Mt 22,36). Dazu kommt Mt
die Selbstliebe sei »ein Gebot Jesu«. Ab- 7,12: Wie wir möchten, dass man mit
gesehen davon, dass auch in 5. Mose 6, 5 uns umgeht, sollen wir mit ihnen tun. Ein
keine Rede von einem Gebot der Selbst- Gebot »Liebe dich selbst« ist überflüs-
liebe ist, handelt es sich doch nur um ein sig, denn die Selbstliebe gehört ja zur al-
Zitat aus dem Alten Testament. Jesu Ge- ten Natur des gefallenen Menschen. Sie
bot lesen wir dagegen in Jo 14,34; 15,12. ist angeboren. Auch ist die Selbstliebe
Im übrigen ist Jesu Antwort auf die Ungehorsam gegen Gott und Gottes
konkrete Frage sehr aufschlussreich. Es Wort; denn das Gebot lautet ja gerade:
gab viele Gebote und die Pharisäer taten Liebe Gott und deinen Nächsten! Die
noch weit mehr hinzu. Man konnte un- Selbstliebe ist somit in doppelter Hin-
möglich alle Gebote halten. So hatte man sicht Sünde vor Gott. Sie ist Abgötterei
die vielen Gebote in wichtige und weniger des (humanistischen) Selbst und im
wichtige eingestuft. Aber welcher Grunde Selbstvergottung.
Maßstab war nun der absolute und feste, Selbstliebe ist Götzendienst. Die in
um zwischen wichtig und Jesus Christus erfahre-
unwichtig zu unterschei- Selbstliebe ist Götzendienst. ne und empfangene
den? Im Alten Testament Liebe Gottes führt da-
heißt es ja: »Wer das Gesetz tut, wird le - gegen zum Gottesdienst (Rö 12, 1-2;
ben« (3Mo 18, 5). Andererseits steht da: 1-Kor. 6, 19-20; 1Thes 1,9-10).
»Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in al- Selbstliebe ist nach 2Tim 3,2 das ers-
lem, was im Buche des Gesetzes geschrie- te Kennzeichen des Menschen der End-
ben ist, um es zu tun« (5. Mose 27, 26; Gal. zeit! Warum wird die Endzeit eine
3, 10). Jesu Antwort auf die versucherische schwere, gefahrvolle Zeit sein? Weil die
Frage war nun ausgerechnet das Gebot der Menschen »eigenliebig (philautoi) sein
Liebe, d. h. der Maßstab soll die Agape werden, geldliebend (philarguroi)... Ver-
sein, die Gesinnung der sich selbst ver- gnügen liebend (philedonoi)... anstatt
leugnenden, dienenden, sich opfernden vielmehr Gott zu lieben (philotheoi). Das
Liebe! Die verborgene, innere Einstellung griechische Wort für »anstatt vielmehr«
der Liebe zu Gott und zum Nächsten ist heißt »malion e«. Es »schließt das ande-
wichtiger als das bloße äußere Tun. Alles re ganz aus, betont aber, dass es (d. h. die
sollte von der dankbaren Liebe zum Herrn Gottesliebe) eigentlich sein sollte; Gott
und von der barmherzigen Liebe zum liebend tritt nachdrucksvoll am Schluss,
Nächsten (damals in erster Linie Zugehö- sich selbst liebend an der Spitze gegen-
rige zum Volke Israel nach 3. Mose 19,18, über« (16, 504). Das heißt also, dass
dann auch »der Fremdling«, der in Israel Selbstliebe und Liebe zu Gott einander
weilt nach 19,34) durchdrungen und getra- ausschließen.
gen sein. Und dieses Agape-Kriterium ist In der Reihe der endzeitlichen Kenn-
von bleibender Art (vgl. Rö 13,10; 1Kor zeichen steht neben Selbst-, Geld- und
16,14; Gal 5,13; Phil 2,1-2). Vergnügungsliebe (eigentlich: die Lust
28 Els Nannen:

liebend, nach dem Lustprinzip lebend) ben; sondern es heißt: Christus hat mich
noch etwas anderes, das man nicht liebt: geliebt und sich selbst für mich hingege-
das Gute (aphilagatos bedeutet »dem ben. Darum kann ich dich lieben (Gal. 2,
Guten feind«). Selbstliebe macht intole- 20; 2. Kor. 5, 14—15). Die Vorausset-
rant sowohl gegenüber dem »Guten« zung und die Quelle liegen also völlig
(nach biblischem Maßstab) als auch ge- außerhalb von mir und meinen sog.
genüber »der gesunden Lehre« der Bi- menschlichen Möglichkeiten.
bel, ob das nun im bibelkritischen, psy- Süchte, Feindschaft usw. sind also
chologischen oder charismatischen Sin- nicht Folgen einer »mangelnden Selbst-
ne geschieht (2. Tim. 4, 2-4). Die Liebe liebe«, sondern Werke des Fleisches und
zu Gott aber ist eng verbunden mit der Folgen der sündigen Natur (Gal
Liebe zu seinem Wort und mit dem Ge- 5,19-21). Aus dem sündigen Herzen,
horsam (Jo 14, 15 und 21; 15, 10; 1Jo 5, nicht aus mangelnder Selbstliebe, kom-
2-3). Es ist bezeichnend, dass alle diese men sie (Mk 7, 20-23).
Eigenschaften des Menschen der End-
zeit zwischen den beiden sich ausschlie- 3.3 Es gibt nicht zwei Arten von Selbst-
ßenden Fakten stehen: Zwischen Selbst- liebe
liebe und Gottesliebe. Es ist ein Entwe-
der-Oder! Dass wir uns ja nicht am Ab- »Selbstlose Selbstliebe« ist, wie be-
fall von Gott und Gottes Wort mitschul- reits erwähnt, ein Widerspruch in sich.
dig machen, indem wir die Selbstliebe Selbstliebe ist immer selbstsüchtig.
tolerieren, propagieren und praktizieren! Zwar kann die alte Natur in uns verschie-
dene Formen annehmen. Sie kann ein-
3.2 Selbstliebe ist niemals Vorausset- mal selbstsüchtig und ein anderes Mal
zung zur Nächstenliebe und Gottes- scheinbar selbstlos sein. Aber es gibt nur
liebe einen alten Menschen. Und dieser alte
Adam ist von Gott gerichtet, mit Chris -
Die Basis ist nicht meine Liebe zu tus mitgekreuzigt (Rö 6).
mir selbst, sondern Gottes unverdiente
Liebe in Jesus Christus zu mir, die er auf 3.4 Die Ideologie der Selbstliebe
Golgatha bewiesen hat (Rö 5, 8; „I.Joh.
4, 9-11.16.19; 3.16). Erst aber, wenn wir steht in engem Zusammenhang mit
das Gnadenangebot Gottes in Jesus dem humanistischen Welt-, Menschen-
Christus annehmen und aus Gott gebo- und Selbstbild mit der Irrlehre des auto-
ren werden, können wir im biblischen nomen Menschen mit seinen eigenen
Sinne lieben. Die Agäpe kommt ja aus Möglichkeiten und positiven Eigen-
der neuen Natur und ist eine Frucht des schaften und mit der Selbstverwirkli-
Geistes (1. Joh. 4, 7b; Rö 5, 5; Gal. 5, chung, die ohne Selbstliebe nicht mög-
22). Die Liebe ist aus Gott, darum lasst lich ist. Die Selbstliebe-Theorie ist nicht
uns einander lieben (I.Joh. 4, 7a). Es zu trennen von ihrer humanistischen
heißt nicht: Die Liebe aus mir selbst zu Wurzel! Und dieses unbiblische Men-
mir selbst macht mich fähig, dich zu lie- schenbild ist, wie bereits erwähnt, weder
Selbstliebe und Selbstannahme 29

neutral noch zu neutralisieren, geschwei- h. die Annahme des humanistischen


ge denn zu christianisieren. Selbst mit seiner vermeintlichen Würde
und Würdigkeit, Autonomie und Frei-
4. Über die Selbstannahme heit, mit seinen eigenen ungeahnten
Möglichkeiten und Fähigkeiten (sittli-
Im Vokabularium des Humanismus chen) Kräften und positiven, kreativen
gibt es viele Wörter mit der Anfangssilbe Eigenschaften, um das Beste und Höch-
»selbst«, z.B. Selbstentfremdung, Selbst- ste aus seinem Leben zu machen, an sich
findung, Selbst(wert)gefühl, Selbstbeja- zu arbeiten und mit den Problemen fertig
hung, Selbstbestätigung, Selbstbewah- zu werden.
rung, Selbstinteresse, Selbstgefallen, Die Idee der »Selbstannahme« ist
Selbstliebe, Selbstrespekt, Selbstvertrau- wie diejenige der »Selbstliebe“ untrenn-
en, Selbstbestimmung, Selbstentfaltung, bar mit dem humanistischen Menschen-
Selbstverwirklichung, Selbstwert, Selbst- bild verbunden, das der von Gott ge-
zweck, Sich-selbst-werden bzw. Sich- trennte, sich »selbständig« und »mün-
selbst-sein. dig« wähnende Mensch erfunden hat.
Biblische Begriffe wie Selbstver- Dieser emanzipierte Mensch meint in
leugnung um Jesu und des Evangeliums seiner Verblendung, in sich als Mensch
willen (Lk 9, 23-25; 14, 26.27.33), alles zu sein, zu haben, zu wissen und zu
Selbsthingabe (1Jo 3, 16; Apg 20, 24; 21, können. Er ist es, der mit Erich Fromm in
13; Phil 2, 17) und Selbstbeherrschung Selbstüberhebung und Selbstvergottung
als Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5, behauptet, dass es »nichts Höheres und
22; 2Pt 1, 6) fehlen verständlicherweise Erhabeneres als die menschliche Exis-
in jener Reihe. Denn das biblische Men- tenz« gibt (6). Ja, er spricht es sogar aus:
schenbild geht von der Offenbarung »Gott, das bin ich, insofern ich mensch-
Gottes über den Menschen in Gottes lich bin ...“ (10).
Wort aus: Der Mensch wurde von Gott Bei Erich Fromm wie auch bei ande-
zu Gott hin geschaffen. Er fiel jedoch ren Humanisten, auch unter Juden und
von Gott ab und wurde so ein durch und Christen, steht die Selbstannahme im
durch sündiger Mensch. Bei der bibli- Dienst der Selbstentfaltung und Selbst-
schen Bekehrung und Wiedergeburt ei- verwirklichung und schließlich der Ver-
nes Menschen bekommt dieser aber eine vollkommnung der menschlichen Art im
neue Natur und wird Teilhaber der gött- humanistisch-evolutionistischen Sinne.
lichen Natur (2Pt 1,4). Diese ist auf Gott Hierfür ist die Selbstannahme zusam-
und Gottes Sohn, auf Gottes Wort und men mit Selbstrespekt, Selbstliebe,
Gottes Willen hin ausgerichtet, im Ge- Selbstvertrauen usw. Grundlage und Be-
gensatz zur alten Natur, die auch noch in dingung. Fehlende bzw. mangelnde
einem Kind Gottes steckt. Die Letztere Selbstannahme soll die Ursache vieler,
ist immer auf sich selbst konzentriert, an wenn nicht aller Probleme sein.
sich interessiert und orientiert. Eine weltweite, alarmierende Ten-
Zu der humanistischen Begriffswelt denz unter den »Evangelikalen« ist, dass
gehört auch die sog. Selbstannahme, d. man sich in zunehmendem Maße an der
30 Els Nannen:

Psychologie mit ihrem atheistischen, sind« (14, 11). Und »nur wenn ich mein
evolutionistischen und humanistischen Selbst angenommen habe, kann ich es
Menschenbild orientiert. Noch proble- auch loslassen, kann ich selbstlos wer-
matischer wird es, wenn Christen versu- den. Habe ich mein Selbst aber nicht ge-
chen, Begriffe aus diesem antibiblischen funden, bin ich nicht zu meiner .Identi-
Menschenbild biblisch zu legitimieren tät’ gelangt, dann muss ich ständig su-
und zu integrieren, womit sie notwendi- chen und werde ... selbst-süchtig, ich-
gerweise Bibelstellen uminterpretieren süchtig« (14,18).
und biblische Verkündigung und Seel- Dagegen heißt es nach biblischem
sorge umfunktionieren müssen. Diese Verständnis: Nur wenn ich das Gnaden-
Begriffe sind aber nicht wertneutral, angebot Gottes in seinem Sohne Jesus
auch nicht der humanistische Begriff Christus als Heiland und Herrn mir zu ei-
»Selbstannahme«. Sein ihm zugrunde- gen mache und bejahe, dass mein Ich mit
liegendes Menschenbild ist nicht zu har- Christus mitgekreuzigt ist, kann ich
monisieren und nicht zu vereinen mit selbstlos werden (Joh.3,16; 1,12;Gal.
dem biblischen Menschenbild (2Kor 6, 2,20). Wenn ich mich aber nicht vom gu-
14; 10, 3-6). Merken wir überhaupt ten Hirten finden lasse und dadurch vom
noch, wie sehr sich heute schon die Leben aus Gott entfremdet bleibe, bleibe
Schlagworte wie Selbstliebe und Selbst- ich in meinem alten Wesen, das selbst -
annahme in Ausbildung und Zurüstung, süchtig ist (Luk. 19, 10; Eph. 4, 17-18).
in Kinder- und Jugendarbeit, in Verkün- Nur wenn ich ständig aus der Gnade und
digung und Seelsorge eingebürgert ha- Vergebung Jesu und nach Gal, 2,20 lebe,
ben? Können wir noch darüber erschre- kann ich den anderen in seiner alten Na-
cken ? tur tragen und ertragen, allerdings auch
mit dem stillen Gebet zum Herrn, dass er
4.1 Walter Trobisch und die »Selbstan- am anderen arbeite. Dann kann ich ihn
nahme« auch in Liebe und Weisheit ermahnen
(Kol. 3,12-14; 1,28-29).
Walter Trobisch orientiert sich u.a. Als Vorbild der »Selbstannahme«
an dem römisch-katholischen Priester nennt Trobisch Jesus Christus, den »ein-
und humanistischen Kulturphilosophen zig Selbstlosen«, der »sich selbst voll an-
Prof. Romano Guardini und dessen nahm«. Das »Identitätsbewusstsein
Schrift: Jesu«, das der Autor aus Joh. 5, 58 und
»Die Annahme seiner selbst« (1969). Joh. 10,30 herausliest, wird, wie auch die
Trobisch bejaht dessen Aussage, dass »totale Selbstannahme Jesu«, die er in
die »Selbstannahme die Grundlage alles den Bericht des Apostels Johannes in
Existierens ist« (14, 10). Für Trobisch ist Joh. 13, 3 und in den des Apostels Paulus
Selbstannahme eine Voraussetzung, ja in Phil. 2, 6a hineinliest, uns zur Nachah-
sogar eine Bedingung: mung hingestellt. Beides soll die Vor-
»Wir können den anderen nicht an- aussetzung der »Selbstverleugnung
nehmen, wie er ist, wenn wir uns nicht Jesu« sein (14, 23-25).
selbst angenommen haben, wie wir
Selbstliebe und Selbstannahme 31

Von seinem Vorverständnis geprägt, Gottes Wort seinem Vorverständnis un-


verwechselt offensichtlich Trobisch Jesu terordnen und anpassen will, anstatt sich
Selbstoffenbarung mit der humanisti- unter Gottes Wort zu beugen und sich
schen Selbstannahme. Ebenso interpre- von diesem korrigieren zu lassen.
tiert er in nahezu blasphemischer Art, Das »Angenommensein durch Gott«
dass Jesus »einverstanden mit sich versteht allerdings Trobisch nicht so,
selbst« war (14, 24), anstatt eins mit Got- dass man so bleiben muss oder kann, wie
tes Willen (Joh. 4, 34; 5, 30; Hebr. 10,7) man ist, sondern:
und Gottes Gebot, sein Leben für uns zu »Ich nehme dich an, wie du bist, aber nun
lassen (Joh. 10,18; 18,11). Trobisch ver- beginnt die Arbeit der Liebe, die allerdings
sucht auch, diesen humanistischen Be- auch deine Mitarbeit erfordert, deine
griff der »Selbstannahme«, den er inte- Selbstliebe« (14,36).
grieren möchte, mit Rö 15,7 biblisch zu Jedoch nach welchem Maßstab und
belegen und schreibt: zu welchem Ziel man verändert werden
»Christus ist derjenige, der uns annimmt, muss bzw. »sich ändern« soll, wird nicht
wie wir sind, brutto, mit Verpackung, und erwähnt.
der es uns dadurch ermöglicht, uns selbst Dass die angepriesene »Selbstliebe«
anzunehmen und auch einander anzuneh- im Dienst der Heiligung stehen soll, ist
men« (14,32). eigentlich eine »christliche Variante« zu
Auf diese Falschinterpretation von dem Thema Selbstliebe als Bedingung
Rö 15, 7 als Vorverständnis der huma- für Selbstentfaltung und Selbstverwirkli-
nistischen Selbstannahme-Theorie kom- chung. Wir sind als Kinder Gottes zwar
me ich in Abschnitt IV, 3 zurück. Tro- kein toter, sondern ein lebendiger Ton in
bisch schreckt auch bei dem Kapitel über der Hand des himmlischen Töpfers und
Gottes Liebe zu uns nicht davor zurück, können die Umgestaltung in Jesu Bild
einen Vers seinem Vorverständnis ent- bewusst bejahen oder erschweren, ja so-
sprechend zu verfälschen, nämlich in die gar verhindern. Es ist aber Gott, der so-
Umdeutung: »Lasst uns ihn annehmen, wohl das Wollen als auch das Vollbrin-
denn er hat uns zuerst angenommen«. gen in uns wirkt, und es ist Christus, der
Dieser Vers in 1Jo 4,19, der für Kinder das Werk in uns, das er anfing, auch voll-
Gottes geschrieben ist, besagt, dass sie enden wird (Phil. 2,13; 1, 6). Unsere
Gott lieben sollen, weil er sie zuerst ge- »Mitarbeit« besteht lediglich darin, dass
liebt hat. Kinder Gottes haben schon wir uns täglich in dankbarer Liebe und
längst den Herrn Jesus als ihren Heiland im Glaubensgehorsam dem Herrn Jesus
und Herrn in ihrem Herzen und können Christus übergeben, d. h. ja sagen zu sei-
nicht noch einmal (durch Trobisch) dazu nem Willen und Weg und nein sagen zu
angespornt werden, Ihn anzunehmen. unserer alten Natur und zur Welt. Und
Darüber hinaus ist es unbiblisch, zu ver- das ist gerade das Gegenteil von Selbst-
künden, dass man Gott annehmen soll. liebe!
Zu solchen und anderen Umdeutungen Es fällt auf, dass die Theorie »Gott
und willkürlichen »Korrekturen« von hat dich angenommen« und »Nimm dich
Bibelstellen kommt man, wenn man selbst an« verbunden ist mit einer Ver-
32 Els Nannen:

harmlosung der Heiligkeit Gottes, der nigt, geheiligt usw. in Christo Jesu.
Sündhaftigkeit des Menschen und des Welch ein Reichtum!
Ernstes des Opfertodes Jesu am Kreuz. Auch von einem anderen Standpunkt
Von der Heiligkeit Gottes und dem ho - aus ist es fraglich, ob wir sagen dürfen:
hen Preis, den Gott in Christus bezahlte, „Gott hat uns angenommen.« Die Bibel
um uns rechtfertigen, vergeben, heiligen bezeugt nämlich: Gott hat uns »durch
und vollenden zu können, lesen wir im das lebendige und bleibende Wort Got -
Trobisch-Büchlein überhaupt nichts. tes wiedergezeugt«, und zwar »wieder-
Der Satz »Gott hat uns (dich) angenom- gezeugt zu einer lebendigen Hoffnung«
men« wird nur einfach als gegeben hin- (1Pt 1, 3 und 23; Jak 1,18; vgl. auch
gestellt. Auch wird nie darauf hingewie- 1Kor 4,15). Wir sind »aus Gott geboren«
sen, welche Folgen es hat, wenn wir das (Jo 1,13; 3,3.5.7; Tit 3,5). Wir heißen
teure Heil in Christus vernachlässigen nicht nur Gottes Kinder, sondern sind es
oder abweisen (Hebr 2, 3; Jo 3, 36). Die auch (1Jo 3, 1-2). »Gott hat uns den
Bibel sagt aber: »Furchtbar ist es, in die Geist seines Sohnes in unsere Herzen ge-
Hände des lebendigen Gottes zu fallen sandt, der da ruft: Abba, Vater!« (Gal 4,
(Hebr 10, 31). Der Ausdruck »Gott hat 6). Und dieser »Geist selbst zeugt mit
uns angenommen« ist ein allzu billiges, unserem Geiste, dass wir Gottes Kinder
verkürztes »Evangelium«. sind« (Rö 8,16). Das alles sagt weit mehr
aus als das Schlagwort »Gott hat uns an-
Kann die These »Gott hat uns ange- genommen.“ Das Letztere würde hei-
nommen« überhaupt richtig sein? ßen, wir wären lediglich »angenomme-
Das Wesen des gefallenen Menschen ist ne« Kinder Gottes.
Rebellion, Emanzipation, Feindschaft
gegen Gott und sein Wort. Christus starb Hat Gott uns angenommen, »wie wir sind«?
stellvertretend für uns, »als wir noch Gottes Wort sagt, dass wir durch die
Feinde waren«, nicht, als wir an man- Erbsünde von Natur aus Sünder, Gottlo-
gelnder Selbstliebe und fehlender se, Feinde Gottes, tot in Sünden und Kin-
Selbstannahme litten. Wo Feindschaft der des Zornes Gottes sind, wandelnd
ist, muss Versöhnung geschehen. Am nach dem Geiste und Willen der Finster-
schrecklichen Fluchholz von Golgatha nis und nach der Lust unseres alten Men-
hat Gott uns mit sich selbst versöhnt. schen in uns usw. (Rö 5, Eph. 2). Die
Darum lautet die ernste biblische Bot- Sünde, die alte Natur in uns, ist Gott so
schaft: »...als ob Gott durch uns ermahn- ein Greuel, dass er sie in Christo Jesu am
te; wir bitten an Christi statt: Lasst euch Kreuz gerichtet und verurteilt hat (Rom
versöhnen mit Gott!« (2Kor 5, 11 und 8, 3). Es ist nicht so, dass Gott uns ein -
18-21). Das ist weit mehr, ja, etwas ganz fach »annimmt samt unserer Verpac-
anderes als der Satz: »Gott hat uns ange- kung« (nach Tro-bisch), d. h. samt unse-
nommen - lasst uns nun ihn annehmen“. rem alten Wesen, mit unseren Sünden,
Nein, Gott hat uns mit sich selbst ver- sündigen Gewohnheiten und Gebunden-
söhnt, uns gerechtfertigt, erlöst, gerei- heiten, mit allen Irrlehren usw. Denn ers-
tens dürfen wir nur in und durch Christus
Selbstliebe und Selbstannahme 33

zu Gott kommen. Auch verlangt der hei- tigt und geheiligt. Christus hat sich selbst
lige Gott Buße, aufrichtige Bekehrung, für unsere Sünden dahingegeben, um
das Bekennen und das Lassen unserer uns aus der bösen Welt herauszunehmen
Sünden und gleichzeitig die gläubige (Gal 1,4), und hat einmal für unsere Sün-
Aufnahme des Herrn Jesus in uns. Und den gelitten, auf dass er uns zu Gott führe
dann sieht Gott uns nur in Christus an. (1Pt 3,18). Abgesehen davon nahm der
Wer etwas von der Heiligkeit Gottes, Herr Jesus die Sünder schon vor Golga-
von der totalen Verdorbenheit des Men- tha auf. Jesus Christus ist nicht für uns
schen und vom Kreuzopfer Jesu erkannt gestorben, um uns mit sich selbst zu ver-
hat, wird nicht anders als beim bibli- söhnen und uns anzunehmen. Er ist der
schen Sprachgebrauch bleiben können, Mittler zu Gott, versöhnte uns mit Gott
d. h. bei der frohen und ernsten Botschaft und ermöglichte, dass wir ihn, Jesus
von Buße, Bekehrung, Wiedergeburt, Christus als Heiland und Herrn in unser
Rechtfertigung, Heiligung usw. (Vgl. Herz aufnehmen und Gotteskinderwer-
auch Matth. 3, 8-10). Man ist dann ein - den können.
fach nicht in der Lage, das verwässerte
»Evangelium« mit seinem Satz »Nimm Nimmt Jesus Christus die Sünder an ?
Gott an, denn Er hat dich angenommen« In Lk. 15 lesen wir, dass »alle Zöllner
anzuerkennen. Dieser Satz ist falsch. und Sünder« sich zu dem Herrn Jesus zu
nahen pflegten. Was tut der Sünderhei-
4.2 Dr. Erwin Scharrer und die »Selbst- land? Im Gegensatz zu den Pharisäern
annahme“ und Schriftgelehrten schickte er sie nicht
fort. Er nimmt sie bei sich auf, so dass sie
In einer grundlegenden Andacht weiterhin ihn hören (V. 1) können. Das
meinte der Psychiater Dr. E. Scharrer, heißt aber nicht, dass unser Herr die
Hohe Mark, dass Rö 15,7 eine »dreifa- Zöllner und Sünder »samt ihrer sündigen
che Aufforderung« enthielte: Verpackung« angenommen, akzeptiert
»Paulus weist auf die vollbrachte Tatsache und bejaht hat. Das Wort »aufnehmen«
hin: Christus hat uns angenommen. Da- in Lk 15 hat mit dem humanistischen
raus folgt: Wir dürfen einander annehmen, Begriff »annehmen« oder »akzeptieren«
zu Gottes Lob« (18). nicht das Geringste zu tun. Aufnehmen
Die erste Aufforderung sei dann steht hier im Gegensatz zum Fortschi-
»Selbstannahme durch Christusannahme«. cken: »Wer zu mir kommt, den werde
ich nicht hinausstoßen« (Jo 6, 37). Rie-
Christusannahme – »die vollbrachte necker schreibt zum griechischen Wort
Tatsache«? ekballo (herauswerfen): Es »gibt die
Nach biblischem Verständnis ist es eine Vorstellung eines geschlossenen Rau-
vollbrachte Tatsache: Christus hat an un- mes, aus welchem einer hinausgewiesen
serer Statt Gottes Strafe für unsere Sün- oder -geworfen wird; hier die Nähe oder
den getragen (Jes 53). Christus hat uns die jeweilige Umgebung Jesu« (16).
durch seinen Tod mit Gott versöhnt und Übrigens auch moralisch hochste-
durch sein Blut uns vor Gott gerechtfer- hende, gesetzestreue Menschen wurden
34 Els Nannen:

von dem Herrn Jesus aufgenommen. Judas war ein Dieb. Und er blieb ein
Auch der reiche Jüngling wurde nicht Dieb, obwohl er oft den Bußruf Jesu und
fortgeschickt. Aber gerade Jesu Umgang wahrscheinlich vorher schon die Buß-
mit dem reichen Jüngling zeigt, dass er predigt von Johannes dem Täufer gehört
nicht einfach jemanden »annimmt samt hatte und von ihm getauft worden war.
Verpackung, brutto«. Der Herr hat den Er hörte vom Herrn, dass niemand zwei
reichen Jüngling nicht »inklusive« seiner Herren dienen kann. Und er wählte den
Besitzbindung »akzeptiert« und »be- Herrn Mammon. Welch eine Warnung
jaht«. Im Gegenteil, der Herr verlangte für jeden, der das Geld bzw. sich selbst
eine konkrete, klare Bekehrung, einen liebt und damit die Tür seines Herzens
Bruch mit der konkreten Gebundenheit für den Herrn Jesus verschlossen hält.
und eine sofortige Nachfolge.
Jesus hatte also den reichen Jüngling Wir dürfen zu Jesus kommen, wie wir sind
aufgenommen. Dennoch ging dieser Eine ganz andere Sache ist es, dass
wieder fort, und zwar »sehr betrübt«; wir zum Herrn kommen dürfen, ja kom-
heute würde man sagen: »schwer de- men müssen, wie wir sind, und zwar
pressiv«. Warum? - Etwa weil er »sich »brutto«. In den Augen Gottes ist es ja
selbst nicht annehmen« konnte? Nein, er eine Sünde, wenn wir versuchen, unsere
wollte seine Bindung nicht aufgeben und eigene Gerechtigkeit zu bewirken, in ei-
dem Herrn Jesus nicht nachfolgen. Er gener Kraft mit Sünden und Gebunden-
wollte ihm nicht gehorchen. heiten oder überhaupt mit dem Leben
In Lk 5,32 lesen wir, weshalb Jesus fertig zu werden. Wir dürfen kommen,
die Zöllner und Sünder bei sich aufnahm wie wir sind, aber aufrichtig, bußfertig
und Tischgemeinschaft mit ihnen hatte: und demütig, dem Eigenleben und der
»Ich bin gekommen Sünder zur Buße zu Sünde den Rücken kehrend und mit gan-
rufen.« Wer von dem Herrn aufgenom- zer Übergabe des Lebens, »inklusive«.
men war, ihn aber nicht als seinen Hei- Zu Jesus kommen, ist die eine Sache, zu
land und Herrn anerkannte, starb trotz- Jesus kommen, die andere!
dem in seinen Sünden. Judas ist ein er -
schreckendes Beispiel. Er war sogar von 4.3 »Selbstannahme durch Christusan-
dem Herrn in den Jüngerkreis aufge- nahme«?
nommen worden. Dennoch ging er ver -
loren. Er war selbstsüchtig, habsüchtig Dr. E. Scharrer überschreibt seine
und geldgierig. Nach der humanisti- Andacht zu Rö 15,7 mit »Selbstannahme
schen Theorie von E. Fromm und W. durch Christusannahme«. Er behandelt
Trobisch wäre das eine »Folge mangeln- dieses Thema auf dem Hintergrund »der
der Selbstannahme«. Würde Judas heute beschwerten Vergangenheit«, d. h. vor
leben, hätte er in psychiatrischer Be- allem der Erziehung, die in der Anstalt
handlung oder in der Beratung wahr- »Hohe Mark« das Hauptthema der Ein-
scheinlich den Rat bekommen: Nimm zel- und Gruppengespräche ist.
dich selbst an, liebe dich selbst, dann »Aus diesem ... Erfahrungshinter-
kannst du loslassen! Die Bibel aber sagt, grund fragen wir nach dem Versöh-
Selbstliebe und Selbstannahme 35

nungsangebot des Neuen Testaments: kannte aus der Verkündigung des Apol-
.Christus hat uns angenommen« (18,82). los, dass dieser nur von der Taufe des Jo-
Und die sogenannte Christusannahme hannes wusste. Darum nahmen sie ihn
soll dann zur Aufforderung führen, so- auf bzw. mit nach Hause, um ihn näher
wohl sich selbst als auch andere anzu- über Jesus Christus und sein schon voll-
nehmen, was dann »neue lebendige Be- brachtes Werk zu unterweisen. Es han-
ziehungen« zwischen Kindern, Müttern, delt sich hier gerade nicht um ein »An -
Vätern und Mitmenschen schafft (18, nehmen« bzw. »Akzeptieren« des Apol-
83). Betrachten wir noch einmal, was Rö los nach Trobisch, »inklusive« seiner
15,7 in Wirklichkeit aussagt. mangelnden Erkenntnisse in seiner Ver-
kündigung.
4.3.1 Der grammatikalische Aspekt b) in seine Gemeinschaft nehmen
Gottes Wort aber sagt nicht: Nimm (17). Vgl. auch Philemon 17, wo Paulus
dich selbst an, gleichwie Christus dich den Philemon bittet, Onesimus, den
angenommen hat, sondern: »Nehmet weggelaufenen Sklaven, den Paulus zu-
einander auf, gleichwie ...“ rücksendet (Vers 12), wieder aufzuneh-
»Einander« hat nun einmal nicht die men, nun aber »als einen geliebten Bru-
gleiche Bedeutung wie »dich selbst«. der« (Verse 16-17).
Das Wort »einander« kommt in den Ähnlich ist es auch mit Rö 14, 3. Vers
Briefen des Neuen Testaments des öfte- 4, der zu Vers 3 gehört, wirft Licht auf
ren vor (z. B. Eph 4,32; 5, 21; Kol 3,9 die Frage, wie Gott den Christen aus
und 13; Jak 4,11; 1Pt 4,9-10; 5,5). Diese dem Heidentum bzw. den sog. »Glau-
und andere Bibelstellen mit dem Wort bensstarken«, der »alles isst«, Wein
„einander« dürfen wir nicht eigenmäch- trinkt und »jeden Tag gleich hält«, auf -
tig abändern in »euch selbst« oder »dich genommen hat, nämlich als Hausknecht.
selbst«. Außerdem wäre z. B. der Aus - Er ist (griechisch) der oiketes, was nach
druck »Sei dir selbst Untertan« oder »sei Rienecker »die Hausgenossenschaft her-
gastfrei gegen dich selbst« ein Nonsens, vorhebt« (16). Bauer schreibt, dass oike-
während sogar »diene dir selbst« dem bi- tes eigentlich Hausgenosse bedeutet,
blischen Zeugnis zuwiderläuft. »Einan- dann aber speziell Haussklave. Worum
der« in Rö 15, 7 und in allen anderen Bi- es hier geht, ist folgendes: Wo Gott den
belstellen im Neuen Testament betrifft Gläubigen aus den Heiden als seinen
also innerhalb der Gemeinde immer das Hausknecht aufgenommen hat und sein
Verhältnis der Glieder untereinander, nie Herr und Richter ist, darf ihm der Gläu-
das eines Gliedes zu sich selbst. bige aus den Juden die Gemeinschaft
nicht verweigern und ihn nicht richten.
4.3.2 Der linguistische Aspekt Umgekehrt sollen die Glaubensstarken
Das griechische Wort für »aufneh- den glaubensschwachen Judenchristen
men« in Rö 14, 1 und 3 sowie 15, 7 in ihre Gemeinschaft aufnehmen und ihn
(proslambano) bedeutet: davon nicht ausschließen (Rö 14,1). Die
a) zu sich nehmen. Vgl. hier Apg 8, Stelle in Rö 14,3 bedeutet also nicht:
26. Das Ehepaar Aquila und Priscilla er-
36 Els Nannen:

• »Gott nimmt den Sünder (mich) an.« Auch Rö 15,7 hat nichts zu tun mit
Es handelt sich in dem Vers um Gläu- einem Annehmen, Akzeptieren, Beja-
bige. hen, geschweige denn »samt und son-
• Gott akzeptiert mich »brutto, mit Ver- ders« (wie u. a. bei Trobisch). Niemals
packung«. Demgegenüber hasst Gott kann der Herr Jesus eine Sünde »akzep-
die Sünde(n). tieren«, z. B. die Sünde, den Bruder oder
• »Gott nimmt den Glaubensstarken an die Schwester zu verachten oder zu rich-
samt seiner Sünde, seinen Bruder ver- ten. Er musste ja für die Sünde am Kreuz
achtet zu haben.« Das Gegenteil ist sterben! Das griechische Wort für »auf-
der Fall: Im Namen seines Herrn nehmen«, proslambano, hat also nichts
musste Paulus zurechtweisen. zu tun mit dem Begriff »akzeptieren in-
• »Gott hat uns angenommen, nun klusiv« bzw. »bejahen«, der aus der hu-
kannst du dich selbst annehmen.« Von manistischen Psychologie stammt, vor
Selbstannahme ist hier überhaupt kei- allem aus der des Extrem-Humanisten
ne Rede. Wie könnte ich mich auch Carl Rogers mit seiner auf den Klienten
selbst als Haussklave bei mir selbst bezogenen, nicht direktiven Gesprächs-
annehmen ? haltung und Gesprächstechnik.
In Rö 15, 7 geht es nun hinsichtlich
des Begriffes »Aufnehmen« in die Ge- 4.3.3 Der historische Aspekt
meinde Jesu zu Rom um die gleichen Die Gemeinde in Rom wurde nicht
Kinder Gottes, also einerseits um die von einem Apostel gegründet, sondern
Glaubensstarken. Das sind die Christen entstand durch das judenchristliche
aus dem Heidentum. Aber auch Paulus Zeugnis von Mann zu Mann. Vielleicht
zählt sich zu ihnen (Vers 1). Darum sagt waren einige damals zu Pfingsten in Je-
er in Vers 7 »uns aufgenommen«. Es rusalem gewesen und haben sich bekehrt
geht andererseits um die Glaubens- (Apg. 2,10). Die römische Gemeinde be-
schwachen, um solche Judenchristen, stand aus Gläubigen aus den Heiden und
die zum Teil noch am Gesetz Mose fest- aus den Juden, die sich damals in Haus-
hielten. gemeinden versammelten (Rö 16). Ju-
Christus hat somit die Christen aus denchristen hatten einen gesetzlichen
Heiden und Juden gleicherweise und Hintergrund, die Heidenchristen nicht.
gleichermaßen in seine Gemeinschaft Im Jahre 49 nach Christus befahl Kaiser
und als gleichwertige Glieder in seinen Claudius, dass alle Juden Rom verlassen
Leib aufgenommen. So sollen auch bei- mussten, somit auch die Judenchristen
de Gruppen von Gläubigen einander in (Apg. 18, 2). Etwa 5 Jahre lang, bis zum
ihre Gemeinschaft aufnehmen, keine Tode des Kaisers Claudius im Jahre 54,
Sondergruppen für sich dulden oder so- war die Gemeinde in Rom ohne Leitung
gar bilden. In der Gemeinde des Herrn der Judenchristen und damit auch ohne
gibt es keine »Exklusiven«, wohl aber deren oft judaisierenden, moralisieren-
Unterschiede in geistlicher Erkenntnis den und formalisierenden Einfluss. Nach
über Nebensachen und in der geistlichen ihrer Rückkehr versuchten gewisse Ju-
Reife. denchristen, ihre alte Führungsrolle wie-
Selbstliebe und Selbstannahme 37

der einzunehmen. Auch waren sie in be- denchristen ermahnen: Richtet nicht den
zug auf das Gesetz Mose noch nicht zur Heidenchristen, denn Gott ist sein Rich-
ganzen Freiheit in Christus im Sinne von ter (Rö 14, 4 und 10b vgl. Rö 2, 16).
Gal 5,1 durchgedrungen. So gab es Schließe ihn nicht aus, denn Gott hat ihn
Spannungen und Konflikte und zwar nur als Seinen Haussklaven aufgenommen.
hinsichtlich einiger Punkte des Gesetzes Auch ist der Maßstab für den richtigen
Mose, d. h. in bezug auf die Fleischspei- und vollwertigen Glauben nicht, was wir
se (Rö 14, 2 und 21), den Genuss von essen oder trinken, denn »nichts ist un-
Wein (Rö 14, 21) und auf das Halten be- rein« und »alles ist rein« (Rö 14, 14 und
sonderer jüdischer Festtage (Rö 14, 5; 20), sondern wie wir das tun, ob wir es
Gal. 4,10). Da drohte nun Parteibildung, dem Herrn tun und Gott danksagen (Rö
ja Spaltung in der Gemeinde. Man ver - 14,6).
weigerte sich schon gegenseitig die Ge- Die Anfechtung der Heidenchristen
meinschaft. bestand darin, dass sie ihrerseits die ge -
setzestreuen Judenchristen verachteten
4.3.4 Der theologische Aspekt (Rö 14, 2 und 10b). Sie fühlten sich erha-
Auf diesem Hintergrund der Span- ben über diese „Glaubensschwachen«,
nung und möglichen Spaltung zwischen die noch nicht zur ganzen Freiheit in
gesetzestreuen Judenchristen und »glau- Christus durchgedrungen waren. Sie
bensstarken« Heidenchristen in Rom er- selbst ließen sich aber ihre Freiheit in
mahnt Paulus beide Gruppen: Nehmet Christus nicht nehmen, aßen darum wei-
einander auf, lasst es wegen der Mei- terhin Fleisch und tranken Wein. So aber
nungsverschiedenheiten über nicht we- wurden sie zum Kummer und zum Ans-
sentliche Dinge zu keiner Trennung toß für ihre Mitchristen aus dem Juden-
kommen, »denn das Reich Gottes be- tum (Rö 14,15 und 20), ja sogar zu Ver-
steht nicht aus Essen und Trinken“. (Rö führern, so dass auch Judenchristen an-
14,17). fingen, Fleisch zu essen und Wein zu
Die größte Gefahr war aber keines- trinken, zwar nicht aus innerer Überzeu-
wegs die äußere Spannung, sondern die gung, sondern mit Zweifel im Herzen,
innere Einstellung der Gotteskinder ge- ob dieses dem Herrn wohlgefällig sei.
geneinander. Bei den gesetzesorientier- Und der Zweifel wurde einem solchen
ten Judenchristen hatte sich das Richten Judenchristen zur Sünde, denn »alles,
der Geschwister aus den Heiden einge- was nicht aus Glauben ist, ist Sünde«
schlichen, und zwar nach dem Maßstab (Rö 14, 23). Diese überhebliche und he-
des Gesetzes: »Wenn ihr nicht..., dann rablassende Einstellung versperrte die
seid ihr weder echte noch ganze Chris- Tür des Herzens und der Gemeinschaft
ten.« Oder: »Wenn ihr ganz gehorsam für gesetzestreue Judenchristen. So
sein wollt, müsst ihr noch ...“ (Rö 14, 3 musste Paulus auch besonders die
und 10). Die Mentalität des Richtens ließ »Glaubensstarken« ermahnen: Verach-
keinen Raum im Herzen und somit kei- tet den nicht, der nicht isst, d.h. der um
nen Raum in der Gemeinde für Heiden- des jüdischen Gesetzes willen kein
christen übrig. So musste Paulus die Ju- Fleisch isst.
38 Els Nannen:

Weiter sagt Paulus: Den Schwachen Ein Kennzeichen einer Irrlehre ist
im Glauben nehmet auf, allerdings nicht, unter anderem, dass ein Satz aus dem
um mit ihm zu diskutieren (Rö 14,1). Be- Zusammenhang gerissen und verselb-
trübt und verderbt nicht mit eurer Speise ständigt wird, auf den man dann eine
den judenchristlichen Bruder, für den ganze Theorie aufbaut. So ergeht es auch
Christus gestorben ist (Rö 14,15). Im Rö 15, 7, wobei denn bezeichnenderwei-
Gegenteil, wandelt in der Liebe, die se, wie hiervon Dr. Scharrer, das Wort
mehr als Erkenntnis ist. Die Liebe kann «deshalb« weggelassen wird.
verzichten (Rö 14, 15 und 21). Die Liebe
ist tragfähig und möchte dem Bruder 4.4 Zusammenfassung
zum Guten und zur Förderung seines
Glaubens gefallen. Und das ist gerade a) Rö 15, 7 müssen wir immer auf
das Gegenteil von Selbstgefallen (Rö dem historischen Hintergrund der Span-
15,1-2). nungen zwischen den gesetzestreuen Ju-
Immer wieder stellt Paulus den ge- denchristen und den Heidenchristen in
meinsamen Herrn Jesus Christus als Bei- Rom sehen. Der Vers hat nichts mit ei -
spiel und Maßstab für das Verhalten un- nem persönlichen Hintergrund zu tun, z.
tereinander hin. So auch hier: Die Glau- B. mit einer schweren Kindheit und Ju-
bensstarken sollen nicht selbstgefällig gendzeit, einer sündigen Vergangenheit,
sein, weil der Herr Jesus nicht sich selbst einer schweren Lebensführung und ei-
gefallen hat, sondern die Schwachheiten nem schwachen oder gebrechlichen
der Schwachen und darüber hinaus sogar Körper.
die Schmähungen gegen Gott ertragen b) Die These »Christus hat uns ange-
und getragen hat. Als rechte Jünger ihres nommen« ist nicht nur ein verdünntes,
Herrn sollen sie die gleiche innere Ge- sondern ein abgeändertes »Evangelium«
sinnung wie er haben (Rö 15, 3-5). Das (2. Kor. 5,18-21).
Ziel ist, dass Gott durch die Gesinnung c) Durch das Wort »denn« in Rö 15,
seines Sohnes in seinen Kindern verherr- 8 und das Wort »deshalb« in Rö 15, 7
licht wird. Und dann kommt die Auffor- verstehen wir, dass es sich hier nicht um
derung: eine allgemeine »Christusannahme«
»Deshalb ... nehmet einander auf, handelt. Rö 15, 7 bedeutet nicht »Chris-
gleichwie auch Christus uns aufgenom- tus nimmt die Sünder (mich) an« und
men hat, zu Gottes Herrlichkeit« (Rö noch weniger, er tut das „inklusive mei-
15,7). ner schwachen Punkte« und »Unvoll-
Beachtenswert ist das Wort »Des- kommenheiten« (d. h. meiner alten Na-
halb“, mit welchem Vers 7 beginnt. Es tur), meiner Sünden, Irrlehren usw. Hier
bedeutet, dass Römer 15, 7 im unzer- sind nur Kinder Gottes mit einem unter-
trennlichen Zusammenhang mit dem schiedlichen religiösen Hintergrund ge-
Vorhergehenden steht, mit Rö 14, 1-15, meint. Rö 15,7 bedeutet gerade nicht,
6. Und das Wort »Denn« in Vers 8 zeigt dass Jesus die Gotteskinder in Rom mit
auf, dass Vers 7 auch zum folgenden ge- ihren Sünden des Richtens und Verach-
hört. tens »angenommen« bzw. »akzeptiert«
Selbstliebe und Selbstannahme 39

hat. Er hat sie als Kinder Gottes in seine nis von Mann und Frau bzw. Eltern und
Gemeinschaft aufgenommen. Kindern gelten andere Bibelstellen. So-
d) Die These: »Christus hat uns ange- weit andere uns gegenüber schuldig ge-
nommen« ist weder Basis noch Aufruf worden sind, haben wir zu vergeben und
zur sog. Selbstannahme. Erstens ist hier vergessen zu lernen. Verharren sie aber
weder von Christusannahme noch von in Sünde, Welt oder Irrlehre, so dürfen
Selbstannahme die Rede. Und dann: wir nicht nur nicht mitmachen, sondern
Wie kann ich mich selbst in meine eige- müssen auch die Gemeinschaft mit sol -
ne Gemeinschaft aufnehmen? Abgese- chen Menschen meiden (Eph. 5,7-11; 2.
hen von Rö 15,7 muss ich mich nicht an- Kor. 6,14-16). Auch für solche Situatio-
nehmen, wie ich bin, sondern mich Jesus nen gilt Rö 15,7 nicht.
ausliefern, wie ich bin. Dann bekleidet er g) »Nehmet einander auf« bedeutet
mich mit seinem Kleid der Gerechtigkeit ebenso wenig: Akzeptiert und bejaht je-
(2Kor 5, 21). Welch ein Tausch! Selbst- den Christen samt seinem fleischlichen
annahme ist dagegen Ungehorsam, denn Wesen, seinen falschen Wegen und
die Bibel ruft dazu auf, Jesus Christus als Praktiken, samt seiner modernen, reli-
Heiland und Herrn in sein Herz aufzu- giösen, moralischen und politischen
nehmen. Also: Entweder-Oder. Uns Auffassung oder Erfahrung oder mit »ei-
Kindern Gottes sagt die Bibel, dass wir nem anderen Geist« usw. - Im Gegenteil,
uns Gott unterwerfen sollen (Jak 4, 7). die Bibel fordert auf: »Ermahnet einan-
Das heißt, dass ich mich unter Gottes der. Feget den alten Sauerteig aus. Neh-
Wort, Gottes Willen und Gottes Wege met ihn nicht ins Haus auf« usw. (2Jo
beugen soll und »Ja« dazu sagen lerne. 7-11).
Nicht »Ja« zu mir selbst, sondern »Ja« h) Das griechische Wort für »aufneh-
zum Herrn und »Ja« zu der Tatsache, men« heißt proslambano. Es hat nichts
dass ich mit Christus gekreuzigt bin (Lk zu tun mit dem humanistischen Begriff
14, 26-27 und 33;Gal2,20;6,10). »annehmen«, »akzeptieren« bzw. »beja-
e) Die »Selbstannahme« ist keine hen«.
Voraussetzung zur »Annahme“ anderer.
Nicht meine »Selbstannahme«, sondern 4.5 Das humanistische Menschenbild ist
das Wunder, dass Christus mich und alle mit dem biblischen nicht vereinbar
anderen Gotteskinder in seine Gemein-
schaft aufnahm, ist die Grundlage für das Die Ideologie der Selbstannahme
offene Herz und die offene Tür für glau- hängt, wie wir schon zu Anfang sahen,
bensschwache und glaubensstarke Ge- unzertrennlich mit dem atheistischen,
schwister. humanistisch-evolutionistischen Welt-,
f) »Nehmet einander auf« bedeutet Menschen- und Selbstbild zusammen.
nicht »Nehmet jeden Menschen an.« Rö Hier bin ich als Mensch »das höchste
15, 7 hat nichts zu tun mit »neuen Bezie- Wesen« und »auf kein höheres Wesen
hungen zwischen Kindern, Müttern, Vä- angewiesen bzw. keinem höheren We-
tern und sonstigen Mitmenschen«, wie sen verantwortlich.« Als »autonomer«
Dr. Scharrer behauptet. Für das Verhält- Mensch bin ich »Selbstzweck« und für
40 Els Nannen:

meine »Selbstentfaltung und Selbstver- mit ihm hadert, ihn kritisiert und gewis-
wirklichung mir selbst verantwortlich.« sermaßen mit geballter Faust anklagt.
Nach dieser Ideologie muss ich »mich »Warum?« ist seine Frage. »Warum ge-
selbst, mein Ich, meine Identität« sowohl rade ich? Wenn du, Gott, die Liebe wä-
mit ihren »schwachen Seiten« (»Feh- rest ....dann ...“
lern«, »Unvollkommenheiten« und Die einzige Botschaft und Hilfe ist
Mangel an bestimmten Gaben usw.) als dann für ihn: Buße, Beugung, Schuldbe-
auch mit ihren »starken Seiten« (unge- kenntnis, Ganzhingabe mit einem »Ja,
ahnten menschlichen Möglichkeiten, Vater«, wenn auch unter Tränen. Gott
positiven Eigenschaften und Kräften), sieht das zerbrochene und zerschlagene
also mich so, wie ich bin, akzeptieren Herz an (PS. 51,17). Er macht einen sol-
und in eigener Kraft und »Selbstbestim- chen Menschen zu seinem Kind und
mung« an mir arbeiten. In diesem Zu- stellt die Gemeinschaft wieder her. Wir
sammenhang bedeutet dann das Gegen- sind »Geliebte Gottes«, »begnadigt in
teil von Selbstannahme: Selbstverkrüp- dem Geliebten (d.i. Christus)« (Rö 1, 7;
pelung, sobald ich eine Autorität, eine Eph. 1,6). Welch ein Gott! Welch ein
Norm und einen Zweck außerhalb von Evangelium! Darum lasst uns Ihn lieben
mir anerkenne, und Selbstverwerfung, (1.Jo 4,19).
wenn ich annehme, dass ich in mir selbst Dr. Scharrer behauptet jedoch in sei-
sündig und ohnmächtig bin. ner Andacht: »Das Evangelium, (ist)
Aus dieser Wurzel stammt also die Selbstannahme durch Christusannahme.
Idee der »Selbstannahme«. Sie ist davon Weil Christus mich annimmt, kann ich
nicht k zu trennen und kann nicht in das mich selbst annehmen. Weil Christus
biblische Menschenbild hineingepflanzt mich liebt, kann ich mich selbst lieben«
werden. & Die Bibel sieht immer und (18,83). Es mag sich hier um ein christia-
überall den Menschen in der Beziehung nisiertes, humanistisches »Evangelium«
zu f. Gott, von dem und zu dem hin er ge- handeln, aber es ist ein anderes Evange-
schaffen und in Christus erlöst ist. | Des- lium als das biblische (Gal. 1, 6-10). Un-
halb sagt ein Mensch entweder ja oder abhängig davon, was andere forderten,
nein zu Gott, zu Gottes Wil-w len und suchten oder verkündigten, bezeugte
Wegen und zu Gottes Wort, nicht aber ja Paulus: »Wir aber verkündigen den ge-
oder nein zu sich selbst. Es gibt kein ge- kreuzigten Christus ... Gottes Kraft und
schlossenes Weltsystem, in dem er als Gottes Weisheit ... Nur Jesus Christus
selbständiger Mensch existiert. Wer also ...« (1Kor 1,23-24; 2,2).
seinen Körper, seine Begrenzung, sein
Elternhaus, seine Situation oder Lebens- Und er ist darum für alle gestorben,
führung usw. ablehnt, sagt nur scheinbar damit, die da leben
nein zu sich selbst. Nach dem Verständ- hinfort nicht sich selbst leben,
nis der Bibel sagt er aber nein zu Gott. Er sondern dem, der für sie gestorben
ist kein »Neurotiker«, der unter dem und auferstanden ist. (2Kor 5,15)
»Mangel an Selbstannahme leidet«.
Nein, er ist ein Rebell gegen Gott, der
Selbstliebe und Selbstannahme 41

Anmerkungen mit Literaturangaben 10. Erich Fromm, Die Kunst des Liebens
(The Art ofLoving, 1956).
1. Martin Jay, Dialektische Phantasie - 11. Erich Fromm, Die Seele des Men-
Die Geschichte der Frankfurter schen - ihre Fähigkeit zum Guten und
Schule und des Instituts für Sozial- Bösen (1967).
forschung (1973). 12. Joseph Quint, Meister Eckehart.
2. Klaus Berger, Auf der Suche nach ei- Deutsche Predigten und Traktate
nem neuen Menschen (Factum 5,84). (1977).
3. R. Funk, Mut zum Menschen- Erich 13. Dr. John Stott, Must l ReallyLove
Fromms Denken und Werk (1978). Myself? (ChristianityToday, 5.
4. Erich Fromm, Ihr werdet sein wie 5.1978).
Gott (You Shall Be As Gods, 1966). 14. Walter Trobisch, Liebe dich selbst
5. Erich Fromm, Haben oder Sein? (To- (Brockhaus, 1975) Loving Yoursel-
HaveortoBe). ves (Intervarsity, 1977).
6. Erich Fromm, Psychoanalyse und 15. G. Meskemper, Falsche Propheten
Ethik (Man ForHimself, 1947). unter Dichtem und Denkern
7. Wilhelm Quenzer, Die Frage von (Schwengeler, 1983).
Fromms »radikalem Humanismus« 16. Fritz Rienecker, Sprachlicher
(EZW-Information Nr. 80 IX/80. Schlüssel zum Griechischen N.T.
8. Clark Peddicord (Leiter d. deutschen (1974).
Zweiges Campus f. Christ) Idea 17. Walter Bauer, Wörterbuch zum N.T.
17/83. (1963).
9. Abraham Maslow, Eupsychian Ma- 18. Dr. Edwin Scharrer, In: Seelische
nagement (1965). Krankheit - Heilung und Heil, 1980.

Die Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel. Neuübersetzung 2003. 24


S. 1,40 €, Bestellnummer: 0280. Bestellanschrift s. S. 2

• Muss man wirklich glauben, dass Gott die Bibel diktiert hat?
• Werden in der Bibel nicht auch Lügen berichtet?
• Warum soll es denn nicht möglich sein, ohne die Bibel an Gott zu glauben?

Solche Fragen werden auch von Christen gestellt, die glauben, dass die Bibel das
von Gott inspirierte Wort Gottes ist.
Die Chicago-Erklärung stellt das Bekenntnis zur Unfehlbarkeit und Irrtumslo-
sigkeit der Heiligen Schrift verständlich und ausführlich dar. Dadurch können Miss-
verständnisse abgebaut und die eigene Stellung zur Schrift gefestigt werden.
Eine verantwortungsvolle, bibeltreue Position, wie sie hier vertreten wird, will
nicht schlüssige Theorien über die Bibel aufstellen, sondern nur zusammenfassen,
was die Bibel über sich selbst sagt.
Bibelbund??
Der Bibelbund ist ein Zusammenschluss bibeltreuer Christen, die sich
in einem eingetragenen gemeinnützigen Verein organisieren. Er
nimmt Stellung zu kritischen Fragen über die Bibel. Sein Anliegen ist
es, die Gläubigen vor Ort in ihren Auseinandersetzungen mit
unbiblischen Entwicklungen in ihrer Umgebung zu helfen und ihr
Vertrauen in die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift stärken. Deshalb
gründet er auch keine eigenen Gemeinden.
1894 wurde der Bibelbund in einem pommerschen Pfarrhaus gegründet,
um ein Forum für schriftgebundene christliche Lehre zu bilden. Durch den
Bibelbund wollte man sich besser gegen das massive Vordringen der Bi-
belkritik und die zunehmende Liberalisierung der Theologie zur Wehr set-
zen. Bekannte Mitglieder des Bibelbundes waren unter anderen: Fritz
Rienecker, Wilhelm Möller, Erich Sauer, General von Viebahn, Kurt
Koch, Otto Riecker, Hans Bruns, Wilhelm Busch, Heinrich Jochums.
Heute wird die Arbeit des Bibelbundes von Christen aus Kirchen und
Freikirchen, Gemeinschaften und Brüdergemeinden getragen, die durch
das Bekenntnis zur Heiligen Schrift verbunden sind.
Die Mitglieder bekennen sich zu dem Glauben, dass allein die Bibel Alten
und Neuen Testaments nach ihrem Selbstzeugnis bis in den Wortlaut
hinein das durch göttliche Inspiration empfangene, wahre Wort Gottes
und verlässliche Zeugnis von seiner Offenbarung in der Geschichte ist.
Sie halten an der völligen Zuverlässigkeit und sachlichen Richtigkeit aller
biblischen Aussagen - auch in geschichtlicher und naturkundlicher Hin-
sicht - sowie ihrer uneingeschränkten Geltung in ihrem heilsgeschichtli-
chen Zusammenhang fest. Sie ist in allem, was sie sagt, uneinge-
schränkte göttliche Autorität und Norm für Lehre und Leben.
In die Öffentlichkeit tritt der Bibelbund durch Vorträge und Tagungen, vor
allem aber durch seine Zeitschrift »Bibel und Gemeinde«, die seit fast
100 Jahren erscheint. Dazu kommt der Vierteljahresbrief »Biblisch
Glauben, Denken, Leben«, der noch in der DDR als Mitarbeiterhilfe ent-
stand und kostenfrei weitergegeben werden kann.
Gründe für (m)eine Mitgliedschaft im
Bibelbund
• Als Mitglied im Bibelbund stelle ich mich verbindlich in die Reihe derer, die
sich öffentlich zur vollen Inspiration und Autorität der Bibel bekennen.
• Dadurch schaffe ich meinerseits eine Vertrauensbasis zur Zusammenar-
beit mit den Mitarbeitern im Bibelbund.
• Durch die Zeitschrift »Bibel und Gemeinde« erhalte ich gediegene Unter-
stützung, um diesen Standpunkt auch Andersdenkenden gegenüber ver-
treten zu können. Gleichzeitig bekomme ich echte Verstehenshilfen zur
Bibel und werde über unbiblische Zeitströmungen informiert.
• Durch die gezielte Weitergabe des kostenfreien Vierteljahresbriefes »Bi-
blisch Glauben, Denken, Leben« kann ich Interessierte auf die Bedeu-
tung der Bibeltreue aufmerksam machen und gute biblische Informatio-
nen vermitteln.
• Durch Sonderdrucke kann ich einzelne, mir wichtige Artikel verbreiten
und so andere Christen auf die Notwendigkeit des Einsatzes gegen bibel-
kritische Theorien hinweisen.
• So kann ich selbst mit meinen schwachen Kräften die Autorität der Bibel
in meinem Umfeld besser bezeugen.
• Als Mitglied stehen mir zwölf Männer des Ständigen Ausschusses zur
Seite, die sich in Vorträgen und Büchern für den biblischen Glauben ein-
setzen. Ich kann Bibelabende oder -tagungen zu aktuellen Themen mit
Einzelnen von ihnen in meiner Gemeinde organisieren.
• Ich kann mich in der Regionalarbeit des Bibelbundes für die Gemein-
schaft mit anderen bibeltreuen Christen in meiner Umgebung engagie-
ren. Kontakte dazu können vom Sekretariat vermittelt werden.
• Auf der jährlichen Haupttagung und auf regionalen Tagungen treffe ich
mit gleichgesinnten Christen und kompetenten Vortragsrednern zusam-
men.
• Ich habe Einfluss darauf, dass die Ziele des Bibelbundes entsprechend
seiner Satzung auch tatsächlich verwirklicht werden.
• Ich kann durch die Wahl des Vorstandes und des Ständigen Ausschus-
ses mitbestimmen, welche Persönlichkeiten das Anliegen des Bibelbun-
des repräsentieren sollen.
• Durch meinen freiwilligen Mitgliedsbeitrag und durch Spenden kann ich
dafür sorgen, dass gutes Material zur Bibel erarbeitet und verbreitet wird.
Begriffe wir Selbstentfremdung, Selbstfindung,
Selbst(wert)gefühl, Selbstbejahung, Selbstbestätigung,
Selbstbewahrung, Selbstinteresse, Selbstgefallen,
Selbstliebe, Selbstrespekt, Selbstvertrauen, Selbstbe-
stimmung, Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung,
Selbstwert, Selbstzweck u.ä. haben Hochkonjunktur.

Els Nannen zeigt die Ursache der bereitwilligen Aufnah-


me dieser weltweiten Botschaft der Selbstliebe auf und
setzt sich mit zwei der bekanntesten Vertreter der Selbst-
liebe auseinander: Erich Fromm und Walter Trobisch.

Preisgruppe 11

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