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Elmar Treptow

Theorie und Praxis


bei Hegel
und den Junghegelianern
1

Treptow

Theorie und Praxis

bei Hegel

und den Junghegelianern


2

Elmar Treptow

Theorie und Praxis


bei Hegel
und den Junghegelianern

Habilitationsschrift,

von der Philosophischen Fakultät

der Ludwig-Maximilians-Universität München

angenommen im Jahr 1971


3

Paul Treptow, meinem Vater,

gewidmet
4

Inha1tsverzeichnis

Vorwort......................................................................................................6

I. Hegels dialektische, ideelle und systematische Vereinigung von


Theorie und Praxis ..........................................................................7

1. Das Verhältnis von Theorie und Praxis als die Dialektik von
Geist und Willen.........................................................................7

2. Die Mangelhaftigkeit, Einseitigkeit und Unfreiheit der The-


orie und Praxis im Bereich der Endlichkeit ...............................19

3. Die dialektische Einheit von Teleologie und Kausalität in


der Praxis der Naturaneignung .................................................27

4. Theorie und Praxis als gesellschaftlich-geschichtlicher Pro-


zess ..........................................................................................31

5. Die Konzeption der Praxis als konkreter Sittlichkeit .................36

6. Der scheinbare Vorrang der Praxis gegenüber der Theorie........55

7. Die Praxis und die endliche Theorie als Stufen auf dem
Weg zur vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit in der ab-
soluten Theorie.........................................................................65

8. Die Wirklichkeit der Vernunft in der politisch-historischen


Praxis .......................................................................................74

II. Heines Ableitung der revolutionären politisch-sozialen Praxis


aus der philosophischen Theorie ...................................................83

III. Cieszkowskis historiosophische Konzeption der Praxis als


höchster Stufe des absoluten Geistes ............................................89

IV. Strauß’ Umbildung der dialektischen Methode zur analyti-


schen Kritik der religiösen Entfremdung......................................101
5

V. Ruges radikaldemokratische Konzeption der Übersetzung der


philosophischen Theorie in die politische Praxis vermittels
der Kritik ....................................................................................113

VI. Bauers skeptizistische Konzeption der philosophischen Theo-


rie als Funktion des menschlichen Selbstbewusstseins und
Negation seiner Objektivationen ..................................................127

VII. Stirners anarchistische Konzeption der egoistischen Revolte


und des willkürlichen Denkens ...................................................145

VIII. Feuerbachs sensualistische Konzeption der Praxis als Liebe


und der Theorie als unmittelbarer Anschauung auf der Basis
der Ich-Du-Beziehung .................................................................161

IX. Marx’ Übergang von der kritischen Philosophie zur Konzepti-


on der Aufhebung der Philosophie durch ihre Verwirklichung......186

Zusammenfassung ...............................................................................221

Anmerkungen.......................................................................................245

Literaturverzeichnis ..............................................................................335

Personenverzeichnis Text (Seitenzahlen) ...............................................362

Personenverzeichnis Anmerkungen (Endnotenzahlen) ...........................368


6

Vorwort

Gegenstand der Untersuchung ist das Verhältnis von Theorie und Pra-
xis im Denken Hegels und der Junghegelianer. Als „Junghegelianer" seien
hier im weitesten Sinn des Wortes nicht nur D. F. Strauß, B. Bauer, Stir-
ner und Ruge, sondern auch Heine, Cieszkowski, Feuerbach und der junge
Marx bezeichnet, insofern sie alle den Auflösungsprozess des Hegelianis-
mus repräsentieren. Die Analyse soll so weit wie möglich Hegels Grundsatz
des Eingehens auf die Sache selbst und des Fernhaltens beliebiger von
außen genommener Gesichtspunkte befolgen, ohne dass aber die Verwick-
lung mit der Sache die Versöhnung mit ihr ist.
7

I. Hegels dialektische, ideelle und systematische Vereinigung von


Theorie und Praxis

Der zentrale Aspekt bei der Untersuchung des Verhältnisses von Theo-
rie und Praxis im Denken Hegels muss der Begriff der Freiheit sein. Er ist
der Schlüssel, der den Zugang zur Hegelschen Konzeption von Theorie und
Praxis öffnet. Es ist im einzelnen zu zeigen, wie für Hegel die verschiede-
nen Formen der Theorie und Praxis die stufenweise Verwirklichung der
Freiheit als Überwindung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes und damit als
Aufhebung der Entfremdung zum Zweck haben, und wie die theoretischen
und praktischen Vereinigungen von Subjekt und Objekt mit dem Vollbrin-
gen der Freiheit zugleich das Wahre und Gute realisieren.
In Hinblick darauf ist zunächst zu klären (ohne dass auf eine vorliegen-
de Abhandlung verwiesen werden könnte1a): wie verhalten sich grundsätz-
lich für Hegel Theorie und Praxis zueinander?

1. Das Verhältnis von Theorie und Praxis als die Dialektik von Geist
und Willen

Theorie und Praxis bilden eine Einheit, die darin besteht, dass der Geist
mit seiner Substanz, der Freiheit1, nur in die Existenz gelangt und sich
durchsetzt im Willen und in dessen Realisierung. Der Wille ist der „prakti-
sche Geist“.2 Das heißt: der Wille und seine Ausführung in der Handlung
sind das im dialektischen Sinne andere des Geistes, die Entäußerung oder
Objektivation des Geistes. Geist und Wille bedingen sich wechselseitig wie
Inneres und Äußeres.3 In formaler Hinsicht sind somit Geist und Wille
„fundamentum“ und „terminus“ einer Relation, die die Struktur eines in
sich zurückkehrenden Übergangs oder einer reflexiven Transzendenz hat.
Das innere Geistige ist das allgemeine Mögliche, das erst durch den Wil-
len und die praktische Tätigkeit des Menschen ins Wirkliche übersetzt
wird: „Prinzip, so auch Grundsatz, Gesetz ist ein Allgemeines, Inneres, das
als solches, so wahr es auch an ihm sei, nicht vollständig wirklich ist...
was an sich erst ist, ist eine Möglichkeit, ein Vermögen, aber noch nicht
aus seinem Innern zur Existenz gekommen. Es muss ein zweites Moment
für ihre Wirklichkeit hinzukommen, und dies ist die Betätigung, Verwirkli-
8

chung, und deren Prinzip ist der Wille, die Tätigkeit der Menschen über-
haupt.“4
Dieses dialektische Verhältnis von Geist und Willen ist nach Hegel im
subjektiven, objektiven und absoluten Sinne zu verstehen: durch die indi-
viduellen Willenshandlungen verwirklicht sich sowohl die Freiheit des sub-
jektiven, individuellen Geistes (im Lebenslauf des einzelnen Menschen) als
auch des objektiven Volksgeistes (im Hervorbringen einer epochalen Stufe
der Geschichte) sowie des absoluten Weltgeistes (im Vollbringen der Welt-
geschichte), der wiederum – wenn auch verborgenerweise – vermittels des
Volksgeistes und dessen Werken das substantielle, wesentliche Terrain der
Realisierung der Freiheit des individuellen Geistes ist.
Geist und Wille bilden also keine getrennten Vermögen; und Hegel fasst
ihre Wechselbeziehung nicht statisch, sondern dynamisch auf. Das heißt:
die Bewegung des Geistes läuft nicht selbständig neben dem Prozess der
praktischen Tätigkeit her, baut sich auch nicht äußerlich hierarchisch ü-
ber ihm auf, sondern ist in ihn einbezogen. Zunächst durchdringen sich
theoretische und praktische Tätigkeit auf der Stufe und im Wirkungskreis
des subjektiven, individuellen Geistes. Isoliert betrachtet, richtet sich die
individuelle theoretische Tätigkeit, sofern sie von der Anschauung und
Vorstellung zum Denken aufsteigt, auf das Innere, Rationale, Allgemeine
und Unendliche; dagegen bleibt die individuelle praktische Tätigkeit als
solche, die sich nicht zum allgemeinen objektiven Willen erhoben hat, auf
das Äußere, Sinnliche, Besondere und Endliche der Wirklichkeit be-
schränkt. Aber in Wahrheit stehen die individuelle theoretische und prak-
tische Tätigkeit in untrennbarer Einheit.
Es gibt nämlich keine Intelligenz ohne Willen; denn „indem wir denken,
sind wir eben tätig. Der Inhalt des Gedachten erhält wohl die Form des
Seienden, aber dies Seiende ist ein Vermitteltes, durch unsere Tätigkeit
Gesetztes “5
Auf welche Weise die theoretischen Erkenntnisse praktisch vermittelt
werden, ist unten in Verbindung mit dem Problem der Vergegenständli-
chung darzustellen. Dass erst auf der Grundlage des Willens die theoreti-
sche Distanz zu den Objekten möglich ist, wird deutlich werden aus der
Charakterisierung des Willens als Triebhemmung. Wenn Hegel sagt, in der
Tätigkeit des Denkens finde sich das Moment des Willens, so sei dieser
9

Zusammenhang zunächst erläutert durch den Hinweis darauf, dass wir


unverkennbar unseren Willen auf theoretische Überlegungen konzentrie-
ren und absichtlich allgemeine gedankliche Inhalte einprägen und lernen
sowie reproduzieren können.
Ebenso ist nach Hegels Einsicht umgekehrt die Praxis untrennbar von
der theoretischen Tätigkeit: wesentlich für den Willen und jede Willens-
handlung ist die Zielstrebigkeit, das bewusste Innehaben des Zweckes der
Handlung: „... der Wille hält das Theoretische in sich: der Wille bestimmt
sich; diese Bestimmung ist zunächst ein Inneres: was ich will, stelle ich
mir vor, ist Gegenstand für mich.“6 Hierbei ist das „Vorstellen“ im weites-
ten Wortsinne zu verstehen; das geistig antizipierte Resultat kann nämlich
außer in der Form der Vorstellung im engeren Sinne – der sinnlichen Vor-
stellung - auch in der Form des Gedankens auftreten.
Mehrere Bewusstseinsmomente und differenzierte Operationen wie Ab-
wägen der Konsequenzen der Handlung, Kollidieren der Motive, Treffen
einer Wahl, Hegen einer Absicht und Fassen eines Vorsatzes und Ent-
schlusses sind innere, intellektuelle Bestandteile einer komplizierten Wil-
lenshandlung vor ihrer Durchführung.
Die Willenshandlung ist die spezifisch menschliche Handlung. Im Ge-
gensatz zu ihr sind in der unwillkürlichen Trieb- oder Impulshandlung, die
ebenfalls wie die Willenshandlung einen Zustand des Bedürfnisses und
Mangels zu negieren sucht, die angestrebten Gegenstände nicht als Ziel
bewusst geworden: das Gefühl hat überhaupt „noch keine Gegenständ-
lichkeit“, ist ein bestimmter Zustand des Subjekts, der Trieb dagegen ist
zwar gegenständlich, aber bewusstlos, der Wille schließlich ist sowohl ge-
genständlich als auch bewusst.
Das Tier bleibt in seiner reaktiven situationsbedingten Lebenstätigkeit
dem Trieb verhaftet; der Mensch weiß im Trieb nicht, was er will. Aber
durch die Reflexion auf den Trieb erkennt er ihn als beschränkt, hebt sich
von ihm ab und geht über ihn hinaus. Die Reflexion vergleicht den Trieb
mit den Mitteln seiner Befriedigung, die Mittel und Triebe untereinander
und die Triebe mit den Hauptzwecken des menschlichen Wesens.7
Auf Grund der Hemmung der Triebe, der zielgerichteten Willenshaltung
und der Möglichkeit, von allem gegebenen Inhalt willentlich zu abstrahie-
10

ren, gewinnt der Mensch freie Distanz („Weltoffenheit“) gegenüber den Ge-
genständen der Natur und Gesellschaft und vermag infolgedessen auf sie
mit Überlegung und Auswahl einzuwirken.
Die willenlosen, trieb- und instinktgeleiteten Tiere dagegen sind mit der
Natur nicht entzweit und somit von der Umwelt unmittelbar abhängig und
determiniert Sie passen sich der Natur, ohne sie entsprechend ihren Be-
dürfnissen zu verändern, an und assimilieren sie direkt. Sie sind, wie He-
gel sagt, nicht ausgeschlossen von den „Eleusischen Mysterien der Ceres
und des Bacchus“ über die Nichtigkeit der sinnlichen Dinge; denn sie „lan-
gen... ohne weiteres zu und zehren sie auf.“8
Grundlegend ist Hegels Einsicht, dass der Mensch nicht unmittelbar
von Natur selbständiges freies Subjekt ist, sondern dies erst in einem
praktisch-theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess werden kann.
Das Tier „kann zwischen seinen Trieb und dessen Befriedigung nichts ein-
schieben; es hat keinen Willen, kann die Hemmung nicht vornehmen. Das
Erregende fängt bei ihm im Innern an und setzt eine immanente Ausfüh-
rung voraus. Der Mensch aber ist nicht darum selbständig, weil die Bewe-
gung in ihm anfängt, sondern weil er die Bewegung hemmen kann und
also seine Unmittelbarkeit und Natürlichkeit bricht. - Denken, dass er Ich
ist, macht die Wurzel der Natur des Menschen aus. Der Mensch ist als
Geist nicht ein Unmittelbares, sondern wesentlich ein in sich Zurückge-
kehrtes... er ist also das, wozu er sich durch seine Tätigkeit macht. Erst
das in sich Zurückgekehrte ist das Subjekt...“9
Die praktische Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Menschen
sind also bedingt durch die theoretische Selbsterkenntnis, indem die Be-
herrschung und Regulierung der Triebe zur Voraussetzung hat das Be-
wusstsein und Selbstbewusstsein, d. h. das Bewusstsein des Menschen
als Ich oder Subjekt, wie auch umgekehrt die selbstbewusste theoretische
Tätigkeit bedingt ist durch die Hemmung der Triebe und die willentliche
Selbstbestimmung.
Wie Hegel hervorhebt, sind die natürlichen Bedürfnisse, die Weisen ih-
rer willentlich-praktischen Befriedigung und die Mittel hierfür beim Men-
schen im Gegensatz zum Tier nicht konstant und einfach, sondern sie dif-
ferenzieren, multiplizieren, komplizieren und spezialisieren sich in einem
unendlichen Prozess.10 In dessen Verlauf geraten die Menschen im „Sys-
11

tem der Bedürfnisse“ der „bürgerlichen Gesellschaft“ in der Weise in wech-


selseitige Abhängigkeit, dass ihre Verhältnisse schließlich – weiter bedingt
durch die „Ungleichheit des Vermögens und der Geschicklichkeiten der
Individuen“ – antagonistisch im „Übermaße des Reichtums“ und „Überma-
ße der Armut“ resultieren, wogegen Hegel Abhilfe erwartet von dem Welt-
handel, der Kolonisation und der Besteuerung der Reichen, aber vor allem
von der durch den Bauern-, Handels- und Gewerbe- sowie Beamtenstand
vermittelten Unterordnung der konkurrierenden selbstsüchtigen Privatin-
teressen der Gesellschaft unter den Staat als Versöhnung des Individuel-
len und Allgemeinen.11 – Durch die Auffassung von der gesellschaftlich-
geschichtlichen Entwicklung der Bedürfnisse unterscheidet sich Hegel
grundlegend von derjenigen zeitgenössischen philosophischen Anthropolo-
gie, die dahin tendiert, natürliche Konstanten und invariante Strukturen
des Menschen aufzusuchen und ihn eher als biologisches denn als ge-
schichtliches Wesen zu betrachten. Für Hegel sind die Bedürfnisse des
Menschen immer solche auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung, e-
benso wie die Welt des Menschen, in der er denkt und handelt, immer eine
konkrete Welt des objektiven Geistes ist.
Mit der Fundierung der Praxis in dieser geschichtlich orientierten Anth-
ropologie knüpft Hegel unausgesprochen an Herder an. Für Herder ist der
Mensch „der erste Freigelassene“ der Natur; das Tier ist mit seinen Trieben
in einer beschränkten artspezifischen Umwelt festgehalten; es „hat seinen
Kreis, in den es von der Geburt an gehört.“ Der Mensch unterdrückt oder
sublimiert seine Triebe und emanzipiert sich von ihnen, sein Organismus
ist mit Mängeln ausgestattet und verhältnismäßig unspezialisiert. („Seine
Sinne und seine Organisation sind nicht auf Eins geschärft...“). Den Men-
schen leitet der „künstliche Instinkt“, die Vernunft. Statt in einer natürli-
chen Umwelt lebt er in einer – nur relativ stabilen – Kulturwelt. (Dies be-
deutet, dass entgegen der Annahme von Verhaltensforschern speziell die
menschliche Destruktivität im wesentlichen nicht aus der tierischen Ag-
gressivität ableitbar ist.) Der Mensch ist von Natur wesentlich zur Ver-
nunft, Freiheit und Humanität organisiert. Dementsprechend darf er „wäh-
len, wenn er auch das Schlechteste wählte: er kann über sich gebieten,
wenn er sich auch zum Niedrigsten aus eigener Wahl bestimmte.“ Das We-
sen oder „die Natur“ des Menschen ist also nicht fertig und einfach vorge-
geben, sondern geschichtlich aufgegeben und Resultat dessen, wozu der
12

Mensch sich selbst verwirklicht und bestimmt, was aber objektive Mög-
lichkeit bleibt und nicht im Belieben steht. „Der“ Mensch ist der Bildungs-
prozess des Menschen. „Die“ Vernunft ist kein fixes Vermögen, das der
Mensch hat, sondern sie ist „das fortgehende Werk der Bildung des
menschlichen Lebens. Sie ist nicht angeboren...“12
Unverkennbar ist die vielmals perhorreszierte Konzeption der Selbst-
verwirklichung des Menschen hier nicht entworfen aus prometheischer
Überhebung, sondern auf Grund einer begründeten Analyse der geistig-
leiblichen Konstitution des Menschen.
Diese Konzeption impliziert die Schlussfolgerung: die Ergründung des-
sen, wer der Mensch ist, ist keine rein theoretische, sondern auch eine
praktisch-geschichtliche Frage.
Daraus muss sich ergeben, dass die philosophischen Aussagen über
den Menschen nicht in der Weise von wissenschaftlichen unbeteiligten
Feststellungen über unmittelbar seiende Naturgegenstände, Dinge oder
„positive“ Fakten nur beinhalten, was der Mensch als Objekt ist, sondern
zugleich auch, was der Mensch als Subjekt sein kann. Die philosophi-
schen Aussagen über den Menschen fordern Anteil- und Stellungnahme
heraus. Sie enthalten Elemente von Hinweisen für das Handeln. Sie lassen
kein Sichabfinden mit den bestehenden „Fakten“ zu.
Die philosophische Betrachtung des Menschen verliert damit die Mög-
lichkeit, sich methodologisch einseitig an der Mathematik oder den Natur-
wissenschaften (die selbst nicht voraussetzungslos, sondern geschichtlich
vermittelt sind) zu orientieren und zum Beispiel wie Spinoza „more geo-
metrico“ zu verfahren oder wie Kant einen „sichern Gang der Wissen-
schaft“ zu erstreben.
So wird ein – allerdings nicht geradliniger – Weg sichtbar von Herders
Bestimmung des Menschen zu Hegels Abgrenzung der Methode der Philo-
sophie von dem Verfahren des mathematischen Erkennens in der Vorrede
der „Phänomenologie des Geistes“: während das mathematische Erkennen
seinem Gegenstande äußerlich bleibt, steht dagegen das philosophische
Erkennen nicht in souveräner Zuschauerhaltung „über“ der Sache; das
philosophische Erkennen gehört wesentlich zu seinem Inhalt und dessen
geschichtlich-praktischer Bewegung (die als Entstehung des Wesens, des
13

Inneren, im „Werden des Daseins“, des Äußeren, zugleich Aufhebung des


Daseins und „das sich Zurücknehmen ins Wesen“, ins Innere, ist).13 Die
philosophische Wahrheit beweist sich demnach nicht nur als eine Form
des erkennenden Subjekts, sondern auch als Moment im Dasein, d. h. als
Existenzweise in dem geschichtlich-praktischen Prozess (der als relatives
Moment die Unwahrheit einschließt).
Die Wahrheit – wie die Freiheit – muss für Hegel weitgehend im Gegen-
satz zur philosophischen Überlieferung letzten Endes deshalb eine Oblie-
genheit der Praxis, nicht nur der Kontemplation, werden, weil er den Wil-
len, die Sphäre der Praxis, als untrennbar vom Geist, als das im dialekti-
schen Sinne andere des Geistes, bestimmt.
Hegels Konzeption der Einheit volitiver und intellektueller Momente in
der individuellen zielgerichteten Handlung, eingebettet in die Verhältnisse
des objektiven Geistes, ist nicht im „naturalistischen“ Sinne so aufzufas-
sen, dass die Handlung zwar von bewussten Zielen gesteuert wird, diese
Ziele aber wiederum ausschließlich bewusst gewordene Ausdrucksformen
selbständiger natürlicher Bedürfnisse sind. Dies wäre eine Zurückführung
des Denkens auf den Willen. Da aber Hegel umgekehrt den Willen als das
andere des Geistes bestimmt, gelten ihm konsequenterweise als Quellen,
die die Willenshandlunng mobilisieren und determinieren, letztlich geis-
tige Zwecke selbst. Die Selbständigkeit der natürlichen Bedürf-
nisse und ihrer Gegenstände ist für Hegel nur der (notwendige) Schein
auf dem Standpunkt der Endlichkeit des subjektiven Geistes, der eine
Entäußerungsstufe des absoluten Geistes ist. Der Mensch auf dem Stand-
punkt des subjektiven endlichen Geistes hat in seiner Tätigkeit, wenn
auch ihm selbst verborgen, als Inhalt und Interesse den Geist selbst, der
sich in dem Selbstverständnis des Menschen ausdrückt. Indem der
Mensch „seine Triebe hemmen oder laufen lassen kann, handelt er nach
Zwecken, bestimmt er sich nach dem Allgemeinen. Welcher Zweck ihm
gelten soll, hat er zu bestimmen; er kann das ganz Allgemeine selbst zu
seinem Zwecke setzen. Was ihn dabei determiniert, sind die Vorstellungen
von dem, was er sei und was er wolle... Er kann sich so den einfachen
Begriff zu seinem Zwecke machen, z.B. seine positive Freiheit.“14
Das Selbstbewusstsein des Menschen kommt also nicht beiläufig zum
Bewusstsein des Gegenstandes der Willenshandlung hinzu, sondern in der
14

Bewusstseinserfahrung drückt sich wesentlich das Wissen des Menschen


von sich aus. Indem für Hegel das Selbstbewusstsein das Wesen des Men-
schen ist (das sich in der praktischen Lebensführung entfaltet), ist seine
Konzeption auch zu unterscheiden von einer Auffassung, der das Selbst-
verständnis des Menschen zwar insofern notwendiges, nicht beiläufiges
Moment seiner praktischen Lebensführung ist, als der Mensch nicht ein-
fach hin natürlich und unmittelbar lebt, aber der das Selbstverständnis
des Menschen dennoch nicht das Wesentliche ist.
Für Hegel gehen also nicht nur etwa alle theoretischen und praktischen
Tätigkeiten von einem bewussten und selbstbewussten „realen“ Menschen
als geistig-leibliche Einheit aus und sind von ihm unabtrennbar, sondern
sie wurzeln ursprünglich im Prozess des Selbstbewusstseins, in dem sich
der „reale“ Mensch erst entwickelt.
Hegels Konzeption des Selbstbewusstseins und der Scheinselbständig-
keit der natürlichen Bedürfnisse ist untrennbar von seinem idealistischen
Erfahrungsbegriff, demgemäß Gegenstand und Bewusstsein in das Wissen
selbst fallen und sich dem Bewusstsein „in der Veränderung des Wis-
sens... in der Tat auch der Gegenstand selbst“ ändert.15
Das Grundprinzip, die letzte einheitliche Basis, des Theorie-Praxis-
Verhältnisses sind für Hegel weder die Willensakte im voluntaristischen
Sinne noch die äußeren Verhaltensweisen und (bewusstlosen) Reaktionen
im behavioristischen und pragmatistisch-mechanistischen Sinne noch die
Handlungen in dem Sinne, dass an ihnen sekundär die beiden in Wech-
selwirkung stehenden Momente des Willens und des Geistes als relativ
selbständig getrennt werden, sondern dieses Grundprinzip ist: die Tätig-
keit des Selbstbewusstseins, das als Bewusstsein erscheint und unmittel-
bar oder dem Begriff nach Geist ist.
Die Entwicklung des Selbstbewusstseins, die Kontrolle und Regulierung
der Triebe und die Herausbildung des Willens ermöglichen nicht nur das
Sichablösen von der Natur und in dieser Weise die Entwicklung der Selb-
ständigkeit des Subjekts, sondern zugleich den Verzicht auf ausschließlich
individuelle, subjektive Motivation und damit positiv die Einordnung des
subjektiven Willens in den allgemeinen Willen, d. h. das Entstehen spezi-
fisch menschlicher Beziehungen als rechtliches, moralisches und sittlich-
politisches Verhalten.
15

Das Individuum, das eine solche geistige objektive Welt vorfindet, hat,
wie Hegel in der „Phänomenologie des Geistes“ darlegt, die Aufgabe, sie
aufzuarbeiten und zu integrieren: „Der einzelne muss auch dem Inhalte
nach die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes durchlaufen, aber als
vom Geiste schon abgelegte Gestalten, als Stufen eines Wegs, der ausgear-
beitet und geebnet ist...“16
Das Individuum kann sich nicht verwirklichen, indem es das Dass vom
Was abtrennt und die allgemeinen objektiven geschichtlich-
gesellschaftlichen Verhältnisse zu überspringen sucht. Es kann nicht hin-
aus über die vorgegebene objektive Stufe der Entwicklung seines Volkes.
Wenn auch Leidenschaft, partikulares Interesse und selbstsüchtige Zwe-
cke die Triebkraft des Handelnden sind, so ist doch einerseits ihr Inhalt –
da der Handelnde denkender Mensch ist – „durchzogen mit allgemeinen,
wesenhaften Bestimmungen des Rechts, des Guten, der Pflicht usf.“17; an-
dererseits führt aber auch das Handeln des einzelnen – kraft der „List der
Vernunft“18 – zu allgemeinen Ergebnissen, die nicht in seiner besonderen
Absicht gelegen haben müssen. (Dabei führt die Tätigkeit der „welthistori-
schen Individuen“ – unter unerlässlicher Berücksichtigung dessen, was
objektiv „an der Zeit ist“ und „im Innern schon vorhanden“ ist – im Gegen-
satz zur Aktivität der „erhaltenden Individuen“ zu einer qualitativ höheren
Stufe der allgemeinen Verhältnisse des objektiven Geistes.) Der objektive
Inhalt wird realisiert, auch wenn der einzelne Mensch sein „Wohl“ oder
seine „Glückseligkeit“ anstrebt, d. h. die Harmonie und Befriedigung seiner
subjektiven Absichten und besonderen Bedürfnisse und Interessen.19
Die Hemmung der Triebe und die Herausbildung des individuellen Wil-
lens dürfen nicht dazu führen, dass der Mensch sich in sich zurück zu
ziehen und in einem romantischen Kultus der Innerlichkeit und Subjekti-
vität abzuschließen versucht. Da Geist und Wille wie Wesen und Erschei-
nung eine untrennbare Einheit bilden, muss der Geist sich äußern in
Handlungen und Taten. Dem entspricht in der philosophischen Wissen-
schaft das von Hegel nachdrücklich hervorgehobene Erfordernis der be-
sonderen Durchführung des allgemeinen Prinzips.20
Was der Mensch tut, das ist er (und umgekehrt). „Das, was der Mensch
ist, ist seine Tat, ist die Reihe seiner Taten, ist das, wozu er sich gemacht
16

hat... So ist der Geist wesentlich Energie, und man kann bei ihm nicht von
der Erscheinung abstrahieren.“21
Infolgedessen muss der Mensch für seine Handlungen einstehen. Er
kann sich nicht auf eine „innere Handlung“ berufen. Letztlich sind nicht
einmal seine ehrlichen Absichten und Gesinnungen entscheidender Maß-
stab zur Beurteilung seines praktischen Verhaltens in sittlicher Hinsicht,
worauf im Zusammenhang mit der Frage der konkreten Sittlichkeit und
Hegels Kritik an Kants und Fichtes ethischen Formalismus zurück zu
kommen ist.
Allerdings hat der einzelne Mensch nicht diejenigen Konsequenzen sei-
ner Handlung als „imputable“ Schuld, als das „Seinige“, zu übernehmen,
die keine „immanente Gestaltung der Handlung“ sind, sondern hervorge-
hen aus äußeren – zufälligen und notwendigen – Umständen, die er nicht
kannte oder verkannte und die er infolgedessen nicht in den Vorsatz ein-
beziehen konnte. Hierin liegt die Anerkennung des Menschen als Denken-
den.22
Das heißt in Hegels Terminologie: der einzelne Mensch hat sich nur
seine „Handlungen“, nicht aber seine „Taten“ in vollem Umfange als
Schuld zuzurechnen. („Schuld“ im Hegelschen Sinne hat der Mensch not-
wendigerweise, insofern er nämlich aus der Unschuld des Naturzustandes
heraustritt und überhaupt seine Handlungen will.) Zur „Handlung“ gehört
also allein die mit Vorsatz, zur „Tat“ auch die ohne Vorsatz hervorgebrach-
te praktische Veränderung der objektiven Wirklichkeit (wobei grundsätz-
lich im Vorsatz das, was noch nicht da ist und erst sein soll, in Differenz
steht zu dem, was unmittelbar vorliegt).
Seine Tat, nicht nur seine Handlung hat, wie Hegel analysiert, der he-
roische Mensch in der antiken Tragödie – Ödipus oder Ajax zum Beispiel –
zu büßen.23
Aber auch der Mensch in unserer Zeit muss nach Hegels Konzeption
der konkreten Sittlichkeit dann den ganzen Umfang seiner Handlung auf
sich nehmen und verantworten, wenn er – auch ohne Vorsatz – die wesent-
lichen sittlichen zwischenmenschlichen Verhältnisse verletzt; denn er ist
wesentlich denkender und frei wollender Mensch.
17

Dass der Geist des Menschen sich wesentlich nur in Handlungen und
Taten äußert, macht Hegel mit besonderer Schärfe deutlich im Zusam-
menhang mit seiner Polemik gegen die Physiognomik (Lavaters) und die
Phrenologie (Galls) in der „Phänomenologie des Geistes“ in dem Kapitel:
„Beobachtung der Beziehung des Selbstbewusstseins auf seine unmittel-
bare Wirklichkeit; Physiognomik und Schädellehre“.
Die Äußerung des Inneren in Schädelbildung und Physiognomie bil-
det, wie Hegel ausführt, kein wesentliches und notwendiges Verhältnis. Sie
macht den Geist nicht begreiflich. Eine zufällige, nur unbestimmte Mei-
nungen und Vorstellungen zulassende nicht gesetzmäßige Verbindung von
Innen und Außen ist der sinnliche daseiende Ausdruck – das Sein für an-
dere – des Inneren in den leiblichen Organen, der Gestalt, der Stimme, den
Zeichen der Mienen und Gebärden, dem Gesicht und der Handschrift, erst
recht im toten Knochenbau („Es ist... für völlige Verleugnung der Vernunft
anzusehen, für das wirkliche Dasein des Bewusstseins einen Knochen
auszugeben“24).
Sogar die Hand, nach Aristoteles „das Werkzeug der Werkzeuge“, ist
nicht die wahre Vergegenständlichung des Geistes, obgleich sie „nächst
dem Organ der Sprache am meisten es ist, wodurch der Mensch sich zur
Erscheinung und Verwirklichung bringt. Sie ist der beseelte Werkmeister
seines Glücks; man kann von ihr sagen, sie ist das, was der Mensch tut,
denn an ihr als dem tätigen Organ seines Sichselbstvollbringens ist er als
Beseelender gegenwärtig...“25 In den leiblichen Organen ist das Tun noch
als Tun oder als Inneres am Individuum einfach gegenwärtig; es ist nicht
eigentlich nach außen getreten, jedenfalls im Vergleich zu seiner Äußerung
in (der Vielheit der) Taten und Werke, die vom Individuum absonderbar
sind.
Sprache und Arbeit dagegen sind „Äußerungen, worin das Individuum
nicht mehr an ihm selbst sich behält und besitzt, sondern das Innere ganz
außer sich kommen lässt, und dasselbe Anderem preisgibt“.26
Wenn die leiblichen Erscheinungen die wahren Ausdrucksformen, die
„Phänomenologie“, des individuellen Geistes wären, würde der Geist nur
verbunden mit der Vergangenheit der vita acta, nicht mit der Gegenwart
und Zukunft der vita agenda.
18

Was aber der einzelne Mensch an sich ist, lässt sich – mit Solon - erst
aus und nach dem ganzen Lebensvollzug wissen.27 Die Freiheit des tätigen
Individuums widerstreitet der wesentlichen Festlegung auf sein leibliches
Dasein.28 Zustimmend zitiert Hegel Lichtenberg: „Gesetzt, der Physiognom
haschte den Menschen einmal, so käme es nur auf einen braven Ent-
schluss an, sich wieder auf Jahrtausende unbegreiflich zu machen.“29
Nur im Willen, in der Handlung und der Tat hat also der Geist seine
wesentliche gegenständliche Wirklichkeit, die Erfüllung seiner Möglichkei-
ten, seine Reflexion in sich, seine Selbstbestätigung: „Das wahre Sein des
Menschen ist... seine Tat; in ihr ist die Individualität wirklich... die Indivi-
dualität stellt sich in der Handlung als das negative Wesen da, welches
nur ist, insofern es Sein aufhebt.“30
Da die vollbrachten Taten – wie z. B. „Mord, Diebstahl oder Wohltat“ –
nicht eine „gemeinte“ unaussprechliche infinite Bedeutung haben, sondern
eine feste Bestimmtheit, ist in ihnen die „schlechte Unendlichkeit vernich-
tet.“ Die Tat „ist dies, und ihr Sein ist nicht nur ein Zeichen, sondern die
Sache selbst. Sie ist dies, und der individuelle Mensch ist, was sie ist...“ 31
Indem also der menschliche Geist – wie auch die voran gegangenen Ka-
pitel in der „Phänomenologie des Geistes“ über die Vernunft sowie über die
sinnliche Gewissheit, die Wahrnehmung und den Verstand demonstrie-
ren – seine Realität, d. h. die Objektivität oder Entäußerung seiner Subjek-
tivität, nur in den Gegenständen als seinen eigenen Werken, nicht in den
Gegenständen als unvermittelt seienden, gegebenen Dingen erfährt, haben
wir es hier mit dem Gegensatz des Theoretischen und Praktischen zu tun;
und Hegel kommt konsequenterweise zu dem Resultat: das Bewusstsein
muss, um seine Freiheit hinsichtlich der Dinge zu gewinnen, von der ge-
scheiterten theoretischen „beobachtenden“ reproduzierenden (gleichsam
protokollierenden und datenverarbeitenden) Einstellung – hier in Gestalt
der Physiognomik und Phrenologie – übergehen zu einer praktischen Ein-
stellung: „Das Bewusstsein will sich nicht mehr unmittelbar fin-
den, sondern durch seine Tätigkeit sich selbst hervorbringen. Es selbst ist
sich der Zweck seines Tuns, wie es ihm im Beobachten nur um die Dinge
zu tun war.“32
19

2. Die Mangelhaftigkeit, Einseitigkeit und Unfreiheit der Theorie und


Praxis im Bereich der Endlichkeit

Wenn bisher die Einheit des Theoretischen und Praktischen hervorge-


hoben wurde, so kommt es jetzt darauf an, ihre Differenz zu erfassen.
Hierfür ist der Ausgangspunkt der Subjekt-Objekt-Gegensatz.
„Subjekt“ der Theorie und Praxis ist aber nicht etwa der Mensch als
leiblich-geistige Einheit, sondern das „Bewusstsein“ oder „Ich“ ist es, das
sich als „Subjekt“ praktisch oder theoretisch zu den Gegenständen verhält
und den Gegensatz zu ihnen zur Versöhnung und zur Freiheit – als dem
Beisichsein im anderen – zu bringen sucht. „Den höchsten Inhalt nun,
welchen das Subjektive in sich zu befassen vermag, können wir kurzweg
die Freiheit nennen.“33
Die Unfreiheit ist das Objektive, das dem Subjekt als Schranke und
Fremdes gegenübersteht. „Der Trieb der Wissbegierde, der Drang nach
Kenntnis, von der untersten Stufe an bis zur höchsten Staffel philosophi-
scher Einsicht hinauf, geht nur aus dem Streben hervor, jenes Verhältnis
der Unfreiheit aufzuheben und sich die Welt in der Vorstellung und im
Denken zu eigen zu machen. In der umgekehrten Weise gehe die Freiheit
im Handeln darauf aus, dass die Vernunft des Willens Wirklichkeit erlan-
ge.“34
Es ergibt sich: die endliche oder relative theoretische und praktische
Tätigkeit in der Sphäre des subjektiven Geistes unterscheiden sich vor al-
lem durch eine umgekehrte Stellung des Ich zum Gegenstand: in der theo-
retischen Tätigkeit verändert oder bestimmt (durch Setzung eines Unter-
schieds) der Gegenstand das Ich, in der praktischen Tätigkeit dagegen be-
stimmt oder verändert das Ich den Gegenstand (sei er ein äußerer, sinnli-
cher, sei er ein innerer, intelligibler des objektiven Geistes, also ein rechtli-
cher, moralischer oder sittlicher35, wobei im letzten Fall der Gegensatz im
Inneren und Subjektiven selbst liegt). Die Vereinigung von Subjekt und
Objekt ist also in Theorie und Praxis gegenläufig: in der Theorie wird das
Innere mit dem Äußeren, in der Praxis das Äußere mit dem Inneren zur
Übereinstimmung gebracht. Der Anfang der Theorie liegt bei dem äußeren
Vorhandenen, der Anfang der Praxis bei dem inneren Entschluss.36
20

Hegel erkennt, dass – innerhalb dieses endlichen Verhältnisses von


Subjekt und Objekt – sowohl die Praxis als auch die Theorie einseitig und
mangelhaft ist.37
Die Einseitigkeit der Theorie besteht erstens darin, dass sich das Sub-
jekt in der Theorie passiv verhält, d. h. sich (unter Ausschaltung subjekti-
ver Vorurteile) nach den objektiven Gegenständen richtet, diese als selb-
ständig gewähren lässt und sich somit dem Vorhandenen unterwirft, das
seinerseits von dem Subjekt nicht bestimmt wird und der Selbstbestim-
mung des Subjekts entgegensteht.38
Hegels Feststellung, das theoretische Bewusstsein verhalte sich in Be-
zug auf den Gegenstand passiv, mag auf den ersten Blick paradox und
unvereinbar damit erscheinen, dass für Hegel gerade die Bewusstseinsdia-
lektik Impuls der Erkenntnisbewegung ist.
Aber es ist zu berücksichtigen: das Bewusstsein ist nur die einseitige
abstrakte Erscheinung des Selbstbewusstseins und Geistes; und erst die-
ser ist die Vermittlung oder Negativität (die Negation der Negation)
schlechthin, der sich sowohl das Bewusstsein als auch der Gegenstand
nicht mehr als unmittelbar gegeben, sondern als vermittelt darstellt.
Das endliche Subjekt ist, wie Hegel ausführt, im theoretischen Verhal-
ten nur scheinbar frei, d. h. bei sich selbst im anderen, in Wirklichkeit a-
ber durch die als selbständig sich erhaltenden Objekte beschränkt.
Zwar wird durch die passive Aufnahme des objektiven Inhalts die Abs-
traktheit und Leerheit der unmittelbaren SelbstGewissheit, des reinen
Fürsichseins oder der formalen Freiheit aufgehoben, aber nur zugunsten
einer Abhängigkeit von dem in der Außenwelt vorgefundenen Inhalt.
Wie Hegel nicht entgeht, ist die theoretische Einstellung des endlichen
Subjekts allerdings nicht gänzlich passiv: das Empfangen der Eindrücke
von den Gegenständen ist begleitet von der richtungsweisenden und aus-
wählenden Aktivität der Aufmerksamkeit.39
Überhaupt bedeutet die Passivität des theoretischen Verhaltens des
endlichen Subjekts gegenüber dem äußeren Inhalt keineswegs, dass in
ihm die Aktivität innerer Denkoperationen, die formale Selbstbestimmung
des Bewusstseins ausgeschlossen wäre.40
21

Zweitens besteht im Theoretischen Einseitigkeit hinsichtlich der Objek-


te: die äußeren Gegenstände werden nur als seiende, nicht als fürsich sei-
ende, Zweck und Begriff in sich tragende gefasst; die Einheit des Begriffs
ist hier nur außerhalb ihrer, nämlich im theoretischen endlichen Subjekt.
Es ist offensichtlich: dies letztere bemängelt Hegel an dem endlichen
theoretischen Verhalten vom Standpunkt nicht mehr des objektiven, son-
dern des absoluten Idealismus, d. h. vom Standpunkt seines idealistischen
Objektivitätsbegriffs, demgemäß die Gegenstandswelt zwar unabhängig
vom menschlichen Bewusstsein, aber abhängig vom absoluten Geist ist.
Bevor auf die Einseitigkeit der endlichen praktischen Tätigkeit einge-
gangen wird, seien die hauptsächlichen in Frage stehenden Formen des
endlichen theoretischen Bewusstseins, die Hegel im einzelnen analysiert,
in aller Kürze angeführt41: die Wahrnehmung – ebenso wie schon die
„sinnliche Gewissheit“ des Hier und Jetzt – setzt im Unterschied zur Emp-
findung das Bewusstgewordensein des Subjekt-Objekt-Gegensatzes voraus
und ist gegenständlich.
Die Vorstellungen der Einbildungskraft sind sinnlich-bildliche Repro-
duktionen von Gegenständen, die im Gegensatz zu den Wahrnehmungsob-
jekten nicht unmittelbar räumlich-zeitlich gegenwärtig zu sein brauchen,
oder sie sind – in der produktiven Einbildungskraft – schöpferische Umbil-
dungen derartiger Gegenstände.
Die Erinnerung – das innere Aufbewahren und Bleiben des Wahrge-
nommenen – ist die Voraussetzung für dessen Reproduktion oder Wieder-
erkennen in der Vorstellung und für die Verknüpfung mehrerer Erschei-
nungen in der Erfahrung.
Ebenfalls auf der Erinnerungsfähigkeit basiert die Sprache als ein Sys-
tem von Hör- und Sehbildern mit signifikativer (semantischer) und kom-
munikativer Funktion, das „ausgedehnteste Werk der Einbildungskraft.42
Sprache und Gedanke sind in unterschiedener Einheit. Sprache ist die
sinnliche Existenzform der allgemeinen unsinnlichen Gedanken. (Implizit
zurückgewiesen ist Locke’s Mosaiktheorie einer jeweils privaten Sprache,
die völlig getrennten Bewusstseinswelten der Individuen angehört.) Die
Einbildungskraft löst sich von den sinnlichen Gegenständen, abstrahiert
schon von den anschaulichen Einzelheiten, vereinfacht, hebt allgemeine
22

Züge hervor und ist fähig, in der Kunst das Innere sichtbar zu machen
(zum Beispiel in Gestalt der Allegorie oder des Symbols – nach dem Wort-
gebrauch Goethes –, d. h. in Gestalt des Repräsentierens des Allgemeinen
im Besonderen, der Einheit von Bild und allgemeiner Bedeutung oder ge-
danklichem Gehalt). Die Einbildungskraft bildet somit die Mitte in der A-
nodos zu den allgemeinen Gedanken.
Weder einseitig rationalistisch noch empiristisch ist Hegels Konzeption
hinsichtlich der Quellen der endlichen Erkenntnis: er trennt weder Sinnli-
ches und Rationales, Einzelnes und Allgemeines sowie Erscheinung und
Wesen gänzlich voneinander – als könnte das Erkennen die Empirie um-
gehen und unmittelbar das Wesen erfassen – noch fährt er das Rationale
auf das Sinnliche zurück – als könnte Erkenntnis eine Summation von
Sinnesdaten sein.43
Zu den nicht-sinnlichen, rationalen Formen des endlichen theoreti-
schen Bewusstseins gehört zunächst als elementare Verstandestätigkeit
der Vergleich einzelner Wahrnehmungsgegenstände, d. h. das Aufdecken
des Identischen und Differenten.
Damit wird der Übergang gemacht zur Abstraktion, die das Heraushe-
ben eines einzelnen Momentes eines wahrgenommenen sinnlichen Konkre-
ten, also einer Einheit mannigfaltiger Bestimmungen, und sein Fixieren
zur einfachen Allgemeinheit ist. (Das allgemeine naturwissenschaftliche
Gesetz ist für Hegel wesentlich Begriff und damit nicht abhängig von in-
duktorischer infiniter Verifikation44.)
Abstraktionen und Definitionen werden gebildet in Verbindung mit den
theoretischen Operationen der Analyse und Synthese. Die Analyse ist das
Zergliedern eines einheitlichen konkreten Gegenstandes der sinnlichen
Wahrnehmung in allgemeine abstrakte Elemente, und die Synthese ist das
Wiederherstellen der konkreten Einheit vermittels der Vereinigung der abs-
trakten Elemente auf der höheren Stufe des Denkens, so dass das sinnli-
che Konkrete Ausgangspunkt der Analyse und das gedankliche Konkrete
Resultat der Synthese ist.45
Die grundlegende Verstandestätigkeit des Urteilens ist, wie Hegel auf-
weist, immanent dialektisch, insofern – z. B. in dem Urteil „die Rose ist
rot“ – die Kopula in der Verbindung von Subjekt und Prädikat mit der Un-
23

terschiedenheit zugleich die Einheit des Einzelnen und Allgemeinen aus-


drückt. Da in allem Seienden Einzelheit und Allgemeinheit vereint sind,
kann Hegel sagen: „... alle Dinge sind ein Urteil.“46
Schließlich ist der Syllogismus eine Form des endlichen Erkennens. Im
Verstandesschluss stehen die drei Begriffe in einem äußerlichen Verhält-
nis. Auf dem Standpunkt der absoluten spekulativen Theorie aber enthüllt
sich nach Hegels Auf-fassung der subjektive Schluss als Entäußerungs-
stufe des objektiven Zusammenschlusses des absoluten Subjekts mit sich
selbst vermittels seiner Momente.
Im Gegensatz zum endlichen theoretischen Verhalten kommt in der
endlichen praktischen Tätigkeit die Unselbständigkeit der Objekte aus-
drücklich zur Geltung. (Von dieser Praxis ist zu unterscheiden die konkret
unendliche Praxis auf der Stufe des objektiven Geistes.) Das Subjekt „tri-
umphiert“ über das unmittelbar Gegebene und äußerlich Vorhandene
durch dessen Negation. Nach seinen Zwecken und Interessen verändert
und verarbeitet der Mensch die ihm dienstbare machtlose Außenwelt. Mit-
tels des Kriteriums der Veränderung der Außenwelt teilt Hegel auch die
Sinnesorgane in praktische und theoretische ein.47
Dass die Objekte nicht als unabhängig für sich und nicht als in sich
zweckvoll gefasst werden, darin liegt aber auch für Hegel ein Mangel der
endlichen Praxis (ebenso wie der endlichen Theorie).
Zweitens besteht in der praktischen Tätigkeit nach dee subjektiven Sei-
te hin die Einseitigkeit und Unfreiheit darin, dass die Objektwelt zwar –
im Gegensatz zum passiven theoretischen Verhalten – von den inneren
Zwecken des endlichen Subjekts bestimmt wird und sich als unselbstän-
dig erweist, aber dennoch durch die Praxis nur relativ „formiert“ werden
kann und letztlich in ihrer Objektivität dem Subjekt unüberwindlich wi-
dersteht.
Die endliche Praxis ist in der Tat zweiseitig: zur Aktivität gehört fataler-
weise die Passivität, nämlich die äußere Bedingtheit und Abhängigkeit von
den objektiven Umständen. (Weiter ist an der Praxis mangelhaft, dass die
menschlichen Zwecke, Bedürfnisse und Interessen von außen beeinflusst
sind, untereinander in Konflikt geraten und zu zufälligen und willkürli-
chen Entscheidungen führen können.)
24

Kurz: die Praxis ist für Hegel in zweifacher Hinsicht – nach der objekti-
ven und der subjektiven Seite – mangelhaft: erstens verhindert sie als Ver-
änderung der objektiven Wirklichkeit die vollkommene Autonomie der ob-
jektiven Wirklichkeit; zweitens verhindert sie als nur relative Veränderung
der objektiven Wirklichkeit die vollkommene Autonomie des Subjekts.
Zu den Formen des praktischen individuellen Bewusstseins gehören
außer dem Willen als Trieb, Neigung, Leidenschaft, Begierde und Interesse
auch die praktischen Gefühle .48
Als Grundlage der praktischen Gefühle und ihrer Polarität des Ange-
nehmen und Unangenehmen erkennt Hegel die Beziehung zwischen den
Bedürfnissen des Subjekts und den Objekten; das heißt: die praktischen
Gefühle, z.B. Freude und Schmerz, sind der Ausdruck davon, wie der
Handelnde in der Außenwelt für seine individuellen Bedürfnisse eine Ent-
sprechung findet. Die praktischen Gefühle sind in dieser Weise eine sub-
jektive – die niedrigste – Form des objektiven Inhalts. Nicht nur Verstand
und Wille, sondern auch Gefühl und Wille sind im Menschen eine Einheit
und keine isolierten fertigen Vermögen, beisammen „wie in einem Sacke“.49
Sowohl die endliche Theorie als auch die endliche Praxis knüpft also
das Band zwischen Ich und Gegenstandswelt; sie überwinden jeweils in
einander ergänzender Weise den Gegensatz und die Entfremdung von Sub-
jekt und Objekt, indem die „Einseitigkeit der Subjektivität“ – die unmittel-
bare Selbständigkeit des Subjekts – von der die Objekte aufnehmenden
Theorie, und die „Einseitigkeit der Objektivität“50 – die unmittelbare Selb-
ständigkeit der Objekte – von der die Objekte verändernden Praxis negiert
wird. „Diejenigen, welche soviel von der Festigkeit und Unüberwindlichkeit
des Endlichen, sowohl des Subjektiven als des Objektiven sprechen, haben
an jedem Triebe das Beispiel von dem Gegenteil. Der Trieb ist sozusagen
die Gewissheit, dass das Subjektive nur einseitig ist und keine Wahrheit
hat, ebensowenig als das Objektive“.51
Dass sowohl die Theorie als auch die Praxis Bewusstsein und Gegens-
tand vereint, heißt, dass ihre zugrunde liegende Struktur die gleiche ist,
nämlich die Negation der Negation (die Negativität).
Indem Theorie und Praxis die Entzweiung von Subjekt und Objekt auf-
heben, negieren sie nämlich – jeweils auf entgegengesetzter Seite – das
25

unmittelbar Gegebene. Das von Theorie und Praxis mittels der Negation in
gleicher Form angestrebte Resultat ist die versöhnende Wiederherstellung
der Einheit und Freiheit, die sich im anderen mit sich zusammenschlie-
ßende, vermittelte Rückkehr des Subjekts in sich (oder das Fürsichsein als
Negation der Negation und „wahrhafte Unendlichkeit“). „Die Gegenstände,
sofern ich mich zu ihnen mit dem Triebe danach verhalte, sind Mittel der
Intregation; dies macht überhaupt die Grundlage des Theoretischen und
Praktischen aus.“52
Aber sowohl die theoretische als auch die praktische Vereinigung von
Subjekt und Objekt in der Sphäre der Endlichkeit – und das heißt: im Be-
reich nicht nur des subjektiven, sondern auch des objektiven Geistes –
bleibt eine Beziehung auf anderes und bringt keine Auflösung aller Wider-
sprüche.
Die Abhängigkeit oder Unfreiheit ist nur formal oder an sich, aber nicht
inhaltlich aufgehoben. „Die physischen Bedürfnisse, das Wissen und Wol-
len des Menschen erhalten nun also in der Tat eine Befriedigung in der
Welt und lösen den Gegensatz von Subjektivem und Objektivem, von inne-
rer Freiheit und äußerlich vorhandener Notwendigkeit in freier Weise auf.
Der Inhalt aber dieser Freiheit und Befriedigung bleibt dennoch be-
schränkt, und so behält auch die Freiheit und das Sichselbstgenügen eine
Seite der Endlichkeit. Wo aber Endlichkeit ist, da bricht auch der Gegen-
satz und Widerspruch stets wieder von neuem durch, und die Befriedigung
kommt über das Relative nicht hinaus... Was der... in Endlichkeit ver-
strickte Mensch sucht, ist die Region einer höheren, substantielleren
Wahrheit, in welcher alle Gegensätze und Widersprüche des Endlichen ih-
re letzte Lösung und die Freiheit ihre volle Befriedigung finden können.“53
Indem Hegel mit dem absolut idealistischen Anspruch auftritt, wahre
Freiheit erfordere die Beziehung eines Subjekts auf einen objektiven Inhalt
als Beziehung auf sich selbst, d. h. sie erfordere die Aufhebung aller äuße-
ren Bedingtheit und somit der Gegenständlichkeit als solcher, kann er kon-
sequenterweise das endliche theoretische und praktische Subjekt-Objekt-
Verhältnis als nur unvollkommene Einheit und Freiheit bestimmen.
Innerhalb des endlichen Verhältnisses ist in der Tat für Theorie und
Praxis nur eine Konvergenz an die inhaltliche Synthese von Subjekt und
Objekt erreichbar. Vollkommene Vereinigung von Subjekt und Objekt,
26

Form und Inhalt, Begriff oder Idealität und Realität, Denken und Sein, d.
h. restlose Überwindung des Widerstandes der Objektivität und damit
vollkommene Freiheit lässt sich für Hegel jedoch, wie zu zeigen sein wird,
gewinnen im absoluten Denken.
Aber schon das ästhetische Verhalten ist eine Synthese des Praktischen
und Theoretischen, eine Aufhebung ihrer Einseitigkeit und Unfreiheit, und
steht damit höher als die endliche Theorie und die Praxis, d. h. es gehört
zum absoluten Geist.
Obgleich nämlich das Kunstwerk, der schöne Gegenstand, nicht wie der
Gegenstand der praktischen Tätigkeit der Begierde zerstört wird, macht es
den Betrachter doch auch nicht –trotz seines beschränkten Inhalts – ab-
hängig und unfrei wie der Gegenstand der endlichen Theorie. (Das Kunst-
werk setzt auf Grund seiner appellativen oder evokativen Wirkung einen
Prozess der Befreiung im Kunstgenießenden in Gang.) Der Grund dafür ist,
dass im schönen Gegenstand das sinnliche Objektive keine Selbständigkeit
und Unmittelbarkeit hat, d. h. dass der schöne Gegenstand seinen einheit-
lichen lebendigen Begriff oder seine Form nicht außerhalb seiner Objektivi-
tät oder seines Stoffes hat. Er ist vielmehr deren konkrete Einheit, in der
sich vernünftiger Zweck und sinnliche Realität zu freier Totalität oder Indi-
vidualität durchdringen; er ist die Freiheit als Notwendigkeit „hinter dem
Schein absichtsloser Zufälligkeit“.54
Dennoch ist die ästhetische Synthese des Praktischen und Theoreti-
schen noch keine vollkommene Vereinigung von Subjekt und Objekt, d. h.
keine perfekte Aufhebung der Gegenständlichkeit, kein reines Gesetztsein
der Gegenständlichkeit durch das Subjekt, keine restlose Verwandlung der
Substanz ins Subjekt. Das Schöne ist als das „sinnliche Scheinen der I-
dee“55 noch nicht explizit die Idee in ihrem eigenen Element, dem Begriff,
den zu erfassen, Aufgabe der absoluten Theorie ist. Auch die Religion kann
nach Hegels Konzeption der „drei Reiche des absoluten Geistes“ in ihrem
Element der Vorstellung – die eine höhere Stufe der Innerlichkeit oder
Subjektivität als das ästhetische Anschauen repräsentiert – nicht den ab-
soluten Inhalt, die Einheit des Göttlichen und Menschlichen, des Unendli-
chen und Endlichen, in vollkommen adäquater Form ausdrücken und den
Subjekt-Objekt-Gegensatz zur reinen Freiheit aufheben.
27

3. Die dialektische Einheit von Teleologie und Kausalität in der Praxis


der Naturaneignung

Die Einheit von theoretischer und praktischer Tätigkeit, die sich in je-
der Willenshandlung manifestiert, konkretisiert Hegel weiter, indem er den
Zusammenhang von Praxis und Teleologie sowie Teleologie und Kausalität
aufdeckt.
Wie Hegel zeigt, sind Kausalität und Teleologie miteinander vereinbar
und schließen sich nicht dualistisch-antinomisch aus. Die Verlässlichkeit
kausaler Naturprozesse – für Hegels mechanische und chemische Prozes-
se – ist die Voraussetzung zweckvollen praktischen Eingreifens, auch in
Gestalt der Technik.56 Die Teleologie ist die Wahrheit des Mechanismus
und Chemismus.57
Die Zweck-Mittel-Relation hat zur Grundlage die Ursache-Wirkung-
Relation; ein Mittel kann zur Erreichung eines Zieles nur angewendet wer-
den, wenn das Mittel Ursache bestimmter Wirkung ist.
Auf Grund der Verknüpfung von Teleologie und Kausalität stehen
Mensch und Natur in einem derartigen praktischen Wechselwirkungsver-
hältnis, dass der Mensch weder ausschließlich als Subjekt noch aus
schließlich als Objekt agiert, d. h. dass die Natur weder der Aktivität des
Menschen schrankenlosen Spielraum gewährt noch den Menschen gänz-
lich einengt und zu Passivität oder Fatalismus und Hinnahme ihrer
Fremdheit verurteilt (wie die Mechanisten und Deterministen des l8. Jahr-
hunderts – im Widerstreit zu ihrem politischen Engagement – annahmen
infolge der Übertragung der Naturerscheinungen der Anziehung und Ab-
stoßung auf das menschliche Verhalten58).
In der Einheit von Teleologie und Kausalität ist die Einheit von Freiheit
und Notwendigkeit impliziert. Diese vier Kategorien der Praxis lassen sich
nicht trennen.
Wenn der Mensch annimmt, seine Willensfreiheit läge darin, beliebig
und willkürlich entscheiden und handeln zu können, lässt er sich schließ-
lich in seiner Handlung von zufälligen Konstellationen determinieren und
ist tatsächlich unfrei.59 Freiheit besteht in der Sphäre der Endlichkeit nur
in der Erkenntnis und in dem praktischen Beherrschen notwendiger all-
gemeiner Zusammenhänge.
28

Die Vereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit (die auch Goethe her-
vorhebt als die Dialektik von Wollen und Schicksal in der Abhandlung
„Shakespeare und kein Ende“) wird zum Beispiel dadurch bestätigt, dass
wir eine Handlung nur frei nennen, wenn auch ihre Folgen mit berück-
sichtigt und einkalkuliert worden sind, was aber einen der Handlung
zugrunde liegenden notwendigen Zusammenhang voraussetzt.
Die praktische Realisierung des subjektiven Zwecks und die Herstellung
der relativen Einheit von Subjekt und Objekt ist dadurch eine Negation der
Unmittelbarkeit sowohl des Subjekts als auch des Objekts, dass der Zweck
aus seiner Innerlichkeit herausgesetzt, objektiviert wird und das Objekt
vom Zweck durchdrungen und ihm adäquat formiert wird. „Dieses negati-
ve Verhalten gegen das Objekt ist ebensosehr ein negatives gegen sich
selbst, ein Aufheben der Subjektivität des Zwecks.“60
Der subjektive, innere Zweck, der auf das objektive zu bearbeitende Ma-
terial bezogen ist, wird – auf der Basis der Triebhemmung – unter Anwen-
dung eines Mittels oder Werkzeugs realisiert.
Die Mittel der Produktfon haben den Vorrang vor den unbeständigen
subjektiven Zwecken und den rastlos sich erneuernden Bedürfnissen („das
Essen, die Sättigung, das Schlafen hilft nichts, der Hunger, die Müdigkeit
fangen morgen von vorn wieder an“61); denn in den Mitteln verallgemeinert
sich die Einzelheit der Arbeit zu einer (relativ) beständigen nachahmbaren
Regel: „... der Pflug ist ehrenvoller als unmittelbar die Genüsse sind, wel-
che durch ihn bereitet werden und die Zwecke sind. Das Werkzeug erhält
sich, während die unmittelbaren Genüsse vergehen und vergessen werden.
An seinen Werkzeugen besitzt der Mensch die Macht über die äußerliche
Natur, wenn er auch nach seinen Zwecken ihr vielmehr unterworfen ist.“62
Auch hinsichtlich dieser Mittel der praktischen Naturaneignung, nicht
nur im direkten Zusammenhang mit dem Geschichtsprozess, spricht Hegel
von einer „List der Vernunft“: der Mensch hält sich „im Hintergrund“ und
lässt die Objekte der Natur, das Material und das Mittel (das passiv gegen
den Arbeitenden und aktiv gegen das zu Bearbeitende ist) für seine Zwecke
wirken und sich aneinander „abreiben“, ohne „Komplimente“ mit ihnen zu
machen: „Dass der Zweck sich aber in die mittelbare Beziehung mit dem
Objekte setzt und zwischen sich und dasselbe ein anderes Objekt ein-
schiebt, kann als die List der Vernunft angesehen werden... In der unmit-
29

telbaren Beziehung auf dasselbe träte er selbst in den Mechanismus oder


Chemismus und wäre damit der Zufälligkeit und dem Untergange seiner
Bestimmung, an und für sich seiender Begriff zu sein, unterworfen. So a-
ber stellt er ein Objekt als Mittel hinaus, lässt dasselbe statt seiner sich
äußerlich abarbeiten, gibt es der Aufreibung preis und erhält sich hinter
ihm gegen die mechanische Gewalt.“63
Die praktische teleologische Tätigkeit der Naturaneignung hat somit die
Form eines Syllogismus. Durch das Mittel (B) schließt sich der subjektive
Zweck (C) mit den Gegenständen (A) zusammen und in ihnen auch inso-
fern mit sich selbst, als er sich darin objektiviert.64
In der ersten Prämisse des praktischen Syllogismus bezieht sich der
subjektive Zweck (C) auf das Mittel oder Arbeitsinstrument (B), in der zwei-
ten Prämisse ist das Mittel oder Arbeitsinstrument (B) auf die vorgefunde-
nen Gegenstände (A) bezogen. Die beiden Extreme des Schlusses sind der
subjektive Zweck als Terminus minor und das kausal determinierte Mate-
rial der Gegenstände als Terminus maior; der Terminus medius ist das
Mittel oder Werkzeug.
Bis zu diesem Punkt wird Hegels Analyse der praktischen Naturaneig-
nung als Unterbrechung und zielstrebige „Umfunktionierung“ des Kausal-
konnexes auch von einer nicht absolut idealistischen Konzeption (soweit
sie jedenfalls nicht mechanistisch-reflexologisch orientiert ist) inhaltlich
akzeptiert werden müssen. Aber eine solche nicht absolut idealistische
Konzeption wird erstens nicht anerkennen, dass die Sphäre der Zweck-
Mittel-Objekt-Relation primär die Logik ist und dementsprechend die syl-
logistische Form in der praktischen Tätigkeit des Menschen nur ihre Ver-
gegenständlichung oder ihren Abglanz hat.65 Eine „naturalistische“ Kon-
zeption würde zweitens alle Zwecksetzungen selbst wiederum als letztlich
kausal bedingt auffassen, nämlich als ursächlichen Ausdruck natürlicher
Bedürfnisse. Und eine dritte grundlegende Divergenz ergäbe sich daraus,
dass eine solche Konzeption den Haupt-zweck der Praxis nicht in der Fort-
bildung der Selbsterkenntnis erblicken würde, was aber, wie unten zu zei-
gen ist, Hegels Aspekt der Praxis ist.
Zwar behandelt Hegel mit der Analyse des Verhältnisses von Teleologie
und Kausalität in extenso den von Descartes generell herausgestellten Zu-
sammenhang zwischen der Existenz allgemeingültiger Gesetze, deren Er-
30

kenntnis und der rationalen Herrschaft des Menschen als „maître et pos-
sesseur du monde“, und er könnte damit anknüpfen an Bacons Gleichset-
zung von Macht und Wissen sowie auch an Vicos Gleichsetzung von Ma-
chen und Erkennen66, aber es ist zu bedenken: für Hegel geht das Wissen
nicht auf in der praktikablen operativ-technischen Theorie der Naturbe-
wältigung, sondern diese ist ein Moment im Dienste der Freiheit des Geis-
tes, die Hegel schließlich kulminieren lässt in einer Erneuerung der aristo-
telischen Kontemplation. Und die auf die Natur sich beziehende Theorie
erschöpft sich für Hegel, wie ein Blick in seine Naturphilosophie zeigt,
nicht in einem einförmigen mathematischen Formalismus; vielmehr reha-
bilitiert er die qualitative Mannigfaltigkeit der Natur. Die Unzulänglichkeit
der mathematisch-mechanischen Methode der alten Physik war schon na-
turwissenschaftlich erwiesen mit dem Entstehen der Chemie, der Biologie
und der Elektrizitätslehre.
Ebensowenig wie die Theorie in der Erkenntnis der Naturgesetze er-
schöpft sich für Hegel die Praxis in der technischen Naturbeherrschung.
Nicht schon deshalb allein, weil Hegel überhaupt in seine Theorie-Praxis-
Konzeption das Moment der Naturaneignung systematisch integriert, ließe
sich behaupten, dass bei ihm die Praxis im aristotelischen Sinne, d. h. das
ausschließlich auf die Welt des Menschen bezogene – in den Einzelfällen
von der Klugheit (phronesis) nur unwissenschaftlich ungenau geleitete
nicht lehrbare stets veränderliche und sein Ziel in sich selbst tragende67 –
Handeln abdanke zugunsten der Poiesis, der technischen Herstellung, der
Produktion. Die eigentliche Distanz des aristotelischen Begriffs des situati-
onsgerechten klugen tugendhaften Handelns – für das sich keine stringen-
ten Prinzipien aus der reinen Theorie und Weisheit ableiten lassen68 – zu
dem Hegelschen Praxisbegriff wird erst ersichtlich aus Hegels dialektischer
Verknüpfung der Praxis mit dem Geschichtsprozess.
31

4. Theorie und Praxis als gesellschaftlich-geschichtlicher Prozess

Wenn die praktische Tätigkeit der Naturaneignung so dargestellt wird,


dass der einzelne „homo faber“ oder das einzelne „toolmaking animal“
(Benjamin Franklin) zwischen sich und den Naturobjekten ein Mittel ein-
schiebt und die Natur in solcher Weise für sich arbeiten lässt, fehlt in die-
sem praktischen Individualismus noch das Moment der Wechselbezie-
hung der Menschen untereinander, das heißt die gesellschaft-
lich-geschichtliche Seite der praktischen Tätigkeit der Naturan-
eignung, über die Hegel schließlich in der „Phänomenologie des Geistes“
feststellt: „Das rein einzelne Tun und Treiben des Individuums bezieht sich
auf die Bedürfnisse, welche es als Naturwesen, d. h. als seiende Einzelheit
hat. Dass selbst diese seine gemeinsten Funktionen nicht zunichte wer-
den, sondern Wirklichkeit haben, geschieht durch das allgemeine erhal-
tende Medium, durch die Macht des ganzen Volks... Die Arbeit des Indivi-
duums für seine Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der Bedürf-
nisse der andern als seiner eignen, und die Befriedigung der seinigen er-
reicht es nur durch die Arbeit der andern.“69
In welcher Weise das Bearbeiten der Natur, das Handeln in der Ge-
schichte und die Entstehung des Selbstbewusstseins, d. h. die Selbstver-
wirklichung des Menschen, sich bedingen, expliziert Hegel in der „Phäno-
menologie des Geistes“ als erstes in dem Kapitel „Selbständigkeit und Un-
selbständigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft“.
Aus diesem Kapitel erhellt: die durch die Triebhemmung frei gewordene
Mitte der praktischen Naturaneignung bildet zunächst der mit den Werk-
zeugen arbeitende „Knecht“.
In der individuellen praktischen Tätigkeit der Begierde, die den „selbst-
losen“ Naturgegenstand machtvoll negiert, kommt das einzelne Selbstbe-
wusstsein, wie Hegel ausführt, durch die Befriedigung zwar zu einem
Selbstgefühl und einer Selbstgewissheit, aber nicht zur vollen Anerken-
nung seiner Freiheit als Fürsichseiendes (als Selbst oder Subjekt).
Diese kann es nur erreichen durch die Vermittlung in Richtung auf ein
Subjekt, das objektiv seiend ist, d. h. auf ein anderes Selbstbewusstsein,
also nicht in einer einfachen, sondern in einer doppelten Reflexion, denn
nicht der selbstlose Naturgegenstand der Begierde, sondern nur das ande-
32

re Selbstbewusstsein kann die Negation an sich selbst vollziehen und so-


mit das erste Selbstbewusstsein bejahen. Daher stellt Hegel fest: „Das
Selbstbewusstsein erreicht seine Befriedigung nur in einem anderen
Selbstbewusstsein.“70
Dass es kein „Ich“ gibt außerhalb der Beziehung zum „Du“, heißt für
Hegel konkret: es gibt keine praktisch-theoretische Selbständigkeit oder
Freiheit eines Subjekts ohne die praktisch-theoretische Selbständigkeit
oder Freiheit eines andern Subjekts.
Das Streben nach Respektierung des Daseins und der Selbständigkeit
des einen Selbstbewusstseins durch ein anderes ist im Naturzustand des
„bellum omnium contra omnes“ zunächst gerichtet auf die Aufhebung der
Selbständigkeit und des unmittelbaren Daseins (des Seins für andere) des
anderen Selbstbewusstseins, d. h. seiner Leiblichkeit, in der es zu einem
alter ego seine „vermittelnde Beziehung“ hat71, und wird so zu einem
„Kampf auf Leben und Tod“.
In ihm zieht einer der Kämpfer resignierend dem Tod die Knechtschaft
vor, d. h. die Erhaltung seines Lebens und seines einzelnen Selbstbe-
wusstseins, ohne dass dieses als selbständig, als ens per se stans, aner-
kannt wird.
Hervorzuheben ist, dass Hegel weit davon entfernt ist, aus dem Kampf,
der gewaltsamen Repression und der autoritären Herrschaft die „Natur“
des Menschen im Sinne eines biologistischen Mythos zu machen oder die
in Macht und Unterwerfung polarisierte unversöhnte Zwangsordnung we-
gen ihrer äußeren Stabilität und Konsistenz zu sanktionieren. Hegel sieht
ausdrücklich Kampf und Gewalt nur als entwicklungsgeschichtlich frühes
Übergangsmoment zu vernünftigen Verhältnissen an.72
Hiermit lässt sich die Bestimmung des Aristoteles vergleichen, dass das
staatliche Gemeinwesen zwar wegen des Überlebens entstanden ist, aber
um des „guten Lebens“ willen besteht, und zwar als Ordnung einer „Herr-
schaft über Freie und Gleichgestellte“, nicht einer Despoteia und Monar-
chia (die allerdings über Sklaven in der Hausverwaltung, der Oikonomia,
von Aristoteles als „natürlich“ zugestanden wird).73
In einen anderen – die zwischenstaatlichen Beziehungen betreffenden
Zusammenhang – gehört, dass Hegel den Krieg „nicht als absolutes Übel“
33

ansieht, sondern ihm erstens eine „universalhistorische Berechtigung“ –


aber nicht mehr innerhalb Europas74 – und zweitens die integrierende
Funktion, „innere Unruhen“ zu verhindern, auferlegt, indem er das Völker-
recht und Kants Vorstellung eines „ewigen Friedens“ durch einen Staaten-
bund ablehnt und einen „Naturzustand“ zwischen den als einheitliche In-
dividualitäten gefassten Staaten und somit ihre volle äußere Souveränität
gegeneinander annimmt, wobei er die Staaten aber schließlich unterordnet
unter die Vermittlung der „Weltgeschichte als Weltgericht“.75
Wie Hegel weiter analysiert, wird das Wesen des Knechts dazu, Objekt
des Herrn –nicht selbsttätiges Subjekt – zu sein und in seinem Dienst zu
arbeiten. Da der Herr außer über den Knecht auch über die zu bearbeiten-
den Dinge verfügt, die die „Kette“ des Knechts sind, bezieht er sich sowohl
mittels der Dinge auf den Knecht als auch mittels des Knechts auf die Din-
ge.76
In dieser Weise der Unterjochung ist unmittelbar zunächst die Selb-
ständigkeit des Selbstbewusstseins des Herrn gesichert. Das Fürsichsein
des Knechts ist durch die doppelte Abhängigkeit vom Herrn und von den
Dingen unwesentlich geworden und entäußert. Der Knecht hat sich ver-
dingen müssen. Der Herr hält sich aus der aufreibenden Macht der Ding-
welt heraus, „er ist die reine negative Macht, der das Ding nichts ist, und
also das reine wesentliche Tun in diesem Verhältnisse“77; er genießt un-
mittelbar – wie das Tier – die Arbeitsprodukte des sich unter eigenem
Triebverzicht in kommandierter Arbeit abarbeitenden Knechts. Da diese
Arbeitsprodukte das vergegenständlichte Bewusstsein des Knechts sind,
bezieht sich der Herr auch in ihnen auf ein anderes Selbstbewusstsein.
Auf Grund der durch die Knechtsarbeit vermittelten Distanz zu den
Dingen und auf Grund der „Arbeitsteilung“ als Trennung von Herrschaft
und Arbeit kann der Herr sich müßig und theoretisch verhalten, ein Zu-
sammenhang, den auch Aristoteles klar aufgedeckt hat.78
Aber durch die praktische Tätigkeit verkehrt sich das ungleiche Ver-
hältnis von Selbständigkeit und Unselbständigkeit: die Knechtschaft „wird
als in sich zurückgedrängtes Bewusstsein in sich gehen und zur wahren
Selbständigkeit sich umkehren.“79 Der Herr erfährt in dem einseitigen An-
erkennen seine Abhängigkeit von der Tätigkeit des Knechts und die Un-
selbständigkeit seines eigenen Bewusstseins. Die zugrundeliegende ge-
34

schichtliche Etappe, auf die sich Hegel bezieht und die er hier in ihrer
Spiegelung in der Entwicklung des subjektiven individuellen Geistes dar-
stellt, ist die Auflösung der antiken Sklavengesellschaft. Auf der Stufe des
objektiven Geistes ist mit dem Ineinanderumschlagen der Selbständigkeit
des Knechts und des Herrn am ehesten vergleichbar die von Hegel analy-
sierte Verwandlung des „edelmütigen Bewusstseins“ des Lehnsmanns mit
seinem „Heroismus des Dienstes“ in das „niederträchtige Bewusstsein“ des
Höflings und der feudalen „Staatsmacht“ in den bürgerlichen „Reich-
tum“80.
Ohne dass Hegel es ausdrücklich so nennt, ist auch dies eine „List der
Vernunft“, dass die aufopfernde Selbstpreisgabe des Knechts zur Selbst-
gewinnung wird und sein Leiden ihn mündig macht. Angesichts der Be-
drohung und der Angst, sein ganzes Selbst durch den Tod zu verlieren, hat
„alles Fixe... in ihm gezittert“, ist er zur Selbstbehauptung entschlossen
und ist sein Fürsichsein, das ihm im Herrn entfremdet und suspendiert
war, schon „an ihm selbst“; aber erst wirklich „sein eigenes“ und an und
für sich seiendes ist es auf Grund der Arbeit. Dass die Todesgefahr des
Knechts zur Aufhebung der Desintegration seines Selbst führt, lässt sich
in Verbindung sehen mit Hegels grundlegender Spekulation über den Tod
als Überwindung des Endlichen, Natürlichen und Gegebenen und als ver-
mittelndes Moment der Erhebung ins Leben des unendlichen Geistes.81
Das Tun des Herrn, das unmittelbare Verzehren der Arbeitsprodukte,
hinterlässt keine objektiven gesellschaftlichen „vestigia“, sondern ver-
schwindet mit diesem Tun, während dagegen das „formierende Tun“ des
Knechts, der seine eigene transitorische Begierde erzwungenermaßen ne-
giert und seinem Eigenwillen entsagt, in den Arbeitsgegenständen und
Werkzeugen von Dauer ist, „in das Element des Bleibens tritt“: „Diese Be-
friedigung ist aber deswegen selbst nur ein Verschwinden, denn es fehlt
ihr die gegenständliche Seite oder das Bestehen. Die Arbeit hingegen ist
gehemmte Begierde, aufgehaltenes Verschwinden, oder sie bildet. Die nega-
tive Beziehung auf den Gegenstand wird zur Form desselben und zu einem
Bleibenden, weil eben dem Arbeitenden der Gegenstand Selbständigkeit
hat.“82
In diesen (relativ) beständigen Objektivierungen seines subjektiven Be-
wusstseins findet der Arbeitende – in einer Art praktischer Anamnesis –
35

sich selbst wieder und gelangt in der Selbsterkenntnis zum Bewusstsein


seines An- und Fürsichseins: „Die Form wird dadurch, dass sie hinausge-
setzt wird, ihm nicht ein Anderes als es; denn eben sie ist sein reines Für-
sichsein, das ihm dadurch zur Wahrheit wird.“83
Damit hat Hegel an diesem Wendepunkt der Entwicklung des Geistes
analysiert, wie die Selbsterkenntnis gewonnen wird auf der Grundlage der
Umgestaltung der Natur, und zwar innerhalb bestimmter geschichtlich-
gesellschaftlicher Beziehungen der Menschen untereinander. In der
„Rechtsphilosophie“ wird die gesellschaftliche Seite der Naturaneignung im
„System der Bedürfnisse“ im Zusammenhang mit der „Spezifizierung der
Mittel und Bedürfnisse“ und der Arbeitsteilung entwickelt84.
Die Analyse des allgemeinen Selbstbewusstseins, des „Ich, das Wir, und
das Wir, das Ich ist“85, in Gestalt des Herrn und des Knechts gleicht zwar
noch einer Robinsonade86 und bezieht sich auf eine relativ abstrakte ge-
schichtliche Entwicklungsetappe des absoluten Geistes auf dem Weg zu
seiner Selbsterkenntnis; aber Hegel konkretisiert die gegenseitige Aner-
kennung der Selbständigkeit und objektiven Allgemeinheit des Selbstbe-
wusstseins schrittweise weiter als Selbstbewusstsein eines Volkes, das
sich in Moral, Recht und Sittlichkeit sowie in Kunst, Religion und Philoso-
phie entfaltet, und als die Reihe der „welthistorischen Volksgeister“ auf
ihrem Fortschritt zu immer vollkommenerer Freiheit des Bewusstseins.
Das also ist Hegels konkretere Bestimmung der Einheit von Theorie und
Praxis (konkreter als ihre Einheit in jeder Willenshandlung und in der
praktisch-teleologischen Naturaneignung): Theorie und Geschichte sind
dialektisch aufeinander bezogen.
Die menschliche Erkenntnis ist für Hegel kein rein „erkenntnistheoreti-
scher“ (innerer) Vorgang eines einzelnen isoliert genommenen Subjekts,
keine einfache Relation zwischen einem Subjekt und einem Objekt, son-
dern – wie auch die Selbsterkenntnis des absoluten Geistes, zu der sie als
Entwicklungsphase gehört – ein praktischer natürlich-geschichtlicher (äu-
ßerer) Prozess, der stufenweise von der Menschheit vollzogen wird. Er-
kenntnis basiert also gleichsam auf einer menschheitsgeschichtlichen In-
tersubjektivität. (In der letzten Hinsicht kommt Goethe Hegel nahe, wenn
er in einen Brief an Schiller sagt: „Nur sämtliche Menschen erkennen die
Natur, nur sämtliche Menschen leben das Menschliche“87.) Die volle Er-
36

kenntnis der Wahrheit ist bedingt durch die Verwirklichung der Wahrheit
in der geschichtlich-politischen Freiheit.
Weiter ist die Einheit von Theorie und Praxis als Einheit von Theorie
und Geschichte die Einheit der Logik und der Geschichte, insofern die lo-
gisch-systematischen Stufen und Erkenntnisformen des Geistes – An-
schauung, Vorstellung und Denken – in der geschichtlichen Entwicklung
erscheinen auf dem Niveau der Kunst, der Religion und der Philosophie.
Nach Hegels Konstruktion findet der Geist seine jeweils adäquate Form
in der Kunst des Griechentums, der Religion des Mittelalters und der Phi-
losophie der Zeit Hegels. Auch die logisch-absoluten (oder ontologischen)
Kategorien der philosophischen Theorie erscheinen also als Gestalten im
geschichtlich-relativen Entwicklungsprozess (zum Beispiel die Kategorie
des Seins bei Parmenides, die des Werdens bei Heraklit und so fort).

5. Die Konzeption der Praxis als konkreter Sittlichkeit

Frei, allgemein und unendlich ist der beschränkte, natürliche und end-
liche Wille nur formal, an sich oder seinem Begriffe nach, das heißt inso-
fern, als er die Möglichkeit hat, von jedem bestimmten Inhalt, den er durch
seinen Entschluss wählt, ins („schlechte“) Unendliche fort zu abstrahieren
oder ihn zu transzendieren und in dieser einseitigen Weise als einfache
Reflexion in sich und Negation des Realen unmittelbar bei sich zu sein.
Sogar sein Leben kann der Mensch im Gegensatz zum Tier durch Selbst-
mord „fallen lassen“.88
Diese negative verstandesmäßige Freiheit des formalen Willens ist „im
Politischen wie im Religiösen der Fanatismus der Zertrümmerung aller be-
stehenden gesellschaftlichen Ordnung, und die Hinwegräumung der einer
Ordnung verdächtigen Individuen...“, worin für Hegel insbesondere die Si-
gnatur der plebejischen jakobinischen „Schreckenszeit der französischen
Revolution“ vor dem Thermidor (l794) mit ihrer antikisierenden „allgemei-
nen Freiheit“ und dem Terror im Namen der asketischen Tugend besteht.89
Die Unbestimmtheit des Willens ist allerdings die Voraussetzung dafür,
dass er einen bestimmten Entschluss fassen kann. Anders gesagt: die Zu-
37

wendung des Menschen zur Welt basiert auf seiner originären Weltoffen-
heit und Triebbeherrschung.
Form und Inhalt bleiben aber unter diesem Gesichtspunkt im Gegen-
satz: außerhalb des abstrakten nur potentiell, nicht aktuell unendlichen
allgemeinen unentschlossenen Willens steht der besondere Inhalt, zu dem
sich der Wille jeweils entschließen muss, indem er aus seiner unbestimm-
ten Identität der reinen Selbstgewissheit heraustritt.90
Insofern Kants und Fichtes praktische Philosophie auf diesen formalen
allgemeinen Willen, das abstrakte unwirkliche Gute, gegründet ist (auch
bei Fichte kommt nämlich, wie Hegel bemängelt, der besondere Inhalt zum
allgemeinen Ich – als dem Wahren für sich – nur hinzu und ist ihm nicht
immanent91), stehen sich auch in ihr das apriorische Allgemeine und das
empirische Mannigfaltige unvermittelt gegenüber und machen wahre Sitt-
lichkeit als Einheit des allgemeinen Gesetzes und des bestimmten Inhalts
unmöglich: „Die Leerheit des reinen Pflichtgefühls und der Inhalt kommen
einander beständig in die Quere.“92
Die inhaltslose Universalität der Moral ist getrennt von der empirischen
Partikularität, ohne jemals vollkommen verwirklicht werden zu können.
Die Erfüllung der moralischen Postulate bleibt eine ethische Utopie, ist ein
unendlicher Prozess, der „perennierend gesetzte Widerspruch selbst“93
Dieser Widerspruch ist unaufhebbar; denn wenn sich das Sollen reali-
sierte und die gedachte Einheit der Pflicht und der Glückseligkeit als sei-
end zustande käme, verschwände das Sollen und die Pflicht. Die Vollen-
dung der Harmonie „ist ins Unendliche hinauszuschieben; denn wenn sie
wirklich einträte, so höbe sich das moralische Bewusstsein auf. Denn die
Moralität ist nur moralisches Bewusstsein als das negative Wesen, für des-
sen reine Pflicht die Sinnlichkeit nur die negative Bedeutung, nur nicht
gemäß ist“.94
Dadurch, dass die Ethik Kants und Fichtes – wie ihre Erkenntnistheo-
rie – den Dualismus von Idealität und Realität, Subjektivität und Objektivi-
tät, nicht wahrhaft überbrückt, wird trotz des Rigorismus der moralischen
Forderungen dem empirischen „gemeinen Bewusstsein“ nichts „von seiner
Zufälligkeit und Gemeinheit“ genommen, sondern es bleibt – ebenso wie
die empirische Wirklichkeit – unverändert, unaufgehoben bestehen. Infol-
38

gedessen stabilisiert diese Ethik die Zerrissenheit des Lebens und die „Zer-
stückelung des Menschen“.95
Dass der abstrakt allgemeine formal gute existenzlose Wille (nicht nur
im Sinne der Kantischen und Fichteschen Ethik) nicht wahrhaft autonom
ist, zeigt sich, wie Hegel in der „Phänomenologie des Geistes“ in dem Kapi-
tel „Die Tugend und der Weltlauf“ sagt, daran, dass „das Gute, indem es in
dem Kampf gegen den Weltlauf auftritt, damit sich darstellt als seiend für
ein anderes, als etwas, das nicht an und für sich selbst ist, denn sonst
würde es nicht durch Bezwingung seines Gegenteils sich erst seine Wahr-
heit geben wollen.“ Wenn andererseits der „Ritter der Tugend“ das abstrak-
te Gute als schon an und für sich seiend ausgibt, ist sein Kampf gegen den
Weltlauf unernste „Spiegelfechterei“.96
Wie Hegel ausführt, besiegt der geschichtlich-gesellschaftliche Inhalt
des Weltlaufs – dessen „Kraft das negative Prinzip (ist), welchem nichts be-
stehend und absolut heilig ist, sondern welches den Verlust von allem und
jedem wagen und ertragen kann“ – die utopische freischwebende Tugend
des sich vergeblich auflehnenden Ritters (Don Quichotte), „dem es im
Kampfe allein darum zu tun ist, sein Schwert blank zu erhalten“, mitsamt
den „pomphaften Reden“ von Weltverbesserung, den „Deklamationen“ und
der „leeren Aufgeblasenheit“. Hiermit ist vergleichbar, was Hegel in einem
Entwurf schon in seiner Frankfurter Zeit formuliert: „Das andere Extrem
von dem, von einem Objekte abzuhängen, ist das – die Objekte fürchten,
die Flucht vor ihnen, die Furcht vor Vereinigung, die höchste Subjektivi-
tät.“97
Die Tugend hört auf Grund ihres Schicksals schließlich auf, die Indivi-
dualität rigoros aufopfern zu wollen, muss sich mit der Wirklichkeit ver-
söhnen und die Erfahrung machen, dass „der Weltlauf so übel nicht ist,
als er aussah“; denn – und das ist Hegels zentraler Gesichtspunkt – das
scheinbar nur eigennützige pfiffige Handeln der Individualität ist zugleich
„allgemeines Tun“ (weshalb am Ende nicht nur die Tugend, sondern auch
der ihr abstrakt entgegengesetzte Weltlauf aufgehoben wird).98
In diesem Zusammenhang wird schon deutlich, dass Hegel gerade im
Gegensatz zum subjektiven Idealismus die Individualität nicht „vertilgt“.
Die Individualität kann Hegel insofern nicht dem Allgemeinen aufopfern,
als er nachweist, dass es keine Individualität isoliert für sich gibt, die nicht
39

durchdrungen wäre vom Allgemeinen, und keine praktische Tätigkeit, die


nicht an sich gesellschaftlichen Charakter hätte („die Bewegung der Indivi-
dualität ist die Realität des Allgemeinen“99).
Der Vorwurf der Aufopferung der Individualität lässt sich gegen Hegel
nur dann erheben, wenn man zuvor in undialektischer Weise einseitig das
Individuelle, Einmalige, Faktische und Ereignishafte verabsolutiert und
jede allgemeine Vernünftigkeit und Gesetzlichkeit – oder ihre Erkennbar-
keit – verneint, d. h. das Dass vom Was scheidet. Die Konsequenz davon
wiederum ist, dass ein unüberbrückbarer Abgrund zwischen Innen und
Außen, Theorie und Praxis, entsteht. Theoretisch unerleuchtet und desori-
entiert, handelt dann der Mensch auf Grund einer – scheinbar objektiv
unvermittelten – „absoluten“ Entscheidung oder Leidenschaft. Die blinde
unbegründbare bodenlose Praxis mündet in einen irrationalen Volunta-
rismus. Für ihn gilt, was Leonardo da Vinci hinsichtlich der wissenschaft-
lichen und künstlerische Praxis äußert: „Diejenigen, die sich für Praxis
ohne Wissen begeistern, sind wie Seeleute, die ohne Steuer oder Kompaß
ein Schiff besteigen und nie ganz sicher sind, wohin sie fahren.“100
Schwerwiegend ist Hegels Aufweis, dass aus dem reinen, formalen abs-
trakten Willen und dem kategorischen überzeitlichen Pflichtgebot der
praktischen Vernunft kein bestimmter Inhalt deduzierbar ist, auch nicht
unter Anwendung des – ebenfalls noch formalen – Kriteriums der Wider-
spruchslosigkeit der Handlungen. „... man kann von außen her wohl einen
Stoff hereinnehmen, und dadurch auf besondere Pflichten kommen, aber
aus jener Bestimmung der Pflicht als dem Mangel des Widerspruchs, der
formellen Übereinstimmung mit sich, welche nichts anderes ist als die Fort-
setzung der abstrakten Unbestimmtheit, kann nicht zur Bestimmung von
besonderen Pflichten übergegangen werden... ein Widerspruch kann sich
nur mit etwas ergeben, das ist, mit einem Inhalt, der als festes Prinzip zum
voraus zugrunde liegt.“101
Besonders prägnant vertritt Kant in seiner 1793 in der Berlinischen
Monatsschrift veröffentlichten Abhandlung „Über den Gemeinspruch: Das
mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“ die Auffas-
sung, dass die aus der reinen a priori gesetzgebenden Vernunft stammen-
den allgemeinen Prinzipien der Moral sowie des Staats- und Völkerrechts
für die Praxis tauglich seien, das Handeln anleiten und bestimmen könn-
40

ten, weil selbst auf das Handeln hin bezogen, dass es zum Übergang von
der Theorie zur Praxis nicht etwa geschichtlicher Vermittlungen des objek-
tiven Geistes, sondern nur eines individuellen „Aktus dar Urteilskraft“ be-
dürfe, wodurch „der Praktiker unterscheidet, ob etwas der Fall der Regel
sei oder nicht“, und dass, dementsprechend die Theorie trotz ihrer Bezo-
genheit auf praktische Verwirklichung souverän, unabhängig von äußeren
in der Geschichte erfahrbaren Gründen und Erfolgen, „für sich selbst be-
stehende Theorie“ sei.101a
Indem Hegel in seine Konzeption der Sittlichkeit den veränderlichen In-
halt aufnimmt, kehrt er sich nicht nur vom ethischen Formalismus und
Apriorismus ab, sondern auch vom ethischen Individualismus: an die Stel-
le des individuellen Wollens und Handelns, das unter dem Aspekt des
Konflikts der sinnlichen Neigung des „homo phänomenon“ und der morali-
schen Pflicht des „homo noumenon“ beurteilt wird (als ob die Widersprü-
che und Unvollkommenheiten des menschlichen Lebens nur aus der Sinn-
lichkeit stammten), tritt als Basis der Ethik die gesellschaftlich-
geschichtliche Praxis. (Hierin trifft sich Hegel insofern wiederum mit Aris-
toteles, als auch für diesen Ethik und Politik eine Einheit bilden und das
private gute und gerechte Handeln des einzelnen Menschen von der öffent-
lichen Verfassung der Polis abhängt, in der allein die Freiheit als Autar-
keia, also als Unabhängigkeit von Äußeren, wirklich ist.)
Der substantielle Inhalt der konkreten Sittlichkeit stammt für Hegel aus
der absoluten Vernunft, die sich in der Geschichte ausbreitet, im mensch-
lichen Handeln realisiert und im Volksgeist objektiv konkretisiert als Fami-
lie, bürgerliche Gesellschaft und Staat. (Kant setzt Staat, „civitas“, und
Gesellschaft, „societas civilis“, noch gleich.) An dieser konkreten relativen
Totalität lassen sich als eine besondere Seite abstrakt die Moralität und
die Legalität isolieren. Aber in Wahrheit ist die Historizität und Sozialität
des Menschen von seinem Handeln nicht abtrennbar.
Infolgedessen ist letztlich für Hegel das sittliche Kriterium einer Hand-
lung ihre Übereinstimmung mit dem Inhalt der „an und für sich seienden
Gesetze und Einrichtungen“102 eines Staatswesens, nicht allein die indivi-
duelle Gesinnung und das Gewissen als scheinbar unvermitteltes Faktum;
deren Bedeutung wird von Hegel herabgemindert, d. h. Hegel gibt nicht der
Tendenz der Verselbständigung des Gewissens nach, die geschichtlich mit
41

der Auflösung der Stände und ihrer Regeln zugunsten der freien Konkur-
renz auftrat.
Dennoch wird das Gewissen von Hegel nicht im historistischen Sinne
vollständig relativiert, da es ein notwendiges Moment in der Entwicklung
des absoluten Geistes bleibt. Dies wird häufig in der Befehdung der Hegel-
schen Auffassung des Gewissens mißachtet Der einzelne Mensch ist nach
Hegels Konzeption unbedingt berechtigt, nur das anzuerkennen, was Ge-
wissen, Überzeugung, Gesinnung, Einsicht und Gewissheit gut heißen.
„Das Gewissen drückt die absolute Berechtigung des subjektiven Selbst-
bewusstseins aus, nämlich in sich und aus sich selbst zu wissen, was
Recht und Pflicht ist...“103
Die Anstrengung des Gewissens und der subjektiven Reflexion ist sogar
die Pflicht des Einzelnen; denn eine äußerliche Befolgung der objektiven
vernünftigen Gebote ohne persönliche Überzeugung entbehrt der morali-
schen Qualität.104 (In geschichtlicher Hinsicht repräsentiert das unmittel-
bare Verharren in den substantiellen Verhältnissen das Niveau der despo-
tischen orientalischen vorgriechischen Welt.) Der objektive sittliche Gehalt
kann vom subjektiven Willen gerade deshalb nicht seine blinde Anerken-
nung und Hinnahme fordern, weil der subjektive Wille unendlich für sich
ist und die formale Möglichkeit hat, in reiner Selbstgewissheit und Selbst-
bestimmung von allem Vorhandenen und Geltenden abzusehen und sich
ihm gegenüber zu behaupten, d. h. weil das selbstbewusste Subjekt sich
als ein solches weiß, „dem alle vorhandene und gegebene Bestimmung
nichts anhaben kann noch soll“.105 (In geschichtlicher Hinsicht hat sich
die unendliche Freiheit der Individuen – und ihre Gleichheit vor Gott – im
Christentum manifestiert, nachdem die „Richtung nach innen“ mit Sokra-
tes und den Stoikern ihren Anfang nahm.)
Infolgedessen sind das Heraustreten des Subjekts aus der Verschlos-
senheit und Konzentriertheit der Innerlichkeit und die abermalige Zuwen-
dung zum objektiven Inhalt freiwillig: das Subjekt nimmt den sittlichen
Gehalt, sofern es eine höhere Stufe seiner Selbstbestimmung erreichen
will, nach eigener Prüfung und Entscheidung in sich auf und lässt sich
von ihm in seinem Willen und Handeln durchdringen. Das Subjekt hat al-
so keine äußerliche unmittelbare, sondern eine vermittelte Beziehung zum
42

objektiven Inhalt der aus dem Absoluten stammenden Geschichte und Ge-
sellschaft, der somit nicht an sich, sondern an und für sich gültig ist.
Hegel weist allerdings zurück, dass das Subjekt den vernünftigen we-
sentlichen Inhalt – der nur aus dem Zusammenhang der ganzen Geschich-
te zur begreifen ist und nicht mit dem alltäglich Vorhandenen und Zufälli-
gen identisch ist106 – seinem Belieben und Meinen unterwirft und seine
Besonderheit gegen ihn nach Gutdünken geltend macht. Die subjektive
Reflexion kann letztlich ebensowenig Beurteilungsmaßstab der Vernünf-
tigkeit einer Handlung sein wie das subjektive Bewusstsein der Rechtswid-
rigkeit einer Tat Voraussetzung ihrer Strafbarkeit ist.107
Es ist augenfällig: Hegels Auffassung von der Moral und insbesondere
von dem Gewissen steht und fällt mit seiner Geschichtskonzeption, die
zugleich einer aristotelischen Praxisauffassung den Weg versperrt.
Mit der Aufnahme des veränderlichen gesellschaftlich-geschichtlichen
Inhalts, der sich in Gegensätzen bewegt, anerkennt Hegel auch die von
Kant und Fichte verneinte Kollision der Pflichten108, die das Fundament
der relativen Tragik der in der Geschichte Handelnden bildet. Ebensowenig
wie Goethe kennt Hegel einen „Pantragismus“ im Sinne des Neuhegelia-
ners H. Glockner, der die dialektische Methode Hegels ablehnt109 und dar-
in übereinstimmt mit so verschiedenen Hegelinterpreten wie: F. A. Trend-
elenburg, Logische Untersuchungen, 1839, von denen Kierkegaard beein-
flusst ist; R. Haym, Hegel und seine Zeit (1859); W. Dilthey, Die Jugendge-
schichte Hegels, 1905; B. Croce, Lebendiges und. Totes in Hegels Philoso-
phie, 1909; W. Windelband, Die Erneuerung des Hegelianismus, 1910; R.
Kroner, Von Kant zu Hegel, 192l-24, und anderen.
Die Widersprüchlichkeit im Bereich der Sittlichkeit ist ein Spezialfall
der allgemeinen Widersprüchlichkeit, die für Hegel die objektive Wirklich-
keit wesentlich kennzeichnet, die für Kant dagegen – wie die Behandlung
der Antinomien der Endlichkeit und Unendlichkeit, der Kontinuität und
Diskontinuität sowie der Freiheitund Notwendigkeit in der transzendenta-
len Dialektik der „Kritik der reinen Vernunft“ zeigt – Beweis für die
Schranken des menschlichen Erkenntnisvermögens und die Unerkenn-
barkeit der Dinge an sich ist.
43

Hegels Ablehnung des erkenntnistheoretischen und ethischen Subjekti-


vismus geht Hand in Hand mit der Anerkennung der dialektischen Wider-
sprüchlichkeit der Wirklichkeit, und das heißt letztlich: ihrer Bewegung
und Tätigkeit schlechthin; denn Bewegung kann, wie Hegel aufzeigt, in der
Tat nicht formallogisch unter Vermeidung des Widerspruchs begriffen
werden etwa als Summe bestimmter unbewegter diskontinuierlicher iden-
tischer Einheiten, sondern nur unter dem Aspekt, dass diese fixen Einhei-
ten in Wahrheit zugleich verschwinden und ineinander kontinuierlich ü-
bergehen, also nur sind, indem sie nicht sind.110
Dem abstrakten guten Willen einseitig entgegengesetzt sind der beson-
dere Wille und das Böse, das heißt das Beharren des natürlichen Willens,
der Leidenschaften, Triebe und Begierden in der Besonderheit, die intran-
sigente Abtrennung vom geistigen Allgemeinen (aus der auch Sokrates sei-
ne Dialogpartner herauszuführen sucht), das Insichgehen, die Vereinze-
lung und Selbstbehauptung ohne Einordnung ins Ganze111 (wozu also im
weiteren Sinne auch Kierkegaards unendliches Interesse an der je eigenen
Existenz gehören würde).
Das Böse ist aber für Hegel keine Privation, sondern die notwendige Ne-
gation des Guten: die Bedingung dafür, dass der Mensch das an und für
sich Gute erwirbt, ist, dass er heraustritt aus der Einseitigkeit der Un-
schuld des unmittelbaren bewusstlosen Naturzustandes, in dem er nur
erst der Möglichkeit nach, nicht wirklich gut und frei ist, d. h. dass er sich
der Natur entgegensetzt, sich in sich entzweit von sich weiß, für sich wird
und schuldig werden kann. So sind für Hegel –im Gegensatz zu Rousseau
– das Böse, das Übel, der Schmerz, die Krisen, Revolutionen, Katastrophen
und tragischen Zusammenbrüche als das notwendige Negative die positi-
ven Triebkräfte der Geschichte (und ihr Begreifen ist für ihn, wie sich zei-
gen wird, die Realisierung der Leibnizischen versöhnenden Theodizee).
Der Sündenfall – der Verlust der unschuldigen Sichselbstgleichheit und
der „arbeitslos sich darbietenden Natur“ im Garten der Tiere –, entstanden
durch das Erkennen und Unterscheiden, ist also kein einmaliges und zu-
fälliges Ereignis; er ist für Hegel „die ewige Geschichte des Geistes“, der
„ewige Mythus des Menschen, wodurch er eben Mensch wird.“112
Im Zusammenhang mit der Trinitätsspekulation erblickt Hegel das Böse
im Geist Gottes selbst, insofern Gott-Vater sich – von Anfang an, nicht erst
44

auf Grund eines „Abfalls“ – in sich entzweit, sich in sich reflektiert und aus
seiner einfachen Unendlichkeit und Identität mit sich in die Differenz und
Endlichkeit tritt, was impliziert, dass Gott für Hegel wesentlich Schöpfer
ist. Das ist – trotz Hegels Verwahrung dagegen – eine Art des Pantheismus
und der Ablehnung der Transzendenz: der Geist kann für Hegel die Welt
nicht schaffen, da der Geist zugleich notwendigerweise Welt ist. Das Er-
schaffen ist die vorstellungsmäßige dem Begriff inadäquate Form für das
Negative des Geistes: „Dieses Erschaffen ist das Wort der Vorstellung für
den Begriff selbst nach seiner absoluten Bewegung oder dafür, dass das
als absolut ausgesagte Einfache oder reine Denken, weil es das abstrakte
ist, vielmehr das Negative und hiemit sich Entgegengesetzte oder Andre
ist.“113
Wie Hegel ausführt, wird der Charakter des Bösen als notwendiges
Moment des Guten nur erfasst vom Wissen, nicht von der religiösen Vor-
stellung, die nicht über den Dualismus hinaus zur begrifflichen Versöh-
nung gelangt.114
Da der Geist, die Quelle des Bösen, auch das Prinzip der Versöhnung
des Entzweiten ist, wäre eine romantische Rückwärtswendung in Richtung
auf einen unschuldigen Naturzustand gegen die Entwicklung des Geistes
gerichtet.
Indem für Hegel die Freiheit des besonderen Willens des einzelnen pri-
vat interessierten Menschen nur die Kehrseite des abstrakt allgemeinen
formal freien Willens ist und somit keine Basis für die substantiellen
menschlichen Beziehungen bilden Bann, lehnt er auch Rousseaus Theorie
der Gemeinschaftsbildung auf Grund eines zwischen den Individuen ge-
schlossenen Vertrags ab als eine „atomistische Ansicht im Politischen“, die
den Vorrang der gesellschaftlichen und staatlichen Ganzheit verkenne.
Rousseaus Konzeption des „allgemeinen Willens“ muss Hegel als abstrakt
– und in der Konsequenz als jakobinisch – ansehen, da zu diesem „allge-
meinen Willen“ der vermittelnde Übergang von den einzelnen beliebigen –
gleichsam demoskopisch erfassbaren – Willensäußerungen und ebenso
von dem „Willen aller“ fehlt.115
Mit dieser Auffassung der Priorität des konkreten Allgemeinen, der Ge-
samtpraxis, distanziert sich Hegel zwar eindeutig vom Liberalismus; aber
um diese Einstellung Hegels nicht wiederum undialektisch mit einer völli-
45

gen Degradierung des Individuums oder gar mit einer Sanktionierung des
autoritären Totalitarismus gleichzusetzen116, muss jede Kontroverse hier-
über berücksichtigen: dieses vernünftige – das Bestehen von Recht und
Gesetz einschließende – Allgemeine, das „bonum commune“, wird von He-
gel eben nicht abstrakt verstanden, d. h. nicht verselbständigt oder objek-
tiviert, nicht der individuellen Freiheit obstinat entgegen gesetzt. Es wird
vielmehr begriffen als konkret vermittelt durch die subjektiven Tätigkeiten
der Individuen. Der Liberalismus und speziell die nach-thermidorianischen
Neuerungen (deren Antagonismen von Hegel nicht übersehen werden) sind
also in seiner politischen Philosophie als Moment aufgehoben.
Eine Interpretation, die in der Hegelschen Staatslehre einen Ausdruck
oder eine Vorbereitung des Totalitarismus oder eine Affinität zu ihm sieht,
ignoriert, dass gemäß Hegels Konzeption der konkreten Sittlichkeit der
einzelne Mensch niemals nur behandeltes passives Objekt, sondern stets
zugleich handelndes aktives Subjekt ist. Und was Hegel sein Leben lang
als das grundlegende Verdienst der Kantischen Ethik trotz aller ihrer Män-
gel anerkennt, ist gerade der bei Rousseau vorgebildete Gedanke der
Selbstbestimmung und Freiheit des Willens, der Selbständigkeit des Sub-
jekts, aber nicht nur im Sinne des transzendentalen reinen Bewusstseins
gefasst. Dass der Mensch wesentlich Subjekt ist und kein Objekt der (feu-
dalistischen) Willkür werden darf, bleibt für Hegel die unverzichtbare „ko-
pernikanische Wendung“ in ethischer Hinsicht.117a
„Die Freiheit liegt... weder in der Unbestimmtheit, noch in der Be-
stimmtheit, sondern sie ist beides“.117 Das heißt aber: erst der konkret all-
gemeine wahrhaft gute Wille, der den besonderen Inhalt immanent enthält
oder durch ihn hindurchgeht, der an und für sich seiende vernünftige Wil-
le, hebt den Gegensatz von Form und Inhalt, Subjekt und Objekt, Begriff
und Realität, auf und damit auch die Abhängigkeit und Beschränkung sei-
tens der bestimmten Gegenstände.
Schon der junge Hegel in seiner Berner Periode (1793-1796), auch
schon in seiner Tübinger Studienzeit, untersucht die Probleme der Praxis,
die für ihn zu dieser Zeit den Primat haben, von vornherein im Gegensatz
zu Kant unter gesellschaftlich-geschichtlichem Aspekt. Es geht ihm nicht
um die Praxis des intelligiblen (noumenalen) Ich, sondern um die Freiheit
des Volkes als die Praxis der gemeinschaftlichen Selbsttätigkeit oder Sub-
46

jektivität. Er sieht diese Selbsttätigkeit verwirklicht im öffentlichen Leben


der antiken Polis. Sie wieder aufleben zu lassen, ist sein von der französi-
schen Revolution inspiriertes utopisches, nicht realisierbares Bestreben.
Die praktische Autonomie in der Polis basiert für den jungen Hegel der
Berner Periode auf der Eigenart der antiken Religion als „subjektiver“ und
„öffentlicher“ „Volksreligion“ mit aus dem Volksgeist stammenden Festen
und Bräuchen („Die Volksfeste der Griechen waren wohl alle Religionsfes-
te... Volksreligion – die, große Gesinnungen erzeugt und nährt – geht Hand
in Hand mit der Freiheit...“118).
Der Verfall und Verlust der Freiheit und Selbsttätigkeit, das Aufkom-
men von Unterdrückung und Passivität sind nach der Darstellung des
jungen Hegel auch ein Ergebnis der Ungleichheit des Reichtums (der „Aris-
tokratie des Kriegsruhms und des Reichtums“), aber primär die Auswir-
kung und Ursache der „Positivität“ – d. h. der Objektivität oder Fremdheit,
Autorität und Heteronomie – der christlichen sich an den einzelnen Men-
schen wendenden „Privatreligion“, wobei Hegel nicht genügend unterschei-
det zwischen dem vorkonstantinischen Christentum und der – den Gedan-
ken des „Romanum Imperium“ und der „Roma aeterna“ rezipierenden –
machtvollen Staatskirche mit ihrer hierarchischen Herrschaftsstruktur.
(„Das Bild des Staates, als ein Produkt seiner Tätigkeit verschwand aus
der Seele des Bürgers... Alle Tätigkeit, alle Zwecke bezogen sich jetzt aufs
Individuelle... alle politische Freiheit fiel hinweg... Die Vernunft konnte es
nie aufgeben, doch irgendwo das Absolute, das Selbständige, Praktische zu
finden, in dem Willen der Menschen war es nicht mehr anzutreffen; es
zeigte sich ihr noch in der Gottheit, die die christliche Religion ihr darbot,
außerhalb der Sphäre unserer Macht, unseres Wollens, doch nicht unse-
res Flehens und Bittens – die Realisierung einer moralischen Idee konnte
also nur noch gewünscht... nicht mehr gewollt werden...“119)
In derselben Weise sind für den jungen Hegel der Berner Periode die
Moralgesetze der dualistischen Kantischen Ethik gegenüber der prakti-
schen Subjektivität positiv, also objektiv oder gegenständlich, gegeben,
fremd, tot, unaufhebbar, „etwas außer uns Bestehendes“.120
In seiner weiteren Entwicklung, in der Frankfurter Periode (1797-1800),
sieht Hegel – in gewandelter Einstellung zum Christentum – die praktische
lebendige Subjektivität und Selbstbestimmung, die gegen die Hinnahme
47

der toten Positivität (des etablierten Faktums und des affirmierten Fatum)
opponiert, in der Liebe und in dem „Leben“ der Religion verwirklicht.
Das christliche Leben vereint das von den tyrannischen Kantischen Mo-
ralgeboten und von den herrischen jüdischen Gesetzen Entzweite und ver-
söhnt mit dem notwendigen äußeren „Schicksal“ (speziell mit der Strafe
des Verbrechers).
So sagt Hegel in dem Konzept zu seiner Frankfurter Hauptschrift „Der
Geist des Christentums und sein Schicksal“ (l799): „Jesus setzt dem Gebo-
te die Gesinnung gegenüber, d. h. die Geneigtheit, so zu handeln; Neigung
ist in sich gegründet, hat ihr idealisches Objekt in sich selbst; nicht in ei-
nem Fremden (dem Sittengesetze der Vernunft)... Gesinnung hebt die Posi-
tivität, Objektivität der Gebote auf; Liebe die Schranken der Gesinnung,
Religion die Schranken der Liebe.“121
Der Hauptaspekt der Kritik Hegels an Kants Ethik kommt in der Ausar-
beitung dieser Frühschrift mit folgenden Worten prägnant zum Ausdruck
(im Anschluss an eine Stelle in Kants „Die Religion innerhalb der Grenzen
der bloßen Vernunft“): „... zwischen dem tungusischen Schamanen mit
dem Kirche und Staat regierenden europäischen Prälaten oder dem Mogu-
litzen mit dem Puritaner und dem seinem Pflichtgebot Gehorchenden ist
nicht der Unterschied, dass jene sich zu Knechten machten, dieser frei wä-
re; sondern dass jener den Herren außer sich, dieser aber den Herren in
sich trägt, zugleich aber sein eigener Knecht ist... Ein Mann (sc. Kant, E.
T.) der den Menschen in seiner Ganzheit wieder herstellen wollte, konnte
einen solchen Weg unmöglich einschlagen, der der Zerrissenheit des Men-
schen nur einen hartsinnigen Dünkel zugesellt...“122
In dem Konzept zu der Schrift „Der Geist des Christentums und sein
Schicksal“ behandelt Hegel ein Hauptmoment der Praxis, nämlich die
Wahl, und zwar in Auseinandersetzung mit Kants Bestimmung der Wahl
als Entscheidung zwischen moralisch Gutem und Bösem. Die Wahl ist für
Hegel hier die adäquate Vereinigung oder Versöhnung zwischen wählen-
dem Subjekt und gewähltem Objekt und vollbringt als solche die Aufhe-
bung der Positivität. Ob die Vereinigung der Wahl wirklich moralisch ist,
hängt vom gewählten Inhalt ab, nicht primär von der Gesinnung und der
Vorstellung. Worauf es Hegel wesentlich ankommt, ist, was gewählt wird:
„... das Vorstellende und das Vorgestellte werden eins; dies ist die Hand-
48

lung; das Moralische der Handlung ist in der Wahl, die Vereinigung in der
Wahl ist, dass das Ausgeschlossene ein Trennendes ist; dass das Vorge-
stellte, das in der Handlung vereinigt wird mit dem Vorstellenden der Tä-
tigkeit, selbst schon ein Vereinigtes sei, unmoralisch, wenn es ein Tren-
nendes ist. Die Möglichkeit der Entgegensetzung ist Freiheit – das Entge-
gensetzen selbst ein Akt der Freiheit. Die moralische Handlung ist darum
unvollständig und unvollkommen, weil sie die Wahl, weil sie Freiheit, Ent-
gegengesetzte, Ausschließung eines Entgegengesetzten voraussetzt, – je
verbundener dies Ausgeschlossene ist, desto größer die Aufopferung, die
Trennung, desto unglücklicher das Schicksal; ‚je‘ größer dieser einzelne,
desto zerrissener die Idee des Menschen; ‚je‘ intensiver sein Leben, desto
mehr verliert es an Extension, und er trennt sich wieder desto mehr. Mora-
lität ‚ist‘ Angemessenheit, Vereinigung mit dem Gesetz des Lebens; ist die-
ses Gesetz aber nicht Gesetz des Lebens, sondern selbst ein fremdes, so ist
die höchste Trennung; Objektivität.“123 (Freiheit ist also für Hegel eine
Qualität der Willensentscheidung, der Wahl selbst, nicht nur – wie etwa
für Locke, der die Frage der Willensfreiheit unbeantwortet lässt – die Fä-
higkeit, eine getroffene Willensentscheidung in die Tat umzusetzen.)
Auch im Frankfurter Systemfragment von 1800 steht im Mittelpunkt
die Frage der Vereinigung und des „Lebens“ (d. h. der Tätigkeit der Verein-
heitlichung des Entgegengesetzten oder des „Fließgleichgewichts“ – venia
sit verbo). Später präzisiert Hegel den Begriff des Lebens durch Angabe der
drei Hauptmerkmale: Totalität, Prozesshaftigkeit und Selbstbewegung oder
Selbstreproduktion.124 Diese Problematik wird hier weiter ausgeführt in
Richtung auf die reife Konzeption der konkreten Sittlichkeit. Zwischen In-
dividuum und Objektwelt herrscht nach Hegels Entwurf eine untrennbare
Beziehung; das Individuum „wird bloß in Beziehung betrachtet, sein Sein
nur als Vereinigung habend...“125 Diese Beziehung zwischen Subjekt und
Objekt wird als lebendiges Wechselverhältnis aufgefasst.
Dabei bestimmt Hegel das „Leben“ oder den „Geist“ mit einer Formulie-
rung, die seiner reifen Artikulation der Dialektik als „Identität der Identität
und Nichtidentität“ entspricht: er nennt das Leben „die Verbindung der
Verbindung und der Pflichtverbindung“.126 Aus alledem ist im übrigen er-
sichtlich, dass Hegels Begriff des „Lebens“ – die Keimform seines Begriffes
der Sittlichkeit – nichts gemeinsam hat mit dem gleichnamigen Begriff der
49

Lebensphilosophie, die Hegel vielmehr indirekt in Friedrich Heinrich Jaco-


bi und seiner Lehre vom undialektischen intuitiven „unmittelbaren Wis-
sen“ kritisiert. Viel eher ist bei Hegels Begriff des „Lebens“ an Aristoteles’
Bestimmung des Geistes als Leben in der „Metaphysik“ zu denken.
Am Ende der folgenden Jenaer Periode (180l-1807), in der er seine Dia-
lektik vollständig entwickelt hat, zeigt Hegel in der „Phänomenologie des
Geistes“ an mehreren Wendepunkten der „Odyssee des Geistes“ (Schel-
ling), wie vor dem Erreichen der Position der konkreten Sittlichkeit und
praktischen Freiheit die wahre Vereinigung von Einzelnem und Allgemei-
nem wiederholt scheitert, indem das Subjekt mit der fremd gegenüberste-
henden unbegriffenen Objektwelt kollidiert. In diesen Zusammenstößen
liegt ein Merkmal der Kontinuität, ein Leitfaden, in der allgemeinen geisti-
gen Entwicklung.
Zu diesen mißglückten Synthesen gehören: die Flucht des stoischen
Bewusstseins aus der realen Abhängigkeit in die „einfache Wesenheit des
Gedankens“, worin nur der abstrakte inhaltslose „Begriff der Freiheit,
nicht die lebendige Freiheit selbst“ liegt127; das Sicheinlassen des skepti-
schen Bewusstseins in den bestimmten einzelnen Inhalt, den es zwar ne-
giert, in dem es aber trotz der Deklaration seiner Nichtigkeit befangen
bleibt, falls es sich nicht in das andere Extrem der rein negativen Freiheit
des Selbstbewusstseins unversöhnt zurückzieht („es erkennt seine Freiheit
einmal als Erhebung über alle Verwirrung und alle Zufälligkeit des Daseins
und bekennt sich ebenso das andremal wieder als ein Zurückfallen in die
Unwesentlichkeit und als ein Herumtreiben in ihr“128); dann die Entzwei-
ung des unglücklichen Bewusstseins, dessen Kennzeichen der Dualismus
von Diesseits und Jenseits, von Menschlichem, Unwesentlichem und
Wandelbarem einerseits und Göttlichem, Wesentlichem und Unwandelba-
rem andererseits ist; es hat den Herr-Knecht-Gegensatz in sich selbst. Das
unglückliche Bewusstsein ist der Schmerz „über dieses Dasein und Tun,
denn es hat darin nur das Bewusstsein seines Gegenteils als des Wesens,
und der eigenen Nichtigkeit.“129 Es gewinnt in der entzwei gebrochenen
Wirklichkeit durch die Arbeit, die es sich nicht als seine eigene zuschreibt,
keine Bewährung und Selbstbestätigung. (Hiermit kontrastiert zum Bei-
spiel die Darstellung der Niederländer in der „Ästhetik“, in deren Bildern
sich ausdrückt, wie heimisch, frei, voller Froheit und Selbstgefühl sie in
50

ihrer bürgerlichen Welt waren, in der sie alles „ihrer eigenen Tätigkeit ver-
danken“ konnten.130) Aber durch Entsagung und Verzicht auf eigenen Wil-
len, Arbeit, Genuß und Besitz hat an sich auch vom unglücklichen Be-
wusstsein „sein Unglück... abgelassen“, und ist es an sich die vernünftige
Einheit des Einzelnen und Allgemeinen, des Wandelbaren und Unwandel-
baren.
Die bisher erwähnten Kollisionen von Subjekt und Objekt spielten sich
im individuellen Bewusstsein auf dem Hintergrund der antiken und mit-
telalterlichen Welt ab. Aber auch auf der folgenden Stufe des objektiven
Geistes kommt es zu praktischen Zusammenstößen zwischen Individuel-
lem und Allgemeinem: die sinnliche Lust oder das einzelne Gefühl – in
Goethes „Faust“ vom Erdgeist repräsentiert – findet den Untergang in der
schicksalhaften allgemeinen Notwendigkeit. Das Bewusstsein erfährt, dass
„die Folgen seiner Taten... ihm nicht seine Taten selbst“ sind, und die abs-
trakte Notwendigkeit ist „nur die unbegriffene Macht der Allgemeinheit, an
welcher die Individualität zerschmettert wird.“131
Ähnlich ergeht es dem Individuum, das sein unmittelbares „Gesetz des
Herzens“, dessen besonderem Inhalt und seine Auffassung vom „Wohl der
Menschheit“ in seinem Tun verwirklichen will. Es muss erfahren, dass die
anderen „Herzen der Menschen selbst seinen vortrefflichen Absichten ent-
gegen“ sind.132 Als Beispiele für die Ausdehnung der subjektiven hochflie-
genden, überschwenglichen Ziele zur substantiellen Allgemeinheit führt
Hegel in der „Ästhetik“ unter anderem an: Faust (im ersten Teil des Dra-
mas), Ferdinand in Schillers „Kabale und Liebe“, Wallenstein und Karl
Moor, der sich als „selbständiger Rächer“ gegen „die gesamte bürgerliche
Ordnung und den ganzen Zustand der Welt und Menschheit seiner Zeit
empört“.133
Nach der Darstellung des Scheiterns der Tugend am Weltlauf zeigt He-
gel den Zusammenhang zwischen der individuellen Handlung und dem
gesellschaftlichen Allgemeinen im „geistigen Tierreich“ der bürgerlichen
Gesellschaft („Das Ganze ist die sich bewegende Durchdringung der Indi-
vidualität und des Allgemeinen...“134), bevor er in den Kapiteln „Die gesetz-
gebende Vernunft“ und „Die gesetzprüfende Vernunft“ die „reine Form der
Allgemeinheit“ der Kantischen und Fichteschen Moral bemängelt und
dann von den „Gestalten des Bewusstseins“ zu den wirklichen „Gestalten
51

einer Welt“, d. h. zur Entwicklung des objektiven Geistes, übergeht. Auch


an ihrem Endpunkt steht – vor dem hier in der „Phänomenologie des Geis-
tes“ noch vagen „versöhnenden Ja“ – eine Auseinandersetzung mit dem
gegenüber dem Inhalt gleichgültigen unmittelbar „seiner selbst gewissen
Geist“ der abstrakten Moralität und auch mit dem Bewusstsein der „schö-
nen Seele“, dem die „Kraft der Entäußerung“ fehlt, „die Kraft, sich zum
Dinge zu machen und das Sein zu ertragen; es lebt in der Angst, die Herr-
lichkeit seines Innern durch Handlung und Dasein zu beflecken; und um
die Reinheit seines Herzens zu bewahren, flieht es die Berührung der
Wirklichkeit...“135
Hier tritt noch einmal besonders prägnant Hegels Konzeption der Praxis
als konkreter Sittlichkeit hervor in der Ablehnung einer starren Trennung
der Pflichten gegen sich selbst und gegen die Allgemeinheit: „Alsdenn ist
ferner jene Unterscheidung der Pflicht gegen das Einzelne und gegen das
Allgemeine der Natur des Gegensatzes überhaupt nach nichts Festes. Son-
dern vielmehr was der Einzelne für sich tut, kommt auch dem Allgemeinen
zugute; je mehr er für sich gesorgt, desto größer ist nicht nur seine Mög-
lichkeit, andern zu nützen; sondern seine Wirklichkeit selbst ist nur dies,
im Zusammenhange mit andern zu sein und zu leben... In der Erfüllung
der Pflicht gegen den Einzelnen, also gegen sich, wird also auch die gegen
das Allgemeine erfüllt.“136
In diesem Exkurs über die Hauptetappen der sukzessiven Entstehung
der Hegelschen Praxiskonzeption der konkreten Sittlichkeit ist die – nach
Überwindung des Utopismus der Berner Periode – sich steigernde Tendenz
zur Versöhnung mit der Wirklichkeit hervorgetreten, auf deren Konse-
quenzen unten zurückzukommen ist. Es muss noch einmal unter anderem
Aspekt die ausgebildete Theorie des objektiven Geistes betrachtet werden.
Im folgenden ist herauszustellen, dass für Hegel die Praxis des allgemeinen
konkreten Willens die Sphäre der Entfremdung des absoluten Geistes ist.
Zu dem Niveau des objektiven Geistes erhebt sich der einzelne, subjek-
tive Wille dadurch, dass er sich denjenigen Inhalt, Gegenstand und Zweck
gibt, den er nur im Denken erreichen kann, nämlich die rechtlichen, mora-
lischen und sittlichen Gesetze des Geistes, deren zusammenfassende Be-
stimmung die Freiheit ist. „Die wahre Freiheit ist als Sittlichkeit dies, dass
der Wille nicht subjektive, d. i. eigensüchtige, sondern allgemeinen Inhalt
52

zu seinen Zwecken hat; solcher Inhalt ist aber nur im Denken und durchs
Denken...“137
Dagegen ist der Inhalt des individuellen Willens auf der Stufe des sub-
jektiven Geistes nicht ausschließlich im Denken. Er kann auch in der
Wahrnehmung oder Vorstellung sein; und die Verstandesreflexion bringt
an den besonderen zufällig gegebenen Inhalt des individuellen Willens nur
die formale Allgemeinheit heran, so dass Form und Inhalt sich entgegenge-
setzt bleiben und der individuelle reflektierende Wille an den Inhalt ge-
bunden und durch ihn bestimmt bleibt.
Schon um nur die Reflexionsform der Allgemeinheit des Wissens und
Wollens zu erreichen, muss sich der einzelne, subjektive Wille erheben aus
der vorgefundenen Objektwelt, d. h. aus dem Bereich der unmittelbaren,
natürlichen, partikulären Bedürfnisse und der äußerlich sich dem Be-
wusstsein darbietenden Naturdinge sowie aus dem Bereich des Verhältnis-
ses einzelner Menschen, die sich in ihrem Selbstbewusstsein verschieden
und partikulär sind. Der einzelne, subjektive Wille – dessen Freiheit als
Auflösung und Vereinigung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes zur Befrie-
dung nur beschränkt und nicht endgültig ist – befreit sich weiter und bil-
det sich durch „die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Beneh-
mens, gegen die Unmittelbarkeit der Begierde, sowie gegen die subjektive
Eitelkeit der Empfindung und die Willkür des Beliebens.“138
Da der objektive konkret allgemeine, vernünftige Inhalt des Willens, die
allgemeingültige Ordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen, dem
Denken angehört, aber auch sein wirkliches Element im Willen hat, reprä-
sentiert der „wirkliche freie Wille“ als objektiver, gegenständlicher Geist die
Aufhebung und Synthese der subjektiven theoretischen und praktischen
Tätigkeit.139
In dieser Synthese der subjektiven Theorie und Praxis auf der Stufe des
objektiven Geistes erfasst sich aber der Geist noch nicht in seinem eigenen
Element, im Geist selbst. Der objektive, vergegenständlichte Geist ist noch
nicht der absolute Geist. Der Geist bleibt im Element des Willens, in sei-
nem anderen, sich selbst entfremdet. Er bezieht sich nicht auf sich als
Geist. Das heißt: die Gegensätze von Subjekt und Objekt sind noch keine
rein logischen Gegensätze des absoluten Wissens. Das Wahre ist noch
nicht in der Form des Wahren. Die rechtlichen, moralischen und sittlichen
53

geistigen Bestimmungen existieren durch den Willen. Denken und Willen


werden im Bereich des objektiven Geistes noch unterschieden. Der objek-
tive Geist ist der absolute Geist erst in seinem Dasein. „Die Idee erscheint
so nur im Willen, der ein endlicher, aber der Tätigkeit ist, sie zu entwickeln
und ihren sich entfaltenden Inhalt als Dasein, welches als Dasein der Idee
Wirklichkeit ist, zu setzen, – objektiver Geist.“140
Das heißt vom Standpunkt des absoluten Geistes aus, dass der objekti-
ve Geist die Sphäre der Praxis ist; denn Geist und Wille verhalten sich
prinzipiell wie Theorie und Praxis, und der absolute Geist hat sich als ob-
jektiver Geist in den Willen entäußert. Dagegen erwies sich vom Stand-
punkt des subjektiven Geistes aus der objektive Geist als Einheit von (sub-
jektiver) Theorie und Praxis.
Indem der objektive Geist – in Hinblick auf den absoluten Geist – die
Sphäre der Realität oder Existenz und Praxis ist, ist er auch noch die
Sphäre der Entfremdung und Endlichkeit.141 Das zeigt sich daran, dass
der Träger des objektiven Geistes jeweils ein besonderes Volk in der Ge-
schichte mit bestimmten staatlichen Einrichtungen ist. „Das Prinzip selbst
aber, als dessen Wirklichkeit das Staatsleben da ist und worin der Mensch
seine Befriedigung sucht, ist, wie mannigfach es auch in seiner inneren
und äußeren Gliederung sich entfalten mag, dennoch ebensosehr wieder
einseitig und abstrakt in sich selbst. Es ist nur die vernünftige Freiheit des
Willens, welche sich darin expliziert; es ist nur der Staat – und wiederum
nur dieser einzelne Staat – und dadurch wieder eine besondere Sphäre des
Daseins, und deren vereinzelte Realität, in welcher Freiheit wirklich
wird.“142
Somit ist der objektive Geist noch nicht vollkommen frei, und zwar un-
ter der grundlegenden Voraussetzung, dass die Gegenständlichkeit
schlechthin in den absoluten Geist aufhebbar ist. Als frei und unendlich
erwies sich der objektive Geist nur insofern, als auf seiner Stufe der Wille
mit der Aufnahme des ihm angemessenen allgemeinen rechtlichen, morali-
schen und sittlichen Inhalts denjenigen Standpunkt erreicht, den er als
Wille erreichen kann, nämlich seine Wahrheit als Übereinstimmung seines
Begriffs und seines Daseins.
54

Der Wille als Wille überwindet zwar die Endlichkeit und Abhängigkeit,
aber die Wahrheit des Willens ist für Hegel der absolute Geist, mit dem
weder der subjektive noch der objektive Wille übereinstimmt.
Wenn auch der objektive Geist in der Perspektivs des absoluten Geistes
noch die Sphäre der Praxis, der Entfremdung, Gegenständlichkeit, End-
lichkeit und Unfreiheit ist, so befindet er sich doch auf dem Wege zum ab-
soluten Geist: er ist ein Schritt zur Entgegenständlichung, Verinnerlichung
und vollkommenen geistigen Freiheit; denn die Gegenstände der Praxis auf
der Stufe des objektiven Geistes – die rechtlichen, moralischen und sittli-
chen Bestimmungen – sind nicht sinnlich, sondern intelligibel, ausschließ-
lich dem Denken zugänglich. Der auf sie gerichtete Wille ist also in seiner
Verwirklichung schon innerlich. Die Synthese von Innen und Außen, Beg-
riff oder Idealität und Realität ist auf dieser Stufe selbst innerlich und i-
deell. „Der an und für sich seiende Wille ist... nicht bloße Möglichkeit, An-
lage, Vermögen(potentia), sondern das Wirklich-Unendliche (infinitum actu),
weil das Dasein des Begriffs, oder seine gegenständliche Äußerlichkeit das
Innerliche selbst ist.“142a
Der Wille auf der Stufe des objektiven Geistes ist also real, indem er von
sich weiß. Die Entwicklungshöhe der rechtlichen, moralischen und sitt-
lich-politischen Verhältnisse, das heißt der realen Freiheit, innerhalb eines
bestimmten Volkes hängt somit von der Entwicklung seines Selbstbe-
wusstseins ab.
Da der objektive Geist eine Sphäre der Praxis ist, der Wille in ihr aber
ausschließlich gedanklich fassbare Gegenstände hat, ergibt sieh: für Hegel
ist die Praxis, d. h. die Bestimmung oder Veränderung von Gegenständen,
nicht identisch mit der Bestimmung oder Veränderung sinnlicher Gegens-
tände. Dies verdient schon an dieser Stelle hervorgehoben zu werden hin-
sichtlich der junghegelianischen Umdeutungen der Philosophie Hegels, in
deren Verlauf schließlich Marx die Praxis mit „gegenständlicher“ – und das
heißt für ihn: sinnlicher – Tätigkeit gleich setzt.
55

6. Der scheinbare Vorrang der Praxis gegenüber der Theorie

Wenn auch, wie dargestellt, für Hegel Theorie und Praxis in der Sphäre
der Endlichkeit beide einseitig sind und keine vollkommene Einheit und
Freiheit erreichen, da dem subjektiven Geist eine beschränkende objektive
Außenwelt mit ihrer Selbständigkeit und Fremdheit vorgegeben bleibt und
dem objektiven Willen noch die Form des absoluten Geistes ermangelt, so
sind sie doch nicht gleichrangig.
Zunächst hat die Praxis einen Vorrang: im theoretischen Verhalten des
endlichen Bewusstseins empfängt das Subjekt den Inhalt als vorgegebenen
und ist ausschließlich formal oder abstrakt bei sich selbst und frei, inso-
fern es bei allen äußeren Bestimmungen in reiner Unbestimmtheit und
Selbstgewissheit identisch mit sich bleiben kann. Dagegen bestimmt sich
das Subjekt in der Praxis nicht nur formal, sondern auch inhaltlich aus
sich selbst, aus dem Bewusstsein. „Beim theoretischen Vermögen macht
es nun den wesentlichen Unterschied aus, dass nur die Form im Bestim-
men des Geistes liegt, hingegen beim praktischen der Inhalt auch vom
Geist herkommt.“143
Diese inhaltliche Selbstbestimmung gilt sowohl für die objektive kon-
kret allgemeine Praxis als auch für die subjektive, individuelle Praxis; aber
für diese gilt sie nur in relativer Weise: den inneren Inhalt, der durch das
Handeln äußeres Dasein erhalten soll, findet sie vor und macht ihn erst
willentlich – durch den Entschluss – zum eigenen Inhalt. „Die Umstände
oder Beweggründe haben nur so viel Herrschaft über den Menschen, als er
selbst ihnen einräumt.“144
Indem der innere Inhalt des Willensentschlusses durch das Handeln
realisiert wird, d. h. die inneren Möglichkeiten und Reichtümer vorgezeigt
werden, und dadurch das äußere Vorhandene umgestaltet und zur Über-
einstimmung und Vereinigung mit dem Inneren gebracht wird (so dass das
Handeln Setzen und Negieren, gewissermaßen Zustimmung und Missbilli-
gung, zugleich ist), bleiben der innere Inhalt und der realisierte Inhalt der
gleiche, und nur die Form wird aufgehoben. „Das Haus, welches, dem Vor-
satz nach, gebaut werden soll, und das, welches, dem Plan nach, gebaut
wird, sind dasselbe Haus.“145
56

Dementsprechend stellt Hegel auf der Ebene der „Logik“ die praktische
Idee des Guten, da sie in sich das Moment der Bestimmtheit enthält, hö-
her als die theoretische Idee des Wahren: „In der theoretischen Idee steht
der subjektive Begriff als das Allgemeine, an und für sich Bestimmungslo-
se, der objektiven Welt entgegen, aus der er sich den bestimmten Inhalt
und die Erfüllung nimmt. In der praktischen Idee aber steht er als Wirkli-
ches dem Wirklichen gegenüber... Die Objektivität hat das Subjekt hier
sich selbst vindiziert; seine Bestimmtheit in sich ist das Objektive, denn es
ist die Allgemeinheit, welche ebensowohl schlechthin bestimmt ist... Diese
in dem Begriffe enthaltene, ihm gleiche, und die Forderung der einzelnen
äußerlichen Wirklichkeit in sich schließende Bestimmtheit ist das Gute...
Diese Idee ist höher als die Idee des betrachteten Erkennens, denn sie hat
nicht nur die Würde des Allgemeinen, sondern auch des schlechthin Wirk-
lichen.“146
Aber der Vorrang der Praxis gegenüber der Theorie wird letztlich von
Hegel als Schein behandelt. Der Mangel der Praxis ist für Hegel, dass sie
keine absolute Selbstbestimmung gewährt. Der Inhalt des objektiven all-
gemeinen Willens ist nämlich nicht in seiner wahren Form, dem Geist; und
der subjektive, individuelle Wille ist inhaltlich nur relativ autonom, d. h. er
bleibt in Beziehung auf seinen Inhalt beschränkt und endlich.
Der Grund dafür ist, dass der Praxis eine von ihr unabhängige gleich-
sam widerspenstige objektive Welt als unüberwindliche nicht manipulier-
bare Schranke, als das sich selbst vorgebende Unverfügbare, Ungenießba-
re, vorausgesetzt bleibt, dass also die Gegenständlichkeit für die schöpferi-
sche praktische Initiative den Charakter der Notwendigkeit hat.
Infolgedessen kann auch die Realisierung des Willensinhaltes in der
Außenwelt gehemmt oder verhindert werden (so dass sie ein Postulat
bleibt); oder ein realisierter Willensinhalt kann mit einem anderen kollidie-
ren und von ihm zerstört werden.147
Die Praxis hat aber nicht nur den Mangel der Relativität der Selbstbe-
stimmung. Sie ermangelt auch eines Vorzugs der endlichen Theorie: diese
lässt im Gegensatz zur Praxis die unabhängige Gegenstandswelt frei in ih-
rem eigenen Wesen gewähren und behandelt sie nicht als für sich nichtig
(allerdings auf Kosten ihrer eigenen inhaltlichen Selbstbestimmung).148
57

Diese doppelte Mangelhaftigkeit der Praxis und die – oben im zweiten


Abschnitt ausführlicher darstellte – Einseitigkeit der endlichen Theorie
können nach Hegels Konzeption von der absoluten Theorie, dem absoluten
Wissen, als einer Synthese der endlichen Theorie und der endlichen –
subjektiven und objektiven – Praxis überwunden werden.
Diese absolute Theorie muss demnach drei Bedingungen erfüllen: ers-
tens muss sie die Unabhängigkeit der Objektivität schlechthin überwin-
den; zweitens muss sie aber auch die objektive Wirklichkeit frei für sich in
ihrem Wesen lassen; drittens darf sie dennoch nicht von der so frei gelas-
senen objektiven Wirklichkeit – wie die endliche Theorie – in ihrer inhaltli-
chen Selbstbestimmung eingeschränkt werden.
Die Erfüllung dieser drei Bedingungen impliziert konsequenterweise die
Konzeption einer vollkommenen Vereinigung von Subjekt und Objekt in
der Weise, dass die objektive Wirklichkeit selbst das Produkt oder die Ent-
äußerung eines absoluten Subjekts, des absoluten Geistes, ist, so dass
also die objektive Wirklichkeit selbst geistiger Natur ist und das Subjekt in
der Beziehung auf das Objekt in vollkommener Selbstbestimmung bei sich
bleibt.
Es ist offensichtlich, wie leicht aus Hegels Bestimmung des Theorie-
Praxis-Verhältnisses bei einer Reduzierung des absoluten Geistes auf den
menschlichen Geist Folgerungen zugunsten des Primats der Praxis gezo-
gen werden können. Insofern mit dem absoluten Geist auch der idealisti-
sche Objektivitätsbegriff preisgegeben wird, lassen sich der unüberwindli-
che Widerstand der Objektwelt, d. h. die Unaufhebbarkeit der Gegenständ-
lichkeit als solcher, und der nur relative Charakter der praktischen Verän-
derung dann nicht mehr als Mangel und Argument für die Unzulänglich-
keit der Praxis ansehen. Die endliche Theorie kann wegen der Relativität
der praktischen Veränderung nicht etwa ohne weiteres den Vorrang be-
kommen; denn sie muss ebenfalls die Objekte selbständig gewähren lassen
und sich ihnen gleichsam resignierend und widerstandslos unterwerfen,
und zwar sogar von vornherein und ohne wenigstens relativ verändernd
und selbstbestimmend einzugreifen und das Fremde, Unpersönlich-
Objektive, Bedrohliche, gleichsam „Überrumpelnde“ und Missbehagliche
wegzuarbeiten. Das endliche passive theoretische Verhalten muss nicht
nur wie die Praxis darauf verzichten, zum Beispiel das Volumen der Erde
58

oder die „revolutiones“ der Gestirne und die Jahreszeiten zu verändern


(das Wollen und seine Ausführung in der Handlung beschränken sich – im
Gegensatz zum Wünschen – charakteristischerweise von vornherein auf
Erreichbares), sondern ihr ist überhaupt keine Veränderung der Objekt-
welt möglich; sie kann – im metaphorischen Sinne gesprochen – gar nichts
in Frage stellen oder verweigern. Die endliche Theorie lässt sich also nicht
einfach gegen die Praxis ausspielen unter Berufung auf den nur relativen
Charakter der praktischen Veränderung. Ebensowenig lässt sich die endli-
che Theorie gegenüber der Praxis zur Geltung bringen unter Hinweis dar-
auf, die Praxis betreffe nur die veränderliche geschichtliche Menschenwelt,
den „mundus hominum“, nicht aber das Ganze der natürlichen Welt, den
„mundus rerum“149; denn dieses Ganze ist – wenn überhaupt anders als
nur approximativ erfassbar – nur einer nicht-endlichen Theorie zugäng-
lich, die sich auf den Standpunkt des Ganzen zu stellen vermag durch
Aufhebung des endlichen Subjekt-Objekt-Gegensatzes. Und wenn man die
das Ganze erfassende Theorie gleichsetzt mit der aristotelischen „episteme
theoretike“, übersieht man, dass diese einem endlichen Objekt, nämlich
dem abgeschlossenen überschaubaren antiken Kosmos, zugeordnet ist,
der nicht mehr das Ganze repräsentieren kann, das angeblich im einfa-
chen – praktisch unvermittelten – theoretischen Anblick gegenwärtig wer-
den soll. In Wahrheit lässt sich die Praxis nicht in dualistisch-
undialektischer Weise von der Theorie trennen; wie insbesondere die Herr-
Knecht-Analyse zeigte, ist die Praxis die unentbehrliche Grundlage für die
Herausbildung der Theorie. Es darf nicht die Möglichkeit unterschoben
werden, das Begreifen und das Eingreifen, die theoretische Ansicht und
die praktische Umsicht, könnten nebeneinander bestehen, ohne sich ge-
genseitig zu durchdringen, und die Theorie könnte ausschließlich reiner
„kontemplativer“ Spiegel, passive Reflexion mit unmittelbarer Gewissheit
sein.
Obgleich die Praxis also auf Grund ihrer inhaltlichen Selbstbestimmung
einen Vorrang vor der endlichen Theorie hat, behauptet sich nach Hegels
Konzeption doch auch in ihr – im Rücken des endlichen Subjekts – der
Vorrang der absoluten Theorie. Denn der Zweck nicht nur der theoreti-
schen, sondern auch der praktischen Tätigkeit ist für Hegel schließlich,
dass der Mensch im vertieften Maße ein Bewusstsein von sich erlangt, für
59

sich wird und sich in dieser Weise verwirklicht. Andernfalls wäre der
Mensch nicht wesentlich denkendes Lebewesen und Selbstbewusstsein.
Insofern der Mensch sich in den praktisch formierten Gegenständen
vergegenständlicht und wiedererkennt, wirkt die „praktische Veränderung
der Außendinge“ auf den Menschen zurück, formt den Menschen selbst
und führt ihn zu tieferem Wissen von sich, und zwar nicht als akzidentel-
les Resultat der Praxis, sondern als ihr Hauptzweck, was ein längeres Zitat
aus der „Ästhetik“ zeigen soll: „Dies Bewusstsein von sich erlangt der
Mensch in zwiefacher Weise: Erstens theoretisch, insofern er im Inneren
sich selbst sich zum Bewusstsein bringen muss, was in der Menschen-
brust sich bewegt... Zweitens wird der Mensch durch praktische Tätigkeit
für sich, indem er den Trieb hat, in demjenigen, was ihm unmittelbar ge-
geben, was für ihn äußerlich vorhanden ist, sich selbst hervorzubringen
und darin gleichfalls sich selbst zu erkennen. Diesen Zweck vollführt er
durch Veränderung der Außendinge, welchen er das Siegel seines Inneren
aufdrückt und in ihnen nun seine eigenen Bestimmungen wiederfindet...
Schon der erste Trieb des Kindes trägt diese praktische Veränderung der
Außendinge in sich; der Knabe wirft Steine in den Strom und bewundert
nun die Kreise, die im Wasser sich ziehen, als ein Werk, worin er die An-
schauung des Seinigen gewinnt.“150
Das praktische „Hinausgehen“ des menschlichen (wie des absoluten)
Bewusstseins aus sich hat also für Hegel den hintergründigen Sinn des
theoretischen „Hineinbildens in sich“. Die Ausbreitung dient der Vertie-
fung. Die zeitlich-räumliche Entäußerung und Vergegenständlichung be-
zwecken das geistige Insichgehen und die „Erinnerung“.
Es zeigte sich schon bei der Betrachtung der Einheit von Denken und
Wollen in der individuellen Handlung, dass für Hegel die Zwecke der Praxis
letztlich keine Reflexe von natürlichen Bedürfnissen und deren Gegens-
tände sind. Die Praxis wurzelt für Hegel in dem geistigen Bedürfnis der
Selbsterkenntnis.
Das Selbstbewusstsein ist der „Trieb“, die Bewegung, die Negativität,
sich als Gegenstand hervorzubringen, d. h. sein An sich oder seinen Beg-
riff zu realisieren durch die Entäußerung seiner selbst, die zugleich Set-
zung, Affirmation, und Negation der unmittelbaren sinnlichen Gegenstän-
de des Bewusstseins ist.151
60

In diesen Zusammenhang gehört auch speziell Hegels Bestimmung des


Verhältnisses von Leib und Seele (als innigste Verbindung des Materiellen
und Geistigen) in der Psychologie: der Leib, die Quelle der physischen Be-
dürfnisse, wird nur zunächst in seiner „unmittelbaren Harmonie“ mit der
Seele gefasst, schließlich aber als gesetztes und vermitteltes Moment der
Seele, als gebildet zum „gefügigen und geschickten Werkzeug“ der Tätigkeit
der Seele in Richtung auf ihre Beziehung auf sich selbst.
Die Selbsterkenntnis ist also in teleologischer Weise die dominierende
Seite des Verhältnisses von theoretischer und praktischer Selbstbestim-
mung. Die praktische Autonomie, die reale Verselbständigung und Abhe-
bung von der Objektwelt, d. h. das Subjekt- und Zentrum werden von
praktischer Energie, vervollkommnet sich primär zu dem Zwecke (sekun-
där in dem Maße) der Vertiefung der Selbsterkenntnis, also der theoreti-
schen Freiheit, die kein unmittelbarer Zustand ist, sondern – was nicht
genug betont werden kann – erworben werden muss durch unaufhörliche
Negation dessen, was als natürlich Gegebenes ihr entgegensteht.
Mittels der praktischen Vergegenständlichung wird die Selbsterkennt-
nis, das Wissen des Menschen von sich, bis zum Erreichen des Stand-
punktes der Subjekt-Objekt-Identität in der absoluten Theorie in der Weise
vertieft, dass stufenweise die Gegenstandswelt ins Selbstbewusstsein auf-
gehoben wird, d. h. das An sich zum Für sich, das Unmittelbare zum Ver-
mittelten, das Einfache zum Verdoppelten, die Substanz ins Subjekt ver-
wandelt wird, wodurch zugleich das Wirken des absoluten Geistes bestä-
tigt und aufgedeckt wird.152 Dabei ist das Vorhandensein der dialektischen
Spannung zwischen Substanz und Subjekt, die Nichtübereinstimmung
von Gegenstand und Ich, d. h. „das Negative überhaupt“, die Quelle, der
Puls oder, „die Seele“, die die theoretische und praktische Bewegung in
Gang hält.153
Man kann also sagen: sekundär drückt sich nach Hegels Konzeption die
Selbsterkenntnis des Menschen in der Praxis aus, primär formiert sie sich
in ihr.
Dies impliziert: das dialektisch sich entwickelnde Verhältnis von Geist
einerseits und Willen sowie Handlung andererseits ist nicht so zu interpre-
tieren, dass der Geist des Menschen fertig wäre, in Willen und Handlung
nur sich äußerte und erschiene und nach seinem Erscheinen der gleiche
61

bliebe, so dass in undialektischer Weise die Theorie in der Praxis nur ihre
Anwendung, nicht aber ihre Aufhebung fände. Dies würde bedeuten, dass
die Erkenntnis nur die Voraussetzung der Praxis ist, nicht auch das pri-
mär angezielte – Resultat der Praxis wird.
Zunächst betrifft Hegels Konzeption der durch Praxis vermittelten geis-
tigen Entwicklung den subjektiven, individuellen Geist (einschließlich der
Begabungen, Fähigkeiten, des Temperaments und Charakters): die Le-
bensgeschichte und Profilierung eines Menschen ist unbestreitbar nicht
ausschließlich eine Aktualisierung fertiger geistiger Potenzen, sondern
auch eine Formierung der geistigen Potenzen selbst durch den Vollzug und
die praktische Gestaltung des Lebens, durch das Sichaussprechen und
Darstellen der Individualität als Übersetzen „seiner selbst aus der Nacht
der Möglichkeit in den Tag der Gegenwart“, aus dem „Nichtgesehenwerden
in das Gesehenwerden“, was auch Goethe im Sinn hat, wenn er davon
spricht, dass die „Tätigkeit gegen die Außenwelt“ nicht zugunsten einer
„innern falschen Beschaulichkeit“ preisgegeben werden dürfe, denn: „Der
Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in
sich und sich nur in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl be-
schaut, schließt ein neues Organ in uns auf.“154
In gewissem Maße hiermit vergleichbar ist die Auffassung des Aristote-
les von der „hexis“, dem „habitus“, worin ein Keim einer dialektischen Be-
trachtungsweise des Handelns liegt: das Handeln nimmt einerseits seinen
Ausgang und seine Richtung von der Basis einer festen, geformten, geord-
neten ethischen „Haltung“ und Charaktertugend (nicht die Ziele, sondern
nur die Mittel der Handlung werden nach Aristoteles bestimmt von der in-
tellektuellen Wahl, der „prohairesis“), aber diese Basis selbst wird anderer-
seits auch durch das Handeln gefestigt.154a
Das gleiche Verhältnis der Wechselwirkung macht sich geltend auf der
Stufe des objektiven Geistes. Aber aufs Ganze gesehen, hinsichtlich des
absoluten Geistes, hat für Hegel die Vergegenständlichung des Geistes
nicht mehr die inhaltliche Entwicklung des Geistes zum Zweck, sondern
nur noch das Realisieren der fertigen Möglichkeiten, des in sich abge-
schlossenen An sich oder Begriffs. Der Inhalt des absoluten Geistes steht
nicht auch erst als Resultat, sondern allein als Voraussetzung des Objek-
tivierungsprozesses des absoluten Geistes in der Geschichte fest. Der inne-
62

re Gehalt, der Ertrag und Sinn der Geschichte sind letztlich für Hegel er-
schöpft, immanent und providentiell beschlossen. Die Geschichte bringt
nur hervor, was ursprünglich „investiert“ ist, und erschließt keine wesent-
lich neuen Aspekte. Sie ist gewissermaßen eine dialektische Tautologie
und nur formal eine Entwicklung. Die praktisch-geschichtliche (räumlich-
zeitliche) Aufeinanderfolge der Epochen ist das Abbild der theoretisch-
logischen Auseinanderfolge der Kategorien oder Strukturen. Die Entwick-
lung ist der „in sich zurückgehende Kreis, der seinen Anfang voraussetzt,
und ihn nur im Ende erreicht“, wobei die Kreisläufigkeit das Kriterium der
Wahrheit ist.155 Als solches Rückwärtsschreiten im Vorwärtsschreiten ist
sie eine Wiederherstellung der ursprünglichen Einheit, eine Wiederholung,
eine Reproduktion des von vornherein teleologisch angelegten Grundmus-
ters, gleichsam ein mythisches, immer gleichbleibendes Rondo. Dement-
sprechend bezeichnet der Begriff der wahren Unendlichkeit für Hegel – in
Übereinstimmung mit Spinoza und Descartes und im Gegensatz zu Locke
und den anderen Empiristen – eine Qualität, keine Quantität, d. h. das
aktual Unendliche, nicht das potentiell Unendliche des unbegrenzten Fort-
schreitens (dessen Begriff in der modernen Mathematik seit Weierstraß bei
der Bestimmung des Grenzwertes des unendlich Großen und Kleinen al-
lein angewendet wird und aus dessen Begriff die Konstruktivisten die Gül-
tigkeit des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten sowie der indirekten Exis-
tenzbeweise bestreiten). Als abgeschlossene systematisierbare Totalität, in
der jeder der Teile seine logifizierte Stelle hat, ist die Geschichte nicht erst
Totalität in Hinblick auf die Zukunft. Sie gewährt unter diesem Gesichts-
punkt der Horizontlosigkeit keine Hoffnung.156 Ihr Neues ist das Alte in
einer Weise, die durchaus vergleichbar ist mit der Abgeschlossenheit und
anthropologischen Vorbildlichkeit und Verbindlichkeit des Kosmos der
Wesenheiten bei Platon und Aristoteles, die mit größter Prägnanz zum
Ausdruck kommen in Aristoteles’ verfehlter Bestimmung der produzieren-
den „techne“ als bloße Nachahmung, „mimesis“, der Natur (oder jedenfalls
als bloßes Zuendebringen der Tendenzen der Natur), eine Auffassung von
der „techne“, deren Korrektur eingeleitet wurde durch die nicht-
aristotelische nominalistische Scholastik und durch Nikolaus von Cusa
(mit seinem „Idiota“, der schon in dem geschnitzten Löffel – und, wie sich
hinzufügen ließe, erst recht zum Beispiel in dem Automotor oder dem Ra-
63

dioapparat –schöpferisch ein Artefakt zustande bringt, das ohne Naturvor-


bild ist).157
Geist und Wille durchdringen sich somit und treiben sich wechselseitig
voran nur innerhalb dieses Kreises und dieses in inhaltlicher Hinsicht sta-
tischen Verhältnisses von Ausgangs- und Endpunkt, von Alpha und Ome-
ga, der Bewegung des Ganzen, worin das Letzte das Erste ist und umge-
kehrt. Das heißt: Hegel konzipiert zwar im Gegensatz zur traditionellen
Wesensmetaphysik eine geschichtliche Entwicklung nicht nur der Er-
scheinungen oder des Ontischen, sondern auch der Wesenheiten selbst,
ausgenommen aber bleiben das absolute Wesen und das Sein.
Die Abgeschlossenheit der Totalität des Logos muss der Theorie und
dem wissenschaftlichen System prinzipiell den Vorrang vor aller Praxis ga-
rantieren (abgesehen davon, ob faktisch – worauf unten zurückzukommen
ist – die formale Entwicklung der Geschichte, die Ausführung des ur-
sprünglichen Zweckes, also das Wirklichwerden der Vernunft, schon als
abgeschlossen angesehen wird); denn Praxis ist immer bezogen auf die
noch nicht abgeschlossene Zukunft der „vita agenda“ und erfordert einen
offenen Horizont. Konsequenterweise müssen für Hegel das philosophische
Begreifen, d. h. das gedankliche Informsetzen des Inhalts, und das Nach-
Denken zur höchsten Tätigkeit werden. Hegel kann seine „Enzyklopädie“
abschließen mit einem Zitat aus Aristoteles’ „Metaphysik“ (XII, 7) über das
Sichselbstdenken des Geistes.
Wird noch einmal das Theorie-Praxis-Verhältnis innerhalb des totalen
Kreises bedacht, so scheint sich ein „circulus vitiosus“ oder eine „petitio
principii“ daraus zu ergeben, dass der Mensch sich einerseits erst mittels
der Praxis wesentlich theoretisch selbst erfasst („Das Individuum kann...
nicht wissen, was es ist, eh es sich durch das Tun zur Wirklichkeit ge-
bracht hat“158), andererseits aber gleichsam als Kompass für die Praxis
schon sein Wesen theoretisch kennen muss, um nach seinen wesentlichen
Zwecken tätig sein zu können. Womit kann der Mensch in diesem Kreis
von Theorie und Praxis den Anfang machen? Wie Hegel in der „Phänome-
nologie des Geistes“ ausführt, kann er von dem unmittelbar in seinem Be-
wusstsein Gegebenen als Zweck praktisch ausgehen, d. h. vom Inhalt sei-
nes Charakters, seiner Fähigkeiten, Talente und Interessen: „... das Inte-
resse, welches das Individuum an etwas findet, ist die schon gegebene
64

Antwort auf die Frage: ob und was hier zu tun ist“159 ; denn dieser Inhalt
ist nur dem Schein nach unmittelbar gegeben; er ist in Wahrheit durch-
drungen vom Allgemeinen; d. h. in ihm spricht sich immanent wirkend,
gegenwärtig zugrunde liegend und sich durchhaltend das Wesen des Men-
schen, das Selbstbewusstsein, aus, in das jeder scheinbar unvermittelte
Bewusstseinsinhalt zurückgeführt wird.
Diese Lösung Hegels lässt sich in Entsprechung zu seiner Antwort auf
die Frage in der „Logik“ sehen: „Womit muss der Anfang der Wissenschaft
gemacht werden?“ Indem die Linie der wissenschaftlich-philosophischen
Methode gemäß der Bewegung des absoluten Geistes einen Kreis be-
schreibt, kann das Denken überall anfangen, denn jeder unmittelbare
Ausgangspunkt erweist sich zugleich als vermitteltes Resultat (es gibt
„nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was
nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung...“160).
Die Auffassung Hegels von der Praxis, dass sie ihren Zweck in der Theo-
rie hat, ist also untrennbar von der – in der Nachfolge des Descartes ste-
henden – Konzeption des menschlichen Wesens als (sich selbst bewegen-
des) Selbstbewusstsein sowie von der Konzeption des absoluten Wesens
als (sich selbst bewegende) Idee; denn Zwecke setzen kann nur ein geisti-
ges Subjekt, und alle Tätigkeit Zwecken des Geistes unterordnen kann nur
ein Subjekt, das wesentlich Geist ist.
Die Annahme, dass das Absolute wesentlich Geist ist, impliziert den i-
dealistischen Objektivitätsbegriff und ist die Voraussetzung für die Mög-
lichkeit der gedanklich-ideellen Rücknahme oder Aufhebung der Entäuße-
rungen des Absoluten, also für den Primat der philosophischen Theorie.
Andererseits ist schon hier deutlich: das Festhalten an der Bestimmung
des menschlichen Wesens als Selbstbewusstsein ist nicht unerlässliche
Voraussetzung für die Übernahme jener Hegelschen Auffassung, dass die
Praxis – als Vergegenständlichung – die Grundlage (nicht der Zweck) für
die Herausbildung der endlichen Theorie ist.
65

7. Die Praxis und die endliche Theorie als Stufen auf dem Weg zur
vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit in der absoluten Theorie.

In der im dritten Abschnitt behandelten endlichen subjektiven Teleolo-


gie, die in der Praxis der Naturaneignung mit der Kausalität eine Einheit
bildet, bleiben die Zwecke den vorgefundenen Gegenständen und den Mit-
teln ihrer Ausführung äußerlich und relativ. Sie sind nicht die immanen-
ten Zwecke des Materials selbst. „Wenn ich den Gegenstand z.B. um mich
davon zu ernähren, verzehre, so liegt dieses Interesse nur in mir und bleibt
dem Objekte selber fremd.“161
Im absoluten Schluss der inneren Zwecktätigkeit der kreisläufigen –
und deshalb transzendenzlosen – absoluten Subjektivität und Totalität
dagegen fungiert der sich realisierende Zweck selbst als Mitte der Extreme,
die auch wiederum Zweck und Mitte werden.162
Mit diesem Prinzip der inneren Zwecktätigkeit kann Hegel – indem er
die ältere metaphysische objektive Teleologie der Endlichkeit und Empirie,
zum Beispiel die Wolffsche, ablehnt (also überhaupt die Finalität von dem
Typus, den mit Hegels Akklamation Voltaire persiflierte163 und den Heine
in der „Harzreise“ charakterisiert: die Bäume sind grün, „weil grün gut für
die Augen ist...“) – mittelbar vor allem an Aristoteles, Kant und Schiller
anknüpfen.164
Als Verdienst Kants, an dem er hauptsächlich den ethischen Formalis-
mus und Agnostizismus bemängelt, hebt Hegel hervor, dass er in gewisser
Weise über den Gegensatz von Allgemeinem und Einzelnem, Verstand und
Sinnlichkeit sowie Freiheit und Natur hinausgekommen ist, und zwar in
der „Kritik der Urteilskraft“ im Zusammenhang mit der Bestimmung der
inneren Zweckmäßigkeit sowohl des Kunstschönen als auch der in me-
chanisch-kausaler Weise nicht erklärbaren organischen Natur (worin
Zweck und Mittel, zum Beispiel die Glieder eines Organismus, nicht ge-
trennt existieren, sondern sich gegenseitig durchdringen und in wesentli-
cher Beziehung zu einander stehen) und auf Grund der Annahme des der
reflektierenden Urteilskraft zugeschriebenen Prinzips des anschauenden
Verstandes, d. h. der sich selbst bestimmenden Allgemeinheit.
Der Mangel aber liegt für Hegel darin, dass Kant von diesem Prinzip nur
den subjektiven und regulativen, nicht jedoch den konstitutiven Gebrauch
66

zuließ. Kant begründet diese Einschränkung damit, dass für den mensch-
lichen diskursiven Verstand das Besondere „in Ansehung des Allgemeinen
etwas Zufälliges enthält“, das nicht aus der allgemeinen zweckmäßigen
Gesetzlichkeit ableitbar ist.165
Objektive Geltung spricht zwar schon der junge Schelling der intellek-
tuellen Anschauung zu – das heißt dem Wissen, „dessen Objekt nicht von
ihm unabhängig ist, also ein Wissen, das zugleich ein Produzieren seines
Objekts ist...“166 –, aber ursprünglich nicht hinsichtlich des Natur- und
Geschichtsprozesses, sondern nur in der ästhetischen Anschauung, auf
die er die Einheit zweckmäßiger und kausal bestimmter Tätigkeit gründet,
und das heißt für Schelling: die Einheit bewusster, freier und subjektiver
Tätigkeit einerseits und bewusstloser, notwendiger Tätigkei andererseits.
„Wenn die ästhetische Anschauung nur die objektiv gewordene transzen-
dentale ist, so versteht sich von selbst, dass die Kunst das einzige wahre
und ewige Organon zugleich und Dokument der Philosophie sei, welches
immer und fortwährend beurkundet, was die Philosophie äußerlich nicht
darstellen kann, nämlich das Bewusstlose im Handeln und Produzieren,
und seine ursprüngliche Identität mit dem Bewussten.“167
Der Hauptmangel dieser intellektuellen Anschauung, die also im Ge-
gensatz zur sinnlichen Anschauung ihr Objekt nicht als gegeben vorfindet,
sondern hervorbringt, liegt für Hegel in ihrer Unmittelbarkeit und in ihrer
Esoterik: die absolute Subjekt-Objekt-Einheit (die Einheit von Wissen und
Produzieren) wird von Schelling – ebenso wie von Fichte – nicht als Resul-
tat der Tätigkeit der Überwindung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes
schrittweise aufgewiesen und vermittelt; die intellektuelle Anschauung, der
sinnliche Verstand oder der „intellectus archetypus“, ist, wie Schelling
selbst sagt, als Anschauung ein Wissen, „wozu nicht Beweise, Schlüsse,
überhaupt Vermittlung von Begriffen führen“168, und damit ist ihre Allge-
meinheit für Hegel abstrakt, nicht konkret.
Als solche Intuition, die den unterscheidenden Verstand nicht integ-
riert, die Anstrengung der „ascensio“ meidet und die Vermittlungsstufen
überspringt, wird die philosophische Erkenntnis von Schelling in methodo-
logischer Hinsicht über die prinzipielle Zugänglichkeit (zum Beispiel über
die Erlernbarkeit) hinausgehoben, bleibt ein „esoterisches Besitztum eini-
ger Einzelner“169 und legitimiert den genialischen „Sprung“.
67

Dagegen ist es das Bestreben Hegels in der „Phänomenologie des Geis-


tes“, die absolute Subjekt-Objekt-Einheit Schritt für Schritt zu vermitteln,
nicht „wie aus der Pistole mit dem absoluten Wissen unmittelbar“ anzu-
fangen, sondern dem Individuum „die Leiter... zu diesem Standpunkte“ zu
reichen.170
An dieser Frage der Vermittlung und mit der Ausarbeitung der „Phäno-
menologie des Geistes“ scheiden sich die Wege Hegels und Schellings,
nachdem beide gemeinsam gegen den subjektiven Idealismus Fichtes auf-
getreten sind (seit Hegels „Differenz“-Schrift und der Herausgabe des „Kri-
tischen Journal der Philosophie“ in Jena 1801 bis 1803 mit Hegels Schrif-
ten „Glauben und Wissen“ und „Über die wissenschaftlichen Behand-
lungsarten des Naturrechts“).
Beide stimmen darin überein, dass Fichtes Prinzip des Ich, das das
Kantische transzendentale – im Keim spekulative – Prinzip der Deduktion
der Kategorien fortführt, nur ein, wie Hegel sagt, „subjektives Subjekt-
Objekt“ ist.171 Deshalb hat die Subjekt-Objekt-Einheit bei Fichte noch den
postulativen Charakter des unendlichen Sollens der Kantischen prakti-
schen Vernunft: das freie schöpferische unbedingte Handeln des Ich bringt
seine Selbstbeschränkung, Entgegensetzung und Negation, also das Nicht-
Ich, nur insofern hervor, als es einen zu überwindenden Widerstand benö-
tigt, wenn es handeln soll. Das Ich wird also bei Fichte nicht durch einen
Akt der Theorie objektiv, und der Übergang vom reinen Bewusstsein zur
Mannigfaltigkeit des empirischen Bewusstseins bleibt in theoretischer
Hinsicht unbegreiflich. Nur auf Grund einer praktischen Forderung kann
Fichte das Ich als Einheit des Handelns und des Ergebnisses des Han-
delns, als Einheit der Tätigkeit und der Tat, ansehen. „Weil im bewusstlo-
sen Produzieren die Spekulation ihr Prinzip Ich=Ich nicht vollständig auf-
weisen kann, sondern das Objekt des theoretischen Vermögens notwendig
ein von Ich nicht Bestimmtes in sich enthält, so wird an das praktische
Vermögen verwiesen. Dem Ich kann es nicht durch bewusstloses Produzie-
ren gelingen, sich als Ich=Ich zu setzen oder sich als Subjekt-Objekt anzu-
schauen. Die Forderung ist also noch vorhanden, dass Ich sich als Identi-
tät, als Subjekt-Objekt, d. i. praktisch produziere, dass Ich sich selbst in
das Objekt metamorphosiere. Diese höchste Forderung bleibt im Fichte-
schen System eine Forderung; sie wird nicht nur nicht in eine echte Syn-
68

these aufgelöst, sondern als Forderung fixiert, damit das Ideale dem Reel-
len absolut entgegengesetzt und die höchste Selbstanschauung des Ichs
als eines Subjekt-Objekts unmöglich gemacht.“172
Indem Fichtes Subjekt-Objekt-Einheit nur subjektiv und ihre tätige Re-
alisierung nur ein Sollen, Unendliches, Streben, Sehnen, Jenseits, Glau-
ben ist, steht diese Einheit also noch – als ein Extrem fixiert – im Gegen-
satz. So ist die objektive Natur, wie Hegel in „Glauben und Wissen“ her-
vorhebt, „nichts an sich, sondern nur in Beziehung auf ein anderes“, „ein
zu Vernichtendes, an dem der Vernunftzweck ewig erst zu realisieren ist“;
sie ist nur, um in praktischer Hinsicht „den freien Wesen eine Sphäre und
Spielraum zu bilden und um zu Trümmern werden zu können...“173
Da Fichtes Idealismus der „Grundlage der gesamten Wissenschaftsleh-
re“ somit wegen der Abhängigkeit des Ich von einem „Anstoß“ seitens des
Nicht-Ich für Hegel die Annahme eines Dinges an sich und den Kantischen
Dualismus restituiert, lässt sich sagen: für Hegel ist im Grunde die theore-
tische und praktische Tätigkeit des Fichteschen Prinzips des Ich eine Tä-
tigkeit innerhalb des endlichen Verhältnisses von Subjekt und Objekt, wie
sie oben im zweiten Abschnitt dargestellt wurde; denn die Unendlichkeit
des Ich ist, weil abstrakt, endlich (wenn auch nicht in der Weise der Sinn-
lichkeit und Empirie) ebenso wie die des Nicht-Ich, das nur die „schlechte“
Unendlichkeit der Unbegrenztheit ist.
Dementsprechend sind die Tätigkeiten des Fichteschen Ich behaftet mit
der Einseitigkeit, Mangelhaftigkeit und Unfreiheit der Subjekt-Objekt-
Vereinigungen in der Sphäre der Endlichkeit: das Ich ist als theoretisches
Bewusstsein – und zwar also nicht nur, wie Fichte selbst annimmt, als ge-
wöhnliches „bewusstloses“ Bewusstsein im Gegensatz zum philosophi-
schen Bewusstsein – passiv und wird bestimmt und beschränkt vom ein-
wirkenden „anstoßenden“ Nicht-Ich (dem Kantischen Ding an sich); und
das Ich als praktisches Bewusstsein bestimmt, begrenzt und setzt das
Nicht-Ich.174
Was somit Fichte nicht gelingt, ist, die absolute Subjekt-Objekt-Einheit
in der Weise zu fassen, dass das Bestimmen, Setzen, Affirmiere zugleich
das Bestimmtwerden, Entgegensetzen, Negieren ist, d. h. die Tätigkeit in
zwei Richtungen als ein und denselben Akt, das Hinausgehen als die be-
freiende Rückkehr in sich, als ein Verhalten zu sich selbst, zu begreifen:
69

„Ich ist der absolute Begriff, der nicht zur Einheit des Denkens kommt,
nicht in diese Einfachheit zurückkehrt, oder in der Einfachheit nicht den
Unterschied, in der Bewegung nicht die Ruhe hat, – Setzen, reine Tätigkeit
des Ich und Entgegensetzen nicht als dasselbe begreift.“175
Einen großen Schritt in Richtung zur Subjekt-Objekt-Einheit im Sinne
des objektiven Idealismus – über Fichtes subjektiven Idealismus hinaus –
geht Schiller (noch vor Schelling) im Ausgang von Kants „Kritik der Ur-
teilskraft“. Hegel hebt hervor: „Es muss Schiller das große Verdienst zuge-
standen werden, die Kantische Subjektivität und Abstraktion des Denkens
durchbrochen und den Versuch gewagt zu haben, über sie hinaus die
Einheit und Versöhnung denkend als das Wahre zu fassen und künstle-
risch zu verwirklichen.“176
Mit der Bestimmung des Schönen als harmonischer Einheit von Stoff
und Form, Sinnlichkeit und Vernunft, Naturgesetz und Sittengesetz, Lei-
den und Selbsttätigkeit, Abhängigkeit und Freiheit, Einzelnem und Allge-
meinem, Mannigfaltigkeit und Einheit, Leben und Gestalt, das heißt: mit
der Bestimmung des Schönen als „lebende Gestalt“, der der „Spieltrieb“ –
die Verbindung von „Stofftrieb“ und „Formtrieb“ – zugeordnet ist, gewinnt
Schiller das Prinzip der ästhetischen Erziehung.177
Von deren Wirksamkeit erwartet er am Maßstab der antiken Kultur vor
allem in den Briefen „über die ästhetische Erziehung des Menschen“
(1795), die auf Hegel sofort einen enthusiastischen Eindruck machen, dass
die Zerrissenheit und Zerstückelung des modernen Lebens der Individuen,
die für den Fortschritt der Gattung immerhin förderlich gewesen seien, be-
seitigt werden. „Auseinandergerissen wurden jetzt der Staat und die Kir-
che, die Gesetze und die Sitten; der Genuß wurde von der Arbeit, das Mit-
tel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur
an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der
Mensch selbst nur als Bruchstück aus, ewig nur das eintönige Geräusch
des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines
Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er
bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.“178
Die Schönheit führt nach Schillers Ansicht zur Freiheit. Dies ist über-
haupt die illusionäre typische Einstellung der deutschen Klassiker: indem
der ästhetische Humanismus auf dem Wege der Erziehung die Totalität
70

des Menschen wiederherstelle, werde zugleich der von blinden Kräften und
rohen Bedürfnissen beherrschte feudal-absolutistische Staat der Not in
einen Staat der Freiheit und Vernunft reformiert und somit eine revolutio-
näre Umwandlung wie in Frankreich vermieden.
Auf diesem Wege der ästhetischen Erziehung tritt man nach Schillers
Ansicht auch aus dem Zirkel heraus, der dadurch entsteht, dass die bar-
barischen staatlich-politischen Verhältnisse die moralische Praxis beein-
flussen (die mit der theoretischen Aufklärung in Wechselwirkung steht),
von der aber gerade die Reform dieser Verhältnisse ausgehen müsste. Die
Kunst allein könne sich frei von „aller politischem Verderbnis“ halten und
reiche über ihre Zeit hinaus.179
Hegel steht Schiller also auch in dieser letzten Frage nahe, wenn er die
Kunst dem absoluten Geist zuordnet. Aber die entscheidende Schranke
Schillers ist für Hegel, dass die ästhetische konkrete Einheit – wenn auch
objektiv und nicht mehr nur subjektiv – doch nur als sinnliche Anschau-
ung und nicht als Vernunft gefasst wird.
Die vernünftige Subjekt-Objekt-Einheit ist für Hegel die absolute Idee.
Sie wird von ihm als Einheit der theoretischen und der praktischen Idee
bestimmt180, aber nicht in der Weise, dass sie deren Zusammenfall und
Neutralisierung wäre, d. h. nicht im Sinne der „Indifferenz des Subjektiven
und Objektiven“ Schellings oder der „coincidentia oppositorum“ des Niko-
laus von Cusa und des Giordano Bruno.181 Die Differenz und somit die
Bewegung gehen nicht im Absoluten unter; die Negativität oder Vermitt-
lung wird nicht suspendiert oder gleichsam aufgesaugt und versenkt in
einem qualitätslosen Positivum, das nur durch unvermittelte Intuition er-
fassbar wäre. Auf dem Niveau der Subjekt-Objekt-Einheit in der Logik
bleiben nämlich die Gegensätze und die bestimmten Begriffe.
Dem widerstreitet aber nicht, dass in jedem dialektischen Gegensatz ei-
ne Seite prävaliert (wie zum Beispiel das Sein vor dem Nichts den Vorrang
hat, ohne den das Werden als wechselseitiges Umschlagen und Ver-
schwinden des Seins in Nichts nicht zum Resultat des Daseins führen
könnte). So ist – hinsichtlich des Gegensatzes von Innerlichkeit und Äu-
ßerlichkeit, Subjektivität und Objektivität, Denken und Sein – die in sich
reflektierte Idee zwar nicht reine, vollkommen zurückgezogene Innerlich-
keit, aber doch letztlich über die substantielle seiende Objektivität „über-
71

greifende Subjektivität, Denken, Unendlichkeit“.182 Die absolute Einheit


des Ideellen und des Realen, des Theoretischen und des Praktischen, ist
also selbst ideell und theoretisch.
Der „idealistische“ Charakter der absoluten Idee als Subjektivität und
Denken ist die Bedingung und Grundlage dafür, dass die Aufhebung der
dialektischen Gegensätze und der praktisch-geschichtlich konkretisierten
Entfremdungen zwar auch eine praktisch-geschichtliche Bewegung und
nicht nur eine Form des erkennenden Subjekts ist, aber doch letztlich auf
gedanklich-geistigem Wege zu erreichen ist durch die Philosophie, deren
Versöhnung „eine Versöhnung nicht in der Wirklichkeit, sondern in der
ideellen Welt“ ist.183
Die absolute Idee ist als Subjekt oder „Selbst“ geistiger Prozess, absolu-
te Negation der Negation, sich in sich unterscheidende lebendige Totalität.
Sie ist nicht ein und dasselbe Subjekt, eine fix und fertige substantielle
Basis im spinozistischen Sinne, an die in der Weise der alten Metaphysik
mannigfaltige besondere unverbunden nebeneinander stehende Prädikats-
inhalte durch die Verstandesbewegung geknüpft werden.184
Der spekulative Satz, der die dialektische Bewegung des absoluten Gei-
stes begreift, muss die Form des Satzes, nämlich die Entgegensetzung von
Subjekt und Prädikat aufheben, insofern der absolute Satzgegenstand
selbst nicht unbewegt seinen Bestimmungen gegenüber verharrt, sondern
sich in ihnen entfaltet, d. h. in ihnen – als dem substantiellen Inhalt – ver-
loren, „zugrunde“ geht, wodurch das „Fortlaufen“ des vorstellenden Den-
kens an den Prädikaten „gehemmt“ wird und „einen Gegenstoß“ erleidet:
„Vom Subjekte anfangend, als ob dieses zum Grunde liegen bliebe, findet
es, indem das Prädikat vielmehr die Substanz ist, das Subjekt zum Prädi-
kat übergegangen und hiemit aufgehoben.“185
Das spekulative Denken, das die zweckmäßige sich entzweiende sich
selbstbestimmende „urteilende“ Bewegung des absoluten Geistes begreift,
gehört notwendig selbst zu ihr, so dass das theoretisch-philosophische Sy-
stem das Bewusstsein des absoluten Geistes über sich selbst ist.
Hinter den scheinbar fremden objektiven Dingen erkennt der Mensch
sich selbst, sein Wesen, wieder. Er enthüllt Schritt für Schritt den subjek-
tiven Charakter der Erscheinungen. Vom Resultat der dialektischen Er-
72

kenntnis, der absoluten Einheit von Subjekt und Objekt, her – also auf
dem Standpunkt der „Logik“, der am Schluss der „Phänomenologie des
Geistes“ vermittelt ist, wo das Wissen „nicht mehr über sich selbst hinaus-
zugehen nötig hat“186 – lässt sich im Rückblick der Gang der Bewusst-
seinserfahrung (das Fortschreiten von der sinnlichen Gewissheit zu der
Wahrnehmung, dem Verstand, dem Selbstbewusstsein und der Ver-
nunft)in seiner Notwendigkeit als die hinter seinem Rücken wirkende und
leitende Tätigkeit des absoluten Geistes selbst, nämlich seiner Selbstent-
äußerung und ihrer Rücknahme, erkennen.
In Hinblick auf diesen dialektischen Prozess der inneren Zwecktätigkeit
des absoluten Geistes wird die Hegelsche Bestimmung des Verhältnisses
von Geist und Wille, Theorie und Praxis, konkret: die Praxis und die endli-
che Theorie sind nur ein Moment, eine Stufe auf dem Wege des absoluten
Geistes und aus seiner Entäußerung in Natur und Geschichte zurück zu
sich selbst und zur vollkommenen geistigen Freiheit.
Hierin zeigt sich insofern eine Fortführung der Transzendentalphiloso-
phie, als auch der transzendentale Akt des Ich sich in teleologischer Weise
– um seiner Einheit willen – zum Sollen differenziert und als solcher das
eigentliche Handeln ist, das sich vermittels der endlichen ontischen Praxis,
Theoria und Poiesis verwirklicht (so dass Kant auch das Denken als
„Handlung“ des Verstandes bezeichnen kann).
Auf dem Vermittlungsweg, innerhalb der Sphäre der Verendlichung des
absoluten Geistes, ist sowohl die praktische als auch die endliche – nur
formal oder an sich unendliche – theoretische Tätigkeit einseitig und man-
gelhaft, insofern beide Tätigkeiten vollkommene Freiheit durch Aufhebung
der Selbständigkeit der Objekte nicht erreichen können, wie oben im zwei-
ten Abschnitt dargestellt wurde. (Wenn der Hegelsche absolute Geist in
den menschlichen verwandelt wird, müsste konsequenterweise die Einsei-
tigkeit und gegenseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Theorie und Praxis
anerkannt werden.) Aber für Hegel kann sich der Mensch aus der Abhän-
gigkeit endlicher Verhältnisse befreien durch das Begreifen der Tätigkeit
des absoluten Geistes als stufenweise fortschreitende Vereinigung von
Subjekt und Objekt und Rücknahme der Gegenständlichkeit überhaupt.
Hauptakteur bleibt somit der absolute Geist. Nicht wir handeln und er-
kennen letztlich, sondern gleichsam durch uns, den Agenten oder „Ge-
73

schäftsträgern“, hindurch agiert der absolute Geist: „Wenn nun dies Nega-
tive zunächst als Ungleichheit des Ichs zum Gegenstand erscheint, so ist
es ebensosehr die Ungleichheit der Substanz zu sich selbst. Was außer ihr
vorzugehen, eine Tätigkeit gegen sie zu sein scheint, ist ihr eigenes Tun,
und sie zeigt sich wesentlich Subjekt zu sein.“187
Damit steht die absolute Theorie auf dem Standpunkt des Allgemeinen,
das sich in unbedingter Weise selbst bestimmt, indem es seinen Inhalt
nicht als äußeren Gegenstand vorfindet, sondern hervorbringt.
Wenn man davon ausgeht, „wirkliche“ Freiheit heiße Machthaben über
„wirkliche“ Verhältnisse, so kann Hegel diese Macht deshalb letztlich im
Denken finden, da für ihn das Wesen der Dinge der objektive Begriff ist.
Demzufolge ist für Hegel der Maßstab bei der Prüfung der Überein-
stimmung zwischen Begriff und Gegenstand, also der Wahrheit, nicht nur
der Gegenstand, sondern auch umgekehrt – was absolut idealistisch ist –
der Begriff, so dass im zweiten Fall geprüft wird, ob der Begriff, der Zweck,
das Logische sich objektiviert und realisiert hat. Begriff und Gegenstand
fallen somit in das Wissen selbst.188
Wenn man schließlich im Verlauf der Umwandlung der Hegelschen Phi-
losophie die Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit, der absolu-
ten „conciliatio“ oder – treffend in englischer Sprache – „at-one-ment“, für
eine idealistische Verstiegenheit oder Mystifikation hält, muss die Auflö-
sung aller Gegensätze über die endliche praktisch-theoretische Aufhebung
hinaus in der spekulativen Theorie den Charakter des Scheins erhalten.
74

8. Die Wirklichkeit der Vernunft in der politisch-historischen Praxis

Hinsichtlich der Stellung Hegels zur praktisch-theoretischen Verwirkli-


chung der Vernunft, und zwar zur Zeit der vollen Ausbildung des Systems
und der Methode in der „Rechtsphilosophie“ (1821), müssen folgende As-
pekte unterschieden werden: (1) Die systembedingte endgültige theoreti-
sche Verwirklichung der Vernunft in der spekulativen Philosophie; (2) die
ebenfalls systembedingte endgültige praktisch-geschichtliche Verwirkli-
chung der Vernunft, und zwar (a) im unmittelbar gegenwärtigen Zustand
des preußischen Staatslebens, (b) im Zustand eines weiter reformierten
zukünftigen preußischen Staatslebens.
Aus der Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und aus dem
entsprechenden idealistischen Objektivitätsbegriff ergibt sich, wie ausge-
führt, die Möglichkeit der Rücknahme der Entäußerungen des absoluten
schöpferischen Subjekts auf dem Wege der spekulativen Theorie. Darü-
berhinaus muss diese auf Grund des absoluten idealistischen Prinzips die
abschließende Weise der Versöhnung von Vernunft und Wirklichkeit sein.
Die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes setzt die Vollendung in
der geschichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraus. Auch für die
Strukturierung und Periodisierung der geschichtlichen Praxis selbst ist die
methodologische Voraussetzung der Abschluss der Geschichte.
Die Hegelsche Erneuerung der aristotelischen Theorie umfasst also die
als vollendet begriffene Geschichte. Die Hegelsche spekulative Theorie ist
wie die aristotelische Theoria auf das Ewige und Absolute ausgerichtet;
aber sie ist im Gegensatz zu dieser auch mit dem Zeitlichen, Relativen und
Praktischen dialektisch verknüpft.
Da diese Art der Erneuerung der aristotelischen Theoria prinzipiell be-
dingt ist und ihre Voraussetzungen im idealistischen System hat, lässt sie
sich nicht auslegen als Resignation, Quietismus, Apologetik oder Akkom-
modation an die bestehenden politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse
Preußens, es sei denn in der Weise, dass man das idealistische Prinzip
selbst – wie Marx – deutet als verzerrten ins Kontemplative verlagerten
Ausdruck der praktischen Rückständigkeit der deutschen ökonomischen,
sozialen und politischen Verhältnisse, d. h. als Ausdruck des Mangels an
75

realer revolutionärer Stärke des Bürgertums und der politischen klein-


staatlichen Zersplitterung.
Da die absolute Einheit von Vernunft und Wirklichkeit oder Subjektivi-
tät und Objektivität die Entfaltung und Durchsetzung des Fortschritts der
Freiheit und der Versöhnung der Gegensätze fraglos garantiert, maß es
Hegel prinzipiell ablehnen, wenn anstelle des Begreifens – d. h. des In-
formbringens des gegenwärtigen vorgegebenen Wirklichen und des Erken-
nens der versöhnenden Vernunft als der „Rose im Kreuze der Gegen-
wart“189 – gesetzt wird das Sollen, die Forderung nach praktischer Verän-
derung des Bestehenden, die für Hegel nur die Gestalt der Utopie und der
illusionären Ausflucht annehmen könnte. Unter diesem Aspekt ist Hegels
dezidierte Stellungnahme gegen das „Aufstellen eines Jenseitigen“, d. h.
gegen das Belehren durch das Konfrontieren des Staates, der ist, mit dem,
der sein soll, gegen das undialektische Auseinanderreißen von Wirklichkeit
und Ideal in der Vorrede der „Rechtsphilosophie“ zu sehen. In ihr wird ein
solches Überspringen der Gegenwart (das sich in der von J. F. Fries und
den Burschenschaftlern repräsentierten volkstümlich-nationalen Bewe-
gung „von unten“ äußert) auf den Zwischenbereich des leeren Räsonierens
und Querulierens, eitlen Meinens und Fühlens zurückgeführt und über-
dies als in Wahrheit unmöglich angesehen, da die philosophischen Gedan-
ken erst entstehen, „nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess voll-
endet und sich fertig gemacht hat“ und nachdem „eine Gestalt des Lebens
alt geworden“ ist, die von der Philosophie nicht verändert, „verjüngt“ wer-
den kann.190 Hiermit tritt Hegel also nicht nur gegen den Primat der Praxis
auf, sondern auch gegen die Theorie im Typus der Kritik, d. h. der nicht
nachträglich tätigen Theorie.
Die in der Vorrede der „Rechtsphilosophie“ ausgesprochene Gleichset-
zung von Vernunft und Wirklichkeit – „Was vernünftig ist, das ist wirklich;
und was wirklich ist, das ist vernünftig“191 – verlangt und bedeutet aber
nicht, dass Hegel in der „Rechtsphilosophie“ alle gerade bestehenden poli-
tisch-gesellschaftlichen Zustände des Preußens seiner Gegenwart, das
immerhin im Zusammenhang mit dem Wirken des Freiherrn vom Stein
verhältnismäßig reformfreudig ist192, als vernünftig ansieht, wie zum Bei-
spiel der liberale Hegelkritiker Haym unterstellt.193
76

Ebenso wie der Hegelsche Begriff des Wirklichen nicht im empiristi-


schen oder positivistischen Sinne des alltäglich Vorhandenen und Zufälli-
gen, sondern im Sinne des Substantiellen und Notwendigen zu fassen
ist194, ist der Begriff des Gegenwärtigen nicht im Sinne des gleichsam
punktuell Bestehenden, sondern der geschichtlichen qualitativen Stufe zu
nehmen.
Die logische Freiheit als Einheit des Besonderen und Allgemeinen ist in
der gegenwärtigen Stufe der objektiven Sittlichkeit die wirkliche Freiheit im
Staat als Übereinstimmung des subjektiven und objektiven Willens, so
dass die Individuen, die in der bürgerlichen Gesellschaft selbstsüchtig und
aggressiv ihre Privatinteressen verfolgen (und in der Familie nur durch das
Band des natürlichen Zusammenhalts und der unmittelbaren Empfindung
vereinigt sind) im Staat ihre – vermittels der Gesetze – gewollte und ge-
wusste „Vereinigung als solche“195 haben (womit Hegel im Gegensatz steht
zur liberalistischen Beschränkung der Staatsaufgaben auf die Sicherung
der Privatpersonen und ihres Eigentums, wie sie exemplarisch zum Aus-
druck kommt in Wilhelm von Humboldts – erst l85l herausgegebenen –
Frühschrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des
Staates zu bestimmen“). Diese gegenwärtige Stufe der objektiven Sittlich-
keit schließt als vollkommene und endgültige Verkörperung des Geistes in
der Welt eine neue höher stehende politisch-gesellschaftliche Epoche aus,
aber sie schließt ein zukünftiges reformiertes preußisches Staatsleben ein,
in dem es Einrichtungen gibt, die zur Zeit der Abfassung der „Rechtsphilo-
sophie“ noch nicht bestehen.
Dieser Ausblick Hegels ist deshalb möglich, weil das System – der „Zu-
sammenstand“ – der teleologisch geschlossenen Totalität und die Aufstel-
lung des Prinzips der Übereinstimmung von Vernunft und Wirklichkeit,
von logischer und historischer Entwicklung, nur implizieren, dass der
Kreis der Wiedergewinnung des absoluten Subjekts sich in epochaler Hin-
sicht geschlossen hat, d. h. die ideelle Involution auf dem Weg der Weltge-
schichte qualitativ vollendet ist und unter diesem Aspekt die Gegenwart
als volle Entfaltung des vernünftigen Potentials verabsolutiert werden
kann.
Zu diesen zukünftig-gegenwärtigen vernünftigen Einrichtungen in
Preußen, die zur Zeit der Restauration der Heiligen Allianz, speziell der
77

Karlsbader Beschlüsse (1819), in der Perspektive des aufsteigenden Bür-


gertums progressiv sind, gehören für Hegel in der „Rechtsphilosophie“ die
Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens und der parlamentarischen Debat-
ten, die Rechtsgleichheit vor dem Gesetz und die Entfesselung des Eigen-
tums und damit der Produktion aus der feudalen Privilegien-Ordnung (mit
Ausnahme der Majorate).
Aber die über die unmittelbar gegenwärtigen Zustände hinaus weisen-
den Teile der „Rechtsphilosophie“ sind nicht charakteristisch. In ihr über-
wiegen eindeutig die – in bürgerlicher Perspektive – regressiven, stabilisie-
renden und unzeitgemäßen Tendenzen. Sie kommen vor allem zum Aus-
druck in der Ablehnung der Volkssouveränität, einer allgemein gewählten
Repräsentationskörperschaft, der Gewaltenteilung im Sinne Lockes, der
Beherrschung der staatlichen Institutionen durch die bürgerliche Gesell-
schaft der Arbeit und des Bedürfnisses, der Pressefreiheit sowie in den
Darlegungen über die Polizei, die Korporationen, die Bürokratie und das
monarchische Prinzip.
Hierin liegt nicht mir eine Ablehnung des Sollens, insofern dieses als
Grundsatz proklamiert wird, sondern auch, insofern dieses eine zeitlich
begrenzte demokratisch-liberale Opposition beinhaltet. Beide Formen der
Stellungnahme für die halb-feudale Ordnung Preußens finden sich in der
„Rechtsphilosophie“ und müssen unterschieden werden.
Dass die spezifisch konservative oder auch „realistische“ Hegelsche Ein-
stellung der Hinnahme, des Sichabfindens und des Anerkennens der un-
mittelbar gegebenen gesellschaftlich-politischen Praxis nicht mehr prinzi-
piell bedingt ist und Hegel in seiner früheren Entwicklung weitaus negati-
ver, unversöhnlicher und kritischer zur Gegenwart stand, zeigt ein Blick
auf die Stufen seiner Auseinandersetzung mit den Gegensätzen und Krisen
der Zeit nach der französischen Revolution.
Die französische Revolution – deren Prinzip Hegel in der allgemeinen
Rechtsfreiheit des Menschen als Menschen, „nicht weil er Jude, Katholik,
Protestant, Deutscher, Italiener u. s. f. ist“196, erblickt und die er immer
als historisch notwendig, wenn auch später nicht mehr als geeignet an-
sieht, die Freiheit wirklich durchsetzen und konkretisieren zu können –
begeistert ihn in seiner Tübinger Zeit und inspiriert ihn in seiner Berner
Periode zur überschwenglichen Hoffnung auf die zukünftige Erneuerung
78

des antiken Republikanimus auf dem Wege uneingeschränkter Selbsttä-


tigkeit, wie oben im fünften Abschnitt skizziert wurde. In dieser Zeit
schreibt Hegel an Schelling: „... Mit Verbreitung der Ideen, wie etwas sein
soll, wird die Indolenz der gesetzten Leute, ewig alles zu nehmen, wie es
ist, verschwinden...“197
Dieselbe Einstellung spricht aus Hegels kommentierter anonym veröf-
fentlichter Übersetzung der „Vertraulichen Briefe“ des Advokaten Cart
(1798), die gegen das revolutionsfeindliche oligarchische Regime in Bern
gerichtet sind und für die „alten Rechte“ des von diesem unterdrückten
Waadtlandes eintreten.
In der „Vorerinnerung“ warnt Hegel die Anhänger der deutschen Reak-
tion: aus dem Kontrast der einst triumphierenden, jetzt inzwischen von
französischen Truppen besiegten Berner Oligarchie „würden sich eine
Menge Nutzanwendungen ergeben; doch die Begebenheiten sprechen für
sich laut genug; es kann nur darum zu tun sein, sie in ihrer ganzen Fülle
kennenzulernen; sie schreien laut über die Erde: Discite justiciam moniti,
die Tauben aber wird ihr Schicksal schwer ergreifen.“198
Hegels Absicht ist hier also die Veränderung der politischen Verhältnis-
se auf dem Wege der kritischen Belehrung als Veränderung des Bewusst-
seins der Herrschenden – zum Zweck der Prophylaxe des revolutionären
Paroxysmus.199
Veränderungen, mutige Reformen der unhaltbar gewordenen überlebten
Württemberger Zustände des feudalen Absolutismus, die am Maßstab des
Begriffs nicht zu rechtfertigen sind, fordert Hegel in seiner unveröffentlich-
ten Schrift aus der Frankfurter Zeit über den Verfassungskonflikt zwi-
schen den Landständen und dem Herzog „Über die neuesten inneren Ver-
hältnisse Württembergs, besonders über die Gebrechen der Magistratsver-
fassung“ (1798): „Wie blind sind diejenigen, die glauben mögen, dass Ein-
richtungen, Verfassungen, Gesetze, die mit den Sitten, den Bedürfnissen,
der Meinung der Menschen nicht mehr zusammenstimmen, aus denen der
Geist entflohen ist, länger bestehen, dass Formen, an denen Verstand und
Empfindung kein Interesse mehr nimmt, mächtig genug seien, länger das
Band eines Volkes auszumachen.“200 Dabei ist es hier unerheblich, dass
Hegels bestimmte Reformvorschläge – die Schaffung einer Versammlung
79

von „aufgeklärten und rechtschaffenen Männern“ anstelle von Volkswah-


len – zaghaft sind (gemessen an der Schärfe der Kritik).201
In der ebenfalls nicht publizierten Abhandlung über „Die Verfassung
Deutschlands“ (1802) stellt Hegel fest, dass das Deutsche Reich nach den
Kriegen gegen die französische Republik und nach dem Rastatter Kongress
seine von innen her bedrohte Einheit und seine „machthabende Allge-
meinheit“ und Souveränität verloren hat und umgestaltet werden muss.
Im Einleitungsfragment von 1799/1800 hebt Hegel das Negative in den
bestehenden feudalen beschränkten Zuständen des Deutschen Reiches
hervor: „Alle Erscheinungen dieser Zeit zeigen, dass die Befriedigung im
alten Leben sich nicht mehr findet; es war eine Beschränkung auf eine
ordnungsvolle Herrschaft über sein Eigentum, ein Beschauen und Genuss
seiner völlig untertänigen kleinen Welt, und dann auch eine diese Be-
schränkung versöhnende Selbstvernichtung und Erhebung im Gedanken
an den Himmel.“202
Am Schluss der endgültigen Ausarbeitung dieser Schrift (1802) drückt
Hegel seine Erwartung aus, dass die praktische Umgestaltung des Deut-
schen Reiches – mit dem Ziel der Herstellung der Einheit von Vernunft
und Wirklichkeit – nur durch Gewalt erfolgen kann (worin schon ein Hin-
weis auf Napoleon zu erblicken ist ebenso wie in der wiederholten Evokati-
on des staatenstiftenden „Theseus“): „... der Begriff und die Einsicht der
Notwendigkeit (ist) viel zu schwach ..., um aufs Handeln selbst zu wirken;
der Begriff und Einsicht führt etwas so Misstrauisches gegen sich mit,
dass er durch die Gewalt gerechtfertigt werden muss, dann unterwirft sich
ihm der Mensch.“203
Dass diese Schrift „Die Verfassung Deutschlands“ wesentlich auf zu-
künftige Verhältnisse ausgerichtet bleibt, ist hier vereinbar damit, dass
Hegel schon als ihren Zweck statt der Kritik das heilsame Begreifen des
Notwendigen angibt: „Die Gedanken, welche diese Schrift enthält, können
bei ihrer öffentlichen Äußerung keinen andern Zweck noch Wirkung ha-
ben, als das Verstehen dessen, was ist, und damit die ruhigere Ansicht
sowie ein in der wirklichen Berührung und in Worten gemäßigtes Ertragen
derselben zu befördern. Denn nicht das, was ist, macht uns ungestüm
und leidend, sondern dass es nicht ist, wie es sein soll; erkennen wir aber,
80

dass es ist, wie es sein muss, d. h. nicht nach Willkür und Zufall, so er-
kennen wir auch, dass es so sein soll.“204
Wie wenig sich Hegels Philosophie in der Jenaer Periode (1801-1807)
auf das Begreifen des – in vollständig entwickelter Form – Vorgegeben be-
schränkt, zeigt sich deutlich in der Stellung zu Napoleon. Von ihm, der
nicht angesehen wird als Usurpator, sondern als legitimer Vollstrecker der
französischen Revolution in der Weise ihrer Aufhebung, als „Weltseele“
und „großer Staatsrechtlehrer in Paris“205, erwartet Hegel, dass er eine
neue Epoche beginnen lässt, nämlich die Verwirklichung der französischen
Revolution in Deutschland und damit die Überwindung der feudalen parti-
kularistischen Rückständigkeit ineins mit der staatlichen Ausgleichung
(nicht etwa der Sicherung) der ökonomischen Interessen der bürgerlichen
Gesellschaft. Dementsprechend heißt es in der Vorrede der „Phänomenolo-
gie des Geistes“: „Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, dass unsere Zeit
eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der
Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebro-
chen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken,
und in der Arbeit seiner Umgestaltung.“206 Und am Schluss des Kollegs
über spekulative Philosophie in Jena am l8. September 1806 sagt Hegel:
„Wir stehen in einer wichtigen Zeitepoche, einer Gärung, wo der Geist ei-
nen Ruck getan, über seine vorige Gestalt hinausgekommen ist und eine
neue gewinnt... Es bereitet sich ein neuer Hervorgang des Geistes. Die Phi-
losophie hat vornehmlich seine Erscheinung zu begrüßen und ihn zu er-
kennen.“207
In Übereinstimmung mit seiner Zukunftserwartung spricht Hegel in der
„Phänomenologie des Geistes“ zwar davon, dass die in Frankreich aufgetre-
tene revolutionäre „absolute Freiheit aus ihrer sich selbst zerstörenden
Wirklichkeit in ein anderes Land des selbstbewussten Geistes“208, nämlich
nach Deutschland, übergeht, aber er kann die der Philosophie des „seiner
selbst gewissen Geistes“ entsprechende wirkliche versöhnende Staatsord-
nung nicht mehr behandeln.
Nach eigener politischer Tätigkeit als Redakteur der Bamberger Zeitung,
die er wegen der Finanz- und Zensurschwierigkeiten als Galeerenarbeit
empfindet, wird für Hegel schließlich die Niederlage Napoleons die Krise,
die zur Annäherung an die preußischen Verhältnisse führt. Erst danach
81

wird die Hegelsche Philosophie endgültig zur „Eule der Minerva“ (womit sie
den hergestellten Zusammenhang zwischen Philosophie und Zeit selbst
bestätigt).
Davon zeugen die beiden anderen politischen Publikationen Hegels, die
Landstände-Schrift (1815/16) und die Schrift „Über die englische Reform-
bill“ (1831), sowie die akademischen Antrittsreden in Heidelberg und Ber-
lin und schließlich die Vorrede zur zweiten Auflage der „Logik“.209
Besonders die „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“
(1830/31 zuletzt gehalten) machen die kontemplative Stellung Hegels zur
politisch-gesellschaftlichen Praxis deutlich: die Theorie der deutschen Phi-
losophie wird höher gestellt als die Praxis der französischen Revolution (die
selbst allerdings „von der Philosophie ihre erste Anregung erhalten“ habe,
nämlich von der abstrakten Aufklärungsphilosophie210). Dementsprechend
wird nunmehr die Reformation – mit ihrem Prinzip der Freiheit als Ver-
söhnung von Vernunft und Wirklichkeit – als entscheidender Wendepunkt
vor der französischen Revolution bewertet. Die Reformation habe in den
protestantischen Ländern eine Revolution nicht notwendig gemacht. „Was
die andre Frage betrifft: warum sind die Franzosen sogleich vom Theoreti-
schen zum Praktischen übergegangen, wogegen die Deutschen bei der the-
oretischen Abstraktion stehenblieben, so könnte man sagen: die Franzosen
sind Hitzköpfe (ils ont la tête près du bonnet); der Grund liegt aber tiefer.
Dem formellen Prinzip der Philosophie in Deutschland nämlich steht die
konkrete Welt und Wirklichkeit mit innerlich befriedigtem Bedürfnis des
Geistes und mit beruhigtem Gewissen gegenüber. Denn es ist einerseits
die protestantische Welt selbst, welche so weit im Denken zum Bewusst-
sein der absoluten Spitze des Selbstbewusstseins gekommen ist, und and-
rerseits hat der Protestantismus die Beruhigung über die sittliche und
rechtliche Wirklichkeit in der Gesinnung, welche selbst, mit der Religion
eins, die Quelle alles rechtlichen Inhalts im Privatrecht und in der Staats-
verfassung ist... In Deutschland war in Ansehung der Weltlichkeit schon
alles durch die Reformation gebessert worden...“211
Durch die Verabsolutierung der Gegenwart in der kontemplativ-
spekulativen Philosophie wird Hegels dialektische Verknüpfung von Abso-
lutem und Relativem, Logik und Geschichte, Sein und Zeit, letztlich aufge-
löst; denn die Geschichte wird zum Stehen gebracht und dadurch logifi-
82

ziert, kategorisiert oder in ein Transzendentales verwandelt und damit


selbst in den Rang dessen versetzt, worauf sie ursprünglich bezogen ist.
Gerade weil Hegel aber Logik und Geschichte aufeinander bezieht, kann
die Geschichte auch grundsätzlich zum Kriterium für sein System werden,
d. h. für die ideelle Versöhnung von Theorie und Praxis. Das System hat
sich an der Geschichte zu bewähren, die erstmals und grundsätzlich die
Position einer systemimmanenten Kritik erhält.
Das Auftreten praktisch-geschichtlicher qualitativ neuer im System
nicht integrierter Gegensätze innerhalb der bestehenden Welt – wie sie in
der Julirevolution 1830 akut werden212 – wird ein Argument gegen die He-
gelsche Vereinigung von Theorie und Praxis.
83

II. Heines Ableitung der revolutionären politisch-sozialen Praxis aus


der philosophischen Theorie

Die Schrift „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch-


land“ entsteht 1834 in Paris, wohin Heine nach der Julirevolution überge-
siedelt ist. Als ihren Zweck führt er an, für die französischen Leser die Re-
ligion und Philosophie in Deutschland verständlich zu machen, wobei
zugleich die Auslegung Victor Cousins korrigiert werden soll (nachdem er
über die deutsche Literatur in der Schrift „Die romantische Schule“ berich-
tet hat in Fortsetzung und Berichtigung der Bände „De l’Allemagne“ Frau
von Staëls, die beschlagnahmt wurden durch Napoleon, den der junge
Heine wie Hegel als „Sohn der Revolution“ begrüßt). Aber diese Schrift ist
in Wahrheit ein groß angelegter Entwurf einer Synthese von Theorie und
Praxis.
Die philosophische Theorie ist für Heine durch Hegel zur Vollendung
gekommen. „Unsere philosophische Revolution ist beendigt. Hegel hat ih-
ren großen Kreis geschlossen.“213 Analog dazu charakterisiert Heine die
Goethezeit als das Ende der „Kunstperiode“, auf die aber ein neuer Ab-
schnitt, nämlich die Periode demokratisch-revolutionärer Literatur folge.214
Hinsichtlich der Philosophie muss für Heine also schließlich die entschei-
dende Frage entstehen, wie ein Hinausgehen über die vollendete Philoso-
phie möglich ist.
Die philosophische Revolution beginnt für Heine mit Kant und führt
über Fichte und Schelling zu Hegel. Sie ist hervorgegangen aus der protes-
tantischen Religion. Diese wird von der philosophischen Revolution in ei-
nen Pantheismus verwandelt. Die Hegelsche Philosophie ist also für Heine
die höchste Form des Pantheismus, der Durchführung der Lehre Spinozas,
der Gleichsetzung von Gott und Welt.
Der zum Pantheismus führende Protestantismus wiederum ist eine hö-
here Stufe des Katholizismus. Das heißt: der ursprünglich reine „Spiritua-
lismus“ der christlichen Religion wird schrittweise durch den Protestan-
tismus und die deutsche idealistische Philosophie negiert (nicht aufgeho-
ben im Hegelschen Sinne). Nur partiell wird der „Sensualismus“ von Lu-
ther – der „zugleich ein träumerischer Mystiker und ein praktischer Mann“
war, der „sprach und handelte“ – rehabilitiert. „Indem die notwendigsten
84

Ansprüche der Materie nicht bloß berücksichtigt, sondern auch legitimiert


werden, wird die Religion wieder eine Wahrheit.“215
Die Idee des Christentums ist also für Heine nicht wie für Hegel die
Freiheit, sondern der „Spiritualismus“ als „die Vernichtung der Sinnlich-
keit“, der Leiblichkeit, des Weltlichen, der „Materie“.216
Der extreme Dualismus von Spiritualismus und Sensualismus, „Naza-
renertum“ und „Hellenentum“217, Geist und Materie, Theorie und Praxis,
ist im Laufe der Geschichte zwar abgeschwächt, aber nicht in einer Syn-
these überwunden worden.
Da der Spiritualismus des Christentums im Widerspruch zur menschli-
chen Natur steht, kann es nicht verwirklicht werden. Der Sinnlichkeit
müssen in der christlichen Religion inkonsequenterweise Zugeständnisse
gemacht werden. Die christliche Religion „war eben allzu erhaben, allzu
rein, allzu gut für diese Erde, wo ihre Idee nur in der Theorie proklamiert,
aber niemals in der Praxis ausgeführt werden konnte... Der Versuch, die
Idee des Christentums zur Ausführung zu bringen, ist jedoch, wie wir end-
lich sehen, aufs kläglichste verunglückt, und dieser unglückliche Versuch
hat der Menschheit Opfer gekostet, die unberechenbar sind, und trübseli-
ge Folge derselben ist unser jetziges soziales Unwohlsein in ganz Euro-
pa.“218
Da der deistische Spiritualismus ein Bündnis mit dem Feudalismus
eingegangen ist, wird er von zwei Seiten bedrängt; von der pantheistischen
Philosophie und der politisch-sozialen Umwälzung, die darauf abzielt, die
„große Weltzerrissenheit“ zu überbrücken. (Dagegen hilft schließlich auch
keine Anpassung219 etwa in Gestalt des „christlichen Sozialismus“ des Bu-
chez oder des Abbé Lamennais, dessen in über hundert Auflagen erschie-
nenen „Paroles d’un croyant“ von Börne 1834 ins Deutsche übersetzt wer-
den.) Durch „das Gedeihen der Industrie und durch die Philosophie wird
der Spiritualismus in der öffentlichen Meinung diskreditiert; der dritte
Stand erhebt sich; die Revolution grollt schon in den Herzen und Köp-
fen.“220
Die Überwindung der Entzweiung von Spiritualismus und Sensualis-
mus, die in der Theorie durch Hegel vollendet ist, ist somit für Heine Sache
85

der Zukunft221 und kommt letztlich erst zustande durch politisch soziale
Praxis.
Von dieser erwartet er, dass sie in Deutschland eine Form annimmt
und auf einem Niveau stattfindet, wogegen „die französische Revolution
nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte.“222
Der Grund dafür ist: die deutsche Revolution wird aus einer vollendeten
Philosophie hervorgehen: „Mich dünkt, ein methodisches Volk wie wir
musste mit der Reformation beginnen, konnte erst hierauf sich mit der
Philosophie beschäftigen und durfte nur nach deren Vollendung zur politi-
schen Revolution übergehen... Durch diese Doktrinen haben sich revoluti-
onäre Kräfte entwickelt, die nur des Tages harren, wo sie hervorbrechen
und die Welt mit Entsetzen und Bewunderung erfüllen können.“223 So
werden die Deutschen die Franzosen, die sie schon in Gedanken überflü-
gelten, auch in der Tat überflügeln. In diesem Sinne wagt Heine, der Geg-
ner des burschenschaftlichen Nationalismus und der Deutschtümelei, in
der Vorrede zu „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (l844) die ironische
Prognose: „Die ganze Welt wird deutsch werden!“224
Kennzeichnend für Heine ist, dass er – großenteils im Gegensatz zu den
anderen Schriftstellern des oppositionellen „Jungen Deutschland“, zu Bör-
ne, Gutzkow, Laube, Wienbarg und Mundt – nicht nur die politische Pra-
xis, sondern auch vor allem die soziale Praxis im Auge hat. Es geht ihm
nicht so sehr um die Staatsformen der Monarchie oder Republik oder um
Fragen der parlamentarischen Repräsentation als vielmehr um das
„Wohlsein der Materie, das materielle Glück der Völker“ (wobei er auch die
Vertröstungen des jakobinischen Tugend-Asketismus persifliert).225
Diese Einstellung Heines wird gefördert durch die Bekanntschaft mit
den Saint-Simonisten (ihrem Repräsentanten Prosper Enfantin widmet er
die französische Ausgabe der Schrift „Zur Geschichte der Religion und Phi-
losophie in Deutschland“ in dem Sammelwerk „De l’Allemagne“,1835) und
mit den Anhängern Fouriers und mit Louis Blanc sowie durch die Kennt-
nis der Geschichtsauffassung Mignets, und sie begünstigt die Zusammen-
arbeit mit Ruge und Heß und – seit l844 – die Freundschaft mit Marx.
86

Heine ist der erste, der die revolutionäre politisch-soziale Praxis in Zu-
sammenhang bringt mit der deutschen idealistischen Philosophie, wie dies
Engels in einem späteren Rückblick hervor hebt.226
Zum einen erwartet Heine, wie angeführt, das Hervorgehen der deut-
schen Revolution aus der deutschen Philosophie. „Der Gedanke geht der
Tat voraus wie der Blitz dem Donner.“227 Zum anderen parallelisiert er die
deutsche Philosophie mit der französischen geschichtlichen Praxis: „... wie
hier in Frankreich jedes Recht, so muss dort in Deutschland jeder Gedan-
ke sich justifizieren, und wie hier das Königtum, der Schlussstein der al-
ten sozialen Ordnung, so stürzt dort der Deismus, der Schlussstein des
geistigen alten Regimes.“228
Kant wird in Analogie gesetzt mit Robespierre (der “nichts als die Hand
von Jean-Jacque Rousseau“ war), Fichte mit Napoleon und der spätere
Schelling mit der restaurierenden Reaktion229, wobei die negative Ein-
schätzung Schellings – vor allem hinsichtlich seiner Entwicklung seit der
Schrift „Philosophie und Religion“ (1804) – typisch wird für alle Junghege-
lianer.
Während Hegel, wie oben dargestellt, das Ausbleiben der revolutionären
Praxis in Deutschland und das Stehenbleiben bei der Theorie als die ver-
nünftige Auswirkung der Reformation ansieht und Marx dies als Schwäche
des Bürgertums erklärt230, erblickt Heine darin eine Verzögerung aus me-
thodischer Gründlichkeit (einschließlich des Zurückschreckens vor den
Resultaten des Denkens), einen Nachteil, der sich zum Vorteil wenden
werde.
Bei der Parallelisierung der französischen Praxis mit der deutschen
Theorie ordnet Heine Hegel nicht wie Schelling eindeutig der Restauration
zu trotz Hegels Zugeständnisse an das Bestehende: „... wenn er auch,
gleich Herrn Schelling, dem Bestehenden in Staat und Kirche einige allzu
bedenkliche Rechtfertigungen verlieh, so geschah dieses doch für einen
Staat, der dem Prinzip des Fortschritts wenigstens in der Theorie huldigt,
und für eine Kirche, die das Prinzip der freien Forschung als ihr Lebens-
element betrachtet.“231 Entschiedener urteilt Heine in der Vorrede zur
Schrift „Französische Zustände“ (1833): „Dieses Preußen! wie es versteht,
seine Leute zu gebrauchen!... Hegel musste die Knechtschaft, das Beste-
hende, als vernünftig rechtfertigen.“232 Und in der Abhandlung „Die ro-
87

mantische Schule“ (l833) zählt Heine Hegel zu den „Justifikatoren dessen,


was da ist“ und zu den „Staatsphilosophen“:„... sie ersannen philosophi-
sche Rechtfertigungen aller Interessen des Staates, worin sie sich ange-
stellt befanden. Zum Beispiel Hegel, Professor in dem protestantischen
Berlin, hat in seinem Systeme auch die ganze evangelisch protestantische
Dogmatik aufgenommen.“233
Aber Hegels Rechtfertigung des Bestehenden ist nach Heine im doppel-
ten Sinn äußerlich: nicht nur aus dem Grunde, weil als die inneren Kon-
sequenzen der Hegelschen Philosophie der Atheismus und die Revolutions-
lehre anzusehen seien, sondern auch deshalb, weil Hegel selbst diese Leh-
ren als esoterische Ansichten vertreten und sie nur bewusst verklausuliert
habe.
Seine Kenntnis der esoterischen Lehre Hegels führt Heine in den Ges-
tändnissen“ (l854) und in den fragmentarischen erst posthum veröffent-
lichten „Briefen über Deutschland“ (l844 geschrieben) auf ein Gespräch
zurück, das er vorgeblich selbst mit Hegel gehabt hat.234 Demnach sei
auch das Schulgeheimnis der Gleichsetzung von Vernunft und Wirklich-
keit ihr revolutionärer Charakter: „Als ich einst unmutig war über das
Wort: ,Alles, was ist, ist vernünftig‘, lächelte er sonderbar und bemerkte:
,Es könnte auch heißen: Alles, was vernünftig ist, muss sein.‘ Er sah sich
hastig um, beruhigte sich aber bald, denn nur Heinrich Beer hatte das
Wort gehört.“235
Es ist offensichtlich, dass sich Heine mit dieser Berufung auf ein Augu-
renlächeln hinwegsetzt über Hegels systembedingte Konzeption der
Vollendung der Geschichte und der endgültigen Versöhnung von Theorie
und Praxis. Heine zieht Konsequenzen aus Hegels Lehre, die sich erst er-
geben könnten nach einer bewussten Destruktion des Systems, das keine
Irreführung für nicht Eingeweihte, sondern ein konstitutiver Bestandteil
der Hegelschen Philosophie ist.
Heines Verkennen der systematischen Seite der Hegelschen Philosophie
bedeutet aber nicht, dass er die dialektische Methode als ihr revolutionä-
res Moment absolut hervorgehoben hätte, so wie Alexander Herzen –
durchaus im Sinne von Marx und Engels – in der Dialektik die „Algebra
der Revolution“ erblickte. Der Übergang zur revolutionären politisch-
sozialen Praxis ergibt sich aus Hegels Lehre für Heine dagegen in erster
88

Linie auf Grund der Vollendung des Umsturzes des Deismus. Die geistig
emanzipierten Menschen – nicht die Angehörigen einer bestimmten Klasse
– werden die Geschichte selbst machen, nachdem sie gründlich wissen,
dass Gott zwar „der eigentliche Held der Weltgeschichte“, die Weltgeschich-
te und die ganze Menschheit aber „eine Inkarnation Gottes“ ist.236
Mehr für Heines Biographie als für die Umbildung der Hegelschen The-
orie-Praxis-Konzeption ist es von Belang, dass Heine sich später wieder
dem Deismus zuwendet und sein Grauen bekundet vor dem Erbe der He-
gelschen Philosophie, dem Bündnis des Atheismus mit dem Kommunis-
mus, von dem er die Zerstörung der Kultur befürchtet, und dass er be-
kennt: „Ich war nie abstrakter Denker, und ich nahm die Synthese der He-
gelschen Doktrin ungeprüft an, da ihre Folgerungen meiner Eitelkeit
schmeichelten.“237
89

III. Cieszkowskis historiosophische Konzeption der Praxis als höchs-


ter Stufe des absoluten Geistes

Wie Heine übernimmt August von Cieszkowski Hegels grundlegende


Verbindung der Praxis sowie der Theorie mit der Geschichte. Die Wahrheit
und Freiheit sind auch für ihn nicht primär Sache der individuellen Er-
kenntnis, sondern der geschichtlichen Praxis. Der „Philosophie der Tat“
Cieszkowskis liegt Hegels Konzeption der Praxis als konkreter Sittlichkeit
zugrunde, die sowohl Aristoteles’ Ethik des situationsgerechten Handelns
als auch Kants Ethik des pflichtgemäßen Handelns negiert. In der Umbil-
dung der Hegelschen Philosophie geht Cieszkowski mit seiner Schrift „Pro-
legomena zur Historiosophie“ (1838) aber über Heine insofern hinaus, als
er die Hegelsche Philosophie nicht nur in die Praxis überführt sehen will,
sondern sie auch als Theorie umwandelt, nämlich zu einer Philosophie der
Praxis.
Hierin liegen zugleich eine Stärke und eine Schwäche der Position
Cieszkowskis: er ignoriert nicht einfach wie Heine das Hegelsche System
unter Berufung auf eine vorgebliche revolutionäre Esoterik, aber er ver-
wandelt es schließlich in eine schematische aprioristische Konstruktion.
An die Stelle der kontemplativen Theorie Hegels tritt die „historiosophi-
sche“, nicht etwa eine „kritische“ Theorie, die unbegrenzt Vernunft und
Wirklichkeit aufeinander bezieht. Darin unterscheidet sich Cieszkowski
von anderen Junghegelianern.
Hinsichtlich des Systems sind für Cieszkowski die Hegelsche Philoso-
phie und die Philosophie überhaupt noch unvollendet, hinsichtlich der
dialektischen Methode aber vollendet. „Die absolute Methode ist erreicht
und diese ist der Kern der Philosophie, darum hieße es wirklich die Größe
und weltgeschichtliche Bedeutung Hegels verkennen, nicht in ihm wenigs-
tens... den Anfang des Endes der Philosophie zu sehen... in Hegel hat das
Denken sein, wesentliche Aufgabe gelöst...“238
Die Forderung, über Hegel, den „zweiten Aristoteles“, hinauszugehen,
knüpft Cieszkowski nicht an die Aufdeckung des Widerstreits zwischen der
Methode und dem System der Hegelschen Philosophie, d. h. zwischen dem
Prozess des unbeschränkten Fortschreitens und dem Zustand des endgül-
tigen Abschlusses; Cieszkowski proklamiert die Weiterentwicklung der He-
90

gelschen Philosophie nicht unter Berufung auf den Vorrang der Methode
vor dem System, sondern im Namen der Widerspruchslosigkeit des Sys-
tems und damit der wahren Totalität. Der Übergang zur Praxis soll die
Mängel und Einseitigkeiten des Systems beseitigen. Cieszkowski stützt
sich also nicht primär auf den revolutionären Charakter der dialektischen
Methode.
Die Unterordnung der Dialektik unter den „Organismus“ des Systems
kommt schon in einem Brief Cieszkowskis an seinen Lehrer und lebens-
langen Freund Michelet aus der Zeit der Vorarbeit für die „Prolegomena
zur Historiosophie“ zum Ausdruck: was er im Auge habe, sei „la vraie dia-
lectique objective, le procès intrinsèque qui développe l’unité des
contrastes, la marche normale de l’objet dans sa genèse organique, le
développement de l’idée dans sa totalité.“239 Der entscheidende Mangel des
Hegelschen Systems ist für Cieszkowski, dass es – man muss ergänzen:
erst nach dem Sturz Napoleons – die Gegenwart verabsolutiert, die Zu-
kunft und das Problem ihrer allgemeinen Erkennbarkeit nicht als wesent-
liches Moment integriert und deshalb die organische Totalität der Ge-
schichte verfehlt.240 So wie das Hegelsche System die Grenzen des Kanti-
schen Kritizismus und Agnostizismus durchbrochen habe, seien Hegels
„Vorurteil“ und „noch nicht gereifte Erkenntnis“ zu überwinden und sei die
zukünftige Periode zu bestimmen, und zwar aus der Einsicht in Vergan-
genheit und Gegenwart sowie aus der Idee des Organismus und seiner Ar-
chitektonik241, die gegenüber der mechanisch-undialektischen Methode
der Aufklärungszeit ihre relative Berechtigung hat.
Dies ist unausgesprochen ein Versuch, Fichtes Bestimmung der Zu-
kunft in der ethisch-naturrechtlichen Konzeption der „Grundzüge des ge-
genwärtigen Zeitalters“ (1804/5) konkreter geschichtlich zu fassen.242
Fichte konstruiert aus dem Endzweck der Menschheit, nämlich „dass sie...
alle ihre Verhältnisse mit Freiheit nach der Vernunft einrichte“, fünf Epo-
chen, von denen zwei in Zukunft folgen werden auf den gegenwärtigen
„Stand der vollendeten Sündhaftigkeit“, der Befreiung und „Ungebunden-
heit ohne einigen Leitfaden“.243 Zugleich wird Cieszkowski in dieser Frage
der Bestimmung der Zukunft von Fourier beeinflusst, der ausdrücklich
von ihm in einem entsprechenden Zusammenhang genannt wird244, und
der in seiner „Tabelle philosophischer Prinzipien“ zu den wertvollen Er-
91

kenntnissen und Methoden zählt: „... 6. Durch Analogie vom Bekannten


zum Unbekannten schreiten. 7. Mit Hilfe von Analyse und Synthese
Schlussfolgerungen ziehen. Glauben, dass im System des Universums al-
les verbunden, einheitlich ist.“245 Auf Cieszkowski dürfte auch – mögli-
cherweise neben Condorcet und Buchez246 – Saint-Simon eingewirkt ha-
ben, der auf Grund der Annahme eines einheitlichen Gesetzes des Welt-
alls, nämlich der allgemeinen Gravitation, aus dem „Studium des Weges,
den die Vernunft bis auf den heutigen Tag zurückgelegt hat“, darauf
schließt, „welche nützlichen Schritte der Vernunft auf dem „Wege der Wis-
senschaft und des Glücks noch zu tun verbleiben.“247
Cieszkowskis Ausrichtung auf die Zukunft unter Verweis auf die beste-
henden „Widersprüche der Zeit“ und die „chaotischen Bewegungen der Ge-
genwart“, besonders auf die „sozialen Widersprüche“248, bildet einen be-
rechtigten Ansatzpunkt der Kritik an Hegels Versöhnung von Idee und
Wirklichkeit, Theorie und Praxis, da Hegel selbst Philosophie und Zeit auf-
einander bezieht und sein philosophisches System sich dementsprechend
an der Geschichte zu bewähren hat. Implizit muss Cieszkowski diese Wi-
dersprüche aber als qualitativ neu und epochal ansehen, damit sie die ih-
nen zugeschriebene Funktion der relativen Sprengung des Hegelschen Sy-
stems ausüben können. Zur gegenwärtigen Krise der Trennung von Ver-
nunft und Wirklichkeit gehört für Cieszkowski, wie sich unten zeigen wird,
der absolute Idealismus Hegels selbst, der sogar den Höhepunkt und die
letzte Zuspitzung, das „Apogäum“249, der Entfremdung darstellt.
Dabei scheint Cieszkowski sich nicht der Differenz zu Hegel bewusst zu
sein, die in seinem Rekurs auf die sozialen Widersprüche zum Ausdruck
kommt; für Hegel resultiert der allgemeine kontinuierliche Fortschritt der
Geschichte aus den äußeren Widersprüchen der besonderen diskreten
Volksgeister, nicht aus den inneren Widersprüchen innerhalb eines Vol-
kes. Dieser Auffassung Hegels schließt er sich trotz seiner Anknüpfung an
die sozialen Widersprüche ohne ausdrückliche Modifikation an.250
Indem Cieszkowski wie Hegel die Weltgeschichte als geistigen teleologi-
schen Prozess auffasst und an der absoluten Einheit von Vernunft und
Wirklichkeit, Logik und Geschichte, festhält und fordert, man müsse „das
ganze System der Kategorien sich dialektisch in der Geschichte entwickeln
lassen“251, ist er prinzipiell gezwungen, mit dieser zukünftigen Periode die
92

Geschichte wiederum systematisch zum Abschluss kommen und die


„höchste Spitze des Weltgeistes“252 erreichen zu lassen. Das System bleibt
vorherrschend, wenn die zukünftige Periode in trichotomischer Weise kon-
struiert wird (unter Abänderung der Hegelschen Einteilung der Geschichte
in eine orientalische, griechische, römische und christlich-germanische
Epoche); die zukünftige Periode müsse notwendig die Synthese von antiker
und moderner, vorchristlicher und christlicher Welt sein, sie müsse ent-
sprechend dem Dreischritt von Sein-Denken-Wollen die Synthese der the-
tischen Periode des Altertums mit der Vorherrschaft der Kunst sowie der
Äußerlichkeit und der antithetischen Periode der christlich-germanischen
Zeit mit der Vorherrschaft der Philosophie sowie der Innerlichkeit sein.253
Das heißt: die letzte Stufe der Geschichte bei Hegel wird zur vorletzten bei
Cieszkowski; die endgültige Synthese wird nur um eine Stufe höher ver-
schoben. 254
Wie sehr Cieszkowski in den Schranken des Hegelschen Systems bleibt,
zeigt seine Bestimmung des Zukünftigen als potentiell schon Bestehendes
und providentiell Beschlossenes und damit der Entwicklung als Aktuali-
sierung fertiger geistiger Potenzen ohne inhaltliche Formierung; alles Zu-
künftige muss, „ehe es selbst ein Bestehendes wird, schon ein Bestehen-
des sein...“255 So wird zwar von Cieszkowski die Zukunft mit der Gegen-
wart verknüpft und die Geschichte als Totalität erst in Hinblick auf die
Zukunft begriffen, aber die Zukunft ist für ihn infolge der Logifizierung der
Geschichte prinzipiell schon geschehen. Daran ändert auch Cieszkowskis
Einsicht nichts, dass mit der objektiven Gesetzmäßigkeit die subjektiven
Faktoren zusammengehen müssen, d. h. dass Wirklichkeit und Vernunft
„gegeneinander gravitieren“ müssen.256 Die geschichtliche Zukunft ist
nicht primär Resultat der Praxis, sondern sie erwartet gleichsam die auf
sie gebannt zugehenden Menschen.
Die drei Kapitelüberschriften der „Prolegomena zur Historiosophie“ zei-
gen zusammenfassend, in welcher Hinsicht Cieszkowski auf dem Boden
des Hegelschen Systems bleibt: I. Organismus der Weltgeschichte, II. Kate-
gorien der Weltgeschichte, III. Teleologie der Weltgeschichte.
Innerhalb dieser Grenzen wird die Brüchigkeit des konstruierenden und
schematisierenden Verfahrens Cieszkowskis am krassesten deutlich in dar
analogischen Zuordnung von Naturkategorien als äußeren „symbolischen
93

Typen“ zu den inneren Geschichtsphasen: die chinesische, griechische,


römische, mittelalterliche, moderne und die zukünftige Periode werden
verbunden mit den physischen Kategorien der Mechanik, des Lichts, der
Elektrizität, der Wärme, mit den chemischen Prozessen, mit dem auf höhe-
rer Stufe wiederhergestellten Mechanismus und schließlich mit dem Orga-
nismus.257
Dieses Typisieren trägt in die Geschichte eine Gesetzmäßigkeit hinein,
die weder kausalen noch dialektischen Charakter hat. Es wird auf diesem
Niveau nicht einmal als ein Hilfsmittel und Indiz zur Erkenntnis wirklicher
geschichtlicher oder natürlicher Zusammenhänge dienen können. Ciesz-
kowski erhebt allerdings das Typisieren und Analogisieren – das in seinem
späteren Werk „Ojcze-Nasz“ („Vater Unser“) ausgeweitet wird durch die Pe-
riodisierung der Geschichte in Entsprechung zu den biologischen Lebens-
altern – noch nicht wie später zum Beispiel Spengler in seiner Ge-
schichtsmorphologie zur theoretischen Methode schlechthin.
Trotz der Ausrichtung auf die Zukunft ist also für Cieszkowski die Ge-
schichte prinzipiell abgeschlossen. Seine Konzeption ist konsequent, inso-
fern er das systematische Erfassen der Totalität nicht preisgeben und
dennoch zugleich ein Überschreiten der widerspruchsvollen krisenhaften
Gegenwart ermöglichen will. „So genügen wir gleichfalls beiden entgegen-
gesetzten Forderungen, nämlich die Totalität der Weltgeschichte einerseits
ideell zu umschließen, ohne andrerseits die Möglichkeit der künftigen
Fortbildung abzuschließen...“258
Unter diesem Aspekt ist Cieszkowskis charakteristische Umwandlung
der Hegelschen kontemplativen Philosophie in eine Philosophie der Praxis
zu sehen: die Philosophie der Praxis, die „Historiosophie“, ist die Philoso-
phie der Veränderung des Gegebenen, des Negierens des „Irrationalen“ im
Bestehenden in Richtung auf die zukünftige abschließende Einheit, die
endgültige Synthese von Vernunft und Wirklichkeit, Denken und Sein (in
deren Zuordnung Cieszkowski das Grundproblem aller Philosophie sieht),
wie das folgende längere Zitat zeigt: „Die praktische Philosophie, oder ei-
gentlicher gesagt, die Philosophie der Praxis, – deren konkreteste Einwir-
kung auf das Leben und die sozialen Verhältnisse, die Entwicklung der
Wahrheit in der konkreten Tätigkeit – dies ist das künftige Los der Philoso-
phie überhaupt... Dass dieses aber eine Verschiebung ihres eigenen We-
94

sens und eine partielle Abdikation sei, ist andrerseits nicht zu leugnen,
und der Grund davon ist schon genug in der Nichterreichbarkeit der
höchsten Stufe der Identität durch das Denken angedeutet worden. Wie
aber der Gedanke und die Reflexion die schönen Künste überflügelten, so
wird jetzt die Tat und das soziale Wirken die wahre Philosophie überflü-
geln... Wenn das Denken also jetzt seinen Kulminationspunkt erreicht und
seine wesentliche Aufgabe gelöst hat, so muss es durch den Fortschritt
selbst zurücktreten, d. h. aus seiner Reinheit in ein fremdes Element ü-
bergehen. Wir wollen uns also nicht scheuen es auszusprechen, die Philo-
sophie wird von jetzt an beginnen angewandt zu werden... Ihr nächstes
Schicksal ist, sich zu popularisieren... sie muss sich in die Tiefe verfla-
chen... Jetzt wird also ihr normaler Ausfluss auf die sozialen Verhältnisse
der Menschheit beginnen, um in der nicht bloß vorhandenen, sondern
selbst ausgebildeten Wirklichkeit die absolut objektive Wahrheit zu entwi-
ckeln...“259 Die Praxis in dieser Weise als Anwendung der Theorie aufzu-
fassen, ist nur möglich, indem die Theorie – unter Annahme ihrer Auto-
nomie – für systematisch vollendet gehalten wird. Die Theorie wird aber
hiermit in undialektischer Weise von der praktischen Bedingtheit getrennt
und – als für sich fertig – aus der Verflechtung und Wechselwirkung mit
der Praxis heraus gelöst, während sie dem Anschein nach gerade mit der
Praxis aufs engste verknüpft wird. Dies bedeutet, dass für Cieszkowski
letzten Endes die Theorie nur die Voraussetzung oder Grundlage der Pra-
xis ist, nicht auch das Resultat der Praxis wird. Theorie und Praxis stehen
einander abstrakt gegenüber.
Damit zeigt sich an Cieszkowskis Entwurf, dass die dialektische Einheit
von Theorie und Praxis nicht aufrecht zu erhalten ist, wenn die Theorie
zugleich auf die Zukunft ausgerichtet und systematisch vollendet wird.
Zumindest auf eines der drei Momente muss bei der Umwandlung der He-
gelschen Philosophie verzichtet werden: auf die dialektische Verschrän-
kung von Theorie und Praxis oder die Ausrichtung auf die Zukunft oder
den systematischen Abschluss, d. h. den Anspruch des theoretischen Er-
fassens der Totalität.
Cieszkowski trennt Theorie und Praxis aber nicht in der Weise, dass der
Inhalt der Theorie ein Ideal ist, das durch unbegrenzt fortschreitende Pra-
xis ins Sein übergehen soll. Trotz Bezugnahme auf Fichte260 bleibt für ihn
95

das Sollen kein unendliches, sondern ein endlich bestimmtes. „Das Sol-
len... ist durchaus kein Mangel der Spekulation; denn die Bestimmungen
sind ein Zukünftiges, dem aber eine ganz bestimmte Stelle im Prozesse des
Weltgeistes angewiesen ist. Überhaupt ist das Sollen erst durch das Tun
völlig zu besiegen.“261
Indem das abgeschlossene System und in seinem Gefolge die Theorie
triumphieren und der Praxis nur das zu realisieren überlassen wird, was
die Theorie als das endgültige Ziel oder die Vorsehung des geistigen Pro-
zesses der Weltgeschichte antizipiert, behält die Theorie letztlich den Vor-
rang und wird die Hegelsche Bestimmung des Verhältnisses von Theorie
und Praxis nicht prinzipiell umgekehrt entgegen dem Anschein, der aus
den Worten entstehen kann: „Nach Hegel ist der Wille nur eine besondere
Weise des Denkens, und dies ist die falsche Auffassung; vielmehr ist das
Denken ein bloß integrales Moment des Willens, denn das Denken, wel-
ches wieder zum Sein wird, ist erst der Wille und die Tat.“262 Hier wird
nämlich von Cieszkowski unter „Denken“ etwas anderes verstanden als
das, was bisher „Theorie“ genannt wurde: „Denken“ meint hier nicht die
philosophisch-spekulative „historiosphische“ Theorie Cieszkowskis selbst,
die die praktisch zu vermittelnde zukünftige Synthese a priori antizipiert,
sondern eine einseitige abstrakte retrograde aposteriorische Bewusstseins-
tätigkeit, die Cieszkowski in Hegels absolutem Idealismus kulminieren
lässt (und die er in seiner eigenen Terminologie in der Regel „theoretisch“
nennt). Nur über das so aufgefasste Denken stellt er den Willen als eine
höhere Stufe, aber als eine Form des „Geistes“, und zwar als „die höchste
Stufe des Geistes“263, die die geistigen Stufen des Seins und Denkens in
einer Synthese zusammenfasst und die im Unterschied zum An sich und
Für sich in Cieszkowskis Terminologie das „Aus sich“ des Geistes darstellt,
was aber kein Heraustreten des Geistes außer sich bedeuten solle. Dem-
entsprechend gilt die Tat – die Synthese des unmittelbaren Seins und des
abstrakten Denkens – zwar als eine Abdankung der Philosophie, aber als
eine „ungeheure Emporschwingung des Geistes“.264
Hinsichtlich dieses Spiritualismus der Praxis ist Cieszkowski vergleich-
bar mit seinem polnischen Landsmann und Zeitgenossen Edward Dem-
bowski, der in seiner „Philosophie des Schaffens“ das Schaffen auch als
96

geistige Kraft betrachtete, bevor er es in dem Aufsatz „Gedanken über eine


zukünftige Philosophie“ (1845) materialistisch umdeutete.
Mit Hilfe dieses Spiritualismus also will Cieszkowski Hegels absoluten
Idealismus aufheben und die Einseitigkeit des „Prädominierens des Den-
kens“265 und der Subjektivität innerhalb der Einheit des Denkens und
Seins, des Subjekts und Objekts, des Inneren und Äußeren, überwinden.
Aber auch Cieszkowskis Grundposition ist idealistisch-teleologisch. Kon-
sequenterweise müsste für Cieszkowski das übergeschichtliche Ziel der
Geschichte die absolute Selbsterkenntnis bleiben und könnte das Tun nur
eine Vorstufe dazu, nicht aber die endgültige Einheit des Seins und Den-
kens bilden. Cieszkowski versucht jedoch, den Konsequenzen seines An-
satzes zu entgehen.
Während Cieszkowski schon gelegentlich einer Anmerkung in den „Pro-
legomena zur Historiosophie“ den absoluten Geist mit der Sphäre der Reli-
gion gleichsetzt266, so dass die künstlerische, die philosophische und die
praktische Tätigkeit als spezielle Stufen der Religion fungieren, baut er
diese Gleichsetzung in seinen späteren Schriften aus zu einer theoso-
phisch pneumatologischen Lehre von der Individuation des Geistes in der
Persönlichkeit Gottes, die die wahre Konkretion von Allgemeinheit und
Einzelheit, Idee und Natur, Leib und Seele darstelle267, und mit deren Be-
greifen die Alternative Idealismus-Materialismus hinfällig werde.
Die Persönlichkeit des absoluten Geistes wird dabei offenbar erschlos-
sen auf Grund einer Analogie zur menschlichen Persönlichkeit268. Wenn
aber die Persönlichkeit im Gegensatz zu Hegel nicht mit dem Selbstbe-
wusstsein identifiziert wird, wird für sie die reale Beziehung zur Um- und
Mitwelt bestimmend (und zwar die durch Tätigkeit wachsende Selbstän-
digkeit ihr gegenüber), und somit ist der Mangel des Analogieschlusses auf
eine absolute, also einzigartige und umweltlose, Persönlichkeit offenbar.
In diesem Zusammenhang der Umwandlung des Pantheismus in einen
an Ch. H. Weiße und den jüngeren Fichte erinnernden Theismus ist zu
beachten, dass Cieszkowski sich auch auf die intellektuelle Anschauung
als Grundlage der dialektischen Spekulation beruft269 und sich damit in
Gegensatz zu Hegel und in die Nähe Schellings bringt, wobei sich die von
Schelling und besonders von Baader hervorgekehrte Begrenztheit der all-
97

gemeinen Zugänglichkeit der intellektuellen Anschauung in Cieszkowskis


Messianismus manifestiert.
Im Rahmen seines Spiritualismus der Praxis trifft Cieszkowski die ge-
wichtige Unterscheidung zwischen „vortheoretischer“ und „nachtheoreti-
scher“ Praxis, zwischen unbewussten Tatsachen, faits accomplis, und be-
wussten Taten. „Tatsachen (facta) nämlich nennen wir diejenigen passiven
Begebenheiten, die wir gleichsam vorfinden, und zu welchen wir uns ganz
gleichgültig verhalten, etwas Daseiendes ohne unsere Mitwirkung und un-
ser Bewusstsein. Zu diesen muss freilich das Bewusstsein hinzutreten, um
sie in die seinigen umzuwandeln und in diesem äußerlichen Dasein ein
inneres Wesen zu erforschen. Tat (actum) aber ist etwas ganz anderes; es
ist nicht mehr dieses unmittelbare Ereignis, welches wir bloß aufzuneh-
men und in uns zu reflektieren hatten, es ist schon reflektiert, schon ver-
mittelt, schon gedacht, vorgesetzt und vollführt; es ist eine aktive Begeben-
heit, die ganz die unsrige ist, – nicht mehr fremd, sondern schon bewusst,
noch ehe sie verwirklicht wurde. Man kann also sagen, dass die Facta na-
türliche Begebenheiten, die Taten aber künstliche sind. Die Facta bilden
eine unbewusste, also vortheoretische, die Taten aber eine bewusste, also
nachtheoretische Praxis, weil die Theorie zwischen diese beiden Praktiken
in die Mitte tritt, welche letztere, nämlich die nachtheoretische Praxis, als
die wahre Synthesis des Theoretischen und des unmittelbar Praktischen,
des Subjektiven und Objektiven sich uns offenbart...“270
Die „nachtheoretische“, das Theoretische in sich enthaltende, nicht erst
„post factum“ theoretisch erhellte Praxis ist das bewusste Mitwirken und
selbstbestimmende Vollbringen der Gesetze der Geschichte. Die Träger o-
der Subjekte dieser Praxis sind erst im eigentlichen Sinne Subjekte; sie
sind „nicht mehr blinde Werkzeuge, sei es nun des Zufalls oder der Not-
wendigkeit, sondern bewusste Werkmeister ihrer eigenen Freiheit...“271
Diese Praxis gründet nicht wie bei Heine in dem Bewusstsein der Selbst-
verantwortlichkeit des gottlosen Menschen für seine Geschichte, sondern
in der Einsicht des göttlichen Planes, und ist als solche – wie etwas später
in gleicher Weise für Constantin Frantz – „tätige Erhebung der Menschheit
zu Gott“.272 Da Gott letztlich der Träger des Geschichtsprozesses bleibt,
kann Cieszkowski nicht den Gedanken entwickeln, dass seine Information,
seine theoretische Prognose über den Geschichtsprozess, etwa eine Rück-
98

wirkung auf die Aktion, auf des zielbewusste Handeln der menschlichen
Träger des Prozesses, in der Weise einer Veränderung des Verlaufs des
Prozesses haben könnte.
Cieszkowski unterscheidet an der „nachtheoretischen“ Praxis drei Sei-
ten: in subjektiver Hinsicht die Ausbildung des einzelnen Willens, in objek-
tiver Hinsicht die Ausbildung des Staatslebens und in absoluter Hinsicht
das Erreichen der vollständigen Identität des Seins und des Denkens.273
Nach alledem ist offensichtlich, dass Cieszkowski die Praxis nicht etwa
gleichsetzt mit einer philosophisch-kritischen Tätigkeit.274
Die wirkliche Veränderung des Bestehenden bleibt für Cieszkowski al-
lerdings insofern Sache der Theorie, als er davon ausgeht, dass aus der
Theorie – sobald sie durch ihre vollendete Ausbildung zur Klassizität auf
die Spitze getrieben ist – die wahre nachtheoretische Praxis entspringt, d.
h. dass der Gedanke „mit der Reife des Bewusstseins“275 seinen Wende-
punkt erreicht, umschlägt und die Tat erzeugt, wie es auch Heine an-
nimmt mit den Worten; „Der Gedanke geht der Tat voraus wie der Blitz
dem Donner“. Demnach bleibt das (historiosophische) Denken die Grund-
lage sowie das Kriterium der Praxis und die Quelle des geschichtlichen
Fortschritts. In diesem Sinne ist für Cieszkowski die Praxis nicht unableit-
bare sinnliche – etwa revolutionäre – Tätigkeit, sondern der Wille und die
Tat bleiben eine Form des Geistes.
Cieszkowski stellt weder die Theorie wie Hegel und Heine in Parallele
zur Geschichte Frankreichs noch bringt er wie Heine die geschichtliche
Praxis überhaupt in Verbindung mit der Revolution. Seiner Organismus-
Konzeption entspricht die Befürwortung der Evolution.276 Die Beseitigung
der Widersprüche erwartet Cieszkowski nicht vom Austrag des Kampfes
der Gegensätze, sondern von ihrer Harmonisierung.277
Aber Cieszkowski verknüpft die Praxis, wie schon mehrfach erwähnt,
ähnlich wie Heine und Eduard Gans mit der sozialen Tätigkeit bei Ableh-
nung des ökonomischen und politischen Liberalismus. Als „bedeutendes
Moment“278 auf dem Wege der Verwirklichung der Wahrheit, der prakti-
schen Lösung der sozialen Widersprüche, führt er die Lehre des utopi-
schen Sozialisten Fourier an, der die auf dem Handelskapital basierende
krisenhafte Verteilungsordnung durch Produktivassoziationen überwinden
99

will, und zwar im Vertrauen auf die Kraft der Überzeugung und des Bei-
spiels. Das Motto der Fourieristen in der Zeitschrift „Phalange“ von l836
bis l840 heißt: „Gesellschaftliche Reform ohne Revolution – Verwirklichung
der Ordnung, der Gerechtigkeit und der Freiheit – Organisation der In-
dustrie – Vergesellschaftung des Kapitals, der Arbeit und des Talents.“
Dabei ist sich Cieszkowski der Mangelhaftigkeit der Utopie durchaus
bewusst: er sieht ihr Hauptgebrechen darin, „sich nicht selbst mit der
Wirklichkeit zu entfalten, sondern in die Wirklichkeit treten zu wollen.“279
Cieszkowski hat also einen Weg im Auge, der in der Mitte vorläuft zwi-
schen dem undialektischen Auseinanderreißen von Vernunft und Wirk-
lichkeit einerseits und dem Zusammenfallenlassen von Vernunft und
Wirklichkeit im Hegelschen Sinne andererseits, ohne aber, wie dargestellt,
vermeiden zu können, Theorie und Praxis einander abstrakt gegenüberzu-
stellen.
Trotz des Hinweises auf die Lehre Fouriers bleiben die Konturen der zu-
künftigen Praxis unscharf. Keine weitergehende Konkretisierung liegt in
Andeutungen wie diesen, dass die soziale Praxis die aufgehobene antike
Kunst sowie den ästhetischen Humanismus im Schillerschen Sinne und
die moderne Philosophie neu beleben und allseitig entwickeln werde, dass
die wahre Sittlichkeit als Einheit von Recht und Moralität adäquat ausge-
bildet werde und die Natur regeneriert werde. (Die Praxis der Naturaneig-
nung übergeht Cieszkowski völlig).280 In diesem Zusammenhang seien
immerhin erwähnt die auf die „Prolegomena zur Historiosophie“ folgenden
zaghaften Pläne zur Reform des Goldwesens, u. z. zugunsten des hypothe-
karischen Kredits, in der Schrift „Du crédit et de la circulation“ (1839) so-
wie die Pläne zur Reform der zweiten Kammer durch Einführung einer „A-
ristokratie des Verdienstes“ in der Schrift „De la pairie et de l’aristocratie
moderne“ (1840). Schließlich gehören hierher Cieszkowskis Vorstellungen
in dem Vortrag „Zur Verbesserung der Lage der Arbeiter auf dem Lande“
(1845) und in der Schrift „Über die Klein-Kinder-Bewahr-Anstalten“
(1855).281
Fragt man, wer Subjekt oder Träger der zukünftigen wahren Praxis sein
werde, so gibt Cieszkowski zugleich eine kosmopolitisch und eine polnisch-
messianisch orientierte Antwort: einerseits geht er über Hegel hinaus zu
dem Gedanken des Völkerrechts und setzt „die Menschheit“ an die Stelle
100

eines bestimmten Volksgeistes282, andererseits mystifiziert er in zuneh-


mendem Maße – wie zum Beispiel auch zeitweilig Adam Mickiewicz283 ne-
ben vielen anderen Landsleuten – Polen zum leidenden und erlösenden
Wegbereiter der Menschheit ins irdische Paradies, ins Reich Gottes auf Er-
den284 (während noch Hegel den Slawen überhaupt keine weltgeschichtli-
che Rolle in Vergangenheit und Gegenwart zugesteht); und er steht damit
zugleich in der besonders von Joachim von Fiore ausgehenden über Les-
sing verlaufenden Tradition der Lehre von den drei Weltaltern. Ciesz-
kowskis Konzeption der Praxis als höchster Stufe des absoluten Geistes ist
also verbunden mit einer heilsgeschichtlichen Eschatologie.
101

IV. Strauß’ Umbildung der dialektischen Methode zur analytischen


Kritik der religiösen Entfremdung

Der Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit der Hegelschen Philo-


sophie ist für David Friedrich Strauß nicht wie für Heine und Cieszkowski
ihr kontemplativer Charakter. Strauß’ Hauptinteresse gilt nicht der noch
ausstehenden Verwirklichung der Hegelschen Philosophie als Übergang
von der spekulativen Theorie zur politisch-sozialen Praxis, sondern der Be-
seitigung der Zweideutigkeit in der Stellung Hegels zur Religion, d. h. zur
evangelischen Geschichte und zum christlichen Dogma.
Dennoch wird Strauß mit Recht als Begründer des Junghegelianismus
im eigentlichen Sinne angesehen. Sein Werk „Das Leben Jesu, kritisch be-
arbeitet“ (1835) ist epochemachend. Es führt zur Spaltung der Hegelschen
Schule in die Rechte der Althegelianer und die Linke der Junghegelianer.
Der neue folgenreiche Gesichtspunkt, der in diesem Werk zur Geltung
kommt, ist die konsequente Anwendung der zur analytischen Kritik umge-
formten dialektischen Methode, ohne dass Strauß sich wie Heine auf eine
vorgebliche atheistische und revolutionäre Esoterik Hegels beruft oder wie
Cieszkowski der Widerspruchsfreiheit und Abgeschlossenheit des organi-
schen Systems die Dialektik unterordnet.
Vergeblich versucht Cieszkowski, den Resultaten von Strauß’ Kritik zu-
vor zu kommen durch ihre Neutralisierung in seinem organischen Sys-
tem.285 Strauß selbst wird von Cieszkowski nicht beeinflusst. Von Heine
erfährt er keine entscheidenden Anregungen. Dessen „fixe Ideen vom Chri-
stentum“ sind für Strauß „freilich Unsinn, aber begründet im Zusammen-
hang, im geschichtlichen Werden dieser Richtung...“286
Strauß’ Kritik an der Religion ist wegen des Bündnisses von Thron und
Altar indirekt auch politisch wirksam, wie Engels, der durch Strauß’ Ver-
mittlung vom „Jungen Deutschland“ zur junghegelianischen Bewegung
übergeht, in einem Rückblick hervorhebt.287
Strauß ist sich eines Zusammenhangs zwischen Staat und Religion be-
wusst, wenn er in seinen „Streitschriften“ (1837) die Hegelsche Schule –
hinsichtlich der Stellungnahmen zur Christologie – in Anlehnung an die
politische Gruppierung im französischen Parlament in die Rechte, die Lin-
ke und das Zentrum einteilt.288 Überdies setzt Strauß seine Kritik aus-
102

drücklich ab von Hegels „System der Restauration“, das auf der Gleichset-
zung beruhe von Vernunft und Wirklichkeit, „wie der Natur so des Staats
und der Religion“.289
Strauß erkennt, dass Hegels Rechtsphilosophie aber nicht das unmit-
telbar Vorhandene stabilisiert, sondern auf Grund der Differenz zwischen
ihren Konstruktionen und den gerade bestehenden politisch-
gesellschaftlichen Zuständen Preußens (z. B. hinsichtlich der Geschwore-
nengerichte, oder des Zweikammersystems) einen relativen „Fortschritt“
begünstigt, wenn auch nicht in dem Sinne, dass – wie Strauß behauptet –
die Liberalen in Hegels Schule gehen könnten.290
Die Kritik von Strauß in seinem zweiten Hauptwerk „Die christliche
Glaubenslehre“ (1840/41) mündet in die Forderung nach der Trennung
von Kirche und Staat, da das Göttliche schon im wahrhaft sittlichen Ver-
halten des Staatsbürgers verwirklicht werde.291
Obgleich Strauß erkennt, dass er mit seiner Religionskritik zu den „the-
oretischen Vorbereitern“ der achtundvierziger Revolution gehört, schreckt
er vor der politischen Praxis zurück unter Verachtung der „Weisheit auf
allen Gassen“ und unter Berufung auf die aristokratische Geistesbildung
und die Privilegien des Besitzes. Die Praxis der Kritik bleibt die Theorie. In
einem Brief bekennt Strauß: „Das Element hört auf, in dem wir uns bisher
am liebsten bewegten... Denn unser Element war doch... die Theorie, ich
meine die freie, nicht auf Zweck oder Bedürfnis gerichtete geistige Tätig-
keit. Diese ist jetzt kaum mehr möglich und wird bald sogar geächtet sein.
Denn das Gleichheitsprinzip ist auch dem geistigen Vorrang, wie dem ma-
teriellen feind. Es haßt Bildung wie Besitz. Wie oft rufe ich jetzt unsern
alten Schutzheiligen Goethe an...“292
Nachdem Strauß sich dennoch zur Wahl für das Frankfurter Parlament
gestellt hat, in ihr unterlegen ist, aber in die Württembergische Stände-
kammer delegiert worden ist und dort mehr für Mäßigung, Ruhe und Ord-
nung als für Freiheit eingetreten ist (unter anderem die Erschießung Ro-
bert Blums zu rechtfertigen gesucht hat), entwickelt er sich nach 1866 zu
einem Anhänger des Nationalliberalismus und macht sich während des
deutsch-französischen Krieges in einem Sendschreiben an Ernest Renan
zum Anwalt der Annexion Elsaß-Lothringens.293 Diese Entwicklung ist ty-
103

pisch für das praktisch-politische Scheitern der junghegelianischen Bewe-


gung des Vormärz.
Wenn Strauß sich von Anfang an auf die Kritik der Religion konzent-
riert, so ist dabei für ihn wie für Hegel die Geschichte im wesentlichen
Geistesgeschichte, und das heißt vor allem: Religions- und Philosophiege-
schichte (und als das Wesen des Menschen gilt ihm implizit das sich im
geschichtlichen Prozess realisierende Selbstbewusstsein).
Im „Leben Jesu“ verlässt Strauß nicht den Boden der Hegelschen Reli-
gionsphilosophie: einmal bleibt für ihn wie für Hegel das Wesentliche der
christlichen Religion die Menschwerdung Gottes, die Vereinigung des Gött-
lichen und Menschlichen (an deren Stelle in der „dialektischen Theologie“
K. Barths die äußerste Entgegensetzung tritt), zum anderen werden Religi-
on und Philosophie inhaltlich gleichgesetzt und nur formal insofern unter-
schieden, als die Verwirklichung des Göttlichen von der Religion im Medi-
um der sinnlichen Vorstellung, von der Philosophie aber im Medium des
allgemeinen Begriffs gefasst wird. (Erst in der „Glaubenslehre“ gibt Strauß
unter dem Einfluss Feuerbachs die Hegelsche inhaltliche Gleichsetzung
von Religion und Philosophie auf.)
Mit Recht kann Strauß deshalb in seinen „Streitschriften“ zur Verteidi-
gung seines „Leben Jesu“ sagen, dass „die allgemeinen Prinzipien der He-
gelschen Philosophie eine Kritik der evangelischen Geschichte in unserem
Sinne nicht ausschließen.“294
Auf dem erden der Hegelschen Religionsphilosophie stellt Strauß im
„Leben Jesu“ die präzise Frage, ob die Evangelien in ihrer Geschichtlich-
keit zum gemeinsamen Inhalt von Religion und Philosophie – der Einheit
des Göttlichen und Menschlichen – gehören und mithin auch vom philo-
sophischen Begreifen anerkannt werden müssen.295
Die Antwort seiner kritischen Analyse auf die Frage – aus der er die Un-
terscheidung der Hegelianer in Linke und Rechte herleitet – ist negativ: die
evangelischen Berichte seien zur bloßen Form zu rechnen und verlangen
keine philosophische Anerkennung; aus der Idee und dem Begriff der Ein-
heit des Göttlichen und Menschlichen sei die Geschichtlichkeit der evange-
lischen Berichte über die Person und das Leben Jesu nicht deduzierbar (in
dieser Gestalt könne also die Wirklichkeit der Vernunft nicht nachgewie-
104

sen werden); die kritische Prüfung – bei der Strauß auf quellenkritische
Vorfragen im Gegensatz zu seinem an Niebuhr geschultem Lehrer F. 0.
Baur verzichtet und sich vor allem auf Naturgesetze und psychologische
Gesetze als Kriterien stützt – erweise dagegen die Entstehung der Evange-
lien aus dem Mythus, d. h. sie erweise diese als absichtslose (nicht be-
wusst-betrügerische) zunächst mündlich überlieferte Einkleidungen der
messianischen Erwartungen der urchristlichen Gemeinde, wobei Strauß
mit seiner mythischen Betrachtungsweise, die er von Eichhorn, Gabler,
Baur und de Wette aufnimmt, sowohl die natürliche Exegese der rationa-
listischen Theologen (H. E. G. Paulus, Wegscheider, Gesenius) als auch die
supranaturalistische Auffassungsweise der orthodoxen Theologen (Ols-
hausen, Hengstenberg) überwinden will.
Damit rückt Strauß zwar – vermittels der Kritik – die Philosophie und
die Evangelien auseinander, aber er ersetzt noch nicht die Religion als sol-
che durch die Philosophie, wie mehrfach behauptet wird.296 Die religiöse
Wahrheit – in ihrem dogmatischen Gehalt – gilt für Strauß in diesem Sta-
dium seiner Entwicklung noch unabhängig von der Historizität der Evan-
gelien. „Christi übernatürliche Geburt, seine Wunder, seine Auferstehung
und Himmelfahrt, bleiben ewige Wahrheiten, so sehr ihre Wirklichkeit als
historischer Facta angezweifelt werden mag.“297
Damit setzt Strauß die prinzipielle Zweideutigkeit noch fort, die in der
Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung und formalen Unterscheidung von
Religion und Philosophie insofern liegt, als diese zugleich Rechtfertigung
und Kritik der Religion sind.298
Hegel hatte die Frage nach der Geschichtlichkeit der Evangelien unbe-
stimmt gelassen und für unerheblich und letztlich unbestimmbar gehalten
in der Annahme, dass der christliche Glaube nicht angewiesen sei auf die
„geistlose“ Beglaubigung äußerer sinnlicher Fakten durch historische
Zeugnisse, „welche als historische Zeugnisse betrachtet freilich nicht den
Grad von Gewissheit über ihren Inhalt gewähren würden, den uns Zei-
tungsnachrichten über irgendeine Begebenheit geben.“299 Darüberhinaus
verneint Hegel aber ausdrücklich die Geschichtlichkeit der übernatürli-
chen Erzeugung Jesu, der Wunder und der Auferstehung als äußere sinn-
liche Fakten, sofern sie getrennt vom geistig-spekulativen Begreifen gefußt
werden.
105

In diesem Zusammenhang spricht Hegel eine Erkenntnis aus, zu der


auch die moderne Leben-Jesu-Forschung kommt und die ein entscheiden-
des Hindernis zur Aufhellung der historischen Grundlagen des Christen-
tums beinhaltet, dass nämlich in der urchristlichen Gemeinde ein histo-
risch-chronistisches Interesse an der geschichtlichen Person Jesu als sol-
cher nicht bestand, sondern der Jesus der Geschichte vom Christus des
Glaubens nicht getrennt wurde, Bericht und Bekenntnis, Erzählung und
Zeugnis, Überlieferung und Deutung in den Evangelien eines sind. Hegel
sagt; „Die Lehre, die Wunder.. sind in diesem Zeugnisse des Glaubens auf-
gefasst und verstanden. Die Geschichte Christi ist auch von solchen er-
zählt, über die der Geist schon ausgegossen war.“300 Diese These greift
Strauß im Grunde auf und fuhrt sie weiter, wenn er in seinem „Leben Je-
su“ die Geschichtlichkeit der evangelischen Berichte in den Mythus auf-
löst.
Hegel hält trotzdem daran fest, dass die Einheit der göttlichen und
menschlichen Natur auch in dem geschichtlichen Individuum Jesus zum
Bewusstsein gekommen ist, das dann in der Gemeinde weiter ausgebildet
worden sei.301 Und da Hegel seine Aussagen über den einzelnen Jesus der
Geschichte – nicht über die Einzelheit überhaupt – keineswegs historisch
verifiziert, müssen sie den Charakter einer – immanent unmöglichen in-
konsequenten – philosophischen Deduktion erhalten.
Strauß unterscheidet sich in seinem „Leben Jesu“ grundlegend von He-
gel letztlich nur darin, dass er die Beantwortung der Frage nach der ge-
schichtlichen Person Jesu und seinem Selbstbewusstsein – und somit
nach der Menschwerdung Gottes in einem einzelnen Individuum – konse-
quenterweise von einer historisch-kritischen Untersuchung abhängig ma-
chen will, womit er sich zugleich von den Rechtshegelianern – unter ihnen
noch Bruno Bauer als Herausgeber der „Zeitschrift für spekulative Theolo-
gie“ – distanziert, die „mit der Idee der göttlichen und menschlichen Natur
die ganze evangelische Geschichte als historische gegeben“302 betrachten.
Das durch Strauß’ Kritik hervorgerufene unüberwundene Dilemma der
modernen Theologie besteht darin, dass einerseits der reine historische
Kern der Evangelien wegen der Verflechtung von Geschichte und Kerygma
– wie sie K. Barth und R. Bultmann hervor heben303 – weitgehend unzu-
gänglich bleibt, aber andererseits der Glaube eigentlich „nicht mit sich
106

selbst anfängt, sondern von einer vorgegebenen Geschichte lebt.“304 Wie


ein Salto mortale aus diesem Dilemma muss die Antwort erscheinen, die
schon Kierkegaard – und in seiner Nachfolge Bultmann – gibt mit seinem
Verzicht auf eine historische Begründung des Glaubens „Kann man aus
der Geschichte etwas über Christus zu wissen bekommen? Nein.“305 Auch
Strauß begnügt sich, wie ausgeführt, mit einer philosophischen (nicht e-
xistentiellen sondern spekulativen) Interpretation der als Mythus aufge-
fassten Evangelien, und zwar ohne in ihrer Unzugänglichkeit als histori-
sche Urkunde einen entscheidenden Mangel zu sehen.
Strauß geht über Hegel such darin nicht hinaus, dass er die Offenba-
rung und Menschwerdung Gottes nicht in Jesus für vollendet hält, son-
dern ihre allseitige Entwicklung in der Geschichte (der Religion, der Kunst,
der Philosophie) der menschlichen Gattung annimmt. Allerdings betont er
von diesem pantheistischen, die Vorstellung eines persönlichen Gottes fal-
lenlassenden Standpunkt her die Unmöglichkeit der vollständigen und er-
schöpfenden Verwirklichung des Vernünftigen in einem einmaligen Ereig-
nis und einer bestimmten Person in besonderem Maße. Dass der Glaube,
der eine bestimmte Person und ihr individuelles Schicksal zum allgemein-
verbindlichen, exemplarischen heilsentscheidenden Rang erhebt, grund-
sätzlich dem philosophisch vernünftigen Begreifen widerspricht, wird zur
Überzeugung sowohl der Junghegelianer306 als auch – mit umgekehrten
Vorzeichen der Bewertung – Kierkegaards.
In der Schlussabhandlung seines „Leben Jesu“ formuliert Strauß seine
pantheistische Geschichtskonzeption folgendermaßen: „Wenn der Idee der
Einheit von göttlicher und menschlicher Natur Realität zugeschrieben
wird, heißt dies soviel, dass sie einmal in einem Individuum, wie vorher
und hernach nicht mehr, wirklich geworden sein müsse? Das ist ja nicht
die Art, wie die Idee sich realisiert, in ein Exemplar ihre ganze Fülle auszu-
schütten, und gegen alle andern zu geizen... Das ist der Schlüssel der gan-
zen Christologie, dass als Subjekt der Prädikate, welche die Kirche Christo
beilegt, statt eines Individuums eine Idee, aber eine reale, nicht Kantisch
unwirkliche, gesetzt wird... Die Menschheit ist die Vereinigung der beiden
Naturen, der menschgewordene Gott... “307
Damit ist die Geschichte für Strauß zugleich die Betätigung der Macht
des Geistes über die Natur, und zwar „durch Bildung, Selbstüberwindung,
107

über die Natur in ihm, wie durch Erfindungen, Maschinen, über die Natur
außer ihm.“308
Die Entfremdung, die der versöhnenden Verwirklichung der Vernunft
im Laufe der geschichtlichen Entwicklung des gottmenschlichen Lebens
der Gattung entgegensteht, liegt also für Strauß in der menschlichen Na-
türlichkeit und Endlichkeit.309 Ihre Negation schließt – seit Strauß’ Wen-
dung in der „Glaubenslehre“ – vor allem die Überrwindung der positiven
autoritären Religion ein und führt zur Rechtfertigung aus eigener „Mitwir-
kung“310.
Ohne das Moment der – den substantiellen Inhalt der Menschwerdung
Gottes verwirklichenden – subjektiven Tätigkeit ganz unberücksichtigt zu
lassen, betont Strauß doch primär die Seite der „allgemeinen Mächte in
der Geschichte“311, d. h. das Substantielle des Volksgeistes, darunter den
Mythus der urchristlichen Gemeinde, so dass Marx davon sprechen kann,
Strauß führe „den Hegel auf spinozistischem Standpunkt“ innerhalb der
Theologie konsequent durch.312 Dementsprechend tendiert Strauß dahin,
die objektiven allgemeinen Verhältnisse (der geistigen geschichtlichen
Mächte) als scheinbar autonom gegenüber der menschlichen Praxis zu
verselbständigen und die Hegelsche Dialektik des Substantiellen und Sub-
jektiven aufzulösen.
Das festhalten an der Vernünftigkeit der Geschichte aber verhindert
zum Beispiel, dass Strauß etwa wehrlos wäre gegenüber einem apokalypti-
schen und rassisch orientierten Irrationalismus, wie ihn W. Menzel ver-
tritt, der vom „Jungen Deutschland“ attackierte Gegner Goethes und Her-
ausgeber des Literaturblatts zum Cottaschen „Morgenblatt“, der auf Grund
der Malthusschen Bevölkerungstheorie einen Vertilgungskampf als Ende
der Geschichte prophezeit.313
Ebensowenig verfällt Strauß in seiner letzten Schrift „Der alte und der
neue Glaube“ (1872) dem Sozialdarwinismus und der Auffassung des
Menschen als Naturwesen, während Nietzsche dagegen in seiner Invektive
gerade die von Strauß vollzogene Trennung von Ethik und Darwinismus
bemängelt.314 Die Ethik gründet Strauß in dieser Schrift, in der er an die
Stelle der kritischen Philosophie naturwissenschaftlichen Positivismus und
vulgären Materialismus setzt, auf die allgemeine Solidarität der Menschen,
108

die er aus dem Gattungscharakter des Menschen herleitet, nunmehr unter


weitgehender Vernachlässigung der Prozesshaftigkeit der Geschichte.
Nur im Zusammenhang mit der von Hegel übernommenen Konzeption
der Geschichte als stufenweiser Realisierung der Wahrheit lässt sich die
Funktion der Straußschen Kritik verstehen. Strauß will die wirksame sub-
jektive kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtspro-
zess verbunden wissen: „Die subjektive Kritik des einzelnen ist wie ein
Brunnenrohr, das jede Knabe eine Weile zuhalten kamen: die Kritik, wie
sie im Laufe der Jahrhunderte sich objektiv vollzieht, stürzt als ein brau-
sender Strom heran, gegen den alle Schleusen und Dämme nichts vermö-
gen.“315 „Die wahre Kritik des Dogma ist seine Geschichte.“316 Der Kritiker
steht also selbst auf dem Boden des kritischen Prozesses. Die Kritik ist
zugleich Prinzip der Wirklichkeit und der Methodologie. Deshalb auch
kann Strauß seine Kritik deuten als Annäherung an die Hegelsche Dialek-
tik in der „Phänomenologie des Geistes“, und zwar als ihre spezielle An-
wendung auf die Theologie, als „theologische Phänomenologie“, insofern
die Kritik nicht bei der sinnlichen Gewissheit – nämlich des Glaubens, d.
h. der biblischen Berichte und des kirchlichen Dogma – stehenbleibt, son-
dern die geschichtlichem Vermittlungen in der Entwicklung der Theologie
aufgreift und zusammenfasst.317
Die Kritik ist dabei der Bruch mit dem Bestehenden und seine Verände-
rung durch Unterscheidung des Geistes von der Realität, des Subjekts von
der Substanz, d. h. durch theoretische Antizipation der wahren Wirklich-
keit. (Da für Strauß die Geschichtswirklichkeit wesentlich ein geistiger
Prozess ist, kann die sich ihr anschließende – und infolgedessen nicht
willkürliche – gedankliche Kritik wirkliche Veränderungen hervorrufen,
kann die Veränderung des Bewusstseins zur Veränderung der Welt füh-
ren.) Das Subjekt zieht sich, wie Strauß sagt, „aus der Substanz seines
bisherigen Glaubens heraus, und negiert diese als seine Wahrheit. Dies
wird es aber nur tun, weil ihm, wenn auch zunächst nur an sich und in
unentwickelter Form, eine andere Wahrheit aufgegangen ist...“318
Einen Grundzug der Hegelschen Dialektik bewahrt Strauß: die Destruk-
tion der scheinbaren Selbständigkeit, Ursprünglichkeit und Fixiertheit des
äußeren Objekts und unmittelbar Gegebenen (hier: der biblischen und
109

kirchlichen Fakten) als einer Form der Entfremdung zugunsten des ver-
mittelten Begreifens der Sache selbst.319
Wie Strauß weiter betont, darf der Prozess der subjektiven kritischen
Vermittlung und Aufhebung, des „Scheidens“ und „Auseinandersetzens“,
des „Schmelzens“ und Gärens“, nicht schließlich – wie bei den Althegelia-
nern Marheineke, Göschel und anderen sowie beim späten Schelling – zu
der Wiederherstellung des unvermittelten Ausgangspunktes, des sinnli-
chen Faktums der Vorstellung, und zu seiner begrifflichen Bestätigung
führen, sondern der kritische Durchgang muss dieses wirklich verändern
und zu etwas Untergeordnetem herabsetzen. „Es ist nur der Schein der
Freiheit, welchen man uns vorspiegelt, wenn man uns über das Faktum
hinaus zur Idee nur darum führt, um uns von der Idee wieder zum Fak-
tum als solchem zurückzulenken.“320
Damit scheint Strauß vollends auf dem Standpunkt der Hegelschen Di-
alektik zu stehen; denn ihr gemäß führen die Analyse des sinnlich Konkre-
ten, des lebendigen Inhalts, in allgemeine tote Abstrakta einerseits und die
darauf erfolgende Synthese der Abstrakta zum Konkreten andererseits
nicht zurück zum Ausgangspunkt des sinnlich Konkreten, sondern repro-
duzieren das sinnlich Konkrete zum geistig Konkreten auf der höheren E-
bene des Denkens, so dass Resultat und Ausgangspunkt zwar das Konkre-
te ist, aber ein verschiedenes Konkretes.
Aber spätestens seit seiner „Glaubenslehre“ verwendet Strauß in Mehr-
heit nicht mehr diese Hegelsche Dialektik. Der dort – unter dem Einfluss
Feuerbachs321 – vollzogene Bruch zwischen Glauben und Wissen, d. h. die
Ablehnung der Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung von Religion und
Philosophie (worin eine prinzipielle Modifikation der Form-Inhalt-Dialektik
liegt: eine nicht vollkommen adäquate Form setzt auch den Inhalt zu ei-
nem unvollkommeneren herab322), geht Hand in Hand mit einer – von
Strauß selbst nicht explizierten – Umformung der Dialektik, die Kritik ist
kein Aufstieg vom sinnlich Konkreten zum geistig Konkreten (als Heraus-
heben des Wesens aus der Erscheinung) vermittels Analyse und Synthese,
sondern sie bleibt bei der Analyse ohne Synthese stehen, indem ihr Resul-
tat statt des Aufhebens das Aufgeben und Verwerfen des Ausgangspunkts
(hier des Dogmas) ist.
110

Die Straußsche Kritik ist somit rein negativ dialektisch, nicht reproduk-
tiv dialektisch im Hegelschen Sinne (und such nicht scheinbar reproduktiv
dialektisch im Sinne der Althegelianer). Die Straußsche Kritik bewahrt von
der Hegelschen Dialektik nur die Form der Entgegensetzung von These
und Antithese, den Kampf der Gegensätze. Ohne vermittelnden Übergang
setzt die Kritik an die Stelle der als unhaltbar aufgelösten Dogmen die –
ihnen nicht zugrunde liegenden und aus ihnen nicht ableitbaren – philo-
sophischen Spekulationen. Keineswegs strebt die Kritik an, die Vorstellun-
gen der Dogmengeschichte in Begriffe zu übersetzen oder „umzuwan-
deln“323, da der Inhalt der Religion nicht von ihrer Form trennbar ist.
Glauben und Wissen Werden in zwei Extreme auseinander gespreizt,
wobei nicht nur ihre Versöhnung in der Hegelschen, sondern auch in der
Schleiermachischen Gestalt fallengelassen wird.324 Implizit weist Strauß
damit zugleich die These zurück, die spekulative Philosophie sei wesent-
lich säkularisierte Religion.
Zum Beispiel behandelt Strauß in dem Kapitel über das Dogma von der
göttlichen Schöpfung der Welt zunächst die mosaische Schöpfungsge-
schichte, dann die patristischen Anstrengungen, mit Hilfe von Allegorien
deren Unstimmigkeiten zu beseitigen, weiter die theologischen Versuche,
die Schwierigkeiten, die sich von seiten der neueren Astronomie und Geo-
logie ergaben, zu „bemänteln“ und zu harmonisieren, und darauf die Auf-
lösung der mosaischen Schöpfungsberichte in den Mythus (beginnend mit
Herders Schrift über die „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“). An-
schließend untersucht Strauß die Auslegungsversuche und Umdeutungen
einer apokryphen Stelle über die Schöpfung aus dem Nichts sowie die
theologisch philosophischen Bestimmungen über die Beweggründe der
Weltschöpfung und die Frage der zeitlichen oder ewigen Schöpfung und
kommt zu dem Ergebnis, dass die Schwierigkeiten und Widersprüche (das
heißt hier: Ungereimtheiten) nicht innerhalb der kirchlichen Lehre selbst
lösbar sind. Strauß erkennt, dass die spekulative Auffassung diese Wider-
sprüche in der Weise beseitigt, dass sie den Schöpfungsbegriff überhaupt
verwirft und die Schöpfungslehre in die philosophische Lehre von dem
notwendigen Verhältnis des Absoluten und des Endlichen verschwinden
lässt. „Hiermit ist aber freilich der Schöpfungs-Begriff... eigentlich aufge-
geben. Dieser Begriff setzt einen vor und abgesehen von der Schöpfung
111

fertigen Gott voraus, welcher, wie ein fertiger Mensch zur Ausarbeitung
eines Buchs, eines Kunstwerks, so sich zur Hervorbringung der Welt ent-
schloß. Nach der Lehre der Philosophie und spekulativen Theologie hinge-
gen fällt das Setzen der Welt in den Prozess der Vollendung des absoluten
Wesens... hinein...“325
Trotz des antithetischen – Altes und Neues polarisierenden – Charak-
ters seiner Kritik verzichtet Strauß in der Darstellung nicht auf die triadi-
sche (oder tetradische) Form, die aufgesetzt und konstruiert erscheinen
muss. Für ihn nimmt in dem Beispiel der Schöpfungslehre Origenes mit
seiner Häresie von der anfanglosen Schöpfung die Stellung der kritischen
Negation des überlieferten Dogmas ein, die schließlich – nach einer Periode
der fortschreitenden rationalistischen Umdeutung – vom spekulativen Ra-
tionalismus wieder aufgenommen und vollendet worden sei, und zwar in
Gestalt der vollständigen Vernichtung des überlieferten Dogmas (durch
Unterlegung eines völlig fremdartigen Sinnes).326
Dieser von Strauß gezeichnete Gang hätte allenfalls dann einen tria-
disch-dialektischen Charakter, wenn zwischen dem nicht-spekulativen
und dem spekulativen Rationalismus der orthodoxe Supranaturalismus
seine Stelle hätte und wenn es der anfänglichen häretisch-
rationalistischen Opposition tatsächlich um eine reine Vernunftreligion
gegangen Wäre, abgesehen davon, dass der Aufweis der Notwendigkeit in
der Entwicklung fehlt. Entsprechend äußerlich ist das triadisch-
dialektische Verfahren im „Leben Jesu“, in dem an die Stelle der natürli-
chen und der übernatürlichen die mythische Betrachtungsweise gesetzt
wird, so dass A. Schweitzer sie nicht mit vollem Recht „die Synthese aus
einer Thesis und aus einer Antithesis“ nennen kann.327
Indem sie die kritische Negation sich nicht immanent aus dem Positiven
entwickeln, sondern von außen selbständig hinzutreten lässt, weist
Strauß’ Kritik voraus auf Bakunins explizite Konzeption vom vermittlungs-
losen Gegensatz, worin das Positive und Negative unverträglich „wie Feuer
und Wasser“ einander gegenüber stehen und das Negative das Schaffen
und Hervorbringen als Zerstören und Vernichten ist: „Ist das Zugrunde-
richten des Positiven nicht die einzige Bedeutung des Negativen?“328
Nur um den Preis der Verkürzung der Hegelschen Dialektik zur kriti-
schen antithetischen Analytik gelingt es Strauß also, dem christlichen
112

Theismus – der auf einem einmaligen (keine Idee exponierenden) Ereignis


basiert – wiederum seinen angemessenen Ort jenseits der pantheistischen
Spekulation zuzuweisen und den versöhnlichen Anschein zu zerstören, als
ob Glauben und Wissen, Ausgangs- und Endpunkt der Kritik, sich zuein-
ander verhielten wie das Ganze in der Vorstellung und das gleiche Ganze
im Begriff. (Unter diesem Gesichtspunkt gerät Strauß mit den Neupietisten
Tholuck und Neander und sogar den Orthodoxen wie Hengstenberg, dem
Herausgeber der „Evangelischen Kirchenzeitung“, auf dieselbe Ebene,
wenn auch mit umgekehrter Frontstellung.).
Das negativ kritische unversöhnliche Ausspielen der Spekulation gegen
die Religion ließe die Konsequenz erwarten, dass Strauß die religiöse Ent-
fremdung lediglich als Beraubung und Deformation des menschlichen We-
sens auffassen würde. Aber Strauß scheut vor dieser Schlussfolgerung
Feuerbachs zurück. An die Stelle einer vollständigen aufklärerischen Nega-
tion der religiösen Vorstellungen tritt doch ihre Anerkennung als Ausdruck
des vernünftigen Triebes nach Selbsterkenntnis: „Religion und Philosophie
tun demselben höchsten Bedürfnis des Geistes genug; mit sich selbst ins
Reine zu kommen, des Einklangs seiner endlichen Erscheinung mit sei-
nem absoluten Wesen inne zu werden...“329
Hiermit distanziert sich Strauß zugleich von der Reduktion der Religion
auf das rein „Praktische“, d. h. auf das subjektiv-eigennützige Bedürfnis
des Gemüts und der Phantasie im Sinne Feuerbachs – für den das Ver-
hältnis von Theorie und Praxis das Verhältnis von Kopf und Herz, „ratio“
und „emotio“, ist – und hebt die davon untrennbaren intellektuellen Mo-
mente hervor.330
113

V. Ruges radikaldemokratische Konzeption der Übersetzung der phi-


losophischen Theorie in die politische Praxis vermittels der Kritik

Dialektik diskreditiert alle Fakta. Während für D. F. Strauß das mit der
Vernunft nicht übereinstimmende Faktum die biblische Geschichte und
das kirchliche Dogma ist, wird dieses für Arnold Ruge primär der beste-
hende politisch-staatliche Zustand Preußens. Darin vor allem geht Ruge
über Strauß hinaus, dass sich seine Kritik auf die Veränderung der poli-
tisch-staatlichen Wirklichkeit richtet.
Zugleich kritisiert Ruge im Unterschied zu Strauß explizit den einseitig
kontemplativen Charakter der Hegelschen Philosophie als deren entschei-
dende Schranke, d. h. er erhebt das zukunftsgerichtete Verändern und
Umgestalten des Bestehenden an Stelle des Begreifens und Nach-denkens
ausdrücklich zum Programm mit dem Ziel, den Dualismus zu beseitigen
und die wahre Einheit von Theorie und Praxis, Idee und Wirklichkeit, Beg-
riff und Existenz, im Prozess der Selbstverwirklichung des Menschen her-
zustellen. Dabei gibt Ruge im Gegensatz zu Cieszkowski schließlich den
Vorrang des Systems auf und legt den Akzent ganz auf die – zur Kritik
umgeformten – dialektischen Methode.
Strauß hat dieses Ziel der Einheit von Theorie und Praxis deshalb
nicht, weil sich seine Kritik auf die Vorstellung und nicht wie die Kritik
Ruges auf den Willen (und über diesen auf die politische Wirklichkeit) rich-
tet. Im übrigen schließt sich Ruge Strauß’ Religionskritik weitgehend an,
bevor er auf den Standpunkt Feuerbachs übergeht.331 Infolgedessen kann
Ruge sagen: „Im Religiösen hatte Strauß mit seinem Leben Jesu dieselbe
Befreiung begonnen, wie ich im Politischen mit der Kritik von Hegels
Rechtsphilosophie.“ 331a
Ebenso wie Strauß bindet Ruge die subjektive Kritik an die objektive
Kritik der als Geistesprozess verstandenen Geschichte; er verankert jene
Kritik in der Krisis.3 3 l b Wie Strauß fasst Ruge die Kritik als Auflö-
sung und Scheidung ohne Synthese33lc sowie als vorantreibende Kraft
der Geschichte, als „Puls der Entwicklung“ und „Sekretionsprozess, der
zugleich Zeugungsprozess ist“332; und wie Strauß vollzieht Ruge die Kritik
am Maßstab des spekulativen Begriffs.
114

Ihrer Struktur nach ist die Kritik, wie Ruge sie schließlich bis zum Jah-
re 1842 herausbildet, „Beziehung des Begriffs auf die Existenz“, d. h. „Be-
ziehung der Theorie auf die geschichtlichen Existenzen des Geistes“.333 Die
Kritik nimmt ihren Ausgangspunkt bei der vernünftigen Theorie als „reiner
Einsicht“ und Metaphysik des logischen Begriffs oder der abstrakten Kate-
gorie, und sie wendet sich – nach einem Vergleich des allgemeinen Wesens
mit der einzelnen geschichtlichen Existenz, der Vernunft mit der Wirklich-
keit – an den Willen des Menschen, den sie zu dem Entschluss mobilisiert,
die einzelne geschichtlichen Existenz der vernünftigen Theorie zu „unter-
werfen“ und somit die Einheit des Denkens und Wollens herzustellen.
„Erst das Wollen (versteht sich auf dieser Basis vernünftiger Einsicht) ist
das reelle Denken.“334
Die gleiche Struktur hat in der Konzeption Bruno Bauers die Kritik, die
er in einem Brief an Marx als „Terrorismus der wahren Theorie“ kenn-
zeichnet.335 Die Kritik erneuert den von Hegel in der absoluten Theorie
aufgehobenen Gegensatz von Sein und Sollen, Substanz und Subjekts
„Das, was ist und was sein soll, wird unterschieden. Das Sollen aber ist
allein das Wahre, Berechtigte und muss also zur Geltung, Herrschaft und
Gewalt gebracht werden...“336
Für Ruge (wie für Bauer) bleibt demnach die Kritik als Vermittlung zwi-
schen der Theorie und dem Willen noch eine Sache des Bewusstseins.
Zwar ist die Kritik – die praktizierte Theorie – kein Selbstzweck für Ruge
(der in Halle und Dresden als Stadtverordneter tätig ist 336 a), sondern sie
zielt letztlich auf wirkliche sinnliche Veränderung der bestimmten poli-
tisch-staatlichen Verhältnisse (deswegen bricht Ruge schließlich mit Bauer
und den in scheinbarer geistiger Selbstgenügsamkeit verharrenden Berli-
ner „Freien“337), aber ihre eigene „praktische Wendung“ besteht darin, dass
sie einen Entschluss hervorbringt, was noch ein innerer, geistiger Vorgang
ist.
Darin liegt implizit die Annahme, dass die Durchsetzung vernünftiger
Verhältnisse verhindert wird durch ein falsches Bewusstsein, d. h. durch
das Unaufgeklärtbleiben über Vernunft und Unvernunft (oder durch die
Böswilligkeit der Herrschenden), nicht aber etwa durch Interessen und
Machtkonstellationen oder Leidenschaften und Bedürfnisse, eine Annah-
115

me, die der sokratischen Gleichsetzung von Wissen und Tugend ent-
spricht. 337a
Ruge erwartet, dass die sich an der wahren Theorie orientierende be-
wusstseinsmäßige Kritik unwiderstehlich den Übergang zur wirklichen Ne-
gation der unvernünftigen (irrationalen) Existenzen macht. „Die Umwäl-
zungen des Geistes ziehen die Umwälzungen des Lebens nach sich.“338
(Die bewusstseinsmäßige subjektive Kritik hat nach Ruges Ansicht ihre
wirkliche objektive Entsprechung in der Revolution von 1848338a.) Darin
bekundet sich ein ungebrochenes aufklärerisches Vertrauen in die Herr-
schaft der Vernunft339, so als ob Beaumarchais’ Figaro tatsächlich, wie
Napoleon meinte, die französische Revolution „schon in Aktion“ gewesen
wäre.
Dem entspricht Ruges Überschätzung der Funktion der Hallischen und
Deutschen Jahrbücher, dem literarischen Hauptorgan der Junghegelianer
von 1838 bis 1843, als Motor der Geschichte, als „bewusste Praxis der his-
torischen Dialektik“.340
Wie Feuerbach feststellt, dass für Hegel das Sein wesentlich Gedanke
des Seins ist („Das Denken setzt sich das Sein entgegen, aber innerhalb
seiner selbst...“341), so lässt sich von der aus dem Geist der Hegelschen Di-
alektik geborenen Kritik Ruges sagen, dass sie wesentlich geistige Kritik
ist. In idealistischer Weise setzt auch Marx in seiner Dissertation (1841)
die kritische Philosophie und die Welt einander gegenüber, indem er sagt:
„... die Praxis der Philosophie ist selbst theoretisch. Es ist die Kritik, die die
einzelne Existenz am Wesen, die besondere Wirklichkeit an der Idee
misst.“342
Wie für Hegel der Wille „praktischer Geist“ ist, so ist also für Ruge der
von der Kritik mobilisierte Wille das nicht ursprüngliche, unselbständige
andere des Geistes; Wille und Denken werden gefasst als das Außen und
Innen des Geistes. Der Wille wird determiniert gedacht von einem theore-
tisch fixierten Zweck, nicht etwa von Antrieben und Motiven, die in nicht-
intellektuellen Bedürfnissen und Interessen wurzeln und nur nachträglich
bewusst geworden sind.
Die Willensentscheidung bildet keinen unvermittelten Anfang wie bei
Kierkegaard das absolute Entschlossensein – als wesentliche „qualitative
116

Dialektik“ der auf sich selbst stehenden Existenz besonders in Gestalt der
Entscheidung zum „Sprung“ gegen die beiläufige „quantitative Dialektik“
der Geschichte gesetzt –, sondern sie ist durch die auf die Theorie bezoge-
ne Kritik vermittelt; aber die Theorie selbst wird als vollendet angesehen.
Die Kritik zielt auf die Veränderung der Existenz, nicht des Begriffs. In rein
theoretischer Hinsicht – hinsichtlich des Prinzips der Entwicklung – gilt
Hegels Philosophie als unüberholbar, als „die letzte aller Philosophieen ü-
berhaupt“, die nur dialektisch umzuschlagen, d. h. aus ihrer theoretischen
Einseitigkeit – der Verborgenheit ihres an sich vorhandenen praktischen
Bezuges – herauszutreten habe und von dem „Bewusstsein über sich be-
wegt und befruchtet, Tat werden muss“. „Die Dialektik, die sie am Begriffe
aufweist, hat demnach diese Philosophie an sich selbst zu vollziehen, und
dieser Prozess, diese Bewegung zur eigenen Gegenständlichkeit und Aktu-
alität ist ihre Geschichte...“343
Der Prozess der Kritik – das Geltendmachend der Vernunft, die Herstel-
lung der Einheit von Begriff und Existenz – ist also für Ruge wie für Ciesz-
kowski nur die Anwendug der fertigen Theorie und ihre einseitige Überset-
zung in die Existenz. Die dialektische Wechselwirkung, das gegenseitige
Sichdurchdringen der Theorie einerseits und der Praxis der (subjektiven
und objektiven) Kritik andererseits wird von Ruge aufgelöst.
In dieser Hinsicht setzt Ruges Kritik also die Herauslösung der Theorie
aus der praktischen Bedingtheit fort, die Hegel in Erneuerung der aristote-
lischen Kontemplation auf der Spitze seines Systems vollzieht. Die Theorie
hat nicht ihre Grundlage in der Praxis der Kritik oder deren Durchführung
in der Handlung; sie ist autonom und souverän. („Das Prinzip, um das
sich jetzt alles dreht, ist die Autonomie des Geistes, und zwar im Wissen-
schaftlichen die Fortbildung des Rationalismus und im Staatlichen des
Liberalismus...“344) Ruge anerkennt nicht etwa einen der Kritik vorgängi-
gen Veränderungswillen, ein ursprüngliches Engagement.
Auch Kriterium können die geschichtlich-politischen Entwicklungen al-
lenfalls für die kritische Anwendung der Theorie, nicht für die Theorie
selbst sein; die Theorie ist im voraus gesichert, ohne von ihnen bestätigt
oder widerlegt werden zu können (was sich auch auf Grund der angenom-
menen prinzipiellen Isomorphie von Theorie und Geschichte erübrigt).345
117

Die Hegelsche Rangordnung innerhalb der Struktur, an die die Tätigkeit


der Kritik anknüpft – die Zuordnung von Begriff und Existenz, Vernunft
und Wirklichkeit, Logischem und Historischem, Absolutem und Relati-
vem – gibt Ruge vollends erst auf unter dem Einfluss Feuerbachs und des-
sen (im „Wesen des Christentums“ schon auf Religion und Theologie an-
gewandter) Methode der grundsätzlichen Umkehrung dieses Verhältnisses
von Begriff und Existenz, Denken und Sein, Subjekt und Prädikat in der
Schrift „Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie“ (1842). Infolgedes-
sen fasst Ruge die logischen oder metaphysischen Kategorien als Abstrak-
tionen auf; die Logik „ist wirklich nichts anderes als Geist und Natur noch
einmal, aber in der unbestimmtesten und allgemeinsten Fassung, wie der
Himmel der Theologie nur die wiederholte Welt ist.“346
Erst in diesem Stadium seiner Entwicklung verzeitlicht Ruge den Geist
radikal und erhebt er – was Löwith zu einer Hauptthese seiner Interpreta-
tion Ruges und aller Junghegelianer macht347 – die Geschichte zum Maß-
stab des Geistes. Löwith übergeht die Wendung in der Entwicklung Ruges.
Erst nach der von Feuerbach hervorgerufenen Wendung orientiert Ruge
die Kritik ausschließlich am Zeitgeist, verwirft er die Selbständigkeit der
überzeitlichen Logik überhaupt („die Logik selbst wird ins die Geschichte
hineingezogen“) und bemängelt er auf der Basis der Unterscheidung zwi-
schen Theorie und Kritik Hegels Logifizierung und Verabsolutierung be-
stimmter historischer Existenzen, zum Beispiel Hegels logische Reduktion
der bestehenden Staatsverfassung, der erblichen Monarchie, der Majorate,
des Zweikammersystems (so wie sich Strauß gegen die Zurückführung der
biblischen Geschichte und der kirchlichen Dogmengeschichte auf die spe-
kulativen Begriffe wendet).348
Die Zurückführung des absoluten Geistes auf den menschlichen Geist
nimmt Ruge (wie Strauß und Bauer) die Möglichkeit, die Praxis und die
endliche Theorie mit Hegel als Moment im Prozess der Realisierung der
absoluten Subjekt-Objekt-Einheit zu fassen und die „List der Vernunft“ als
Grund der teleologischen Notwendigkeit dieses Geschichtsprozesses anzu-
nehmen. Als Konsequenz ergibt sich eine Aporie, über die sich Ruge nicht
im Klaren ist: da für Ruge der Träger des Geschichtsprozesses ausschließ-
lich der menschliche Geist ist, diesem aber zugestandenermaßen das Ziel
der menschlichen Geschichte (die realisierte geistige Einheit und Freiheit)
118

nicht stets bewusst gegenwärtig war (nämlich bis zu Hegels Erhebung der
dialektischen Methode zum bewussten Prinzip), dürfte Ruge in Wahrheit
gar kein notwendiges von vornherein auf ein Ziel Ausgerichtetsein des Ge-
schichtsablaufs supponieren; unvereinbar ist es, den Fortschritt der Ge-
schichte einerseits völlig im menschlichen Geist gründen zu lassen und
dennoch andererseits eine Vorsehung anzunehmen und die Einheit der
theoretischen und praktischen Tätigkeit in der selbstbewussten und
selbstgewollten Durchführung geschichtlicher Intentionen zu sehen.349
Die Verwandlung des Weltgeistes in den Menschengeist wirft ein weite-
res Problem auf, das Ruge nicht löst und worüber er kaum ein Bewusst-
sein hat: das Problem der Einheit von menschlichem Geist und Natur (die
nicht mehr als Erscheinungsform des Weltgeistes begriffen werden kann
und selbständig bleibt, insofern sie kein Produkt des menschlichen Geistes
ist); denn die Wechselwirkung von Mensch und Natur, die Hegel in der mit
der geschichtlichen Praxis verknüpften Teleologie der Arbeit aufdeckt, tritt
für Ruge in den Hintergrund.
Indem Ruge das Vernünftigfinden der Wirklichkeit und ihre Loslösung
aus der geschichtlichen Entwicklung nicht nur in Hegels Rechtsphiloso-
phie hinsichtlich der politisch-staatlichen Verhältnisse feststellt, sondern
als charakteristisch für Hegels Philosophie überhaupt ansieht, negiert er
mit seiner Kritik auch Hegels spekulatives System im ganzen als einseitig
theoretisch und abstrakt.350
Auch der Religion, Kunst und Wissenschaft habe Hegel die praktisch-
geschichtliche Seite genommen, indem er sie über den Bereich des Staats
und der Geschichte hinaus in die Sphäre des absoluten Geistes rückte
und ihre Freiheit nicht als Prozess und Aktion der Befreiung aus jeweils
bestimmten Existenzen auffasste. „Die Wissenschaft ist ihm nicht zugleich
Kritik, die Kunst nicht zugleich Verarbeitung und Abklärung der Gegen-
wart, die Religion wesentlich Vorstellung und Lehre, nicht praktisches Pa-
thos.“351
Die Absolutheit des Hegelschen Systems, das die Zukunft im wesentli-
chen ignoriert, die auf die Spitze getriebene „faule Beschaulichkeit des He-
gelianismus“, muss nach Ruge umschlagen in die tatkräftige Verwirkli-
chung des Geistes in der Geschichte, in die geschichtliche Freiheit als das
119

bestimmte „inhaltsvolle Sollen“352, als „Forderung des zukünftigen ver-


nünftigen Werdens“353 und Freiheit „im öffentlichen Gemeinwesen“.354
Der Grund für die theoretische Einseitigkeit des Hegelschen Systems ist
für Ruge die Inkonsequenz gegenüber dem Prinzip der dialektischen Ent-
wicklung als dem Prozess der Freiheit, das Nichtdurchführen dieses Prin-
zips, d. h. Hegels „Akkommodation und Zurechtmacherei“355, wobei Ruge
voraussetzt, dass diese dialektische Entwicklung und mit ihr die „revoluti-
onäre Kritik“ der „innerste Kern“ der Hegelschen Lehre ist.356 Die „diploma-
tische“ Versöhnung Hegels mit der christlichen Dogmatik und dem preußi-
schen Staat wiederum ist nach Ruges Urteil deshalb möglich gewesen, weil
Hegel nicht einen ähnlichen Konflikt mit den bestehenden Verhältnissen,
wie er Kant widerfuhr durch das ministerielle Wöllnersche Reskript (dem-
zufolge Kant den Zwiespalt zwischen privatem Denken und öffentlichem
Aussprechen akzeptierte und sich auf den moralischem Standpunkt der
inneren Selbstbilligung zurückzog), auszutragen hatte und keine Anfein-
dung von seiten des Staates erlebte, so dass die Differenz seiner Philoso-
phie mit dem preußischen Staat verdeckt blieb.357 Mit dieser für die Jung-
hegelianer typischen Annahme der Akkommodation Hegels verkennt Ruge
die Implikationen des absoluten Idealismus, die – wie oben dargestellt –
prinzipiell einen Abschluss der Geschichte erforderlich machen, insofern
die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes die Vollendung der ge-
schichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraussetzt.
Nicht von Anfang an hat Ruge in den „Hallischen Jahrbüchern“ die Ein-
seitigkeit der reinen Theorie überwinden wollen. Noch 1839 bedauert er
zum Beispiel, dass die Schweiz, wo Strauß der Lehrstahl genommen wur-
de, vom „politischen Interesse verzehrt“ wird und man „überall dem Ge-
werbe, der Praxis, dem Leben das Primat“ gibt.358 Er verteidigt in einer Re-
zension das spekulative System gegen die Hegelgegner Weiße, I. H. Fichte,
Stahl, Braniß, K. Ph. Fischer, Krug und Bachmann, wobei er zwar schon
die Methode der dialektischen Entwicklung hervorhebt, aber ihre Weiter-
führung – in Gestalt der „Entwicklung des einzelnen“ als „immer tiefere
Fassung der Wahrheit“ – noch für vereinbar hält mit Hegels Philosophie im
ganzen.359 Ruge erstrebt in dieser Phase seiner Entwicklung. noch nicht
die praktische Verwirklichung der Theorie. Das bestimmte Sollen bleibt
vorerst diskreditiert. Die Aufgabe ist für ihn noch, das Bestehende zu er-
120

kennen, „den Geist, also auch Religion und Staat zu erkennen, wie er ist
und geworden ist, nicht wie er sein wird oder sein soll.“360 Hiermit über-
einstimmend hatte er auch schon im Jahre 1836 in seiner Schrift „Neue
Vorschule der Ästhetik“ – von Hinrichs in den „Hallischen Jahrbüchern“
1838 rezensiert – das Komische ähnlich wie Vischer bestimmt als Selbst-
entgegensetzung des unendlichen Geistes als „lächerliches und lachendes
Subjekt“, d, h. als Befreiung des unendlichen Geistes aus der Verstrickung
ins Endliche und Unwahre.
Ruges kontemplativer Einstellung entspricht in diesem Stadium seine
Verherrlichung des preußischen Staates als Verkörperung des reformatori-
schen Prinzips der freiwilligen Entwicklung der Vernunft und als Erben
der französischen Revolution. Von hier führt Ruges Weg in der politischen
Kritik, inhaltlich gesehen, zum Liberalismus und Konstitutionalismus,
wobei sich seine Einstellung zum Verhältnis von Theorie und Praxis wan-
delt, dann zum radikalen Demokratismus und – nach dem Scheitern der
achtundvierziger Revolution und der Gründung des „Europäischen demo-
kratischen Komitees“ mit Mazzini und Ledru-Rollin in London – schließlich
zum Nationalliberalismus und der Entgegennahme eines Ehrensoldes vom
Bismarckschen Staat.
Zunächst polemisiert Ruge (nach kleineren meist ästhetisch-
literarischen Artikeln wie die über die Düsseldorfer Malerakademie und
über Heinrich Heine) anläßlich des Kölner Kirchenstreites in den „Halli-
schen Jahrbüchern“ sowohl gegen Joseph Görres und seine Schrift „Atha-
nasius“ als auch gegen dessen orthodox-protestantischen Gegner Heinrich
Leo (der den Namen „Junghegelianer“ prägt) und dessen „Sendschreiben
an Görres“, und zwar im Namen des
Rationalismus und der Aufklärung – der neuen Aufklärung, die im Ge-
gensatz zur alten geschichtlich verfahre – sowie in Anknüpfung an Hegels
Auffassung der Reformation in dessen Vorlesungen über die Geschichte
der Philosophie. „Die feindlichen Gedanken der Reaktion lehnen sich auf
1) gegen die Berechtigung des Verstandes und schreien darum gegen Auf-
klärung und Rationalismus; 2) sie lehnen sich auf gegen die deutsche Re-
formation, sowohl in ihrem Prinzipe als in ihrer Ausbildung, dem gegen-
wärtigen religiös-politischen Leben in Preußen... 3) sie lehnen sich auf ge-
121

gen die Berechtigung der neuesten Geschichte, d. h. gegen die französi-


sche Revolution und die daraus entsprungenen Staatsbildungen...“361
Als Leo die – für Strauß eintretenden – „Hallischen Jahrbücher“ des A-
theismus (in Gestalt des Pantheismus) und der Neigung zur Revolution
verdächtigt und die Regierung auffordert, gegen das „Unkräuticht der
junghegelschen Rotte“ vorzugehen (und so das Problem der Aktualisierung
der Hegelschen Philosophie zur Polizeifrage macht)362, antwortet Ruge vol-
ler Illusion, Leo greife damit den preußischen Staat selbst an, der auf dem
Boden der Reformation und Aufklärung stehe, eine freiheitliche Entwick-
lung – im Geiste Steins und Humboldts – garantiere und eine Revolution
überflüssig und unmöglich mache.363 Diese Gleichsetzung des preußi-
schen Staates mit dem Vernunftstaat kommt am entschiedensten zum
Ausdruck in der Marx gewidmeten Schrift von Karl Friedrich Köppen
„Friedrich der Große und seine Widersacher“ (1840). Von hier führt eine
Linie zur späteren These von der Mission des „preußischen Sozialismus“,
wie sie schließlich Spengler vertritt und wie sie vorgebildet wurde durch
Goethes Beurteilung Lessings im siebenten Buch von „Dichtung und
Wahrheit“ und auch durch Lassalles Einschätzung Lessings und Fried-
richs II. Auch noch 1839 in dem Manifest „Der Protestantismus und die
Romantik. Zur Verständigung über die Zeit und ihre Gegensätze“ – das wie
schon der Artikel über Heine364 gegen den romantischen Rückzug in die
substanzlose Innerlichkeit, in die rein gedankliche Freiheit, den ironischen
Selbstgenuß, die Willkür der Phantasie und die aristokratische Exklusivi-
tät und somit gegen den romantischen Dualismus von Subjekt und Ob-
jekt, Denken und Sein, Theorie und Praxis gerichtet ist – ist Ruge nach
eigenem Urteil „Hegelscher Preuße“ und „Hegelscher Christ“.365 Aber in
dem anonymen Artikel „Karl Streckfuß und das Preußentum“ (November
1839) kritisiert Ruge erstmals desillusioniert – wie dann in der Fortsetzung
des Manifests – die preußische Regierung als reaktionär und „katholisch“,
als abgefallen vom Prinzip der protestantischen Freiheit und des Vernunft-
staates.366 Damit vollzieht Ruge den Übergang von der philosophisch-
religiösen Problematik zur politischen Kritik367 Nunmehr sieht er die Auf-
gabe der Kritik in der Beseitigung der Diskrepanz zwischen philosophi-
scher Rationalität und politischer Wirklichkeit vermittels der Erzeugung
des Entschlusses (der Resolution) zur liberalistischen Veränderung der
bestehenden unvernünftigen Zustände, der Inkonvenienz der Existenzen;
122

das konkrete Ziel ist die Teilhabe am Staat „theoretisch mit vollem öffentli-
chen Selbstbewusstsein und praktisch mit freiester Vertretung.“368
Bezeichnend bleibt, dass Ruge die liberalen Forderungen betrachtet als
Ergebnis eines geistigen Prozesses, nicht etwa realer bürgerlicher Interes-
sen. 368a Nach dieser Wendung Ruges zur politischen Kritik arbeiten an
den „Halleschen Jahrbüchern“ auch die Mitglieder des Berliner Doktor-
klubs, vor allem Karl Friedrich Köppen, Eduard Meyen und Bruno Bauer,
in wachsendem Maße mit.369
Das Gegensatzpaar Protestantismus-Katholizismus ersetzt Ruge durch
das des Konstitutionalismus-Absolutismus in den folgenden Artikeln über
Wolfgang Menzels „Europa im Jahre 1840“ und „Friedrich von Florencourt
und die Kategorien der politischen Praxis“, wobei er das Schicksal des Li-
beralismus in Europa an die Entscheidung Preußens entweder für Eng-
land und Frankreich oder für Rußland und Österreich knüpft.370
Wenn Ruge und anderen Junghegelianern vorgehalten wird, es werde
fortwährend ein Standpunkt gegen einen anderen eingetauscht, so lässt
sich dies mit dem dialektischen Taumel – der wesentlichen Negativität –der
Kritik erklären. Ruge selbst sagt in seinem „Gegenmanifest“, betitelt „Die
wahre Romantik und der falsche Protestantismus“: „Die Jahrbücher haben
gesagt, die Kritik sei frei, ein Standpunkt fresse den anderen auf; gut, wir
wollen die Probe machen. Wir sind ein neuer Standpunkt, eine neue Nega-
tion in dem unaufhörlichen Veitstanz des Negierens.“371
Durch Feuerbachs Einfluss nämlich sieht Ruge jetzt seine politische
Kritik unter dem Gesichtspunkt des Humanismus, dessen Inhalt er als
Volkssouveränität und Atheismus bestimmt und mit der Forderung nach
der Revolution verbindet (indem zugleich die Angriffe gegen den im Febru-
ar 1841 nach Berlin berufenen Schelling verschärft werden). Der Protes-
tantismus wird jetzt ebenfalls zur reaktionären Romantik gerechnet, die
„in der Qual der Erde“ wurzele372, und das Christentum überhaupt wird
polemisch behandelt (nachdem Ruge Feuerbach zunächst als „richtigen
Ausleger der Hegelschen Philosophie“ missverstanden hat373).
Es zeigt sich: die Erfahrung der Unwirklichkeit und Ohnmacht seiner
Kritik, d. h. die Erfahrung, dass die bestehenden politischen Verhältnisse
vermittels der Kritik nicht zu ändern sind, führt Ruge nicht zu einer Neu-
123

orientierung in Gestalt einer prinzipiellen Revision des Verhältnisses von


Theorie und Praxis, sondern zu einer graduellen Modifikation, nämlich zu
einer jedesmal radikaleren Fassung der gedanklichen Kritik, verstanden
als Fortschritt des Bewusstseins und der Selbsterkenntnis. Dabei entgeht
Ruge, dass sich seine Kritik auf diese Weise immer weiter isoliert, und die
Möglichkeit des Einwirkens verringert wird.
Im Vorwort zum letzten Jahrgang der „Deutschen Jahrbücher“, betitelt;
„Eine Selbstkritik des Liberalismus“ erteilt Ruge den Liberalen eine Absa-
ge. Die deutsche „Einheit sowohl als alle Arten der Freiheit“ sind ungelöste
Probleme geblieben; Ruge geht über zu den „radikalen Demokraten“; er
fordert die „Auflösung des Liberalismus in Demokratismus“.374 Ruges
Haupteinwand gegen den Liberalismus ist, dass dieser sich zu keiner
praktisch tätigen Partei formiert habe (in dieser Zeit gibt es in Preußen ü-
berhaupt keine politischen Parteien) und dass seine Anhänger noch nicht
einmal gegen die staatlichen Zensurmaßnahmen aufbegehrten, sondern
dass er passiv, „in der Theorie stecken geblieben“ sei und auf dem Stand-
punkt der inneren reformatorischen Freiheit verharre. „Seit die Deutschen
die Politik über das Denken, die Praxis über die Theorie, die äußere Welt
über die innere vergessen haben, seit der Reformation sind sie im Politi-
schen gedankenlos geworden.“375 Eine Tradition radikaldemokratischer
Politik zwischen Liberalismus und Sozialismus kommt nach dem Scheitern
der achtundvierziger Revolution in Deutschland im Gegensatz zu Frank-
reich nicht zustande.
Ruge hebt als praktische Probleme hervor die Bildung einer Volksmiliz
an Stelle des stehenden Heeres (in der Frankfurter Nationalversammlung
stellt er einen Antrag auf allgemeine Abrüstung und Gründung eines eu-
ropäischen Völkerbundes), Bildung einer Volksregierung und Volksjustiz
sowie einer gegen die „Überbildung“ gerichteten Volkserziehung, die den
„Pöbel“ absorbieren und damit zugleich „die furchtbare Frage des Kommu-
nismus“ ohne gewaltsamen Umsturz lösen solle.376 Ohne dass Ruge sich
hier auf Feuerbach bezieht, versucht er mit diesem „Demokratismus“ doch
offensichtlich, Feuerbachs „Humanismus“ und Vorstellung vom harmoni-
schen Gattungsleben oder Gemeinwesen zu konkretisieren, die ebenfalls
gegen den Liberalismus gerichtet sind und in deren Nähe sich deshalb
124

auch zunächst der – im moralischen Sinne als Altruismus gefasste – uto-


pische Kommunismus rücken lässt.
So kann Ruge auf Cabets Frage nach seiner Stellung zum Kommunis-
mus antworten: „diese praktische Frage des Humanismus“ liege ihm zwar
noch fern, aber im Prinzip sei er mit ihm einig und halte auch den „wirkli-
chen Menschen“ für den Zweck der Gesellschaft.377 Dementsprechend ver-
sucht Ruge nach dem Verbot der „Deutschen Jahrbücher“, die französi-
schen Kommunisten und Sozialisten wie Cabet, Lamennais, Lamartine
und Considérant als Mitarbeiter zu gewinnen an den „Deutsch-
Französischen Jahrbüchern“, als deren Ziel er im „Plan“ angibt die Verei-
nigung von Denken und Handeln, Philosophie und Politik durch die Alli-
anz der theoretischen Deutschen und der praktischen Franzosen 378; er
scheitert allerdings an dem Vorbehalt gegenüber dem Atheismus.
Aber schnell wird sich Ruge des Gegensatzes zu den Kommunisten be-
wusst, insofern für ihn die menschliche Gesellschaft, hervorgebracht
durch befreiende Arbeit, eine bürgerliche bleibt (in Anknüpfung an den §
190 der Hegelschen Rechtsphilosophie379), und er die Aufhebung des Pri-
vateigentums ablehnt, da es das unmittelbare Interesse des Arbeitenden
an seiner Tätigkeit und seine Selbstbestimmung garantiere.380
Infolgedessen gerät er in Konflikt mit Moses Heß, der die soziale Ent-
fremdung für fundamentaler hält als die politische und das Privateigentum
beseitigt wissen will.381
Vom Standpunkt seines Humanismus verwirft Ruge auch den Egois-
mus Stirners als eine hochmütige theoretische Täuschung, die als solche
durch die Praxis augenfällig werde, insofern diese die Existenz und den
Widerstand anderer Menschen zu berücksichtigen zwinge.38la
Schließlich führt Ruges Beharren auf der politisch-bürgerlichen Positi-
on nach kurzer Zusammenarbeit an den „Deutsch-Französischen-
Jahrbüchern“ zu dem Bruch mit Marx (und Bakunin)382, der sich beson-
ders in den unterschiedlichen Stellungnahmen zum Weberaufstand in dem
Pariser „Vorwärts“ bekundet: Ruge misst in dem Artikel „Der König von
Preußen und die Sozialreform“ dem Weberaufstand nur lokale Bedeutung
zu (ohne Tragweite hinsichtlich der Emanzipation des Proletariats) und
erblickt die Wurzel des Elends in dem Egoismus und „der heillosen Isolie-
125

rung der Menschen von dem Gemeinwesen“ (d. h. hier dem Staatswesen).
Er propagiert wie Julius Fröbel (der im „Literarischen Comptoir“ die von
Ruge herausgegebenen Anekdota zur neuesten Philosophie und Publizis-
tik“ und die von Herwegh herausgegebenen „Einundzwanzig Bogen aus der
Schweiz“ verlegt) die Beseitigung des Elends vermittels politischer Erzie-
hung und politischer Organisation: „Eine Sozialrevolution ohne politische
Seele (d. h. ohne die organisierende Einsicht vom Standpunkt des Ganzen
aus) ist unmöglich.“383
Kurz vorher hat Ruge auch versucht, Marx’ weitergehende – auf den
Klassenstandpunkt des proletarischen Sozialismus übergehende – Kritik
an der bürgerlichen Gesellschaft in den Abhandlungen „Zur Judenfrage“
und „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, die in den
gemeinsam herausgegebenen „Deutsch-Französischen-Jahrbüchern“ er-
schienen, mit seinem eigenen bürgerlich politischen Humanismus zu har-
monisieren384, wovon sich Marx darauf unmissverständlich distanziert in
den „Kritischen Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und
die Sozialreform‘“ mit dem Aufweis der Notwendigkeit der Analyse und der
Änderung der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt, dass politischer
Verstand, politische Energie und politisch-administrative Maßnahmen
unmöglich das soziale Elend beseitigen können.
Hinsichtlich der Methode zur Durchsetzung des wahren Inhalts, des
Humanismus und Demokratismus, geht Ruge schließlich nicht hinaus ü-
ber eine Verbindung der Kritik mit der Bildung und Erziehung. Das heißt:
er erwartet, dass die praktische Gesellschaftsreform auf bürgerlicher
Grundlage als Verwirklichung des theoretischen Humanismus – die Besei-
tigung des entfremdenden inhumanen Egoismus sowie auch des Patrio-
tismus385, die Vermenschlichung der Existenz und die Emanzipation des
Menschen – primär erfolgt auf dem Wege über Bildung und Erziehung des
Volkes oder der „Masse“, die Ruge zwar im Gegensatz zu Marx undifferen-
ziert lässt, aber nicht wie Bruno Bauer als Widersacher des Geistes an-
sieht.386 „Ein Volk ist nicht eher frei, als bis es die Philosophie zum Prinzip
seiner Entwicklung macht; und es ist die Aufgabe der Philosophie, das
Volk zu dieser Bildung zu erheben.“387 Mit der Ausrichtung auf Bildung
und Erziehung als Weg der Umgestaltung des menschlichen Lebens steht
dieser politische Humanismus in der Tradition des ästhetischen Huma-
126

nismus der deutschen Klassik, wobei zwar die Grenzen des Ästhetischen,
aber nicht die der Erziehung erkannt werden.388
127

VI. Bauers skeptizistische Konzeption der reinen Kritik als Funktion


des menschlichen Selbstbewusstseins und Negation seiner Objek-
tivationen

Nachdem sich im Gefolge der Unterdrückung der „Deutschen Jahrbü-


cher“ und der „Rheinischen Zeitung“ am Anfang des Jahres 1843 die
Junghegelianer endgültig gespaltet haben, sieht Bruno Bauer den ent-
scheidenden Gegensatz zu Ruge in der Frage der Negativität oder der dia-
lektischen Radikalität, Rücksichtslosigkeit und Unversöhnlichkeit, d. h.
der Voraussetzungslosigkeit und Reinheit der Kritik: Ruge verharre mit
seiner Forderung der zukünftigen praktischen Entwicklung im Sinne des
Liberalismus oder des Humanismus und Demokratismus noch konzessi-
onsbereit – nur von den schon vorhandenen positiven Ansätzen aus ins
Unbeschränkte gehend – auf dem Boden der bekämpften Macht (vor allem
des Staates), anstatt mit ihr zu brechen und sich über ihre Voraussetzun-
gen zu erheben: „Die Forderung dagegen, die aus der Theorie in die Praxis,
aus der ‚Sphäre der Abstraktion‘ in die Öffentlichkeit, aus der Wissen-
schaft ins Leben, aus der Schule zum Staate tritt, hält sich an die Voraus-
setzungen der Macht, auf deren Gebiet sie sich begibt, und geht so weit –
weiter kann sie aber als Forderung nichts tun – dass sie diese Vorausset-
zungen zu religiösen Mächten erhebt.“389 Hiermit gibt Bauer Ruge zugleich
den Vorwurf zurück, Theologe geblieben zu sein390.
In der Tat bezeichnet Bauer damit – und d. h. mit dem Anspruch, dass
die Kritik als „neue Form des Bewusstseins auch in sich selbst und durch
sich selbst bereits eine neue geschichtliche Existenz“ sei391 – einen Diffe-
renzpunkt, und zwar nicht nur zwischen sich und Ruge, sondern zwischen
allen Berliner „Freien“ einerseits und Ruge, Heß, Engels und Marx ande-
rerseits nach der Spaltung.
Bauers radikale Abwendung von dem Bestehenden und seine Bestim-
mung des Verhältnisses der Kritik zu den Mächten der Vergangenheit und
Gegenwart nicht als aufhebende und bewahrende Erbschaft, sondern als
abgründige Bindungslosigkeit, entspringt seiner Enttäuschung darüber,
dass das Volk und die Liberalen gegen die unterdrückenden Regierungs-
maßnahmen (seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV.) nicht auf-
begehrten.392
128

Beruhigende Selbsttäuschung ist es, wenn Bauer dabei so weit geht,


Einheit und Einverständnis von Regierung und Volk zu supponieren, und
wenn er – ein Jahr vor der Revolution – behauptet, die liberalen und radi-
kalen Theorien wären im Krisenjahr l843 schon in die Praxis und Objekti-
vität umgesetzt worden: „Der Bürger hatte sich in diesen Monaten auf den
Kampfplatz begeben, um die Praxis, welche Ruge bisher nur forderte, ins
Leben zu setzen... Seine Forderung enthielt weiter nichts, als was die
‚Masse der Menschen‘, Regierungen und Volksvertreter forderten und ver-
langten – Hingabe an den Staat – Teilnahme an der Phrase des Allgemei-
nen...“393
Im Scheitern der Bestrebungen der „Deutschen Jahrbücher“ kann Bau-
er eine Selbstbestätigung seines kritischen Standpunkts sehen, der von
der wieder erstarkenden Reaktion praktisch unangetastet (und nicht kor-
rumpiert) bleibt, wenn auch nur insofern, als er Opposition ohne bestimm-
te Position ist, d. h. als seine Kritik – ohne Zugeständnisse an das Beste-
hende und Gegebene zu machen. und infolgedessen ohne zu partizipieren
und parteilich einzugreifen – sich von vornherein über die politische und
soziale Wirklichkeit hinweg setzt und in ihrer Isolierung gar nicht verwi-
ckelt werden kann. Bauers sozial-politische Abstinenz oder Kontaktlosig-
keit ist teilweise vorweg genommen in Hegels Charakterisierung des vor
den Objekten fliehenden sich vergeblich auflehnenden Ritters Don Qui-
chotte, „dem es im Kampfe allein darum zu tun ist, sein Schwert blank zu
erhalten.“
Diese extrem antidogmatische und antiautoritäre Kritik, diese Position
der absoluten Verweigerung, der „hochmütigen“ Unwillfährigkeit, der un-
erschütterlichen Desintegration (auf die kein Schatten des Opportunismus
fallen kann und die keine Gefahr laufen kann, sich von einer parteilichen
Gruppe absorbieren und sich von ihr die subjektive Verantwortlichkeit ab-
nehmen zu lassen), kulminiert in der von Bauer vom Dezember 1843 bis
zum Oktober 1844 herausgegebenen „Allgemeinen Literatur-Zeitung“. In
ihr heißt es von der Kritik: „Die Kritik macht keine Partei, will keine Partei
für sich haben, sie ist einsam, indem sie sich in ihren Gegenstand vertieft,
einsam, indem sie sich ihm gegenüberstellt. Sie löst sich von allem ab. Je-
de gemeinsame Voraussetzung, die zur Bildung einer Partei immer not-
wendig ist, würde sie als feindseliges Dogma betrachten, wenn sie, wie es
129

innerhalb einer Partei nötig ist, sich gehindert sehen sollte, dieselbe zu kri-
tisieren und aufzulösen.“394
Die unversöhnliche Ablösung von den Voraussetzungen – der absolute
Hiat zu dem Gegebenen – heißt zunächst, dass diese kritische Theorie sich
weder mit positivistischen Protokollsätzen und Deskriptionen begnügt
noch ihre Zielsetzungen aus vorhandenen Tendenzen, den inneren Wider-
sprüchen, der geschichtlichen Entwicklung - durch Unterscheiden, „kri-
nein“, oder Auseinanderspalten, „discutio“, des unmittelbar Gegebenen –
zu gewinnen sucht.
Zugleich stellt diese Kritik damit – noch eindeutiger als bei Strauß und
Ruge – eine Umformung der Hegelschen spekulativen affirmativen Dialek-
tik zu einer analytischen negativen Dialektik dar (wie sie heute in ver-
gleichbarer Weise von Adorno erneuert wird395): das Resultat der Kritik ist
jeweils die bloße, abstrakte Negation, die Vernichtung des Positiven, d, h.
die Negation enthält das Positive, von dem sie ausgeht, nicht aufgehoben
in sich, so dass es als überwundenes noch wahr bliebe; die Negation ist
nicht von der Qualität des jeweils Negierten affiziert und affirmativ deter-
miniert, sondern bleibt ausschließlich die Präposition eines „Anti-“. Daher
ist die Kritik nicht wie die Spekulation die affirmative Synthese, die kon-
krete Vermittlung der entgegengesetzten Momente zur Totalität.
Hegel anerkennt diese negative Dialektik als eine berechtigte, wenn
auch einseitige Form seiner Versöhnungsphilosophie und kennzeichnet sie
in Hinblick auf die „vollkommene Verzweiflung an allem Festen des Ver-
standen und die sich daraus ergebende Gesinnung... der Unerschütter-
lichkeit und des Insichberuhens“ als Skeptizismus.396 Bauer verselbstän-
digt also die skeptische Seite der Hegelschen Dialektik. Wie sich zeigen
wird, schließt sich Bauers Kritik dem Skeptizismus auch noch in anderer
Hinsicht an.
Dabei ist für Bauer die skeptizistische negative Dialektik die Form nicht
nur der subjektiven Kritik, sondern auch der objektiv-kritischen Ge-
schichtsentwicklung. Edgar Bauer gibt die Ansicht seines Bruders Bruno
wieder: „Auch das Christentum. war nichts als ein gewaltiger Vernich-
tungskampf, den ein neues Prinzip gegen die alte Welt anhub. Und die
französische Revolution? Die Geschichte kennt kein ähnliches Beispiel ei-
ner urplötzlicheren, mächtigeren Erschütterung und Neubelebung der
130

Menschheit. So ist denn gewiss, dass jedes Prinzip, welches neu auftritt in
der Weltgeschichte, vandalisch ist.“397 Diese negative Dialektik kann aber
nicht die weltgeschichtliche Kontinuität erklären.
Dass die Kritik Bauers nicht anknüpft an das Bestehende und sich
nicht parteilich einlässt auf das objektiv Vorliegende ist gleichbedeutend
mit ihrem Rückgang ins Subjekt, gefasst als Selbstbewusstsein. Diesen
kritischen Rückgang ins Selbstbewusstsein versteht Bauer als Negation
der Religion, des christlichen Staates und der „Masse“ in der Gesellschaft;
denn sie sind für ihn Entfremdungen des allgemeinen menschlichen
Selbstbewusstseins.
Das Selbstbewusstsein gilt ihm als „die wahrhafte causa sui“, die „die
Welt, den Unterschied setzt und in dem, was es hervorbringt, sich selbst
hervorbringt“ und „den Unterschied des Hervorgebrachten von ihm selbst
wieder aufhebt.“398
Dementsprechend hat für Bauer die subjektive Kritik die Fiktion, die
das Selbstbewusstsein in seiner geschichtlichen objektiv-kritischen nega-
tiv-dialektisch fortschreitenden Entwicklung beschränkenden, hemmen-
den und unfrei machenden partiellen Objektivationen seiner selbst – das
Bestehende, Substantielle, Positive – zu destruieren und zu „liquidieren“.
Spirituelle Tätigkeit überwindet materielle Widerstände, wenn diese ihre
eigenen Manifestationen sind und wenn sie nicht bloß illegitim vorher in
gedankliche, innere Widerstände verflüchtigt werden, was Marx gegen
Bauer in der „Heiligen Familie“ einwendet.
Voraussetzung dieser Bauerschen Konzeption der Kritik ist die Umdeu-
tung der Hegelschen Philosophie des absoluten Geistes zur Philosophie des
menschlichen Selbstbewusstseins (und damit die Verabsolutierung der
Geschichte). Unter der Kapitelüberschrift „Das Gespenst des Weltgeistes“
zeigt Bauer – in orthodox pietistischer Maske – in der Schrift „Die Posaune
des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen“, an der
noch Marx mitgearbeitet hat, dabei die Tendenz zur philosophiegeschicht-
lichen Harmonisierung: der Weltgeist, der „seine Wirklichkeit im Men-
schengeiste“ und „kein Reich für sich, keine Welt, keinen Himmel für sich“
hat, wäre nach Bauer „nur ein Bild, welches der Philosoph zuweilen auf-
stellt und dem er dann die Attribute der Göttlichkeit... schenkt. Der Philo-
131

soph weiß aber recht gut, dass dieses Bild nur das Selbstbewusstsein dar-
stellt...“399 Damit umgeht Bauer die Notwendigkeit, die Feuerbach und
Marx zum Programm erheben, die Hegelsche Philosophie zu überwinden.
Unter anderem vermeidet Bauer in seiner Harmonisierungstendenz, ernst-
haft daran Anstoß zu nehmen, dass Hegel beansprucht, die Philosophie im
wesentlichen systematisch zum Abschluss gebracht zu haben. Seine Diffe-
renz zu Hegel kann Bauer zu verdecken suchen, insofern er mit ihm über-
einstimmt in der Auflösung der Substantialität oder Objektivität in die
Subjektivität. Aber der wesentliche Unterschied bleibt: Hegel nimmt die
Substanz ins absolute Selbstbewusstsein hinein, Bauer ins menschliche
allgemeine Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zu Bauer anerkennt Hegel
gegenüber dem menschlichen Selbstbewusstsein durchaus die substan-
tielle, objektive Realität.
Bauers Eliminierung der spinozistischen Seite des Hegelschen Systems,
sein abstraktes Herauslösen des Fichteschen Moments und damit sein ei-
gener Rückgang auf Fichte wird deutlich, wenn er Hegels Stellung zu Fich-
te so beurteilt, als wäre Hegel nicht über Fichte hinaus gegangen und als
hätte Hegel eine Überwindung Fichtes nicht als notwendig angesehen:
„Endlich aber kommt der Philosoph in seiner Heimat, dem Selbstbewusst-
sein an, nachdem ihm Fichte alle Wirklichkeit, die es außer dem Selbstbe-
wusstsein gibt, zerstört hat... Wenn der Spinozismus ihm als der notwen-
dige Anfang der Philosophie galt, so nun die Fichtesche Auffassung des Ich
als die Vollendung...“400
Die Hauptabsicht Bauers – besonders in der „Posaune“ – ist, die Trans-
zendenz zu zerstören, d. h. der Religion den Objektivitätscharakter zu
nehmen, indem sie als Schöpfung des menschlichen Selbstbewusstseins
behandelt wird. In diesem Zusammenhang deutet er Hegels Religionsphi-
losophie als Atheismus, insofern für Hegel „das religiöse Verhältnis nichts
als ein inneres Verhältnis des Selbstbewusstseins zu sich selber ist und
alle jene Mächte, die als Substanz oder als absolute Idee von dem Selbst-
bewusstsein noch unterschieden zu sein scheinen, nichts als die eigenen
in der religiösen Vorstellung nur objektivierten Momente desselben
sind.“401 Um also die transzendenten Objekte der Religion zu zerstören,
zerstört Bauer die Objektivität überhaupt. Kein Gegenstand übersteigt für
Bauer den Gedanken; der Gedanke bleibt souverän und die Dialektik im-
132

manent; in diesem Sinne dominiert die Identität trotz der (unausdrückli-


chen) Negation des Hegelschen allumfassenden stillstellenden Systems.
Dass bei Hegel der subjektive Geist vom objektiven Geist abhängig ist
und der objektive Geist die jeweils bestehende substantielle – beschränkte
und damit widersprüchliche – Gestalt aufhebt zugunsten einer neuen hö-
heren Gestalt und die Philosophie jeweils deren adäquater Ausdruck ist,
verwandelt Bauer mit dem Fallenlassen der Objektivität und ihrem
Verschwindenlassen in die Identität des Selbstbewusstseins dahin, dass
der subjektive Geist und die Philosophie selbst die bestimmten Gestalten –
mittels der Kritik – angreifen und negieren und so den Fortschritt bewerk-
stelligen.
Auf Grund dieser Umwandlung geht es Bauer noch unmittelbarer als
Hegel um den geschichtlichen Fortschritt des Bewusstseins der Freiheit,
so dass er (in einer Rezension von Schriften zur Judenemanzipation in der
„Allgemeinen Literatur-Zeitung“) sagen kann: „Die Theorie muss wachsen,
um ausgeführt zu werden, um sicher ihre Ausführung zu finden oder viel-
mehr: um sie zu gebieten! – So weit die Juden jetzt in der Theorie sind, so
weit sind sie emanzipiert, so weit sie frei sein. wollen, so weit sind sie es. –
Wachst in der Theorie, und ihr werdet in der Praxis stärker sein! Habt ei-
nen höhern Begriff von der Freiheit, und ihr werdet in der Freiheit Fort-
schritte machen.“402
Mit Hilfe einer Äquivokation von subjektivem und objektivem Geist un-
terschiebt Bauer Hegel seine eigene subjektivistische Auffassung von der
Funktion der kritischen Philosophie: wenn Hegel in der Einleitung zu sei-
nen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie (in Hinblick auf den
geschichtlichen Ursprung des Bedürfnisses des Philosophierens) sagt, dass
der Geist es ist, der „diese substantielle Weise der Existenz, diese Sittlich-
keit, diesen Glauben angreift, wankend macht“403, so spricht Hegel eindeu-
tig von dem objektiven „Geist eines Volkes“ (der sich „aus der gleichgülti-
gen Dumpfheit des ersten Naturlebens herausgearbeitet hat“). Bauer aber
folgert daraus verzerrend: „...dann ist es ja die Philosophie, welche diesen
Angriff ausführt und die ‚Periode des Verderbens‘ herbeiführt.“404
Allerdings scheint Bauer sich für diese Auffassung von der mäeutisch-
aktivierenden Rolle der Philosophie, die nicht „Eule der Minerva“ ist, auch
auf Hegel berufen zu, können, wenn dieser ausführt, dass das philosophi-
133

sche Wissen – dem Inhalt nach der Gedanke seiner Zeit, der Form nach
über seiner Zeit – das Sichselbstwissen des Geistes ist, und so „der formel-
le Unterschied auch ein realer wirklicher Unterschied (ist). Dies Wissen ist
es dann, was eine neue Form der Entwicklung hervorbringt; die neuen
Formen sind nur Weisen des Wissens. Durch das Wissen setzt der Geist
einen Unterschied zwischen das Wissen und das, was ist; dies enthält wie-
der einen neuen Unterschied, und so kommt eine neue Philosophie hervor.
Die Philosophie ist also schon ein weiterer Charakter des Geistes; sie ist
die innere Geburtsstätte des Geistes, der später zu wirklicher Gestaltung
hervortreten wird.“405
Hegel sagt also gar nicht – im Gegensatz zu Bauers und auch Löwiths406
Interpretation –, dass die Philosophie außer einer neuen Form selbst eben-
falls einen neuen Inhalt hervorbringt (den sie gedanklich in sich trägt und
antizipiert auch da, wo sie in „ein anderes Land des selbstbewussten Geis-
tes“ ohne schon entsprechende Wirklichkeit übergeht); und wenn auch das
philosophische Wissen gegenüber dem Bestehenden von Hegel „ein realer
wirklicher Unterschied“ genannt wird, so ist diese Realität des Wissens
doch in einem anderen Sinne zu verstehen als die Realität der wirklichen
Gestalten des objektiven Volksgeistes.
Gegenüber Bauers Ableitung seiner subjektiv-idealistischen Konzeption
der Philosophie als Kritik des Bestehenden und Motor der Geschichtsbe-
wegung – als Entgegensetzung von Wissen und Wirklichkeit, Subjekt und
Substanz, Sollen und Sein – aus der Hegelschen Bestimmung des Verhält-
nisses der Philosophie zu anderen Gestaltungen einer Stufe des Geistes
müssen Hegels eindeutige Worte zitiert werden: „Das Verhältnis der politi-
schen Geschichte, Staatsverfassungen, Kunst, Religion zur Philosophie
ist... nicht dieses, dass sie Ursachen der Philosophie wären, oder umge-
kehrt, diese der Grund von jenen, sondern sie haben vielmehr alle zu-
sammen eine und dieselbe gemeinschaftliche Wurzel, den Geist der
Zeit.“407 Im Gefolge der Auflösung des absoluten Geistes in den menschli-
chen Geist und des objektiven Geistes in den subjektiven kritischen Geist
werden für Bauer die Philosophen „die wahren, die einzig gefährlichen,
weil die konsequentesten und rücksichtslosen Revolutionäre.“408 Dement-
sprechend sieht er die Aufgipfelung der Hegelschen Philosophie in der
Kontemplation nicht als zu überwindenden Mangel an, sondern er be-
134

hauptet, dass Hegels Theorie schon „in ihr selber und, darum die gefähr-
lichste, umfassendste und zerstörendste Praxis (war). Sie war die Revoluti-
on selber.“409
Diese Auffassung von der praktisch-revolutionierenden Rolle der Theo-
rie bekundet sich ebenfalls in einem Brief an Marx: „Es wäre Unsinn, wenn
Du Dich einer praktischen Carriere widmen wolltest. Die Theorie ist jetzt
die stärkste Praxis, und wir können noch gar nicht voraussagen, in wie
großem Sinne sie praktisch werden wird“.410
So ist es konsequent, wenn Bauer auch die Aufklärungsphilosophie als
Ursache der französischen Revolution ansieht. Seine Deutung der Hegel-
schen Stellung zur französischen Aufklärung deckt aber nur wiederum ei-
ne Hauptquelle seiner eigenen Anschauungen auf. Wenn Hegel zum Bei-
spiel sagt: „Was in den französischen philosophischen Schriften, die in
dieser Hinsicht wichtig sind, bewunderungswürdig ist, ist diese erstaunli-
che Energie und Kraft des Begriffs gegen die Existenz, gegen den Glauben,
gegen alle Macht der Autorität seit Jahrtausenden“411, so will er damit nur
die eine (negative) Seite der Aufklärungsphilosophie charakterisieren. In-
dem aber Bauer diese Feststellung eklektisch aufgreift und ummünzt zu
Hegels vorbehaltloser „Bewunderung der Franzosen und Verachtung gegen
die Deutschen“412, übergeht er, dass Hegel bestrebt ist, die Aufklärungs-
philosophie als einseitigen Rationalismus, formelle Verstandesherrschaft
und zertrümmernden „Fanatismus des abstrakten Gedankens“ in einer
wahren Versöhnung der Gegensätze zu überwinden. Ähnlich dokumentiert
sich in Bauers Interpretation, nach Hegels Ansicht müsse „die Kirche ge-
gen den Staat untergehen“413 seine eigene Erwartung, die er an die Be-
kämpfung der Kirche knüpft, während dagegen Hegel als Aufgabe des
Staates ansieht, „von allen seinen Angehörigen zu fordern, dass sie sich zu
einer Kirchengemeinde halten.“414
Indem Bauer den Prozess der Geschichte von der dialektischen Ent-
wicklung des Selbstbewusstseins und diese wiederum von der philosophi-
schen Theorie – etwa der aufklärerischen oder der Hegelschen und der kri-
tischen – bestimmt sein lässt, spricht er der hervorragenden Persönlichkeit
in der weltgeschichtlichen Praxis die entscheidende emanzipierende Rolle
zu.
135

Hegel dagegen trennt das denkende und handelnde Individuum nicht in


dieser Weise von den – aus dem absoluten Geist stammenden – substan-
tiellen, objektiven Verhältnissen: „An der Spitze aller Handlungen, somit
auch der welthistorischen, stehen Individuen als die das Substantielle
verwirklichenden Subjektivitäten.“415 Deshalb kann sich Bauer auch nur
scheinbar darauf berufen, dass Hegel selbst von den Philosophen sagt, sie
lesen oder schreiben die vom Weltgeist ausgehenden „Kabinettsordres
gleich im Original.“416
Dennoch verhindert der Hegelianismus Bauers, dass seine Auffassung
von den welthistorischen Personen – von Büchner „Paradegäule und Eck-
steher der Geschichte“ genannt – irrational und elitär wäre im Sinne von
Carlyle, Treitschke, Le Bon, Pareto oder Ortega y Gasset; denn die Tätig-
keit der hervorragenden Persönlichkeit wird von Bauer schließlich noch in
einen vernünftigen geschichtlichen Zusammenhang eingeordnet, durch
dessen Vermittlung ihre Resultate objektiv nachprüfbar werden.
Es bleibt aber eine subjektivistische Verzerrung Hegels und eine extre-
me Überschätzung der weltgeschichtlichen Bedeutung der eigenen Kritik,
wenn Bauer sagt: „Spottet immerhin über eine Nation, deren geistiges
Budget auf der Leipziger Ostermesse berechnet wird, lacht über den Toren,
der in wahnsinniger Selbstvergessenheit über neuen literarischen Arbeiten
brütet und den Hochmut hat, durch ein paar Federzüge der Welt eine an-
dere Gestalt zu geben, – nennt aber auch die einzige geschichtliche Epo-
che, die nicht von der Feder gebieterisch vorgezeichnet war und ihre Er-
schütterung mit einem Federstrich beschließen lassen musste.“417
Im Gegensatz zu Bauer stellt sich Hegel dementsprechend nicht einsei-
tig negativ gegen die Masse, die Vielen, das Volk und die öffentliche Mei-
nung.418 Für Bauer erst wird die Masse der „natürliche Gegner der Theo-
rie“ und der „wahre Feind des Geistes“, weshalb ihr Interesse „alle großen
Aktionen der bisherigen Geschichte“ fehlgehen ließ.419 Starr wird dem ak-
tiven Geist die passive Materie in ihrer sozialen Gestalt als Masse gegen-
übergestellt und als blind, leidend, unwissend und träge charakterisiert.
Die „oberflächliche, indolente, selbstzufriedene, fortschritts- und geistes-
feindliche Masse“ wird als Produkt der französischen Revolution und Be-
seitigung der Ständeordnung angesehen.420 Hand in Hand mit der Abwen-
136

dung von der Masse geht die Konzeption der Reinheit, der System- und
Gesinnungslosigkeit, der Absolutheit der Kritik.
Aber Bauers Mangel ist, dass er die blasse undifferenziert lässt und als
Aggregat völlig gleichartiger Elemente betrachtet; er erkennt nicht, dass
der geschichtlich gewordenen abstrakten politischen Gleichheit der Indivi-
duen eine wirkliche konkrete Ungleichheit entspricht, und dass speziell die
Bereitschaft der Masse zur blinden Gefolgschaft jeweils in einer bestimm-
ten Bedrohung durch eine objektive Notlage wurzelt.
Mit der Abwendung von der Masse vollzieht Bauer die Absage an die
sich auf die Masse stützenden und sich damit in seinen Augen diskreditie-
renden Lehren und Parteiungen des Liberalismus, radikalen Demokratis-
mus, Sozialismus und Kommunismus, in Vergleich zu denen Bauers kriti-
sche prinzipienlose Position als anarchistisch erscheinen muss sowie als
prototypisch für die geistesaristokratischen sich bescheidenden, entsagen-
den vor jeder Verdinglichung sichernden Rückzugsbewegungen in die In-
nerlichkeit (jenseits eines faktischen Glücksanspruchs), aber auch
zugleich als Repristination des antiken skeptischen Bewusstseins, wie es
Hegel analysiert: „... negatives Verhalten, ja tätige Negation gegen alles
Prinzip“, das im Unglück der bestehenden Herrschaft „in seinem Innern
auf abstrakte Weise die Befriedigung (hat) suchen müssen, die die Wirk-
lichkeit ihm nicht gab“421, und das andererseits in dem bestimmten ein-
zelnen unwesentlichen Inhalt befangen bleibt trotz der Deklaration seiner
Nichtigkeit. Innerhalb des nicht preisgegebenen Anspruches, letztlich die
wirkliche Welt mittels der Kritik zu gestalten, erneuert Bauer in dieser
Weise den allgemein antiken Dualismus zwischen Arbeit und Muße, Le-
bensnotwendigem und Schönem, Theorie des Beständigen und Praxis des
Unsicheren.422
Bauers Antithese von Denken und Sein in Gestalt von kritischer selbst-
bewusster Persönlichkeit und depersonalisierter geistloser Masse hat ihren
Ansatz schon in seiner Evangelienkritik und seiner Polemik gegen Strauß,
insofern er zur Erklärung des Ursprungs der Evangelien – in teilweiser
Vorwegnahme der formgeschichtlichen Methode Bultmanns und M. Dibe-
lius’ – an die Stelle des „substantiellen“ Gemeindebewusstseins der messi-
anischen Erwartung das schöpferische Selbstbewusstsein als „schriftstel-
lerisches Prinzip“ setzt und die Evangelien als „Werk der Reflexion“ an-
137

sieht.423 In der „Posaune“ benutzt Bauer dann eine Bemerkung Hegels ü-


ber Pythagoras zu der Umdeutung: „Alle Menschen außer den Philosophen
sind nach Hegel Ochsen.“424 Danach kündigt sich in den „Anekdota“ die
Kritik an der Masse an, die in der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ ihren
Höhepunkt erreicht und dazu führt, dass die Kritik sich nicht mehr ein-
lassen will auf die gegebenen Voraussetzungen.
Dass die Kritik nicht mehr mit dem Bestehenden verwickelt werden will,
ist nicht gleichbedeutend mit ihrem gänzlichen Verzicht auf praktische
Veränderung und mit ihrer Erhebung zum Selbstzweck. Der Unterschied
ist, dass Bauer vorher mittels seiner Kritik direkt eine bestimmte prakti-
sche Veränderung angestrebt hat („Es muss also zur Tat kommen, zur
praktischen Opposition, und nicht nur nachträglich oder auf einem Um-
wege, sondern geradezu muss ein theoretisches Prinzip Praxis und Tat
werden“425), schließlich aber die von der Kritik vorzubereitende praktische
Veränderung „der Geschichte“ und ihrer Krisis überlässt („Die Theorie hat
nun das ihrige getan, wenn sie den bisherigen Gegensatz des Judentums
und Christentums erkannt und aufgelöst hat, und kann mit ruhiger Zu-
versicht der Geschichte, die über unwürdig gewordene Gegensätze das
letzte Urteil ausspricht, entgegensehen“426).
Liegt für Bauer die praktisch revolutionierende Wirkung der Kritik zu-
nächst nah, dann fern, so betrachtet er doch jeweils als hauptsächliche
Voraussetzung und Ursache der praktischen Veränderungen die Kritik
selbst, d. h. die Beseitigung der Selbstentfremdung in Gestalt der Selbst-
täuschungen und Vorurteile über das wirklich Bestehende, die Aufklä-
rung, die Veränderung des Bewusstseins. So sagt Bauer zunächst in der
Vorrede seiner „Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker“:
„Durchackern wir nur mit der Kritik den Boden der Geschichte; aus den
Furchen wird der frische Lebensduft aufsteigen und der alte Boden, der
lange genug brach gelegen hat, wird neue Zeugungskraft entwickeln. Hat
uns nur erst die Kritik wieder reinen Herzens und frei und sittlich ge-
macht, so wird das Neue nicht mehr fern sein.“427 Dann – nach der Umbil-
dung dieser Kritik zur reinen Kritik – sagt zum Beispiel Bauers Mitstreiter
Szeliga in der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“: „Nein! Der Kritiker ist nicht
Mann der Tat. Er hat nicht die närrische Einbildung, den Knoten zu lösen,
wenn er ihn durchhaute gleich Alexander. Er nimmt das Schwert daher
138

gar nicht in die Hand; die Hand bleibt ihm überhaupt aus dem Spiele.
Nicht mit roher Faust schlägt er drein, aber das Auge schlägt er frei auf
und sieht – und sieht, wie ihr ihm die Praxis erspart und an euch selber
genug zernichtet.“428
Die Bestimmung „der Geschichte“ als Adressat und Subjekt der – von
der Kritik vorzubereitenden – wirklichen Veränderung ist nicht nur eine
mechanisch-deterministische Hypostasierung, sondern beinhaltet auch
eine Aporie: „die Geschichte“ würde „die Masse“ einschließen; die Masse
wird als blind und unfähig zur kritischen Aufklärung angesehen, aber die
befreiende Veränderung des Bewusstseins soll die Voraussetzung realer
Veränderung sein. Die massenhafte Veränderung des Bewusstseins wird
also von Bauer zugleich als erforderlich und unmöglich betrachtet. Marx
dagegen geht nach seinem Bruch mit Bauer davon aus, dass die Theorie
praktisch wirksam, zur „materiellen Gewalt“, wird, „sobald sie die Massen
ergreift“429
Der Geschichte die praktischen Konsequenzen der Kritik zu überlassen
und die kritische Position der Überparteilichkeit, Neutralität und Objektivi-
tät einzunehmen, ist gleichbedeutend mit praktischer Toleranz gegenüber
dem Bestehenden, das – auch wenn es widersprüchlich, unvernünftig und
unmenschlich ist – unangetastet gelassen und nicht negiert wird. So er-
möglicht die reine – vor dem Bestehenden als unauflösbarem Objekt prak-
tisch resignierende – überparteiliche Kritik zum Beispiel die Gleichgültig-
keit, den wirklich vorhandenen Gegensatz des Unterdrückers und des Un-
terdrückten auf der gleichen Stufe zu sehen. Die äußerste theoretische
Opposition wird zur äußersten praktischen Position; die Resistenz gegen
die Realität wird zur Kapitulation. Der Widerspruch tritt an die Stelle des
Widerstands. Das heißt auch: die skeptizistische negative Dialektik, die
radikal nur die qualitative Differenz und Diskontinuität hervorhebt,
schlägt in praktischer Hinsicht um in die Affirmation nur quantitativ sich
ändernder Sachverhalte.
Ungewollt kehrt sich gegen Bauers Kritik selbst, was er in der Rezensi-
on von Strauß’ „Glaubenslehre“ über die Theorie sagt: „Reine und wahre
Theorie ist nur möglich zwischen Gleichen und Freien. In einem Zustande
zum Beispiel, wo die Stände, die Geburtsunterschiede und Privilegien
herrschen oder mit Gewalt restauriert werden sollen, ist die Theorie ein
139

Verbrechen, weil sie sich zunächst als Kritik gegen diese natürlichen Un-
terschiede richten und die Gleichheit, die noch nicht vorhanden ist und im
Gegenteil als Übel abgewehrt werden soll, wiederherstellen würde.“430
Hieraus lässt sich folgern: die Beschränkung auf Theorie wie auf theo-
retische Kritik ist in Wahrheit erst gerechtfertigt, wenn die wirklichen Ge-
gensätze und Partikularitäten praktisch zur Homogeneität verändert sind,
d. h. wenn im wesentlichen Gleichheit, Freiheit und Allgemeinheit beste-
hen. Auf diesem Niveau wäre die theoretische Kritik sogar die angemesse-
ne Methode des Veränderns, d. h. des Aufdeckens und Überwindens noch
vorhandener unwesentlicher Beschränkungen der individuellen Spontanei-
tät. Der traditionelle Satz: nur Gleichartiges kann erkannt werden, ist
auch so zu deuten: das Erkennen – als Verzicht auf das Eingreifen zu-
gunsten des Begreifens – setzt Gleichartiges voraus. Der Gott des Aristote-
les verhält sich theoretisch, insofern er autonom, bei sich selbst ist und
von nichts Fremdartigem wirklich eingeschränkt wird. Bei Hegel trium-
phiert schließlich das absolute Wissen, insofern alles Fremdartige total
vermittelt ist.
Der scheinbaren Negation des Bestehenden korrespondiert bei Bauer
die scheinbare Autonomie des Kritikers: wenn Bauer die praktischen Kon-
sequenzen der nicht engagierten überparteilichen Kritik der Geschichte
überlässt, so nimmt er an, dass das Subjekt der Kritik seinerseits nicht
von der Geschichte vermittelt, sondern autonom und autark ist. Das kon-
krete kritisierende Individuum wird auf abstrakte Rationalität reduziert
und als „tabula rasa“ behandelt, die frei von Bedürfnissen und
von äußeren Einflüssen und Manipulationen ist und sich vermittels der
Anstrengung des kritischen Denkens gegenüber bestimmten andrängen-
den Inhalten rein erhalten und bei sich bleiben kann, und zwar als
Grundsituation, nicht als zeitweiliges Ausweichen vor bedrohlichen unfrei-
en äußeren Verhältnissen zum Zweck der inneren Bewahrung bestimmter
Ideale, wie es zunächst scheinen mag, wenn Bauer rhetorisch fragt: „Wenn
die bestehenden Verhältnisse der Idee vollständig widersprechen, wo kann
die Idee dann anders existieren, als in dem reinen Selbstbewusstsein, wel-
ches aus der Verderbnis sich gerettet hat und die wahren Formen seiner
Existenz als Ideale zunächst i eich trägt?
140

Hat das Selbstbewusstsein eben als solches nicht das Recht, zu verlan-
gen, dass es seine inneren Bestimmungen in den Gesetzen und Einrich-
tungen des Bestehenden wiederfindet?“431
Die positive Kehrseite der äußersten abstrakten theoretischen Oppositi-
on und des absoluten Sichverweigerns dar Kritik ist, dass das einheitliche
Ziel der Kritik – sowohl der theologischen als auch der politischen – in al-
len Phasen ihrer Entwicklung bleibt, die Universalität der menschlichen
Vernunft gegenüber jeder Partikularität, Restriktion und Fixiertheit zu er-
reichen, in dieser Weise die menschliche Vernunft von der Widersprüch-
lichkeit zu befreien und schließlich die Vereinzelung der Menschen aufzu-
heben.
Von hier aus – eine Konsequenz der Hegelschen Erkenntnis, dass die
Wahrheit das Ganze ist – ist auch zu verstehen, weshalb Bauer sich unter
zunehmendem politischen Druck immer weiter von dem Engagement der
eingreifenden Praxis entfernt: die kritische Theorie gewährt eher den An-
schein dieser negativen Freiheit von Beschränkungen und Voraussetzun-
gen, zumal praktisch vollzogene Entscheidungen anders als theoretische
Unterscheidungen irreversibel sind; Gegensätze, die sich praktisch aus-
schließen, lassen sich theoretisch ausgleichen.432 „Im Denken, im Schrei-
ben, im feurigen Trieb der Kritik lebe ich nicht mehr für die Sekte und ihre
beschränkten Voraussetzungen, sondern für die Gattung und ihre Frei-
heit. Das Denken ist der wahre Gattungsprozess, welche einen geistigen
Menschen, ja erst die Menschheit selbst erzeugt.“433 In dieser Weise
schließt sich Bauer an Hegels Bestimmung des Denkens an als „die Tätig-
keit des Allgemeinen, das Allgemeine in seiner Tätigkeit, Wirksamkeit.“434
Implizit liegt der Ausrichtung auf die theoretische Allgemeinheit und Frei-
heit der Zustand zugrunde, dass die praktischen Lebensverhältnisse noch
die Sphäre der Partikularität und Kontingenz der Bedürfnisse und Interes-
sen vereinzelter Individuen sind.
Schon in der „Kritik der Geschichte der Offenbarung“ (1838) – unmit-
telbar nach der Preisgabe seines in der von ihm redigierten „Zeitschrift für
spekulative Theologie“ und in den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Kri-
tik“ gegen Strauß vertretenen apologetischen Standpunkts in der Religi-
onsphilosophie435 – fasst Bauer das Alte und das Neue Testament als zwei
bestimmte Entwicklungsstufen des menschlichen Geistes und zeitbedingte
141

unangemessene Erscheinungen der absoluten Wahrheit auf, die auf Grund


ihrer Relativität noch einen Widerspruch in sich tragen („... Durch diese
Natur ihres Inhalts verfällt die Offenbarung in Widersprüche“436).
Wie Bauer weiter in einer Schrift gegen Hengstenberg ausführt, gilt ihm
das jüdische Gesetz als „eine Schranke für den Gedanken des Universa-
lismus“, die als solche im evangelischen Bewusstsein hervorgetreten sei.437
Im Verhältnis zum Judentum erreiche das Christentum eine „höhere All-
gemeinheit“; den Gegensatz des Göttlichen und Menschlichen löse das
christliche Bewusstsein auf, „ohne aus dieser Auflösung eine neue religiö-
se Trennung und Entfremdung hervorgehen zu lassen.“438
Aber das als Rückzug aus der römischen Welt sich bildende Christen-
tum – dessen Freiheit von natürlichen und nationalen Schranken sich in
der griechischen und hellenistischen Philosophie ankündigt – hat für Bau-
er den Widerspruch an sich, dass seine innere Freiheit „zugleich die Frei-
heit von den großen sittlichen Interessen der Welt überhaupt, von Kunst
und Wissenschaft“ und als „übermenschliche Freiheit“ der „wahren
menschlichen Freiheit“ entgegengesetzt sei439, so dass er die christliche
Religion die „abstrakte Religion“ nennt, die einerseits „Natur und Kunst,
Familie, Volk und Staat“ absorbierte, aber andererseits das als einzige
Macht übrig gebliebene leere allgemeine Ich nicht in seiner Macht anzuer-
kennen wagte, sondern „als eine fremde sich selbst gegenüberstellte und
dieser Macht gegenüber in Furcht und Zittern für seine Erhaltung und Se-
ligkeit arbeitete“, ohne die „reine und wahre Theorie“ zu erreichen.440
Vom gleichen Gesichtspunkt Partikularismus-Universalismus lässt sich
Bauer auch in der Schrift über „Die Judenfrage“ leiten: die Emanzipation
der Juden und der Christen als Christen – wie die Aufgabe aller religiösen
und politischen Privilegien, Prärogativen und Monopole – liege im Interesse
des allgemeinen Rechts des Menschen als Menschen, d. h. der Humanität,
und der allgemeinen Theorie. „Als Menschen können sich Juden und
Christen erst betrachten und gegenseitig behandeln, wenn sie das beson-
dere Wesen, welches sie trennt und zu ,ewiger Absonderung‘ verpflichtet,
aufgeben, das allgemeine Wesen des Menschen anerkennen und als ihr
wahres Wesen betrachten.“441
Die Judenfrage bildet für Bauer nur einen Teil des Gegensatzes zwi-
schen der allgemeinen „wahren Theorie“ und der Praxis des „gewöhnlichen
142

Lebens“. Nicht nur im christlichen preußischen Staat, sondern auch noch


im „juste milieu“ Frankreichs nach der Julirevolution mit seiner Trennung
von Kirche und Staat und mit gleichzeitiger praktischer Begünstigung der
christlichen Religion bestehe der „Widerspruch der Freiheit in der Theorie,
die sich in der Praxis desavouiert, und der Freiheit in der Praxis, die sich
in der Theorie, im Gesetz verleugnet“442, insofern das allgemeine Gesetz
nicht die Freiheit von den bestimmten religiösen Gegensätzen, Parteiungen
und Kollisionen des praktischen Lebens (zwischen Juden und Christen)
durchsetzt, sondern diese duldet und deshalb unfrei ist.
Hiermit zeigt sich, dass Bauer nicht nur die politische, sondern auch
die allgemein menschliche Emanzipation anstrebt, mit der die Existenz von
Partikularitäten unvereinbar ist.443 Mit dem Ziel der praktischen Durch-
führung der menschlichen Emanzipation, des Humanismus, haben Bauer
und Marx in formaler Hinsicht die gleiche Aufgabenstellung. Der inhaltli-
che Unterschied aber ist: für Bauer bleibt schließlich die menschliche E-
manzipation vor allem religiöse Emanzipation und ist gleichbedeutend mit
der politischen Emanzipation, während Marx dagegen in seiner Antwort-
schrift „Zur Judenfrage“ den politischen Staat selbst im Namen der gesell-
schaftlichen Emanzipation kritisiert („... so finden wir Bauers Fehler darin,
dass er nur den ,christlichen Staats‘, nicht den ,Staat schlechthin‘ der Kri-
tik unterwirft, dass er das Verhältnis der politischen Emanzipation zur
menschlichen Emanzipation nicht untersucht und daher Bedingungen
stellt, welche nur aus einer unkritischen Verwechselung der politischen
Emanzipation mit der allgemein menschlichen erklärlich sind.“444) Dabei
tritt bei Marx an Stelle des Gegensatzes politischer Staat –religiöses Leben
(als Stufen der Entwicklung des Selbstbewusstseins) der Dualismus politi-
scher Staat – bürgerliche Gesellschaft (als Resultat der realen Geschichte).
Und die Methode der Negation der Spaltung, der Praktizierung der
menschlichen Emanzipation – des Humanismus – wird bei Marx anstelle
der reinen Kritik des autonom Denkenden die sinnlich-gegenständliche
Kritik der proletarischen Revolution.
Somit bleibt Bauer in größerer Nähe zu Hegel: er erkennt einerseits wie
dieser das partikulare „egoistische Treiben der bürgerlichen Gesell-
schaft“445 und erwartet andererseits wie dieser seine Überwindung vom
Staat als „objektive Existenz der Allgemeinheit des befreiten Selbstbe-
143

wusstseins“: „Das letzte, aber freilich auch Schwierigste, was dem Staat...
noch übrigbleibt, ist die Befreiung der bürgerlichen Heloten, welche täglich
mit der Materie zu kämpfen haben, für das Allgemeine die Sinnlichkeit ü-
berwinden, ohne für ihre Person in diesem Kampfe des Allgemeinen, dem
sie dienen, sich wahrhaft bewusst zu werden.“446
Zwischen Bauer und Marx bestehen weitere formale Parallelen darin,
dass für beide die Entmenschlichung und Entfremdung jeweils total, auf
die Spitze getrieben, erscheinen muss, bevor sie umschlagen kann zur völ-
ligen Wiederaneignung des Menschen447, worin sich eine Gemeinsamkeit
sowohl der idealistischen als auch der materialistischen Dialektik bekun-
det; ebenso ist ein gemeinsames Erbe der Hegelschen Maxime der „Durch-
führung“ des Prinzips die Abneigung gegen „die Gleichgültigkeit gegen das
Detail und die Verehrung der Phrase“448 sowie gegen die erbauliche sal-
bungsvolle Abschwächung, Beschönigung, Einebnung und Harmonisie-
rung von Gegensätzen. Weiter sind für Bauer und Marx nicht nur die Un-
terprivilegierten, sondern auch die Privilegierten selbst entfremdet.449 Und
beide stimmen überein in der Auffassung, dass die Kritik der Religion be-
endet sei. Im übrigen kommt Bauer Marx’ Auffassung von dem Zusam-
menhang zwischen gesellschaftlicher und religiöser Entfremdung nahe
(und beleuchtet gleichzeitig seinen Kampf gegen die Religion), wenn er
sagt: „Das religiöse Vorurteil ist die Basis des bürgerlichen und politi-
schen, aber die Basis, die das letztere, wenn auch bewusstlos, sich selbst
gegeben hat. Das bürgerliche und politische Vorurteil ist der Kern, den das
religiöse nur umschließt und schützt. Die Methode des Kampfs gegen die
bürgerliche und politische Unterdrückung, wie ihn die Geschichte bisher
geführt hat..., bestand daher darin, dass die religiöse Voraussetzung jener
Unterdrückung angegriffen und aufgelöst wurde.“450
Indem Bauer mit Hilfe seiner Kritik die Destruktion jeder fixen Partiku-
larität der geschichtlichen Entwicklung des Selbstbewusstseins anstrebt,
geht es ihm zugleich um die fortschreitende Entfaltung der menschlichen
Möglichkeiten in ihrer Totalität. In Übereinstimmung mit der Hegelschen –
von Herder ausgehenden – Erkenntnis betont Bauer: „Der Mensch ist als
Mensch kein Naturprodukt, sondern das Werk seiner eigenen Freiheit.
Menschen werden nicht geboren, sondern gebildet.“451 Kritik und Selbst-
verwirklichung des Menschen gehören also zusamen. Dies ist in formaler
144

Hinsicht die gemeinsame Auffassung aller Junghegelianer. Insofern weiter


die durch Kritik vorangetriebene Selbstverwirklichung als Entwicklung des
Ganzen die Wahrheit ist, lassen sich Kritik, Selbstverwirklichung und
Wahrheit zusammenfassen und kann Bauer sagen: „... die Wahrheit ist
nicht, sie wird nur, sie ist also nur in der Geschichte und durch die Ge-
schichte, in der Kritik und durch die Kritik.“452
145

VII. Stirners anarchistische Konzeption der egoistischen Revolte und


des willkürlichen Denkens

Der extremen Abstraktion des Allgemeinen in der kritischen Theorie


Bauers setzt Max Stirner die extreme Abstraktion des einzelnen entgegen.
Um die wirkliche Vereinzelung und den Egoismus zu überwinden, verzich-
tet Bauer asketisch – die Vertröstungen der jakobinischen Tugendlehre
wiederholend unbekümmert um Heines Forderung nach dem „Wohlsein
der Materie“ – auf die individuelle Freiheit und das Glück des einzelnen
zugunsten des Allgemein-Vernünftigen; um die individuelle Freiheit und
das Glück des einzelnen zu erreichen, verwirft Stirner hedonistisch das
Allgemein-Vernünftige zugunsten der wirklichen Vereinzelung und des E-
goismus. Weder Bauer noch Stirner gewinnt eine Konzeption eines allge-
mein vernünftigen objektiven Glücks und einer verbindlichen Freiheit.
Wie aus dem Aufbau seines Hauptwerkes „Der Einzige und sein Eigen-
tum“ (1844) hervorgeht, sieht Stirner in Bauer – wie er Mitglied der Berli-
ner „Freien“453 – seinen unmittelbaren Vorgänger, aus dessen Konzeption
er die Konsequenzen zieht: bevor Stirner im zweiten Teil unter der Über-
schrift „Ich“ seine eigene Anschauung entwickelt, behandelt er am Schluss
des ersten Teils, betitelt „Der Mensch“, Bauers „humanen Liberalismus“.
Während Bauer die Partikularität mittels der permanenten „reinen Kri-
tik“ in die Universalität des Humanismus aufheben will, spitzt Stirner – in
dem Bestreben radikaler Destruktion der Substantialität oder Objektivi-
tät – in seiner „interessierten Kritik“454 die Partikularität zur Singularität
des Ichs zu. Stirner geht zurück auf das Individuum, den „Einzigen“, der
jeden anderen ausschließt und unvergleichlich ist: „Man soll sich nicht für
,etwas Besonderes‘ halten, wie z.B. Jude oder Christ. Nun, Ich halte Mich
nicht für etwas Besonderes, sondern für einzig. Ich habe wohl Ähnlichkeit
mit Andern; das gilt jedoch nur für die Vergleichung oder Reflexion; in der
Tat hin ich unvergleichlich, einzig.“455
Alle notwendigen Beziehungen der Individuen untereinander lässt Stir-
ner zusammen schrumpfen in einer „Nullpunktexistenz“, in dem Punkt der
Identität des jeweiligen Individuums, das – wie jedes Objekt des Univer-
sums – gemäß dem Leibnizschen „principium identitatis indiscernibilium“
mit nichts anderem gänzlich übereinstimmt. Wegen der Einzigkeit der In-
146

dividuen und des Fehlens eines „tertium comparationis“ zwischen ihnen


will Stirner nicht einmal die Anwendung der Kategorie des Gegensatzes auf
sie zulassen. Dementsprechend anerkennt er auch keine überpersönlichen
sachlichen sich verselbständigenden Zwänge, durch die die ungeschichtli-
chen, traditions- und zukunftslosen Monaden miteinander vermittelt wä-
ren.
Gemessen am einzelnen leibhaftigen vergänglichen Individuum gelten
Stirner die menschliche Gesellschaft und das allgemeine Selbstbewusst-
sein in Bauers Kritik sowie der Staat und das Recht in der Lehre des poli-
tischen Liberalismus und die sozialistische Gesellschaft in der Theorie der
utopischen Kommunisten – ebenso wie Hegels Weltgeist und Feuerbachs
Gattungswesen – als Scheinexistenz, als illusionärer „Geist“ und fiktive
„Idee“, als „Fremdes“, „Heiliges“, „Gespenst“ und Residuum des religiösen
Glaubens an das Jenseits.
Somit ist für Stirner der Hauptmangel auch der Bauerschen Kritik,
dass sie auf dem Boden des Gedankens und in seiner Abhängigkeit bleibt,
obgleich sie antidogmatisch ist, insofern sie alle gedanklichen Fixierungen
unaufhörlich im Denkprozess auflöst: „Die Denkfreiheit ist hierdurch in
der Tat vollkommen geworden, die Geistesfreiheit feiert ihren Triumph:
denn die einzelnen, die ,egoistischen‘ Gedanken verloren ihre dogmatische
Gewalttätigkeit. Es ist nichts übriggeblieben als das – Dogma des freien
Denkens oder der Kritik.“456 Umgekehrt ist für Bauer Stirners „Einziger“
der „letzte Zufluchtsort in der alten Welt“ der Herrschaft der Substanz.457
Diese Kritik an Bauer übt Stirner noch nicht in seiner Rezension der
„Posaune“, in der er besonders mit Bauers Entgegensetzung von Religion
und Philosophie übereinstimmt.458 Ebenso anerkennt er noch Bauers und
Feuerbachs Humanismus im von der Zensur verbotenen „Gegenwort“
(1842), worin er im Namen des „reinen“ oder „wahrhaft“ Menschlichen po-
lemisiert und die Erweckung des Bewusstseins über die „voraneilenden
Taten“ verlangt: „Die Gegenwart fordert das rein Menschliche, das allein
das wahrhaft Göttliche ist, sie fordert nicht Frömmigkeit, sondern Sittlich-
keit und Vernünftigkeit... Begeisterung für die ewig gegenwärtige Welt des
Wollens und Handelns, nicht blind ergebene Sehnsucht nach dem Jen-
seits.“459 Aber in dem wenige Monate später in der „Rheinischen Zeitung“
veröffentlichten Artikel über „Das unwahre Prinzip unserer Erziehung oder
147

der Humanismus und Realismus“ nähert sich Stirner schon weitgehend


dem Standpunkt seines Hauptwerks.
Während Bauers Kritik auf der Ebene des Gedankens bleibt, ist das
„Ich“ nach Stirners Anspruch kein Gedanke. Das „Ich“ ist als das Einmali-
ge, Einzige, „solus ipse“, das Unausdrückbare, „ineffabile“ (und im Ver-
hältnis zum allgemeinen Wesen des Menschen der „Unmensch“), das sich
in Wahrheit nicht durch philosophische Theorie näher entwickeln und
bestimmen lässt, sondern nur tautologische Urteile zulässt: „An Mir, dem
Unnennbaren, zersplittert das Reich der Gedanken, des Denkens und des
Geistes.“460 Das Individuum ist gegenüber jeder Prädizierung inkommen-
surabel und liegt jeder gedanklichen Konstruktion voraus; es ist in diesem
Sinne alogisch, irrational. Allgemeine Aussagen treffen zwar nach Stirner
bestimmte Seiten am Individuum – zum Beispiel „das Menschliche“ –, aber
nicht das, was dieses konstituiert.461
Dass das leibhaftige „Ich“, über das Stirner spricht, sich nicht stumm
zeige, sondern auch nur wiederum – wie sein Prädikat „Einziges“ – ein all-
gemeiner Gedanke sei und Stirners Individualismus ein Dogma sei, wen-
den gegen Stirner Szeliga, Heß, Kuno Fischer und Karl Schmidt ein.462
Aber Stirner ist zuzugestehen, dass sein „Ich“ und sein Individualismus
weder Dogma noch Prinzip oder Kategorie im eigentlichen Sinne sind, son-
dern inhaltlose nichtssagende „Phrase“, „flatus linguae“ in nominalisti-
scher Bedeutung. Stirner kann seinen Kritikern nämlich entgegenhalten:
„Was Stirner sagt, ist ein Wort, ein Gedanke, ein Begriff, was er meint, ist
kein Wort, kein Gedanke, kein Begriff. Was er sagt, ist nicht das Gemeinte,
und was er meint, ist unsagbar.“463
Während für Bauer die gedankliche Kritik die unerlässliche Vorbedin-
gung wirklicher Befreiung ist, befreit sich nach Stirner das unsagbare Ich
von allen Entfremdungen und Scheinexistenzen und wird der „Eigner“ sei-
ner selbst durch „Nichtphilosophie“, d. h. durch Sprachloswerden, Gedan-
kenlosigkeit und Unbedenklichkeit. Wenn es dennoch nicht auf das Den-
ken verzichtet, so erhält doch das Denken den Rang der Gedankenlosig-
keit; es wird degradiert zu einer „Sache des egoistischen Beliebens, einer
Sache des Einzigen, gleichsam zu einer bloßen Kurzweil oder Liebhaberei“,
zu einem Denken, „welches nicht Mich leitet, sondern von Mir geleitet,
fortgeführt oder abgebrochen wird, je nach meinem Gefallen... Das
148

,absolute Denken‘ ist dasjenige Denken, welches vergisst, dass es mein


Denken ist, dass Ich denke und dass es nur durch Mich ist. Als Ich aber
verschlinge Ich das Meinige wieder, bin Herr desselben, es ist nur meine
Meinung, die ich in jedem Augenblicke ändern, d. h. vernichten, in Mich
zurücknehmen und aufzehren kann.“464 Stirner verabsolutiert somit die
Tatsache, dass sich in der Tätigkeit des Denkens das Moment des Willens
insofern findet, als wir uns willentlich auf theoretische Überlegungen kon-
zentrieren und absichtlich allgemeine gedankliche Inhalte einprägen und
lernen sowie reproduzieren können. Stirner abstrahiert und verabsolutiert
die richtungsweisende und auswählende Aktivität der Aufmerksamkeit, die
die theoretische Aufnahme des objektiven Inhalts begleitet. (Schon die
„sensation“, die Sinneswahrnehmung, ist, wie Locke zeigte, im Gegensatz
zu der „reflection“, der Introspektion, nicht nur vom Willen abhängig.)
In dem Bestreben, das überpersönliche Denken, das Denken als „eigene
handelnde Persönlichkeit“ – besonders die Selbstbewegung des absoluten
Geistes in der Hegelschen Spekulation zu negieren, macht Stirner das ein-
zelne unvermittelte scheinbar autarke Ich – abgetrennt von Geschichte
und Gesellschaft zum Herrn, Schöpfer und „Eigentümer“ des Denkens, so
dass dieses im Ich seine einzige Voraussetzung hat, nur dessen selbst ge-
stellte „private“ Aufgaben betrifft und zu dessen „Selbstgenuss“ und
Machtausübung dient. „Für mein Denken ist... der Anfang nicht ein Ge-
danke, sondern Ich, und darum bin Ich auch sein Ziel, wie denn sein gan-
zer Verlauf nur ein Verlauf meines Selbstgenusses ist; für das absolute
oder freie Denken ist hingegen das freie Denken selbst der Anfang...“465
Das Denken wird bei Stirner zu einer Funktion und einem Instrument der
Willkür des individuellen Willens.
Mit diesem Voluntarismus wird Hegels dialektische Verknüpfung von
Geist und Willen – die Bestimmung des Willens als die Entäußerung des
Geistes – aufgelöst, d. h. die Grundlage der Hegelschen Konzeption der
Einheit von Theorie und Praxis, von Innen und Außen, zerstört, und damit
zugleich der Geschichte die Vernünftigkeit aberkannt. Infolgedessen kön-
nen die individuellen Willenshandlungen nicht mehr so verstanden wer-
den, dass sie die Freiheit des subjektiven, objektiven und absoluten Geis-
tes verwirklichen.
149

Den individuellen, endlichen, beschränkten Willen spielt Stirner gegen


das Wissen schon in dem Artikel „Das unwahre Prinzip unserer Erziehung
oder der Humanismus und Realismus“ aus. Hierin fordert er die Zurück-
führung des Wissens auf das Wollen: „... das Wissen muss sterben, um als
Wille wieder aufzuerstehen und als freie Person sich täglich neu zu schaf-
fen.“466 An die Stelle der exklusiven gelehrten humanistischen formellen
Bildung und der nachrevolutionären allen zugänglichen praktisch-
realistischen materiellen Bildung habe die „persönliche und freie“ Bildung
zu treten, die – ohne „Dressur“ und Autorität – die Selbständigkeit und
Selbstbetätigung der Individuen anziele und damit die „höchste Praxis...,
dass ein Mensch sich selbst offenbart“. In der wieder erreichten „Naivität“
höre dann das Wissen auf, „ein Haben und Besitz“ zu sein (was auch für
Burckhardt und Nietzsche ein Kennzeichen der von ihnen bekämpften his-
torischen Bildung ist), hafte nicht an Objekten, sondern konzentriere sich
auf die vergängliche „Existenz“467 und schwinde in „dem unsichtbaren
Punkt des Ichs“ zusammen, das das „schöpferische Nichts“ sei.468
Dieser irrationale Voluntarismus scheidet also das Dass vom Was, ne-
giert jede allgemeine objektive Vernünftigkeit und Gesetzlichkeit, verabso-
lutiert das Individuelle, Einmalige, Faktische und muss somit zur Konse-
quenz haben, dass der einzelne Mensch – theoretisch desorientiert – auf
Grund einer unbegründbaren absoluten bodenlosen Entscheidung handelt
und gleichsam von Anfang an in der Grube des Thales liegt. Dagegen wies
Hegel gerade auf, dass kein Individuum isoliert für sich existiert, das nicht
vom Allgemeinen durchdrungen wäre.
Ohne den Begriff des konkreten Allgemeinen zu behandeln, fasst Stir-
ner das Allgemeine, das er als Entfremdung perhorresziert, von vornherein
nur als abstraktes Ideal und Normativ (der uneigennützigen Hingabe und
Aufopferung) außerhalb des Individuellen. Er nähert sich dem Sensualis-
mus Lockes, insofern auch für diesen – in der Nachfolge des franziskani-
schen Scholastikers Duns Scotus – die Universalien nicht zur realen Exis-
tenz hinzu gehören, sondern Verstandeserfindungen sind, „the inventions
and creatures of the understanding, made by it for its own use, and con-
cern only signs, whether words or ideas.“469 Auch für Nietzsche sind Beg-
riffe „konventionelle Fiktionen“; aber er leitet ihre Herkunft von vitalen Be-
dürfnissen ab und sieht als ihr Kriterium an, ob sie „lebensfördernd“ und
150

„arterhaltend“ sind.470 Infolgedessen findet hier ein Vergleich mit Stirner,


wie er oft angestellt wird, seine Grenze. Darüberhinaus ist Stirners früh-
bürgerliches Einzelgängertum jenseits von Christentum und Sozialismus
ein negativ heldisches Sektierertum und noch nicht mit der Entschlossen-
heit zu heroischem Leben und elitärer Herrschaft verbunden.
Wer auf dem Boden des Allgemeinen bleibt, setzt nach Stirner in säku-
larisierter Gestalt das christliche Liebesprinzip, das „wahre Sozialprinzip“,
fort, das gegenüber dem Egoismus in Bauers „dienstbarer“ kritischer The-
orie „zum reinsten Vollzug“ komme.471 Schon in dem Artikel „Einiges Vor-
läufige vom Liebesstaat“ stellt Stirner einander gegenüber die entfremdete
Tätigkeit, die auf der Liebe gründet, sich nach anderen Menschen richtet
und in dieser Weise heteronom ist, und die gleichsam passionslose Tätig-
keit, die insofern autonom ist, als sie aus der Selbstsucht entspringt, und
die er deutet als absolute Selbstbestimmung, spontane Selbstschöpfung
und Souveränität in der Willkür des Willens: „... der Liebende lässt sich
bestimmen, bestimmen durch den Geliebten. Der freie Mensch dagegen
bestimmt sich weder durch noch für einen andern, sondern rein aus sich;
er vernimmt sich und findet in diesem Selbstvernehmen den Antrieb zur
Selbstbestimmung: nur sich vernehmend, handelt er vernünftig und
frei.“472 (In der Tat bezeugt die Liebe, dass das Individuum sich nicht abso-
lut selbst bestimmt und nicht in Stirners Sinne Schöpfer und Geschöpf
ineins ist.) In Hinblick auf die so als Willkür verstandene Freiheit des Indi-
viduums verurteilt Stirner sowohl den christlichen Staat der Liebe als
auch den nachrevolutionären Staat mit seinem Prinzip der Gleichheit und
allgemeinen Freiheit, die beide die Autarkie des einzelnen Willen ein-
schränken.
Damit kehrt sich Stirner – im Gegensatz zu den anderen Junghegelia-
nern – gänzlich von Hegels Erkenntnis ab, dass das Individuum sich nicht
verwirklichen kann, wenn es die objektive Stufe der geschichtlichen und
gesellschaftlichen Notwendigkeiten zu überspringen sucht, dass die Will-
kür, die auf einen zufälligen Inhalt gerichtet ist, nur die abstrakte inhalts-
lose Freiheit ist, und dass die konkrete Freiheit in einem praktischen und
theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess errungen werden muss,
in dem das Subjekt niemals so expansiv wird, dass es sich nicht auch als
Objekt erführe.
151

Vom Standpunkt der „schöpferischen Allmacht“ des Individuums aus


betrachtet Stirner ebenfalls in seiner Rezension „Das Mysterien von Paris.
Von Eugène Sue“ (ein Roman, der auch von Szeliga in Bauers „Allgemeiner
Literatur-Zeitung“ und darauf von Marx und Engels in der „Heiligen Fami-
lie“ behandelt wird) Liebe, Tugend, Sittlichkeit, „philanthropische Reform-
tätigkeit“ und den „Kultus des Guten“ – in der gleichen Weise wie die Fixie-
rung an das Laster – als Entfremdungen, die das soziale Elend nicht besei-
tigen können. „Nicht krank ist unsere Zeit, um geheilt zu werden, sondern
alt ist sie und ihr Stündchen hat geschlagen.“473
Das heißt für Stirner in seinem Hauptwerk: der Egoismus muss an die
Stelle des Idealismus treten, der gekennzeichnet wird durch Abhängigkeit
von den Gedanken. Dieser christlich-neuzeitliche Idealismus folgt in Stir-
ners negativ-dialektischer Konstruktion der Geschichte auf den Realismus
des Altertums, der durch Abhängigkeit von den Dingen definiert wird. In
dieser Weise schematisiert Stirner den – implizit teleologisch gedeuteten –
Verlauf der Geschichte in Analogie zu den Bewusstseinsstufen der Le-
bensalter und in Abänderung ihrer Einteilung durch Hegel: „Knaben hat-
ten nur ungeistige, d. h. gedankenlose und ideenlose, Jünglinge nur geisti-
ge Interessen; der Mann hat leibhaftige, persönliche, egoistische Interes-
sen.“474 Stirner denkt nicht daran, an die Stelle einer negierten Abhängig-
keit von Gedanken und Dingen die Abhängigkeit in Gestalt der Brüder-
lichkeit anzuerkennen.
In Stirners Ansicht, dass das mannhafte egoistische scheinbar autarke
Individuum, das sich von den idealistischen Entfremdungen befreit hat, in
jedem Augenblick vollkommen Mensch ist, ohne reale unentfaltete Mög-
lichkeiten, unerschlossene Kapazitäten, aktualisieren und vergegenständ-
lichen zu müssen („Wir sind allzumal vollkommen! Denn wir sind jeden
Augenblick alles“475), das heißt: in Stirners Gleichsetzung von Dasein und
Wesen dokumentiert sich am deutlichsten die Auflösung des Hegelianis-
mus und der aus seinem Geiste geborenen Kritik; denn alle Dialektik und
subjektive sowie objektive Kritik (ebenso wie alle Hoffnung und bestimmte
Forderung) basieren auf der Entzweiung, d. h. auf der Differenz zwischen
Rationalem und Realem, zwischen Wesen und Erscheinung, Begriff und
Existenz, Möglichem und Wirklichem, so dass der Kritiker verwandt er-
scheint mit dem sentimentalischen Dichter im Schillerschen Sinne, der –
152

im Gegensatz zu dem als „ungeteilte Einheit“ wirkenden naiven Dichter –


die verlorene Einheit „aus sich selbst wiederherzustellen“ und die Be-
schränktheit in einem unendlichen Prozess zu überwinden sucht; Stirner
kann dagegen nicht die Phantasie gegen die Realität mobilisieren.
Ausdrücklich verwirft Stirner den Begriff der realen Möglichkeit, der
Dynamis im Unterschied zur Energeia: „Möglichkeit und Wirklichkeit fal-
len zusammen.“476 Für ihn ist also Möglichkeit nur im Kantischen Sinne
das widerspruchsfrei Denkbare; und er würde in der Kontroverse des Aris-
toteles mit den Megarikern in dieser Frage der realen oder formalen Mög-
lichkeit auf deren Seite stehen.
Stirner reduziert den Menschen auf die Stufe von Pflanzen und Tieren:
„Ein Mensch ist zu nichts ,berufen‘ und hat keine ,Aufgabe‘, keine
,Bestimmung‘, so wenig als eine Pflanze oder ein Tier einen ‚Beruf‘ hat...
Wie nun diese Rose von vornherein wahre Rose, diese Nachtigall stets
wahre Nachtigall ist, so bin Ich nicht erst wahrer Mensch, wenn ich mei-
nen Beruf erfülle, meiner Bestimmung nachlebe, sondern von Haus
,wahrer Mensch‘.“477 Stirner gibt damit die von Herder begründete und von
Hegel vertiefte geschichtliche Anthropologie preis, die auf Grund der Ana-
lyse der geistig-leiblichen Konstitution des Menschen zu der Erkenntnis
kommt, dass der Mensch nicht fertig, festgestellt und einfach vorgegeben
ist, sondern dass er aufgegeben und Resultat dessen ist, wozu er sich ver-
wirklicht und bestimmt.
Implizit führt Stirner aber selbst eine Unterscheidung zwischen Sein
und Sollen durch seinen Entwurf der „Empörung“ ein.478 Mittels der Em-
pörung oder der individuellen Revolte solle sich der einzelne befreien von
dem „Druck der Verhältnisse“ und der Vormundschaft aller allgemeinen
Instanzen der Restriktion und Repression, die ihn gleichsam von der ers-
ten Person zur dritten machen und in den Akkusativ setzen. Das monolit-
hische Verhalten wird rissig.
Diese Revolte des neinsagenden unbotmäßigen und ungeselligen Dissi-
denten, des Individuums, das die angeschulte Geduld und Anstelligkeit
verloren hat, ist keine politische oder soziale Insurrektion, sondern ein an-
tikonventioneller Protest als eine Aktion der Selbstbefreiung, die weder
göttliche Gnade noch menschliche Teilnahme erhofft. Ausdrücklich unter-
scheidet sie Stirner von der Revolution unter dem Aspekt, dass die Revolu-
153

tion nur den Bürger, nicht aber das Individuum befreie und dass die Re-
volte keine neuen Einrichtungen an die Stelle der bekämpften bestehenden
setzen wolle.479 Stirner will sich überhaupt keiner politisch-sozialen Orga-
nisation anschließen und an keine vorliegenden Voraussetzungen anknüp-
fen, also keine auch nur partielle Identifikation mit den bestehenden Ver-
hältnissen eingehen, d. h. keine vermittelnden Kompromisse schließen,
sondern alternativ „alles oder nichts“ (was auf pädagogisch-
psychologischer Ebene vergleichbar ist mit der Haltung der totalen Distan-
zierung der Kinder von den Eltern als das eine Extrem zu dem anderen
Extrem der totalen Identifizierung, die beide die Mitte der mit Selbstbe-
hauptung verbundenen Anerkennung verfehlen, oder was auf ökonomi-
scher Ebene vergleichbar ist mit der Negation der Komplementarität von
Stabilität und Flexibilität).
Dieser unpolitische antiinstitutionelle kompromisslos destruktive Anar-
chismus Stirners ist somit zu unterscheiden vom Typ des kollektiv-
sozietären Anarchismus vor allem Proudhons, Bakunins, Kropotkins und
anderer, deren Anhänger als „libertäre“ Sozialisten auftreten gegen die „au-
toritären“ und „doktrinären“ „Staatssozialisten“480 (und den Marx in der
ersten Internationale bekämpft und Lenin als „linken Radikalismus, die
Kinderkrankheit des Kommunismus“, zurückweist481). Stirner verbindet
aber mit den meisten Anarchisten – außer der Ablehnung jedes Staates als
totalitär – die Negation aller bürokratisch-administrativen Apparate, aller
disziplinierten und hierarischen Organisationen sowie aller etablierten Pri-
vilegien. (Wie der Anarchismus in Chauvinismus umschlagen kann, findet
sich literarisch dargestellt in Arno Holz’ Drama „Sozialaristokraten“.)
Die individuelle Revolte setzt Stirner gleich mit dem Krieg aller gegen al-
le. In ihm gilt die egoistische Maxime des amoralischen Verfolgens der je-
weils eigenen Interessen und der gewaltsamen usurpatorischen Aneignung
„Greife zu und nimm, was Du brauchst... Ich allein bestimme darüber,
was ich haben will.“482 Mit Hilfe dieser Praxis der Revolte, nicht aber nach
den Anleitungen der utopischen Sozialisten und Kommunisten, lasse sich,
so behauptet Stirner, auch die Eigentumsfrage lösen: „Die Armen werden
nur frei und Eigentümer, wenn sie sich – empören, emporbringen, erhe-
ben.“483 Noch im Namen der Vernunft dagegen fordert William Godwin un-
ter dem Einfluss der von ihm übersetzten französischen Enzyklopädisten
154

in seiner Schrift „Enquiry concerning political justice and its influence on


general virtue and happiness“ (1793) den freiwilligen Ausgleich des Ein-
kommens und des Eigentums, des „Schlusssteins“ am „Gebäude der poli-
tischen Gerechtigkeit.“ Während für Hegel der Egoismus der konkurrie-
renden Privatinteressen nur die bürgerliche Gesellschaft, das „System der
Bedürfnisse“, bestimmt, im Staat aber mit den Allgemeininteressen ver-
söhnt wird, gewinnt für Stirner der Egoismus – in Gestalt der individuellen
Revolte – als scheinbar natürliche Konstante und invariante Struktur des
Menschen universale Bedeutung. Stirner selbst will allerdings nicht wahr-
haben, dass er nur die von Hegel analysierten – geschichtlich gewordenen
– schon vorhandenen Triebfedern der bürgerlichen Gesellschaft verabsolu-
tiert. Er beruft sich dabei darauf, dass in der bürgerlichen Gesellschaft die
egoistischen Beziehungen der Menschen untereinander noch entfremdet
seien, d. h. allgemein-rechtlich vermittelt und von Staats wegen sanktio-
niert seien statt ausschließlich auf Gewalt zu beruhen: „Worüber man Mir
die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt mein Eigentum; wohlan,
so entscheide die Gewalt über das Eigentum, und Ich will alles von meiner
Gewalt erwarten!“484
Mittel zur Durchsetzung der egoistischen Interessen der Individuen ist
für Stirner der „Verein“, eine lockere freiwillig-spontane Assoziation (nach
dem Vorbild der Berliner „Freien“). Dieser Verein von Egoisten sei die „Auf-
lösung der Gesellschaft“, deren Mitglieder durch ein geistiges substantiel-
les Band zusammen gehalten würden. Der Verein schränke zwar auch die
Freiheit, aber nicht die „Eigenheit“ der Individuen ein, und bleibe stets ihre
eigene Schöpfung.485
Mit dieser Skizze des Vereins muss Stirner ungewollt selbst die behaup-
tete Unvergleichbarkeit der Individuen antasten, was auch dadurch zum
Ausdruck kommt, dass er im Verein das Geld beibehalten wissen möchte,
das Äquivalent der Güter und Leistungen schlechthin.486
Stirner nimmt an, dass die Revolte der sich zeitweilig im Verein zu-
sammenschließenden Individuen – wozu auch ein unorganisierter Streik
gehören kann487 – zur Negation des Bestehenden führe, „eine Umwandlung
der Zustände zur unvermeidlichen Folge“ habe: „Verlasse ich das Beste-
hende, so ist es tot und geht in Fäulnis über.“488
155

In welcher Weise aber diese Opposition in Gestalt der Empörung –


ebenso wie die radikale Negation der Bauerschen Kritik – die Position und
Toleranz der Realität ist, wird deutlich, wenn Stirner (in Konsequenz der
Tilgung der Differenz zwischen Vernunft und Wirklichkeit) selbstzufrieden
die Tätigkeit des Ich hauptsächlich als Genuss und Selbstgenuss be-
stimmt, d. h. als Gebrauchen und Verzehren des Vorhandenen, wie es ist
und wie es durch verfügende Macht zum Eigentum geworden ist, ohne
dass Stirner den Aspekt des Sichversagens gegenüber fremden Ansprü-
chen hervorheben würde, das im Genuss und Vergnügen wie auch in
künstlerischen formalistischen betont unnützlichen Spielereien liegen
kann.489490
Sowohl auf die Dinge als auch auf die anderen Menschen bezieht Stir-
ner diese utilitaristische Einstellung, deren Maßstab die Brauchbarkeit,
der Nutzen, die Exploitation ist (und zwar in allgemeiner Form, ohne wie
bei Jeremy Bentham und James Mill einen speziell ökonomischen Inhalt
zu haben): „Mir bist Du nur dasjenige, was Du für Mich bist, nämlich mein
Gegenstand, und weil mein Gegenstand, darum mein Eigentum.“490 Sogar
Kant hatte noch in der Beziehung der Ehepartner den „wechselseitigen Be-
sitz ihrer Geschlechtseigenschaften“ zugestanden.
Vergleichbar mit de Sade entwürdigt Stirner das Subjekt zum Objekt,
das Fürsichsein zum Ansichsein, zum Abhängigen, Apathischen und Vor-
handenen, das verfügbar und ersetzbar, fungibel ist, und sanktioniert die-
ses Verhältnis, soweit es als solches schon besteht. Er betrachtet das pas-
sive behandelte Du nicht auch als zugleich aktives handelndes Ich, das
unantastbares Zentrum der authentischen Äußerung, der Selbsttätigkeit
und Selbständigkeit leibt, womit er die Ausgangssituation der Hegelschen
Herr-Knecht-Analyse wiederholt, fixiert und unentfaltet lässt, d. h. igno-
riert, dass der Herrschende selbst unfrei ist und erst frei wird in der die
Dissoziation aufhebenden Kommunikation und Solidarität der Freien.
Während der ebenfalls geschichtsfeindliche Individualist Schopenhauer
noch das, „was einer ist“ höher stellt als das, „was einer hat“ (zum Beispiel
in den „Aphorismen zur Lebensweisheit“), enthüllt sich das von Stirner als
sachfrei und unvermittelt konzipierte Verhältnis von Ich zu Ich gerade als
verdinglicht: alle Tätigkeiten des Ich sind für Stirner verobjektivierende
Akte. In Stirners Konzeption triumphiert die Kategorie des Habens über die
156

Kategorie des Seins, die Habsucht über die „Seinssucht“ (M. Heß), die Sa-
chenwalt über die Menschenwelt.
Gerade der radikale Subjektivismus, der die objektiven Inhalte zu über-
springen und die Subjekt-Objekt-Spannung sowie die Differenz von Begriff
und Realität zu negieren sucht, mündet in eine Verobjektivierung der Sub-
jekte ebenso wie auf der anderen Seite die Subjekt-Objekt-Beziehung, die
zur leeren Idealität ohne sorgende Umsicht überspannt ist.
Mit der bewusst angestrebten Verdinglichung menschlicher Beziehun-
gen verkehrt Stirner die Intentionen des Idealismus und will ihre „koperni-
kanische Wende“, in ethischer Hinsicht, nämlich dass der Mensch kein
Objekt der Willkür werden darf, rückgängig machen. Das führt dazu, dass
Stirner, um die idealistische als theologisch fundiert gedeutete Ethik ü-
berwinden zu können, im Grunde die Ethik überhaupt preisgibt: er findet
keinen Ausweg aus den beiden Extremen der unterwürfigen Anpassung
einerseits und des nihilistischen „Alles ist erlaubt,“ andererseits. Speziell
deutet er keinen Ausweg an aus dem Dilemma der vollständigen Unterdrü-
ckung und dem uneingeschränkten Gewährenlassen der Triebe, was bei-
des lediglich der Machtentfaltung des Ich dienen kann.
Wenn Stirner als notwendige Konsequenz der Revolte, des Sichheraus-
ziehens aus den bestehenden Verhältnissen (d. h. auch aus ihren Leis-
tungszwängen), eine praktische Veränderung der bestehenden Verhältnis-
se erwartet, so gilt ihm, dem antiintellektualistischen Intellektuellen, als
unerlässliche Vorbedingung dieser Revolte zwar nicht die gedankliche Kri-
tik im Bauerschen Sinne („Ein Ruck tut mir die Dienste des sorglichsten
Denkens, ein Recken der Glieder schüttet die Qual der Gedanken ab...“491),
aber doch auch eine Veränderung des Bewusstseins, nämlich die Beseiti-
gung des falschen Bewusstseins in Gestalt des „Sündenbewusstseins“,
und das ist die Beseitigung der Selbstvorwürfe, gleichsam verstanden als
Sanktionen einer Schizophrenie, sowie der Selbsttäuschungen, Vorurteile
und Fiktionen über die bestehenden Verhältnisse, besonders die Preisgabe
des Respekts und der Devotion zugunsten einer radikal antiautoritären
Willenshaltung. Die logische Negation gilt Stirner zugleich als ontologische
und axiologische Negation.
In diesem Sinne sagt Stirner zum Beispiel: „Gelangen die Menschen da-
hin, dass sie den Respekt vor dem Eigentum verlieren, so wird jeder Eigen-
157

tum haben, wie alle Sklaven freie Menschen werden, sobald sie den Herrn
als Herrn nicht mehr achten.“492492 Noch deutlicher wird der von Stirner
behauptete Zusammenhang zwischen Bewusstseinsveränderung, prakti-
scher Revolte und praktischer Umwandlung der bestehenden Verhältnisse,
wenn er sagt: „Die Arbeiter haben die ungeheuerste Macht in den Händen,
und wenn sie ihrer einmal recht inne würden und sie gebrauchten, so wi-
derstände ihn nichts: sie dürften nur die Arbeit einstellen und das Gear-
beitet als das ihrige ansehen und genießen.“493493
Die Hauptsache der Emanzipation ist also für Stirner eine Bewusst-
seinsleistung; psychoanalytisch ausgedrückt: Stirner meint sich als Ich zu
verwirklichen und die allgemeinen Ansprüche der Gesellschaft wirklich los
zu sein, sobald er sich mit seinem Über-Ich, in dem sie sich melden, nicht
mehr identifiziert. Daraus ist ersichtlich, weshalb Marx und Engels ihn in
der „Deutschen Ideologie“ vor allem unter dem Gesichtspunkt angreifen
können, er halte wirkliche – z.B. staatliche und soziale – entfremdete Ver-
hältnisse dadurch für auflösbar, dass man sie sich aus dem Kopf schlage,
eine Illusion, der vorausgehe die Verwandlung der wirklichen Verhältnisse
in gedankliche Verhältnisse, d. h. die Idealisierung der realen Verhältnisse
und ihre Verflüchtigung zu Scheinexistenzen. „Unsere ganze Darstellung
hat gezeigt, wie Sankt Sancho alle wirklichen Verhältnisse dadurch kriti-
siert, dass er sie für ,das Heilige‘ erklärt, und sie dadurch bekämpft, dass
er seine heilige Vorsellung von ihnen bekämpft.“494
Während Stirner nur die beiden früheren Abhandlungen von Marx in
den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ kennt495 und auf die „Deutsche
Ideologie“ nicht eingehen kann, da sie zu seinen Lebzeiten nicht veröffent-
licht wird, äußert er sich doch zu Moses Heß’ Schrift „Die letzten Philoso-
phen“ (1845), in der im wesentlichen das gleiche Argument angeführt wird,
und in dieser Weise indirekt zur „Deutschen Ideologie.“
Heß wirft nämlich Stirner die Verwechselung wirklicher Verhältnisse
mit Abstraktionen vor, als deren Konsequenz Stirner schließlich „mit der
transzendenten Humanität auch alle wirkliche Humanität“ zugunsten des
praktischen Egoismus verwerfe.
Heß’ Gedankengang sei etwas ausführlicher zitiert: „Nicht die gegensei-
tige Entfremdung der Menschen, sondern der theoretische Ausdruck die-
ser Entfremdung: Religion und Philosophie – nicht der Krieg aller gegen
158

alle, hervorgegangen aus der Vereinzelung und Entzweiung der Menschen


im Leben, sondern das sie begleitende böse Gewissen – nicht das Verbre-
chen nach oben und das Verbrechen nach unten, kurz, nicht der Egois-
mus hat den Pöbel und seine Zwingherren zur Welt gebracht, sagt Stirner,
sondern das ,Sündenbewusstsein‘, welches dazu kam, trägt allein die
Schuld! – Wenn du ein Bein gebrochen hast, und der Bruch verursacht dir
Schmerzen, und der Wundarzt legt einen Verband um den Bruch, so ist,
nach unseren Philosophen, nicht der Bruch, sondern die schmerzliche
Empfindung des Bruchs und der Verband die Ursache deines Übels!“496
Zugleich ist Stirner mit seiner Lehre des praktischen Egoismus (in Ent-
sprechung zu Bauer als „theoretischen Egoisten“) für Heß – ähnlich wie für
Marx – ein Ideologe der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft, der „sozialen
Tierwelt“, in der der Mensch im Geld seine äußerste Entäußerung hat.497
Heß steht in dieser Schrift auf dem Standpunkt der Feuerbachschen
Theorie des anthropologisch fundierten Humanismus, den er durch die
„wahre“ gesellschaftliche Vereinigung der Menschen im Sozialismus prak-
tisch negiert und verwirklicht wissen will, wodurch allein der Zwiespalt
zwischen der Theorie und der Praxis, d. h. zwischen dem allgemeinen Gat-
tungsmenschen des Staates und dem einzelnen leibhaftigen Menschen der
bürgerlichen Gesellschaft, überwunden werden könne.498
Den bestehenden Zwiespalt zwischen Theorie und Praxis betrachtet Heß
als Erbe des christlichen Dualismus des Göttlichen und Menschlichen.
Dessen Versöhnung, die in der Vergangenheit schon unbewusst im „alten
Bund“ bestanden habe, erwartet er in seiner ersten Schrift „Die heilige Ge-
schichte der Menschheit“ (1837) davon, dass die von Spinoza theoretisch
erkannte Harmonie des Göttlichen und Natürlichen durch bewusste Tätig-
keit in der sozialen Harmonie des „neuen Jerusalem“ realisiert werde („Ge-
läutert ist das alte Gesetz, dessen Leib mit Christus begraben wurde, in
Spinoza wieder auferstanden... Religion und Politik werden wieder eins
werden, Kirche und Staat sich wieder gegenseitig durchdringen.499)
Auf dem Übergang von diesem religiösen zum „wahren“ Sozialismus –
ausdrücklich anknüpfend an Cieszkowskis „Prolegomena zur Historio-
sophie“ und beeinflusst von Heines „Zur Geschichte der Religion und Phi-
losophie in Deutschland“ – postuliert Heß in seiner Schrift „Die europäi-
sche Triarchie“ (1841) die Einbeziehung der Zukunft in die Spekulation
159

und die Übersetzung der Hegelschen und junghegelianischen Theorie, die


die Einheit von Denken und Sein nur in theoretischer Gestalt erfassen, in
die Tat: „Die deutsche Philosophie hat ihre Sendung erfüllt, sie hat uns in
alle Wahrheit geführt. Jetzt müssen wir Brücken schlagen, die wieder vom
Himmel zur Erde führen. – Was in der Trennung bleibt, die Wahrheit
selbst, wenn sie in ihrer hohen Abgeschiedenheit verharrt, wird unwahr.
Wie die Wirklichkeit, die nicht von der Wahrheit durchdrungen, eben so ist
auch die Wahrheit, die nicht verwirklicht wird, eine schlechte.“500
Die sozial-revolutionäre Praxis in England werde die Emanzipation der
Menschen vollenden, die mit der philosophisch-religiösen Befreiung in
Deutschland und der politischen Befreiung in Frankreich ins Werk gesetzt
worden sei.501
In der „Philosophie der Tat“ (1843), die Marx am Anfang seiner „Öko-
nomisch-philosophischen Manuskripte“ mit zwei anderen Abhandlungen
von Heß hervorhebt, leitet Heß die kommunistische Gesellschaft nicht wie
Marx aus der Klassenlage des Proletariats, sondern aus dem philosophi-
schen Begriff der Tätigkeit überhaupt ab, in der das Wesen des Menschen
liege (und zwar aus der idealistisch gefassten geistigen Tätigkeit, und das
ist für ihn wie für Cieszkowski sowohl die theoretisch-denkerische als
auch die praktisch-soziale Tätigkeit): die Tätigkeit sei nämlich – was Fichte
für das Denken erkannt habe – als Prozess des Ponierens und Negierens
des Nicht-Ich die Tätigkeit der Selbstbestimmung502, und diese Tätigkeit
schließe ein die Beseitigung aller sie beschränkenden Unfreiheit, d. h. die
„Negation des Bestimmtwerdens von außen“: „Wie nun, wenn aller Kom-
munismus und Atheismus, alle Anarchie darauf hinausliefe, die äußerli-
chen Schranken in Selbstbeschränkung, den äußern Gott in den innern,
das materielle Eigentum in geistiges umzuschaffen?503
Dass die hervorbringende Tätigkeit im Laufe der Entwicklung des Geis-
tes –notwendigerweise – durch ihre objektiven Werke ständig fixiert und
entfremdet wurde, so dass der Mensch noch nicht „frei und glücklich“ war,
ist für Heß gleichbedeutend damit, dass die Tätigkeit noch kein Selbst-
zweck war und von ihr der Genuß getrennt blieb. In der wahrhaft freien
Tätigkeit dagegen sei die Trennung von Arbeit und Genuß sowie Arbeit
und Muße negiert und bilden Produktion und Konsumtion eine Einheit.504
160

Diese dialektische Einheit in der freien Tätigkeit des nicht mit sich zer-
fallenen Lebens macht Heß nun auch gegen Stirners einseitigen Egoismus
in seiner Schrift „Die letzten Philosophen“ geltend: „Lieben, schaffen, arbei-
ten, produzieren, ist unmittelbarer Genuss... Wenn ich liebe, um zu genie-
ßen, dann liebe ich nicht nur nicht, dann genieße ich auch nicht.“505
Indem Stirner diese Zusammenhänge in seiner Entgegnung unbestrit-
tene „Trivialitäten“ nennt 506506, verkennt er das Argument gegen seine
Konzeption des Egoismus, das in dem Hinweis auf die Dialektik der Tätig-
keit liegt, demzufolge zum Beispiel seine starre Entgegensetzung von egois-
tischer Tat und politisch-sozialer Tat unmöglich wird.507
Vor allem missversteht Stirner völlig Heß’ prinzipiell gemeintes Argu-
ment, dass er wirkliche in bewusstseinsmäßige Verhältnisse verwandle
und die wirklichen Verhältnisse mit den Abstraktionen von ihnen ver-
wechsele.508
Dieses Argument bekräftigt Stirner gerade dadurch, dass er Heß’ weite-
re Behauptung, er stehe mit seiner Befürwortung des Egoismus auf dem
Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft, damit zurückweist, in der bür-
gerlichen Gesellschaft seien die wirklichen menschlichen Beziehungen
noch von „heiligen“ Vorstellungen vermittelt. Infolgedessen mischt er Fal-
sches und Wahres: „Stirner liegt die bürgerliche Gesellschaft ganz und gar
nicht am Herzen... So etwas konnte Heß nur darum in ihm argwöhnen,
weil er mit Hegelschen Kategorien an ihn trat.“509
161

VIII. Feuerbachs sensualistische Konzeption der Praxis als Liebe und


der Theorie als unmittelbarer Anschauung auf der Basis der Ich-
Du-Beziehung

Gegenüber Stirners Egoismus des „Einzigen“ bekräftigt Ludwig Feuer-


bach in seiner Apologie „Das Wesen des Christentums in Beziehung auf
den ‚Einzigen und sein Eigentum‘“ (1845) seinen anthropologisch fundier-
ten Humanismus, indem er außer auf der Unterscheidung zwischen We-
sentlichem und Unwesentlichem innerhalb eines Individuums vor allem
auf der Einheit von Autonomie und Heteronomie in der wechselseitigen
Angewiesenheit von Ich und Du beharrt: jeder einzelne, leibhaftige – ge-
schlechtlich bestimmte – Mensch bedarf eines anderen Menschen zu sei-
ner physischen Fortpflanzung; und in der sittlichen Gemeinschaft der
Menschen sind egoistische und altruistische Beziehungen in Wahrheit un-
trennbar, so dass die im anderen Menschen repräsentierte menschliche
„Gattung“ reale Bedingung der je eigenen Existenz ist, nicht aber ein Abs-
traktum und eine verselbständigte fixe Idee, und Feuerbach sich hier als
„Gemeinmensch, Kommunist“ bezeichnet.510
Schon hier sei auf Feuerbachs. Schwäche hingewiesen, dass er diese
am natürlichen Ich-Du-Verhältnis gewonnene Auffassung, das egoistische
Streben nach der eigenen Glückseligkeit impliziere die altruistische Befrie-
digung der fremden Glückseligkeit, für alle Beziehungen der Menschen in
der Gesellschaft verallgemeinert und als Resultante des vernünftigen e-
goistischen Strebens (nach Aufhebung der religiösen Entfremdung) eine
allgemeine Harmonie und Förderung der Menschen erwartet 5l0a, – eine
Illusion, die er mit den Verfechtern des ethischen Prinzips des „wohlver-
standenen Eigeninteresses“ der Aufklärung teilt.
(I) Während Feuerbach also in den praktischen Beziehungen der Men-
schen untereinander dem Egoismus eine partielle Berechtigung zuerkennt,
nämlich in Gestalt vernünftiger Selbstbehauptung511, diskreditiert er ihn
gänzlich in dem praktischen Verhalten zur Natur: die praktische Aneig-
nung der Natur gilt Feuerbach als eigennützig und utilitaristisch und des-
halb – im Gegensatz zum theoretischen Verhalten – als wahre Beziehung
zur Natur.
162

Wie Feuerbach in „Das Wesen des Christentums“ (1841) entwickelt, ist


die praktische Aneignung der Natur nämlich für ihn die Unterwerfung der
Natur unter den Willen und das Bedürfnis des Menschen, wobei die Natur
als „an und für sich nichts“ behandelt wird. Indem der Mensch die Natur
zum Objekt des Willens und zum Mittel für egoistische Zwecke mache,
sondere er sich von ihr ab und entzweie sich mit ihr. „Wo... der Mensch
nur auf den praktischen Standpunkt sich stellt und von diesem aus die
Welt betrachtet, den praktischen Standpunkt selbst zum theoretischen
macht, da ist er entzweit mit der Natur...“ Durch diese Einstellung werde
der Mensch „theoretisch borniert, weil gleichgültig gegen alles, was nicht
unmittelbar auf das Wohl des Selbst sich bezieht“ und verliere den „freien
theoretischen Trieb und Sinn“.512
Zweck ihrer selbst dagegen – nicht Gegenstand selbstsüchtigen Benut-
zens – sei die Natur als Gegenstand der Theorie, die eine „freudenvolle, in
sich befriedigte, selige Anschauung“ sei. Die Theorie lasse die Dinge „in
Frieden gewähren und bestehen“ und betrachte sie „an sich selbst, in ihrer
Beziehung auf sich“.513 Somit ist für Feuerbach die praktische Naturan-
eignung die Position der Entfremdung, dagegen der Standpunkt der Theo-
rie „der Standpunkt der Harmonie mit der Welt.“514
Weiter ordnet Feuerbach das praktische eigennützige Verhalten zur Na-
tur den Juden zu, das theoretische, uneigennützige Verhalten aber den
Griechen. Der theoretischen freien Einstellung der Griechen zu der Natur,
an der das Denken seinen Widerstand und seine Grenze findet, entspreche
ihre Auffassung von der Unerschaffenheit des Kosmos. („Die so sehr ver-
kannte Ewigkeit der Materie oder Welt bei den heidnischen Philosophen
hat also keinen andern Sinn, als dass ihnen die Natur eine theoretische
Wahrheit war.“515) Dagegen liege die praktische Willkür gegenüber der Na-
tur der „Fundamentallehre der jüdischen Religion“ zugrunde, nämlich der
– „keinen theoretischen Anhaltspunkt“ bietenden516 – Lehre der Schöpfung
der Natur aus Nichts durch den unbeschränkt mächtigen Willen des einen
naturtranszendenten Gottes. Ebenso dokumentiere sich im Glauben an
alle (anderen) Wunder die Herabsetzung der Natur zu einem für sich nich-
tigen Objekt des Beliebens und des Bedürfnisses.517 Die Subjektivität ist
für Feuerbach der Grundzug auch der christlichen Religion, indem ihre
Freiheit nicht im objektiven Sichbeschränken durch die Natur liege son-
163

dern im Sichhinwegsetzen über die Natur in Gestalt unbeschränkter Phan-


tasie und überschwenglichen Gefühls.518
Offensichtlich ist Feuerbach hier beeinflusst von Hegels Kennzeichnung
der jüdischen Religion als „Religion der Erhabenheit“, in der „die Natur so
ganz negiert, unterworfen, vorübergehend vorgestellt wird“.519 Aber mit
seiner Abwertung der praktischen relativen Negation der äußeren Natur
gibt Feuerbach die Hegelsche Erkenntnis preis, dass die rein theoretische
Einstellung (im Bereich der Endlichkeit) ebenso mangelhaft, einseitig und
unfrei ist wie die ausschließlich praktische Einstellung. Feuerbach ver-
kennt die Schwäche der Theorie, die darin besteht, dass sich in ihr das
Subjekt passiv verhält, sich – unter Ausschaltung subjektiver Vorurteile –
nach den objektiven Gegenständen richtet und diese als selbständig ge-
währen lässt, sich somit aber dem Vorhandenen unterwirft, das seinerseits
vom Subjekt nicht bestimmt wird, sich selbständig erhält und der Selbst-
bestimmung des Subjekts entgegen steht.
Unfreiheit hinsichtlich der Natur besteht für Feuerbach also nicht pri-
mär in der physischen Abhängigkeit von technisch unkontrollierten und
unbewältigten Prozessen, sondern in der phantastisch-egoistischen sub-
jektiven Interpretation dieser Prozesse, was indirekt zum Ausdruck
kommt, wenn Feuerbach zum Beispiel in den „Vorläufigen Thesen zur Re-
form der Philosophie“ sagt: „... nur die Anschauung der Dinge und Wesen
in ihrer objektiven Wirklichkeit macht den Menschen frei und ledig aller
Vorurteile.“520
Wenn allerdings Hegel weiter an der theoretischen Einstellung bemän-
gelt, dass in ihr die äußeren Gegenstände nur als seiende, nicht als für
sich seiende, Zweck und Begriff in sich tragende gefasst werden, d. h. die
Einheit des Begriffs hier nur außerhalb ihrer, nämlich im theoretischen
Subjekt liege, so könnte dieses Argument nur gegen Feuerbach eingewen-
det werden, sofern er den idealistischen Objektivitätsbegriff des absoluten
Idealismus hätte, demgemäß die Gegenstandswelt zwar unabhängig vom
menschlichen Bewusstsein, aber abhängig vom absoluten Geist ist. (In He-
gels absolutem Idealismus muss im Gegensatz zu Feuerbachs Materialis-
mus die Negation der Natur – wie sie auch in den eleusinischen Mysterien
des Brotessens und Weintrinkens vollbracht wird – schon deshalb ein po-
sitives Moment sein, weil in ihm die Natur die Negation des Geistes ist.)
164

Feuerbach verkennt weiter, dass das praktisch negierende Eingreifen in


die Natur das Begreifen der Natur nicht verhindert, sondern gerade ermög-
licht, so wie das „Erkenne dich selbst“ nicht nur durch psychologisierende
Selbstanalyse oder doppelgängerische romantische Selbstbespiegelung
(etwa in Tagebüchern), sondern auch vor allem durch die Tat verwirklicht
wird und, wie Hegel in seiner Herr-Knecht-Analyse expliziert, durch die
Umgestaltung der Natur insofern, als der Arbeitende sich in den (relativ)
beständigen, Rückhalt bietenden Objektivierungen seines subjektiven Be-
wusstseins wieder findet Die Vermittlung der Umwelt zur Welt durch die
praktische Naturaneignung – in der in dialektischer Einheit auch immer
theoretische Momente enthalten sind – wäre nur dann Entfremdung von
der Natur statt einigendes Band, wenn das zeitlich Erste auch das an sich
Ursprünglichere wäre.
Dass Feuerbach zwar Wollen, Denken und Fühlen als Wesensbestand-
teile oder Gattungsfunktionen des Menschen nennt521, aber den Willen in
dieser Weise verkürzt (und ihn nur unter moralischem Aspekt in den zwi-
schenmenschlichen Beziehungen anerkennt) ist eine Inkonsequenz; denn
Feuerbach sucht grundsätzlich die religiöse Entfremdung und Vergegens-
tändlichung in ihren wahren menschlichen Inhalt aufzulösen, führt aber
die von ihm behandelte willentliche Unterwerfung der Natur im
Schöpfungs- und Wunderglauben auf überhaupt keine positive menschli-
che Grundlage zurück. Von Feuerbachs eigenen Voraussetzungen aus wä-
re es möglich und notwendig gewesen, den eigennützigen Willen in der re-
ligiösen Vorstellung auf die praktische Verwandlung des An sich in ein Für
mich positiv zu reduzieren (wenn auch Feuerbachs Konzentration auf die
Religion ihm den Zugang zu der Arbeitspraxis als einer wesentlichen
menschlichen Tätigkeit insofern erschweren musste, als Gott nicht im ei-
gentlichen Sinne die Natur „bearbeitet“).
Schließlich lässt sich gegen Feuerbachs Verurteilung des praktischen
Verhaltens des Menschen zur Natur als eigennützig und seine Forderung
des theoretischen Verhaltens das einwenden, was er selbst treffend gegen
die Kantische Unterscheidung von „an sich“ und „für sich“ anführt: nur
dann lässt sich eine derartige Zweiteilung rechtfertigen, wenn überhaupt
die Möglichkeit besteht, dass „ein Gegenstand mir wirklich anders er-
scheinen kann, als er erscheint“522. Nur hinsichtlich der Beziehungen der
165

Menschen untereinander ist es sinnvoll, Uneigennutz zu verlangen anstelle


von Eigennutz; denn es ist möglich, dass sich Menschen eigennützig oder
uneigennützig zu einander verhalten. Aber das praktische Verhalten des
Menschen zur Natur lässt sich nicht verurteilen wegen des Eigennutzes,
da dieses Verhalten (lebens)notwendig ist und nicht durch Hinwendung
zur Theorie anders wird.
Dass Feuerbach die Subjekt-Objekt-Relation in Gestalt der praktischen
Beziehung des Menschen zur Natur als einseitig egoistisch und utilitaris-
tisch ansieht und zugunsten des ausschließlich theoretischen Verhaltens
zur Natur diskreditiert, hindert ihn aber nicht, einige Charakteristika der
Arbeit zu erfassen. Dies geht aus Bemerkungen hervor, in denen er die Ar-
beit dem Gebet gegenüberstellt.
Wie Feuerbach andeutet, ist die Arbeit Vermittlung und Wechselwir-
kung zwischen Mensch und Natur auf der verlässlichen Grundlage des Be-
stehens der Naturkausalität und als solche eine Zweck-Mittel-Relation, die
die theoretischen Momente der Zielsetzung impliziert. Weiter werden in der
Arbeit nur erreichbare Wünsche angestrebt, und die Anerkennung der Be-
schränktheit und Bedingtheit des Menschen kommt in ihr zum Ausdruck
sowie die Macht und Notwendigkeit der Natur.523
Aber auch hier bleibt die Theorie für Feuerbach nur einseitig die
Grundlage der zwecktätigen Naturaneignung (die „die physischen Bedürf-
nisse und Wünsche“ mittelbar – nach Anstrengung – erfüllt524), d. h. die
Theorie – im Sinne der „objektiven Anschauung und Erfahrung, der Ver-
nunft, der Wissenschaft überhaupt“ – ist für ihn „die Quelle der wahren
objektiven Praxis“, und die zwecktätige Arbeit ist „durch die Anschauung
der gegenständlichen Welt vermittelt“.525 Dass aber ebenfalls umgekehrt
auf der Grundlage der Arbeitspraxis theoretische Resultate vermittelt wer-
den, entgeht Feuerbach in seiner ganzen Tragweite, wenn er auch gele-
gentlich äußert, dass „die Schranken des sinnlichen Bewusstseins und
Lebens“ überwunden werden „durch sinnliche, wirkliche Tätigkeit.“526 Die-
se Schwäche Feuerbachs wird deutlich, wenn er zum Zweck der Vereini-
gung von Mensch und Natur ein Bündnis von Philosophie und Naturwis-
senschaft fordert527: die Wechselwirkung zwischen der Wissenschaft der
Natur und der industriellen Einwirkung auf die Natur bleibt unberück-
sichtigt.
166

Innerhalb dieser Grenzen bezeugt Feuerbach Einsichten wie die, dass


die praktische Tätigkeit eine sinnliche Vergegenständlichung und äußere
Sichtbarmachung des Subjektiven, Inneren ist: „Was heißt denn machen,
schaffen, hervorbringen anders als etwas, was zunächst nur ein Subjekti-
ves, insofern Unsichtbares, Nichtseiendes ist, gegenständlich machen, ver-
sinnlichen, so dass nun auch andere, von mir unterschiedne Wesen es
kennen und genießen, also etwas außer mich setzen, zu etwas von mir Un-
terschiednem zu machen?“528 Auch dass das Individuum in der prakti-
schen Tätigkeit „etwas für andere“ ist und ein Band zwischen sich und der
Gattung knüpft, berührt Feuerbach also.529 Aber wenn Feuerbach mit der
schranken-überwindenden Aktivität, die immer in bestimmter Weise an
einen bestimmten Inhalt gebunden ist, die Erzeugung eines „positiven
Selbstgefühls“ verbunden sieht, sie als „inneres Bedürfnis“ bezeichnet und
als die „glücklichste, seligste“ preist, so meint er doch wiederum nur die
„geistige Produktion“, zum Beispiel: „Lesenswürdiges schaffen.“530 Und
wenn er sagt: „Die sinnliche Freiheit ist allein die Wahrheit der geistigen
Freiheit“531, so denkt er dabei an die Bewährung einer Gesinnung durch
die Tat.
Indem Feuerbach die Freiheit gegenüber der Natur in ihrer Anschauung
sieht und nicht in ihrer Beherrschung auf Grund der Kenntnis und Aner-
kenntnis ihrer Gesetze, steht er durchaus nicht in der neuzeitlichen Tradi-
tion, die mit Bacos Proklamierung des „regnum hominis“ auf der Basis der
Naturbewältigung beginnt, sondern er geht hinter sie bis in die Antike zu-
rück (ohne allerdings die moderne Technik kulturpessimistisch zu perhor-
reszieren).
(II) Wenn er es auch nicht selbst ausspricht, so lässt sich doch sagen:
Feuerbach zielt mit seiner Theorie-Praxis-Konzeption auf eine (undialekti-
sche) Synthese von Griechentum und Christentum ab.
Die wahre Theorie sieht Feuerbach repräsentiert in der Naturanschau-
ung der griechischen Philosophie und die wahre Praxis – allerdings in ent-
fremdeter Gestalt – in der Liebe der christlichen Religion. Weiter erblickt er
in der griechischen Theorie und in der christlichen auf ihre anthropologi-
sche Grundlage zurück geführten Liebe die Verwirklichung der Freiheit.
Nur negativ, nicht wahrhaft frei waren für Feuerbach die Griechen auf
dem praktischen Gebiet der menschlichen Beziehungen, insofern ihnen
167

hier die Liebe des Menschen zum Menschen gleichgültig war, und die
Christen auf theoretischem Gebiet, insofern sie sich ausschließlich auf das
Individuum konzentrierten, dem Individuum die Gattung aufopferten, den
Menschen aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kosmos her-
aus lösten und die Natur subjektiv – in der Einbildungskraft – verzerrten
und egoistisch benutzten.
Die Freiheit können für Feuerbach theoretische Vernunft und prakti-
sche Liebe insofern verwirklichen, als sie nicht exklusiv und partikular,
sondern wesentlich unbeschränkt und universell sind. „Universalität, Un-
beschränktheit und Freiheit sind unzertrennlich.“532 Und insofern Ver-
nunft, Liebe und Freiheit universell sind, haben sie ihren einheitlichen
Grund nicht im isolierten Ich allein, sondern in der Ich-Du-Beziehung, d.
h. dem Ich als Mitmensch oder in der Gemeinschaft der menschlichen
Gattung, die im Du repräsentiert ist. „Die Liebe ist die subjektive Existenz
der Gattung, wie die Vernunft die objektive Existenz der Gattung. “ 533
In dieser Weise werden der Anthropologismus und Humanismus das
Vereinigende von wahrer Theorie und Praxis: nicht die absolute Subjekt-
Objekt-Identität, sondern die „Einheit des Menschen mit dem Menschen“ ist
für Feuerbach als Selbstzweck „das höchste und letzte Prinzip der Philoso-
phie“, worin Theorie und Praxis, „ratio“ und „emotio“, Kopf und Herz wur-
zeln.534
In Feuerbachs Gründung der Theorie und Praxis auf die menschliche
Gattung wird noch eine Seite der Hegelschen Einsicht bewahrt, dass Er-
kennen und Handeln nicht nur Tätigkeiten eines einzelnen isoliert ge-
nommenen Subjekts sind, wenn auch Feuerbach Theorie und Praxis de-
historisiert, d. h. ihnen den Charakter des stufenweise von der Menschheit
vollzogenen Prozesses nimmt und von Hegels Konzeption der Sittlichkeit
als konkreter Totalität fast ganz abstrahiert.
Das letztere wird besonders daraus deutlich, dass Feuerbach sogar vor
der Abkehr von Hegel – die sich prägnant in seiner Zustimmung zu Kants
Kritik des ontologischen Gottesbeweises dokumentiert535 – zwar in theore-
tischer Hinsicht auf dem Hegelschen Standpunkt der Identität von Denken
und Sein steht, in praktischer Hinsicht aber teilweise näher dem Kantisch-
Fichteschen Rigorismus als der Hegelschen Auffassung von der geschicht-
lich-gesellschaftlich bestimmten Praxis. Wie wenig Feuerbach der Hegel-
168

schen – den konkreten Inhalt aufnehmenden – Konzeption der Sittlichkeit


in ihrem Gegensatz zum Kantisch-Fichteschen Formalismus gerecht wird,
geht daraus hervor, dass er noch in der Vorrede zur zweiten Auflage des
„Wesens des Christentums“ (1843) nicht im Gegensatz zur Hegelschen
praktischen Philosophie zu stehen meint mit dieser – einen ethischen sub-
jektiv-idealistischen Utopismus bekundenden – Aussage: „... die Idee ist
mir nur der Glaube an die geschichtliche Zukunft, an den Sieg der Wahr-
heit und Tugend...“536 In erkenntnistheoretischer Hinsicht dagegen lehnt
Feuerbach immer Kants Agnostizismus ab und hält in hegelianischer Wei-
se an der prinzipiell unbeschränkten Erkennbarkeit der Welt fest.537
Wenn Feuerbach Theorie und Praxis auf die menschliche Gattung
gründet, so ist diese anthropologische Konzeption zugleich sensualistisch:
nach ihr haben das Dasein des Menschen für den Menschen sowie Theorie
und Praxis im wesentlichen ihr Element in der Sinnlichkeit des Leibes, der
Sinnesorgane und der Natur. Eine Folge ist, dass in dieser Konzeption das
Erkennen weitgehend der rationalen Momente ermangelt.
Für Feuerbach ist das Denken eine einfache Zusammenfassung des
vielfachen Wahrnehmungsinhaltes: „Denken ist zunächst gar nichts ande-
res als Vieles, Verschiedenartiges wahrnehmen und es in entsprechende
Begriffsformen umsetzen.“538
Das Bestreben, die Selbstbegründung und Selbstgenügsamkeit des in
sich kreisenden monologisierenden – das Sein nur als Gedanke des Seins
in sich selbst als das andere seiner selbst entgegensetzenden sich selbst
überbietenden – Denkens der Identitätsphilosophie Hegels, des „deutschen
Proklus“, zu unterbrechen539 und das Denken an das sinnliche selbständi-
ge Sein als Maßstab zu binden, führt Feuerbach in die Nähe eines Nomina-
lismus und zu dem extremen Sensualismus, die Diskontinuität, die quali-
tative Differenz, von sinnlicher Wahrnehmung und sinnlichem Denken zu-
gunsten ihrer Kontinuität undialektisch zu verwerfen.
An die Stelle der Hegelschen absoluten Vermittlung des Seins mit dem
Denken setzt Feuerbach nicht den relativen Vermittlungsprozess des Abs-
trahierens von der konkreten Sinnlichkeit und des Konkretisierens der
Abstrakta auf der qualitativ höheren Stufe des Gedankens, sondern die
einfache Unmittelbarkeit der Beziehung von Denken und Sein, auch wenn
er unter dem unmittelbaren sinnlichen Sein nicht das „auf platter Hand
169

Liegende“, sondern das – der von phantastischen Vorstellungen gereinigten


Anschauung – Gegebene versteht.540
Die erkenntnistheoretische Grundlage für die Unmittelbarkeit des Er-
fassens der Wirklichkeit ist die Identität von Wesen und Erscheinung, de-
ren Unwahrheit Feuerbach nur in seiner Hegelschen Periode erkennt, in
der er das Denken geradezu definiert als „die Tätigkeit der Unterscheidung
des Wesens von der Erscheinung.“541 Nach seiner Abkehr von Hegel ist für
Feuerbach die Identität von Sein und Wesen im menschlichen Leben nur
ausnahmsweise „in abnormen, unglücklichen Fällen“ nicht vorhanden.542
Dementsprechend kann zur Unmittelbarkeit der theoretischen Einstellung
hinzukommen die Unmittelbarkeit des praktischen Verhaltens der Men-
schen untereinander, d. h. die Unmittelbarkeit der Liebe, die keine Span-
nungen zwischen Existenzverhältnissen und Wesensbestimmungen verän-
dert.
In Folge der Identifizierung von Wesen und Erscheinung kommt Feuer-
bach darin mit Stirner überein, dass er keinen Kritikbegriff der Gesell-
schaft, der Politik und der Geschichte aus der Hegelschen Philosophie ge-
winnen kann, da die Kritik auf der Entzweiung von Wesen und Erschei-
nung, der Differenz zwischen Möglichem und Wirklichem, Rationalem und
Realem basieren müsste.
Zusammen gehören somit bei Feuerbach das Fehlen dieses Begriffes der
Kritik und die Ungeschichtlichkeit der sensualistischen Anthropologie,
dergemäß das Wesen des Menschen – im Gegensatz zur geschichtlich ori-
entierten Anthropologie sowohl Herders als auch Hegels – einfach vorgege-
ben, unmittelbar fertig und festgestellt ist, nicht aber aufgegeben und Re-
sultat dessen, wozu der Mensch sich selbst verwirklicht in einem theore-
tisch-praktischen Bildungs- und Vermittlungsprozess543, der also beinhal-
tet, dass die Ergründung dessen, was der Mensch ist, keine rein theoreti-
sche, sondern auch eine praktisch-geschichtliche Frage ist. Feuerbach löst
wieder die Hegelsche Verknüpfung der Erkenntnis der Wahrheit mit der
praktischen Verwirklichung der Wahrheit in der geschichtlich-politischen
Freiheit.
Das erste Kriterium und „fundamentum inconcussum“ der Wahrheit ist
für Feuerbach die Sinnlichkeit in ihrer Unmittelbarkeit, d. h. in ihrer auf
sich stehenden Positivität. „Wahrheit, Wirklichkeit, Sinnlichkeit sind iden-
170

tisch.“544 Notwendig existent und bewusstseinstranszendent ist nicht, was


Objekt des Denkens oder der Vorstellung ist, sondern was Gegenstand der
Sinnlichkeit ist: „Der Beweis, dass etwas ist, hat keinen anderen Sinn, als
dass etwas nicht nur Gedachtes ist. Dieser Beweis kann aber nicht aus
dem Denken selbst geschöpft werden. Wenn zu einem Objekt des Denkens
das Sein hinzukommen soll, so muss zum Denken selbst etwas vom Den-
ken Unterschiedenes hinzukommen.“545 (In der Tat ließe sich daraus, dass
ein „Beweis“ des bewusstseinsunabhängigen Objektiven nur innerhalb des
Elements des Denkens vorsichgehen kann, nicht die Schlussfolgerung zie-
hen, das Denken sei das Absolute.) Und insofern für Feuerbach diese
Sinnlichkeit sich in der Liebe als Leidenschaft manifestiert, kann er sagen:
„... nur die Leidenschaft ist das Wahrzeichen der Existenz.“546 Da ihm wei-
ter die Liebe als Leidenschaft das wahre praktische Verhalten ist, kann er
sagen: „Die Frage vom Sein ist... eine praktische Frage.“547 „Die Frage, ob
dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine
Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage“, sagt zwar auch Marx in
der zweiten Feuerbach-These fast gleichlautend, aber er meint mit der
Praxis die die gesellschaftlichen Umstände verändernde revolutionäre Tä-
tigkeit. Die Praxis der – universalen im Sinne Marxens klassenindifferen-
ten objektivistischen, allenfalls im „Reich der Freiheit“ der klassenlosen
Gesellschaft „jenseits der materiellen Produktion“ integrierbaren – Liebe
enthält für Feuerbach zwar auch eine gewisse aktive Komponente, nämlich
den Drang zur „Wohltätigkeit, die alle beglücken will“, aber bestimmend ist
das passive, empfangende Moment, d. h. das Pathos oder die Affektion
durch ein leidendes, weil endliches und bedürftiges Wesen zur mitleiden-
den Teilnahme: die „Passion“, wobei Feuerbach den Zusammenhang zwi-
schen Liebe und Affirmation erkennt: „Sein heißt sich behaupten, sich be-
jahen, sich lieben.“548 Mit der Liebe ist außer der Sinnlichkeit auch das
andere Kriterium der Wahrheit gegeben: die Gemeinschaft des Menschen
mit dem Menschen in Gestalt der Intersubjektivität des Gattungsbewusst-
seins, vermittels dessen das Wissen von der Welt sich bewahrheit: „Wahr
ist, worin der andere mit mir übereinstimmt.“549
(III) Zu dem Anthropologismus und Sensualismus, dem Bruch mit dem
Idealismus in erkenntnistheoretischer Hinsicht, kommt Feuerbach durch
die Umkehrung der Hegelschen Bestimmung des Verhältnisses von Den-
ken und Sein sowie Subjekt und Prädikat, und zwar zunächst in der in
171

den „Hallischen Jahrbüchern“ veröffentlichten Schrift „Zur Kritik der He-


gelschen Philosophie“ (1839), in der er Hegel wie der ganzen idealistischen
Philosophie seit Descartes und Spinoza den Vorwurf macht „eines unver-
mittelten Bruches mit der sinnlichen Anschauung“ und der „unmittelbaren
Voraussetzung der Philosophie“, d. h. ihrer Selbstbegründung und Auto-
nomie, am Anfang sowohl der Logik als auch der Phänomenologie: der
wahre philosophische Anfang müsse nicht gemacht werden mit dem Beg-
riff des Seins (der zur Konsequenz habe den Vorrang der methodischen
Darstellung und des Systems, die Verkehrung der Form zum Wesen), son-
dern mit dem sinnlich wahrnehmbaren Sein (das immer bestimmtes Sein,
qualitative Mannigfaltigkeit sei550, so dass sich Feuerbachs Sensualismus
wie Hegels Naturphilosophie abgrenzt vom mathematisch-mechanischen
Materialismus, wie ihn Hobbes vertrat). Bei dieser grundsätzlichen Kritik
greift Feuerbach im Namen des anfangslosen Seins das Denken des abso-
luten Nichts als undenkbar an und trifft damit die Hegelsche Dialektik,
ohne sich zu fragen, ob es eine Dialektik des relativen Nichts gibt und in
welchem Verhältnis sie zur ersten Triade der Logik steht. Wenn Feuerbach
im übrigen bemerkt, die „absolute Selbstentäußerung der Vernunft“ im
Hegelschen System spreche sich in einem „spekulativen Empirismus“ aus,
z. B. in der „Deduktion selbst der Majorate“, so haben wir hier die Quelle
für Ruges Kritik an Hegels „Positivismus des Vernunftfindens“ (nämlich
der Verwandlung der historischen Existenz in den Begriff) sowie für Marx’
Kritik des Hegelschen „falschen Positivismus“ und „scheinbaren Kritizis-
mus“.551
Mit Hilfe des im Umkehrverfahren neu gewonnenen Begriffs der Ent-
fremdung kritisiert Feuerbach dann die Religion im „Wesen des Christen-
tums“ (1841) als Ausdruck der Entzweiung und idealisierenden Verdoppe-
lung des leibhaftigen Menschen und seiner „Gattungseigenschaften“ wie
Liebe, Gerechtigkeit, Güte und anderer. („Die Religion... ist das Verhalten
des Menschen zu sich selbst... zu seinem Wesen, aber das Verhalten zu
seinem Wesen als zu einem anderen Wesen.“552) In der Trennung von der
entäußerten Gattung sei der Mensch ein vereinzeltes egoistisches Indivi-
duum, das nur durch Aufhebung der in einem absoluten Subjekt entfrem-
deten Gattungseigenschaften, vor allem durch Rücknahme der Liebe zu
Gott in die Liebe zum Menschen, sein wahres Wesen zurück gewinnen
könne. So wird zum positiven Teil der Reduktion der Theologie auf die An-
172

thropologie diese Praxis der Liebe des Menschen zum Menschen – eine a-
theistische Liebesreligion; denn das Ich-Du-Verhältnis bestimmt Feuer-
bach mit diesem praktischen Grundsatz: homo homini deus est.553 Als ei-
nige der Junghegelianer – so Ruge und Engels554 – Feuerbachs Religions-
kritik nicht als Bruch mit der Hegelschen Philosophie, sondern als ihre
Weiterentwicklung und Ergänzung missverstehen, erklärt Feuerbach dezi-
diert in dem Aufsatz „Zur Beurteilung der Schrift: ,Das Wesen des Chris-
tentums’ “: „Meine Religionsphilosophie ist so wenig die Explikation der
Hegelschen..., dass sie vielmehr nur aus der Opposition gegen die Hegel-
sche entstanden ist...“555
Aber für Feuerbach ist nicht nur das ursprüngliche Christentum eine
Entfremdung des menschlichen Wesens, sondern darüber hinaus auch
das moderne Christentum eine Entfremdung des ursprünglichen Christen-
tums. Widerspruch und Krise seiner Zeit beruhen für ihn, wie er in den
Vorreden zum „Wesen des Christentums“ ausführt, hauptsächlich auf dem
Gegensatz von scheinbarer Geltung des Christentums und wirklicher
Herrschaft des Atheismus, d. h. darauf, dass der wahre Geist des Chris-
tentums – bedingt durch Renaissance, Reformation, Aufklärung und Na-
turwissenschaft – aus dem praktischen Leben gewichen sei, dennoch aber
als konventionelle „komfortable“ Weltanschauung eine fixe theoretisch un-
durchschaute Scheinexistenz in den Köpfen der Menschen führe.
Somit ist zwar die Entfremdung als wesentlich religiöse für Feuerbach
primär eine theoretische, d. h. ein inneres Verhältnis, und kann infolge-
dessen durch bewusstseinsmäßige Kritik zurück genommen werden, aber
nach der Marxschen Kritik hieran in der „Deutschen Ideologie“ bleibt allzu
oft unberücksichtigt556, dass für Feuerbach die Entfremdung vollständig
erst, insofern überwunden ist, als zur geistig-kritischen aufklärerischen
Reduktion die Praxis der Liebe hinzu kommt, und zwar sowohl als Emp-
findung wie auch als verändertes Verhalten der Menschen zueinander.
Die Religionskritik ist also für Feuerbach zwar der entscheidende Hebel,
aber sie soll nicht nur dazu führen, dass eine Bewusstseinseinstellung
durch eine andere Bewusstseinseinstellung ersetzt wird, sondern dass eine
praktische Versöhnung der Gegensätze erreicht wird, wie sie ebenfalls der
junge Hegel in seiner Frankfurter Periode (an den Feuerbach nicht an-
knüpfen konnte) von der Liebe erwartet als lebendiger Subjektivität und
173

Selbstbestimmung, die gegen die Hinnahme der toten Positivität des etab-
lierten Faktums und des affirmierten Fatums opponiert. Wie für den jun-
gen Hegel die Liebe das von den tyrannischen Kantischen Moralgeboten
und den herrischen jüdischen Gesetzen Entzweite vereint und versöhnt, so
erlöst für Feuerbach die Liebe von dem Zwiespalt, den das Nichtentspre-
chen gegenüber dem Postulat der moralischen Willensvollkommenheit und
das Sündenbewusstsein hervorbringen: „Die Liebe ist das Band, das Ver-
mittlungsprinzip zwischen dem Vollkommnen und Unvollkommnen, dem
sündlosen und sündhaften Wesen, dem Allgemeinen und Individuellen,
dem Gesetz und dem Herzen, dem Göttlichen und Menschlichen.“557 Inso-
fern Hegels Begriff der Liebe und des „Lebens“ als Vereinheitlichung der
Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Einzelnem und Allgemeinem,
die Keimform seiner reifen Konzeption der konkreten Sittlichkeit ist und
mit Feuerbachs Entwurf der Liebe vergleichbar ist, bestätigt sich noch
einmal, dass Feuerbach eine Seite der Hegelschen Einsicht von dem Cha-
rakter der Gemeinschaftlichkeit der praktischen (und theoretischen) Tätig-
keit bewahrt. Feuerbachs Religionskritik im „Wesen des Christentums“
basiert zur Hauptsache auf einer bestimmten Gegenstands- und Bewusst-
seinstheorie, die noch entfernt ist von einem erkenntnistheoretischen kon-
sequenten Sensualismus und Realismus, und die Feuerbach als unhaltbar
angelastet werden muss, wenn man von seinem eigenen in „Zur Kritik der
Hegelschen Philosophie“ angekündigten Programm des Umkehrverfahrens
ausgeht.
Feuerbachs Gedankengang, der zu der Schlussfolgerung führt, dass der
Mensch sieh selbst in der Religion vergegenständlicht, ist nämlich folgen-
der: der Mensch unterscheidet sich wesentlich vom Tier durch sein Be-
wusstsein; das Bewusstsein ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass
es nicht auf Individuelles, sondern auf die allgemeine und unendliche Gat-
tung des Menschen gerichtet ist, d. h. auf Vernunft, Wille und Gefühl. Das
Bewusstsein ist im wesentlichen Bewusstsein des Unendlichen. Worauf
sich das Bewusstsein bezieht, das ist das Wesen des Bewusstseins; daher:
„Das Bewusstsein des Unendlichen ist nichts andres als das Bewusstsein
von der Unendlichkeit des Bewusstseins.“558 Da nun für Feuerbach die Re-
ligion „das Bewusstsein des Unendlichen“ ist, ist die Religion das Bewusst-
sein des Menschen von sich selbst.
174

Hiermit bestimmt Feuerbach aber letztlich das Verhältnis von Bewusst-


sein und Sein in idealistischer Weise dergestalt: das Bewusstsein des
Seins ist das Bewusstsein des Seins des Bewusstseins. Nur auf Grund die-
ser Annahme kann Feuerbach behaupten, das Wesen des Bewusstseins
sei das, worauf sich das Bewusstsein wesentlich bezieht.
Feuerbach bestreitet also in seiner Religionskritik im „Wesen des Chris-
tentums“ die Möglichkeit der Bewusstseinstranszendenz der Gegenstände
der Religion und erklärt diese Gegenstände zu menschlichen Selbstverge-
genständlichungen, indem er prinzipiell die Annahme einer Bewusstseins-
transzendenz des Seins preisgibt und somit keineswegs auf einer konse-
quent sensualistischen und realistischen Position steht; um sein Ziel zu
erreichen, nämlich die Theologie auf die Anthropologie zu reduzieren, fin-
det Feuerbach hier ebenso wie Bruno Bauer nur den Weg, die Objektivität
alles Seienden in die Subjektivität zurück zu nehmen.
Nur auf Grund der Voraussetzung der Bewusstseinsimmanenz der Ge-
genstände überhaupt – und infolgedessen auch der religiösen – kann Feu-
erbach mit Berechtigung die Form zum Inhalt machen und sich zum Bei-
spiel gegen Schleiermachers ebenfalls emotionalistische Religionsphiloso-
phie abgrenzen mit dem Einwand: da Schleiermacher als subjektiven
Grund der Religion das Gefühl (der „schlechthinnigen Abhängigkeit“) an-
sieht, hätte er folgerichtigerweise Gott (der weder gedanklich erkannt noch
moralisch postuliert wird) auch objektiv als das „Wesen des Gefühls“ auf-
fassen müssen.559
Feuerbach kommt zu seiner Position, indem er aus einer begründeten
Feststellung eine nicht zwingende Schlussfolgerung zieht: er stellt fest,
dass die Vernunft eines beliebigen vernünftigen Wesens grundsätzlich
denselben Denkgesetzen unterliegen muss wie die je eigene menschliche
Vernunft (er kann in dieser Hinsicht Malebranches Beispiel zitieren, das
jedes beliebige intelligente Wesen notwendig an die Wahrheit gebunden ist,
dass zweimal zwei vier macht); anders ausgedrückt: „Der Mensch kann
nun einmal nicht über sein wahres Wesen hinaus“.560
Aber aus dieser bestimmten Art einer zuzugestehenden Bewusstseins-
immanenz dürfte Feuerbach nicht folgern, dass jedes Vernunftwesen mein
eigenes Wesen in der Weise einer eigenen Hervorbringung ist; d. h. Feuer-
bach kann mit seiner Feststellung nicht ausschließen, dass ein vernünfti-
175

ges Wesen – wie Seiendes überhaupt – an sich existiert und – in dieser


Hinsicht der Existenz – bewusstseinstranszendent ist. Feuerbach räumt
dieses implizit auch dadurch ein, dass er nicht von der Annahme der Be-
wusstseinsimmanenz bis zum Solipsismus fortschreitet, sondern im Ge-
genteil das Ich-Du-Verhältnis als Grundlage der Erkenntnis ansieht.
Wenn Feuerbach gelegentlich eine Einschränkung seiner idealistischen
Voraussetzungen macht („Was ich denke, das tue ich selbst – natürlich
nur bei rein intellektuellen Dingen“561), so bleibt dies ohne prinzipielle
Konsequenzen hinsichtlich seiner Religionsauffassung, da die Religion für
Feuerbach von vornherein auf „rein intellektuelle Dinge“ zielt. Ob jedoch
die Gegenstände der Religion „rein“ intellektuell sind, bei ihnen also Be-
wusstsein und Selbstbewusstsein zusammenfallen, sie gleichsam restlos
aufgehen in ihrer Denkbarkeit und nur das Wesen der menschlichen Ver-
nunft widerspiegeln oder ob sie zwar „intellektuell“, aber nichtsdestoweni-
ger objektiv existent sind (wie z .B. Naturgesetze), ist eben gerade nicht al-
lein entschieden durch die berechtigte Feststellung, die Gegenstände der
Religion stimmten mit dem Wesen und den Denkgesetzen der menschli-
chen Vernunft überein (was z. B. auch für Naturgesetze zutrifft).
Wenn man also Feuerbachs Grundsatz: „Das Bewusstsein des Gegens-
tands ist das Selbstbewusstsein des Menschen“562 nur deutete als Fest-
stellung einer Konformität von Gegenstand und Selbstbewusstsein, ließe
er sich aufrecht erhalten, nicht aber, wenn man ihn so fasst wie Feuer-
bach selbst, dass aus ihm ein imaginärer, fiktiver Charakter der Religion
ableitbar wird. Auch aus dem anderen begründeten Grundsatz Feuer-
bachs, dass die Distinktion zwischen einem unerkennbaren „an sich“ und
einem „für mich“ haltlos ist, lässt sich nicht anthropologistisch folgern,
das, worauf das Bewusstsein sich wesentlich bezieht, sei das Wesen des
Bewusstseins.
Feuerbach hätte infolgedessen zusätzlich ein spezifisches Kriterium ein-
zuführen, das ihn berechtigte, die Gegenstände der Religion als „rein intel-
lektuell“ zu kennzeichnen, d. h. als Gegenstände einer menschlichen Ver-
nunft, die in der Weise eines „intellectus originarius“ mit dem Bewusstsein
des Gegenstandes seine Wirklichkeit unmittelbar gegeben sein ließe.
Scheinbar gewinnt Feuerbach dieses Kriterium in der Sinnlichkeit,
nachdem er das von ihm selbst später erkannte Schwanken und die In-
176

konsequenz in der Abkehr von Hegels Idealismus im „Wesen des Christen-


tums“563 aufgibt und in seinen beiden nächsten Hauptschriften „Vorläufige
Thesen zur Reform der Philosophie“ und „Grundsätze der Philosophie der
Zukunft“, in denen er alle pantheistischen philosophischen Systeme seit
Spinoza und insbesondere Hegels Idealismus als Formen der Theologie be-
trachtet, das Prinzip von der Priorität des Seins vor dem Denken564, dem-
zufolge das Sein nicht nur der Gedanke des Seins ist, konsequenter durch-
führt.
Aber auch jetzt gelangt Feuerbach zu seinem religionskritischen Resul-
taten nur innerhalb der Schranken seines extremen Sensualismus – der
Gleichsetzung von Objektivität und Sinnlichkeit – : auf Grund der Annah-
me, objektiv existent sei allein, was unmittelbar sinnlich gegeben ist, und
auf Grund der Feststellung, dass Gott wesentlich als Geist gedacht wird,
schließt Feuerbach, dass Gott nicht objektiv existent sei (sondern das geis-
tige Wesen des Menschen).565 Die Bestreitung der Objektivität nichtsinnli-
cher Gegenstände würde aber zum Beispiel auch die Naturgesetze betref-
fen, deren Existenz Feuerbach nicht leugnet.
Bevor im folgenden der Charakter der Feuerbachschen Umkehrmethode
behandelt wird, sei darauf aufmerksam gemacht, dass sich Ansätze zu ihr
schon finden in Feuerbachs Schrift „Pierre Bayle“ (1838) – die die Reihe
seiner historischen Arbeiten über die „Geschichte der neueren Philosophie
von Bacon von Verulam bis Benedikt Spinoza“ (1833) sowie über Leibniz
(1837) abschließt –, und zwar bezüglich des Verhältnisses von Theologie
und Ethik in Anknüpfung an den Autonomiegedanken der Ethik Kants
und Fichtes, näher: bezüglich des Verhältnisses Gottes zur Idee des Gu-
ten: die Idee des Guten sei kein unselbständiges Prädikat des selbständi-
gen Subjekts Gottes, sondern selbst rein und für sich Prinzip der Ethik:
„Wehe dem, der die Idee des Guten als ein Prädikat, als eine –wenn auch
wesentliche – Eigenschaft auf ein Subjekt oder Wesen auftragen und von
ihm unterstützen lassen muss... so ist der sittliche Geist Geist Geist ent-
schwunden, wo das Gute nicht frei von aller Persönlichkeit rein durch sich
selbst gedacht und um seiner selbst willen geliebt und getan wird.“566 In-
dem die Verkehrung des wahren Verhältnisses als Zustand der Entäuße-
rung gefasst wird, nennt Feuerbach hier den Glauben an die Sünde den
Zustand „der absoluten Entäußerung der Idee des Guten.“567 (So findet
177

sich auch in dieser Beziehung bestätigt, was Rawidowicz in seinem am


tiefsten in Feuerbachs Philosophie eindringenden Werk hervor hebt, näm-
lich dass Feuerbach mit der Schrift „Pierre Bayle“ auf dem Übergang steht
von seiner ersten Periode des – einige Vorbehalte und „Zweifel“568 ein-
schließenden – spekulativen Idealismus zum Anthropologismus, Sensua-
lismus und kontemplativen Materialismus569.) Auf Feuerbachs späteren
Weg weisen sogar schon – neben der Betonung der „Verwirklichung und
Verweltlichung der Idee“ in dem Brief an Hegel570 – die „Gedanken über
Tod und Unsterblichkeit“ (1830) mit der Forderung nach wahrer Überwin-
dung des Dualismus von Diesseits und Jenseits und dem Verwerfen der
„Ansprüche auf den Himmel..., um die Ansprüche auf die Erde zu stei-
gern.“571 Mit diesem Gesichtspunkt ist diese Schrift sogar die erste epo-
chemachende innerhalb der junghegelianischen Bestrebungen und der
Ausgangspunkt auf dem Wege von Hegel zu Marx. Andeutungsweise
nimmt Feuerbach hier auch noch in einer zweiten Hinsicht die Problema-
tik der Junghegelianer vorweg, nämlich hinsichtlich der Ausrichtung auf
die Zukunft. Noch bevor Cieszkowski den entscheidenden Mangel des He-
gelschen Systems darin erblickt, dass es die Gegenwart verabsolutiert und
die Zukunft sowie die Möglichkeit ihrer Erkennbarkeit nicht als wesentli-
ches Moment integriert, wirft Feuerbach die Frage auf: „Wie verhält sich
die Hegelsche Philosophie zur Gegenwart und Zukunft? Ist sie nicht die
vergangene Welt als Gedankenwelt? Ist sie mehr als eine Erinnerung der
Menschheit an das, was sie war, aber nicht mehr ist?“572
(IV) Die Frage ist nunmehr, ob Feuerbachs Kritik vom Standpunkt sei-
nes Anthropologismus dialektischen oder undialektischen Charakter hat,
das heißi, ob Feuerbachs Kritik in einem dialektischen oder antithetischen
oder noch anders gearteten Verhältnis zur Religion, Theologie und speku-
lativen Philosophie steht, indem sie diese, die alle den Menschen sich
selbst entfremden, in dem dreifachen Hegelschen Sinne aufzuheben oder
einseitig zu destruieren sucht oder sich in anderer Weise zu ihnen verhält.
Es ergibt sich bei einer Untersuchung dieser Frage: Feuerbachs Kritik
ist in keinem Fall als dialektische Aufhebung zu interpretieren. Allerdings
ist zu unterscheiden zwischen Feuerbachs „Negation“ der Religion auf der
einen Seite und der „Negation“ der Theologie auf der anderen Seite.
178

Die Theologie, die „Reflexion über die Religion“, die den Glauben und
die Wesensverschiedenheit von Mensch und Gott hervor hebt573, und die
spekulative Philosophie, einschließlich der spekulativen Religionsphiloso-
phie, werden durch Feuerbachs Kritik in der Weise „negiert“, dass sie ver-
worfen werden. Die Religion dagegen, die ursprünglich die Liebe und die
Wesenseinheit von Gott und Mensch beinhaltet, will Feuerbach nicht gänz-
lich preis gegeben wissen; nur ihr „unmenschliches Wesen“ sei zu de-
struieren, ihre „Wahrheit“, ihr „menschliches Wesen“ zu bewahren. So
heißt es in der Vorrede zur zweiten Auflage des „Wesens des Christen-
tums“ (1843): „Allerdings ist meine Schrift negativ, verneinend, aber, wohl-
gemerkt! nur gegen das unmenschliche, nicht gegen das menschliche We-
sen der Religion.“574
Dass Feuerbach die religiöse Entfremdung im Gegensatz zur theologi-
schen Entfremdung nicht im Sinne einer Destruktion zurück genommen
wissen will, sondern ihre Grundlage bewahren möchte, heißt aber nicht,
dass er eine dialektische Beziehung zur Religion im Sinn hat. Feuerbachs
weder dialektisch aufhebendes noch antithetisch verneinendes Verhalten
zur Religion kann man – mit ihm selbst – als „kritische“ Einstellung zur
Religion abgrenzen: „Unser Verhältnis zur Religion ist daher kein nur ver-
neinendes, sondern ein kritisches, wir scheiden nur das Wahre vom Fal-
schen – obgleich allerdings die von der Falschheit ausgeschiedne Wahrheit
immer eine neue, von der alten wesentlich unterschiedne Wahrheit ist.“575
Diese Kritik Feuerbachs ist aber nicht historisch; denn wenn auch Feu-
erbach in seiner Schrift „Zur Kritik der Hegelschen Philosophie“ sagt, seine
Methode sei im Gegensatz zu der Hegelschen eine „genetisch-kritische“, die
den „Ursprungs“ vorstellungsmäßig gegebener Gegenstände untersucht, so
meint er damit nicht eine historisch, sondern eine psychologisch verfah-
rende – zwischen dem „Subjektiven und Objektiven“ unterscheidende –
Kritik.576 Indem für Feuerbach die Kritik an der Religion das Scheiden und
unversöhnliche Durchstreichen einer – der psychologisch begründeten i-
maginären – Seite ist, kritisiert er nicht wie Strauß und Bauer die ge-
schichtliche Entwicklung der Religion577 und will er nicht wie sie die sub-
jektive kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtspro-
zess verbunden wissen. Feuerbach steht also als Kritiker nicht mehr selbst
auf dem Boden eines kritischen Prozesses, das heißt Feuerbachs Kritik ist
179

kein Prinzip der Wirklichkeit mehr, sondern hat nur noch eine methodolo-
gische Funktion; denn die Basis der Feuerbachschen Kritik, die menschli-
che Gattung, erfährt – im Gegensatz zu Strauß’ Konzeption – keine stu-
fenweise Entwicklung in der Geschichte. Auch als Strauß in seiner „Glau-
benslehre“ unter Feuerbachs Einfluss die Hegelsche inhaltliche Gleichset-
zung von Religion und Philosophie aufgibt und den Bruch zwischen Glau-
ben und Wissen vollzieht, behält seine analytische negativ dialektische Kri-
tik insofern eine historische Dimension, als sie an die Stelle der als un-
haltbar aufgelösten Dogmen die Hegelschen dialektischen Spekulationen
setzt. Im übrigen führt Strauß also die Theologie auf die Spekulation zu-
rück, während Feuerbach umgekehrt die Spekulation als Form der Theo-
logie zu enthüllen sucht.
Dialektische Aufhebung hätte Feuerbachs Kritik der Religion nur dann
sein können, wenn für ihn die religiöse Entfremdung eine notwendige posi-
tive Durchgangsstufe in der geschichtlichen Entwicklung wäre und die kri-
tische Negation sich immanent aus dem Positiven entwickelte (also nicht
selbständig von außen als vermittlungsloser Gegensatz hinzu träte), so
dass die Kritik das Wesen der Religion auf höherem Niveau bewahrt hätte,
so wie für Hegel die Entäußerung des Absoluten sich nach ihrer Aufhe-
bung notwendig immer wieder herstellt und das Zusichselbstkommen des
Absoluten ermöglicht (oder wie für Marx die gesellschaftliche Entfremdung
die Produktivkräfte entwickelt und damit die notwendige Voraussetzung
der Aufhebung der Klassengegensätze schafft). Wenn Feuerbach auch ge-
legentlich davon spricht, dass die religiöse „Selbstvergegenständlichung
des Menschen... unwillkürlich, notwendig, so notwendig als die Kunst, als
die Sprache ist“578, so kann er doch nicht angeben, worin der Fortschritt
liegen sollte, der nicht auch ohne diese Selbstvergegenständlichung er-
reichbar wäre. Zur Dialektik gehört, dass der Widerspruch im Wesen des
betreffenden Inhalts liegt. Dementsprechend müsste für Feuerbach die re-
ligiöse Entfremdung zum Wesen des Menschen gehören, wenn Feuerbachs
Kritik der Religion eine dialektische Funktion haben sollte. (Feuerbach
verneint im übrigen in anderen Zusammenhängen ausdrücklich das dia-
lektische – gleichzeitige – Bestehen von Gegensätzen und anerkennt nur
zeitlich aufeinander folgende Gegensätze.579) Infolgedessen kann Feuer-
bach nicht annehmen, dass der bewusstseinsmäßige Akt der Religionskri-
tik mit dialektischer Notwendigkeit zur Realisierung des Wesens der Reli-
180

gion, der Praxis der menschlichen Liebe, führt; er muss diese vielmehr im
Anschluss an die Kritik propagieren und postulieren, indem die kritische
und die praktische Sphäre sich nicht wechselseitig durchdringen, sondern
heterogen einander gegenüber stehen bleiben.
Was die spekulative Philosophie, eine Form der Theologie, betrifft, so
kann sie nach Feuerbachs Auffassung nicht einmal ihrer Grundlage nach
anerkannt werden, muss also gänzlich negiert werden, obgleich ihr Feuer-
bach „die hohe geschichtliche Bedeutung“ konzediert, dass sie ein theore-
tischer Schritt auf dem Weg zur „Verwirklichung und Vermenschlichung“
Gottes sei.580 Nicht erst Hegels, schon Spinozas Pantheismus ist für Feu-
erbach „Verwirklichung Gottes“, insofern die theistische Absonderung Got-
tes verneint wird, das Materielle und Sinnliche zum Attribut Gottes ge-
macht wird; so sei die praktisch vorhandene „materialistische Tendenz der
neuen Zeit“ auch theoretisch legitimiert worden: „... nur, wo die Theorie
nicht die Praxis, die Praxis nicht die Theorie verleugnet, ist Charakter,
Wahrheit und Religion.“581
Das zum Anthropologismus und Sensualismus führende Umkehrver-
fahren ist also keine dialektische Weiterentwicklung, sondern ein antithe-
tisches Umstürzen des Verhältnisses von Denken und Sein. Um die Um-
kehrung von Denken und Sein vornehmen zu können, musste Feuerbach
vorher ihre dialektische Verbindung in Hegels Spekulation zerstören, d. h.
er musste bestreiten, dass Hegel Denken und Sein wahrhaft vereint habe.
Die Voraussetzung des Umkehrverfahrens ist also, dass Feuerbach Den-
ken und Sein, Subjekt und Prädikat, sich abstrakt einander gegenüber-
stehen lässt und nicht anerkennt, dass – wie Hegel zum Beispiel in der
Vorrede zur „Phänomenologie“ ausführt – die Prädikate im Subjekt dialek-
tisch untergehen; d. h. Hegels Synthese wird zur These herab gesetzt, und
ihr wird die Antithese unvermittelt entgegen gesetzt; denn Hegels Synthe-
se von Denken und Sein vollzieht sich für Feuerbach nur einseitig im Den-
ken, und diesem wird das auf sich gegründete Sein opponiert.
Entsprechend ist speziell die Einheit des Bewusstseins des Menschen
und des Selbstbewusstseins Gottes in der spekulativen Religionsphiloso-
phie für Feuerbach in Wahrheit nur eine Synthese innerhalb des Denkens,
dem er die Sphäre des Gefühls entgegen hält.
181

Indem Marx diese Feuerbachsche Umkehrung des Verhältnisses von


Denken und Sein übernimmt und Hegel in dieser Weise „vom Kopf auf die
Füße“ stellt, ist auch sein Verhältnis zu Hegel in diesem Punkt durchaus
nicht durch dialektische Weiterentwicklung gekennzeichnet. Sowohl Feu-
erbachs als auch Marx’ Übergang vom Idealismus zum Materialismus ist
kein dialektischer, sondern ein antithetischer. Idealismus und Materialis-
mus verhalten sich dementsprechend sowohl nach Feuerbachs als nach
Marx’ Auffassung dualistisch, einander ausschließend zu einander; eine
Synthese oder einen „dritten Wege“ gibt es für sie nicht.
Die Dialektik bekommt bei Marx aber dadurch wieder ihren Platz, dass
er im Gegensatz zu Feuerbach mit der Umkehrung nicht den Inhaltsreich-
tum des Hegelschen Systems, die dialektisch-widerspruchsvolle geschicht-
liche (und natürliche) Welt, gänzlich preisgibt. Obgleich Engels Feststel-
lung in seiner Spätschrift „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassi-
schen deutschen Philosophie“ berechtigt ist, Feuerbach sei gegenüber He-
gel nur der Form nach realistisch, hinsichtlich des objektiven Inhalts aber,
d. h. hinsichtlich der Berücksichtigung des Rechts, der Politik, der Öko-
nomie, bleibe er hinter Hegel zurück582, so ist doch bemerkenswert, dass
Feuerbach immerhin – ohne aber daraus Konsequenzen zu ziehen – den
Inhaltsreichtum des Hegelschen Systems einräumt: „Alles, was auf Erden,
findet sich wieder im Himmel der Theologie – so auch alles, was in der Na-
tur, im Himmel der göttlichen Logik: Qualität, Quantität, Maß, Wesen,
Chemismus, Mechanismus, Organismus... Alles zweimal in der Hegelschen
Philosophie; als Objekt der Logik, und dann wieder als Objekt der Natur-
und Geistesphilosophie.“583
Im undialektischen antithetischen Sinne ist es also zu verstehen, wenn
Feuerbach seine Philosophie, die auf der Basis der Sinnlichkeit der Sin-
nesorgane, der Außenwelt und des (nicht als Gegenstand, sondern als
Quelle von Theorie und Praxis gefassten584) Leibes gründet, im Gegensatz
zur Spekulation Hegels als eine Philosophie kennzeichnet, „welche... gera-
de das Wesen der Philosophie in die Negation der Philosophie setzt, d. h.
nur... die Mensch gewordene Philosophie für die wahre Philosophie er-
klärt“.585 Dementsprechend hat für Feuerbach zum Zwecke der Verwirkli-
chung der Philosophie die neue toto genere verschiedene Philosophie, die
„unbeschadet der Würde und Selbständigkeit der Theorie... wesentlich ei-
182

ne praktische und zwar im höchsten Sinne praktische Tendenz“ hat586, mit


der „Nichtphilosophie“ zu beginnen.587 Die neue verwirklichte Philosophie
sei Sache nicht nur des Denkers und einer besonderen Fakultät, sondern
des ganzen wirklichen Menschen; ihr Imperativ sei: „... denke in der Exis-
tenz, in der Welt als ein Mitglied derselben, nicht im Vakuum der Abstrak-
tion, als eine vereinzelte Monade, als ein absoluter Monarch...“588 Die un-
philosophische nicht mehr in Ansatz kommende Voraussetzung der sich
selbst voraussetzenden und begründenden Hegelschen Philosophie liegt
für Feuerbach darin, dass Hegel wesentlich als Denker existiert.589
(V) Nachdem sich gezeigt hat, dass Feuerbach bei seiner Religionskritik
und seinem allgemeinen Umkehrverfahren hauptsächlich das praktische
Interesse leitet, auf diesem Wege das harmonische von der Liebe inspirier-
te Gattungsleben vorzubereiten590, muss thematisch werden, dass Feuer-
bach in gewisser Weise seine neue Philosophie auch mit der Praxis der Po-
litik verbindet. Diese Verbindung kommt allerdings detaillierter in den
Briefen und dem Nachlass als in den veröffentlichten Schriften zum Aus-
druck.
Außer in den im Revolutionsjahr 1848 (auch vor Gottfried Keller) gehal-
tenen „Vorlesungen über das Wesen der Religion“ – in denen er als Zweck
seiner Schriften angibt, die Menschen „aus religiösen und politischen
Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokra-
tie zu freien, selbstbewussten Bürgern der Erde zu machen“591 - wird der
politische Inhalt der neuen Philosophie Feuerbachs am prägnantesten in
den nachgelassenen Aufzeichnungen aus den Jahren l842/43 deutlich. In
diesen Aufzeichnungen will Feuerbach das politische aktive Interesse an
den Staatsangelegenheiten als „Religion der Zukunft“ gegründet wissen auf
das die Trennung von Theorie und Praxis beseitigendende anthropologi-
sche Prinzip, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist,
(während dagegen Heine die politische Praxis aus der nicht umgebildeten –
aber angeblich esoterischen – Hegelschen Theorie ableitet): „Die neue Reli-
gion, die Religion der Zukunft ist die Politik... Fassen wir ein vom Men-
schen unterschiedenes Wesen als höchstes Prinzip und Wesen... so kom-
men wir nie zur unmittelbaren Einheit mit uns selbst, mit der Welt, mit
der Wirklichkeit, wir vermitteln uns mit uns selbst und der Welt durch ein
Anderes, Drittes... wir haben ein Jenseits, wenn nicht mehr außer uns,
183

aber in uns, wir befinden uns stets in einem Bruch, einen Zwiespalt zwi-
schen dem Leben und der Philosophie, der Praxis und der Theorie, wir ha-
ben ein anderes, (abstraktes), Wesen im Kopfe als im Herzen... wir sind bei
jedem Schritte im Leben außer der Philosophie, bei jedem Gedanken der
Philosophie außer dem Leben... Nur wenn das Wesen unseres Lebens auch
das Wesen unseres Denkens, das wesentliche Objekt der Praxis auch das
wesentliche, das absolute Objekt der Theorie ist, bekommen wir wahre
Einheit zwischen Sinn und Denken, zwischen Philosophie und Leben.“592
Die neue Philosophie als „Bedürfnis der Zukunft“ in Verbindung mit der
Politik kann für Feuerbach auch deshalb an die Stelle der christlichen Re-
ligion treten – die sich „vermengt hat mit den Hemnissen des wesentlichen
Triebes der jetzigen Menschheit, der politischen Freiheit“, und die „den
Menschen um die politische Energie“ bringt –, weil in der christlichen Reli-
gion die Realisierung eines wahren politischen Gemeinwesens vorstel-
lungsmäßig antizipiert worden sei, und zwar in der Weise der Gleichheit
aller Menschen vor Gott ohne Ansehung der Geburt, des Standes und der
Nation.593 Dementsprechend ist für Feuerbach der politisch verwirklichte
Abbau der Hierarchie dir Republik, was er in den nachgelassenen Apho-
rismen formelhaft so ausdrückt: „Die Auflösung der Theologie in die Anth-
ropologie auf dem Gebiete des Denkens ist auf dem Gebiete der Praxis, des
Lebens, die Auflösung der Monarchie in die Republik.“594
Dass der Staat, in dem der Mensch nicht „dem Zufall der Naturmacht“
preisgegeben ist, in der Form der Republik die Verwirklichung und zu-
gleich „die praktische Widerlegung“ der Religion ist, ist eine etwas nähere
Bestimmung der in den „Thesen“ veröffentlichten abstrakt allgemeinen
Behauptung, der Staat sei „die realisierte, ausgebildete, explizierte Totali-
tät des menschlichen Wesens“, in dem „die wesentlichen Qualitäten oder
Tätigkeiten des Menschen in besonderen Ständen verwirklicht, aber in der
Person des Staatsoberhauptes wieder zur Identität zurückgeführt“ seien.595
Der Grad der Abstraktheit der Feuerbachschen Konzeption der politischen
Praxis in den „Thesen“ kommt auch darin zum Ausdruck, dass er zwar
ähnlich wie Hegel, Heine, Cieszkowski, Heß und Ruge die Verbindung von
Praxis und Theorie in Gestalt einer gallo-germanischen Allianz fordert, a-
ber mit ihr doch nur allgemein die Vereinigung von Herz und Kopf, Leiden-
schaft und Geist meint.596 Infolgedessen ist es verständlich, wenn Marx
über die „Thesen“ an Ruge schreibt: „Feuerbachs Aphorismen sind mir nur
184

in dem Punkt nicht recht, dass er zu sehr auf die Natur und zu wenig auf
die Politik hinweist“; worauf Ruge antwortet: „Über Feuerbachs Naturein-
seitigkeit stimm ich ihnen bei. Er hat aber außerdem sehr viel politischen
Sinn, nur meint er, sei in Deutschland dem Ding nicht anders als von der
Theologie aus beizukommen.“597
Feuerbachs Schwäche ist, dass er im wesentlichen dabei bleibt, die
Theologie sei „für Deutschland das einzige praktische und erfolgreiche Ve-
hikel der Politik, wenigstens zunächst.“598 In dem Bewusstsein, dass sein
anthropologisches Prinzip für die politische Praxis allein nicht hinreichend
ist und er keine allseitig fundierte in die Praxis übersetzbare politische
Theorie entwickelt hat, schreibt Feuerbach im Zusammenhang mit dem
Projekt der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“, für das ihn Marx und
Ruge – unter Berufung auf die von ihm selbst verkündigte gallo-
germanische Allianz – zu gewinnen suchen: „Ich habe nichts gegen die Idee
an sich – im Gegenteil... aber vom praktischen Gesichtspunkt aus hält sie,
namentlich jetzt, nicht stich und stand. Diese Assoziation ist auffallend,
und schon dadurch verfehlt sie ihren Zweck; denn der letzte Zweck ist zu-
nächst doch immer nur, sich Luft zu machen... Haben wir nur erst Luft,
der Wind stellt sich schon mit der Zeit ein; er entsteht unter Bedingungen,
die nicht in unserer Gewalt sind... Deutschland kann nur durch Gift ku-
riert werden – nicht durch Feuer und Schwert. Wir sind noch nicht auf
dem Übergang von der Theorie zur Praxis, denn es fehlt uns noch die The-
orie, wenigstens in ausgebildeter und allseitig durchgeführter Gestalt.“599
Wie sich zeigte, muss es für Feuerbach gerade wegen seines Anthropo-
logismus und ungeschichtlichen Sensualismus unmöglich bleiben, einen
exakten Begriff der Kritik der Politik und Gesellschaft zu gewinnen, der auf
der Differenz von Wirklichem und Möglichem, Realem und Rationalem zu
basieren hätte; und das Fehlen dieses Begriffes der Kritik kann nicht adä-
quat ersetzt werden durch die Vorstellung eines in der Religion antizipier-
ten auf der Gleichheit aller Menschen gegründeten politischen Gemeinwe-
sens. Aber eines, was die Junghegelianer (im engeren Sinne) von der Kritik
annehmen, denkt auch Feuerbach von der politischen Theorie, nämlich
dass die praktische Neugestaltung oder Therapie zwangsläufig auf die
wahre Einsicht oder Diagnose folgen müsse und die Tatlosigkeit wesentlich
in der Ratlosigkeit wurzele (so dass, wie sich folgern lässt, in der politisch-
185

gesellschaftlichen Praxis auftretende Gegensätze auch durch Ratgeber,


Gutachter- und Sachverständigenräte, „councils of advisers“ oder – venia
sit verbo – „brain-trusts“, auflösbar sein müssten): „Die Deutschen sind
politische Kinder. Sie müssen erst erzogen werden. Es fehlt ihnen nicht an
Willen, und es fehlt ihnen aber so sehr an Kopf und Erkenntnis; sie sind
nur tatlos, weil ratlos, nur mutlos, weil sie kein Recht zu haben glauben,
mutig zu sein...“600
186

IX. Marx’ Übergang von der kritischen Philosophie zur Konzeption


der Aufhebung der Philosophie durch ihre Verwirklichung

Bevor Marx teilweise auf Feuerbachs Position übergeht und danach im


Zusammenhang mit seiner Kritik an Feuerbachs kontemplativen Materia-
lismus und ungeschichtlichen Anthropologismus seine eigene materialisti-
sche und dialektische Konzeption entwickelt, setzt er sich schon mit der
idealistischen Philosophie Hegels und der Junghegelianer auseinander.
(1) Vom Anfang seiner schriftlichen Äußerungen an ist Marx dabei be-
strebt, Hegels unter anderem in der Vorrede zur „Rechtsphilosophie“ aus-
gesprochene Ablehnung des leeren Sollens und des utopischen „Aufstel-
lens eines Jenseitigen“ bei zu behalten, eine hinter Hegel zurück gehende
dualistisch-abstrakte Entgegensetzung von Theorie und Praxis – etwa in
Gestalt einer Orientierung am naturrechtlich gefassten Humanitätsideal –
zu vermeiden und Vernunft und Wirklichkeit in Übereinstimmung zu brin-
gen.
In dem aus der Berliner Studienzeit stammenden Brief an den Vater
vom 10. November 1837 kritisiert Marx selbst seine eigenen zurück liegen-
den Versuche in der Poesie wegen ihrer subjektiv-idealistischen Entgegen-
setzung „von dem, was da ist und dem, was sein soll“, ebenso wie seine
Versuche in der Rechtsphilosophie, in denen „derselbe Gegensatz des
Wirklichen und Sollenden.. sehr störend“ hervor getreten sei und Form
und Inhalt, Theoretisches und Positives, dogmatisch getrennt worden sei-
en statt dass „das Objekt selbst in seiner Entwicklung belauscht“ und die
„Vernunft des Dinges“ aufgedeckt worden sei. Unverkennbar ist hier die
Aufbewahrung dessen, was Hegel besonders in der Vorrede zur „Phänome-
nologie des Geistes“ über die Methode der Philosophie und gegen den
schematisierenden Formalismus anführt. Das Sollen ist für Marx wie für
Hegel ein Resultat der Entwicklung des Wirklichen: „Von dem Idealismus,
den ich, beiläufig gesagt, mit Kantischem und Fichteschem verglichen und
genährt, geriet ich dazu, im Wirklichen selbst die Idee zu suchen. Hatten
die Götter früher über der Erde gewohnt, so waren sie jetzt das Zentrum
derselben geworden.“601
Wenn Marx hierbei ein Ungenügen an der – im „Doktorklub“ erörterten
– Hegelschen Philosophie bekundet, indem ihm deren „groteske Felsenme-
187

lodie... nicht behagte“, so gründet dieses hier noch nicht darin, dass er ihr
Prinzip, die Gleichsetzung von Idee und Wirklichkeit, als unzulänglich be-
stimmt hätte; das heißt: für Marx ist hier die Gegenständlichkeit durchaus
noch im idealistischen Sinne die Entäußerung oder das andere des Geis-
tes. Auch nimmt Marx noch nicht ausdrücklich Anstoß an dem Widerstreit
zwischen dem System und der Methode in der Hegelschen Philosophie,
den im folgenden Jahr Cieszkowski als die Unterordnung der Dynamik des
dialektischen Prozesses unter die Statik des endgültigen Abschlusses der
Geschichte und als Versöhnung von Theorie und Praxis vermittels der
Verabsolutierung der Gegenwart kennzeichnet, ohne aber seinerseits dar-
auf zu verzichten, an dem Vorrang des Systems vor der Methode festzuhal-
ten und die die Totalität umschließende Synthese nur um eine zukünftige
Stufe höher hinaus zu verschieben.
Wenn aber Marx in den Anmerkungen zu seiner Dissertation über die
„Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ (1841)
in der „Unzulänglichkeit oder unzulänglichen Fassung seines Prinzips“ den
Grund für Hegels versöhnende Akkommodation sieht602 (und nicht in der
von Bauer und Ruge behaupteten inkonsequenten äußerlichen Anpassung
und Apologetik oder in der von Heine unterstellten exoterischen Irrefüh-
rung), so zielt er damit auf die absolute Einheit von Vernunft und Wirk-
lichkeit oder von Subjektivität und Objektivität, auf Hegels absoluten Idea-
lismus, dessen Anspruch auf Vollendung im Wissen des absoluten Geistes
prinzipiell voraussetzt die praktisch-geschichtliche Verwirklichung des
Geistes, d. h. die Vollendung der geschichtlichen Praxis, die als solche in
ihrem gegenwärtigen vorgegebenen Bestand zu begreifen, in Form zu brin-
gen ist, und der sich also der Begreifende in diesem Sinne zu akkomodie-
ren hat. Mit der Abkehr von der Hegelschen Konzeption der absoluten
Subjekt-Objekt-Einheit, die zwar wie die aristotelische Theoria auf das E-
wige und Absolute ausgerichtet ist, aber im Gegensatz zu ihr mit diesem
zugleich das Zeitliche, Relative und Praktische dialektisch verknüpft, ver-
liert Marx auch die Möglichkeit der Rücknahme der Entäußerungen des
absoluten schöpferischen Subjekts auf dem Wege der spekulativen Theo-
rie. Marx bleibt jedoch in seiner Dissertation auf dem Boden der Dialektik
des objektiven Geistes (nachdem die Umkehrung des Verhältnisses von
Denken und Sein von Feuerbach schon im Jahre 1839 vorgenommen wor-
den ist). Die Weltgeschichte ist für Marx in diesem Stadium seiner Ent-
188

wicklung bestimmt durch die Beziehung zwischen dem menschlichen


Geist und der Welt, der Philosophie und der Wirklichkeit, dem Selbstbe-
wusstsein und dem Sein, auf deren Einklang – den „Knotenpunkten“ der
Philosophieentwicklung – immer wieder im dialektischen Prozess Perioden
der Entzweiung folgen wie die nacharistotelische und die nachhegelische
Periode, die gekennzeichnet sind durch den Gegensatz der in sich auf abs-
trakte Weise abgeschlossenen, freien und harmonischen subjektiven Phi-
losophie auf der einen Seite und der ihr widersprechenden in sich zerris-
senen Welt auf der anderen Seite. „Die Welt ist also eine zerrissene, die
einer in sich totalen Philosophie gegenübertritt.“603
Auf dem Fundament dieses Zwiespalts und Konflikts von Philosophie
und Welt, Vernunft und Wirklichkeit, werde, wie Marx ausführt, die Bewe-
gung der Philosophie praktisch, trete sie aus ihrer selbstgenügsamen Kon-
traktion heraus nach außen, setze sich als Wille der Welt entgegen und
ziele auf die vernünftige Veränderung der Welt, bleibe dabei aber im Ele-
ment der theoretischen Kritik, d. h. der theoretischen Vermittlung zwi-
schen Wesen und Existenz: „Es ist ein psychologisches Gesetz, dass der in
sich frei gewordene theoretische Geist zur praktischen Energie wird, als
Wille... sich gegen die weltliche, ohne ihn vorhandene Wirklichkeit kehrt...
Allein die Praxis der Philosophie ist selbst theoretisch. Es ist die Kritik, die
die einzelne Existenz am Wesen, die besondere Wirklichkeit an der Idee
misst.“604
Diese mit dem Geschichtsprozess verbundene subjektive Kritik, die als
solche Sache des Bewusstseins bleibt, kann als wirksam – als unwider-
stehlich den Übergang vom Wesen zur Erscheinung vollbringend und so-
mit die rationale Negation der irrational gewordenen Welt bewerkstelligend
– nur insofern gedacht werden, als der Geschichtsprozess in objektiv idea-
listischer Weise als wesentlich geistiger Prozess fortschreitender Freiheit
gefasst wird.
Wie die Dissertation weiter zeigt, liegen für Marx wahre Freiheit, Selb-
ständigkeit und Selbstbehauptung nicht in der Absolutheit der Theorie,
der Losgelöstheit von der wirklichen geschichtlichen Welt, und dem sich
daraus ergebenden Verzicht, auf sie einzuwirken, was gleichbedeutend wä-
re mit der permanenten Repulsion des Daseienden, dem reinen Fürsich-
sein, der formellen Unabhängigkeit und der abstrakten Einzelheit: „Die
189

abstrakte Einzelheit ist die Freiheit vom Dasein, nicht die Freiheit im Da-
sein. Sie vermag nicht im Licht des Daseins zu leuchten.“ Marx bemängelt
infolgedessen Epikurs Begriff der Freiheit als Ataraxie, als „Ausbeugen vor
dem Schmerz und der Verwirrung“, dem Epikurs Bestimmung der Dekli-
nation des Atoms von der geraden Linie sowie seine Auffassung vom Des-
interesse der intermundanen Götter an der Welt entspreche, wozu das an-
dere falsche Extrem Demokrits deterministisch-undialektische Bestim-
mung der Notwendigkeit sei.605
Unverkennbar sucht Marx sich also anzuschließen an Hegels Konzepti-
on der konkreten Sittlichkeit: frei, allgemein und unendlich ist nach ihr
der beschränkte, natürliche und endliche Wille nur formal oder seinem
Begriffe nach, das heißt insofern, als er die Möglichkeit hat, durch seinen
Entschluss von jedem bestimmten Inhalt ins Unendliche fort zu abstrahie-
ren und in dieser einseitigen Weise als einfache Reflexion in sich und Ne-
gation des Realen unmittelbar bei sich zu sein, während dagegen die
wahrhafte Autonomie und Sittlichkeit erst in der Einheit des allgemeinen
Gesetzes und des bestimmten Inhalts möglich ist.
Marx’ in der Dissertation entwickelte Auffassung von der Praxis der
theoretischen Kritik stimmt mit der kritischen Philosophie der idealisti-
schen Junghegelianer in folgendem überein: erstens in der Beziehung der
subjektiven Kritik auf die als Geistesprozess verstandene objektive Ge-
schichte (mit ihren latenten und akuten Krisen), wodurch die Kritik als
Selbstzweck verneint wird und in den Dienst der geschichtlichen Selbst-
verwirklichung, des Prozesses der Freiheit, gestellt wird (und sich nicht auf
die Vergangenheit des Menschen bezieht, sofern diese keine gegenwärtige
und zukünftige Dimension mehr hat); somit zweitens in der Strukturie-
rung der Kritik, nämlich in der vermittelnden Zuordnung der – im Ge-
schichtsprozess enthaltenen – spannungsvollen Zweiheit von Vernunft und
Realität, Begriff und Existenz, Möglichkeit und Wirklichkeit; drittens in der
hiermit implizierten Ablehnung, Theorie und Praxis – wie Aristoteles – als
ein Verhältnis zweier wesentlich verschiedener Prinzipien zu fassen606 und
in der Fortführung der Hegelschen Bestimmung des Vorranges innerhalb
des dialektischen Verhältnisses von Theorie und Praxis, Geist und Willen,
Innen und Außen, demgemäß der – von der Kritik aktivierte, mobilisierte
und formierte – Wille nicht das Ursprüngliche und Selbständige, sondern
190

das andere, die Entäußerung oder Objektivation des Geistes, des allgemei-
nen Möglichen oder An sich, ist; viertens in der Annahme, dass die Prakti-
zierung vernünftiger Verhältnisse hauptsächlich verhindert wird durch ein
falsches Bewusstsein, d. h. durch das Unaufgeklärtbleiben über Vernunft
und Unvernunft (nicht durch Interessen- und Machtkonstellationen sowie
Leidenschaften und Bedürfnisse); fünftens in der Auffassung, dass die phi-
losophische Theorie, an die die Kritik beim Geltendmachen und Inswerk-
setzen der Vernunft anknüpft, trotz ihres Ausgerichtetseins auf praktische
Effektuierung im wesentlichen für sich selbst besteht und souverän ist
und nicht in der geschichtlichen Praxis ihre Grundlage hat. In dieser Hin-
sicht stehen die Junghegelianer im übrigen nicht in Opposition zu Eduard
Zeller, wie dieser selbst annimmt, indem er zwar die praktische Bedeutung
der Philosophie, ihre „Verbindung mit dem Leben“ (als „Bestimmen der ge-
gebenen Stoffe und Verhältnisse durch den Gedanken“) anerkennt, aber
schließlich an ihrer Autonomie prinzipiell festhält: „... die rechte Praxis der
Philosophie setzt voraus, dass erst die Selbständigkeit der Theorie gegen
unbefugte Ansprüche und Anforderungen gewahrt werde“, ohne dass er
mit diesen etwa nur korrumpierende willkürliche Einflussnahmen der All-
tagspraxis oder rechtfertigende Anpassungen der Theorie an Taktiken des
Machtstrebens meint.607
Aber Marx unterscheidet sich von der kritischen Philosophie der idealis-
tischen Junghegelianer schon in seiner Dissertation dadurch, dass er – als
Resultat der Kritik – die Verwirklichung der Philosophie und ihre Versöh-
nung mit den Erscheinungen der Welt in der Weise der Aufhebung der für
sich bestehenden Philosophie erwartet: „Die innere Selbstgenügsamkeit
und Abrundung ist gebrochen. Was innerliches Licht war, wird zur verzeh-
renden Flamme, die sich nach außen wendet. So ergibt sich die Konse-
quenz, dass das Philosophisch-Werden der Welt zugleich ein Weltlich-
Werden der Philosophie, dass ihre Verwirklichung zugleich ihr Verlust...
ist...“608
Mit diesem Gedanken, den er im Laufe seiner Entwicklung weiter kon-
kretisiert, musste Marx später am schroffsten in Gegensatz geraten zu
Bauers Rückgang in die Subjektivität und unversöhnlichen Ablösung von
den bestehenden Voraussetzungen. Aber auch von Feuerbachs Entwurf
einer „Mensch gewordenen Philosophie“ unterscheidet sich Marx hier im
191

Grunde; denn Feuerbach erstrebt mit ihr im undialektisch-antithetischen


Sinne nur die Negation, nicht die Aufhebung der Hegelschen Philosophie.
Zwar die Verwirklichung, aber auch nicht die Aufhebung der Philoso-
phie bestimmt unabhängig von Marx Engels in mehreren kleinen Artikeln
von 1840 bis 1842 als Aufgabe der Zeit, deren Lösung er als einziger in der
„Vereinigung des Gedankens mit der Tat“ als Vollendung der „Durchdrin-
gung Hegels und Börnes“ erblickt.609
Marx sucht mit seinem Begriff von Kritik zu bewahren, was Hegel mit
philosophischer Kritik verbindet und prinzipiell gegen die kritizistische
Voruntersuchung der Instrumente des Erkenntnisvermögens anführt,
nämlich die Notwendigkeit des Eingehens auf die Sache selbst, auf den
inneren Gehalt und die Bewegung des Gegenstands, und damit einerseits
das Durchbrechen pseudo-objektiver Klassifikationen und Kategorien, die
von Erfahrungen absperren, sowie andererseits das Fernhalten des „Räso-
nierens“, d. h. des Vorbringens subjektiver von außen genommener belie-
biger Gesichtspunkte. Dieser Grundzug lässt sich als die Insistenz und
objektive Immanenz der Kritik bezeichnen. Aber als nicht verdinglicht, als
nicht absorbiert ist die Kritik zugleich resistierend und transzendierend,
das heißt: das kritische Eindringen in die Sache –das gleichbedeutend ist
mit der Repulsion der fürsichseienden Reinheit, des formalen existenzlo-
sen Gutseins, des unmittelbaren Beisichseins, der einfachen Reflexion in
sich, der abstrakten Selbstgenügsamkeit, der cartesischen Selbstgewiss-
heit des Subjekts – verfällt nicht passiv der ansichseienden Sache mit ih-
rem besonderen scheinbar unerschütterlichen Unwesen, sondern bewahrt
zugleich als spontan negierendes Distanz und Spannung, so dass die ver-
nünftige Autonomie nicht preisgegeben werden kann zugunsten wirklicher
Heteronomie. (Diese Stellung des Subjekts zur Objektivität bedeutet im
engen politischen Sinn die Vermeidung der beiden Extreme der Utopie und
des Opportunismus.) Die Marxsche Kritik verwickelt sich also ihrem An-
spruch nach in die Sache, ohne sich in ihr wehrlos zu verstricken, aber
auch ohne sich mit ihr vollends in der Weise der Hegelschen konkreten
Sittlichkeit zu versöhnen.
Im Gegensatz zu Hegel verbindet Marx mit seiner Kritik zugleich Pole-
mik und Parteilichkeit. Hegel grenzt ab: „...wenn die Kritik selbst einen
einseitigen Gesichtspunkt gegen andere ebenso einseitige geltend machen
192

will, so ist sie Polemik und Parteisache.“610 Gerade dieses wird die Konse-
quenz der Hegelschen Philosophie, nachdem ihr Anspruch auf das speku-
lative Erfassen des versöhnenden absoluten Ganzen von den Junghegelia-
nern fallengelassen und nur die objektive Vernunft der Entwicklung in Ge-
gensätzen festgehalten worden ist (und nur Bauer den Rückzug in eine
welt- und substanzlose Überparteilichkeit und Desintegration erstrebt
hat).
Diese Art von Kritik praktiziert Marx im folgenden. Ihr – nicht nur der
vollständigen und allseitigen Information – den von der Pressezensur un-
gehinderten Ausdruck zu verschaffen besonders innerhalb der politischen
Auseinandersetzungen, in denen er auf selten der Liberalen und danach
der Radikaldemokraten steht, gelten Marx’ „Bemerkungen über die neues-
te preußische Zensurinstruktion“ (Ende Januar 1842) und der erste Arti-
kel über „Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags“, (im Mai 1842
veröffentlicht in der „Rheinischen Zeitung“). Überdies konkretisiert er diese
Kritik (die Vermittlung zwischen Wesen und Existenz), indem er die Idee
der Freiheit in Gestalt der Pressefreiheit vergleicht mit den bestehenden
Zensurzuständen und in dieser bestimmten Weise „das Maß des Wesens
der inneren Idee an die Existenz der Dinge“ legt.611
Wie sehr Marx in diesem Zusammenhang bestrebt ist, Theorie und Pra-
xis zu vereinen, geht indirekt aus dem hervor, was er dem Stand der Ritter
hinsichtlich dessen Äußerungen zur Pressefreiheit vorhält: er könne – da
seine wirkliche Stellung obsolet und seine Bestrebungen irrational gewor-
den seien – seinen praktischen Forderungen nur durch theoretische Illusi-
onen Ausdruck verschaffen: „Weil ferner die wirkliche Stellung dieser Her-
ren im modernen Staate keineswegs dem Begriff entspricht, den sie von
ihrer Stellung haben, weil sie in einer Welt leben, die jenseits der wirkli-
chen liegt..., so greifen sie, in der Praxis unbefriedigt, notwendig zur Theo-
rie, aber nur zur Theorie des Jenseits, zur Religion, die jedoch in ihren
Händen eine polemische, von politischen Tendenzen geschwängerte Bitter-
keit empfängt und mehr oder weniger bewusst nur der Heiligenmantel für
sehr weltliche, aber zugleich sehr phantastische Wünsche wird.“612
Marx stimmt hier sogar schon dem Repräsentanten des Bauernstandes
zu, der die Notwendigkeit für gesetzliche Bestimmungen der Pressefreiheit
aus neuentstandenen geschichtlichen Interessen und Bedürfnissen ablei-
193

tet.613 Dass diese Perspektive durchaus vereinbar ist mit der noch vertre-
tenen idealistischen Auffassung von Gesetz und Staat als Daseinsweisen
des Volksgeistes und als Wirklichkeit der Freiheit, zeigt sich auch an den
vergleichbaren Schriften Hegels: „Über die neuesten inneren Verhältnisse
Württembergs“, „Die Verfassung Deutschlands“ (die damals beide nicht
veröffentlicht waren) und „Verhandlungen in der Versammlung der Land-
stände des Königreichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816“, in denen
Hegel Veränderungen unhaltbar gewordener überlebter Zustände am Maß-
stab des Begriffs fordert.
Unkritisch und positivistisch, d. h. stecken geblieben in gegebenen Tat-
sachen als maßgebender Instanz, und in dieser ponierend-stabilisierenden
Weise „materialistisch“ muss nach Marx’ Urteil die historische Rechts-
schule Gustav Hugos und Friedrich Karl von Savignys verfahren, insofern
sie sich gegen die Vernunft skeptisch verhält und nicht von der Spannung
– der „geeinten Zwienatur“ – von Vernunft und Wirklichkeit ausgeht (womit
sie als verdinglichtes Bewusstsein eine Wahrheit des Idealismus ver-
wirft).614 In der Tat verliert hiermit die historische Rechtsschule – ähnlich
wie die Publizistik Justus Mörsers – die Möglichkeit, über bloß hinneh-
mendes „inventarisierendes“ Protokollieren, Deskribieren und Reproduzie-
ren hinaus das scheinbar unmittelbar Gegebene, Dinghafte, Positive und
Selbständige, das der Selbstbestimmung des Subjekts entgegensteht,
durch die Anstrengung der „Kritik“, des Unterscheidens – „krinein“ – oder
Aufschließens und Auseinanderspaltens – discutio“ – zu entautorisieren,
die „quaestio facti“ und „quaestio iuris“ einander gegenüber zustellen und
sich als immanente Kritik an den inneren Widersprüchen der geschichtli-
chen Entwicklung des manifest-tatsächlich Gewordenen zu orientieren.
Marx hätte sich mit Recht auch auf Friedlich von Gentz, den Übersetzer
von Burkes „Reflections on the revolution in France“ und Vertrauten Met-
ternichs, beziehen können, der den „Vorrang der positiven Wissenschaften
über die philosophischen und kritischen“ genau als ein Mittel erkannt hat,
die „intellektuelle Subordination“ zu erhalten. – Wenn im übrigen Marx
und Engels gegen die historische Rechtsschule geltend machen, dass das
Recht nicht nur unbewusster „organischer“ Ausdruck des Volksgeistes,
sondern auch bewusste zwecktätige Hervorbringung ist, so entspricht dem
Bauers Stellungnahme gegen Strauß’ Erklärung des Ursprungs der Evan-
gelien, indem Bauer diese nicht aus dem substantiellen urchristlichen
194

Gemeindebewusstsein der messianischen Erwartungen, dem absichtslosen


„Mythus“, sondern aus dem schöpferischen Selbstbewusstsein als „Werk
der Reflexion“ ableitet.
Das kritische Aufeinanderbeziehen von Vernunft und Wirklichkeit – das
Verklärung der Wirklichkeit oder Gemütlichkeit und Erbaulichkeit, d. h.
bloße Wiederholung des schon Bekannten, nicht zulässt – ist die Quelle
oder der Puls auch in Marx’ folgenden Untersuchungen. Dass die Existenz
eines Zustandes nicht eo ipso die Berechtigung seines Bestehens, die rai-
son d’ être, impliziert, ist der zentrale Gesichtspunkt in dem Artikel gegen
den Redakteur der „Kölnischen Zeitung“ Hermes, der der „Rheinischen Zei-
tung“ das Recht der Behandlung philosophischer und religiöser Fragen
absprach. Marx hält daran fest, dass der Staat, den er hier noch als Ver-
wirklichung von Vernunft und Freiheit (dem Begriff nach) ansieht, mit Hil-
fe der philosophischen rationalen Kritik – der nicht nur nachträglich täti-
gen Theorie – aktiv umgestaltet und emanzipatorisch weiter entwickelt
wird. Die Philosophie kann dementsprechend nicht in der folgenlosen „sys-
tematischen Abschliessung“ und „leidenschaftslosen Selbstbeschauung“
verharren. Ihr Weltlichwerden und die Möglichkeit ihrer Wechselwirkung
mit der geschichtlichen Welt leitet Marx dabei daraus ab, dass sie das
geistige Wesen eben dieser geschichtlichen Welt ist: „Weil jede wahre Phi-
losophie die geistige Quintessenz ihrer Zeit ist, muss die Zeit kommen, wo
die Philosophie nicht nur innerlich durch ihren Gehalt, sondern auch äu-
ßerlich durch ihre Erscheinung mit der wirklichen Welt ihrer Zeit in Be-
rührung und Wechselwirkung tritt. Die Philosophie hört dann auf, ein be-
stimmtes System gegen andere Systeme zu sein, sie wird die Philosophie
überhaupt gegen die Welt, sie wird die Philosophie der gegenwärtigen
Welt.“615 In der wirklichen Welt praktisch tätig ist für Marx in dieser seiner
Entwicklungsetappe der objektive Zeit- und Volksgeist sowohl in Gestalt
der philosophisch-kritischen Tätigkeit als auch in Gestalt der sinnlichen
Arbeitstätigkeit: „Derselbe Geist baut die philosophischen Systeme in dem
Hirn der Philosophen, der die Eisenbahnen mit den Händen der Gewerke
baut.“616 Dieser Auffassung entspricht es, wenn Marx der Subjektivierung
der Kritik seitens der Berliner „Freien“ immer entschiedener entgegen tritt.
Ihnen wirft er vor, besonders durch die rücksichtslose die Zensur provozie-
rende Negation des Liberalismus die Kritik zu isolieren und zum Selbst-
zweck ohne praktische Wirksamkeit auf die politische Umwelt werden zu
195

lassen. Die die „Phrase“ meidende sachliche undogmatische Kritik, für die
Marx plädiert, entwickelt die Theorie konkret, d. h. an den aktuellen Zeit-
erscheinungen, und verbindet so Theorie und Praxis: „Die wahre Theorie
muss innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen
klargemacht und entwickelt werden.“617 Da die Zeiterscheinungen nicht
mehr als Entäußerungen des absoluten Geistes begriffen werden und das
Wahre weder mit dem reinen unbedingten Transzendentalsubjekt noch mit
dem äußeren Anwesenden und Bleibenden gleichgesetzt wird, entfällt mit
dieser methodischen Ausrichtung zugleich die Möglichkeit, die philosophi-
sche Theorie in einem fertigen lehrbaren System – in der Weise einer ein-
zelnen Wissenschaft oder einer Ontologie und eines Strukturaslismus – zu
verselbständigen oder zu einer geschlossenen Weltanschauung zu ma-
chen.618 Infolgedessen befände sich auf dem Boden der Marxschen Theo-
rie, wer diese weder „dogmatisch“ rezipiert, indem er sie in Form von er-
starrten theoretischen Thesen von der wirklichen veränderlichen Praxis
absperrt, noch ihre dialektische Methode „revisionistisch,“ wie prototy-
pisch Eduard Bernstein, verwirft.
Eingehendes gründliches Studium verlangt Marx – gegenüber der
„Augsburger Allgemeinen Zeitung“ – auch hinsichtlich der Frage des
Kommunismus, von dem er in Gegensatz zu seiner späteren materialisti-
schen Auffassung praktische Gefahr für die bestehenden Verhältnisse erst
dann erwartet, wenn er theoretisch ausgearbeitet, begrifflich durchdrun-
gen sein wird: „Wir haben die feste Überzeugung, dass nicht der praktische
Versuch, sondern die theoretische Ausführung der kommunistischen I-
deen die eigentliche Gefahr bildet, denn auf praktische Versuche... kann
man durch Kanonen antworten, sobald sie gefährlich werden, aber Ideen,
die unsere Intelligenz besiegt, die unsere Gesinnung erobert, an die der
Verstand unser Gewissen geschmiedet hat, das sind Ketten, denen man
sich nicht entreißt, ohne sein Herz zu zerreißen...“619 Diese Reihenfolge
von Gedanke und Tat hat Heine als den Vorzug methodischer Gründlich-
keit der deutschen Philosophie gekennzeichnet, von dem er die Überlegen-
heit der Praxis erwartet hat.
Ein weiteres Charakteristikum der Marxschen Kritik ist, dass sie den
einzelnen Gegenstand im Zusammenhang zu betrachten sich bemüht mit
dem Allgemeinen, dem relativen Ganzen, d. h. mit den wesentlichen Er-
196

scheinungen des menschlichen Lebens in seiner Wechselwirkung mit der


Natur, womit Hegels Erkenntnis, dass das Wahre nicht ein Satz, sondern
das Ganze (ungetrennt von seinen Momenten) ist, aufs Endliche und Zeit-
liche verkürzt wird. – Dieses Verfahren präzisiert Marx später in der „Ein-
leitung zur Kritik der politischen Ökonomie“ als die Methode der Analyse
des sinnlichen Konkreten, der unmittelbaren „chaotischen Vorstellung des
Ganzen“, in allgemeine einfache Abstrakta und die darauf folgende Syn-
these oder Vermittlung dieser wesentlichen Abstrakta zum geistig Konkre-
ten als Reproduktion des erscheinenden Konkreten auf der höheren Ebene
des Denkens620, womit dieses Verfahren unausgesprochen bis auf Aristote-
les’ Methodologie zurück geht; denn wie Aristoteles zum Beispiel am An-
fang seiner „Physik“ ausführt, hat die Untersuchung auszugehen von dem
„Zusammengeflossenen“, dem Komplexen, d. h. von dem, was für uns
deutlicher und erkennbarer, aber an sich oder der Natur nach undeutli-
cher und unerkennbarer ist, um schließlich zu dem zu führen, was an sich
deutlicher und erkennbarer ist.
Auf diese – gleichsam relativ totalisierende, das scheinbar Kontingente
nicht isolierende – Weise sucht Marx erstmals in dem Artikel „Debatten
über das Holzdiebstahlsgesetz“ eine Art der Selbstentfremdung aufzude-
cken, die der Selbstverwirklichung und subjektiven Spontaneität entgegen
steht, nämlich die Verkehrung von Sache und Mensch, Mittel und Zweck,
die darin liegt, dass Menschen sich an die tote Sache entäußern und ein-
ander wesentlich als Personifikationen ökonomischer Beziehungen gege-
nübertreten: „Dieser verworfene Materialismus, diese Sünde gegen den hei-
ligen Geist der Völker und der Menschheit ist eine unmittelbare Konse-
quenz jener Lehre..., bei einem Holzgesetz nur an Holz und Wald zu den-
ken und die einzelne materielle Aufgabe nicht politisch, d. h. nicht im Zu-
sammenhang mit der ganzen Staatsvernunft und Staatssittlichkeit zu lö-
sen.“621 – Diese Art der Selbstentfremdung ist es, die Marx später – beson-
ders im „Kapital“622 – konkretisiert als die Verselbständigung der Ge-
brauchsdinge in Form von Tauschobjekten, d. h. von Waren auf dem Wa-
renmarkt, und infolgedessen als den Triumph der Marktsphäre über die
Produktionssphäre, als „Warenfetischismus“, an den sich das verkehrte,
verdinglichte Bewusstsein knüpft, das die menschlichen Beziehungen wei-
ter versachlicht. Aber auch nach einer qualitativen Umwandlung der Ge-
sellschaft kann die Spontaneität der Individuen eingeschränkt werden
197

durch Bürokratie und Administration, deren abgesonderte privilegierte


Vertreter unabsetzbar herrschen – statt verantwortlich zu dienen – und die
Individuen zu Ausführungsorganen bis zur völligen Teilnahmslosigkeit an
allen Entscheidungen herab würdigen, wogegen Marx nach den Erfahrun-
gen der Pariser Kommune in der Adresse des Generalrats „Der Bürgerkrieg
in Frankreich.“ die Einführung der Selbstverwaltung fordert.
Insofern sich die politisch-sozialen Zustände, die den allgemeinen Spiel-
raum abgrenzen für die individuellen Wahl- und Handlungsmöglichkeiten,
gegenüber dem Willen des einzelnen Menschen als sachliche verhängnis-
voll-unberechenbare Zwänge verselbständigen und konsolidieren, will
Marx mit seiner Kritik nicht Personen, sondern Zustände denunzieren und
diskreditieren, wie er im Zusammenhang mit seinem Eintreten für die
Weinbauern an der Mosel hervorhebt (was aber nicht Marx’ Hauptaspekt
widerstreitet, nämlich dass die entfremdeten sachlichen Zustände im
Grunde Produkte menschlicher Tätigkeit sind): „Bei der Untersuchung
staatlicher Zustände ist man allzu leicht versucht, die sachliche Natur der
Verhältnisse zu übersehen und alles aus dem Willen der handelnden Per-
sonen zu erklären. Es gibt aber
Verhältnisse, welche sowohl die Handlungen der Privatleute als der ein-
zelnen Behörden bestimmen und so unabhängig von ihnen sind als die
Methode des Atemholens.“623 Wie sich dagegen das von vornherein als
sachfrei und als durch objektive Inhalte unvermittelt konzipierte Verhält-
nis von Mensch zu Mensch gerade als verdinglicht enthüllen kann, zeigt
sich bei Stirner.
Während Marx die Selbstentfremdung des Arbeiters in der Arbeit erst in
den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ analysiert, entwickelt er
in seiner Schrift „Zur Kritik der Hagelsehen Rechtsphilosophie“ die dritte
Art der Selbstentfremdung, die für ihn in dem durch die französische Re-
volution vollendeten Dualismus von bürgerlicher Gesellschaft und Staaat
besteht, d. h. in der Trennung der bürgerlichen privaten Existenz, die be-
sonderen egoistischen Interessen nachgeht, und der politischen öffentli-
chen Existenz, die allgemeine Interessen verfolgt. Die versöhnende Synthe-
se von Staat und Gesellschaft, die Hegel vermittels der Stände (im beson-
deren vermittels der über Partikularinteressen erhabenen universal gebil-
deten Staatsbeamten) vollbracht sah und die im Mittelalter tatsächlich –
198

allerdings im Zustand der Unfreiheit – bestanden habe, sei erst Sache der
zukünftigen „wahren Demokratie“.624 Tätiges, vorantreibendes und selbst-
bestimmendes Subjekt ist für Marx nicht die absolute Idee, sondern der
Mensch in Familie, bürgerlicher Gesellschaft und Staat. Aus der unter
dem Einfluss von Feuerbachs Umkehrung der Priorität von Denken und
Sein vollzogenen allgemeinen Umkehrung des Subjektiven und Objektiven
im Hegelsehen Sinne ergibt sich, dass der Mensch zu dem Träger wird, der
mit seiner Tätigkeit die objektive Freiheit verwirklicht: „Die subjektive Frei-
heit erscheint bei Hegel als formelle Freiheit..., eben weil er die objektive
Freiheit nicht als Verwirklichung, als Betätigung der subjektiven hinge-
stellt hat. Weil er dem präsumtiven oder wirklichen Inhalt der Freiheit ei-
nen mystischen Träger gegeben hat, so bekommt das wirkliche Subjekt der
Freiheit eine formelle Bedeutung.“625 Wenn Marx an Hegel grundsätzlich
bemängelt, er habe geschichtlich veränderbare Verhältnisse zu logischen
Bestimmungen verabsolutiert und gleichsam irrmobilisiert (worauf unter
anderem auch Nietzsche in der „Götzendämmerung“ mit der Rede von den
„Begriffs-Mumien“ des „Ägypticismus“ zielt626), er habe die „Logik der Sa-
che“ in die „Sache der Logik“ transfiguriert und bestehende empirische E-
xistenzen unkritischerweise als Verwirklichung der Vernunft betrachtet627,
so schließt er sich hiermit Ruges Vorwurf gegen Hegels logische Reduktion
der bestehenden Staatsverfassung, der erblichen Monarchie, der Majorate
und des Zweikammersystems an und argumentiert auf der Linie, die zu-
erst Strauß gezeichnet hat, indem er sich gegen die Zurückführung der
biblischen Geschichte und der kirchlichen Dogmengeschichte auf spekula-
tive Begriffe gewandt hat. In der Konsequenz dieses Ausspielens des Phä-
nomenologischen gegen das Logische fordert Marx, das Denken aus dem
Gegenstand zu entwickeln und in dieser Weise kritisch bestehende Wider-
sprüche in Gesellschaft und Staat aufzudecken und ihre eigentümliche
Genesis zu erklären628 (womit die Kritik letzten Endes anstrebt, die Kon-
flikte zwischen dem Individuum und den allgemeinen Lebensverhältnissen
in friedliche Konvergenz zu verwandeln).
Unmittelbar vor dem Übergang zum historischen Materialismus kom-
men die wesentlichen Momente von Marx’ Konzeption der Praxis der theo-
retischen Kritik noch einmal zusammengedrängt in seinen drei Beiträgen
des Briefwechsels von l843 in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“
zum Ausdruck, worin er zum Zweck der Emanzipation des Menschen die
199

philosophische Kritik noch nicht speziell mit dem Proletariat verbindet,


sondern allgemein auf das Bündnis zwischen allen „denkenden und lei-
denden Menschen“ setzt.629 (Auf dieser Stufe in der Bestimmung des revo-
lutionären Subjekts befindet sich annähernd Herbert Marcuse, insofern er
dieses mit den nicht-integrierten Außenseitern der auf eindimensional-
quantitativer „technologischer Rationalität“ gründenden Praxis der „fortge-
schrittenen Industriegesellschaft“ gleichsetzt.) Unvereinbar mit der kriti-
schen Theorie ist demnach die absolute Wissenschaft in Gestalt dogmati-
scher und konstruierender endgültiger Antizipation der zukünftigen neuen
Welt, wie sie die utopischen Kommunisten Cabet, Dézamy, Blanqui und
Weitling erstrebten (und wie sie auch noch Cieszkowski in seinem schema-
tisierenden Verfahren vorgenommen hat).630 Marx bestimmt hier als Inhalt
der undoktrinären und nicht-utopischen Kritik die Praxis und Theorie des
gegenwärtig Bestehenden und als ihre Aufgabe – wie schon in der Disser-
tation – das Aufdecken und Geltendmachen der realen Möglichkeit, also
der Keime zukünftiger Entwicklungen, des Neuen im Alten, des Negativen
im Positiven, als vernünftige Forderung der bestehenden wirklichen Vor-
aussetzungen, was heißt, dass bestimmte Perspektiven für die Praxis er-
öffnet werden: der Kritiker hat „aus den eigenen Formen der existierenden
Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck“ zu
entwickeln. Ohne wegen der Zurückgebliebenheit der feudalen Zustände
vor der scheinbar hermetisch geschlossenen, ausweglosen und übermäch-
tigen Objektivität zu resignieren, sondern gerade wegen der verzweiflungs-
vollen sich zuspitzenden Lage voller Hoffnung auf einen Bruch im Beste-
henden und auf eine „Ordnung der freien Menschheit statt der Ordnung
der toten Dinge“, verlangt Marx, der Kritiker habe „an die Parteinahme in
der Politik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen“ und das Bewusstsein,
die „Selbstverständigung“, über die Kämpfe und Wünsche zu erwecken,
der Welt vermittels der Analyse „ihre eigenen Aktionen“ zu erklären631
(womit zugleich der undialektische Dualismus vermieden wäre, der ent-
steht durch die Entgegensetzung von abstraktem Ideal und Wirklichkeit
oder durch den Rekurs auf den ethischen Appell im Sinne Feuerbachs,
sich von der Liebe zum harmonischen Gattungsleben inspirieren zu las-
sen). Wenig später aber wird Marx als entscheidenden Mangel der kriti-
schen Philosophie ansehen, worauf er in dem Briefwechsel – im aufkläreri-
schen Vertrauen auf die praktische Wirksamkeit der Vernunft und der
200

„Reform des Bewusstseins“ – noch als ihr Fundament baut, nämlich die
Erwartung, dass „die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von
der sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besit-
zen.“632 Im folgenden wird für Marx nicht das kritische Aufdecken der Per-
spektiven, das Erheben der objektiven Möglichkeiten ins Bewusstsein, der
Angelpunkt, sondern ihre praktisch-sinnliche Realisierung, wobei ihn der
Grundsatz leitet, dass Ideen als solche keine wirklichen Veränderungen
bewerkstelligen können.
(2) In dem ersten der beiden Artikel in den „Deutsch Französischen
Jahrbüchern“, betitelt „Zur Judenfrage“, kritisiert Marx den Gegensatz von
politischem Staat und bürgerlicher Gesellschaft unter einem theoreti-
scheng Gesichtspunkt, und zwar im Gegensatz zu Bauer nicht unter dem
Gesichtspunkt der politischen, sondern der menschlichen Emanzipation.
Erst in dem zweiten Artikel „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie.
Einleitung“ bezeichnet Marx das Subjekt, von dem er die praktische Ver-
wirklichung der menschlichen Emanzipation erwartet: das Proletariat.
Die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staats,
des Bürgers und des Staatsbürgers, des Bourgeois und des Citoyen, ist für
Marx die Trennung des praktischen, materiellen Lebens mit seinen priva-
ten Interessen und des theoretischen, spirituellen Lebens, des „Gattungs-
lebens“, mit seinen allgemeinen öffentlichen Interessen.633 Wie Marx aber
in der Einleitung „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ bemän-
gelt, befinde sich das rückständige Deutschland noch nicht einmal auf
diesem geschichtlichen Niveau der Trennung von Theorie und Praxis, so
dass hier die „Kritik der Erde“, die die hauptsächlich von Feuerbach been-
digte „Kritik des Himmels“ voraussetze, nicht direkt an die wirkliche Politik
anzuknüpfen habe, sondern an die philosophische Theorie, vor allem die
Hegelsche Philosophie, die allein – wenn auch nur als ideales antizipieren-
des Spiegelbild – auf der Höhe der französischen und englischen Zustände
stehe, über die somit die Kritik an der deutschen Philosophie hinaus wei-
se.634 Dass in der Hegelschen Rechtsphilosophie die nachrevolutionäre
Wirklichkeit gedankliche Gestalt bekommen habe, trifft jedoch nur in sehr
einzuschränkender Weise zu; in ihr überwiegt vielmehr die Versöhnung
mit der halb-feudalen Ordnung Preußens.
201

Jedenfalls will Marx die Hegelsche und die junghegelsche Philosophie


nicht unmittelbar als solche, sondern als selbst vorher kritisierte realisiert
wissen, d. h. als Theorie, an der das Überlebte und das Überfällige, Zu-
kunftsträchtige unterschieden worden ist. Dass dann die kritisierte Philo-
sophie zu verwirklichen sei in der Weise ihrer Aufhebung, ist Marx’ prinzi-
piell neuer Gesichtspunkt, der ihn sowohl von der traditionellen Philoso-
phie als auch von der junghegelianischen Philosophie trennt: einerseits
bemängelt Marx an der „praktischen politischen Partei“ die Abwendung
von der Philosophie bei der Hinwendung zur praktischen Veränderung, d.
h. den Versuch der Negation der Philosophie ohne ihre Verwirklichung,
andererseits bemängelt er an der theoretischen Partei, an den Junghegeli-
anern, hier summarisch – in der „Heiligen Familie“ und in der „Deutschen
Ideologie“ ausführlich – den Versuch der Verwirklichung der Philosophie
ohne ihre Negation, d. h. das Ausgehen von den „Voraussetzungen der Phi-
losophie“ und das Stehenbleiben bei der Philosophie als solcher, das
Nichtanknüpfen an die dem Wirklichen selbst innewohnenden sprengen-
den Kräfte (mit der Konsequenz der dualistischen Entgegensetzung von
Philosophie und Welt).635 Philosophie soll sich demnach nicht ohne weite-
res selbst abschaffen, sondern sich tendenziell überflüssig machen durch
ihre Realisierung, so dass sie das Bewusstsein von sich zugleich an der
Gegenstandswelt erfährt und die (verendlichte) Hegelsche Subjekt-Objekt-
Einheit wirklich wird. Erstrebt werden kann dieses überhaupt nur inso-
fern, als zum Inhalt der Philosophie anstelle der übermenschlichen ewigen
Ordnung ausschließlich die menschliche veränderliche Welt geworden ist,
die Aristoteles noch allein der Praxis reservierte.
Die Verwirklichung der Theorie durch ihre Aufhebung hat für Marx zur
Bedingung, dass die Theorie „materielle Gewalt“ wird, indem sie „die Mas-
sen ergreift“, so dass das aus dem Materiellen hervor gegangene Ideelle
sich ins Materielle zurück verwandelt, die Negation negiert wird. Als ver-
mittelndes Band zwischen Philosophie und Welt, Vernunft und Realität,
fungieren in dieser Konzeption die Bedürfnisse und Interessen: „Die Theo-
rie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirk-
lichung seiner Bedürfnisse ist.“636 Durch den Rekurs auf die Bedürfnisse
und Interessen – das heißt auch: auf die in der „Heiligen Familie“ gegen-
über Bauer behauptete Verbindung von Idee und Interesse in den Massen-
aktionen der Geschichte637 – sucht Marx also die dualistisch-abstrakte
202

Entgegensetzung von Theorie und Praxis und die Loslösung des kritischen
Gedankens von der gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit zu ver-
meiden und damit im Grunde zugleich die Dialektik von Freiheit und Not-
wendigkeit, Tat und Schicksal, Wollen und müssen, Teleologie und Kausa-
lität zu konkretisieren und sowohl dem Voluntarismus als auch dem De-
terminismus in der Geschichtsauffassung zu entgehen (über deren Ausle-
gung im einzelnen eine Kontroverse entsteht zwischen Lenin und R. Lu-
xemburg, und zwar hinsichtlich der Bestimmung der Aufgabe einer akti-
ven proletarischen Organisation im Verhältnis zu den „Massen“ und der
„revolutionären Situation“). Praxis und Theorie, Sein und Sollen, Ideal und
Wirklichkeit sind also für Marx vermittelt durch die – sich im Geschichts-
prozess schon nach Hegels Erkenntnis unendlich differenzierenden, mul-
tiplizierenden, komplizierenden und spezialisierenden – praktischen Be-
dürfnisse und Interessen, indem die Theorie an sie anknüpft und deren
immanente Dialektik bewusst macht: „... man muss diese versteinerten
Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene
Melodie vorsingt.“638 Dass aber die Bedürfnisse und Interessen, die immer
auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung zu fassen sind, verdeckt oder
bis zur Unkenntlichkeit deformiert sein können, bleibt hier außer Be-
tracht.
Insofern Marx die Verwirklichung der Gedanken von der Verwirklichung
praktischer Bedürfnisse abhängig macht, steht er ebenso in Gegensatz zu
Aristoteles, für den die Ziele der Praxis primär Bewusstseinsziele sind, wie
zu Hegel, für den die natürlichen Bedürfnisse auch nicht ursprünglich
sind, sondern Entäußerungen der Vernunft, „Beispiele vom Zweck“.639 In-
dem Marx nicht wie Hegel den Willen als das andere des Geistes bestimmt,
gelten ihm (1) letztlich auch nicht geistige Zwecke als Quellen, die die
praktische Tätigkeit mobilisieren und determinieren, (2) ist für ihn die
Selbständigkeit der natürlichen Bedürfnisse nicht mehr nur der Schein
auf dem Standpunkt der Endlichkeit des subjektiven Geistes, (3) liegt für
ihn dem unmittelbar gegebenen Interesse nicht mehr das sich immanent
durchhaltende Wesen des Menschen zugrunde und hat (4) für ihn der
Mensch auf diesem Standpunkt in seiner Tätigkeit, wenn auch ihm selbst
verborgen, nicht mehr als Inhalt und Interesse den Geist selbst, der sich in
der Selbsterkenntnis des Menschen vermittels der Praxis formiert.
203

Marx’ Umwandlung der scheinbaren Selbständigkeit in die wirkliche be-


trifft nicht nur die Bedürfnisse, sondern auch ihre Gegenstände. An die
Stelle des idealistischen Erfahrungsbegriffes, demgemäß der Gegenstand
in Wahrheit vergegenständlichter Geist und unselbständiges Unterschei-
dungsmoment des absoluten Selbstbewusstseins ist, tritt die materialisti-
sche Konzeption vom Gegenstand: der Gegenstand wird zum unabhängi-
gen selbständigen Gegenstand sinnlicher Bedürfnisse; er kann nicht zu-
rück genommen werden durch geistige Tätigkeit im absoluten Wissen als
„mystisches Subjekt-Objekt oder über das Objekt übergreifende Subjekti-
vität“640, sondern nur durch praktische Tätigkeit gesellschaftlich angeeig-
net werden, so dass er weder der Aktivität des Menschen schrankenlosen
Spielraum gewährt noch den Menschen gänzlich einengt und zur Hinnah-
me seiner Fremdheit verurteilt; er wird im Sinne Feuerbachs das Positive
nicht als Negation der Negation, sondern als „das auf sich selbst ruhende
und positiv auf sich selbst begründete Positive“.641 Gegen Hegels korrelie-
rende wesentliche Gleichsetzungen von Gegenstand und Gedankenwesen
sowie Mensch und Selbstbewusstsein ist es gerichtet, wenn Marx unter
dem Einfluss Feuerbachs, der für ihn der „wahre Überwinder“ Hegels wird,
in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ sagt: „Dass der
Mensch ein leibliches, naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches,
gegenständliches Wesen ist, heißt, dass er wirkliche, sinnliche Gegenstän-
de zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäußerung hat oder dass
er nur an wirklichen Gegenständen sein Leben äußern kann. Gegenständ-
lich, natürlich, sinnlich sein und sowohl Gegenstand, Natur, Sinn außer
sich haben oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn für ein Drittes sein ist i-
dentisch.“642
Die Bedürfnishaftigkeit des Menschen als gegenständlichen Wesens er-
weist sich als doppeldeutig: seine Mangelhaftigkeit und Bedingtheit ist das
eine passive Moment, das zugleich Ursprung des anderen aktiven Mo-
ments ist, nämlich der praktischen sinnlichen Tätigkeit, des Arbeitens als
der bewussten zielstrebigen Vermittlung zwischen sinnlichem Bedürfnis
und sinnlichem Gegenstand (womit Marx hinaus geht über Feuerbachs
kontemplativen, die Sinnlichkeit nur im Element der Anschauung fassen-
den Materialismus, demzufolge das Leiden allenfalls die Aktivität in Gestalt
der Leidenschaft – des „Wahrzeichens der Existenz“ – impliziert).
204

Konkret kann vermittels der Bedürfnisse und Interessen die Verwirkli-


chung der Vernunft und der theoretischen Emanzipation – d. h. der Feu-
erbachschen These, der Mensch sei für den Menschen das höchste We-
sen – für Marx seit seiner Schrift „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilo-
sophie“ nur erreicht werden, wenn das Proletariat – als „negatives Resultat
der Gesellschaft“ und als der „völlige Verlust des Menschen“ – aufgehoben
wird, die Philosophie also ein Bündnis mit dem Proletariat eingeht.643
Infolgedessen ist für Marx die Theorie durch Praxis, die Philosophie
durch Nicht-Philosophie vermittelt: die Theorie hat ihre Voraussetzung o-
der ihr maßgebendes Substrat in der gesellschaftlich-geschichtlichen
Wirklichkeit, nicht in rein philosophischen Prinzipien im traditionellen
Sinn. Marx bemängelt dementsprechend in den „Ökonomisch-
philosophischen Manuskripten“ und in der „Deutschen Ideologie“ an den
idealistischen Junghegelianern (nicht aber an Feuerbach644), dass sie ab-
hängig bleiben von der scheinbar sich selbst voraussetzenden und selbst
begründenden – das andere des Gedankens nur innerhalb des Gedankens
fassenden – autonomen Hegelschen Philosophie (wenn sie auch hinter He-
gels objektiven Idealismus in einen subjektiven zurück fielen). „Die deut-
sche Kritik hat bis auf ihre neuesten Efforts den Boden der Philosophie
nicht verlassen. Weit davon entfernt, ihre allgemein-philosophischen Vor-
aussetzungen zu untersuchen, sind ihre sämtlichen Fragen sogar auf dem
Boden eines bestimmten philosophischen Systems, des Hegelschen ge-
wachsen... Die Voraussetzungen, mit denen wir beginnen, sind keine will-
kürlichen, keine Dogmen, es sind wirkliche Voraussetzungen, von denen
man nur in der Einbildung abstrahieren kann. Es sind wirkliche Individu-
en, ihre Aktion und ihre materiellen Lebensbedingungen, sowohl die vorge-
fundenen wie die durch ihre eigene Aktion erzeugten. Diese Voraussetzun-
gen sind also auf rein empirischem Wege konstatierbar.“645
Insofern die Begriffe der Marxschen Theorie also von der veränderlichen
empirisch konstatierbaren Wirklichkeit abhängig sind, sind sie im Grunde
nicht geeignet, diese Wirklichkeit überspringend im Sinne einer Theologie
ohne Gott Heilswahrheiten anzuvisieren und einen paradiesischen die
menschliche Entwicklung abschließenden Zustand zu prognostizieren.
Dieses spricht gegen die Interpretation der Marxschen Konzeption aus –
von Marx gerade als abgeleitet behaupteten – theologischen Zusammen-
205

hängen, speziell als „prometheischen Aufstand gegen die christliche


Schöpfungsordnung646 und als Säkularisierung eschatologischer Heilsleh-
re (so unter anderen von N. A. Berdjajew, P. Tillich, U. Sorel, H. Popitz, E.
Voegelin, E. Topitsch). Marx selbst erklärt: „Der Kommunismus ist für uns
nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirk-
lichkeit sich zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkli-
che Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen die-
ser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.“647
Marx ist aber bestrebt, nicht nur die traditionelle philosophische
Selbstbegründung hinter sich zu lassen, sondern sich andererseits auch
nicht auf die erforderliche empirisch-wissenschaftliche Feststellung und
Abspiegelung des Gegebenen – etwa in der Weise von Comtes Positivismus
zu beschränken. Kritische Theorie heißt vielmehr für Marx: eingehendes
Analysieren der bestehenden sozial-ökonomischen Voraussetzungen unter
dem Aspekt ihrer immanent möglichen praktisch-emanzipatorischen Ver-
änderung.
Wenn Marx somit die kritische Theorie als Ausdruck wirklicher Ver-
hältnisse ansieht und sie in den „Dienst“ gesellschaftlicher Befreiung
stellt, so ist dies die Konsequenz der aufbewahrenden Umwandlung der
Hegelschen Einsicht, dass der Mensch nicht unmittelbar von Natur selb-
ständiges freies Subjekt ist, sondern dieses erst in einem praktisch-
theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess werden kann, das We-
sen des Menschen also nicht fertig und einfach vorgegeben, sondern ge-
schichtlich aufgegeben und Resultat dessen ist, wozu der Mensch sich
verwirklicht, so dass die Ergründung dessen, was der Mensch ist, keine
rein theoretische, sondern auch eine praktisch-geschichtliche Frage ist
und die philosophischen Aussagen über den Menschen nicht in der Weise
von unbeteiligten wissenschaftlichen Feststellungen über unmittelbar sei-
ende Naturgegenstände sich abfindend nur beinhalten, was der Mensch
als Objekt ist, sondern zugleich auch, was der Mensch als Subjekt sein
kann, und dementsprechend das philosophische Erkennen nicht in souve-
räner „theatralischer“ Zuschauerhaltung widerstandslos weltentfremdet
über der Sache steht, sondern zu seinem Inhalt und dessen geschichtlich-
praktischer Bewegung wesentlich dazugehört und die philosophische
Wahrheit sich nicht nur als eine Form des erkennenden Subjekts, sondern
206

auch als Moment im Dasein, d. h. als Existenzweise im geschichtlich-


praktischen Prozess erweist.
Mit Recht charakterisiert infolgedessen Habermas die Marxsche Kon-
zeption als aufgehend in der Reflexion „in Abhängigkeit der gesellschaftli-
chen und als Vorbereitung einer umwälzenden Praxis“. Er weist nach,
dass Popitz – der die Auffassung vertritt, dass Marx die Praxis im wesentli-
chen nicht anders als Hegel bestimmt hätte und dass „die Gedanken von
Marx über die von Hegel entwickelte Problematik der ‚Verwirklichung‘
nicht hinausgehen“648 – sowie Landgrebe und Metzke Marx’ These, die Phi-
losophie könne sich nicht selbst begründen, nur wiederum „unter den
Voraussetzungen der Philosophie“ beurteilen, was zur „Rückverwandlung
des Marxismus aus Kritik in Philosophie“, führe, und zwar in „eine Gestalt
junghegelianischer Philosophie“. Es ist dieser Zusammenhang, in dem Ha-
bermas die Bedeutung der Marxschen Kritik an der junghegelianischen
Philosophie berührt, wenn er sagt, dass „der Marxismus“ (gemeint ist
Marx’ Konzeption) in ihr „das Bewusstsein seiner eigentlichen Bestimmung
erst fand.“649 Auch von anderen Autoren wird Marx’ kritische Theorie nicht
konsequent genug als Bruch mit der philosophischen Tradition analysiert
und zu sehr Hegel oder Feuerbach angenähert. Das gilt für so verschiede-
ne Interpreten wie W. Sombart, J. Plenge, P. Bigo, J. Hommes, E. Thier, J.-
Y. Calvez und J. Hyppolite.650
Landgrebe nimmt wiederum Stellung zu Habermas’ Kritik mit der The-
se, dass für Marx – bei der Bestimmung der Entfremdung und der Forde-
rung nach ihrer Aufhebung als Verwirklichung der Philosophie – ein Prin-
zip und Maßstab von Anfang an voraus gehe, „der Begriff der Entfremdung
aus keiner empirischen Forschung und Analyse des bestehenden Gesell-
schaftszustandes zu gewinnen“ sei und Marx’ Standpunkt also „unter den
Voraussetzungen der Philosophie“ zu beurteilen sei.651 Auch Landshut
spricht von einer regulativen „im voraus sicheren Idee bei der Bestimmung
des Menschen“, ähnlich M. G. Lange.652
Zur Beantwortung dieser Frage nach Marx’ empirischer oder nicht-
empirischer Grundlegung der Entfremdungskonzeption ist sein Rückgang
auf die menschlichen Bedürfnisse und Interessen im materialistisch ver-
standenen Geschichtsprozess entscheidend: Marx geht davon aus, dass
der Zustand der Selbstentfremdung – vor allem des Proletariats – sei er-
207

fahrbar durch das Interesse und das Bedürfnis seiner Überwindung,


nicht nur auf Grund des Postulats eines naturrechtlichen Humanitätside-
als. Darin stimmt also Marx mit Kant überein, dass die rein wissenschaft-
liche Kenntnis des Seienden kein hinreichender Grund zum Handeln sein
kann; aber was zum Handeln bringt, ist für Marx andererseits nicht das
reine „Sollen“ oder irgendeine Utopie, sondern der ursprünglich gegebene
Veränderungswille, der in bestimmten Bedürfnissen und Interessen wur-
zelt (so dass für die Begründung des Handelns auch nicht – wie Kola-
kowski behauptet – die Alternative Wissenschaft oder Ideologie bleibt653).
Hierin liegt zugleich Marx’ indirektes Argument gegen die Unlösbarkeit des
Widerstreits von Faktizität und Normativität, wie er sich nach Max Weber
daraus ergibt, dass die Wissenschaft „wertfrei“ sei und nur „wertfreie“
Aussagen über Zweck-Mittel-Relationen, nicht über die zu wählenden
Zwecke selbst machen könne. Weiter liegt hierin – sowie in dem Rückgang
auf die Erkennbarkeit eines im wesentlichen vernünftigen Geschichtsver-
laufs – Marx’ indirektes Argument gegen eine Trennung von Theorie und
Praxis mit der Kierkegaardschen Begründung, die Theorie könne vor dem
Handeln unmöglich – was jedoch erforderlich wäre – das Ganze des ge-
schichtlichen Handlungsfeldes mit allen Einzelheiten übersehen und sei
innerhalb der „quantitativen Dialektik“ der Geschichte nur relativ (die To-
talität bleibe Gott vorbehalten), die Praxis aber sei die „qualitative Dialek-
tik“ der unvermittelten absoluten Entscheidung der auf sich selbst ste-
henden Existenz. – In der Tat gäbe es von der Theorie keinen begründba-
ren Übergang zur Praxis (und wäre gleichsam die Situation Hamlets oder
Oblomows exemplarisch), wenn vor jeder Handlung alles einzelne reflexiv
zu berücksichtigen wäre. – Für Marx geht die in der notgedrungenen Akti-
vität liegende wirkliche Einheit von Theorie und Praxis der Frage nach ih-
rer möglichen Verbindung in einer Weise voraus, die vergleichbar ist mit
dem Vorrang der Wirklichkeit der Erkenntnis vor der Untersuchung der
Konstitution der Erkenntnis in der Transzendentalphilosophie Kants.
Allerdings ist unverkennbar, dass Marx bis zur Abfassung der „Heiligen
Familie“ in terminologischer Hinsicht seine eigene Position gegenüber Feu-
erbachs ungeschichtlichem Anthropologismus noch ungenügend abge-
grenzt hat und dass er von vornherein an die philosophische Entfrem-
dungsproblematik Hegels anknüpft, wofür Marx aber eine Rechtfertigung
darin sehen könnte, dass sich diese für ihn als Abspiegelung empirisch
208

erfahrbarer entfremdeter Gesellschaftsverhältnisse erweist. (Auch Engels


hält unter dem Einfluss von Heß in einem frühen Stadium seiner Entwick-
lung noch die Philosophie für den Ursprung des Kommunismus in
Deutschland und bestimmt erst später die Theorie als undoktrinäre „Anlei-
tung zum Handeln“654.) Nichtsdestoweniger bedarf die Marxsche Konzepti-
on in besonderer Weise der gedanklichen Antizipation und kann sich nicht
als einfacher Reflex und unmittelbare Reflexion der empirischen Krisen
und Konflikte der Gesellschaft verstehen, weil die klassenlose Gesellschaft
sich nicht schon – wie die bürgerliche Gesellschaft in der feudalen – keim-
haft innerhalb der Klassengesellschaft zeigt.655
Das Nichtanerkennen des Marxschen Bruches mit der philosophischen
Tradition hat unmittelbar zur Folge, dass Marx’ Begriff der Entfremdung
gedeutet wird als die Objektivierung und Verdinglichung der menschlichen
Tätigkeit im Arbeitsprodukt überhaupt, nicht aber primär als die Herr-
schaft bestimmter Arbeitsprodukte über bestimmte Produzenten in spezifi-
schen Arbeitsverhältnissen, und dass die Entfremdung reduziert wird auf
eine ungeschichtliche prinzipiell unaufhebbare Invariante im Sinne des
Apriori der Kantischen Anschauungsformen und Kategorien oder einer e-
xistentialen Struktur in Gestalt einer Uneigentlichkeit und einer „Art
Selbstvergesslichkeit“ des Daseins656.
Ein Hauptpunkt der Marxschen Kritik an Hegel in den „Ökonomisch-
philosophischen Manuskripten“ ist gerade, dass dieser die Entfremdung
oder Entäußerung – ein Ausdruck, der anfangs in der Ökonomie des 18.
Jahrhunderts für die „Veräußerung“ von Waren und in den naturrechtli-
chen Gesellschaftstheorien“ für die „Veräußerung“ der ursprünglichen
Freiheit an die durch Vertrag entstandene Gesellschaft verwendet wurde –
nicht mit bestimmten vergänglichen, weil praktisch aufhebbaren Formen,
sondern mit der Gegenständlichkeit überhaupt gleichsetzt (wobei er aller-
dings die Vergegenständlichung in jedem Arbeitsprodukt vermittels der
Praxis der Arbeit als Prozess der „Selbsterzeugung“ „innerhalb der Abs-
traktion“ erfasst habe): „Nicht, dass das menschliche Wesen sich un-
menschlich, im Gegensalz zu sich selbst sich vergegenständlicht, sondern,
dass es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten Denken
sich vergegenständlicht, gilt als das gesetzte und als das aufzuhebende
Wesen der Entfremdung.“657
209

Marx’ materialistische Auffassung von der Unaufhebbarkeit der Gegen-


ständlichkeit als solcher impliziert die Negation der Hegelschen Bestim-
mung der (endlichen) Theorie und Praxis als Momente des absoluten Geis-
tes, des Hauptakteurs, auf seinem Weg der Rückkehr aus der Entäuße-
rung in Natur und Geschichte zu sich selbst und zur vollkommenen geisti-
gen Freiheit vermittels der stufenweise fortschreitenden Vereinigung von
Subjekt und Objekt, der Rücknahme der Gegenständlichkeit überhaupt. –
Auch Platons Zuordnung der Theorie und Praxis zu den Intentionen des
ganzen Kosmos muss für die materialistische Gegenstandsauffassung ein
Anthropomorphismus werden; diese macht die Annahme unmöglich, dass
die Dinge selbst streben und wollen und der Mensch sich mit seiner Tätig-
keit einzufügen habe in die vorbestimmte Ordnung, die ihrerseits auf die
menschliche Aktivität ausgerichtet sei. Entsprechendes gilt für Thomas
von Aquins Bestimmung des Handelns als Verwirklichung der wesentli-
chen menschlichen Anlagen in der Orientierung an dem vorgegebenen
göttlichen Ordo mit seiner geschichtslosen Rangordnung, die Kant in sei-
ner Ethik als Heteronomie kritisiert.
Wenn für Marx der Hauptmangel des Idealismus (wie er in der „Heiligen
Familie“ in dem Kapitel „Das Geheimnis der spekulativen Konstruktion“
entwickelt an dem Beispiel des Begriffes „Frucht“ respektive an der Ver-
wandlung wirklicher Früchte in das Gedankenwesen Frucht und dann
wiederum in wirkliche Früchte als dessen Entäußerungsformen vermittels
dessen eigener Tätigkeit der Selbstunterscheidung658) die Begriffsverselb-
ständigung, die Erhebung von Prädikaten zu Subjekten, von Abstraktionen
zu selbständigen Wesenheiten, ist, und wenn für Marx hierin auch die
Junghegelianer befangen sind, indem sie „wirkliche Verhältnisse“ idealisie-
ren, in Bewusstseinsverhältnisse verkehren und anschließend – als „Ideo-
logen“, d. h. als Kritiker mit dem Schein der Autonomie, der Erhabenheit
über gesellschaftliche Voraussetzungen, bei wirklicher Abhängigkeit – nur
diese Widerspiegelungen im Geiste negieren, so hätte er in dieser Hinsicht
der Begriffsverselbständigung eine begrenzte Gemeinsamkeit mit dem spä-
ten Schelling zugestehen können, der ebenfalls an der Nichtableitbarkeit
der Existenz aus dem Begriff festhält und die absolute Kontemplativität
der Hegelschen Spekulation durch seine „positive“ Philosophie praktisch
zu überwinden sucht. Der Grund dafür, dass Marx aber nur einen „auf-
richtigen Jugendgedanken“ von Schelling, also den mit Hegel gemeinsa-
210

men Ansatz, anerkennt659, ist offensichtlich Schellings theologische Deu-


tung des unableitbaren „Dass“, abgesehen von seiner politischen Einstel-
lung. Auch Engels will aus demselben Grund in seinem Artikel und seinen
beiden Schriften gegen Schelling keinen Schritt auf dem Weg der Abkehr
von Hegel mit ihm gemeinsam machen, zumal er in diesem frühen Stadi-
um seiner Entwicklung an Hegel nur erst kritisiert, dass die „Prinzipien...
immer unabhängig und freisinnig, die Folgerungen... hier und da verhal-
ten, ja illiberal“ seien.660
Marx negiert nicht nur unter Berufung auf die Unaufhebbarkeit und
Nichtableitbarkeit der Gegenständlichkeit als solcher Hegels Gleichsetzung
von Entfremdung und Gegenständlichkeit, sondern er bemängelt auch
Feuerbachs Anwendung des Entfremdungsbegriffs auf die Religion –
gedeutet als Sphäre der Entzweiung und Verdoppelung des Menschen und
seiner Gattungseigenschaften wie Liebe, Gerechtigkeit, Güte – sowie auf
die pantheistischen Systeme seit Spinoza und insbesondere auf Hegels
„theologische“ Philosophie, die das Sein nur innerhalb des Denkens aner-
kennt. Marx fasst die Entfremdung nicht primär als philosophische oder
religiöse, sondern als gesellschaftliche Erscheinung auf, so dass für ihn
auch die Verdoppelung der Welt, wie er in der vierten Feuerbach-These
formuliert, „nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbstwidersprechen
dieser weltlichen Grundlage zu erklären“ ist.661
Indem das entfremdete Bewusstsein aus dem entfremdeten gesell-
schaftlichen Sein hergeleitet wird, wird zur Aufhebung der Entfremdung
im wesentlichen nicht theoretische Kritik, sondern praktisch verändernde
gesellschaftliche Tätigkeit erforderlich. Die entscheidende Schranke Feuer-
bachs ist für Marx, dass er zwar im Gegensatz zu Hegel sinnliche „von den
Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte“ zugrunde legt, aber
diese nur als fertige Objekte der sinnlichen passiven Anschauung und
Empfindung, nicht als gewordene Resultate der sinnlichen „gegenständli-
chen“ Praxis fasst.662 Dieser kontemplative undialektische Materialismus
wird von Marx der bestehenden bürgerlichen Gesellschaft zugeordnet und
hat für ihn seine entsprechende Schranke in dem ungeschichtlichen
Anthropologismus: Feuerbach dehistorisiert und desozialisiert den Men-
schen; er kennt nur (wie die Stoiker und Naturrechtler) das Abstraktum
Mensch, das Wesen des Menschen als Gattung, „als innere, stumme, die
211

vielen Individuen natürlich verbindende Allgemeinheit“.663 Infolgedessen


kann Marx feststellen: bei Feuerbach „fallen Materialismus und Geschich-
te ganz auseinander“.664 Hiergegen macht Marx Hegels materialistisch um-
gedeutete Lehre des objektiven Geistes von der Gesellschaftlichkeit und
Geschichtlichkeit des Menschen geltend, wovon wiederum die Arbeitstätig-
keit unabtrennbar ist.
Die Arbeit als gesellschaftliche gegenständliche Tätigkeit und zielstrebi-
ge Vermittlung zwischen sinnlichem Bedürfnis und natürlichem Gegens-
tand ist für Marx die „Grundlage der ganzen sinnlichen Welt", so dass,
„wenn sie auch nur für ein Jahr unterbrochen würde, Feuerbach eine un-
geheure Veränderung nicht nur in der natürlichen Welt vorfinden, sondern
auch die ganze Menschenwelt und sein eignes Anschauungsvermögen, ja
seine eigne Existenz sehr bald vermissen würde.“665
Die gesellschaftliche Bearbeitung der Natur ist ein Prozess der Negation
der Negation, insofern die vermittels der Arbeitsinstrumente in ihrer Posi-
tivität und Unmittelbarkeit negierte Natur – das formierte Arbeitsprodukt –
wiederum negiert und angeeignet wird. Sogar Gegenstände der scheinbar
unmittelbaren sinnlichen Gewissheit sind vermittelt durch Arbeit und Ver-
kehr, „ein Produkt der Industrie und des Gesellschaftszustandes“, wie
Marx an einem Beispiel verdeutlicht: „Der Kirschbaum ist... bekanntlich
erst vor wenig Jahrhunderten durch den Handel in unsre Zone verpflanzt
worden und wurde deshalb erst durch diese Aktion einer bestimmten Ge-
sellschaft in einer bestimmten Zeit der ‚sinnlichen Gewissheit‘ Feuerbachs
gegeben.“666 Auch die fünf Sinne des Menschen seien nicht ein für allemal
fertig gegeben, sondern entwickelten sich im Laufe der Zeit und bekämen
immer menschlicheres Gepräge, indem ihre Gegenstände durch die Ar-
beitspraxis immer meht vermenschlicht würden. „Die Bildung der fünf
Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte.“ Die Sinne
werden der bloßen Nützlichkeit enthobene „Theoretiker“. „Es versteht sich,
dass das menschliche Auge anders genießt als das rohe, unmenschliche
Auge, das menschliche Ohr anders als das rohe Ohr... Für den ausgehun-
gerten Menschen existiert nicht die menschliche Form der Speise, sondern
nur ihr abstraktes Dasein als Speise... Der sorgenvolle bedürftige Mensch
hat keinen Sinn für das schönste Schauspiel.“667 Weiter gehört für Marx
zur Bildung des Menschen durch die gesellschaftliche Arbeit außer der
212

Vermenschlichung der Sinne auch die Entfaltung des Denkens, der Spra-
che, des Willens und der Liebe. Dies impliziert, dass Marx im Gegensatz
zur philosophischen Tradition das Erkennen nicht anheben lässt mit dem
Staunen und der Wissbegierde, sondern mit der in praktischen Bedürfnis-
sen wurzelnden Naturaneignung.
Marx verabsolutiert – nach der Preisgabe der absoluten Subjekt-Objekt-
Einheit – die geschichtliche Entwicklung nicht nur der Erscheinungen,
sondern auch des Wesens selbst, die zwar schon Hegel im Gegensatz zur
traditionellen Wesensmetaphysik innerhalb des Kreises des Objektivie-
rungsprozesses des absoluten Geistes konzipierte, aber gleichsam auf der
Spitze des Systems noch abbrach. „Weder die Natur – objektiv – noch die
Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adäquat vorhan-
den.“668 Indem also der Mensch die Natur bearbeitet und umformt, die ge-
genständliche Welt mit seinen Kräften durchdringt, d. h. sich in der Form
des Gegenstandes objektiviert und den zunächst fremden inadäquaten Ge-
genstand der Natur subjektiviert oder vermenschlicht, verwandelt er sich
selbst und bringt nach Marx’ Konzeption nicht nur nützliche Waren, son-
dern sich selbst im Laufe der Geschichte hervor. Eine Negation der Unmit-
telbarkeit sowohl des Objekts wie des Subjekts ist also die Tätigkeit der
Naturaneignung als praktische Realisierung subjektiver Zwecke und „We-
senskräfte“ und Herstellung der relativen Einheit von Subjekt und Objekt;
denn der Zweck wird aus seiner Innerlichkeit heraus gesetzt, und das Ob-
jekt wird vom Zweck durchdrungen und ihm adäquat formiert. Wie Hegel
erkannt hat, ist der Syllogismus die Form dieser Praxis: durch das Arbeits-
instrument (B) schließt sich der Mensch (C) mit den Gegenständen (A) zu-
sammen und in ihnen auch insofern mit sich selbst, als er sich darin ob-
jektiviert. Marx lehnt somit auch alle die Theorien ab, die das soziale Mi-
lieu (oder die biologische Vererbung) als bestimmenden unveränderlichen
objektiven Faktor beschreiben, der der aktiven Einwirkung des Subjekts
schicksalhaft-fatalistisch entzogen bleibt.
Wenn K. Löwith hinsichtlich der Marxschen historisch-
materialistischen Kritik an der Auffassung der Welt als Objekt passiver
Betrachtung von einer Verkehrung des Verhältnisses von natürlicher Welt
und Menschenwelt, „mundus rerum“ und „mundus hominum“, spricht, da
der „übermenschliche physische Kosmos... in Vergessenheit“ gerate669, so
213

würde Marx also dagegen den erkenntnistheoretischen Anspruch erheben,


dass alles Wissen von der Natur wesentlich erst durch die menschliche
naturverändernde Tätigkeit vermittelt werden könne, Naturerkenntnis so-
mit nicht durch Einwirkung der natürlichen Dinge auf das sich passiv „vi-
sionär“ als reiner Spiegel verhaltende Subjekt entstehe, und dass insbe-
sondere das Ganze der Natur, das kein abgeschlossener überschaubarer
antiker Kosmos ist, nicht im einfachen praktisch unvermittelten Anblick
gegenwärtig werden kann.
Mährend Hegel gegen Kant die Unmöglichkeit der Untersuchung der
Erkenntnisfähigkeit unabhängig von wirklicher Erkenntnis geltend macht,
behauptet Marx weitergehend die Unmöglichkeit wirklicher Erkenntnis
unabhängig von der (unmittelbaren, persönlichen oder durch andere ver-
mittelten) wirklich verändernden Praxis. – Als Marx’ Schüler erweist sich in
dieser Hinsicht Mao Tse-tung, indem er in einem Artikel „Über die Praxis“
sagt: „Willst du etwas wissen, so nimm teil an der praktischen Tätigkeit,
das Gegebene zu ändern. Willst du wissen, wie eine Birne schmeckt, so
ändere sie und beiße mit deinen Zähnen hinein. Willst du wissen, wie ein
Atom gebaut ist und welche Eigenschaften es hat, so führe physikalische
und chemische Versuche durch und verändere den Zustand des Atoms.
Willst du wissen, wie Theorie und Methode einer Revolution sind, so nimm
teil an der Revolution.“670
Hierbei schließt Marx’ Auffassung, das menschliche Eingreifen in die
Natur sei die vermittelnde Voraussetzung ihres Begreifens, nicht die – von
Löwith intendierte – Anerkennung eines gewissen „ontologischen“ Vorrangs
der Natur aus; auch für Marx ist die natürliche Welt weder eine kosmolo-
gische „Idee“ im Kantischen Sinn noch ein „Total-Horizont“ oder ein Welt-
„Entwurf“ im Sinne Husserls oder Heideggers, sondern eine „der menschli-
chen Geschichte vorhergehende Natur.“671
Vereint sind Mensch und Natur für Marx primär durch das praktische
Verhalten zur Natur, durch die Industrie, sekundär durch das theoretische
Verhalten zur Natur, durch die Naturwissenschaft, die beide in Wechsel-
wirkung stehen. Von ihrer Entwicklung sind wiederum Geschichte und
Gesellschaft unabtrennbar, und zwar dergestalt, dass schließlich Industrie
und Naturwissenschaft die „Entmenschung vervollständigen“ und zugleich
die Emanzipation vorbereiten konnten.672
214

Die gesellschaftlich-geschichtliche Seite der praktischen Tätigkeit der


Naturaneignung, die Hegel in einer relativ abstrakten Entwicklungsetappe
im Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ der „Phänomenologie“ expliziert
und schrittweise weiter konkretisiert, manifestiert sich zunächst in der
Arbeitsteilung. Ihre generelle Auswirkung verdeutlicht Marx in der „Deut-
schen Ideologie“ an einem extremen Beispiel, indem er gegen Stirners Be-
hauptung, Raffaels Gemälde seien unabhängig von der Teilung der Arbeit
entstanden, ausführt: „Raffael, so gut wie jeder andre Künstler, war be-
dingt durch die technischen Fortschritte der Kunst, die vor ihr gemacht
waren, durch die Organisation der Gesellschaft und die Teilung der Arbeit
in seiner Lokalität und endlich durch die Teilung der Arbeit in allen Län-
dern, mit denen seine Lokalität im Verkehr stand. Ob ein Individuum wie
Raffael sein Talent entwickelt, hängt ganz von der Nachfrage ab, die wieder
von der Teilung der Arbeit und den daraus hervorgegangenen Bildungs-
verhältnissen der Menschen abhängt.“673
Die gesellschaftliche Kooperation, deren Grad von der Entwicklung der
Arbeitsinstrumente abhängt, betrachtet Marx als Grundlage für die Klas-
senteilung, für die „Verfügung über fremde Arbeitskraft“, und die jeweilige
Aneignung des Mehrprodukts oder des Mehrwerts durch Nichtarbeitende.
Damit schaffe die Arbeitsteilung auch die Voraussetzung der Trennung
materieller und geistiger Arbeit, der Loslösung der Theorie von der Praxis.
Während das Bewusstsein ursprünglich das Bewusstsein der gesellschaft-
lichen Praxis der Naturaneignung gewesen sei, könne auf Grund der Ar-
beitsteilung der Schein der Selbständigkeit und aus sich selbst zu begrei-
fenden Herrschaft der Gedanken gegenüber dem empirischen Lebenspro-
zess entstehen.
Dementsprechend lasse sich nur durch die Beseitigung der unfreiwilli-
gen Unterordnung der Menschen unter die Arbeitsteilung innerhalb der
Klassengesellschaft die Abtrennung der philosophischen Theorie von den
wirklichen Bedürfnissen rückgängig machen und die Einheit und Wech-
selwirkung von Theorie und Praxis wiede gewinnen.674 Demgegenüber wis-
sen Aristoteles und Hegel die reine Theorie zwar auch der Trennung des
Notwendigen und des Zweckfreien und dem „Bedürfnis der Bedürfnislosig-
keit“, der Muße, entsprungen, leiten daraus aber nicht ihre Scheinhaftig-
keit, sondern gerade ihre Dignität ab.675
215

Allerdings gründet dieser Gegensatz nicht darin, dass für Marx das
menschliche Dasein seine wesentliche Erfüllung und Vollendung fände im
Dienste der Befriedigung der natürlichen in der organischen Konstitution
wurzelnden Bedürfnisse vermittels der Arbeit, also in der ökonomischen
Sphäre. Wie sich die Hegelsche Konzeption der Praxis nicht auf die Kon-
zeption der Praxis als Begierde, d. h. als Naturaneignung, sowie als Her-
stellung eines Werkes und als Herrschaft reduzieren lässt, sondern die
Praxis als konkrete Sittlichkeit in der Sphäre des objektiven Geistes (und
somit das politische Handeln im durchaus nicht technisch-instrumental
verfügenden Sinne) mitumfasst, so gelangt auch für Marx der Mensch zur
vollen Entfaltung erst im „Reich der Freiheit“ „jenseits der Sphäre der ei-
gentlichen materiellen Produktion.“676 Aber im Gegensatz zur philosophi-
schen Tradition bis zu Hegel bleibt dieses Reich für Marx erstens mit der
materiellen Produktion als seiner Basis verbunden (ohne seine Freiheit in-
nerhalb der Zwänge der Arbeitsteilung zu errichten); und zweitens domi-
niert in diesem Reich die Selbstverwirklichung in Gestalt der Praxis; drit-
tens schließlich bleibt in diesem „Reich der Freiheit“ für Marx wie für Feu-
erbach der Mensch „das höchste Wesen für den Menschen.“
Marx’ Begriff der Praxis ist doppeldeutig: immer zwar meint er die ge-
sellschaftliche Tätigkeit, d. h. die aus dem Zusammenwirken der Men-
schen hervorgehende Tätigkeit; er kann aber einerseits die gesellschaftli-
che Produktionstätigkeit, andererseits die gesellschaftliche revolutionäre,
politische, wissenschaftliche, künstlerische, pädagogische, juristische und
medizinische Tätigkeit beinhalten.
Hiermit ergeben sich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Praxis von
der Theorie677: Marx definiert die Praxis als „sinnlich-menschliche Tätig-
keit“ und „gegenständliche Tätigkeit (erste Feuerbach-These); vorausge-
setzt, dies meine soviel wie die die sinnliche Realität „unmittelbar verän-
dernde“ Tätigkeit, und die Theorie sei dementsprechend bestimmt als
nicht-gegenständlich und nicht unmittelbar verändernd (sondern nur un-
mittelbar im Inneren vor sich gehend), so liegt nahe, unter Praxis nur die
naturverändernde Produktionstätigkeit zu verstehen, nicht die –jedenfalls
zum Teil unmittelbar nur das Bewusstsein verändernde – politische, juris-
tische, pädagogische usw. Tätigkeit (was aber von Marx abgelehnt wird; er
bezeichnet in den Feuerbach-Thesen die politische und pädagogische Tä-
216

tigkeit ausdrücklich als Praxis). Sollte andererseits „gegenständliche Tätig-


keit“ nicht „unmittelbar verändernd“, sondern auch „mittelbar verändern-
de bedeuten (ein Kriterium, das dann zuträfe für die politische, juristische,
pädagogische usw. Tätigkeit) und der Begriff der Praxis auf diese Weise
bestimmt sein, so könnten nach dieser Definition Theorie und Praxis ü-
berhaupt nicht mehr unterschieden werden, da mittelbar, wie zugestanden
wird, ebenfalls die Theorie wirkliche Veränderungen bewirkt. Als imma-
nenter Ausweg aus dieser Schwierigkeit bleibt nur, unter Beibehaltung des
Kriteriums der unmittelbaren Veränderung diejenigen der angeführten ge-
sellschaftlichen Tätigkeiten, die keine Produktionstätigkeiten sind, einer-
seits als praktische, andererseits auch als theoretische anzusehen, je nach
der direkten oder indirekten Weise der Veränderung der sinnlichen Reali-
tät. (Dabei wird mit dieser Unterscheidung nicht ignoriert, dass in jeder
manuellen Arbeitspraxis Momente intellektueller Tätigkeiten – wie zum
Beispiel die Zielsetzungen – enthalten sind.)
Wenn auch Marx somit die Praxis nicht mit der Produktion materieller
Güter gleichsetzt, so hat für ihn doch innerhalb der verschiedenen Formen
der gegenständlichen (materiellen) unmittelbar verändernden Tätigkeiten
den Vorrang die Produktionstätigkeit als grundlegende und bestimmende
Beziehung zwischen Mensch und Natur und Gradmesser der gesellschaft-
lichen Entwicklung.
Wenn Marx die Praxis als Grundlage der Erkenntnis bestimmt (und es
für ihn wie für Hegel ebensowenig eine selbständige Erkenntnistheorie gibt
wie eine selbständige Ethik, getrennt von Gesellschaftslehre und Politik),
so ist hiermit also in letzter Instanz die die sinnliche Wirklichkeit der Na-
tur und Gesellschaft unmittelbar umgestaltende Produktionstätigkeit ge-
meint. Sie gilt ebenfalls letztlich – unter Einschluss der anderen Formen
der Praxis – als das Ziel der theoretischen Tätigkeit, wenn Marx in der elf-
ten Feuerbach-These formuliert: „Die Philosophen haben die Welt nur ver-
schieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.“678 Dem geis-
tigen Bedürfnis und Glück des Erkennens wird dementsprechend eine nur
relative Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit als vermittelnde Zwi-
schenstufe der praktischen Tätigkeit zugestanden.
Schließlich ist für Marx die gesellschaftliche Arbeitspraxis nicht nur
Grundlage und Ziel, sondern auch das Kriterium der Theorie (das heißt
217

wiederum: in letzter Instanz, wenn auch in vielfach vermittelter Weise), wie


er außer in der dritten und achten in der zweiten der Feuerbach-Thesen
darlegt: „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahr-
heit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage.
In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht,
Diesseitigkeit seines Denkens beweisen.“679
Verifiziert beziehungsweise falsifiziert vermittels der Praxis werden
demnach das Denken und die Theorie, nicht aber die sinnliche Wahrneh-
mung. Das Vorkommen bestimmter Sinnestäuschungen wird nicht ausge-
dehnt zu einem Zweifel an der Sinneswahrnehmung überhaupt; in der An-
nahme der grundsätzlichen Zugänglichkeit der Dinge an sich trifft sich
Marx sowohl mit Hegel als auch mit den konsequenten Empiristen, die
nicht wie Locke unerfahrbare Ursachen der „Ideen“ der „sekundären Qua-
litäten“ supponieren.
Daher ist eine Argumentation wie die G. A. Wetters unzutreffend, dass
bei der Auffassung der Praxis als Wahrheitskriterium das zu Beweisende
vorausgesetzt werde, da die „Bewährung in der Praxis... auch die Gültig-
keit unseres sinnlichen Erkennens erweisen“ solle, aber „das Ergebnis...
wiederum nicht anders... wahrzunehmen“ sei „als durch unsere sinnliche
Erkenntnis.“680 Hiermit wird Marx’ These zurück geführt auf Feuerbach,
der das Wahrheitskriterium in die Sinnlichkeit verlegt, wenn er sie auch
nicht nur auf das Individuum, sondern auf die Gattung bezieht, womit er
nicht anerkennt, dass durchaus unwahr sein kann, was – wie zum Bei-
spiel das geozentrische Weltbild – zeitweilig im Gattungsbewusstsein ist.
Überholbar bleibt nach Marx’ Konzeption der Praxis als Wahrheitskriteri-
um auch noch eine bestätigte Übereinstimmung von Denken und Sein in-
sofern, als sie – trotz ihres durch die Praxis bewiesenen objektiven Charak-
ters – relativ, begrenzt und approximativ bleibt, d. h. abhängig vom ge-
schichtlichen unbegrenzten Prozess.)
Auch ein Hinweis auf die Logik und Mathematik kann kein Einwand
gegen die These von der Praxis als Wahrheitskriterium sein, die implizit
zugleich Kritik ist sowohl an Hegels Maßstab für die Übereinstimmung
zwischen Begriff und Gegenstand, nämlich dem absoluten Wissen und
seinem Vermittlungsweg des kreisläufigen Rückwärtsschreitens im Vor-
wärtsschreiten, als auch an den – von Hegel ebenfalls bemängelten – Evi-
218

denztheorien, zum Beispiel an Descartes’ Kriterium der – weder absolut


noch empirisch noch logisch vermittelten – Klarheit und Deutlichkeit oder
Spinozas Kriterium der Selbstindizierung der Wahrheit (auch Husserls Kri-
terium der intuitiven Selbstgegebenheit würde hierzu gehören); denn ver-
mittels der Subjekt und Objekt verbindenden Praxis soll überprüft werden
die Wahrheit als Übereinstimmung zwischen dem Denken und der Wirk-
lichkeit, nicht die Widerspruchsfreiheit und Kohärenz innerhalb des Den-
kens, speziell innerhalb eines Denkmodells oder eines wissenschaftlichen
Systems. Marx These betrifft also nicht direkt das Problem des apriori-
schen oder aposteriorischen Charakters der Gesetze und Regeln der Logik
und Mathematik, die in den Aussagen über Sachverhalte enthalten sind
und auf dem Weg der Induktion und Deduktion abgeleitete neue von der
Bewahrheitung durch die Praxis relativ unabhängige Erkenntnisse ermög-
lichen können. Marx äußert sich nicht darüber, ob letztlich auch die ma-
thematischen und logischen Axiome wie zum Beispiel die physikalischen
Gesetze nur deshalb unbezweifelbar sind, weil sie sich ständig in der prak-
tischen Tätigkeit bewahrheiten.
Die Praxis als Wahrheitskriterium bedeutet nicht: weil sich ein Gedanke
in der Praxis durchsetzt, ist er wahr, sondern umgekehrt: weil ein Gedan-
ke wahr ist (die objektive Realität widerspiegelt), setzt er sich in der Praxis
durch. Wahrheit und Erfolg oder Nützlichkeit einer Handlung setzt Marx
nicht gleich, wodurch er sich vom Pragmatismus unterscheidet, wie ihn
Peirce begründet hat und James und Dewey weiterentwickelt haben.681
Dementsprechend kann für Marx nicht allein der Erfolg einer politisch-
sozialen Aktion eine politisch-soziale Theorie rechtfertigen; die Etablierung
einer politisch-sozialen Herrschaft (zum Beispiel zu Marx Lebzeiten die des
zweiten französischen Kaiserreichs) kann als solche keine Bestätigung der
Wahrheit ihres Konzepts sein; der Sieger ist nicht als Sieger legitimiert.
Wenn eine politischsoziale Theorie den Anspruch auf Wahrheit erhebt,
muss sie die objektiven Bedürfnisse widerspiegeln; und wenn eine herr-
schende politisch-soziale Praxis gerechtfertigt sein will, muss sie diese Be-
dürfnisse befriedigen.
Wäre es im Marxschen Sinne, dass automatisch wahr und gerechtfertigt
ist, was sich wirklich durchsetzt und praktisch herrscht, so wäre für Marx
die Theorie der Gesellschaft ausschließlich mechanistisch-pragmatistische
219

Widerspiegelung, nicht aber kritische Theorie, d, h. eine Theorie, die das


Bestehende abzubilden sucht unter dem Aspekt der Veränderung, nämlich
der praktischen Aufhebung der bestehenden Entfremdungen am Maßstab
des Bedürfnisses ihrer Überwindung.
Dies bedeutet weiter: wenn für Marx - ähnlich Wie für Hegel - das zu
tun ist, was an der Zeit ist und in diesem Sinne notwendig ist, so lässt
sich das nicht in linear-„chronologischer“ Weise bestimmen, sondern nur
in Kenntnis der gleichsam dahinter palimpsestartig geschriebenen „ge-
schichtlichen“ Zeit (-Notwendigkeit). (Darin liegt auch, dass Theorie nicht
überflüssig werden kann zugunsten eines pragmatischen Aktivismus.) Of-
fensichtlich ausgeschlossen bleibt auf der anderen Seite eine rein morali-
sche Legitimation des verantwortlichen Handelns ohne maßgebliche Orien-
tierung an den bestehenden Verhältnissen. Als geometrische Symbole der
Maßstäbe der Handelnden ließen sich infolgedessen wählen: für den Hege-
lianer der Kreis, für den Moralisten der Punkt, für den Pragmatisten die
Linie und für den Marxisten die unterbrochene Linie.
Indem die Praxis als Grundlage, Kriterium und Ziel wahrer Theorie auf-
gefasst wird, gilt sie nicht nur als deren Anwendung oder nützliches Resul-
tat im Sinne Bacons oder Descartes’; denn wenn die Praxis in dem antithe-
tischen Verhältnis der Anwendung oder Technik zur Theorie stände (und
in der Tat das „praktische“ Wissen verfallen wäre zum „pragmatischen“
Wissen und technischen Herrschaftswissen, wie H. Arendt behauptet682),
müsste die Theorie selbständig für sich, autonom, sein können. Das dia-
lektische Verhältnis von Theorie und Praxis ist aber bei Marx ebenso wie
bei Hegel nicht so zu interpretieren, dass der Geist des Menschen fertig
wäre, im Willen und in der praktischen Tätigkeit nur sich äußerte und er-
schiene und nach seinem Erscheinen der gleiche bliebe, so dass die Theo-
rie in der Praxis nur ihre Anwendung, nicht aber ihre Aufhebung fände,
und die Erkenntnis nur die Voraussetzung, nicht auch das Resultat der
Praxis wäre.
Das Wechselwirkungsverhältnis von Theorie und Praxis wird allerdings
von Hegel im Gegensatz zu Marx so konzipiert, dass die Selbsterkenntnis
in teleologischer Weise die dominierende Seite bleibt und die praktische
Selbstbestimmung sich primär zu dem Zwecke der Vertiefung der Selbst-
erkenntnis, der theoretischen Freiheit, vervollkommnet, das praktische
220

„Hinausgehen“ des Bewusstseins also den Sinn des theoretischen „Hinein-


bildens in sich“ hat und die Ausbreitung der Vertiefung und dem Insich-
gehen dient. Obgleich für Hegel die Praxis auf Grund ihrer nicht nur for-
malen, sondern inhaltlichen Selbstbestimmung einen Vorrang vor der end-
lichen Theorie hat, behauptet sich nach seiner Konzeption doch in ihr – im
Rücken des endlichen Subjekts – der Vorrang der absoluten Theorie, in-
dem der Zweck nicht nur der theoretischen, sondern auch der praktischen
Tätigkeit schließlich ist, dass der Mensch vermittels der Rückwirkung
praktisch formierter Gegenstände auf sich im vertieften Maße ein Be-
wusstsein von sich erlangt, für sich wird und sich in dieser Weise verwirk-
licht. Da Marx die Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und
mit ihr den idealistischen Objektivitätsbegriff preisgibt und den absoluten
Geist auf den menschlichen Geist reduziert, kann er nicht mehr wie Hegel
einen Mangel der Praxis darin erblicken, dass sie nur in relativer Weise
Veränderungen bewirkt, den Widerstand und die Unabhängigkeit der Ob-
jektwelt nicht restlos überwindet, die Gegenständlichkeit als solche nicht
aufhebt und als Beziehung auf das Objekt nicht das vollkommen sich
selbst bestimmende Beisichsein des Subjekts ist.
221

Zusammenfassung

Der zentrale Aspekt in Hegels Konzeption der dialektischen, ideellen


und systematischen Vereinigung von Theorie und Praxis ist der Begriff der
Freiheit, der die stufenweise Aufhebung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes
beinhaltet.
Theorie und Praxis verhalten sich für Hegel grundsätzlich wie Geist und
Wille und bilden wie Wesen und Erscheinung eine dialektische Einheit im
subjektiven, objektiven und absoluten Sinn, so dass sich praktische Selb-
ständigkeit und theoretische Selbsterkenntnis wechselseitig bedingen. Die
Ergründung dessen, was der Mensch ist, ist nicht ausschließlich eine the-
oretische, sondern auch eine praktisch-geschichtliche Frage, und die phi-
losophische Wahrheit ist nicht nur Form des erkennenden Subjekts, son-
dern auch Existenzweise im praktisch-geschichtlichen Prozess.
Die theoretischen und die praktischen Tätigkeiten sind für Hegel im Be-
reich der Endlichkeit mangelhaft und einseitig; sie knüpfen zwar das Band
zwischen Ich und Welt und überwinden jeweils in einander ergänzender
Weise den Gegensatz und die Entfremdung von Subjekt und Objekt –
wobei ihre Struktur die gleiche ist, nämlich die Negation der Negation – ;
aber indem Hegel mit dem Anspruch auftritt, wahre Freiheit erfordere die
Beziehung eines Subjekts auf einen objektiven Inhalt als Beziehung auf
sich selbst, d. h. sie erfordere die Aufhebung der Gegenständlichkeit als
solcher, kann er konsequenterweise das endliche theoretische und prakti-
sche Subjekt-Objekt-Verhältnis als nur unvollkommene Einheit und Frei-
heit bestimmen.
Die Einheit der endlichen praktischen und theoretischen Tätigkeit wird
von Hegel konkretisiert in der Bestimmung des Zusammenhangs von Pra-
xis und Teleologie sowie Teleologie und Kausalität. Hegel zeigt die Verein-
barkeit von Kausalität und Teleologie: die Zweck-Mittel-Relation basiert
auf der Ursache-Wirkung-Relation. (Die praktische teleologische Tätigkeit
der Naturaneignung hat die Form eines Syllogismus.) Auf Grund der Ver-
knüpfung von Teleologie und Kausalität stehen Mensch und Natur in dem
Wechselwirkungsverhältnis der Freiheit und Notwendigkeit. Aber für Hegel
geht weder das Wissen in der praktikablen operativ-technischen Theorie
222

der Naturaneignung auf (sie ist vielmehr ein Moment im Dienst der Frei-
heit des Geistes) noch erschöpft sich die Praxis in der technisch-
instrumental verfügenden Naturbeherrschung.
In die Analyse der Praxis der Naturaneignung wird von Hegel das Mo-
ment der Wechselbeziehung der Menschen untereinandeer, d. h. die ge-
sellschaftliche geschichtliche Seite der Tätigkeit, mit einbezogen.
Das Bearbeiten der Natur, das Handeln in der Geschichte und die Ent-
stehung des Selbstbewusstseins bedingen sich, wie Hegel im besonderen
in dem Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ in der „Phänomenologie des
Geistes“ expliziert. Die Selbsterkenntnis wird gewonnen auf der Grundlage
der Umgestaltung der Natur innerhalb bestimmter geschichtlich-
gesellschaftlicher Beziehungen der Menschen untereinander. Die konkre-
tere Bestimmung des allgemeinen Verhältnisses von Theorie und Praxis,
Geist und Willen, liegt darin, dass Theorie und Geschichte (und schließlich
Logik und Geschichte) aufeinander bezogen werden. Die Erkenntnis ist für
Hegel kein rein „erkenntnistheoretischer“ (innerer) Vorgang eines isoliert
genommenen Subjekts, keine einfache Relation zwischen einem Subjekt
und einem Objekt, sondern ein praktisch-geschichtlicher (äußerer) Pro-
zess, der von der Menschheit vollzogen wird. Die volle Erkenntnis der
Wahrheit ist bedingt durch die Verwirklichung der Wahrheit in der ge-
schichtlich-politischen Freiheit.
Charakteristisch für Hegel ist die Konzeption der Praxis als konkreter
Sittlichkeit. Hegel nimmt in die Ethik den gesellschaftlich-geschichtlichen
Inhalt auf, der aus der sich in der Geschichte entäußernden absoluten
Vernunft hergeleitet wird, und überwindet den Kantischen und Fichte-
schen Dualismus von Form und Inhalt, Idealität und Realität. Hegel weist
auf, dass aus dem reinen, formalen abstrakten Willen und dem kategori-
schen Pflichtgebot der praktischen Vernunft kein bestimmter Inhalt dedu-
zierbar ist. Die Praxis des allgemeinen konkreten Willens ist für Hegel die
Sphäre der Entfremdung des absoluten Geistes. Dementsprechend ist der
objektive Geist für Hegel noch nicht vollkommen frei (unter der grundle-
genden Voraussetzung, dass die Gegenständlichkeit schlechthin in den
absoluten Geist aufhebbar ist); er ist eine Stufe auf dem Weg der Entge-
genständlichung, Verinnerlichung und vollkommenen geistigen Freiheit.
223

Die Praxis erhält auf Grund ihrer – wenn auch nur relativen – inhaltli-
chen Selbstbestimmung einen Vorrang vor der endlichen Theorie. In ihrem
Rücken aber behauptet sich der Vorrang der absoluten Theorie; denn der
Zweck nicht nur der theoretischen, sondern auch der praktischen Tätig-
keit ist für Hegel schließlich, dass der Mensch im vertieften Maß ein Be-
wusstsein von sieh erlangt, für sich wird und sich in dieser Weise verwirk-
licht. Diese Auffassung Hegels ist untrennbar von der Konzeption des
menschlichen Wesens als Selbstbewusstsein.
Alle Formen der Praxis sowie der endlichen Theorie sind für Hegel Stu-
fen oder Momente auf dem Weg zur vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit
in der absoluten Theorie. Die absolute Einheit des Ideellen und des Realen,
des Theoretischen und des Praktischen, ist selbst ideell und theoretisch
(die Idee ist über die Objektivität „übergreifende“ Subjektivität). Aus der
Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und aus dem entspre-
chenden idealistischen Objektivitätsbegriff ergeben sich die Möglichkeit
und letztlich die Notwendigkeit der Rücknahme der Entäußerungen des
absoluten schöpferischen Subjekts auf dem Weg der spekulativen Theorie.
Die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes setzt die Vollendung in
der geschichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraus. Die Hegelsche
Erneuerung der aristotelischen Theoria umfasst die als vollendet begriffene
Geschichte. Hinsichtlich der Stellung Hegels zur praktisch-theoretischen
Verwirklichung der Vernunft sind zu unterscheiden: die systembedingte
endgültige theoretische Verwirklichung der Vernunft in der spekulativen
Philosophie; die ebenfalls systembedingte endgültige praktisch-
geschichtliche Verwirklichung der Vernunft (a) im unmittelbar gegenwärti-
gen Zustand des preußischen Staatslebens, (b) im Zustand eines weiter
reformierten preußischen Staatslebens. In den in der „Rechtsphilosophie“
überwiegenden „unzeitgemäßen“ Tendenzen liegt nicht nur eine Ablehnung
des Sollens, insofern dieses als Grundsatz proklamiert wird, sondern auch,
insofern dieses eine zeitlich begrenzte demokratisch-liberale Opposition
beinhaltet. Dass Hegels eigentümlich „konservative“ Einstellung der Hin-
nahme der gegebenen gesellschaftlichen, geschichtlichen Praxis nicht
mehr prinzipiell bedingt ist und Hegel in seiner früheren Entwicklung
weitaus negativer, unversöhnlicher und kritischer zur Gegenwart stand,
224

zeigt ein Überblick über die Stufen seiner Auseinandersetzung mit den Ge-
gensätzen und Krisen der Zeit nach der französischen Revolution.
Gerade weil Hegel Logik und Geschichte aufeinander bezieht, kann die
Geschichte auch grundsätzlich zum Kriterium für sein System werden, d.
h. für die idelle Versöhnung von Theorie und Praxis. Das System hat sich
an der Geschichte zu bewähren, die erstmals und grundsätzlich die Positi-
on einer systemimmanenten Kritik erhält. Das Auftreten praktisch-
geschichtlicher qualitativ neuer im System nicht integrierter Gegensätze
innerhalb der bestehenden Welt – wie sie in der Julirevolution 1830 akut
werden – wird ein Argument gegen die Hegelsche Vereinigung von Theorie
und Praxis.
Die Überwindung der Entzweiung von „Spiritualismus“ und „Sensua-
lismus“, d. i. von Theorie und Praxis, ist für Heine durch Hegel nur in der
Theorie vollendet, kommt aber in Wirklichkeit erst durch die politische
und vor allem die soziale Praxis zustande. Von dieser erwartet Heine, dass
sie in Deutschland auf einem höheren Niveau stattfindet als in Frankreich,
da die deutsche Revolution aus der vollendeten Philosophie hervorgehe.
Während Hegel das Ausbleiben der revolutionären Praxis in Deutschland
und das Stehenbleiben bei der Theorie als die vernünftige Auswirkung der
Reformation ansieht (und Marx dies als Schwäche des Bürgertums ver-
steht), erblickt Heine hierin eine Verzögerung aus methodischer Gründ-
lichkeit. Mit seiner Ansicht, dass Hegel in einer esoterischen Lehre den A-
theismus und die Revolution bejahen würde, setzt er sich hinweg über He-
gels systembedingte Konzeption der Vollendung der Geschichte und der
endgültigen Versöhnung von Theorie und Praxis und zieht Konsequenzen
aus Hegels Philosophie, die sich erst ergeben könnten nach einer bewuss-
ten Destruktion des Systems, das keine Irreführung für nicht Eingeweihte,
sondern ein konstitutiver Bestandteil der Hegelschen Philosophie ist.
In der Umbildung der Hegelschen Philosophie geht Cieszkowski mit sei-
ner Schrift „Prolegomena zur Historiosophie“ über Heine insofern hinaus,
als er die Hegelsche Philosophie nicht nur in die Praxis überführt sehen
will, sondern sie auch als Theorie umwandelt, nämlich zu einer Philoso-
phie der Praxis. Cieszkowski ignoriert nicht einfach wie Heine das Hegel-
sche System unter Berufung auf eine vorgebliche revolutionäre Esoterik,
aber er verwandelt es schließlich in eine schematische aprioristische Kon-
225

struktion. An die Stelle der kontemplativen Theorie Hegels tritt die „histo-
riosophische“, nicht etwa eine „kritische“ Theorie. Cieszkowski strebt die
Weiterentwicklung der Hegelschen Philosophie nicht auf Grund des Vor-
ranges der dialektischen Methode vor dem System an, sondern wegen der
Widerspruchslosigkeit des Systems und somit der wahren Totalität. Der
Übergang zur Praxis soll die Mängel und Einseitigkeiten des Systems be-
seitigen.
Der entscheidende Mangel des Hegelschen Systems ist für Cieszkowski,
dass es die Gegenwart verabsolutiert, die Zukunft und das Problem ihrer
Erkennbarkeit nicht als wesentliches Moment integriert und deshalb die
organische Totalität verfehlt. Cieszkowskis Ausrichtung auf die Zukunft
unter Verweis auf die bestehenden „Widersprüche der Zeit“ bildet einen
berechtigten Ansatzpunkt der Kritik an Hegels Versöhnung von Idee und
Wirklichkeit, Theorie und Praxis, da Hegel selbst Philosophie und Zeit auf-
einander bezieht und sein philosophisches System sich dementsprechend
an der Geschichte zu bewähren hat. Indem Cieszkowski aber wie Hegel die
Weltgeschichte als teleologischen Prozess auffasst und an der absoluten
Einheit von Vernunft und Wirklichkeit, Logik und Geschichte, festhält und
fordert, man müsse „das ganze System der Kategorien sich dialektisch in
der Geschichte entwickeln lassen“, ist er prinzipiell gezwungen, mit dieser
zukünftigen Periode die Geschichte wiederum systematisch zum Abschluss
kommen und die „höchste Spitze des Weltgeistes“ erreichen zu lassen. Die
letzte Stufe der Geschichte bei Hegel wird zur vorletzten bei Cieszkowski;
die endgültige Synthese wird nur um eine Stufe höher verschoben. Wenn
trotz der Ausrichtung auf die Zukunft für Cieszkowski die Geschichte prin-
zipiell abgeschlossen ist, so ist seine Konzeption insofern konsequent, als
er das systematische Erfassen der Totalität nicht preisgeben und dennoch
zugleich ein Überschreiten der widerspruchsvollen krisenhaften Gegenwart
ermöglichen will.
Die Praxis in Cieszkowskis Weise als Anwendung der Theorie aufzufas-
sen, ist nur möglich, indem die Theorie – unter Annahme ihrer Autonomie
– für systematisch vollendet gehalten wird. Die Theorie wird aber hiermit
in undialektischer Weise von der praktischen Bedingtheit getrennt und –
als für sich fertig – aus der Verflechtung und Wechselwirkung mit der
Praxis heraus gelöst. Dies bedeutet, dass für Cieszkowski letzten Endes die
226

Theorie nur die Voraussetzung oder Grundlage der Praxis ist, nicht auch
das Resultat der Praxis wird. Indem das abgeschlossene System und in
seinem Gefolge die Theorie „triumphieren“ und der Praxis nur das zu reali-
sieren überlassen wird, was die Theorie als das endgültige Ziel des geisti-
gen Prozesses der Weltgeschichte antizipiert, behält die Theorie letztlich
den Vorrang und wird entgegen dem Anschein die Hegelsche Bestimmung
des Verhältnisses von Theorie und Praxis nicht prinzipiell umgekehrt. Das
„historiosophische“ Denken bleibt die Grundlage sowie das Kriterium der
Praxis und die Quelle des geschichtlichen Fortschritts.
Der neue folgenreiche Gesichtspunkt, der in D. F. Strauß’ „Leben Jesu“
zur Geltung kommt, ist die konsequente Anwendung der zur analytischen
Kritik umgeformten dialektischen Methode. Dabei verlässt Strauß in die-
sem Werk den Boden der Hegelschen Religionsphilosophie nicht: einmal
bleibt für ihn wie für Hegel das Wesentliche der christlichen Religion die
Menschwerdung Gottes, die Vereinigung des Göttlichen und Menschli-
chen, zum anderen werden Religion und Philosophie inhaltlich gleichge-
setzt und nur formal insofern unterschieden, als die Verwirklichung des
Göttlichen von der Religion im Medium der sinnlichen Vorstellung, von der
Philosophie aber im Medium des allgemeinen Begriffs gefasst wird; erst in
seiner „Glaubenslehre“ gibt Strauß unter dem Einfluss Feuerbachs die He-
gelsche inhaltliche Gleichsetzung von Religion und Philosophie auf. Im
„Leben Jesu“ rückt Strauß vermittels der Kritik die Philosophie und die
Evangelien auseinander, aber er ersetzt noch nicht die Religion als solche
durch die Philosophie. Die religiöse Wahrheit – in ihrem dogmatischen Ge-
halt – gilt für Strauß in diesem Stadium seiner Entwicklung noch unab-
hängig von der Historizität der Evangelien. Damit setzt Strauß die prinzi-
pielle Zweideutigkeit noch fort, die in der Hegelschen inhaltlichen Gleich-
setzung und formalen Unterscheidung insofern liegt, als diese zugleich
Rechtfertigung und Kritik der Religion sind. Strauß unterscheidet sich in
seinem „Leben Jesu“ grundlegend von Hegel letztlich nur darin, dass er die
Beantwortung der Frage nach der geschichtlichen Person Jesu und seinem
Selbstbewusstsein – und somit nach der Menschwerdung Gottes in einem
einzelnen Individuum – konsequenterweise von einer historisch-kritischen
Untersuchung abhängig machen will. Das durch Strauß’ Kritik hervorge-
rufene überwundene Dilemma der Theologie besteht darin, dass einerseits
der rein historische Kern der Evangelien wegen der Verflechtung von Ge-
227

schichte und Mythos bzw. Kerygma weitgehend unzugänglich bleibt, aber


andererseits der Glaube eigentlich nicht mit sich selbst anfangen kann.
Dass der Glaube, der eine bestimmte Person und ihr individuelles
Schicksal zum allgemein-verbindlichen, exemplarischen heilsentscheiden-
den Rang erhebt, grundsätzlich dem philosophisch-vernünftigen Begreifen
widerspricht, wird in Strauß’ Nachfolge zur Überzeugung sowohl aller
Junghegelianer als auch – mit umgekehrtem Vorzeichen der Bewertung –
Kierkegaards.
Nur im Zusammenhang mit der von Hegel übernommenen Konzeption
der Geschichte als stufenweiser Realisierung der Wahrheit lässt sich die
Funktion der Straußschen Kritik verstehen. Strauß will die wirksame sub-
jektive kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtspro-
zess verbunden wissen. Der Kritiker hat nach Strauß selbst auf dem Bo-
den des kritischen Prozesses zu stehen. Die Kritik ist zugleich Prinzip der
Wirklichkeit und der Methodologie. Die Kritik ist der Bruch mit dem Be-
stehenden und seine Veränderung durch Unterscheidung des Geistes von
der Realität, des Subjekts von der Substanz, d. h. durch theoretische Anti-
zipation der wahren Wirklichkeit.
Einen Grundzug der Hegelschen Dialektik bewahrt Strauß: die Destruk-
tion der scheinbaren Selbständigkeit, Ursprünglichkeit und Fixiertheit des
äußeren Objekts und unmittelbar Gegebenen – hier: der biblischen und
kirchlichen Fakten – als einer Form der Entfremdung zugunsten des ver-
mittelten Begreifens der Sache selbst. Die Straußsche Kritik ist aber rein
negativ-dialektisch, nicht reproduktiv-dialektisch im Hegelschen Sinne. Sie
bewahrt von der Hegelschen Dialektik nur die Entgegensetzung von These
und Antithese. Ohne vermittelnden Übergang setzt die Kritik (in der
„Glaubenslehre“) an die Stelle der als unhaltbar aufgelösten Dogmen die
ihnen nicht zugrunde liegenden und aus ihnen nicht ableitbaren philoso-
phischen Spekulationen. Keineswegs strebt die Kritik in der „Glaubensleh-
re“ an, die Vorstellungen der Dogmengeschichte in Begriffe zu übersetzen,
da der Inhalt der Religion nicht von ihrer Form trennbar sei. Glauben und
Wissen werden in zwei unversöhnliche Extreme auseinander gerissen. Nur
um den Preis der Verkürzung der Hegelschen Dialektik zur kritischen anti-
thetischen Analytik gelingt es Strauß, dem christlichen Theismus – der auf
einem einmaligen (keine Idee exponierenden) Ereignis basiert – wiederum
228

seinen angemessenen Ort jenseits der pantheistischen Spekulation zuzu-


weisen und den versöhnlichen Anschein zu zerstören, als ob Glauben und
Wissen, Ausgangs- und Endpunkt der Kritik, sich zueinander verhielten
wie das Ganze in der Vorstellung und das gleiche Ganze im Begriff.
Während für Strauß das mit der Vernunft nicht übereinstimmende von
der Dialektik diskreditierte Faktum die biblische Geschichte und das
kirchliche Dogma ist, wird dieses für Ruge primär der bestehende poli-
tisch-staatliche Zustand Preußens. Zugleich kritisiert Ruge im Unterschied
zu Strauß explizit den einseitig kontemplativen Charakter der Hegelschen
Philosophie als deren entscheidende Schranke. Strauß hat das Ziel der
Herstellung der Einheit von Theorie und Praxis deshalb nicht, weil sich
seine Kritik auf die Vorstellung und nicht wie die Kritik Ruges auf den Wil-
len richtet.
Die Kritik, wie Ruge sie schließlich bis zum Jahre 1842 heraus bildet,
nimmt ihren Ausgangspunkt bei der vernünftigen Theorie als „reiner Ein-
sicht“ und Metaphysik des logischen Begriffs, und sie wendet sich nach
einem Vergleich des allgemeinen Wesens mit der einzelnen geschichtlichen
Existenz an den Willen, den sie zu dem Entschluss mobilisiert, die einzelne
geschichtliche Existenz der vernünftigen Theorie zu „unterwerfen“ und
somit die Einheit des Denkens und Wollens herzustellen. Für Ruge bleibt
demnach die Kritik als Vermittlung zwischen der Theorie und dem Willen
eine Sache des Bewusstseins. Zwar zielt die Kritik letztlich auf wirkliche
Veränderungen der bestimmten politisch-staatlichen Verhältnisse, aber
ihre eigene „praktische Wendung“ besteht darin, dass sie einen Entschluss
hervorbringt, was noch ein innerer, geistiger Vorgang ist.
Weiter ist der Prozess der Kritik für Ruge demnach nur Anwendung der
fertigen Theorie und ihre einseitige Übersetzung in die Existenz; die dialek-
tische Wechselwirkung zwischen der Theorie und der Praxis der Kritik wird
aufgelöst. In dieser Hinsicht setzt Ruges Kritik die Herauslösung der Theo-
rie aus der praktischen Bedingtheit fort, die Hegel in Erneuerung der aris-
totelischen Kontemplation auf der Spitze seines Systems vollzieht. Die vor-
ausgesetzte Struktur, an die die Tätigkeit der Kritik anknüpft – die Hegel-
sche Zuordnung von Begriff und Existenz, Vernunft und Wirklichkeit – gibt
Ruge erst später unter dem Einfluss Feuerbachs auf. Erst in diesem Sta-
dium seiner Entwicklung verzeitlicht er den Geist radikal und erhebt er die
229

Geschichte zum Maßstab des Geistes. Nach der von Feuerbach hervorge-
rufenen Wendung orientiert er die Kritik ausschließlich am Zeitgeist und
verwirft er die Selbständigkeit der überzeitlichen Logik überhaupt, davor
aber – und auch noch in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
(1842) – bemängelt er auf der Basis der Unterscheidung zwischen Theorie
und Kritik nur Hegels Logifizierung und Verabsolutierung bestimmter his-
torischer Existenzen.
Indem Ruge dieses Vernünftigfinden der Wirklichkeit und ihre Loslö-
sung aus der geschichtlichen Entwicklung nicht nur in Hegels Rechtsphi-
losophie hinsichtlich der politisch-staatlichen Verhältnisse feststellt, son-
dern als charakteristisch für Hegels Philosophie überhaupt ansieht, ne-
giert er mit seiner Kritik auch Hegels spekulatives System im ganzen als
einseitig theoretisch und abstrakt.
Die Zurückführung des absoluten Geistes auf den menschlichen Geist
nimmt Ruge (wie Strauß und Bauer) die Möglichkeit, die Praxis und die
endliche Theorie mit Hegel als Moment im Prozess der Realisierung der
absoluten Subjekt-Objekt-Einheit zu fassen und die „List der Vernunft“ als
Grund der teleologischen Notwendigkeit dieses Geschichtsprozesses anzu-
nehmen. Die Konsequenz ist eine Aporie, über die sich Ruge nicht im Kla-
ren ist: da für Ruge der Träger des Geschichtsprozesses ausschließlich der
menschliche Geist ist, diesem aber zugestandenermaßen das Ziel der
menschlichen Geschichte (die realisierte geistige Einheit und Freiheit)
nicht stets bewusst gegenwärtig war (nämlich bis zu Hegels Erhebung der
dialektischen Methode zum bewussten Prinzip), dürfte Ruge in Wahrheit
gar kein notwendiges von vornherein auf ein Ziel Ausgerichtetsein des Ge-
schichtsablaufs supponieren; unvereinbar ist es, den Fortschritt der Ge-
schichte einerseits völlig im menschlichen Geist gründen zu lassen und
dennoch andererseits eine Vorsehung anzunehmen und die Einheit der
theoretischen und praktischen Tätigkeit in der selbstbewussten und
selbstgewollten Durchführung geschichtlicher Intentionen zu sehen. Die
Verwandlung des Weltgeistes in den Menschengeist wirft ein weiteres Prob-
lem auf, das Ruge nicht löst und worüber er kaum ein Bewusstsein hat:
das Problem der Einheit von menschlichem Geist und Natur; denn die
Wechselwirkung von Mensch und Natur, die Hegel in der mit der ge-
230

schichtlichen Praxis verknüpften Teleologie der Arbeit aufdeckt, tritt für


Ruge in den Hintergrund.
Mit der für die Junghegelianer typischen Annahme der Akkommodation
Hegels verkennt Ruge die Implikationen des absoluten Idealismus, die
prinzipiell einen Abschluss der Geschichte erforderlich machen, insofern
die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes die Vollendung der ge-
schichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraussetzt.
Ruges kontemplativer Einstellung im ersten Stadium seiner Entwick-
lung entspricht die Verherrlichung des preußischen Staates als Verkörpe-
rung des reformatorischen Prinzips der freiwilligen Entwicklung der Ver-
nunft und als Erben der französischen Revolution. Von hier führt Ruges
Weg in der politischen Kritik, inhaltlich gesehen, zum Liberalismus und
Konstitutionalismus, wobei sich seine Einstellung zum Verhältnis von
Theorie und Praxis wandelt, dann zum radikalen Demokratismus. Die Er-
fahrung der Unwirksamkeit und Ohnmacht seiner Kritik, d. h. die Erfah-
rung, dass die bestehenden politischen Verhältnisse vermittels der Kritik
nicht zu ändern sind, führt Ruge nicht zu einer Neuorientierung in Gestalt
einer prinzipiellen Revision des Verhältnisses von Theorie und Praxis, son-
dern zu einer graduellen Modifikation, nämlich zu einer jedesmal radikale-
ren Fassung der gedanklichen Kritik, verstanden als Fortschritt des Be-
wusstseins und der Selbsterkenntnis.
Hinsichtlich der Methode zur Durchsetzung des wahren Inhalts, des
Humanismus und Demokratismus, geht Ruge schließlich nicht hinaus ü-
ber eine Verbindung der Kritik mit der Bildung und Erziehung. Das heißt:
er erwartet, dass die praktische Gesellschaftsreform auf bürgerlicher
Grundlage als Verwirklichung des theoretischen Humanismus – die Besei-
tigung des entfremdenden inhumanen Egoismus sowie auch des Patrio-
tismus, die Vermenschlichung der Existenz und die Emanzipation des
Menschen – primär erfolgt auf dem Wege über Bildung und Erziehung des
Volkes oder der „Masse“, die Ruge zwar im Gegensatz zu Marx undifferen-
ziert lässt, aber nicht wie Bruno Bauer als Widersacher des Geistes an-
sieht. Mit der Ausrichtung auf Bildung und Erziehung als Weg der Umges-
taltung des menschlichen Lebens steht dieser politische Humanismus in
der Tradition des ästhetischen Humanismus der deutschen Klassik, wobei
231

zwar die Grenzen des Ästhetischen, aber nicht die der Erziehung erkannt
werden.
Nachdem sich im Gefolge der Unterdrückung der „Deutschen Jahrbü-
cher“ und der „Rheinischen Zeitung“ am Anfang des Jahres 1843 die
Junghegelianer endgültig gespaltet haben, sieht Bruno Bauer den ent-
scheidenden Gegensatz zu Ruge in der Frage der Negativität oder der dia-
lektischen Radikalität, Rücksichtslosigkeit und Unversöhnlichkeit, d. h.
der Voraussetzungslosigkeit und Reinheit der Kritik: Ruge verharre mit
seiner Forderung der zukünftigen praktischen Entwicklung im Sinne des
Liberalismus oder des Humanismus und Demokratismus noch konzessi-
onsbereit – nur von den schon vorhandenen positiven Ansätzen aus ins
Unbeschränkte gehend – auf dem Boden der bekämpften Macht (vor allem
des Staates), anstatt mit ihr zu brechen und sich über ihre Voraussetzun-
gen zu erheben. Bauers radikale Abwendung von dem Bestehenden und
seine Bestimmung des Verhältnisses der Kritik zu den Mächten der Ver-
gangenheit und Gegenwart nicht als aufhebende und bewahrende Erb-
schaft, sondern als abgründige Bindungslosigkeit, entspringt seiner Ent-
täuschung darüber, dass das Volk und die Liberalen gegen die unterdrü-
ckenden Regierungsmaßnahmen nicht aufbegehrten. Im Scheitern der Be-
strebungen der „Deutschen Jahrbücher“ kann Bauer eine Selbstbestäti-
gung seines kritischen Standpunktes sehen, der von der wieder erstarken-
den Reaktion praktisch unangetastet (und nicht korrumpiert) bleibt, wenn
auch nur insofern, als er Opposition ohne bestimmte Position ist, d. h. als
seine Kritik – ohne Zugeständnisse an das Bestehende und Gegebene zu
machen und infolgedessen ohne zu partizipieren und parteilich einzugrei-
fen – sich von vornherein über die politische und soziale Wirklichkeit hin-
weg setzt und in ihrer Isolierung gar nicht verwirklicht werden kann.
Die durch die unversöhnliche Ablösung von den Voraussetzungen,
durch den absoluten Hiat zu dem Gegebenen, gekennzeichnete Kritik Bau-
ers stellt damit zugleich – noch eindeutiger als bei Strauß und Ruge – eine
Umformung der Hegelschen spekulativen affirmativen Dialektik zu einer
analytischen negativen Dialektik dar: das Resultat der Kritik ist jeweils die
bloße, abstrakte Negation, die Vernichtung des Positiven, d. h. die Negati-
on enthält das Positive, von dem sie ausgeht, nicht aufgehoben in sich, so
dass es als überwundenes noch wahr bliebe; daher ist die Kritik nicht wie
232

die Spekulation die affirmative Synthese, die konkrete Vermittlung der


entgegengesetzten Momente zur Totalität. Hegel anerkennt diese negative
Dialektik als eine berechtigte, wenn auch einseitige Form seiner Versöh-
nungsphilosophie und kennzeichnet sie als Skeptizismus. Bauer verselb-
ständigt also die skeptische Seite der Hegelschen Dialektik. Dabei ist für
Bauer die skeptizistische negative Dialektik die Form nicht nur der subjek-
tiven Kritik, sondern auch der objektiv-kritischen Geschichtsentwicklung.
Diese negative Dialektik kann aber nicht die weltgeschichtliche Kontinuität
erklären.
Die Hauptabsicht Bauers – besonders in der „Posaune“ – ist, die Trans-
zendenz zu zerstören, d. h. der Religion den Objektivitätscharakter zu
nehmen, indem sie als Schöpfung des menschlichen Selbstbewusstseins
behandelt wird. Um die transzendenten Objekte der Religion zu zerstören,
zerstört Bauer die Objektivität überhaupt.
Dass bei Hegel der subjektive Geist vom objektiven Geist abhängig ist
und der objektive Geist die jeweils bestehende substantielle – beschränkte
und damit widersprüchliche – Gestalt aufhebt zugunsten einer neuen hö-
heren Gestalt und die Philosophie jeweils deren adäquater Ausdruck ist,
verwandelt Bauer mit dem Fallenlassen der Objektivität und ihrem
Verschwindenlassen in die Identität des Selbstbewusstseins dahin, dass
der subjektive Geist und die Philosophie selbst die bestimmten Gestalten –
mittels der Kritik – angreifen und negieren und so den Fortschritt bewerk-
stelligen.
Indem Bauer den Prozess der Geschichte von der dialektischen Ent-
wicklung des Selbstbewusstseins und diese wiederum von der philosophi-
schen Theorie – etwa der aufklärerischen oder der Hegelschen und der kri-
tischen – bestimmt sein lässt, spricht er der hervorragenden Persönlichkeit
in der weltgeschichtlichen Praxis die entscheidende emanzipierende Holle
zu. Hegel dagegen trennt das denkende und handelnde Individuum nicht
in dieser Weise von den – aus dem absoluten Geist stammenden – sub-
stantiellen, objektiven Verhältnissen.
Mit der Abwendung von der Masse vollzieht Bauer die Absage an die
sich auf die Masse stützenden und sich damit in seinen Augen diskreditie-
renden Lehren und Parteiungen des Liberalismus, radikalen Demokratis-
mus, Sozialismus und Kommunismus, in Vergleich zu denen Bauers kriti-
233

sche prinzipienlose Position als anarchistisch erscheinen muss sowie als


prototypisch für die geistesaristokratischen sich bescheidenden, zugleich
vor jeder Verdinglichung sichernden Rückzugsbewegungen in die Inner-
lichkeit, aber auch zugleich als Repristination des antiken skeptischen
Bewusstseins, wie es Hegel analysiert: „... negatives Verhalten, ja tätige
Negation gegen alles Prinzip“, das im Unglück der bestehenden Herrschaft
„in seinem Innern auf abstrakte Weise die Befriedigung (hat) suchen müs-
sen, die die Wirklichkeit ihm nicht gab“.
Dass die Kritik nicht mehr mit dem Bestehenden verwickelt werden will,
ist nicht gleichbedeutend mit ihrem gänzlichen Verzicht auf praktische
Veränderung und mit ihrer Erhebung zum Selbstzweck, sondern sie über-
lässt die von der Kritik vorzubereitende praktische Veränderung „der Ge-
schichte“ und ihrer Krisis. Der Geschichte die praktischen Konsequenzen
der Kritik zu überlassen und die kritische Position der Überparteilichkeit,
Neutralität und Objektivität einzunehmen, ist gleichbedeutend mit prakti-
scher Hinnahme des Bestehenden. Die äußerste theoretische Opposition
wird zur äußersten praktischen Position; die Resistenz gegen die Realität
wird zur Kapitulation.
Die positive Kehrseite der äußersten abstrakten theoretischen Oppositi-
on und des absoluten Sichverweigerns der Kritik ist, dass das einheitliche
Ziel der Kritik –sowohl der theologischen als auch der politischen – in allen
Phasen ihrer Entwicklung bleibt, die Universalität der menschlichen Ver-
nunft gegenüber jeder Partikularität und Fixiertheit zu erreichen, in dieser
Weise die menschliche Vernunft von der Widersprüchlichkeit zu befreien
und schließlich die Vereinzelung der Menschen aufzuheben. Von hier aus
– eine Konsequenz der Hegelschen Erkenntnis, dass die Wahrheit das
Ganze ist – ist auch zu verstehen, weshalb Bauer sich unter zunehmenden
politischen Druck immer weiter von dem Engagement der eingreifenden
Praxis entfernt: die kritische Theorie gewährt eher den Anschein dieser ne-
gativen Freiheit von Beschränkungen und Voraussetzungen; Gegensätze,
die sich praktisch ausschließen, lassen sich theoretisch ausgleichen.
Indem Bauer mit Hilfe seiner Kritik die Destruktion jeder fixen Partiku-
larität der geschichtlichen Entwicklung des Selbstbewusstseins anstrebt,
geht es ihm zugleich um die fortschreitende Entfaltung der menschlichen
Möglichkeiten in ihrer Totalität. In Übereinstimmung mit der Hegelschen –
234

von Herder ausgehenden – Erkenntnis betont Bauer: „Der Mensch ist als
Mensch kein Naturprodukt, sondern das Werk seiner eigenen Freiheit.
Menschen werden nicht geboren, sondern gebildet.“ Kritik und Selbstver-
wirklichung des Menschen gehören also zusammen. Dies ist in formaler
Hinsicht die gemeinsame Auffassung aller Junghegelianer. Insofern weiter
die durch Kritik voran getriebene Selbstverwirklichung als Entwicklung
des Ganzen die Wahrheit ist, lassen sich Kritik, Selbstverwirklichung und
Wahrheit zusammenfassen und kann Bauer sagen: „... die Wahrheit ist
nicht, sie wird nur, sie ist also nur in der Geschichte und durch die Ge-
schichte, in der Kritik und durch die Kritik.“
Der extremen Abstraktion des Allgemeinen in der kritischen Theorie
Bauers setzt Max Stirner die extreme Abstraktion des Einzelnen entgegen.
Um die wirkliche Vereinzelung und den Egoismus zu überwinden, verzich-
tet Bauer asketisch auf die individuelle Freiheit und das Glück des einzel-
nen zugunsten des Allgemein-Vernünftigen; um die individuelle Freiheit
und das Glück des einzelnen zu erreichen, verwirft Stirner hedonistisch
das Allgemein-Vernünftige zugunsten der wirklichen Vereinzelung und des
Egoismus. Weder Bauer noch Stirner gewinnt eine Konzeption eines allge-
mein vernünftigen objektiven Glücks und einer verbindlichen Freiheit.
Während Bauer die Partikularität mittels der permanenten „reinen Kritik“
in die Universalität des Humanismus aufheben will, spitzt Stirner – in
dem Bestreben radikaler Destruktion der Substantialität oder Objektivität
– die Partikularität zur Singularität des Ichs zu. Gemessen am einzelnen
leibhaftigen vergänglichen Individuum gelten Stirner die menschliche Ge-
sellschaft und das allgemeine Selbstbewusstsein in Bauers Kritik sowie
der Staat und das Recht in der Lehre des politischen Liberalismus und die
sozialistische Gesellschaft in der Theorie der utopischen Kommunisten –
ebenso wie Hegels Weltgeist und Feuerbachs Gattungswesen – als Schein-
existenz, als illusionärer „Geist“ und fiktive „Idee“, als „Fremdes“, „Heili-
ges“, „Gespenst“ und Residuum des religiösen Glaubens an das Jenseits.
Während Bauers Kritik auf der Ebene des Gedankens bleibt, ist das „Ich“
nach Stirners Anspruch kein Gedanke. Das „Ich“ ist als das Einmalige,
Einzige, „solus ipse“, das Unausdrückbare, „ineffabile“ (und im Verhältnis
zum allgemeinen Wesen des Menschen der „Unmensch“), das sich in
Wahrheit nicht durch philosophische Theorie näher entwickeln und
bestimmen lässt, sondern nur tautologische Urteile zulässt. Das Indivi-
235

duum ist gegenüber jeder Prädizierung inkommensurabel und liegt jeder


gedanklichen Konstruktion voraus; es ist in diesem Sinne alogisch, irrati-
onal.
In dem Bestreben, das überpersönliche Denken, das Denken als „eigene
handelnde Persönlichkeit“ – besonders die Selbstbewegung des absoluten
Geistes in der Hegelschen Spekulation – zu negieren, macht Stirner das
einzelne unvermittelte scheinbar autarke Ich – abgetrennt von Geschichte
und Gesellschaft – zum Herren, Schöpfer und „Eigentümer“ des Denkens,
so dass dieses im Ich seine einzige Voraussetzung hat, nur dessen selbst
gestellte „private“ Aufgaben betrifft und zu dessen „Selbstgenuss“ und
Machtausübung dient. Das Denken wird bei Stirner zu einer Funktion und
einem Instrument der Willkür des individuellen Willens. Mit diesem Volun-
tarismus wird Hegels dialektische Verknüpfung von Geist und Willen – die
Bestimmung des Willen als die Entäußerung des Geistes – aufgelöst, d. h.
die Grundlage der Hegelschen Konzeption der Einheit von Theorie und
Praxis, von Innen und Außen, zerstört, und damit zugleich der Geschichte
die Vernünftigkeit aberkannt. Infolgedessen können die individuellen Wil-
lenshandlungen nicht mehr so verstanden werden, dass sie die Freiheit
des subjektiven, objektiven und absoluten Geistes verwirklichen.
Dieser irrationale Voluntarismus scheidet also das Dass vom Was, ne-
giert jede allgemeine objektive Vernünftigkeit und Gesetzlichkeit, verabso-
lutiert das Individuelle, Faktische und muss somit zur Konsequenz haben,
dass der einzelne Mensch – theoretisch desorientiert – auf Grund einer „ab-
soluten“ unbegründbaren bodenlosen Entscheidung handelt. Dagegen wies
Hegel gerade auf, dass kein Individuum isoliert für sich existiert, das nicht
vom Allgemeinen durchdrungen wäre. Damit kehrt sich Stirner – im Ge-
gensatz zu den anderen Junghegelianern – gänzlich von Hegels Erkenntnis
ab, dass das Individuum sich nicht verwirklichen kann, wenn es die objek-
tive Stufe der geschichtlichen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten zu
überspringen sucht, dass die Willkür, die auf einen zufälligen Inhalt ge-
richtet ist, nur die abstrakte, inhaltslose Freiheit ist und dass die konkrete
Freiheit in einem praktischen und theoretischen Vermittlungs- und Bil-
dungsprozess errungen werden muss.
In Stirners Gleichsetzung von Dasein und Wesen dokumentiert sich am
deutlichsten die Auflösung des Hegelianismus und der aus seinem Geiste
236

geborenen Kritik; denn alle Dialektik und subjektive sowie objektive Kritik
(ebenso wie alle Hoffnung und bestimmte Forderung) basiert auf der Ent-
zweiung, d. h. auf der Differenz zwischen Rationalem und Realem, zwi-
schen Wesen und Erscheinung, Begriff und Existenz, Möglichem und
Wirklichem. Ausdrücklich verwirft Stirner den Begriff der realen Möglich-
keit. Für ihn ist also Möglichkeit nur im Kantischen Sinne das wider-
spruchsfreie Denkbare; und er würde in der Kontroverse des Aristoteles
mit den Megarikern in dieser Frage der realen oder formalen Möglichkeit
auf deren Seite stehen.
In Stirners Konzeption ist die Revolte des neinsagenden unbotmäßigen
Individuums keine politische oder soziale Insurrektion, sondern ein anti-
konventioneller Protest als eine Aktion der Selbstbefreiung, die weder gött-
liche Gnade noch menschliche Teilnahme erhofft. Ausdrücklich unter-
scheidet sie Stirner von der Revolution unter dem Aspekt, dass die Revolu-
tion nur den Bürger, nicht aber das Individuum befreie und dass die Re-
volte keine neuen Einrichtungen an Stelle der bekämpften bestehenden
setzen wolle. Stirner will sich überhaupt keiner politisch-sozialen Organi-
sation anschließen und an keine vorliegende Voraussetzungen anknüpfen,
also keine auch nur partielle Identifikation mit den bestehenden Verhält-
nissen eingehen, d. h. keine vermittelnden Kompromisse schließen, son-
dern alternativ „alles oder nichts“. Dieser unpolitische antiinstitutionelle
kompromisslos destruktive Anarchismus Stirners ist somit zu unterschei-
den vom Typ des kollektiv-sozietären Anarchismus vor allem Proudhons,
Bakunins, Kropotkins und anderer, deren Anhänger als libertäre Sozialis-
ten auftreten gegen die autoritären und doktrinären Staatssozialisten.
Während für Hegel der Egoismus der konkurrierenden Privatinteressen
nur die bürgerliche Gesellschaft, das „System der Bedürfnisse“ bestimmt,
im Staat aber mit den Allgemeininteressen versöhnt wird, gewinnt für
Stirner der Egoismus – in Gestalt der individuellen Revolte – als scheinbar
natürliche Konstante des Menschen universale Bedeutung. Stirner selbst
will nicht wahrhaben, dass er nur die von Hegel analysierten geschichtlich
gewordenen schon vorhandenen Triebfedern der bürgerlichen Gesell-
schaft verabsolutiert. Vergleichbar mit de Sade entwürdigt Stirner das
Subjekt zum Objekt, das Fürsichsein zum Ansichsein, zum Abhängigen
und Vorhandenen, das verfügbar ist, und sanktioniert dieses Verhältnis,
237

soweit es als solches schon besteht. Er betrachtet das passive behandelte


Du nicht auch als zugleich aktives handelndes Ich, das unantastbares
Zentrum der Selbsttätigkeit und Selbständigkeit bleibt, womit er die Aus-
gangssituation der Hegelschen Herr-Knecht-Analyse wiederholt, fixiert und
unentfaltet lässt, d. h. ignoriert, dass der Herrschende selbst unfrei ist
und erst frei wird in der Solidarität der Freien. Das als sachfrei und un-
vermittelt konzipierte Verhältnis von Ich zu Ich enthüllt sich als verding-
licht: alle Tätigkeiten des Ich sind für Stirner verobjektivierende Akte. In
Stirners Konzeption triumphiert die Kategorie des Habens über die Katego-
rie des Seins, die Habsucht über die „Seinssucht“, die Sachenwelt über die
Menschenwelt. Gerade der radikale Subjektivismus, der die objektiven In-
halte zu überspringen und die Subjekt-Objekt-Spannung sowie die Diffe-
renz von Begriff und Realität zu negieren sucht, mündet in eine Verobjek-
tivierung der Subjekte. Mit der bewusst angestrebten Verdinglichung
menschlicher Beziehungen verkehrt Stirner die Intentionen des Idealismus
und will ihre „kopernikanische Wendet“ in ethischer Hinsicht, nämlich
dass der Mensch kein Objekt der Willkür werden darf, rückgängig machen.
Das führt dazu, dass Stirner, um die idealistische als theologisch fundiert
gedeutete Ethik überwinden zu können, im Grunde die Ethik überhaupt
preisgibt: er findet keinen Ausweg aus den beiden Extremen der unterwür-
figen Anpassung einerseits und des nihilistischen „Alles ist erlaubt“ ande-
rerseits.
Die Hauptsache der Emanzipation ist für Stirner eine Bewusstseinsleis-
tung. Daraus ist ersichtlich, weshalb Marx und Engels ihn in der „Deut-
schen Ideologie“ vor allem unter dem Gesichtspunkt angreifen können, er
halte wirkliche – z. B. staatliche und soziale – entfremdete Verhältnisse
dadurch für auflösbar, dass man sie sich aus dem Kopf schlage, eine Illu-
sion, der vorausgehe die Verwandlung der wirklichen Verhältnisse in ge-
dankliche Verhältnisse, d. h. die Idealisierung der realen Verhältnisse und
ihre Verflüchtigung zu Scheinexistenzen. Auch Heß wirft Stirner die Ver-
wechslung wirklicher Verhältnisse mit Abstraktionen vor, als deren Konse-
quenz Stirner schließlich „mit der transzendenten Humanität auch alle
wirkliche Humanität“ zugunsten des praktischen Egoismus verwerfe.
Während Feuerbach in den praktischen Beziehungen der Menschen
untereinander dem Egoismus eine partielle Berechtigung zuerkennt, näm-
238

lich in Gestalt vernünftiger Selbstbehauptung, diskreditiert er ihn gänzlich


in dem praktischen Verhalten zur Natur: die praktische Aneignung der Na-
tur gilt Feuerbach als eigennützig und utilitaristisch und deshalb – im Ge-
gensatz zum theoretischen Verhalten – nicht als wahre Beziehung zur Na-
tur. So ist für Feuerbach die praktische Naturaneignung die Position der
Entfremdung, dagegen der Standpunkt der Theorie „der Standpunkt der
Harmonie mit der Welt.“ Mit seiner Abwertung der praktischen relativen
Negation der äußeren Natur gibt Feuerbach die Hegelsche Erkenntnis
preis, dass die rein theoretische Einstellung (im Bereich der Endlichkeit)
ebenso mangelhaft, einseitig und unfrei ist wie die ausschließlich prakti-
sche Einstellung. Feuerbach verkennt die Schwäche der Theorie, die darin
besteht, dass sich in ihr das Subjekt passiv verhält, sich – unter Ausschal-
tung subjektiver Vorurteile – nach den objektiven Gegenständen richtet
und diese als selbständig gewähren lässt, sich somit aber dem Vorhande-
nen unterwirft, das seinerseits vom Subjekt nicht bestimmt wird, sich
selbständig erhält und der Selbstbestimmung des Subjekts entgegensteht.
Wenn er es auch nicht selbst ausspricht, so lässt sich doch sagen: Feu-
erbach zielt mit seiner Theorie-Praxis-Konzeption auf eine (undialektische)
Synthese von Griechentum und Christentum ab. Die wahre Theorie sieht
Feuerbach repräsentiert in der Naturanschauung der griechischen Philo-
sophie und die wahre Praxis – allerdings in entfremdeter Gestalt – in der
Liebe der christlichen Religion. Weiter erblickt er in der griechischen Theo-
rie und in der christlichen auf ihre anthropologische Grundlage zurück
geführten Liebe die Verwirklichung der Freiheit. In dieser Weise werden
der Anthropologismus und Humanismus das Vereinigende von wahrer
Theorie und Praxis: nicht die absolute Subjekt-Objekt-Identität, sondern
die „Einheit des Menschen mit dem Menschen“ ist für Feuerbach als
Selbstzweck „das höchste und letzte Prinzip der Philosophie“, worin Theo-
rie und Praxis, „ratio“ und „emotio“, Kopf und Herz, wurzeln. In Feuer-
bachs Gründung der Theorie und Praxis auf die menschliche Gattung wird
noch eine Seite der Hegelschen Einsicht bewahrt, dass Erkennen und
Handeln nicht nur Tätigkeiten eines einzelnen isoliert genommenen Sub-
jekts sind.
Das Bestreben, die Selbstbegründung und Selbstgenügsamkeit des in
sich kreisenden monologisierenden – das Sein nur als Gedanke des Seins
239

in sich selbst als das andere seiner selbst entgegensetzenden sich selbst
überbietenden – Denkens der Identitätsphilosophie zu unterbrechen und
das Denken an das sinnliche selbständige Sein als Maßstab zu binden,
führt Feuerbach in die Nähe eines Nominalismus und zu dem extremen
Sensualismus, die Diskontinuität, die qualitative Differenz, von sinnlicher
Wahrnehmung und übersinnlichem Denken zugunsten ihrer Kontinuität
undialektisch zu verwerfen. In Folge der Identifizierung von Wesen und
Erscheinung kommt Feuerbach mit Stirner darin überein, dass er keinen
Kritik-Begriff der Gesellschaft, der Politik und der Geschichte aus der He-
gelschen Philosophie gewinnen kann, da die Kritik auf der Entzweiung von
Wesen und Erscheinung, der Differenz zwischen Möglichem und Wirkli-
chem, Rationalem und Realem basieren müsste. Zusammen gehören somit
bei Feuerbach das Fehlen dieses Begriffes der Kritik und die Ungeschicht-
lichkeit der sensualistischen Anthropologie, dergemäß das Wesen des
Menschen – im Gegensatz zur geschichtlich orientierten Anthropologie so-
wohl Herders als auch Hegels – einfach vorgegeben, unmittelbar fertig und
festgestellt ist. Feuerbach löst wieder die Hegelsche Verknüpfung der Er-
kenntnis der Wahrheit mit der praktischen Verwirklichung der Wahrheit in
der geschichtlich-politischen Freiheit.
Die Entfremdung ist zwar für Feuerbach als wesentlich religiöse primär
eine theoretische, d. h. ein inneres Verhältnis, und kann infolgedessen
durch bewusstseinsmäßige Kritik zurück genommen werden, aber nach
der Marxschen Kritik hieran in der „Deutschen Ideologie“ bleibt allzu oft
unberücksichtigt, dass für Feuerbach die Entfremdung vollständig erst
insofern überwunden ist, als zur geistig-kritischen aufklärerischen Reduk-
tion die Praxis der Liebe hinzu kommt, und zwar sowohl als Empfindung
wie auch als verändertes Verhalten der Menschen zueinander. Die Religi-
onskritik ist also für Feuerbach zwar der entscheidende Hebel, aber sie
soll nicht nur dazu führen, dass eine Bewusstseinseinstellung durch eine
andere Bewusstseinseinstellung ersetzt wird, sondern dass eine praktische
Versöhnung der Gegensätze erreicht wird, wie sie ebenfalls der junge Hegel
in seiner Frankfurter Periode (an den Feuerbach nicht anknüpfen konnte)
von der Liebe erwartet als lebendiger Subjektivität und Selbstbestimmung,
die gegen die Hinnahme der toten Positivität des etablierten Faktums und
des affirmierten Fatums opponiert. Insofern Hegels Begriff der Liebe und
des „Lebens“ als „Vereinheitlichung“ der Entgegensetzung von Subjekt und
240

Objekt, Einzelnem und Allgemeinem, die Keimform seiner reifen Konzepti-


on der konkreten Sittlichkeit ist und mit Feuerbachs Entwurf der Liebe
vergleichbar ist, bestätigt sich noch einmal, dass Feuerbach eine Seite der
Hegelschen Einsicht von dem Charakter der Gemeinschaftlichkeit der
praktischen (und theoretischen) Tätigkeit bewahrt.
Zur Frage, ob Feuerbachs Kritik vom Standpunkt seines Anthropolo-
gismus dialektischen oder undialektischen Charakter hat, d. h. ob Feuer-
bachs Kritik in einem dialektischen oder antithetischen oder noch anders
gearteten Verhältnis zur Religion, Theologie und spekulativen Philosophie
steht, ergibt sich, dass Feuerbachs Kritik in keinem Fall als dialektische
Aufhebung zu interpretieren ist. Allerdings ist zu unterscheiden zwischen
Feuerbachs „Negation“ der Religion auf der einen Seite und der „Negation“
der Theologie auf der anderen Seite. Dass Feuerbach die religiöse Ent-
fremdung im Gegensatz zur theologischen Entfremdung nicht im Sinne
einer Destruktion zurück genommen wissen will, sondern ihre Grundlage
bewahren möchte, heißt nicht, dass er eine dialektische Beziehung zur Re-
ligion im Sinn hat. Feuerbachs weder dialektisch aufhebendes noch anti-
thetisch verneinendes Verhalten zur Religion kann man – mit ihm selbst –
als „kritische“ Einstellung zur Religion abgrenzen. Feuerbach steht aber
als Kritiker nicht mehr selbst auf dem Boden eines kritischen Prozesses, d.
h. Feuerbachs Kritik ist kein Prinzip der Wirklichkeit mehr, sondern hat
nur noch eine methodologische Funktion; denn die Basis der Feuerbach-
schen Kritik, die menschliche Gattung, erfährt – im Gegensatz zu Strauß’
Konzeption – keine stufenweise Entwicklung in der Geschichte.
Das Fehlen eines exakten Begriffes der Kritik der Politik und Gesell-
schaft kann Feuerbach nicht adäquat ersetzen durch seine Vorstellung
eines in der Religion antizipierten auf der Gleichheit aller Menschen ge-
gründeten Gemeinwesens. Was die Junghegelianer (im engeren Sinne) von
der Kritik annehmen, denkt aber auch Feuerbach von der politischen The-
orie, nämlich dass die praktische Neugestaltung zwangsläufig auf die wah-
re Einsicht folgen müsse und die Tatlosigkeit wesentlich in der Ratlosigkeit
wurzele.
Marx ist von Anfang an bestrebt, Hegels unter anderem in der Vorrede
zur „Rechtsphilosophie“ ausgesprochene Ablehnung des leeren Sollens
und des utopischen „Aufstellens eines Jenseitigen“ beizubehalten und eine
241

dualistisch-abstrakte Entgegensetzung von Theorie und Praxis zu vermei-


den. Das Sollen ist für Marx wie für Hegel ein Resultat der Entwicklung
des Wirklichen. Mit der Abkehr von der Hegelschen Konzeption der absolu-
ten Subjekt-Objekt-Einheit verliert Marx aber die Möglichkeit der Rück-
nahme der Entäußerungen des absoluten schöpferischen Subjekts auf
dem Wege der spekulativen Theorie.
Die in Marx’ Dissertation mit dem Geschichtsprozess verbundene sub-
jektive Kritik, die als solche Sache des Bewusstseins bleibt, kann als wirk-
sam nur insofern gedacht werden, als der Geschichtsprozess in objektiv
idealistischer Weise als wesentlich geistiger Prozess gefasst wird. Marx’ in
der Dissertation entwickelte Auffassung von der Praxis der theoretischen
Kritik stimmt mit der kritischen Philosophie der Junghegelianer unter an-
derem auch in der Strukturierung der Kritik überein, nämlich in der ver-
mittelnden Zuordnung der spannungsvollen Zweiheit von Vernunft und
Realität, Begriff und Existenz, Möglichkeit und Wirklichkeit, sowie in der
hiermit implizierten Ablehnung, Theorie und Praxis wie Aristoteles als ein
Verhältnis zweier wesentlich verschiedener Prinzipien zu fassen. Marx un-
terscheidet sich aber von der kritischen Philosophie der Junghegelianer
schon in seiner Dissertation dadurch, dass er – als Resultat der Kritik –
die Verwirklichung der Philosophie und ihre Versöhnung mit den Erschei-
nungen der Welt in der Weise der Aufhebung der für sich bestehenden Phi-
losophie erwartet.
Mit seinem Begriff der Kritik sucht Marx zu bewahren, was Hegel mit
philosophischer Kritik verbindet, nämlich die Notwendigkeit des Eingehens
auf die Sache selbst, auf den inneren Gehalt und die Bewegung des Ge-
genstands. Im Gegensatz zu Hegel aber verbindet Marx mit seiner Kritik
zugleich Polemik und Parteilichkeit, was eine Konsequenz davon ist, dass
der Anspruch auf das spekulative Erfassen des versöhnenden Ganzen fal-
len gelassen und nur die objektive Vernunft der Entwicklung in Gegensät-
zen fest gehalten worden ist. Das kritische Aufeinanderbeziehen von Ver-
nunft und Wirklichkeit ist der „Puls“ in Marx’ ersten Untersuchungen.
(Unkritisch und positivistisch, d. h. stecken geblieben in gegebenen Tatsa-
chen als maßgebender Instanz, muss nach Marx’ Urteil unter anderem das
Verfahren der historischen Rechtsschule sein.) In der Konsequenz seines
Ausspielens des Phänomenologischen gegen das Logische fordert Marx
242

und ist er bestrebt, das Denken aus dem Gegenstand zu entwickeln, in


dieser Weise kritisch bestehende Widersprüche in Gesellschaft und Staat
aufzudecken und ihre eigentümliche Genesis zu erklären. In dem Maße
aber, in dem Marx seine charakteristische dialektische und materialisti-
sche Konzeption entwickelt, wird für ihn nicht das kritische Aufdecken der
Perspektiven – das Erheben der objektiven Möglichkeiten ins Bewusstsein
– der Angelpunkt, sondern ihre praktisch-sinnliche Realisierung.
Als vermittelndes Band zwischen Philosophie und Welt, Vernunft und
Realität, fungieren in Marx’ Konzeption der Verwirklichung der Theorie
durch ihre Aufhebung die Bedürfnisse und Interessen. Durch den Rekurs
auf diese sucht Marx die Loslösung des kritischen Gedankens von der ge-
sellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit zu vermeiden und sowohl dem
Voluntarismus als auch dem Determinismus in der Geschichtsauffassung
zu entgehen. Praxis und Theorie sind für Marx durch die Bedürfnisse und
Interessen dadurch vermittelt, dass die Theorie an sie anknüpft und deren
immanente Dialektik bewusst macht. Insofern Marx die Verwirklichung
der Gedanken von der Verwirklichung der Bedürfnisse abhängig macht,
steht er ebenso in Gegensatz zu Aristoteles, für den die Ziele der Praxis
primär Bewusstseinsziele sind, wie zu Hegel, für den die natürlichen Be-
dürfnisse auch nicht ursprünglich sind, sondern Entäußerungen der Ver-
nunft, „Beispiele vom Zweck“.
Marx’ Umwandlung der scheinbaren Selbständigkeit in die wirkliche be-
trifft nicht nur die Bedürfnisse, sondern auch ihre Gegenstände: der Ge-
genstand wird zum unabhängigen selbständigen Gegenstand sinnlicher
Bedürfnisse, der nicht durch geistige Tätigkeit zurück genommen, sondern
nur durch praktische Tätigkeit gesellschaftlich angeeignet werden kann.
Die Theorie ist für Marx durch Praxis, die Philosophie durch Nichtphilo-
sophie vermittelt: die Theorie hat ihre Voraussetzungen oder ihr maßge-
bendes Substrat in der gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit, nicht
in philosophischen Prinzipien im traditionellen Sinn.
Marx ist aber bestrebt, nicht nur die traditionelle philosophische
Selbstbegründung hinter sich zu lassen, sondern sich andererseits auch
nicht auf die erforderliche empirisch-wissenschaftliche Feststellung und
Abspiegelung des Gegebenen zu beschränken. Kritische Theorie heißt
vielmehr für Marx: eingehendes Analysieren der bestehenden sozial-
243

ökonomischen Voraussetzungen unter dem Aspekt ihrer immanent mögli-


chen praktisch-emanzipatorischen Veränderung.
Die Bestimmung der Entfremdung und die Forderung nach ihrer Auf-
hebung setzt für Marx keinen nicht-empirischen Maßstab voraus, sondern
erfolgt auf Grund der Erfahrung des Zustandes der Entfremdung sowie
des Bedürfnisses seiner Überwindung.
Das Nichtanerkennen des Marxschen Bruches mit der philosophischen
Tradition hat unmittelbar zur Folge, dass Marx’ Begriff der Entfremdung
gedeutet wird als die Objektivierung und Verdinglichung der menschlichen
Tätigkeit im Arbeitsprodukt überhaupt, nicht aber primär als die Herr-
schaft bestimmter Arbeitsprodukte über bestimmte Produzenten in spezifi-
schen Arbeitsverhältnissen.
Indem der Mensch die Natur bearbeitet und umformt und sich in der
Form des Gegenstandes objektiviert, d. h. den zunächst fremden Gegens-
tand der Natur subjektiviert, verwandelt er sich nach Marx’ Konzeption
selbst und bringt nicht nur nützliche Waren, sondern sich selbst im Laufe
der Geschichte hervor. Die Tätigkeit der Naturaneignung ist somit eine Ne-
gation der Unmittelbarkeit sowohl des Objekts wie des Subjekts.
Marx verabsolutiert – nach der Preisgabe der absoluten Subjekt-Objekt-
Einheit – die geschichtliche Entwicklung nicht nur der Erscheinungen,
sondern auch des Wesens selbst, die zwar schon Hegel im Gegensatz zur
traditionellen Wesensmetaphysik innerhalb des Kreises des Objektivie-
rungsprozesses des absoluten Geistes konzipiert, aber gleichsam auf der
Spitze des Systems noch abbricht.
Das menschliche Eingreifen in die Natur, durch das Mensch und Natur
primär vereint sind, ist für Marx die vermittelnde Voraussetzung ihres Be-
greifens; alles Wissen von der Natur kann wesentlich erst durch die natur-
verändernde Tätigkeit vermittelt werden.
Eine gesellschaftlich-geschichtliche Seite der praktischen Naturaneig-
nung, die Arbeitsteilung, betrachtet Marx als die Quelle der Trennung ma-
terieller und geistiger Arbeit und der Loslösung der Theorie von der Praxis.
Auf Grund der Arbeitsteilung könne der Schein der Selbständigkeit der
Gedanken gegenüber dem empirischen Lebensprozess entstehen. Aristote-
les und Hegel wissen die Theorie zwar auch der Trennung des Notwendi-
244

gen und des Zweckfreien – dem „Bedürfnis der Bedürfnislosigkeit“ – ent-


sprungen, leiten daraus aber nicht ihre Scheinhaftigkeit, sondern gerade
ihre Dignität ab. Dem geistigen Bedürfnis und Glück des Erkennens wird
von Marx eine nur relative Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit als
vermittelnde Zwischenstufe der praktischen Tätigkeit zugestanden, die als
Grundlage und Ziel der Erkenntnis bestimmt wird, und zwar in letzter In-
stanz in Gestalt der die sinnliche Wirklichkeit der Natur und Gesellschaft
unmittelbar umgestaltenden Produktionstätigkeit.
Wenn für Marx die Praxis weiter das Kriterium der Theorie ist, so be-
deutet das nicht im Sinne des Pragmatismus, dass automatisch wahr und
gerechtfertigt ist, was sich wirklich durchsetzt und praktisch herrscht; an-
derenfalls wäre für Marx die Theorie der Gesellschaft ausschließlich me-
chanistische Widerspiegelung, nicht aber kritische Theorie, d. h. eine The-
orie, die das Bestehende abzubilden sucht unter dem Aspekt der prakti-
schen Veränderung am Maßstab des Bedürfnisses der Aufhebung beste-
hender Entfremdungen.
Indem Marx Hegels Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit
und den idealistischen Objektivitätsbegriff preisgibt, anerkennt er an der
Praxis (die vor der endlichen Theorie den Vorrang der inhaltlichen Selbst-
bestimmung hat) nicht mehr wie Hegel als Mangel, dass sie die Unabhän-
gigkeit der Objektivität nicht restlos überwindet und dass das Subjekt der
Praxis in der Beziehung auf das Objekt nicht in vollkommen freier Selbst-
bestimmung bei sich bleibt.
245

A n m e r k u n g e n

Die Schriften Hegels werden nach folgenden Ausgaben zitiert:

Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden. Neu herausgege-


ben von H. Glockner, Stuttgart l927 ff. (abgekürzt als: Werke)

Hegels theologische Jugendschriften. Herausgegeben von H. Nohl, Tübin-


gen l907 (abgekürzt als: Nohl)

Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie. Herausgegeben von G. Las-


son, 2. Auflage, Leipzig l923 (abgekürzt als: Schriften zur Politik und
Rechtsphilosophie)

Politische Schriften. Nachwort von J. Habermas. Frankfurt am Main 1966


(abgekürzt als: Politische Schriften)

Jenenser Logik, Metaphysik und Naturphilosophie Hegels. Herausgegeben


von G. Lasson, Leipzig 1923 (abgekürzt als: Jenenser Logik)

Jenenser Realphilosophie. Band I und II. Herausgegeben von J. Hofmeis-


ter, Leipzig 1931/32 (abgekürzt als: Realphilosophie)

Dokumente zu Hegels Entwicklung. Herausgegeben von J. Hoffmeister,


Stuttgart 1936 (abgekürzt als: Dokumente)

Phänomenologie des Geistes. Herausgegeben von J. Hoffmeister, Hamburg


1952 (abgekürzt als: Phänomenologie)

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Neu he-


rausgegeben von F. Nicolin und O. Pöggeler, Hamburg 1958 (abgekürzt als:
Enzyklopädie)

Die Vernunft in der Geschichte. Herausgegeben von J. Hoffmeister, Ham-


burg l955 (abgekürzt als: Die Vernunft in der Geschichte)

Wissenschaft der Logik. Herausgegeben von G. Lasson. Erster und zweiter


Teil. Hamburg 1963 (abgekürzt als: Logik)

Ästhetik. 2 Bände, Frankfurt am Main, o. J. (Lizensausgabe des Aufbau-


verlags Berlin und Weimar für die Europäische Verlagsanstalt). Nach der
zweiten Ausgabe von H. G. Hotho (1842), redigiert von F. Bassenge (abge-
kürzt als: Ästhetik)
246

Briefe von und an Hegel. Herausgegeben von J. Hoffmeister und R. Flech-


zig, Band l-4, Hamburg 1952/l960 (abgekürzt als: Briefe)

1a In der Monographie von M. Riedel: Theorie und Praxis im Denken He-


gels, Stuttgart 1965, wird die Hegelsche Konzeption der Praxis im wesent-
lichen auf die Konzeption der Praxis als Begierde, d. h. als Naturaneig-
nung, reduziert. Die Praxis wird dann ausgelegt als „Herstellung“ eines
Werkes und als „Herrschaft“. Nicht heraus gearbeitet wird die charakteris-
tische Hegelsche Auffassung von der Praxis als konkreter Sittlichkeit in
der Sphäre des objektiven Geistes (und damit als politischem Handeln im
durchaus nicht technisch-instrumental verfügenden Sinne). Deshalb bleibt
auch der spezifische Zusammenhang unberücksichtigt, den Hegel zwi-
schen der Praxis der Naturaneignung und der gesellschaftlich-politischen
Praxis aufdeckt. Indem Hegels Konzeption zu sehr der traditionellen Philo-
sophie angenähert und als ihre Vollendung aufgefasst wird, wird die eigen-
tümlich dialektische Verknüpfung von Theorie und Praxis, ihre wechselsei-
tige Durchdringung, nicht akzentuiert (sie werden weitgehend als parallel
und „gleichursprünglich“ behandelt; vgl. auch Anmerkung 3); dementspre-
chend wird das Wesen von Theorie und Praxis zwar als Subjektivität, aber
kaum als Negativität gekennzeichnet. – Der Komplexität des Theorie-
Praxis-Verhältnisses nicht gerecht werden die Aufsätze von W. R. Beyer:
Hegels Begriff der Praxis, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 6. Jahr-
gang (1958), Heft 5, und von R. Heiss: Das Verhältnis von Theorie und
Praxis bei Hegel, in: Blätter für deutsche Philosophie, Bd. 9, Heft 1, Berlin
1935, worin hauptsächlich nur die Vorrede zur Rechtsphilosophie mit ei-
nigen Stellen aus frühen Briefen Hegels konfrontiert wird, darunter diese
Äußerung Hegels an Schelling im Jahre 1795, die auch von den Junghege-
lianern stammen könnte: „Mit der Verbreitung der Ideen, wie alles sein
soll, wird die Indolenz der gesetzten Leute, ewig alles zu nehmen, wie es
ist, verschwinden“.

1 Vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, Bd. 7 (unten abge-
kürzt als: Rechtsphilosophie), § 4. Vorlesungen über die Geschichte der
Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 528, 533. Die Vernunft in der Geschichte,
S. 55, 62, 83. Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd.
15, S. 148.

2Philosophische Propädeutik, Werke, Bd. 3, I, Einleitung, 1 (unten abge-


kürzt als: Philosophische Propädeutik). Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz.
Enzyklopädie § 469. Die Vernunft in der Geschichte, S. 83, 110 f.
247

3 Vgl. Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz: „Der Unterschied zwischen Denken


und Willen ist nur der zwischen dem theoretischen und praktischen Ver-
halten, aber es sind nicht etwa zwei Vermögen, sondern der Wille ist eine
besondere Weise des Denkens: das Denken als sich übersetzend ins Da-
sein, als Trieb, sich Dasein zu geben.“ – Damit versucht Hegel, einerseits
den rationalistischen Dualismus der Aufklärung und andererseits die Sub-
jekt-Objekt-Entzweiung im subjektiven Idealismus zu überwinden. – Man
kann Hegels Konzeption der Subjekt-Objekt-Totalität „organisch“ nennen,
wenn man sie abgrenzt von den spezifisch romantischen Organismusvor-
stellungen Karl Ludwig von Hallers, Adam Müllers, Friedrich Karl von Sa-
vignys und anderer. – Wie wenig M. Riedel Hegels neuartige eigentümlich
dialektische Verbindung von Geist und Wille beachtet, zeigt sich daran,
dass er die zitierte Äußerung der Rechtsphilosophie in eine kontinuierliche
Linie bringt mit Leibnizens Bestimmung der „perceptio“ und des „appeti-
tus“ der Monade (a. a. 0., S. 142 f., 164 f.), während Hegel dagegen selbst
bemängelt, dass Leibniz deren Einheit nur von außen vermittels der göttli-
chen prästabilierten Harmonie fasst; Vorlesungen über die Geschichte der
Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 471 f.
4 Die Vernunft in der Geschichte, S. 81

5 Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz

6 Ebenda. – Dementsprechend ist Praxis keine einfache Anwendung der


Theorie; vgl. auch Heidegger, Sein und Zeit, 8. Aufl., Tübingen 1957, S. 69:
„Das ,praktische’ Verhalten ist nicht ,atheoretisch’ im Sinne der Sichtlo-
sigkeit, und sein Unterschied gegen das theoretische Verhalten liegt nicht
nur darin, dass hier betrachtet und dort gehandelt wird, und dass das
Handeln, um nicht blind zu bleiben, theoretisches Erkennen anwendet,
sondern das Betrachten ist so ursprünglich ein Besorgen, wie das Handeln
seine Sicht hat.“ (Hierbei geht Heideggers Begriff der Sorge in der Doppel-
bedeutung des Etwas-besorgens und des Sich-sorgens über Augustins Be-
griff der „cura“ auf Platons Begriff der „epimeleia“ zurück.)

7 Philosophische Propädeutik I, Einleitung, § 5; Erläuterungen zur Einlei-


tung, § 11. Vgl. dazu Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Men-
schen, 25. Brief: „Die Betrachtung (Reflektion) ist das erste liberale Ver-
hältnis des Menschen zu dem Weltall, das ihn umgibt. Wenn die Begierde
ihren Gegenstand unmittelbar ergreift, so rückt die Betrachtung den ihri-
gen in die Ferne, und macht ihn eben dadurch zu ihrem wahren und un-
verlierbaren Eigentum, dass sie ihn vor der Leidenschaft flüchtet“ (Schil-
lers Werke, Bd. 20, Weimar 1962, S. 394).
248

8 Phänomenologie, S. 87. Dies nennt Hegel das „praktische Verhalten“ der


Tiere. Dass die Tiere aber – im Gegensatz zu den tiefer naturintegrierten
Pflanzen – sich auf Grund der höheren Weise ihrer Lebendigkeit und orga-
nischen Sensibilität auch theoretisch zur Umwelt verhalten, d. h. dass sie
„begierdeloses Verhalten“ zeigen, dazu vgl.: Naturphilosophie, Werke, Bd.
9, S. 579, 662.
9 Die Vernunft in der Geschichte, S. 57 f. Vgl. Rechtsphilosophie, § 4, Zu-
satz: „Das Tier handelt nach Instinkt, wird durch ein Inneres getrieben,
und ist so auch praktisch, aber es hat keinen Willen, weil es sich das nicht
vorstellt, was es begehrt:“ – Zur Einschränkung des Tieres auf eine artspe-
zifische Umwelt vgl.: Naturphilosophie, Werke, Bd. 9, S. 628 ff. – Als im
Prozess zu erringende kann Freiheit also auch nicht dekretiert werden.

10 Rechtsphilosophie, § 190. Realphilosophie, Bd. I, S. 237ff.; Bd. II, S. 215

11 Rechtsphilosophie, § 190-195, 200, 243-248, 253 ff. Realphilosophie,


Bd. II, S. 232. Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie, S. 495 f. Politi-
sche Schriften, S. 17. – Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, Hegel
verstehe den von ihm konstatierten Gegensatz von Armut und Reichtum
als Klassengegensatz von Proletariat und Bourgeoisie. Den Begriff der
Klasse, der zu definieren ist mit Bezug auf die Produktionsmittel, kennt
Hegel nicht. Dementsprechend ist auch Hegels Bestimmung des „Pöbels“
in der Rechtsphilosophie (§ 244) nicht gleichzusetzen mit dem Begriff des
Proletariats.

12 Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der


Menschheit. Sämtliche Werke, hrsg. von B. Suphan, Bd. 13, Berlin 1887,
S. 145-147. Abhandlung über den Ursprung der Sprache, Bd. 5, Berlin
1891, S. 22 ff. – Dass Hegel in dieser Frage nicht explizit an Herder an-
knüpft, ist unerheblich angesichts der vielfältigen Wirkung Herders. – Vgl.
Schiller: Über Anmut und Würde: „Bei dem Tiere und der Pflanze gibt die
Natur nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus.
Dem Menschen aber gibt sie bloß die Bestimmung, und überlässt ihm
selbst die Erfüllung derselben. Dies allein macht ihn zum Menschen. Der
Mensch allein hat als Person unter allen bekannten Wesen das Vorrecht,
in den Ring der Notwendigkeit, der für bloße Naturwesen unzerreißbar ist,
durch seinen Willen zu greifen, und eine ganz frische Reihe von Erschei-
nungen in sich selbst anzufangen. Der Akt, durch den er dieses wirkt,
heißt vorzugsweise eine Handlung, und diejenigen seiner Verrichtungen,
die aus einer solchen Handlung herfließen, ausschließungsweise, seine
Taten. Er kann also, dass er Person ist, bloß durch seine Taten beweisen.“
(Schillers Werke, Bd. 20, Weimar 1962, S. 272.) – Vgl. auch Kant: Idee zu
249

einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht: da die Natur


„dem Menschen Vernunft und darauf sich gründende Freiheit des Willens
gab, so war das schon eine klare Anzeige ihrer Absicht in Ansehung seiner
Ausstattung. Er sollte nämlich nun nicht durch Instinkt geleitet... sein; er
sollte vielmehr alles aus sich selbst herausbringen. Die Erfindung seiner
Nahrungsmittel, seiner Bedeckung, seiner äußeren Sicherheit und Vertei-
digung... sollten gänzlich sein eigen Werk sein.“ (Kants gesammelte Schrif-
ten, Bd. VIII, Berlin 1912, S.19.) – Bei Goethe ist der Gedanke der Selbst-
verwirklichung des Menschen vom „Prometheus“-Fragment bis zum
„Faust“ zentral. – Fachwissenschaftlich hat die geschichtslose Umweltge-
bundenheit der Tiere, ihre Abhängigkeit von bestimmten Instinktauslösern
und Signalen, vor allem J. v. Uexküll erforscht. Direkt oder indirekt von
Herder geht auch die Anthropologie Schelers, Plessners, Portmanns, Litts,
Gehlens und Rothackers aus; vgl. dazu A. Gehlen, der selbst allerdings die
Anthropologie schließlich dehistorisiert, in: Der Mensch, Frankfurt 1962,
S. 84; „Die philosophische Anthropologie hat seit Herder keinen Schritt
vorwärts getan..“ – „Anthropologisch“ im entschieden ungeschichtlichen
Sinne verfährt im übrigen die Psychoanalyse. Zu dem Versuch, sie unter
geschichtlich-marxistischem Aspekt zu betrachten, vgl. H. Marcuse: Trieb-
struktur und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1965; und: P. A. Baran:
Marxismus und Psychoanalyse, in: Unterdrückung und Fortschritt, Frank-
furt am Main 1966.

13 Phänomenologie, S. 35-39

14 Die Vernunft in der Geschichte, S. 57

15 Phänomenologie, S. 72

16 Ebenda, S. 27. Vgl.: Die Vernunft in der Geschichte, S. 67

17 Die Vernunft in der Geschichte, S. 95; vgl. S. 93

18 Ebenda, S. 105. – Unverkennbar ist in dieser Hinsicht Hegels Anknüp-


fung an Thomas Hobbes, Bernard de Mandeville, Claude Adrian Helvetius
und vor allem Adam Smith, die erwarteten, das Betreiben der Privatinte-
ressen bewirke die allgemeine gesellschaftliche Harmonie. (Hegel kannte
Vico nicht – im Unterschied zu Goethe –; dementsprechend beeinflusste
ihn auch nicht direkt dessen Begriff der Vorsehung.) Auch Schelling
spricht von einem Verhältnis „der Freiheit zu einer verborgenen Notwen-
digkeit..., kraft dessen Menschen durch ihr freies Handeln selbst, und
doch wider ihren Willen Ursache von etwas werden müssen, was sie nie
gewollt, oder kraft dessen umgekehrt etwas misslingen und zuschanden
250

werden muss, was sie durch Freiheit und mit Anstrengung aller ihrer Kräf-
te gewollt haben.“ (System des transzendentalen Idealismus, Hamburg
1957, S. 263) Hierher gehört auch Kants Begriff der „ungeselligen Gesel-
ligkeit“ in der Schrift „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürger-
licher Absicht“ (1784), mit dessen Hilfe der „Antagonismus... in der Gesell-
schaft“ und die Entwicklung der menschlichen Anlagen erklärt werden.
(Kants gesammelte Schriften, Bd. VIII, Berlin 1812, S. 20 ff.) – Wie aber
schon angedeutet wurde und später zu wiederholen ist, steht Hegel in sei-
ner politischen Theorie nicht auf dem Standpunkt des Liberalismus, dem
„Prinzip der Atome“.
19 Rechtsphilosophie, § 119-126, 20. Enzyklopädie 505, 479. –
Beachtenswert ist: indem die Glückseligkeit in diesem Hegelschen Sinne
sich nicht aus der Verwirklichung des Substantiellen ergibt, sondern for-
mell, d. h. dem Inhalt nach zufällig ist, kommt sie nicht dem nahe, was
Aristoteles unter Eudaimonia versteht, sondern eher dem, was Aristoteles
mit Lust, Hedone, meint: sie ist ein Akzidenz der Verwirklichung der Ver-
nunft. (Vgl. Nikomachische Ethik, X, 4.) - Hinsichtlich der „welthistori-
schen Individuen“ – wie zum Beispiel Alexander, Cäsar, Richelieu, Napole-
on – muss berücksichtigt werden, dass ihre Bestimmung als „Geschäfts-
träger“ eines objektiven vernünftigen Prozesses ausschließt, sie undialek-
tisch als auf sich gestellte Heroen im Sinne Carlyles, Nietzsches oder
Treitschkes zu verstehen.

20 Phänomenologie, S. 9 ff. Vgl. hierzu auch Goethe: „Der Schein, was ist
er, dem das Wesen fehlt? Das Wesen, wär’ es, wenn es nicht erschiene?“

21 Die Vernunft in der Geschichte, S. 114; vgl. S. 66; Rechtsphilosophie, §


124. Ferner Ästhetik, Bd. I, S. 216: „Die Handlung ist die klarste Enthül-
lung des Individuums, seiner Gesinnung sowohl als auch seiner Zwecke;
was der Mensch im innersten Grunde ist, bringt sich erst durch sein Han-
deln zur Wirklichkeit...“ – Dies involviert die Einheit von Leib und Seele,
gegen deren Trennung – auch in Luthers die Freiheit einseitig ins Innere
verlegenden Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (Kritische
Gesamtausgabe, Bd. 7, Weimar 1897, S. 21 ff.; vgl.: Wider die räuberi-
schen und mörderischen Rotten der Bauern, ebenda, Bd. 18, Weimar
1908, S. 359, wo Luther dafür, dass die aufständischen Bauern sich nicht
auf das Neue Testament und ursprüngliche Christentum berufen könnten,
anführt: „Denn die tauffe macht nicht leyb und gut frey, sondern die see-
len“) – Hegel sagt: „Es ist daher nur ideeloser, sophistischer Verstand, wel-
cher die Unterscheidung machen kann, dass das Ding an sich die Seele,
nicht berührt oder angegriffen werde, wenn der Körper misshandelt und
die Existenz der Person der Gewalt eines anderen unterworfen wird.“
251

(Rechtsphilosophie, § 48) – Ähnlich wie Luther setzt auch Sebastian


Franck, dessen Mystik den häretischen Wiedertäufern nahekommt und
über Valentin Weigel auf Jakob Böhme einwirkt, das Äußere einseitig her-
ab zugunsten des „inneren Wortes“ und „inneren Menschen“; siehe: Para-
doxa, 15-17, 124, 125; hrsg. v. H. Ziegler, Jena 1909, S. 34 ff., 161 f.

22 Rechtsphilosophie, § 115-118

23Vgl. Ästhetik, Bd. I, S. 187 f., 211 f. Rechtsphilosophie, § 18. Philosophi-


sche Propädeutik I, Einleitung, § 9; Erläuterungen zur Einleitung, § 17.
Enzyklopädie, § 504

24 Phänomenologie, S. 249

25 Ebenda, S. 231

26 Ebenda, S. 229

27 Ebenda, S. 231

28 Ebenda, S. 447 f.

29 Ebenda, S. 233

30 Ebenda, S. 236

31 Ebenda, S. 236

32Ebenda, S. 253. – Einseitig muss für Hegel deshalb auch Augustins ge-
wisse Vorwegnahme der cartesianischen Trennung von Selbsterkenntnis
und Welterkenntnis sein, die auch Husserl am Schluss seiner „Cartesiani-
schen Meditationen“ zitiert: „Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore
homine habitat veritas“ (De vera religione, 39, 72).

33 Ästhetik, Bd. I, S. 104

34 Ebenda, S. 105

35Philosophische Propädeutik I, Einleitung, § 2; Erläuterungen z. Einlei-


tung, § 2, 3

36Ebenda, § 8. Vgl. Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz: im theoretischen Ver-


halten ist das „bunte Gemälde der Welt... vor mir: ich stehe ihm gegenüber
252

und hebe bei diesem Verhalten den Gegensatz auf, mache diesen Inhalt zu
dem meinigen.. Das praktische Verhalten fängt dagegen beim Denken,
beim Ich selbst an...“ Vgl. Die Philosophie des Geistes, Werke, Bd.10, §
443, Zusatz, S. 303. – Über das theoretische und praktische Verhältnis
von Subjekt und Objekt als das Verhältnis von Ich und Nicht-Ich bei Fich-
te siehe: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19,
S. 624 ff.

37 Enzyklopädie, § 225. Vgl. Logik, drittes Buch, zweiter Abschnitt, erstes


Kapitel: Teleologie. Dritter Abschnitt, zweites Kapitel: Die Idee des Erken-
nens. Ästhetik, erster Teil, erstes Kapitel, 3. Die Idee des Schönen. Philo-
sophische Propädeutik 1, Einleitung, § 3; Erläuterungen zur Einleitung, §
4. Rechtsphilosophie, § 44 mit Zusatz, § 52 mit Zusatz. Naturphilosophie,
Werke, Bd. 9, Einleitung, S. 34-49.

38 Insbesondere gehört das „uneigennützige Interesse“ für die „Objekte in


ihrer freien Selbständigkeit“ zur theoretischen Bildung; vgl. Philosophische
Propädeutik I, § 42. – Eine Einseitigkeit des (verstandesmäßigen) theoreti-
schen Verhaltens liegt auch darin, dass es – sofessofern es das (abstrakt)
Allgemeine hervorhebt – das wahrnehmbare Einzelne und Unmittelbare
(auf das einseitig die Praxis der Begierde zielt) undialektisch vom Allgemei-
nen abtrennt und verschwinden lässt; vgl. Naturphilosophie, Werke, Bd.
IX, S. 38 f.: „... durch den sich eindrängenden Gedanken verarmt der
Reichtum der unendlich vielgestalteten Natur, ihre Frühlinge ersterben,
ihre Farbenspiele erblassen. Was in der Natur von Leben rauscht, ver-
stummt in der Stille des Gedankens; ihre warme Fülle, die in tausendfaltig
anziehenden Wundern sich gestaltet, verdorrt in trockne Formen und zu
gestaltlosen Allgemeinheiten, die einem trüben nördlichen Nebel gleichen.“

39Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 4: „Es


kann etwas Gegenstand für unsere Wahrnehmung sein, ohne dass wir
deswegen ein Bewusstsein davon haben, wenn wir unsere Tätigkeit nicht
darauf richten. Diese Tätigkeit im Empfangen ist die Aufmerksamkeit“.
Vgl. Enzyklopädie, § 445, 448

40 Vgl. Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 7.


Die Philosophie des Geistes, Werke, Bd. 10, § 444; Zusatz, S. 305: „In
Wahrheit ist... der theoretische Geist nicht ein bloß passives Aufnehmen
eines Anderen, eines gegebenen Objekts, sondern zeigt sich als aktiv da-
durch, dass er den an sich vernünftigen Inhalt des Gegenstandes aus der
Form der Äußerlichkeit und Einzelheit in die Form der Vernunft erhebt.“
253

41 Enzyklopädie § 163-193, 223-232, 445-468. Philosophische Propädeutik


I, Erläuterungen zur Einleitung, § 1-6

42Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 5. Vgl.


Enzyklopädie, § 459

43 Vgl. zum Beispiel: Enzyklopädie, § 38

44 Phänomenologie, S. 191 ff.

45 Vgl. dazu außer Enzyklopädie, § 227-231 und 115 auch: Vorlesungen


über die Geschichte der Philosophie, Einleitung, Werke, Bd. 17, S. 52-56
und S. 70: „Das sinnliche Bewusstsein ist freilich überhaupt konkreter,
und wenn auch das ärmste an Gedanken, doch das reichste an Inhalt. Wir
müssen also das natürliche Konkrete vom Konkreten des Gedankens un-
terscheiden, welches seinerseits wieder arm an Sinnlichkeit ist.“ Dass „al-
les Wahrhaftige des Geistes sowohl als der Natur... in sich konkret“ ist (Äs-
thetik, Bd. I, S. 78), ist die Erkenntnis auf dem Standpunkt des absoluten
spekulativen Denkens. – Zum Gegensatz des Abstrakten und Konkretes
vgl. Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, Einleitung (1857); Karl
Marx, Friedrich Engels, Werke, Bd. 13, Berlin 1861, S. 631-639.

46 Enzyklopädie, § 167; vgl. § 214

47 Ästhetik, Bd. I, S. 141: „Den rein theoretischen Prozess verrichten die


Sinnesorgane des Gesichts und Gehörs; was wir sehen, was wir hören,
lassen wir, wie es ist. Die Organe des Geruchs und Geschmacks dagegen
gehören schon dem Beginne des praktischen Verhältnisses an. Denn zu
riechen ist nur dasjenige, was schon im Sichverzehren begriffen ist, und
schmecken können wir nur, indem wir zerstören.“ Vgl. auch Bd. II, S. 112;
und: Naturphilosophie, Werke, Bd. 9, S. 300 f. (Zum Zusammenhang zwi-
schen praktischer Naturaneignung und Organausstattung vgl. Ästhetik,
Bd. II, S. 111 ff.) – Nur die beiden theoretischen Sinne des Gesichts und
Gehörs beziehen sich auf die Kunstgegenstände als Einheit des – schon
ideellen – Sinnlichen und Geistigen; vgl. Ästhetik, Bd. I; S. 48; und Schil-
ler: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 26. Brief. – Bemer-
kenswert ist Hegels Charakterisierung der drei Zustände der Kunst – der
idyllischen, der heroischen und der bürgerlichen – in Hinblick auf die Art
der Aneignung der Dinge durch die menschliche Tätigkeit und den Grad
der Beseitigung der Bedürftigkeit, der „Abhängigkeit von der Prosa des Le-
bens“; vgl. Ästhetik, Bd. I, S. 251-258. – Zu Hegels Bestimmung der prak-
tischen Aneignung im Zusammenhang mit der Ableitung des Privateigen-
tums – dessen Verteilung im übrigen als zufällig und vernunftlos angese-
254

hen wird – aus dem Wesen der Persönlichkeit (nicht aus den Bedürfnis-
sen), und zwar als das „Dasein der Persönlichkeit“ und das erste Dasein
der Freiheit“, vgl.: Rechtsphilosophie, § 44 ff.
48 Enzyklopädie, § 471 f.

49Phänomenologie, S. 224. Vgl. Enzyklopädie,471, 445, 387. Vorlesungen


über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 15, S. 144

50 Enzyklopädie, § 225

51 Ebenda, § 204

52 Die Vernunft in der Geschichte, S. 56

53 Ästhetik, Bd. I, S. 106 f.

54 Ebenda, S. 117-121, 48. Vgl. Naturphilosophie, Werke, Bd. IX, S. 45 f.:


„Der unbefangene Geist, wenn er lebendig die Natur anschaut, wie wir dies
häufig bei Goethe auf eine sinnige Weise geltend gemacht finden, so fühlt
er das Leben und den allgemeinen Zusammenhang in derselben; er ahnt
das Universum als ein organisches Ganzes und eine vernünftige Totalität,
ebenso als er im einzelnen Lebendigen eine innige Einheit in ihm selbst
empfindet.“

55Ästhetik, Bd. I, S. 117. Vgl. Realphilosophie, Bd. II, S. 265: „Die Schön-
heit ist viel mehr der Schleier, der die Wahrheit bedeckt, als die Darstel-
lung derselben.“

56 Logik, Bd. II, S. 391: „Die mechanische oder chemische Technik bietet
sich also durch ihren Charakter, äußerlich bestimmt zu sein, von selbst
der Zwecksetzung dar...“

57Ebenda, S. 390: „Der Zweck hat sich als das Dritte zum Mechanismus
und Chemismus ergeben; er ist ihre Wahrheit.“

58 Vgl. zum Beispiel: Holbach: System der Natur oder Von den Gesetzen
der physischen und der moralischen Welt, Berlin 1960, S. 145 f.: „Wenn
wir die Erfahrung zu Rate ziehen, werden wir finden, dass unsere Seelen
denselben physischen Gesetzen unterworfen sind wie die materiellen Kör-
per.“
255

59Vgl. Rechtsphilosophie, § 15, Zusatz: „In der Willkür ist das Enthalten,
dass der Inhalt nicht durch die Natur meines Willens bestimmt ist der
Meinige zu sein, sondern durch Zufälligkeit:: ich bin also ebenso abhängig
von diesem Inhalt, und dies ist der Widerspruch, der in der Willkür liegt.
Der gewöhnliche Mensch glaubt frei zu sein, wenn ihm willkürlich zu han-
deln erlaubt ist, aber gerade in der Willkür liegt, dass er nicht frei ist.“

60 Logik, Bd. II, S. 393.

61 Ästhetik, Bd. I, S. 105. Diese gewisse Vergeblichkeit betrifft auch die Se-
xualität. – Vgl. in diesem Zusammenhang Hegels mit Platon übereinstim-
mende Deutung des Prometheus nicht als sittlich politische Macht, son-
dern als „Naturmacht“ und „Wohltäter der Menschen, indem er sie die ers-
ten Künste gelehrt hat“, das heißt „Geschicklichkeiten, welche die Befrie-
digung natürlicher Bedürfnisse angehen. In der bloßen Befriedigung dieser
Bedürfnisse ist nie eine Sättigung, sondern das Bedürfnis wächst immer
fort und die Sorge ist immer neu – das ist durch jenen Mythus angedeutet“
(Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 107; vgl.
Ästhetik, Bd. I, S. 444 ff., 450).

62 Logik, Bd. II, S. 398. Schon in den Jenenser Vorlesungen heißt es: „Das
Wekzeug ist die existierende vernünftige Mitte, existierende Allgemeinheit
des praktischen Prozesses; es erscheint auf der Seite des Tätigen gegen
das Passive, ist selbst passiv nach der Seite des Arbeitenden und tätig ge-
gen das Bearbeitete. Es ist das, worin das Arbeiten sein Bleiben hat... es
pflanzt sich in Traditionen fort...“ (Realphilosophie, Bd. I, S. 221; vgl. Bd.
II, S. 198. Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie, S. 422). – Hegels
erste feststellbare Beschäftigung mit ökonomischen Problemen der Arbeit
datiert aus seiner Frankfurter Periode (1797-1800) und besteht unter an-
derem in der Kommentierung von James Denham Steuarts „Inquiry into
the principles of political economy“, deren Manuskripte verloren gegangen
sind; vgl. darüber: K. Rosenkranz: Hegels Leben, Berlin 184, S. 86; G. Lu-
kács, Der junge Hegel, Berlin 1954, S. 211 ff.; P. Chamley, Économie poli-
tique et philosophique chez Steuart et Hegel, Paris 1963.

63 Logik, Bd. II, S. 398. Vgl. Enzyklopädie, § 209. Naturphilosophie, Werke,


Bd. IX, S. 35 f. Realphilosophie, Bd. II, S. 198 f.: „Ich habe die List zwi-
schen mich und die äußere Dingheit hineingestellt, mich zu schonen, und
meine Bestimmtheit damit zu bedecken und es sich abnutzen zu lassen...
Es ist in das Werkzeug auch eigne Tätigkeit zu legen, es zu einem selbsttä-
tigen zu machen. Dies geschieht so, ...dass die eigne Tätigkeit der Natur,
Elastizität der Uhrfeder, Wasser, Wind angewendet wird, um in ihrem
sinnlichen Dasein etwas ganz anderes zu tun, als sie tun wollten, dass ihr
256

blindes Tun zu einem zweckmäßigen gemacht wird... Es ist die Ehre der
List gegen die Macht, die blinde Macht an einer Seite anzufassen, dass sie
sich gegen sich selbst richtet... Wind, mächtiger Strom, mächtiges Welt-
meer, bezwungen, geackert. Keine Komplimente mit ihm zu machen – e-
lende Empfindsamkeit, die sich an Einzelnes hält.“ Marx bezieht sich ex-
plizit auf diese Erkenntnis Hegels im „Kapital“, Bd. I, Karl Marx/Friedrich
Engels, Werke, Bd. 23, S. 194

64 Logik, Bd. II, S. 394: „Der Zweck schließt sich durch ein Mittel mit der
Objektivität und in dieser mit sich selbst zusammen. Das Mittel ist die
Mitte des Schlusses.“ - Vgl. auch mit Bezug auf das handelnde Individuum
im Drama: „In dieser Weise tritt die Handlung als Handlung auf, als wirkli-
ches Ausführen innerer Absichten und Zwecke, mit deren Realität sich das
Subjekt als mit sich selbst zusammenschließt und darin sich selber will
und genießt und nun auch mit seinem ganzen Selbst für das, was aus
demselben ins äußere Dasein übergeht, einstehen muss.“ (Ästhetik, Bd. II,
S. 516)

65 Vgl. Lenins materialistische Umdeutung in seinen Kommentaren zu den


entsprechenden Abschnitten der Hegelschen Logik in: Philosophische Hef-
te, Werke, Bd. 38, Berlin 1964, S. 177-181, 202-211; S. 207 f.: „Für Hegel
ist das Handeln, die Praxis, ein logischer ,Schluss‘, eine Figur der Logik.
Und das ist wahr! Natürlich nicht in dem Sinne, dass die Figur der Logik
ihr Anderssein in der Praxis des Menschen hätte (=absoluter Idealismus),
sondern vice versa: die Praxis des Menschen, milliardenmal wiederholt,
prägt sich dem Bewusstsein des Menschen als Figuren der Logik ein. Diese
Figuren haben die Festigkeit eines Vorurteils, ihren axiomatischen Cha-
rakter gerade (und nur) kraft dieser milliardenfachen Wiederholung.“

66 Vgl. Descartes: Abhandlung über die Methode, Hamburg 1957, S. 51.


Bacon: Novum Organon; The Works of Francis Bacon, London 1825, Bd.
XIV, S. 31. Vico: Die neue Wissenschaft, München 1924, S. 125. – In der
chinesischen Philosophie wird der Zusammenhang zwischen Wissen und
praktischer Anwendung hervor gehoben von Mo Di, dem radikalen Sozial-
reformer und Gegner des Konfuzius, sowie in der Neuzeit von Wee Jüän
und Dshang Ssüä-tschöng.

67Vgl. vor allem: Nikomachische Ethik, VI, 3-5; 8. Zu dem Übergang vom
praktisch-klugen Wissen zum Herrschaftswissen und zur Machttechnik
bei Macchiavelli, Morus und Hobbes siehe: H. Arendt: Vita activa, Stutt-
gart 1960; und J. Habermas: Theorie und Praxis, Neuwied am Rhein und
Berlin 1963, S. 13 ff.
257

68 Vgl. dazu H. Kuhn: Wissenschaft der Praxis und praktische Wissen-


schaft, in: Festschrift für Freiherr von Gebsattel, Stuttgart 1963. Derselbe:
„Prohairesis“ in der Nikomachischen Ethik, in: Das Sein und das Gute,
München 1962.

69 Phänomenologie, S. 257. Vgl. Realphilosophie, Bd. I, S. 238: „Es tritt


zwischen den Umfang der Bedürfnisse des Einzelnen und seine Tätigkeit
dafür die Arbeit des ganzen Volkes ein, und die Arbeit eines Jeden ist in
Ansehung ihres Inhalts eine allgemeine für die Bedürfnisse aller, sowie für
die Angemessenheit zur Befriedigung aller seiner Bedürfnisse, d. h. sie hat
einen Wert...“ Rechtsphilosophie, § 184: „Meinen Zweck befördernd, beför-
dere ich das Allgemeine, und dieses befördert wiederum meinen Zweck.“
Vgl. Rechtsphilosophie, § 199.

70Phänomenologie, S. 139 (im Original gesperrt). Dass zu einem „bestimm-


ten Selbstgefühl“ auch die Tiere kommen, dazu vgl.: Naturphilosophie,
Werke, Bd. IX, S. 664 f. - Zu beachten ist, dass innerhalb der Religion für
Hegel die Herr-Knecht-Dialektik in der jüdischen „Religion der Erhaben-
heit“ zu finden ist; vgl. Vorlesungen über die Philosophie der Religion,
Werke, Bd. 16, S. 79 ff. – Ein Versuch, in Anlehnung an Hegels Herr-
Knecht-Analyse die Odyssee zu interpretieren, findet sich bei Horkheimer
und Adorno, in: Dialektik der Aufklärung, Amsterdam 1947.

71 Enzyklopädie, § 431 f.

72 Enzyklopädie, § 433. Vgl. Rechtsphilosophie, § 93, Zusatz: „Im Staat


kann es keine Heroen mehr geben...“ und damit auch keinen „Zwang der
Heroen“ und kein „Herrenrecht“; es kann nur noch geben die Herrschaft
des Rechts und des Gesetzes, das „Schiboleth“, an dem sich die Geister
scheiden; Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 29; § 258, Anmerkung. (Vgl. auch
Fichtes Ablehnung des „bellum omnium contra omnes“ z. B. in: Der ge-
schlossene Handelsstaat, Sämtliche Werke, Bd. 3, Berlin 1845, S. 447.) An
dieser Stelle greift Hegel schonungslos die Auffassung K. L. von Hallers in
dessen „Restauration der Staatswissenschaft“ (1816) an, dass im Staat
nicht Gesetz und Vernunft, sondern die Naturgewalt und „die Herrschaft
des Mächtigern ewige Ordnung Gottes sei, die Ordnung, nach welcher der
Geier das unschuldige Lamm zerfleischt.“ Damit nimmt Hegel indirekt
auch Stellung gegen die späteren Vorstellungen der Sozialdarwinisten wie
Gumplowicz, Ratzenhofer, Woltmann, Ammon u. a., die die biologischen
Gesetze der natürlichen Auslese, des „struggle for life“ und des „survival of
the fittest“, per analogiam auf die menschlichen Handlungen in der Gesell-
schaft übertragen, und die sich in ihrem Biologismus kreuzen mit den
Rassentheorien Gobineaus und H. St. Chamberlains, aber auch mit
258

Spenglers – die Einheitlichkeit und (diskontinuierliche) Kontinuität der


Weltgeschichte verleugnender – Zyklentheorie, deren Praxisauffassung ge-
kennzeichnet ist durch Fatalismus oder militant-aggressiven Aktivismus.
Dementsprechend ist zum Beispiel für Chamberlain ähnlich wie für die
Pragmatisten der Wert der wissenschaftlichen und philosophischen Theo-
rie „nicht ihr Wahrheitsgehalt – ist dieser doch lediglich symbolisch – son-
dern ihre methodische Brauchbarkeit in der Praxis und ihre bildende Be-
deutung für die Phantasie und den Charakter“; H. St. Chamberlain, Kant,
München 1909, S. 751. Vgl. auch in diesem Zusammenhang die Konstruk-
tion des Kampfes zwischen „Freund und Feind“ bei C. Schmitt in: Der Beg-
riff des Politischen, München-Leipzig 1932.

73 Vgl. Aristoteles, Politik, I, 2, 7. – Auffällig ist, dass Hegel in der Herr-


Knecht-Analyse nach der Unterwerfung die Kollaboration zugrunde legt
und Akte der Revolte des Knechts gegen seine Kondition der totalen Ent-
selbstung und Selbstverleugnung übergeht. Das erscheint aber insofern
konsequent, als das Resultat einer erfolgreichen Auflehnung in diesem von
Hegel analysiertem Stadium nur die Umkehrung des Herrschaftsverhält-
nisses sein konnte. Aber in der Gegenwart der Überwindung des Naturzu-
standes bedeutet für Hegel das Nichtaufbegehren gegen die Sklaverei den
Verlust der Menschlichkeit: „Aber dass jemand Sklave ist, liegt in seinem
eigenen Willen, so wie es im Willen eines Volkes liegt, wenn es unterjocht
wird. Es ist somit nicht bloß ein Unrecht derer, welche Sklaven machen,
oder welche unterjochen, sondern. der Sklaven und Unterjochten selbst.“
(Rechtsphilosophie, § 57, Zusatz)

74Ästhetik, Bd. II, S. 423: „... in Europa ist jetzt jedes Volk von dem ande-
ren beschränkt und darf von sich aus keinen Krieg mit einer anderen eu-
ropäischen Nation anfangen; will man jetzt über Europa hinausschicken,
so kann es nur nach Amerika sein.“

75 Rechtsphilosophie, § 324, 330-340, 33 mit Zusatz. Realphilosophie, Bd.


II, S. 266. Philosophische Propädeutik I, § 31. – Zu berücksichtigen ist der
Zusammenhang zwischen der Darlegung Hegels über den Krieg und der
tatsächlichen Funktion des Krieges in der Ära nach der französischen Re-
volution.

76Phänomenologie, S. 146 f. – Der Unterschied in der Verdinglichung oder


Entäußerung zwischen einem Sklaven in der Antike und „dem heutigen
Gesinde, oder einem Tagelöhner“ liegt, wie Hegel in der Rechtsphilosophie,
§ 67 mit Zusatz, ausführt, nur in dem Umfang der Tätigkeit und in der
Menge der Zeit, worin der Herr über den Beherrschten verfügt.
259

77 Phänomenologie, S. 147

78 Vgl. zu dem Verhältnis von Erarbeitung des Notwendigen, Muße (Scho-


lé), Wissenschaft, Kunst und Philosophie, auch Krieg und Frieden: Politik,
VIII, 15; Metaphysik I, 1; Nikomachische Ethik, X, 7. – Auch für das Ent-
stehen der Kunst muss, wie Hegel sagt, „die Not des Lebens beseitigt sein“;
Ästhetik, Bd. I, S. 252. Allgemein heißt es in den Vorlesungen über die
Philosophie der Geschichte: die Sklaverei „war notwendige Bedingung einer
schönen Demokratie... Die Gleichheit der Bürger brachte das Ausgeschlos-
sensein der Sklaven mit sich“; Werke, Bd. 11, S. 332; vgl. Die Vernunft in
der Geschichte, S. 62. Das „Bedürfnis der Bedürfnislosigkeit“ bezeichnet
Hegel mit direktem Bezug auf Aristoteles als Voraussetzung der Philoso-
phie in der Vorrede zur zweiten Ausgabe der Logik, Bd. I, S. 12. Hervorzu-
heben ist: Hegel hält nicht wie Nietzsche auf Grund eines Analogieschlus-
ses Sklaverei für die notwendige Bedingung auch der gegenwärtigen Kul-
tur. – Erst keimhaft ist die Scheidung von Theorie und Praxis in Griechen-
land bei den Sieben Weisen; wie denn auch das Wort „sophós“ ursprüng-
lich noch das praktische Können mitumfasst, so dass man sowohl von ei-
nem „weisen“ Dichter, der die Taten der Helden besingt, als auch von ei-
nem „weisen“ Wagenlenker sprechen kann, bevor die theoretische und
praktische Lebensweise gegeneinander ausgespielt werden, zum Beispiel in
Euripides’ Tragödie „Antiope“ in Gestalt der Brüder Amphion und Zethos,
worauf sich Platon im „Gorgias“ stützt; siehe dazu Bruno Snell: Theorie
und Praxis im Denken des Abendlandes, Hamburg 1951, S. 11 ff.

79 Phänomenologie, S. 148. Vgl. Philosophische Propädeutik I, Erläuterun-


gen zur Einleitung, § 23: „Ursprünglich folgt der Mensch seinen natürli-
chen Neigungen ohne Überlegung... In diesem Zustand muss er gehorchen
lernen, weil sein Wille noch nicht der vernünftige ist. Durch dies Gehor-
chen kommt das Negative zu Stande, dass er auf die sinnliche Begierde
Verzicht tun lernt und nur durch diesen Gehorsam gelangt der Mensch
zur Selbständigkeit.“ (Vgl. Philosophische Propädeutik II, § 36) - Vgl. auch
über die „existentielle Klemme“ des Herrn: A. Kojève, Introduction à la lec-
ture de Hegel, Paris 1947, S. 55. Für Kojève ist aber im übrigen die Hegel-
sche Dialektik, die Negativität, nur der subjektiven menschlichen Existenz,
nicht auch der objektiven Welt immanent (S. 487). – Auch Diderot stellt in
seinem vielschichtigen Roman „Jacque le fataliste“ den Diener so dar, dass
er ohne den Herrn auskommen könnte. Offensichtlich, wenn auch ver-
schiedenartig, ist die Überlegenheit des Sancho Pansa über Don Quichotte
sowie des Knechts in Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“; hoff-
nungslos scheint dagegen in Becketts „Endspiel“ nicht nur die Lage des
Herrn „Hamm“, sondern auch des Knechts „Clov“.
260

80 Phänomenologie, S. 355 ff.

81 Vgl. Phänomenologie, Vorrede, S. 29: „Aber nicht das Leben, das sich
vor dem Tode scheut und vor der Verwüstung rein bewahrt, sondern das
ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes.“ (Vgl. dazu R.
Garaudy: Gott ist tot, Frankfurt a. M. 1965, S. 111 ff.)

82Phänomenologie, S. 149. – Dass der Arbeitende durch seine Tätigkeit die


natürlichen Dinge und seine Umgebung „vermenschlicht“, dazu vergleiche:
Ästhetik, Bd. I, S. 252.

83 Phänomenologie, S. 149

84 Rechtsphilosophie, § 189-198

85 Phänomenologie, S. 140

86 Philosophische Propädeutik II, § 35: „Der Herr hingegen schaut im Die-


nenden das andere Ich als ein aufgehobenes und seinen einzelnen Willen
als erhalten an. (Geschichte Robinsons und Freitags.)“

87 Goethe: Briefwechsel mit Schiller, Leipzig 1955, S. 62. – Diese Stelle


wird von Feuerbach angeführt gegen die Möglichkeit der Inkarnation der
menschlichen Gattung in einem einzigen Individuum, in: Zur Kritik der
Hegelschen Philosophie, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 1660.

88 Rechtsphilosophie, § 5, Zusatz.

89 Rechtsphilosophie, § 5. Vgl. Philosophische Propädeutik I, § 6, 7, 11;


Erläuterungen zur Einleitung, § 12, 13, 19. Vorlesungen über die Ge-
schichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 552 f. Phänomenologie, Die
absolute Freiheit und der Schrecken, S. 418: „Kein positives Werk noch
Tat kann also die allgemeine Freiheit hervorbringen; es bleibt ihr nur das
negative Tun ; sie ist nur die Furie des Verschwindens.“ Vgl. Hegels Brief
an Schelling schon 1794, in: K. Rosenkranz, Hegels Leben, Berlin 1844, S.
66. – Dass die Motivationen des Willens der Jakobiner aber in der Tat
nicht rein, allgemein und interesselos waren, dass die Jakobiner keine Re-
volution ohne bestimmte Ziele und keine Protestbewegung ohne bestimm-
ten Fortschritt machten, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. –
Später wird die negative individualistische Freiheit von Marx in sozialer
Hinsicht als kleinbürgerlich gekennzeichnet. – Mit der Kritik an der rein
negativen Freiheit, die die Objektivität ignoriert – so als könnte eine Hand-
lung jederzeit einen absoluten Anfang machen –, ist indirekt auch kritisiert
261

Kierkegaards Auffassung der Praxis als absolute Interessiertheit und Lei-


denschaftlichkeit der Existenz (die von der – nur relativen – Theorie durch
einen Abgrund geschieden ist) sowie der Existentialismus des jüngeren J.
P. Sartre – etwa bis zum Bruch mit Camus 1952 –, demgemäß für die
Handlung nur erforderlich ist die „Entschlossenheit“ des einzelnen Men-
schen bei dem „projet“ und der „Erfindung der eigenen Person“. Dass die
(gnostische) abstrakt-totale Negation der Objektivität, des Ansichseienden,
der „Mauern“, einen Verzicht auf jede bestimmte Veränderungen anzielen-
de Praxis beinhaltet, darüber vgl.: W. F. Haug, Jean-Paul Sartre und die
Konstruktion des Absurden, Frankfurt a. M. 1966. – Vgl. zur Problematik
der französischen Revolution auch den Text des achten Abschnittes.

90 Rechtsphilosophie, § 11

91Ebenda, § 6. Vgl. auch z.B. Ästhetik, Bd. I, S. 72 f. In der gleichen Weise


– nur umgekehrt – tritt in der Jacobischen Philosophie das eine zum ande-
ren hinzu: „Ob nach dem Jakobinischen Dogmatismus das Objektive, das
Gegebene als das Erste genannt wird, zu welchem der Begriff später hin-
zukommt: oder ob Fichte das leere Wissen, Ich, zum Ersten macht, dessen
Wesen dasselbe mit dem leeren Verstand des analysierenden Wissens,
nämlich eine Identität ist, für welche bei Fichte die ihm fremde, aus ihm
nicht zu begreifende Bestimmtheit als das Spätere erscheint, – macht in
der Sache nicht den mindesten Unterschied.“ (Glauben und Wissen, Wer-
ke, Bd. I, S. 396.)

92 Glauben und Wissen, Werke, Bd. I, S. 426. (Als literarisches Beispiel


könnte die Gestalt des Pastors Manders in Ibsens „Gespenster“ dienen.)
Vgl. Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, Wer-
ke, Bd. I, S. 465: „Aber das Wesen des reinen Willens und der reinen prak-
tischen Vernunft ist, dass von allem Inhalt abstrahiert sei; und also ist es
an sich widersprechend, eine Sittengesetzgebung (da sie einen Inhalt ha-
ben müsste) bei dieser absoluten praktischen Vernunft zu suchen, da ihr
Wesen darin besteht, keinen Inhalt zu haben.“ – Da das universelle Gute
und Wahre undifferenziert und unwirklich sind – auch in sozialer Hinsicht
muss ein Appell an sie einen utopischen Charakter haben. Damit sei ein
gewisser Zusammenhang angedeutet zwischen den utopischen Sozialisten
wie Saint-Simon und Fourier einerseits und der Kantischen und Fichte-
schen Ethik andererseits.

93 Enzyklopädie, § 60

94Phänomenologie, S. 428. Vgl. Glauben und Wissen, Werke, Bd. I, S. 416:


„Die übersinnliche Welt ist nur die Flucht aus der sinnlichen. Ist nichts
262

mehr, vor welchem geflohen wird, so ist die Flucht und Freiheit und über-
sinnliche Welt nicht mehr gesetzt, und diese empirische Realität ist so sehr
an sich als Ich.“

95 Vgl. die Äußerung Rosenkranz’, des Anhängers des liberalen Zentrums


des Hegelianismus, über Hegels jetzt nicht mehr erhaltene Manuskripte
aus der Frankfurter Zeit: „Er protestierte gegen die Unterdrückung der Na-
tur bei Kant und gegen die Zerstückelung des Menschen in die durch den
Absolutismus des Pflichtbegriffs entstehende Kasuistik.“ (Hegels Leben,
Berlin 1844, S. 87.) – Vgl. das Konzept zum „Geist des Christentums und
sein Schicksal“: „Durch die Gesinnung ist nur das objektive Gesetz aufge-
hoben, aber nicht die objektive Welt; der Mensch steht einzeln und die
Welt.“ (Nohl, S. 390)

96 Phänomenologie, S. 276 f.

97 Nohl, S. 396

98 Phänomenologie, S. 278-282

99 Ebenda, S. 281. Vgl. Ästhetik, Bd. I, S. 180: „Die wahre Selbständigkeit


besteht allein in der Einheit und Durchdringung der Individualität und
Allgemeinheit...“

100 Leonardo da Vinci: Tagebücher und Aufzeichnungen, Leipzig, 1952, S.


709. Vgl. Philosophische Tagebücher, Hamburg 1958, S. 40 f.; ebenda: „La
scienzia è il capitano e la pratica sono i soldati.“ („Die Wissenschaft ist der
Kapitän und die Praxis, das sind die Soldaten.“) – Für die Reihe der irrati-
onalistischen Repräsentanten der deutschen „verspäteten Nation“, die
nach langer Hinderung am gesellschaftlichen Aufstieg sich nicht mehr mit
den Reservaten „machtgeschützter Innerlichkeit“ (Thomas Mann: Adel des
Geistes, Stockholm 1945, S. 463) begnügen, sondern durch tatkräftigen
Schwung und „idealistischen“ Aktivismus ihren politisch-gesellschaftlichen
Führungsanspruch durchsetzen wollten – etwa durch eine „konservative
Revolution“ oder eine „Revolution von rechts“ (Freyer) – und die auftraten
gegen Vermassung, Technik, Zivilisation, Industrialisierung, Verstädte-
rung, „Plutokratie“, „Mammonismus“, Seelenlosigkeit und westliche De-
mokratie, und zwar im Namen der Kultur, der organischen Gemeinschaft,
des Bündischen, Stammlichen, Völkischen oder Rassischen, der persönli-
chen Bindungen, der Gefolgschaftstreue, der Wehrhaftigkeit, des Gemüts
und des Handwerklichen usw., seien hier stellvertretend zitiert A. Baeum-
ler: Männerbund und Wissenschaft, Berlin 1934, S. 91: „Der wahrhaft
Handelnde steht immer im Ungewissen, er ist ‚wissenlos‘, wie Nietzsche
263

sagt. Das macht gerade das Handeln zum Handeln, dass es nicht gedeckt
ist durch einen Wert. Der Handelnde exponiert sich, sein Teil ist niemals
die securitas, sondern certitudo“; und H. Freyer hinsichtlich der politi-
schen Ethik: „Echtes Gebot ist auch hier nur sich richtig zu entscheiden,
nicht aber zu wissen, dass oder warum es richtig sei“; Herrschaft und Pla-
nung, Hamburg 1933, S. 39. (Siehe hierzu auch Stefan Georges Gedicht
„Der Täter“ aus dem „Teppich des Lebens“.) Preisgegeben wird die Traditi-
on des Rationalismus, wie sie ihr zum Beispiel Cicero Ausdruck gibt in „De
officiis“, I, 101: „Omnis autem actio vacare debet temeritate et neglegentia
nec agere quicquam, cuius non possit causam probabilem reddere; haec
est enim fere descriptio officii.“ – Vgl. dazu, dass der von Cicero mit „offi-
cium“ wiedergegebene stoische Ausdruck „kathékon“ ebenfalls die vertret-
bare Rechtfertigung impliziert: Diogenes Laertius, VII, 101.

101 Rechtsphilosophie, § 135. Vgl. Glauben und Wissen, Werke, Bd. I, S.


415 f. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S.
591 f. – Vgl. hierzu Hegels Kritik an Kants Beispiel des Depositums in § 4
der „Kritik der praktischen Vernunft“ in: Über die wissenschaftlichen Be-
handlungsarten des Naturrechts, Werke, Bd. I, S. 466 f. Phänomenologie,
S. 311 f. Die Vernunft in der Geschichte, S. 95: „... ich bin jemandem Geld
schuldig: dem Rechte nach muss ich nach der Natur der Sache handeln
und das Geld zurückerstatten. Hier ist nichts Schweres. Den Boden der
Pflicht bildet das bürgerliche Leben.“

101aKant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein,
taugt aber nicht für die Praxis, in: Kant, Gentz, Rehberg: Über Theorie und
Praxis, Frankfurt a. M. 1967, S. 41, 44. (Zu Kants Verweigerung des
Rechts auf praktischen Widerstand und Revolutionierung und zu seiner
Konzession der „Freiheit der Feder“ siehe S. 68 ff.) – Vgl. zu Kants „Abweg“
von der aristotelischen Theoria durch seine „Rechtfertigung der Theorie für
die Praxis“ und seiner Preisgabe des theoretischen Ethos „als philosophi-
sche Lebenshaltung“ : K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart
1960, S. 250.

102Rechtsphilosophie, § 144. Vgl. auch die Vernunft in der Geschichte,


S.94: „Wenn man handeln will, muss man nicht nur das Gute wollen, son-
dern man muss wissen, ob dieses oder jenes das Gute ist. Welcher Inhalt
aber gut oder nicht gut, recht oder unrecht sei, dies ist für die gewöhnli-
chen Fälle des Privatlebens in den Gesetzen und Sitten eines Staates gege-
ben. Es hat keine große Schwierigkeit, das zu wissen.“ Zu Hegels schroffer
Ablehnung der rein moralischen Disqualifizierung eines Menschen vgl.
Phänomenologie, S. 479: „Die Bezeichnung eines Individuums als eines
Unmoralischen fällt, indem die Moralität überhaupt unvollendet ist, an
264

sich hinweg, hat also nur einen willkürlichen Grund. Der Sinn und Inhalt
des Urteils der Erfahrung ist dadurch allein dieser, dass einigen die
Glückseligkeit an und für sich nicht zukommen sollte, d. h. er ist Neid, der
sich zum Deckmantel die Moralität nimmt. Der Grund aber, warum an-
dern das so genannte Glück zu Teil werden sollte, ist die gute Freund-
schaft, die ihnen und sich selbst diese Gnade, d. h. diesen Zufall gönnt
und wünscht.“ – Für Hegel gibt es also keine selbständige Ethik, getrennt
von Gesellschaftslehre und Politik. – Dass nicht Gesinnung und Tugend,
sondern die Anerkennung des Gesetzes die konstitutionelle Monarchie
charakterisiert, betont Hegel mit Bezug auf Montesquieu in der Rechtsphi-
losophie, § 273. – Da die Moralität – wie es schon Kant bestimmte – im Ge-
gensatz zur Legalität nicht äußerlich erzwingbar ist, ergibt sich für Hegel
die Folgerung: „Die Staatsgesetze können sich also auf die Gesinnung
nicht erstrecken wollen, denn im Moralischen bin ich für mich selbst, und
die Gewalt hat hier keinen Sinn.“ (Rechtsphilosophie, § 94, Zusatz; vgl. §
106, Zusatz)

103Rechtsphilosophie, § 137. Vgl. § 132 und Vorrede, S.36: „Es ist ein gro-
ßer Eigensinn, der Eigensinn, der dem Menschen Ehre macht, nichts in
der Gesinnung anerkennen zu wollen, was nicht durch den Gedanken ge-
rechtfertigt ist...“

104 Rechtsphilosophie, § 131

105Ebenda, § 138. – Vgl. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte,


Werke, Bd. 11, S. 330: „Von den Griechen in der ersten und wahrhaften
Gestalt ihrer Freiheit können wir behaupten, dass sie kein Gewissen hat-
ten: bei ihnen herrschte die Gewohnheit für das Vaterland zu leben, ohne
weitere Reflexion.“ In entscheidenden Lebenslagen befragten sie noch Ora-
kel.

106 Enzyklopädie, § 6. Vgl. den Text des achten Abschnittes

107Rechtsphilosophie, § 132. In diesem Sinne heißt es § 137: „... Der Staat


kann deswegen das Gewissen in seiner eigentümlichen Form, d. i. als sub-
jektives Wissen nicht anerkennen, so wenig als in der Wissenschaft die
subjektive Meinung, die Versicherung und Berufung auf eine subjektive
Meinung, eine Gültigkeit hat.“ Zu beachten ist, dass Hegel im selben Para-
graphen sagt: „Das religiöse Gewissen gehört aber überhaupt nicht in die-
sen Kreis.“ Vgl. dazu aber: Die Philosophie des Geistes, Werke, Bd. X, S.
435: „... es kann nicht zweierlei Gewissen, – ein religiöses und ein dem
Gehalte und Inhalte nach davon verschiedenes sittliches, – geben.“ - Mit
seiner Bestimmung der Handlung der Strafe als Negation der Verletzung
265

(Negation) des Rechts und damit als ausgleichende Wiederherstellung des


Rechts (Rechtsphilosophie, § 100 f.) steht Hegel – wie Kant, nach dessen
Ansicht ein Mörder auf einer Insel auch dann zuvor hinzurichten wäre,
wenn diese alle anderen Menschen verließen – auf dem Boden des Vergel-
tungs- oder Sühnestrafrechts, das sich scharf abgrenzt von der Auffassung
der Strafe als einer kriminalpolitischen Maßregel der Sicherung und Bes-
serung mit dem Zweck der sozialen Anpassung, die Hegel ebenso ablehnt
wie die liberalistische Auffassung, der Staat habe die wesentliche Aufgabe,
die Sicherheit und Entfaltung der Persönlichkeit und die Befriedigung der
Bedürfnisse zu garantieren. (Vgl. auch: A. A. Piontowski: Hegels Lehre ü-
ber Staat und Recht und seine Strafrechtstheorie, Berlin 1960.) Festzuhal-
ten ist aber, dass für Hegel das Verhältnis von Schuld und Strafe nur eine
abstrakte Seite der Totalität des Lebenszusammenhangs ist und schon in
den frühen Manuskripten untergeordnet wird dem Verhältnis von Schuld,
Schicksal und Liebe (wobei Hegel diesen „echt philosophischen Stand-
punkt..., die Gesetzgebung überhaupt und ihre besondern Bestimmungen
nicht isoliert und abstrakt zu betrachten, sondern vielmehr als abhängiges
Moment Einer Totalität...“ bei Montesquieu findet; Rechtsphilosophie, Ein-
leitung, § 3).

108Vgl. Rechtsphilosophie, § 150. Enzyklopädie, § 508. Phänomenologie, S.


331, 429. Die Vernunft in der Geschichte, S. 97. Der Geist des Christen-
tums und sein Schicksal, Nohl, S. 294. Ästhetik, Bd. II, S. 549: „Das ur-
sprünglich Tragische besteht nun darin, dass innerhalb solcher Kollision
beide Seiten des Gegensatzes für sich genommen Berechtigung haben...“ –
Zur Auffassung des Tragischen als totale Zerstörung der „Fugen des Sinn-
zusammenhanges, der Welt“ siehe: E. Staiger: Grundbegriffe der Poetik,
Zürich 1959, S. 185

109 Vgl. H. Glockner: Hegel, Bd. I, Stuttgart 1929, S. XII. – Auch N. Hart-
mann muss die Dialektik ablehnen, indem er die Konzeption der „realen
Möglichkeit“ verwirft, die Möglichkeit nur im Kantischen Sinne als das wi-
derspruchsfrei Denkbare fasst und in der Kontroverse des Aristoteles mit
den Megarikern über diese Frage auf deren Seite steht (vgl. Möglichkeit
und Wirklichkeit, Meisenheim am Glan 1949, S. 181 ff.) und indem er die
Stufenordnung des Seienden statisch versteht, während Hegel dagegen
zwar nicht die natürliche Entwicklung der Stufen, aber doch ihr inneres,
idelles Hervorgehen auseinander anerkannte; vgl. Enzyklopädie, § 194. –
Dass Hegel das Tragische als Moment der dialektischen Entwicklung aner-
kennt, heißt: er steht nicht auf dem aufklärerischen Standpunkt des ge-
radlinigen Fortschritts und der ungebrochenen Vervollkommnung, wie ihn
zum Beispiel – im Gegensatz zu Lessing (Die Erziehung, des Menschenge-
schlechts, § 91, Sämtliche Schriften, Leipzig 1897, Bd. 13, S. 434: „Es ist
266

nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist“) und zu Kant (der
gegen Lessings skeptischen Freund Mendelssohn voraussetzt ein Fort-
schreiten des menschlichen Geschlechts „zum Besseren in Ansehung des
moralischen Zwecks seines Daseins“, das „zwar bisweilen unterbrochen,
aber nie abgebrochen“ sein werde; Über den Gemeinspruch: Das mag in
der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, in: Kant, Gentz,
Rehberg: Über Theorie und Praxis, Frankfurt a. M. 1967, S. 81) – Antoine
de Condorcet (1793), der Gegner Robespierres und Anhänger der Giron-
disten, vertrat; über ihn vergleiche K. Löwith: Weltgeschichte und Heilsge-
schehen, Stuttgart 1953, S. 87 ff. – Mit der Anerkennung der relativen
Tragik entgeht Hegel im übrigen der Gefahr der (seit Theognis immer wie-
der geübten) desperaten Aufbauschung und Fixierung des Zerfalls, der
„Dekadenz“ oder der Herausforderung einer bestimmten Entwicklungsstu-
fe zum totalen Untergang. – Tragik liegt in gewisser Weise in jeder endli-
chen Tätigkeit des Individuums, nämlich insofern, als das Individuum in
seiner Tätigkeit zum Objektiven und zum Totalen im Gegensatz bleibt.

110 Vgl. z. B. Enzyklopädie, § 254-261. Vorlesungen über die Geschichte


der Philosophie, Werke, Bd. 17, S. 329 ff. Phänomenologie, S. 81 f. – Es ist
unbestreitbar: die Zeitbewegung zum Beispiel ist „Identität der Identität
und Nichtidentität“: die auf eine bestimmte Sekunde folgende andere Se-
kunde ist identisch mit der ersten – worin sollte nämlich ihre Differenz be-
stehen? –; und sie ist doch nicht identisch mit der ersten, denn die erste
ist „vergangen“. Vgl. Logik, Bd II, S. 58: „... der Widerspruch... ist die Wur-
zel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern etwas in sich selbst ei-
nen Widerspruch hat, bewegt es sich, hat Trieb und Tätigkeit.“

111Rechtsphilosophie, § 139, 18, Zusatz. Vorlesungen über die Philosophie


der Religion, Werke, Bd. 16, S. 258 ff. Die Vernunft in der Geschichte, S.
48, 107, 116 f., 158 ff., 218 f. Philosophische Propädeutik I, § 78. Phäno-
menologie, S. 537 ff.

112 Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke, Bd. ll, S. 413

113 Phänomenologie, S. 536

114 Ebenda, S. 539: „Die andere Seite, das Böse, nimmt das Vorstellen als
ein dem göttlichen Wesen fremdes Geschehen; es in demselben selbst, als
seinen Zorn zu fassen, ist die höchste, härteste Anstrengung des mit sich
selbst ringenden Vorstellens, die, da sie des Begriffs entbehrt, fruchtlos
bleibt.“
267

115 Rechtsphilosophie, § 29, 258. Enzyklopädie, § 98. Vorlesungen über die


Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 527 f., 552; S. 639: in der
mechanisch-abstrakten Bestimmung der Freiheit des Einzelnen und des
Allgemeinen sieht Hegel eine Linie von Rousseau über Kant zu Fichte und
dessen Naturrechtslehre, die Fichte unter dem Einfluss jakobinischer An-
schauungen zusammenfasst in der „Grundlage des Naturrechts“ (1796) –
in der die Institution des Ephorats eingeführt und das von Hegel abgelehn-
te Recht des Volkes auf Widerstand begründet wird – und in der Utopie
„Der geschlossene Handelsstaat“ (1800). – In diesem Zusammenhang ist
zu berücksichtigen, dass Hegel die bürgerliche Gesellschaft – den „Not-
und Verstandes-Staat“ (Rechtsphilosophie, § 183), der seinen Zweck in der
Sicherheit und dem Schutz „des Eigentums und der persönlichen Freiheit“
hat (Rechtsphilosophie, § 258) – als „System der Atomistik“ charakterisiert
(Enzyklopädie, § 523), d. h. als „Kampfplatz des individuellen Privatinte-
resses Aller gegen Alle“ im Sinne Hobbes’ (Rechtsphilosophie, § 289), über
dem der Staat als die allgemeine wahre Vereinigung der Individuen zu ste-
hen hat (Rechtsphilosophie, § 258). Zu Hegels Ablehnung der Konzeption
des Gesellschaftsvertrags als „Einmischung... der Verhältnisse des Privat-
eigentums... in das Staatsverhältnis“ (Rechtsphilosophie, § 75) vgl. schon
den Naturrechtaaufsatz, Werke, Bd. 1, S. 525

116 In diesem Sinne wurde Hegels Staatslehre vereinseitigt, verzerrt oder


umgefälscht von den faschistischen „Hegelianern“ S. Panunzio und G.
Gentile, während sie dagegen von den nationalistischen Wortführern wie
A. Rosenberg, E. Krieck, F. Böhm, C. Schmitt und A. Baeumler verworfen
wurde, gerade weil sie mit dem Totalitarismus, der Glorifizierung des Völ-
kischen und dem Führerkult unvereinbar ist; vgl. darüber H. Marcuse:
Vernunft und Revolution, Neuwied am Rhein 1962, S. 354-368. Einen
aussichtslosen Versuch, Hegel für den Nationalsozialismus aufzuwerten,
unternehmen die Rechtstheoretiker J. Binder, M. Busse, K. Larenz: Ein-
führung in Hegels Rechtsphilosophie, Berlin 1931. Als Vermittlung zwi-
schen einem antik platonischen und dem modernen Faschismus wird He-
gels Staatslehre diffamiert von R. Popper: The open Society und its Ene-
mies, Bd. 2, London 1945. Vgl. E. Topitsch: Hegel und das Dritte Reich; in:
Der Monat, Juni 1966. – Auch auf eine andere Seite des Problems sei hier
nur hingewiesen: auf die fragwürdige Angleichung der Hegelschen Staats-
theorie an den Bismarckschen Machtstaat sowie an seine theoretischen
Repräsentanten – den späten Ranke und Treitschke –, und zwar durch H.
Heller: Hegel und der rationale Machstaatgedanke in Deutschland, Berlin
1921; F. Meinecke: Die Idee der Staatsraison in der neueren Geschichte,
München 1924; F. Rosenzweig: Hegel und der Staat, 2 Bände, München,
Berlin 1920 (S. XII: „Der harte und beschränkte Hegelsche Staatsgedan-
ke... aus dem am 18. Januar 71 ,wie der Blitz aus dem Gewölke‘ die welt-
268

geschichtliche Tat sprang...“). Als Macchiavellismus und Grundlegung des


Imperialismus betrachtet Hegels Staatslehre – ähnlich wie Dewey und San-
tayana – F. Schnabel: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert,
Bd. 3, Freiburg 1950, S. 12 ff., ohne Beachtung dessen, dass der imperia-
listische Staat – im Gegensatz zu Hegels Auffassung vom Staat – sich typi-
scherweise gerade zum Diener der Gesellschaftsinteressen macht (und
zwar des Kampfes um den „Platz an der Sonne“ bei der Aufteilung der
Weltmärkte), was erst zum Beispiel Josiah Royce in seinem System des
absoluten Idealismus gutheißt.

117aVgl. Kritik der praktischen Vernunft, Erstes Buch, Drittes Hauptstück,


Gesammelte Schriften, Bd. V, Berlin 1908, S. 87. – Die auch als „Mittel“
der Weltgeschichte bezeichneten Individuen sind für Hegel Selbstzweck
„durch das Göttliche“, das in ihnen ist; Die Vernunft in der Geschichte, S.
76, 106

117 Rechtsphilosophie, § 7, Zusatz

118 Nohl, S. 26 f. – Dass Hegel die Praxis von vornherein unter gesellschaft-
lichem Aspekt sieht, heißt also: seine Fragestellung ist von vornherein
nicht rein erkenntnistheoretisch orientiert.

119 Ebenda, S. 223. Vgl. besonders S. 227: „So hatte der Despotismus der
römischen Fürsten den Geist des Menschen von dem Erdboden verjagt,
der Raub der Freiheit hatte ihn gezwungen, sein Ewiges, sein Absolutes in
die Gottheit zu flüchten – das Elend, das er verbreitete, Glückseligkeit im
Himmel zu suchen und zu erwarten. Die Objektivität der Gottheit ist mit
der Verdorbenheit und Sklaverei der Menschen im gleichen Schritte ge-
gangen...“ – Besonders sein Jugendfreund Hölderlin teilt mit Hegel den En-
thusiasmus für die französische Revolution und die Hoffnung auf die Her-
stellung der Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft am Maßstab
hellenischer Freiheit, und zwar nicht nur im „Hyperion“ („Ich kann kein
Volk mir denken, das zerrissner wäre wie die Deutschen“, zitiert von Ruge
im Brief an Marx in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“; Paris
1844, S. 18), sondern darüberhinaus. Erinnert sei in diesem Zusammen-
hang an das Gedicht „An die Deutschen“: „... auch wir sind/ Tatenarm
und gedankenvoll!/ Aber kommt, wie der Strahl aus dem Gewölke
kommt,/ Aus Gedanken vielleicht, geistig und reif die Tat?“ (Sämtliche
Werke, Bd. 2, Stuttgart 1951, S. 9).

120Vgl. z. B. Nohl, S. 211 f.; und S. 374 f., aus einem Entwurf, der schon
aus der Frankfurter Zeit Hegels datiert: „Positiv wird ein Glauben genannt,
in dem das Praktische theoretisch vorhanden ist – das ursprünglich Sub-
269

jektive nur als ein Objektives, eine Religion, die Vorstellungen von etwas
Objektivem, das nicht subjektiv werden kann, als Prinzip des Lebens und
der Handlungen aufstellt... Der positive moralische Begriff ist fähig, den
Charakter der Positivität zu verlieren, wenn die Tätigkeit, die er ausdrückt,
selbst entwickelt wird und Kraft bekommt.“ Somit ist die Positivität zu-
gleich ein Sediment der Zeit, eine Versteinerung der Vergangenheit, die mit
der Hartnäckigkeit des Objektzwangs der lebendigen emanzipierenden
Spontaneität widersteht (und diese womöglich – so lässt sich extrapolieren
– zur Funktion einer Konstellation degradiert). Auch der psychologisch-
pädagogische Aspekt, dass autoritäre Erziehung die praktische Selbsttä-
tigkeit zugunsten eines reaktiven sich einpassenden und „rollenkonfor-
men“ Verhaltens hemmt, ließe sich bruchlos in die Konzeption der Positivi-
tät hineinarbeiten. – In diesem Stadium seiner Entwicklung gesteht Hegel
der Positivität noch nicht relative Notwendigkeit zu wie später der Entäu-
ßerung oder Entfremdung in ihrem voll ausgebildeten Begriff, d. h., um es
paradox zu sagen; Hegel betrachtet noch nicht das Positive an dem Positi-
ven.

121 Nohl, S. 388 f. Über die Versöhnung des Schicksals durch die Liebe vgl.
S. 283: „... Dies Gefühl des Lebens, das sich selbst wiederfindet, ist die
Liebe, und in ihr versöhnt sich das Schicksal...“ S. 293: „Die Liebe ver-
söhnt aber nicht nur den Verbrecher mit dem Schicksal, sie versöhnt auch
den Menschen mit der Tugend, d. h. wenn sie nicht das einzige Prinzip der
Tugend wäre, so wäre jede Tugend zugleich eine Untugend...“ Zuvor wird
das Beispiel der Maria Magdalena angeführt, die kein „Automat ihrer Zeit“
war und „durch Liebe zum schönsten Bewusstsein zurückkehren konnte.“
– Vgl. W. Dilthey: Die Jugendgeschichte Hegels, in: Gesammelte Schriften,
Bd. IV, Leipzig und Berlin 1921, S. 15: „Ähnlich hatte schon Schiller in
seiner Rhapsodie die Liebe zum Mittelpunkt der moralischen Welt ge-
macht, und Hölderlin war ihm hierin gefolgt. Und in der Liebe hatte Les-
sing das Prinzip der Religion Christi erkannt.“ Dazu, dass Hegel in seinem
Entwurf „Das Leben Jesu“ (1795) die Liebe noch dem moralischen Impera-
tiv unterordnet (und nur diesen der äußeren positiven Autorität entgegen
setzt, an der teilweise auch Jesus selbst noch im Unterschied zu Sokrates
gehangen habe), vgl. a. a. 0., S. 21 ff. – Über den Zusammenhang von
Handlung, Schuld und Schicksal siehe auch Phänomenologie, S. 330 ff.

122 Nohl, S. 265 f.

123 Ebenda, S. 387

124Ästhetik, Bd. I, S. 127: „Die Lebendigkeit muss erstens als Totalität ei-
nes leiblichen Organismus real sein, der aber zweitens nicht als ein Be-
270

harrendes erscheint, sondern als in sich fortdauernder Prozess des Ideali-


sierens, in welchem sich eben die lebendige Seele kundtut. Drittens ist die-
se Totalität nicht von außen her bestimmt und veränderlich, sondern aus
sich heraus sich gestaltend und prozessierend und darin stets als subjek-
tive Einheit und als Selbstzweck bezogen.“ Vgl. Enzyklopädie, § 216-222.
Naturphilosophie, Werke, Bd. 9, S. 4.92 ff.

125 Nohl, S. 346. Vgl. S. 383 f.

126 Ebenda, S. 348. Vgl. Logik, Bd. I, S. 59

127 Phänomenologie, S. 153

128„Phänomenologie, S. 157. Vgl. den Aufsatz über G. E. Schulze aus dem


„Kritischen Journal der Philosophie“: Verhältnis des Skeptizismus zur Phi-
losophie, Werke, Bd. 1, S. 215 ff.

129 Phänomenologie, S. 160. – Dass Jean Wahl in seiner Schrift „Le mal-
heur de la conscience dans la Philosophie de Hegel“, Paris 1929, Hegel zu
sehr von Kierkegaards Position her interpretierte, räumt er inzwischen
selbst ein in: Quel avenir attend l’ homme?, Paris 1961, S. 313. In existen-
tialistische Richtung geht generell auch die Interpretation von J. Hyppolite
in: Genese et structure de la phénoménologie de l’ esprit de Hegel, Paris
1956

130 Ästhetik, Bd. I, S. 170; vgl. Bd. II, S. 256. – In der bürgerlichen Gesell-
schaft ist es das allgemeine Prinzip, dass die Individuen ihre Selbständig-
keit durch eigene Arbeit erwerben (Rechtsphilosophie, § 244 f.). Dieses
Prinzip tritt hervor mit der Auflösung des Mittelalters und dem Beginn de
neuen Zeit, in der sich in den Städten Industrie, Gewerbe und Handel be-
leben und Vorrang vor dem Ackerbau gewinnen, und in der Buchdrucker-
kunst und Schießpulver – aber auch, so lässt sich hinzu fügen, die Müh-
lentriebwerke, die Destillationsapparate, das Achterruder, die Uhr und das
Kummet – erfunden werden, Amerika entdeckt wird, das Studium des Al-
tertums aufgenommen wird, der Tag der schönen Künste herein bricht
und die Naturwissenschaften entstehen; vgl. Vorlesungen über die Philo-
sophie der Geschichte, Werke, Bd. 11, S. 487 ff. Ausgesprochen nützlichen
Projekten widmeten sich im übrigen auch die Akademien, darunter die im
17. Jahrhundert gegründeten Royal Society und Académie Royal des
Sciences; die deutschen Akademien machten sich besonders die Untersu-
chung des Bergbaus und der Landwirtschaft zur Aufgabe.

131 Phänomenologie, S. 266


271

132 Ebenda, S. 270

133 Ästhetik, Bd. II, S. 574; Bd. I, S. 194

134 Phänomenologie, S. 298

135 Ebenda, S. 462 f. – Dass hiermit vor allem Novalis gemeint ist, der
Schüler Fichtes in Jena, der in seiner Schrift „Die Christenheit oder Euro-
pa“ (1799) in geradezu unüberbietbarer Weise die Abkehr vom unschönen
als gottlos diskreditierten Leben der Revolutionszeit proklamiert, geht her-
vor aus den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd.
19, S. 644. Aber den Typus der wirklichkeitsfremden romantischen Sub-
jektivität und des verstiegenen Rückzugs aus der gegenwärtigen Welt
(wenn nicht der Natur, so doch der Geschichte) – der als Rückzug aus der
Welt gerade die Bindung an sie ist – repräsentiert für Hegel auch beson-
ders Friedrich Schlegel, dessen „Lucinde“ (1799) von Hegels Antipoden
Schleiermacher in einer anonymen Schrift verteidigt wird und für den sich
später nach seiner Konversion Hegels Philosophie als „Verneinungsphilo-
sophie“ und atheistischer „philosophischer Satanismus“ darstellt (Philoso-
phische Vorlesungen, Bonn 1837, Bd. II, S. 497). – In der Ablehnung der
romantischen welt- und substanzlosen und darum bildungswidrigen In-
nerlichkeit ist mit Hegel Goethe einig; er bezieht sich auf den enzyklopädi-
schen Inhaltsreichtum der Hegelschen Philosophie: „Wo Objekt und Sub-
jekt sich berühren, da ist Leben; wenn Hegel mit seiner Identitätsphiloso-
phie sich mitten zwischen Objekt und Subjekt hineinstellt und diesen
Platz behauptet, so wollen wir ihn loben.“ (Goethes Gespräche, Bd. III,
Leipzig 1909, S. 428. Vgl. K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart
1964, S. 20)

136 Phänomenologie, S. 455

137Enzyklopädie, § 469; vgl. § 481, 485. Philosophische Propädeutik III, §


180. Rechtsphilosophie, § 258, 21, 13

138 Rechtsphilosophie, § 187

139 Enzyklopädie, § 481: „Der wirkliche freie Wille ist die Einheit des theo-
retischen und praktischen Geistes...“ Vgl. § 485. Die Philosophie des Geis-
tes, Werke, Bd. 10, § 481, S. 379; § 443, Zusatz, S. 303 f.

140 Enzyklopädie, § 482

141 Vgl. Enzyklopädie, § 386 483


272

142Ästhetik, Bd. I, S. 106 f. Vorlesungen über die Geschichte der Philoso-


phie, Einleitung, Werke, Bd. 17, S. 52: „. . . frei ist, was nicht auf ein An-
deres sich bezieht, nicht von ihm abhängig ist... Im Willen hat man be-
stimmte Zwecke, bestimmtes Interesse... Nur im Denken ist alle Fremdheit
durchsichtig, verschwanden; der Geist ist hier auf absolute Weise frei.
Damit ist das Interesse der Idee, der Philosophie zugleich ausgesprochen.“
Vgl. Logik, Vorrede, Bd. I, S. 14
142a Rechtsphilosophie, § 22

143 Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 7. Vgl.


Enzyklopädie, § 469: „Der Geist als Wille weiß sich als sich in sich be-
schließend und sich aus sich erfüllend... Als sich selbst den Inhalt gebend,
ist der Wille bei sich, frei überhaupt; dies ist sein bestimmter Begriff...“

144 Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 15; vgl. §


7

145 Ebenda; § 9

146 Logik, Bd. II, S. 477 f.

147 Ebenda, S. 479 f. Enzyklopädie, § 234: „Die Endlichkeit dieser Tätigkeit


ist daher der Widerspruch, dass in den selbst widersprechenden Bestim-
mungen der objektiven Welt der Zweck des Guten ebenso ausgeführt wird
als auch nicht... Dieser Widerspruch stellt sich als der unendliche Progress
der Verwirklichung des Guten vor, das darin nur als ein Sollen fixiert ist...“
Vgl. zur Stufe des subjektiven Geistes: Enzyklopädie, § 470

148 Vgl. Logik, Bd. II, S. 481: „Der praktischen Idee dagegen gilt diese Wirk-
lichkeit, die ihr zugleich als unüberwindliche Schranke gegenübersteht,
als das an und für sich Nichtige, das erst seine wahrhafte Bestimmung
und einzigen Wert durch die Zwecke des Guten erhalten solle. Der Wille
steht daher der Erreichung seines Ziels nur selbst im Wege dadurch, dass
er sich von dem Erkennen trennt und die äußerliche Wirklichkeit für ihn
nicht die Form des wahrhaft Seienden erhält; die Idee des Guten kann da-
her ihre Ergänzung allein in der Idee des Wahren finden.“

149 Vgl. K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart 1960, S. 243 ff.

150 Ästhetik, Bd. I, S. 41. Die hier zum Ausdruck kommende spezifisch te-
leologisch-idealistische Konzeption übergeht Ernst Fischer: Kunst und Ko-
existenz, Hamburg 1966, S. 38 f. – Vgl. Rechtsphilosophie, § 197: durch
273

die Arbeit entwickelt sich „die Bildung des Verstandes überhaupt, damit
auch der Sprache.“ Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie,
Werke, Bd. 17, S. 50: „Alles Erkennen, Lernen, Wissenschaft, selbst Han-
deln beabsichtigt weiter nichts, als das was innerlich, an sich ist, aus sich
heraus zu ziehen, und sich gegenständlich zu werden.“

151Vgl. z.B. Enzyklopädie, § 425. Philosophische Propädeutik II, § 23. Die


Philosophie des Geistes, Werke, Bd. 10, § 443, Zusatz, S. 302

152Vgl. Phänomenologie, S. 558, 19. – Dass für Heidegger gerade in dieser


„Herrschaft des Geistes“, in der das „Sein zur Gegenständlichkeit des Ge-
genstandes“ und das „Wesen zur Wesentlichkeit für den Geist oder den
Willen“ wird, der „Verfall“ des Denkens liegt, dazu siehe: M. Müller, Exis-
tenzphilosophie im geistigen Leben der Gegenwart, 2. Aufl., Heildelberg
1958, S. 92 f.

153 Phänomenologie, S. 32

154 Ebenda, S. 290, 284. – Bedeutende Fördernis durch ein einziges geist-
reiches Wort, Cotta-Ausgabe, Bd. 40, 1840, S. 444 f.

Vgl. Nikomachische Ethik, III, 7. Durch das Handeln wird also aus der
154a

unbestimmten Fähigkeit eine bestimmte konstitutionelle Fähigkeit, und


zwar im Guten oder im Schlechten.

155Phänomenologie, S. 559, 20. Logik, Bd. I, S. 56. – Dazu, dass das „Vor-
wärtsgehen ein Rückgang in den Grund“ ist, vgl. auch: Logik, Bd. I, S. 55

156 Vgl. dazu E. Bloch: Subjekt-Objekt, Berlin 1951, S. 467 ff.

157 Vgl. Aristoteles, Physik, II, 8. – Nicolai Cusae Cardinalis Opera, Parisiis
1514, I. Unveränderter Nachdruck, Frankfurt a. M. 1962. Idiotae de mente
liber tertius, cap. II. Dazu die Übersetzung: Der Laie über den Geist, Ham-
burg 1949, S. 13: „Der Laie nahm einen Löffel in die in Hand und sagte:
Der Löffel hat außer der Idee in unserem Geiste kein weiteres Urbild. Und
wenn auch der Bildhauer oder der Maler seine Vorbilder den Dingen ent-
nimmt, die er nachzugestalten sich müht, so tue ich das doch nicht, ich,
der ich aus Holzstücken Löffel, sowie Schalen und Töpfe aus Ton hervor-
bringe. Dabei ahme ich nämlich nicht die Gestalt irgendeines Naturdinges
nach...“ Siehe auch: De Beryllo, a. a. 0., cap. VI. – Vgl. dazu: H. Blumen-
berg: Nachahmung der Natur, Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferi-
schen Menschen, in: Studium Generale 1957, Heft 2. Was die politisch-
kirchliche Praxis des lebenslang tätigen Cusanus betrifft, so habe er sie
274

immer weniger aus der umfassenden Theorie begründet, behauptet K.


Jaspers: Nikolaus Cusanus, München 1968, S. 199 f., 227 f. Siehe dazu
auch Gerhard Kallen: Die politische Theorie im philosophischen System
des Nikolaus von Kues, Historische Zeitschrift, München 1942, Bd. 165, S.
246 ff. – Man wird sagen können, dass Hegel letztlich die Vernunft wie ein
Naturgesetz ansieht und die Geschichte noch in Analogie setzt mit der Na-
tur – was Äußerungen zeigen wie diese: „... und wie der Keim die ganze Na-
tur des Baumes... in sich trägt, so enthalten auch schon die ersten Spuren
des Geistes virtualiter die ganze Geschichte“ (Vorlesungen über die Philo-
sophie der Geschichte, Einleitung, Werke, Bd. 11, S. 45) –, wenn Hegel
auch immer wieder hervorhebt, dass nur der Mensch in seiner Verwirkli-
chung das Subjekt ist, das seine Entwicklung begreift.

158 Phänomenologie, S. 287. – Zur Problematik des Anfangs der künstle-


risch darzustellenden Handlung vgl.: Ästhetik, Bd. I, S. 215 f.

159 Phänomenologie, S. 288

160 Logik, Bd. I, S. 52

161 Ästhetik, Bd. I, S. 67. Vgl. Naturphilosophie, Einleitung, Werke, Bd. 9,


S. 36 f.

162 Vgl. Logik, Bd. II, S. 390. Enzyklopädie, § 212

163 Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S. 419 f. Vgl. auch Schiller: Über
die ästhetische Erziehung des Menschen, 13. Brief

164 Vgl. Enzyklopädie, § 55-60, 204. Logik, Bd. II, S. 387 ff. Phänomenolo-
gie, S. 22. Ästhetik, Bd. I, S. 65 ff. Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S.
315 ff.; ebenda, S. 419, zu Fichtes Teleologie: sie ist der Form nach der
älteren Teleologie der Endlichkeit verhaftet, insofern sie den Gegensatz von
Zweckbestimmtheit und Naturkausalität nicht wahrhaft überwindet, son-
dern die Subjekt-Objekt-Einheit nur als die schlechte Unendlichkeit des
Sollens bestehen lässt. (Vgl. zur endlichen Teleologie auch: Vorlesungen
über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 638.) – Mit großer
Berechtigung kann Hegel hinsichtlich seiner Konzeption der inneren
Zweckmäßigkeit bis zu Aristoteles zurück gehen: der unbewegte Beweger,
der „in der Weise eines Geliebten“ alles in Bewegung hält, und die inneren
Formen der Natur sind das „zweckmäßige Tun“. „... der Zweck ist das Un-
mittelbare, Ruhende, das Unbewegte, welches selbst bewegend ist; so ist
es Subjekt“ (Phänomenologie, Vorrede, S. 22). Vgl. Aristoteles: Metaphysik,
XI, 7
275

165 Kritik der Urteilskraft, § 76. Zu Hegels Beurteilung vgl.: Differenz des
Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, Werke, Bd. 1, S.
132: „... Die Betrachtungsart bleibt also ein durchaus Subjektives und die
Natur ein rein Objektives, ein bloß Gedachtes. Die Synthese der durch den
Verstand bestimmten und zugleich unbestimmten Natur in einem sinnli-
chen Verstand soll zwar eine bloße Idee bleiben...“ – Dass für Hegel auch
in Kants transzendentalem Prinzip der Deduktion der Kategorien der Geist
der Spekulation zum Ausdruck kommt, dazu vgl.: ebenda, S. 33 f.

166 Schelling: System des transzendentalen Idealismus, Hamburg 1957, S.


36

167 Ebenda, S. 297

168 Ebenda, S. 36

169 Phänomenologie, S. 16. Naturphilosophie, Einleitung, Werke, Bd. 9, S.


41 f. – Vgl. Schelling: Vorlesungen über die Methode des akademischen
Studiums (1802), 6. Vorlesung, Schellings Werke, Bd. 3, München 1927,
S. 288 f. – An Schelling nähert die Hegelsche Dialektik N. Hartmann an,
für den sich aus ihr „nicht eine allgemein zugängliche Methode der philo-
sophischen Forschung machen lässt.“ (Die Philosophie des deutschen Ide-
alismus, Berlin 1960, S. 380)

170 Phänomenologie, S. 25

171 Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie,


Werke, Bd. 1, S. 35, 76. Zu Fichtes Versuch der Ableitung der Kategorien
vgl.: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S.
615 ff.

Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie,


172

Werke, Bd. 1, S. 93 f.

173Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S. 419. Vgl. Vorlesungen über die
Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 637 f.

174 Ebenda, S. 624 ff.

175 Ebenda, S. 634

Ästhetik, Bd. I, S. 69. Vgl. Enzyklopädie, § 55. Die Einseitigkeit der


176

Wendung ausschließlich nach innen oder nach außen wird im ästheti-


276

schen Humanismus allgemein anerkannt und z. B. in den Gestalten von


Tasso und Antonio in Goethes Drama besonders manifest.

177 Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Schillers Wer-
ke, Bd. 20, Weimar 1962, 14. und 15. Brief, S. 352-360. (Vgl. Ästhetik, Bd.
1, S. 70)

178Ebenda, 6. Brief, S. 323. Vgl. S. 322: „... wir sehen nicht bloß einzelne
Subjekte, sondern ganze Klassen von Menschen nur einen Teil ihrer Anla-
gen entfalten, während dass die übrigen, wie bei verkrüppelten Gewäch-
sen, kaum mit matter Spur angedeutet sind.“

179 Ebenda, 6. Brief, S. 332 ff.

180 Vgl. Logik, Bd. II, S. 483 f., Enzyklopädie, § 235 f.

181 Siehe Hegels Polemik gegen Schelling in der Vorrede der Phänomenolo-
gie, S. 19: das Absolute „für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sa-
gen pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkennt-
nis.“ Vgl. zu Schellings „Entfernung aller Gegensätze“ aus dem Absoluten:
Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (1802), 6. Vor-
lesung, Schellings Werke, Bd. 3, München 1927, S. 297; und: Bruno
(1802), ebenda, S. 132 ff. – Zur Vorgeschichte des Koinzidenzprinzips siehe
E. Hoffmann: Nikolaus von Cues, Über den Beryll, Einführung, Leipzig
1938

182 Enzyklopädie, § 215. Vgl. dazu die Stufe des subjektiven Geistes:,...Ich
ist es selbst und greift über das Objekt als ein a n s i c h aufgehobe-
nes über, ist E i n e Seite des Verhältnisses und das g a n z e Ver-
hältnis...“ (Ebenda, § 413)

183Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Einleitung, Werke,


Bd. 17, S. 83

184 Phänomenologie, Vorrede, S. 49 ff. Vgl. Enzyklopädie, § 215

185Phänomenologie, Vorrede, S. 50. – Da das Wesentliche im Prädikat er-


halten ist, kann in der Logik auf die Form des Urteils verzichtet werden;
wir finden dort dementsprechend Kategorien; vgl. Enzyklopädie, § 85, 31,
169

186 Phänomenologie, S. 69
277

187 Ebenda, S. 32

188 Ebenda, S. 71 f.

189Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 35. Vgl. zur Verbindung von Kreuz und


Rose bei Hegel und Goethe sowie bei Luther und den Rosenkreuzern: K.
Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 28 ff. – Zu Hegels
Bestreitung der „Wirklichkeit der praktischen Philosophie“ siehe auch: K.
H. Scheidler: Hegelsche Philosophie und Schule, in: Staatslexikon oder
Enzyklopädie der Staatswissenschaften, hrsg. v. Carl v. Rotteck und Carl
Welcker, Bd. 7, Altona 1839, S. 634

190 Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 36 f. – Zur Entstehung der Philosophie


aus dem Bedürfnis, eine wirkliche Entzweiung und Krise zu überwinden,
vgl.: Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philoso-
phie, Werke, Bd. 1, S. 46: „Wenn die Macht der Vereinigung aus dem Le-
ben der Menschen verschwindet und die Gegensätze ihre lebendige Bezie-
hung und Wechselwirkung verloren haben und Selbständigkeit gewinnen,
entsteht das Bedürfnis der Philosophie.“ Vorlesungen über die Geschichte
der Philosophie, Werke, Bd. 17, S. 32 f.: „Die Philosophie fängt an mit dem
Untergange einer reellen Welt; wenn sie auftritt mit ihren Abstraktionen,
Grau in Grau malend, so ist die Frische der Jugend, der Lebendigkeit
schon fort; und es ist ihre Versöhnung eine Versöhnung nicht in der Wirk-
lichkeit, sondern in der ideellen Welt.“ Vgl. Vorlesungen über die Philoso-
phie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 355

191 Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 33

192 Vgl. E. Weil: Hegel et l’ Etat, Paris 1950, S. 17 ff.

R. Haym: Hegel und seine Zeit, Berlin 1857, S. 366. Vgl. dazu: J. Ritter:
193

Hegel und die französische Revolution, Frankfurt 1965, S. 7 ff.

194 Enzyklopädie, § 6. Rechtsphilosophie, § 270, Zusatz: „... was wirklich


ist, ist in sich notwendig.“ Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 34: „Die unend-
lich mannigfaltigen Verhältnisse aber, die sich in dieser Äußerlichkeit,
durch das Scheinen des Wesens in sie, bilden, dieses unendliche Material
und seine Regulierung, ist nicht Gegenstand der Philosophie.“

195 Rechtsphilosophie, § 258

196 Rechtsphilosophie, § 209


278

197 Briefe, Bd. I, 3. 24

198Aus den vertraulichen Briefen über das vormalige staatsrechtliche Ver-


hältnis des Wadtlandes (Pays de Vaud) zur Stadt Bern. Politische Schrif-
ten, S. 8

199 Vgl. J. Habermas: Nachwort, Politische Schriften, S. 353 ff. – Siehe aber
dazu Hegels Brief vom 9. II. 1797 an Nanette Endel: „... und da ich finde,
dass es eine völlig undankbare Arbeit sein würde, den Menschen hier ein
Beispiel der Art zu geben, und dass der heilige Antonius von Padua sicher-
lich mehr ausgerichtet hat, da er den Fischen predigte, als ich hier durch
ein solches Leben je ausrichten würde, so habe ich mich nach reiflicher
Überlegung entschlossen, an diesen Menschen nicht bessern zu wollen, im
Gegenteil mit den Wölfen zu heulen...“ (Briefe, Bd. I, S. 49)

200 Politische Schriften, S. 12

201 Vgl. dazu G. Lukács: Der junge Hegel, Berlin 1954, S. 169 f.

202 Politische Schriften, S. 17. Die Kritik und die Belehrung knüpfen also –
unter Ausschaltung subjektiver Willkür – an die besonderen Gegensätze
an, die sich allmählich innerhalb des Bestehenden selbst entwickeln und
die die Allgemeinheit des Bestehenden zur Besonderheit herab setzen (vor
allem das Staatsrecht zum Privatrecht). Dies wird mit Recht betont von H.
Popitz (Der entfremdete Mensch, Basel 1953, S. 37 ff.), der aber inhaltlich
nicht differenziert, indem er behauptet – entsprechend seiner allgemeinen
Tendenz, Marx auf Hegel zurück zu führen –, dass Marx „dieselben Fragen
wieder aufnimmt und in ähnlicher Weise beantwortet“ (S. 37).

203 Politische Schriften, S. 193. Vgl. auch Hegels Einschätzung Macchiavel-


lis in Hinblick auf den geschichtlichen Zustand Italiens, nämlich die staat-
liche Zersplitterung und die Aufgabe der Herstellung der italienischen
Einheit: „Schon der Zweck, den Macchiavell voransetzt, Italien zu einem
Staat zu erheben, wird von der Blindheit verkannt, die nichts als eine
Gründung von Tyrannei, einen goldnen Spiegel für einen ehrgeizigen Un-
terdrücker in Macchiavells Werk erkennt... Hier kann aber von keiner
Wahl der Mittel die Rede sein, brandige Glieder können nicht mit Laven-
delwasser geheilt werden.“ (Ebenda, S. 114)

204 Ebenda, S. 25

205Briefe, Bd. I, S. 120 und S. 185. (Briefe an Niethammer vom 13. X.


1806 und 29. VIII. 1807)
279

206 Phänomenologie, S. 15

207 Dokumente, S. 352

208 Phänomenologie, S. 422

209 Vgl. Vorrede, Werke, Bd. 17, S. 20 f.: „...die Not der Zeit und das Inte-
resse der großen Weltbegenbenheiten... hat auch unter uns eine gründli-
che und ernste Beschäftigung mit der Philosophie zurückbedrängt... Las-
sen Sie uns gemeinschaftlich die Morgenröte einer schöneren Zeit begrü-
ßen, worin der bisher nach außen gerissene Geist in sich zurückkehren
und zu sich selbst zu kommen vermag...“ Rede zum Antritt des philosophi-
schen Lehramtes an der Universität Berlin, 22. Oktober 1818; Berliner
Schriften, herausgegeben von J. Hoffmeister, Hamburg 1956, S. 4: „Nun,
nachdem dieser Strom der Wirklichkeit gebrochen und die deutsche Nati-
on überhaupt ihre Nationalität, den Grund alles lebendigen Lebens, geret-
tet hat, so ist dann die Zeit eingetreten, dass in dem Staate neben dem Re-
giment der wirklichen Welt auch das freie Reich des Gedankens selbstän-
dig emporblühe.“ (Im Original teilweise gesperrt.) – Vorrede zur zweiten
Auflage der Logik (1831), Bd. I, S. 22: „So aber musste der Verfasser... sich
mit dem begnügen, was es hat werden mögen... sogar unter dem Zweifel,
ob der laute Lärm des Tages und die betäubende Geschwätzigkeit der Ein-
bildung, die auf denselben sich zu beschränken eitel ist, noch Raum für
die Teilnahme an der leidenschaftslosen Stille der nur denkenden Er-
kenntnis offen lasse.“ – Vgl. auch Hegels Brief an Göschel vom 13. XII.
1830 (Briefe, Bd. III, S. 323 f.) und den Brief-Entwurf an Rakow vom 30.
III. 1831 (Briefe, Bd. III, S. 337) sowie die Charakterisierung des Jünglings
und des Mannesalters in der Enzyklopädie, § 396 (mit Zusatz), und den
Schluss der Vorlesungen über die Philosophie der Religion: „Aber diese
Versöhnung ist selbst nur eine partielle ohne äußere Allgemeinheit, die
Philosophie ist in dieser Beziehung ein abgesondertes Heiligtum und ihre
Diener bilden einen isolierten Priesterstand, der mit der Welt nicht zu-
sammengehen darf und das Besitztum der Wahrheit zu hüten hat. Wie
sich die zeitliche, empirische Gegenwart aus ihrem Zwiespalt herausfinde,
wie sie sich gestalte, ist ihr zu überlassen und ist nicht die unmittelbar
praktische Sache und Angelegenheit der Philosophie.“ (Werke, Bd. 16, S.
356). – Vom Standpunkt der konstitutionellen Monarchie wirft Hegel in der
Schrift „Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des König-
reichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816“ (1817) den Landständen
vor, die Jahre seit der französischen Revolution „verschlafen“ zu haben
und nichts gelernt zu haben aus der Erfahrung, „dass das Extrem des stei-
fen Beharrens auf dem positiven Staatsrechte eines verschwundenen Zu-
280

standes, und das entgegengesetzte Extrem einer abstrakten Theorie und


eines seichten Geschwätzes, gleichmäßig die Verschanzungen der Eigen-
sucht und die Quellen des Unglücks in jenem Lande und außer demselben
gewesen sind.“ (Politische Schriften, S. 184 f.) – In Hegels letzter Schrift
„Über die englische Reformbill“ (1831) werden die Reformen zwar als be-
rechtigt allgemein anerkannt, obgleich ihr Prinzip „in seiner Konsequenz
durchgeführt... mehr eine Revolution als eine bloße Reform“ sein würde
(Politische Schriften, S. 302); zugleich aber werden sie angesehen als Aus-
druck der Zurückgebliebenheit der englischen Verhältnisse im Vergleich
zu den wirklichen Zuständen der kontinentalen Staaten, besonders Preu-
ßens (ebenda, S. 283).

210Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke, Bd. 11, S.


556

211 Ebenda, S. 554 f.

212 Ebenda, S. 562 f.: „Es ist so wieder ein Bruch geschehen, und die Re-
gierung ist gestürzt worden... Der Wille der vielen stürzt das Minesterium
und die bisherige Opposition tritt nunmehr ein; aber diese, insofern sie
jetzt Regierung ist, hat wieder die vielen gegen sich. So geht die Bewegung
und Unruhe fort. Diese Kollision, dieser Knoten, dieses Problem ist es, an
dem die Geschichte steht, und den sie in künftigen Zeiten zu lösen hat.“ –
Zu Hegels Kontroverse mit seinem liberalen Schüler Eduard Gans, dem
Lehrer Marxens und Gegner Hugos und Savignys (vgl. Gans: Das Erbrecht
in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. I, Berlin 1824, S. XII f.), der sich
dem Saint-Simonismus näherte (vgl. Gans: Rückblicke auf Personen und
Zustände, Berlin 1836, S. 99 ff.), siehe F. Rosenzweig: Hegel und der
Staat, München/Berlin 1920, Bd. 11, S. 218 ff.

213Heines Schriften werden zitiert nach folgender Ausgabe: Heinrich Hei-


ne: Werke und Briefe in zehn Bänden. Herausgegeben von H. Kaufmann,
Berlin 1961-1964. (Später abgekürzt als: Werke) Zur Geschichte der Reli-
gion und Philosophie in Deutschland, Werke, Bd. 5, S. 303

214Vgl. die Rezension: „Die deutsche Literatur“. Von Wolfgang Menzel,


Werke, Bd. 4, S: 236 ff.

215 Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,


Bd. 5, S. 200-202. – Offensichtlich gründet Heines Entwurf des Spiritua-
lismus in Hegels Unterscheidung zwischen der sinnlichen „Naturreligion“
sowie der „Religion der Schönheit“ einerseits und der unsinnlichen jü-
disch-christlichen Religion andererseits.
281

216 Ebenda, S. 193. Vgl. Die romantische Schule, Werke, Bd. 5, S. 16 ff.;
Ludwig Börne, Werke, Bd. 6, S. 119 f.; Reisebilder, Die Stadt Lucca, Wer-
ke, Bd. 3, S. 376; Elementargeister, Werke, Bd. 5, S. 346, 353 f. Die Götter
im Exil, Werke, Bd. 7, S. 57 ff. Siehe dazu auch: P. Meinhold, Heinrich
Heine als Kritiker seiner Zeit, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesge-
schichte, VIII. Jahrg., 1956, S. 324 ff.; E. Benz: Hegels Religionsphiloso-
phie und die Linkshegelianer, ebenda, VII. Jahrg., 1955, S. 247 ff.

217 Vgl. Ludwig Börne (1839), Werke, Bd. 6, S.94 ff.

218Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,


Bd. 5, S. 230 f. – Dass Heines Sensualismus einen religiösen Kern behält,
der ihm später seine „Bekehrung“ erleichtert, darüber vgl. G. Lukács:
Heinrich Heine als nationaler Dichter, in: Deutsche Realisten des 19.
Jahrhunderts, Berlin 1952, S. 116 ff.

219 Ebenda, S. 231

220 Ebenda, S. 215

221 Vgl. hiermit auch Heines Bestimmung der Aufgabe des Dichters, näm-
lich in die Zukunft hinaus zu blicken, in der Vorrede zu: William Ratcliff
(1851), Werke, Bd. 2, S. 556

222Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,


Bd. 5, S. 307. – Dieser berühmte Schlussabschnitt wurde von der Zensur
im Erstdruck gestrichen; vgl. Ludwig Marcuse: Heinrich Heine, Hamburg
1951, S. 9

223 Ebenda, S. 305. – Insofern die Philosophie nicht im Bereich der Kon-
templation verharrt, sondern ins praktische Leben übergeht, muss sie ihre
„Unschuld“ verlieren und ihre Verantwortlichkeit gesteigert finden. Aber
die Problematik dieser Konsequenz expliziert Heine nicht.

224Werke, Bd. 1, S. 57. – Von dieser Auffassung Heines führt eine Linie zu
den Folgerungen, die Marx aus dem Zwiespalt von Theorie und Praxis in
Deutschland in der Einleitung „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphiloso-
phie“ (1843) zieht: „Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionie-
ren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deut-
schen ist die Emanzipation des Menschen.“ (Karl Marx/Friedrich Engels,
Werke, Bd. 1, Berlin 1961, S. 391)
282

225 Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,


Bd. 5, S. 234. Vgl. Heines Brief vom 10. VII. 1833 an Laube, Werke, Bd. 8,
S. 418 f.: „Sie stehen höher als alle die anderen, die nur das Äußerliche
der Revolution und nicht die tieferen Fragen derselben verstehen. Diese
Fragen betreffen weder Formen noch Personen, weder die Einführung ei-
ner Republik noch die Beschränkung einer Monarchie, sondern sie betref-
fen das materielle Wohlsein des Volkes. Die bisherige spiritualistische Re-
ligion war heilsam und notwendig, solange der größte Teil der Menschen
im Elend lebten und sich mit der himmlischen Seligkeit vertrösten muss-
ten. Seit aber, durch die Fortschritte der Industrie und der Ökonomie, es
möglich geworden, die Menschen aus ihrem materiellen Elende herauszu-
ziehen und auf Erden zu beseligen, seitdem – Sie verstehen mich. Und die
heute werden uns schon verstehen, wenn wir ihnen sagen, dass sie in der
Folge alle Tage Rindfleisch statt Kartoffeln essen sollen und weniger arbei-
ten und mehr tanzen werden. – Verlassen Sie sich darauf, die Menschen
sind keine Esel.“ – Vgl. auch das Gedicht „Die Wanderratten“, Werke, Bd.
2, S. 392, und die Kritik an den utopischen Kommunisten P. Leroux in der
„Lutetia“, Werke, Bd. 6, S. 530 f. sowie an Börnes „Durst nach Märtyrer-
tum“, Werke, Bd. 6, S. 95. Allerdings ist auch das Interesse Ludwig Bör-
nes, der den jungen Engels stark beeinflusst und dessen jakobinischen
Radikalismus und „Nazarenertum“ – zum Beispiel die Antipathie gegen
Goethe – Heine als zu beschränkt verurteilt, im großen Maße gerade auf
die sozialen Verhältnisse gerichtet, wie seine „Briefe aus Paris“ zeigen (vgl.
z. B. den 14. Brief vom 17. November 1830 und den 60. Brief über den Ly-
oner Seidenweberaufstand). – Börnes Bestreben, Theorie und Praxis zu
verbinden, bekundet sich programmatisch in der „Ankündigung der
,Waage‘“ (1818): „Die Zeitschriften sind es, welche diese Münzen bilden;
von der Ausbeute der Erkenntnis geprägt, unterhalten sie den Wechselver-
kehr zwischen Lehre und Ausübung. Nur sie führen die Wissenschaft ins
Leben ein und das Leben zur Wissenschaft zurück.... ,Die Waage‘ ... wird
besprechen: das bürgerliche Leben, die Wissenschaft und die Kunst, vor-
züglich aber die heilige Einheit jener drei.“ Und in der „Ankündigung der
,Zeitschwingen‘“(1819) sagt Börne: „Das deutsche Volk hat noch zuwenig
politische Aufklärung. Es kennt den Zusammenhang nicht zwischen einer
repräsentativem Verfassung und seinem Magen... Und da auch ich... noch
in der Zwitterzeit erzogen bin, wo die Wissenschaft sich vom Leben schied
und man eine doppelte Sprache für beide Welten erlernte und gebrauchte;
da man in Büchern anders redete als mit dem Munde, so werde ich mich
jener soviel als ausführbar enthalten.“ (Börnes Werke in zwei Bänden. Ber-
lin und Weimar 1964. Erster Band, S. 78-80; S. 96)
283

226 F. Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deut-
schen Philosophie (1888). Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 21, Ber-
lin 1962, S. 265

227Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,


Bd. 5, S. 307

228 Ebenda, S. 256

229Ebenda, S. 260 f., 276, 302. Vgl. die Einleitung zu „Kahldorf über den
Adel“, Werke, Bd. 4, S. 276, wo Hegel selbst in Parallele gesetzt wird mit
Louis Philippe, insofern mit Recht, als auch dieser die Gegensätze noch
zusammenhält und „die Flamme dämpft“. – Über die Julirevolution und
das „juste Milieu“ ist Heine bald ernüchtert: „Nicht für sich... hat das Volk
geblutet und gelitten, sondern für andere. Im Juli 1830 erfocht es den Sieg
für jene Bourgoisie, die ebensowenig taugt wie jene Noblesse, an deren
Stelle sie trat, mit demselben Egoismus...“ Werke, Bd. 6, S. 140

230Vgl. Deutsche Ideologie, Karl Marx und Friedrich Engels, Werke, Bd. 4,
Berlin 1962, S. 176 ff. – Dass Hegel die deutsche philosophische Theorie
über die französische politische Praxis stellt, hindert ihn nicht, bei einem
Vergleich der Auffassung des Freiheitsprinzips in Frankreich und Deutsch-
land mit Heineschem Witz zu sagen: „Wir haben allerhand Rumor im Kopfe
und auf dem Kopfe; dabei lässt der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze
ganz ruhig sitzen, und operiert innerhalb seiner.“ (Vorlesungen über die
Geschichte der Philosophie, Bd. 19, S. 553)

231Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,


Bd. 5, S. 300

232Werke, Bd. 4, S. 374 f. – Vgl. dazu Heines Umwertung der Hegelschen


Charakterisierung des Jünglings und Mannesalters in: Reisebilder, Die
Stadt Lucca, Werke, Bd. 3, S. 410

233 Werke, Bd. 5, S. 94 f.

234Werke, Bd. 7, S. 125 f.; ebenda, S. 306 f. Offensichtlich unter Marx’


Einfluss steht Heine, wenn er in den „Briefen über Deutschland“ den Zu-
sammenhang zwischen politisch-sozialer Praxis und idealistischer Philoso-
phie nunmehr bestimmter beschreibt als das Bündnis von proletarischer
Bewegung und philosophisch-sozialer Theorie: „Es ist eine ebenso natürli-
che Erscheinung, dass die Proletarier in ihrem Ankampf gegen das Beste-
hende die fortgeschrittensten Geister, die Philosophen der großen Schule,
284

als Führer besitzen; diese gehen über von der Doktrin zur Tat, dem letzten
Zweck alles Denkens, und formulieren das Programm“ (S. 307). Vgl. dazu
auch W. Harich: Heinrich Heine und die deutsche Philosophie, in: Sinn
und Form, 8. Jahrg., 1956, 1. Heft, S. 46

235 Werke, Bd. 7, S. 106. – Vgl. das erstmals 1844 im „Vorwärts“ in Paris
veröffentlichte Gedicht „Doktrin“ aus der Sammlung „Neue Gedichte“
(Werke, Bd. I, S. 319): „Trommle die Leute aus dem Schlaf,/ Trommle Re-
veille mit Jugendkraft,/ Marschiere trommelnd immer voran,/ Das ist die
ganze Wissenschaft./ Das ist dien Hegelsche Philosophie...“ – Die Annah-
me einer esoterischen Lehre Hegels findet sich.wieder in Bruno Bauers
„Posaune des jüngsten Gerichts“.
236 Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,
Bd. 5, S. 233. – Heines und Marx’ unterschiedliche Stellung zur Dialektik
Hegels übergeht W. Wieland, wenn er sagt: „Nicht übersehen sollte man
bei alledem jedoch, dass Heine hier eine Konsequenz aus der idealisti-
schen Philosophie zieht, wie sie später ganz ähnlich – nur viel radikaler,
aber auch wirkungsvoller – von Karl Marx gezogen wurde.“ (W. Wieland:
Heinrich Heine und die Philosophie. In: Deutsche Vierteljahresschrift für
Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 37. Band, 1963, S. 241.) –
Offensichtlich schließt Heines Konzeption, die letztlich letztlich den Ein-
fluss und die Wirksamkeit der Philosophie in der gesellschaftlich-
geschichtlichen Entwicklung überschätzt, einen vermittelnden Popularisie-
rungsprozess der Philosophie ein, zu dem seine eigenen Schriften beitra-
gen sollen und der tatsächlich auf dem Wege über Broschüren, Zeitschrif-
ten und Zeitungen mit der Tätigkeit der Junghegelianer, die alle keine Pro-
fessoren sind, im großen Stil einsetzt. – Zu Heines „Über-den-Parteien-
Stehen“ und Einsamkeit vgl. G. Lukács: Heinrich Heine als nationaler
Dichter, a. a. 0., S. 96 f.; H. Lichtenberger: Heinrich Heine als Denker,
Dresden 1921, S. 294: „... er stritt für die Freiheit, aber nur als Freischär-
ler...“

237Geständnisse, Werke, Bd. 7, S. 127 ff., wo Heine seine frühere Darstel-


lung der Philosophie lieber ungedruckt wissen würde und – nach Bekun-
dung seines Schauders vor dem philosophierenden Handwerkerkommu-
nisten Weitling – die Geschichte vom Sturz des vermessenen Königs Nebu-
kadnezar im Buch Daniel des Alten Testaments „dem guten Ruge“ und
dem „noch viel verstocktern Freunde Marx, ja auch den Herren Feuerbach,
Daumer, Bruno Bauer, Hengstenberg, und wie sie sonst heißen mögen,
diese gottlosen Selbstgötter, zur erbaulichen Beherzigung“ empfiehlt. Siehe
auch Vorwort zur französischen Ausgabe der „Lutetia“, Werke, Bd. 6, S.
285

238 f. Ebenda, S. 432, 530. Vorrede der zweiten Auflage „Zur Geschichte
der Religion und Philosophie in Deutschland“, Werke, Bd. 5, S. 168 ff.
Brief an Laube vom 25. I. 1850, Werke, Bd. 9, S. 337 f.

238 Cieszkowski: Prolegomena. zur Historiosophie, Berlin 1838, S. 101;


vgl. S. 124, 129 f. (später abgekürzt als: Prolegomena).

239Brief an C. L. Michelet vom 10. X. 1836. Abgedruckt bei: W. Kühne:


Graf August Cieszkowski, Leipzig 1938, S. 361

240Prolegomena, S. 8 f.: „Er hat nämlich in seinem Werke mit keiner Silbe
der Zukunft erwähnt... Wir unsererseits müssen jedoch von vornherein
behaupten, dass ohne die Erkennbarkeit der Zukunft als einen integrieren-
den Teil der Geschichte, welche die Realisation der Bestimmung der
Menschheit darstellt, unmöglich zum Erkennen der organischen und ideel-
len Totalität, so wie des apodiktischen Prozesses der Weltgeschichte zu ge-
langen ist.“

241 Vgl. ebenda, S. 12 f., 21

242 Vgl. G. Lukács: Moses Heß und die Probleme der idealistischen Dialek-
tik, Leipzig 1926, S. 6 ff.

243 J. G. Fichtes Sämtliche Werke, Bd. 7, Berlin 1846, S. 7 ff.

244 Prolegomena, S. 146 ff.

245 Ch. Fourier : Oeuvres complètes, Bd. II, Paris 1843, S. 197

246 Vgl. H. Stuke: Philosophie der Tat, Stuttgart 1963, S. 90 f.

247C.-H. de Saint-Simon : Oeuvres choisies, Brüssel 1859, Bd. II, S. 13. –


Auf Saint-Simon verweist Cieszkowskis Forderung der „Rehabilitation der
Materie“; Prolegomena, S. 127.

248 Prolegomena, S. 58, 146, 149

249 Ebenda, S. 100

250 Ebenda, S. 34 ff.

251 Ebenda, S. 51
286

252 Ebenda, S. 22

253 Ebenda, S. 24, 130 f. – Cieszkowskis konstruierendes Vorgehen zeigt


sich auch in seiner Dissertation bei der Einteilung der ionischen Philoso-
phie in drei Stadien; vgl. W. Kühne: a. a. 0., S. 73 f.

254 Vgl. Prolegomena, S. 124, 128

255Ebenda, S. 36. Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, Paris 1848, S. 117. Aus dem pol-
nischen „Ojcze-Nasz“ wird zitiert nach der Dissertation von A. Žółtowski:
Graf August Cieszkowskis „Philosophie der Tat“, Posen 1904

256 Prolegomena, S. 149

257 Ebenda, S. 55 ff. Vgl. dazu: M. G. Lange: Der Junghegelianismus und


die Anfänge des Marxismus, Jena 1946, S. 41 ff. – Cieszkowskis Vorgehen
kritisiert schon J. Frauenstädt in der Rezension der „Prolegomena“ in den
„Hallischen Jahrbüchern“, 1839, S. 480: solche Analogien „können recht
geistreich sein, aber für die Erkenntnis der Sache ist durch sie nichts ge-
wonnen...“ Auch Michelet bemängelt in seiner Rezension den „schematisie-
renden Formalismus“; Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, 1838, S.
790. – Cieszkowski steht hierin u. a. unter dem Einfluss des Schellingia-
ners G. H. v. Schubert (vgl. Prolegomena, S. 54), dem er ein Exemplar der
„Prolegomena“ handschriftlich widmet, das sich jetzt in der Bayerischen
Staatsbibliothek in München befindet.

258 Prolegomena, S. 33

259 Ebenda, S. 129-132

260 Ebenda, S. 114: „Es soll jetzt der absolute Wille zu einer solchen Höhe
der Spekulation emporgehoben werden, wie es bereits mit der Vernunft
geschah, wozu sich schon sehr tiefe Andeutungen bei Fichte dem Ältern
finden...“ (Im Original teilweise gesperrt)

261Ebenda, S. 145. Vgl. auch Cieszkowskis Beitrag zur Diskussion in der


Philosophischen Gesellschaft, die auf seine Anregung hin 1843 in Berlin
gegründet wurde, über Gablers Thesen zu dem Thema „Über das Verhält-
nis der geschichtlichen Entwicklung zum Absoluten“: Jahrbücher für spe-
kulative Philosophie und die philosophische Bearbeitung der empirischen
Wissenschaften, hrsg. v. L. Noack, II. Jahrg., Darmstadt 1847, S. 230-233.
– Dagegen wird Cieszkowski auf Fichte zurückgeführt von A. Cornu (Karl
Marx und Friedrich Engels, Bd. I, Berlin 1854, S. 132): „Im Gegensatz zu
287

Hegel, der Dogmatismus und Utopie aufs schärfste verurteilt hatte und
stets bestrebt gewesen war, Denken und Sein aufs engste zu verbinden,
löste Cieszkowski nach Fichteschem Vorbild diese Vereinigung auf, indem
er das Denken als Wille in seinem steten Gegensatz zur bestehenden Wirk-
lichkeit betrachtete.“ Ähnlich, aber differenzierter: H. Stuke, a. a. 0., S.
121

262 Prolegomena, S. 120

263 Ebenda, S. 120. Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 234. In diesem Sinne heißt es
in den Nachlassnotizen zu Cieszkowskis Sendschreiben an Michelet „Gott
und Palingenesie“ (1842) : „Die Theorie ist das Vortrefflichste! sagen noch
viele Blödsinnige, die nicht einsehen, dass die Theorie, insofern sie nur
Theorie ist, nimmermehr das Vortrefflichste sein kann, denn jedes Nur
deutet auf ein Noch. Das Vortrefflichste kann nicht eine Einseitigkeit, eine
Abstraktion sein. Das Vortrefflichste... ist der Geist...“ Abgedruckt bei: W.
Kühne, a. a. 0., S. 441

264 Prolegomena, S. 115

265 Ebenda, S. 103

266 Ebenda, S. 100

267 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 41 f., 54 f. Ojcze-Nasz, Bd.
III, S. 63 ff.

268 Vgl. A. Žółtowski, a. a. 0., S. 167

269 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 54 f., 111, 113 f. Kühne, a.
a. 0., S. 102, 117 ff., 263 ff.

270 Prolegomena, S. 17 ff.

271 Ebenda, S. 20

272 Ebenda, S. 70. – Vgl. Constantin Frantz: Grundzüge des wahren und
wirklichen absoluten Idealismus, Berlin 1843, S. 210 f. Siehe zur Forde-
rung der praktischen Realisierung der philosophischen Prinzipien von
nicht-junghegelianischer Seite auch E. Quinet: Allemagne et Italie, Bruxel-
les 1839, Bd. 1, S. 44 ff.; K. Th. Bayrhoffer: Die Idee und Geschichte der
Philosophie, Leipzig 1838, S. 425 ff.
288

273 Prolegomena, S. 122

274 Dagegen behauptet Cornu, a. a. 0., Bd. I, S. 133: „Wie alle Idealisten
betrachtete Cieszkowski die Praxis nicht als revolutionäre Tätigkeit, die
sich zum unmittelbaren Ziel die tatsächliche Umwälzung der bestehenden
Gesellschaftsordnung setzt, sondern als Kritik, die die herrschenden Zu-
stände dadurch verändern soll, dass sie diese prinzipiell und theoretisch
negiert.“

275 Prolegomena, S. 19

276Ebenda, S. 143: „Man hat also ganz richtig gesagt, dass die revolutio-
nären Bewegungen unserer Zeit aus der Philosophie hervorgegangen sind;
aber man hätte hinzufügen sollen, dass, nachdem die Philosophie ihre
Klassizität erreicht haben werde, umgekehrt aus ihr eine Evolution zu er-
warten wäre...“

277Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 229; Bd. II, S. 233. (A. Žółtowski, a. a. 0., S.
110, 124.) De la pairie et de l’aristocratie moderne, Paris 1844, S. 161: „Es
wäre wohl Zeit, das kritische Zeitalter der Revolutionen zu schließen, um
in das der organischen Evolutionen einzutreten.“ (W. Kühne, a. a. 0., S.
130 ff.) – Cieszkowskis Konservatismus macht H. Stuke, a. a. 0., S. 35 f.,
mit Recht geltend gegenüber R. Lauth: Einflüsse slawischer Denker auf die
Genesis der Marxschen Weltanschauung, in: Orientalia Christiana Periodi-
ca, XXI, Rom 1955, und in: Die „verwirtschaftete“ Humanität. Grundvor-
aussetzungen der philosophischen Weltanschauung von Karl Marx, in:
Neue Deutsche Hefte, Jahrg. 2,1955/56

278 Prolegomena, S. 148

279 Ebenda, S. 147

280 Ebenda, S. 29 f., 110, 112, 152 f.

281Vgl. A. Žółtowski: a. a. 0., S. 115 f. W. Kühne: a. a. p., 3. 77 ff., 179 ff.,


326 ff. Zur Schrift über den Kredit vgl. Marx’ Brief an Engels vom 12. I.
1882

282Prolegomena, S. 153: „Der Staat verlässt gleichfalls seine abstrakte Ab-


gesondertheit und wird selbst zum Gliede der Menschheit und der konkre-
ten Völkerfamilie... Die Menschheit wird zur organischen Menschheit, wel-
che wohl in ihrer höchsten Bedeutung Kirche genannt werden könnte.“ –
Vgl. über Cieszkowskis Beitrag zur Debatte über einen Vortrag Marheine-
289

kes in der Philosophischen Gesellschaft im Februar 1843 W. Kühne: a. a.


0., S. 159 ff.

283 Mickiewicz’ Stellung zu Hegel und seine Kenntnis der Althegelianer er-
hellt aus seiner Auffassung, dass die „deutschen Philosophen“ „nur da-
nach streben, das Bestehende zu erklären und zu rechtfertigen. Hegels
Axiom: was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist
vernünftig – stellt die Begründung aller ihrer Systeme dar“; Ausgewählte
Werke fortschrittlicher polnischer Denker, Moskau 1956, Bd. II, S. 328
(russisch)

284Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 224 (A. Žółtowski, a. a. 0., S. 57 f.). W. Kühne,


a.a.O., S. 258 f.9 267
285 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 94 f.

286Strauß’ Brief an Vischer vom 15. III. 1838. Ausgewählte Briefe von Da-
vid Friedrich Strauß. Herausgegeben und erläutert von Eduard Zeller,
Bonn 1885, S. 55 f. Vgl. die Briefe an Vischer vom 24. X. 1844, S. 163, an
Kaufmann vom 7. XII. 1851, S. 299 (später abgekürzt als: Briefe); Streit-
schriften zur Verteidigung meiner Schrift über das Leben Jesu und zur
Charakteristik der gegenwärtigen Theologie, zweites Heft, Tübingen 1837,
S. 199 (später abgekürzt als: Streitschriften); Zwei friedliche Blätter, Alto-
na 1839, S. 100

287 F. Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deut-
schen Philosophie. Karl Marx/ Friedrich Engels. Werke. Bd. 21. Ber-
lin1962, S. 271

288 Streitschriften, III, S. 95

289 Streitschriften, III, S. 62

290 Streitschriften, II, S. 205 f. – Strauß’ Bewusstsein über einen Zusam-


menhang von Politik und Religion bekundet sich auch in seiner Schrift
„Der Romantiker auf dem Throne der Cäsaren, oder Julian der Abtrünni-
ge“ (1847), in der er die Auseinandersetzungen zwischen Heidentum und
Christentum zur Zeit Julians und zwischen Christentum und „freiem Hu-
manismus“ zur Zeit Wilhelm IV. parallelisiert; Gesammelte Schriften, he-
rausgegeben von E. Zeller, Bd. I, Bonn 1876, S. 177 ff. (später abgekürzt
als: Gesammelte Schriften). In der Vorrede zu „Das Leben Jesu für das
deutsche Volk bearbeitet“ (1864) versteht Strauß die Religionskritik in ide-
290

alistischer Weise ausdrücklich als Grundlegung zur Lösung politischer


Aufgaben: „... wir Deutsche können politisch nur in dem Maße frei werden,
als wir uns geistig, religiös und sittlich frei gemacht haben“; achte Auflage,
Bonn 1895, S. XXIX. Vgl. dagegen den Brief an Vischer vom 1. I. 1850,
Briefe, S. 253: „Ohne Revolution bekommen wir keinen neuen Boden in
der Religion...“

291Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und


im Kampfe mit der modernen Wissenschaft, zweiter Band, Tübin-
gen/Stuttgart 1841, S. 616 ff. (später abgekürzt als; Glaubenslehre).

292Brief an Rapp vom 3. IV. 1848, Briefe, S. 206. Vgl. Brief an Vischer vom
13. IV. 1848, Briefe, S. 207 f.; Brief an Rapp vom 23. VII. 1843, Briefe, S.
153

293 Vgl. Literarische Denkwürdigkeiten, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 18


ff.; Sechs theologisch-politische Volksreden, ebenda, S. 237 ff.; Zwei Briefe
an Ernest Renan nebst dessen Antwort auf den ersten, ebenda, S. 297 ff.
(Vergleichbar ist der öffentliche Briefwechsel zwischen Romain Rolland
und Gerhart Hauptmann im Jahre 1914.) – Dass Strauß „keine Kampfna-
tur“ ist, betont F. Mehring, Philosophische Aufsätze, Gesammelte Schrif-
ten, Bd. 13, Berlin 1961, S. 120

294 Streitschriften, III S. 75

295 Vgl. Streitschriften, III, S. 57

296Vgl. z. B. H. Steussloff: Die Junghegelianer, Ausgewählte Texte, Berlin


1963, David Friedrich Strauß, Einleitung, S. 19

297Das Leben Jesu kritisch bearbeitet, 2. Auflage, Bd. I, Tübingen 1837,


Vorrede, S. XII; vgl. Bd. II, S. 691 ff. später abgekürzt als: Leben Jesu);
Briefe an Märklin vom 6. II. 1832, Briefe, S. 12, und an Käferle vom 27. I.
1836, Briefe, S. 16 ff.

298 Vgl. K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 356

299Phänomenologie des Geistes, Werke, Bd. 2, S. 426; vgl. S. 582 f.; Vorle-
sungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 200 f. Siehe
dazu: Strauß: Streitschriften, III, S. 76-94

300 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 297
291

301 Ebenda, S. 282 ff.; Phänomenologie des Geistes, Werke, Bd. 2, S. 582

302 Streitschriften, III, S. 120

303Vgl. K. Barth: Kirchliche Dogmatik, Zürich 1935, I, 1, S. 345; ders.:


David Friedrich Strauß als Theologe, Theologische Studien, Heft 6, Zoll-
ikon 1939 S. 31. R. Buhmann: Der Begriff der Offenbarung im Neuen Tes-
tament, Tübingen 1829, S. 30; ders.: Geschichte der synoptischen Traditi-
on, Göttingen 1931, S. 396. Siehe auch: G. Backhaus: Kerygma und My-
thos bei David Friedrich Strauß und Rudolf Bultmann, Theologische For-
schung, 12, Hamburg-Bergstedt 1956. H. Steussloff: Die Religionskritik
von D. F. Strauß, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Heft 6, 1962

304 G. Bornkamm: Jesus von Nazareth, Stuttgart 1963, S. 20

305S. Kierkegaard: Einübung ins Christentum, Jena 1924, S. 28. Siehe


dazu: G. Lukács: Die Zerstörung der Vernunft, Berlin 1955, S. 214

306 Vgl. z. B. B. Bauer: Das entdeckte Christentum, Jena 1927, S. 120. L.


Feuerbach: Das Wesen des Christentums, Bd. I, Berlin 1956, S. 246 f.; Bd.
II, S. 325. K. Marx: Bemerkungen über die preußische Zensurinstruktion,
Werke, Bd. I, S. 16: „Die eigentliche Unbescheidenheit besteht darin, die
Vollendung der Gattung besondern Individuen zuzuschreiben“ (gesagt ge-
gen die Anmaßung der Regierung, der Zensur Gattungsvollkommenheit
zuzuerkennen). Vgl. dazu auch Marx’ Kritik an Hegels Verkörperung der
Staatssouveränität in der einen Person des Monarchen, in: Zur Kritik der
Hegelschen Rechtsphilosophie, ebenda, S. 228

307 Leben Jesu, Bd. II, S. 739 f. Vgl. Streitschriften, III, S. 71 ff. Zwei fried-
liche Blätter, Altona 1839, Vorwort, S. XX, XXXII; darin: Vergängliches
und Bleibendes im Christentum, S. 98, 109 ff. Das Leben Jesu für das
deutsche Volk bearbeitet, Bonn 1895, S. XXVIII, S. 388

308 Streitschriften, III, S. 116

309 Vgl. Leben Jesu, S. 736

310 Glaubenslehre, Bd. 1, S. 53

311 Streitschriften, III, S. 150 f., 70 f. – Zu dem Verhältnis der welthistori-


schen Individuen und der ihnen immermehr zuteil werdenden „geschicht-
lichen Unterstützung“ vgl.: Zwei friedliche Blätter, Altona 1838, S. 123 ff.
Zu Strauß’ pseudoaristokratischer antisozialdemokratischer Umdeutung
292

der Hegelschen Lehre vom welthistorischen Individuum und ihrer Anwen-


dung auf Bismarck und Moltke siehe seine letzte Schrift: Der alte und der
neue Glaube, Leipzig 1872, S. 280 f.

312 Die heilige Familie, Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke, Bd. 2, Berlin
1959, S. 147. – Zu Bruno Bauers entgegengesetzter (von Marx ebenfalls als
einseitig gekennzeichneten) Betrachtung der Evangelien als absicht-
lich-schriftstellerische „Schöpfung des Selbstbewusstseins“ und zu seiner
entsprechenden Kritik an Strauß’ Mythentheorie und Traditionshypothese
siehe vor allem: Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. I,
Leipzig 1841, Vorrede, S. VII ff.

313 Vgl. Streitschriften, II, S. 222 f.

314 F. Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen. Erstes Stück. David Fried-


rich Strauß, der Bekenner und Schriftsteller (1873). Friedrich Nietzsche,
Gesammelte Werke, sechster Band, München 1922, S. 169 f. (Ebenda, S.
173 f., verkennt Nietzsche die von Hegel in der Vorrede zur „Phänomenolo-
gie des Geistes“ entwickelte Dialektik des Wahren und Falschen, auf die
Strauß in seiner Schrift anspielt.) Zu Strauß’ Reaktion auf Nietzsches Po-
lemik vgl. den Brief an Rapp vom 19. XII. 1873, Briefe, S. 570: „... das ei-
gentliche Motiv seines leidenschaftlichen Hasses begreife ich nicht.“

315 Glaubenslehre, Bd. I, Vorrede, S. X

316 Ebenda, Einleitung, S. 71

317 Streitschriften, III, S. 65: „Zwischen das Dogma in seiner kirchlichen


Fassung, die heilige Geschichte in ihrer biblischen Erscheinung einerseits,
und den an und für sich wahren Begriff andererseits, fällt eine ganze theo-
logische Phänomenologie hinein, in welcher es jenen Anfängen des religiö-
sen Bewusstseins nicht besser ergehen kann, als der sinnlichen Gewiss-
heit in der philosophischen Phänomenologie“.

318 Glaubenslehre, Bd. I, S. 71

319 Zur Grundproblematik der dialektischen Unterscheidung zwischen


Vorstellung und Begriff, Schein und Wesen, vgl. K. Kosík, Die Dialektik des
Konkreten, Frankfurt 1967, S. 7 ff.

320 Streitschriften, II, S. 58


293

321 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 4. Die Halben und die Ganzen, Gesammel-
te Schriften, Bd. 5, S. 181 f.: „Feuerbach... hat das Doppeljoch, worin bei
Hegel Philosophie und Theologie noch gingen, zerbrochen. Er hat gezeigt,
dass Religion und Philosophie mitnichten denselben Inhalt, nur unter ver-
schiedenen Formen, haben. Er hat... jeder der beiden Sphären ihren be-
sonderen Schwerpunkt zurückgegeben. Er hat das Bestreben, in den ein-
zelnen christlichen Dogmen entsprechende philosophische Wahrheiten
verkörpert finden zu wollen, als ein verkehrtes nachgewiesen... und auf
diesem Standpunkte, nun auch mit dem anderen Fuß aus der Hegelschen
Schule herausgeschritten, habe ich meine Glaubenslehre geschrieben.“
Vgl. auch den Brief an Märklin vom 22. VII. 1846, Briefe, S. 184: „...seine
Theorie ist die Wahrheit für diese Zeit.“ Feuerbach habe ihn, so gesteht
Strauß, überholt. Siehe dazu: S. Eck (Anhänger der liberalen – von der Re-
ligion die Grundlegung der „sittlichen Organisation des Menschen“ erwar-
tenden – Theologie A. Ritschls): David Friedrich Strauß, Stuttgart 1899, S.
105 f.

322 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 13: „Wenn daher Hegel die Form der Vor-
stellung, in welcher ihm zufolge die Religion den absoluten Inhalt hat, un-
gescheut als eine untergeordnete, inandäquate bezeichnet: so fragt sich,
ob in einer endlichen Form der Inhalt als absoluter vorhanden sein kann,
und nicht vielmehr mit dieser Form selbst ein endlicher, der Idee unange-
messener, wird?“

323So missverstanden im „Lexikon für Theologie und Kirche“, Bd. 9, Frei-


burg 1964, S. 1109

324 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 70: „... Aber vermitteln ist ein schweres
Amt: und doch nehmen es die meisten damit so erstaunlich leicht. Nicht
jedermann besitzt den Apparat und die Ausdauer, womit Schleiermacher
Christentum und Spinozismus zum Behuf der Mischung so fein pulveri-
sierte, dass ein scharfes Auge dazu gehört, die vermischten Bestandteile zu
unterscheieden...“ – Im übrigen streitet Strauß erfolgreich gegen die Bevor-
zugung des Johannes-Evangeliums durch Schleiermacher (der ihn von der
Theosophia Jakob Böhmes und dem Somnambulismus Justinus Kerners
befreit; vgl. E. Zeller: David Friedrich Strauß in seinem Leben und seinen
Schriften, Bonn 1874, S. 16 ff.), wobei er der Authentizität dieses Evange-
liums nur in der dritten Auflage seines „Leben Jesu“ (1838; cfr. Vorrede, S.
IV f.) – kurz darauf widerrufene – Zugeständnisse macht, ohne dass
Strauß allerdings erkennt, was Herder einsah: dass Markus das älteste
Evangelium ist und Matthäus und Lukas von ihm abhängig sind, wie denn
Strauß überhaupt auf die Quellenkritik erst im „Leben Jesu“ für das deut-
sche Volk bearbeitet“ (1864) näher eingeht; siehe dazu K. Fischer: Ge-
294

sammelte Aufsätze, Über David Friedrich Strauß, Heidelberg 1908, S. 103


ff. Aber auch der johanneische Jesus ist für Schleiermacher wie für Strauß
ein Mensch, ausgezeichnet durch die „Kräftigkeit seines Gottesbewusst-
seins“, nicht „schlechthin übernatürlich oder übervernünftig“ (D. F.
Schleiermacher: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evange-
lischen Kirche, 1821, § 13 f.)

325 Glaubenslehre, Bd. I, S. 659 f. Vgl. S. 617-660

326 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, Einleitung, S. 66, Anmerkung 9

327 A. Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 1913,


S. 82. – Den (von Treitschke monierten) zerstörerischen Charakter der Kri-
tik betont dagegen Th. Ziegler: D. F. Strauß, Bd. I, Straßburg 1908, S. 170

328M. Bakunin: Die Reaktion in Deutschland, in: Deutsche Jahrbücher für


Wissenschaft und Kunst, 1842, S.993 (unter dem Pseudonym Jules Ely-
sard). Zu Bruno Bauers entsprechender Umwandlung der Dialektik siehe
H. Stuke: Philosophie der Tat, Stuttgart 1963, S. 139 ff. – Zu Bakunins
Konzeption der Einheit der theoretischen Philosophie und des praktischen
Kommunismus als „das eigentliche Wesen des Christentums“ siehe: Der
Kommunismus, in: Schweizerischer Republikaner, 6. VI. 1843

329 Glaubenslehre, Bd. I, Einleitung, S. 23

330Ebenda, S. 17 ff. Vgl. Literarische Denkwürdigkeiten, Gesammelte


Schriften, Bd. I, S. 14

331 Über Ruges anfängliche Stellung zu Strauß siehe: Leo und die Evange-
lische Kirchenzeitung gegen die Philosophie, Hallische Jahrbücher für
deutsche Wissenschaft und Kunst (später abgekürzt als: Hallische Jahr-
bücher), 1838, S. 1888: „Die Philosophie bestreitet weder die biblische
noch die dogmatische Wahrheit, im Gegenteil sie rehabilitiert dieselbe in
dem gegenwärtigen Bewusstsein und in der Form dieses Bewusstseins.“
Vgl. Hallische Jahrbücher, 1839, S. 985 ff. (David Friedrich Strauß: Zwei
friedliche Blätter), wo Ruge den Schweizern hinsichtlich der Züricher Affä-
re vorwirft, sich politisch praktisch statt rein wissenschaftlich-theoretisch
gegenüber Strauß verhalten zu haben. (Siehe auch: Der Freihafen, ebenda,
S. 96 ff.) Hallische Jahrbücher, 1840, S. 2489 ff., hebt Ruge an Strauß’
„Glaubenslehre“ die geschichtliche Behandlung der Dogmen hervor; dazu:
W. Neher: Arnold Ruge als Politiker und politischer Schriftsteller, Heidel-
berger Abhandlungen, Heft 64, Heidelberg 1933, S. 57 f. Vgl. auch: Deut-
sche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst (später abgekürzt als: Deut-
295

sche Jahrbücher), Leipzig 1842, S. 762 (Die Hegelsche Rechtsphilosophie


und die Politik unsrer Zeit). Schließlich die Beurteilung Strauß’ vom Feu-
erbachschen Standpunkt her: Neue Wendung der deutschen Philosophie.
Kritik des Buches: Das Wesen des Christentums, in: Anekdota zur neues-
ten Philosophie und Publizistik, Zürich und Winterthur 1843. Zwei Jahre
in Paris, Studien und Erinnerungen, zweiter Teil, Leipzig 1846 (später ab-
gekürzt als: Zwei Jahre in Paris) S. 42-50

331aAus früherer Zeit, Berlin 1887, Bd. IV, S. 496 (später abgekürzt als:
Aus früherer Zeit)
331b Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 5 f.: „Wir werden
damit anfangen, eine kritische Zeitschrift zu schreiben, und wir denken,
ihr diesen Namen dadurch zu verdienen, dass wir in ihr eine philosophi-
sche und publizistische Darstellung der Krisen unserer Zeit geben.“
331cVgl. z. B. Deutsche Jahrbücher, 1843, Vorwort, S. 2, wo Ruge fragt, ob
die Kritik dem Volk dazu verhelfen könne, „alle Herrlichkeiten des befrei-
ten Innern... zur Gemüts- und Willenssache... zu verdichten... ist es nicht
vielmehr ihr Begriff, dass sie nur scheidet, nicht verbindet, nur auflöst,
nicht verdichtet? Das ist er...“ Vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 17 nnd 33, wo
die Kritik als „Auflösung“ allen Systemen entgegen gestellt wird. Allerdings
sei die Auflösung „nur eine Metamorphose, nicht eine Vernichtung“ (eben-
da, S.123)

332Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unsrer Zeit, Deutsche


Jahrbücher, 1842, S. 763, 765

333 Ebenda, S. 763. Vgl. Brief an Rosenkranz vom 17. XI. 1839, Briefwech-
sel, Bd. I, S. 185 f.

334 Ebenda, S.761 (Im Original gesperrt außerhalb der Klammer)

335 Brief an Marx vom 28. 3. 1841, in: Karl Marx und Friedrich Engels,
Historisch-kritische Gesamtausgabe (später abgekürzt als: MEGA), Frank-
furt a. M. und Berlin 1927, I, 1; 2, S. 247. (Siehe auch Ruge, Deutsche
Jahrbücher, 1843, Vorwort, S. 1:,... man darf das Vertrauen zu dem Terro-
rismus der Vernunft nie verlieren, wenn man nicht den Boden unter sei-
nen Füßen verlieren will.“) Vgl. dazu H. Stuke: Philosophie der Tat, Stutt-
gart 1963, S. 162

B. Bauer: Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten
336

und Antichristen (1841), wieder abgedruckt in: Die Hegelsche Linke, Texte,
296

ausgewählt und eingeleitet von K. Löwith, Stuttgart-Bad Cannstadt 1962,


S. 172

Aus früherer Zeit, S. 511 ff., 527. Siehe auch: W. Piechocki: Die kom-
336a

munalpolitische Wirksamkeit A. Ruges in Halle während der Jahre


1831-1841. Festschrift der M. Luther Universität Halle-Wittenberg, Halle
1967

337 Vgl. Ruges Brief an Fleischer vom 12. 12. 1842: „Die ,Freien‘ sind eine
frivole und blasierte Clique... B. Bauer... heftete mir die lächerlichsten
Dinge auf die Nase, z. B. der Staat und die Religion müssten im Begriff
aufgelöst werden, das Eigentum und die Familie dazu...“ Arnold Ruges
Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825-1880, herausg. v.
P. Nerrlich, Berlin 1886 (später abgekürzt als: Briefwechsel), Bd. 1, S. 290.
Auch Marx bricht mit den „Freien“ kurz nach Übernahme der Redaktion
der „Rheinischen Zeitung“ im Oktober 1842 und tritt auf die Seite Ruges
und Herweghs.

337a Vgl. z. B. Ruges Begründung dafür, dass seine reaktionären Gegner


scheitern müssten: „Dies praktische Resultat führt sich allerdings von
selbst aus. Der praktische Prozess ist aber hier zu langwierig. Ihr müsst
gleich von vornherein erkannt werden, das volle Bewusstsein über euch ist
aufzuwecken, d. h. ihr seid literarisch zu vernichten ... Wir sind der Blitz der
Wahrheit, der euch vernichtet, indem er euch beleuchtet.“ (Die Denunziation
der Hallischen Jahrbücher, Hallische Jahrbücher 1838, S. 1427)

338Die Hegelsche Philosophie und der... Philosoph in der Augsburger All-


gem. Zeitung, Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 130. Vgl. Brief an Stahr vom
23. 2. 1843, Briefwechsel, Bd. 1, S. 299: „Die durchgeführte Erklärung des
Bestehenden ist ein dankbares Werk und die Notwendigkeit der radikalen
Reform erfolgt dann von selbst.“

338a Aus früherer Zeit, S. 599

339Siehe dazu M. Lange: Der Junghegelianismus und die Anfänge des


Marxismus, Jena 1946, S. 61. – Deshalb ist es nicht haltbar, in Bezug auf
Ruge von einer „voluntaristischen“ Philosophie der Tat zu sprechen, wie P.
Wende: Arnold Ruge: Der Patriotismus, Frankfurt a.M. 1968, S. 118

340Aus früherer Zeit, S. 472. Siehe dazu: H. Rosenberg: Arnold Ruge und
die Hallischen Jahrbücher, Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 20, S. 285 ff.
– Zu Ruges Einschätzung der zum Vorbild genommenen französischen
Aufklärer vgl. den Brief an Stahr vom 7. XI. 1841, Briefwechsel, Bd. 1, S.
297

247: „Die Kerle schreiben Schwerter und Dolche, sie sind mächtiger als
Kanonen und Bajonette.“

341Grundsätze der Philosophie der Zukunft (1843), § 24, Ludwig Feuer-


bach, Kleine Schriften, Frankfurt a. M. 1966, S. 182

342 MEGA I, 1; 1, S. 64

343 Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 594 (Rezension über Bauers „Posaune“)

344Hallische Jahrbücher, 1841, Vorwort, S. 2. Vgl. Brief an Prutz vom 8. 1.


1842, Briefwechsel, Bd. 1, S. 259; Zur Kritik des gegenwärtigen Staats-
und Völkerrechts, Hallische Jahrbücher, 1840, S. 1202: „Die Theorie
bleibt immer der oberste bewegende Gott und sitzt im Rate aller Ent-
schlüsse, denen ein mehr als zufälliger Charakter beiwohnt...“ – In Halle
arbeitet Ruge einen Plan aus „Zur Gründung einer rein wissenschaftlichen
Universität in Dresden im Gegensatz zu den Seminarien für die Praxis,
welche die alten Universitäten darstellen.“ (Aus früherer Zeit, S. 525.) Da-
bei lehnt sich Ruge nicht nur auf gegen die Dienstbarkeit der Theorie ge-
genüber einer pragmatistisch verstandenen Alltagspraxis.
345 Vgl. Deutsche Jahrbücher, 1842, Vorwort, S. 1: „Der Widerstand wie
der Sieg, den die Wissenschaft will, ist zunächst ein rein geistiger, sie will
durch ihre Wahrheit gelten und nur durch ihre Unwahrheit widerlegt
sein.“

346Zwei Jahre in Paris, S. 28. Siehe auch: Deutsch-Französische Jahrbü-


cher, Paris 1844, S. 8. Vgl. Feuerbach: Vorläufige Thesen zur Reform der
Philosophie, Ludwig Feuerbach, Kleine Schriften, Frankfurt a. M. 1966, S.
226: „Alles was auf Erden, findet sich wieder im Himmel der Theologie – so
auch Alles, was in der Natur, im Himmel der göttlichen Logik...“ Zwar stellt
auch Schelling die Priorität des Seins fest – „In dieser Einheit aber ist die
Priorität nicht auf seiten des Denkens, das Sein ist das erste, das Denken
erst das zweite oder folgende“ (Sämtliche Werke, Stuttgart 1856 ff., II. Abt.,
Bd. I, S. 587) – aber er verbindet sie in schroffem Gegensatz zu den Jung-
hegelianern mit dem Theismus seiner „positiven Philosophie“. – Im Gegen-
satz zu Feuerbach hält Ruge an der Dialektik als dem Prinzip der revoluti-
onären Entwicklung fest; vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 31 f.; Aus früherer
Zeit, S. 598 ff.

347 Siehe K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 96 ff., 224
298

348Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche


Jahrbücher, 1842, S. 763: „Die Theorie hat aber die Aufgabe, streng zu
unterscheiden, wo sie sich als Metaphysik und wo sie sich als Kritik ver-
hält, wo sie eine logische und wo eine historische Kategorie vor sich hat.
Die Hegelsche Rechtsphilosophie, um sich als ,Spekulation‘ oder als abso-
lute Theorie zu verhalten, also die,Kritik‘ nicht hervortreten zu lassen, er-
hebt die Existenzen oder die historischen Bestimmtheiten zu logischen Be-
stimmtheiten...“

349 Vgl. den Brief an Stahr vom 23. II. 1843, Briefwechsel, Bd. I, S. 299

350 Ebenda, S. 762. Vgl. Der Protestantismus und die Romantik, Hallische
Jahrbücher, 1840, S. 417 f. Zur Kritik des gegenwärtigen Staats und Völ-
kerrechts ebenda, S. 1211. Politik und Philosophie, ebenda, S. 2331. Vor-
wort zum 1. Jahrg. der Deutschen Jahrbücher, 1841, S. 2. Vorwort zum
letzten Jahrg. der Deutschen Jahrbücher, 1843, S. 6

351Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche


Jahrbücher, 1842 S. 764

352Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts, Hallische Jahr-


bücher, 1840, S. 1211 f.

353 Die Allgemeine Literaturzeitung über Strauß, oder der alte und der
neue Rationalismus, Hallische Jahrbücher, 1841, S. 271: „Die Hegelsche
Philosophie hört bei sich, bei der theoretischen Systematisierung von Geist
und Natur, von Geschichte und Dasein auf, sie besinnt sich über alles,
nur nicht über sich selbst, denn es entgeht ihr, dass sie mit diesem ihrem
System der bisherigen Vernunft nun die Forderung des zukünftigen ver-
nünftigen Werdens ist. “ Vgl.: Der Protestantismus und die Romantik, Hal-
lische Jahrbücher, 1840, S. 417. f. : „... die absolute Tatenlust des befrei-
ten Geistes, der reformatorische Enthusiasmus, der unsere Mitwelt überall
ergreift, begnügt sich nicht mit der Hegelschen Beschaulichkeit, welche in
theoretischer Selbstzufriedenheit dem Prozesse bloß zusieht und jede Ab-
surdität konstruiert, sondern handelt, fordert, gestaltet...“

354 Vorwort zum letzten Jahrgang der Deutschen Jahrbücher, 1843, S. 6

355Der Protestantismus und die Romantik, Hallische Jahrbücher, 1840, S.


417; vgl. Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts, ebenda,
S. 2111

356 Zwei Jahre in Paris, S. 31


299

357Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche


Jahrbücher, 1842, S. 760

358David Friedrich Strauß, „Zwei friedliche Blätter“, Hallische Jahrbücher,


1839, S. 993 f.

359Julius Schaller, Die Philosophie unserer Zeit, Hallische Jahrbücher,


1838, S. 769 ff., 780

360 Die Denunziation der Hallischen Jahrbücher, 1838, S. 1433. (Der letzte
Satzteil des Zitats ist im Original gesperrt.) Vgl. dazu; A. Rosenberg, a. a.
0., S. 291. Siehe auch Ruge: Deutscher Musenalmanach für das Jahr
1839, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 661 f.; Nachträgliches zur Reforma-
tionsfeier, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 1336; Gedichte von J. P. E-
ckermann, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 869 f.; Literarische Zustände
und Zeitgenossen, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 2,98 ff.; Das Wesen und
Treiben der Berliner Evangelischen Kirchenzeitung, Hallische Jahrbücher,
1839, S. 1409; K. Gutzkow, Blasedow und seine Freunde, Hallische Jahr-
bücher, 1839, S. 1047 ff., S. 1054: „Die Erkenntnis hat sich das unterge-
ordnete Gebiet des Lebens nicht zum Zweck zu setzen, sondern nur sich
selbst. Die Jahrbücher lehnen daher die Zumutung ab, sich mit Parteiinte-
resse ins praktische Gebiet einzulassen...“

361 Sendschreiben an Görres von Heinrich Leo, Hallische Jahrbücher,


1838, S. 1183; zu Ruges Bezug auf Hegels Auffassung der Reformation
siehe S. 1195 f. Gegen Görres’ „Mystik“ und „Romantik“ ist auch die Re-
zension von dessen Schrift „Die Triarier“ gerichtet: ebenda, S. 1913 ff.

362 Siehe H. Leo: Die Hallischen Jahrbücher für deutsche Wissenschaft


und Kunst, in: Berliner politisches Wochenblatt, Juli 1838; ders.: Die He-
gelingen, Halle 1838, Vorwort, S. 4 f. Vgl. auch E. W. Hengstenberg: Wider
die Hallischen Jahrbücher, in: Die evangelische Kirchenzeitung, 1838, Nr.
69

363 Die Denunziation der Hallischen Jahrbücher, Hallische Jahrbücher,


1838, S. 1425-1440; S.1437: „Wird nun aber die Entwicklung nicht auf-
gehalten und gehemmt, im Gegenteile, hat der Staat das reformierende
Prinzip wie Preußen, so gibt es keine Notwendigkeit, ja nicht einmal eine
Möglichkeit der Revolution.“ Dem Vorwurf, die Revolution werde in Preu-
ßen durch die Junghegelianer verursacht so wie die französische Revoluti-
on durch die französischen Aufklärer hervorgerufen sei, hält Ruge hier
noch entgegen, dass die revolutionären Bewegungen kein primäres Resul-
300

tat der Literatur sind (S. 135 f.). Vgl. auch: Leo und die Evangelische Kir-
chenzeitung gegen die Philosophie, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 1881-
1896; Aufgabe der Philosophie ist für Ruge hier die Vermittlung des gege-
benen Inhalts der Religion in neuer begrifflicher Form ganz im Sinne von
Strauß’ „Leben Jesu“ (S. 1888). – Siehe auch E. Meyen: Heinrich Leo. Der
verhallerte Pietist, Leipzig 1838; K. F. Köppen: Noch ein Wort über Leos
Geschichte der französischen Revolution, Deutsche Jahrbücher, 1842, S.
513 ff.

364 Heinrich Heine, charakterisiert nach seinen Schriften, Hallische Jahr-


bücher, 1838, S. 193-227; S. 219: „So ist die ganze Poesie der Koketterie,
die sich immer nur scheinbar auf die Substanz einlässt, nur mit ihr buhlt
um des Scheins willen, ihrem innersten Begriff nach eine Poesie der Lüge.“
Vgl. Ruges Briefe an seinen Bruder Ludwig vom 28. VIII. 1843, an seine
Gattin vom 11. VII. 1843 und an Stahr vom 11. VII. 1844, Briefwechsel,
Bd. I, S. 331, 334 ff., 363 f. – Gegen die pietistische Innerlichkeit als Welt-
fremdheit ist der Artikel gerichtet: Der Pietismus und die Jesuiten, Halli-
sche Jahrbücher, 1839, S. 241 ff.

365 Aus früherer Zeit, a. a. p., S. 487. – Das Manifest, Hallische Jahrbü-
cher, 1839, S. 1953 ff., schreibt Ruge zusammen mit Echtermeyer, mit
dem er sich aus Streit über das „Ideeneigentum“ entzweit; vgl. dazu: Aus
früherer Zeit, a. a. 0., S. 541 ff. Im Manifest wird Schiller als Praktiker und
Goethe als Theoretiker bezeichnet, insofern der eine „sein Denken reali-
siert, hinausbildet“, der andere „die Welt auf sich eindringen lässt“. „Das
einseitige theoretische Verhalten führt zur Ironie, zur zwecklosen Absorp-
tion der Welt in den Abgrund. des widerstandslosen Ich, das sich damit
zur affektlosen Camera obscura der Objektivität herabsetzt. Goethe er-
kannte daher Schiller als seine andere Seite vollkommen an.“ (S. 422)

366 Karl Streckfuß und das Preußentum, Hallische Jahrbücher, 1839, S.


2100, Anmerkung: „Der gegenwärtige Zustand oder die Existenz unseres
Staates ist allerdings gegen seine Entwicklung das Unhaltbare und gegen
seine Idee und sein Wesen das Mangelhafte und Unwahre...“ - Vgl. G.
Mayer: Die Junghegelianer und der preußische Staat, in: Historische Zeit-
schrift, 1920, Heft 3, S. 423 ff.

367Sämtliche Werke, Berlin 1867, Bd. V, S. 78 f.: „Die Kritik in den Jahr-
büchern zeigte sich damals aber noch zu sehr in der Hegelschen Philoso-
phie befangen. Indessen war es gerade die philosophische Umhüllung,
welche die Veröffentlichung der Kritik möglich machte. Direkt politische
Kritik war noch verfänglicher als direkt religiöse, musste daher anfangs
vermieden werden... Indessen gelang es in einem Aufsatz über das
301

,Preußentum‘, das Prinzip der Regierung, wenn auch wieder nur verhüllt,
auszusprechen. Wir nannten Preußen ,katholisch‘, das freie Prinzip dage-
gen, von dem es abfiele, den Protestantismus.“

368 Karl Streckfuß und das Preußentum, a. a. 0.

368aVgl. dazu M. Lange: Arnold Ruge und die Entwicklung des Parteilebens
im Vormärz, in: Einheit, 1848, Heft 7, S. 637

369 Siehe A. Cornu: Karl Marx und Friedrich Engels, Berlin 1954, S. 141

370 Hallische Jahrbücher, 1840, S. 673 ff., 2241 ff. Vgl. auch die Kritik an
dem „System der Nichtbeteiligung des Volks“ in: Die Leipziger Zeitung und
die öffentliche Meinung, Hallische Jahrbücher, 1841, S. 150 ff.

371 Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 673

372Ebenda, S. 682. Vgl. zu Ruges Negation des Christentums und des Ab-
solutismus den Brief an Prutz vom 8. I. 1842, Briefwechsel, Bd. I, S. 259.
Siehe auch: Zwei Jahre in Paris, S. 291, wo die Religion als „ein Produkt
der Not“ bezeichnet wird.

373Brief an Stahr vom 7. XI. 1841, Briefwechsel, Bd. I, S. 246. – Zu Ruges


Abrücken vom Protestantismus und Konstitutionalismus trägt auch die
Aufhebung der Venia legendi Bruno Bauers bei; siehe Ruges Artikel in den
„Anekdota“: Bruno Bauer und die Lehrfreiheit

374 Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 12

375Ebenda, S. 5. Vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 12: „Mit dem Scheitern der
Bauernkriege verlor der deutsche Protestantismus seinen demokratischen
und tatkräftigen Herzschlag; er machte seitdem alle Menschen zu Mön-
chen ,in der Gemeinde der Heiligen‘, zu Spießbürgern im Leben und zu
Theologen in der Wissenschaft.“

376Ebenda, S. 11. – Ruges Rede in der 45. Sitzung der Deutschen Natio-
nalversammlung in der Frankfurter Paulskirche mit der Forderung, das
für das Militär ausgegebene Geld „zu Zwecken der Industrie und der Bil-
dung des Volkes anzuwenden“, ist abgedruckt in Arnold Ruge: Der Patrio-
tismus, Frankfurt a. M. 1968, S.99 ff.

377Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, Bd. I, S. 76. Darüber, dass nach Ru-
ges an Kant erinnernden Ansicht der Mensch stets Zweck, nie Mittel sein
302

darf, vgl.: Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben, Hannover 1868, Bd. IV,
S. 59 ff.

378 Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 6 ff.

379Vgl. Aus früherer Zeit, S. 360; Zwei Jahre in Paris, S. 304 f. Siehe dazu:
K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 335

380 Aus früherer Zeit, S. 360, 365 f., 72, 84; Ruges Brief an seine Mutter
vom 28. III. 1844, Brief an Fleischer vom 9. VII. 1844, Briefwechsel, Bd. I,
S. 342, 359; Brief an Feuerbach vom 15. V. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S.
352: „Weder die komplizierten Vorschläge der Fourieristen noch die Eigen-
tumsaufhebung der Kommunisten sind klar zu formulieren. Beides läuft
immer auf einen förmlichen Polizei- und Sklavenstaat hinaus. Um das Pro-
letariat von der Not und von dem Druck der Not geistig und körperlich zu
befreien, denkt man an eine Organisation, die alle Menschen an dieser Not
und diesem Druck teilnehmen lässt.“

381Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, Bd. I, S. 60 ff.; Studien und Erinne-
rungen, Mannheim 1847, S. 39. Zu Heß’ Kritik an Ruge, die ursprünglich
in der „Deutschen Ideologie“ erscheinen sollte, siehe Moses Heß: Philoso-
phische und sozialistische Schriften 1837-1850, herausg. u. eingel. v. A.
Cornu u. W. Mönke, Berlin 1961, S. 403 ff., 479 f.

381a Zwei Jahre in Paris, Der Egoismus und die Praxis: Ich und die Welt, S.
125 ff. Vgl. den Brief an seine Mutter vom 17. XII. 1844, Briefwechsel, Bd.
I, S. 386. Auf Stirner beruft sich Ruge auch in seiner Polemik gegen den
Kommunismus: „Er kritisiert den Kommunismus sehr gut und entwickelt,
dass erst der erwachte Egoismus der Unterdrückten die wahre Quelle der
Bewegung ist.“ (Brief an Fröbel vom 6. XII. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S.
382)

382 Vgl. Ruges Briefe über Marx an seine Mutter vom 6. X. und 23. X.
1844, an Fröbel vom November 1844 und vom 6. XXI. 1844, Briefwechsel,
Bd. I, S. 367 ff., 371, 380 ff.; über Bakunin siehe die Briefe an Fröbel vom
16. X. 1844, an Fleischer vom 23. XI. 1844, an seine Mutter vom 17. XII.
1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 369, 374 ff., 385

383„Vorwärts“, 27. Juli 1844. Vgl. Ruges Brief an Fleischer vom 9. Juli
1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 359. Siehe auch J. Fröbel: Das Verbrechen
der Religionsstörung nach den Gesetzen des Kantons Zürich, Zürich und
Winterthur 1844, S. 119. Vgl. E. Feuz: Julius Fröbel, Bern 1932
303

384 Offener Brief an Herrn Börnstein, „Vorwärts“, 3. VII. 1844. Vgl. auch
Ruges Entgegnung auf Marx’ Polemik im „Vorwärts“ vom 17. VIII. 1844.
Siehe dazu: D. J. Rosenberg: Die Entwicklung der ökonomischen Lehre
von Marx und Engels in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, Berlin
1958, S. 207 ff. – Nach dem Erscheinen der „Heiligen Familie“ von Marx
und Engels schreibt Ruge (auch mit Bezug auf Moses Heß) im Brief an
Fleischer vom 27. V. 1845, Briefwechsel, Bd. I, S. 396: „Übrigens ist es ein
großer Irrtum, dass die materiellen, reellen Interessen für sich ein Agens
abgeben und Geschichte machen könnten.“

385Vgl. Polemische Briefe, Mannheim 1847, S. 252 ff. Zwei Jahre in Paris,
S. 294: „Die Aufhebung des Patriotismus in Humanismus ist eine Form
des gegenwärtigen Freiheitsproblems...“

386 Vgl. Zwei Jahre in Paris, Bd. II., S. 133 f.: „Die theoretische Befreiung
ist nirgends in der Welt so gründlich vorhanden und fortdauernd im Werke
als in Deutschland Die Geburt der wirklichen, der praktischen Freiheit ist
der Übergang ihrer Forderung an die Masse. Diese Forderung ist das Sym-
ptom der verdauten Theorie und ihres Durchbruchs in die Existenz... Das
Ende der theoretischen Befreiung ist die praktische. Die Praxis ist aber
nichts anders, als die Bewegung der Massen im Sinne der Theorie, der
Herzschlag der ewig jungen Welt.“ – Gegen das Zitat Goethes, die Masse sei
nur im Zuschlagen respektabel (in Hegels Rechtsphilosophie, § 317, An-
merkung), siehe: Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts,
Hallische Jahrbücher, 1840, S. 1235 f. Dagegen hatte Ruge in dem Aufsatz
„Unsere gelehrte kritische Journalistik“ (1837) behauptet, die Philosophie
sei „ihrem Begriff nach unpopulär“: Aus früherer Zeit, S. 461

387 Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 4. Vgl. Ruges Brief


an Feuerbach vom 15. V. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 346 f.: „... es wäre
wohl möglich..., dass eine wirkliche, wenn auch nur teilweise, sporadische,
städtische Bildung der Ouvriers (das sind alle Arbeiter) eine wirkliche Re-
form der Gesellschaft herbeiführte. Aber die Frage ist dann immer noch die
alte: Wie ist die Bildung allgemein zu machen, wie die Befreiung jedes
Menschen zu realisieren? Es ist nach meiner Meinung das ewige Problem
der Geschichte, es ist etwas Großes, dass man jetzt so direkt darauf los-
geht... Die Gesellschaftsreform ist der praktische Pendant zum theoreti-
schen Humanismus in der Religionskritik.“ Sämtliche Schriften, 2. Aufla-
ge, V. Band, Studien und Erinnerungen, Mannheim 1847, S. 60: „Sobald
die Prinzipien in Frankreich die Höhe der deutschen Philosophie erreicht
haben, wird die ganze Religionsfrage eine Erziehungsfrage, nur durch Bil-
dung befreit man die Menschen.“
304

388Vgl.: Der Protestantismus und die Romantik, Hallische Jahrbücher,


1840, S. 2113 ff.

389Bruno Bauer: Vollständige Geschichte der Parteikämpfe in Deutschland


während der Jahre 1842-1846, 3 Bde. Charlottenburg 1847 (später abge-
kürzt als: Parteikämpfe), Bd. I, S. 155. Vgl. Die Deutschen Jahrbücher und
Dr. Ruges Beschwerde, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, Charlottenburg
1844 (später abgekürzt als: Literatur-Zeitung), Heft 2, S. 29: „Herr Ruge
also unterwirft nicht den Begriff des Bestehenden einer Untersuchung,
nein, er stellt nur sein Bestehendes, sein Heiligstes dem Bestehendem und
Heiligsten des sächsischen Ministeriums gegenüber...“ Siehe auch L. Buhl,
Berliner Monatsschrift, Mannheim 1844, S. 2 ff.

390 Vgl. Ruge: Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, S. 59 f.

391 B. Bauer: Parteikämpfe, Bd. I, S. 155

392 Ebenda, Bd. III, S. 170 f. ; Literatur-Zeitung, Heft 89 S. 6

393 Parteikämpfe, Bd. III, S. 173; vgl. S. 28 mit Bezug auf Moses Heß

394 Literatur-Zeitung, Heft 6, S. 34: „Die Kritik hat, wie gesagt, aufgehört,
politisch zu sein. Früher Ansichten durch Ansichten, Systeme durch Sys-
teme, Gesinnung durch Gesinnung bekämpfend, ist sie jetzt ansicht-, sys-
tem-, gesinnungslos geworden.“ Vgl. dagegen Ruge: Wer ist und wer ist
nicht Partei, Deutsche Jahrbücher 1842, S. 190 ff., sowie Herweghs Ge-
dicht „Die Partei“

395 Vgl. Th. W. Adorno: Negative Dialektik, Frankfurt 1966. – Zu Bauers


„revolutionärer Antithetik“ siehe auch: H. Stuke: Philosophie der Tat,
Stuttgart 1963, S. 139 ff.

396 Enzyklopädie, § 81, Zusatz 2, Werke, Bd. 8, S. 194

397Edgar Bauer: Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842, S. 89. Vgl.
dagegen Marx: Das Elend der Philosophie (1847), Werke, Bd. 4, S. 133:
„Sowie man sich nur das Problem stellt, die schlechte Seite auszumerzen,
schneidet man die dialektische Bewegung entzwei.“

398Das entdeckte Christentum. Eine Erinnerung an das achtzehnte Jahr-


hundert und ein Beitrag zur Krisis des neunzehnten, Zürich und Winter-
thur 1843, herausg. von E. Barnikol, Jena 1927, S. 160 f. (später abge-
kürzt als: Das entdeckte Christentum)
305

399Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Anti-
christen. Ein Ultimatum. Leipzig 1841, in: Die Hegelsche Linke, Texte,
ausgewählt und eingeleitet von K. Löwith, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962,
S. 164 (später abgekürzt als: Die Posaune). Vgl. Das entdeckte Christen-
tum, S. 155: „In dem echten Hegelschen System wenigstens hat der Begriff
noch zum Teil den Anschein einer hypostatischen Macht, die abgesondert
vom Selbstbewusstsein ihr Leben zu führen imstande ist...“ Siehe dazu
Marx’ Kritik an der Begriffsverselbständigung – aber nicht gegenüber dem
Selbstbewusstsein, sondern gegenüber der sinnlichen geschichtlichen und
natürlichen Welt – in der „Heiligen Familie“ unter der Überschrift „Das Ge-
heimnis der spekulativen Konstruktion“

400 Ebenda, S. 168 f.

401 Ebenda, S. 151. Vgl. Bauers Rezension: Einleitung in die Dogmenge-


schichte von Th. Klieforth, in: Anekdota zur neuesten Philosophie und Pu-
blizistik, Zürich und Winterthur 1843, Bd. II, S. 158

402 Literatur-Zeitung, Heft 4, S. 14 f.

403 Werke, Bd. 17, S. 82

404 Die Posaune, S. 171

405 Werke, Bd. 17, S. 86

406 K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 56: „Das Wissen
revolutioniert durch seine freie Form auch den substantiellen Gehalt.“ Al-
lerdings ist nicht anzunehmen, dass Hegel mit „wirklicher Gestaltung“ die
„Gestaltung einer neuen Philosophie“ meinen kann, wie Stuke behauptet
(a. a. 0., S. 65, Anm. 52)

407 Werke, Bd. 17, S. 85

408 Die Posaune, S. 170

409 Ebenda, S. 171

410 Brief an Marx vom 31. III. 1841, MEGA I, I, 2, S. 250

411Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S.


510
306

412 Die Posaune, S. 174. Vgl. Bauers Berufung auf die Aufklärung, beson-
ders auf Joh. Christ. Edelmann, in: Das entdeckte Christentum, S. 89 ff.,
sowie in: Hegels Lehre von der Religion und Kunst von dem Standpunkte
des Glaubens aus beurteilt, Leipzig 1842, S. 44, 70 ff., wo eine Linie Vol-
taire, Hegel, Bauer konstruiert wird; ferner: Geschichte der Politik, Kultur
und Aufklärung des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Charlottenburg 1843/45;
über Edelmann siehe Bd. I, S. 204 ff. In der „Allgemeinen Literatur-
Zeitung“ wird Bauers Einstellung zur Aufklärung ablehnender.

413Die Posaune, S. 194. Vgl. Der christliche Staat und unsere Zeit, in:
Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 537 ff.

414Rechtsphilosophie, § 270, Werke, Bd 7, S. 353; vgl. S. 358: „Es ist phi-


losophische Einsicht, welche erkennt, dass Kirche und Staat nicht im Ge-
gensatze des Inhalts der Wahrheit und Vernünftigkeit, aber im Unterschied
der Form stehen.“

415 Rechtsphilosophie, § 348, Werke, Bd. 7, S. 450

416 Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 96.
Vgl. Die Posaune, S. 170. Siehe auch: D. Koigen: Zur Vorgeschichte des
modernem philosophischen Sozialismus in Deutschland, Bern 1901 S. 59
ff.

417 Literatur-Zeitung, Heft 8, S. 20

418Siehe dazu: Rechtsphilosophie, § 302, § 316-318, Werke, Bd. 7, S. 411,


424 ff.

419 Literatur-Zeitung, Heft 8, S. 25; Heft 1, S. 3. Vgl. dagegen Marx: „Die


,Idee‘ blamierte sich immer, soweit sie von dem ,Interesse‘ unterschieden
war.“ (Die Heilige Familie. Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 2, S. 85)

420 Vgl. auch: Denkwürdigkeiten zur Geschichte der neueren Zeit seit der
Revolution, 7 Bde., Charlottenburg 1843/44. Die Kritik an der Masse ver-
bindet Bauer auch mit der Kritik an Feuerbachs Begriff der Gattung als
einer Macht, die der Mensch „der Kritik nicht unterwerfen darf“ und die
„seinem Einfluss und seiner Tätigkeit schlechthin entzogen ist“; Litera-
tur-Zeitung, Heft 7, S. 45; Vgl. Charakteristik Ludwig Feuerbachs, in: Wi-
gands Vierteljahresschrift, Leipzig 1845 Bd. 3, S. 95: „Bei Feuerbach hat
die Hegelsche Substanz das Selbstbewusstsein besiegt.“
307

421 Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werk Bd. 18, S. 428
f.

422 Vgl. Aristoteles’ Politik, 1333 a 30 ff. Siehe dazu H. Marcuse: Über den
affirmativen Charakter der Kultur, in: Kultur und Gesellschaft I, Frankfurt
1965, S. 56 ff. Erneuert findet sich die asketische Trennung von Bewusst-
seinserhellung und Praxis u. a. in Aldous Huxleys „Brave New World“ und
erst recht in seiner späteren „buddhistischen“ „Philosophia perennis“; da-
zu siehe: Th. W. Adorno, Aldous Huxley und die Utopie, in: Prismen, Mün-
chen 1963, S. 105

423 Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. I, Leipzig 1841,
S. XV; Hegels Lehre von der Religion und Kunst, Leipzig 1842, S. 59. (Dazu
siehe: Vorläufiges über Bruno Bauer, in: Deutsche Jahrbücher, 1841, S.
418.) Vgl. Bauers Rezension über Strauß’ „Christliche Glaubenslehre“,
Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 81-95; S. 84 in Anlehnung an Feuerbach:
„Sobald es entschieden ausgesprochen ist, dass der Standpunkt der Reli-
gion der praktische, der der Philosophie der theoretische ist, dass es sich
in der Philosophie um die Natur der Sache, in der Religion um die Bedürf-
nisse des Subjekts handele, so ist damit die letzte Entscheidung über das
Verhältnis der Religion und Philosophie gegeben.“ – Zu Bauers Religions-
kritik siehe: G. Runze: Bruno Bauer redivivus, Berlin 1934, S. XIII f.; S.
Hook: From Hegel to Marx, London 1936, S. 90 ff.; H. Steußloff: Bruno
Bauer als Junghegelianer und Kritiker der christlichen Religion, in: Deut-
sche Zeitschrift für Philosophie, Heft 9/ 1963; M. Kegel: Bruno Bauer und
seine Theorien über die Entstehung des Christentums, Leipzig 1908; D.
Hertz-Eichenrode: Der Junghegelianer Bruno Bauer im Vormärz, Berlin
1959, S. 13 ff.; A. Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tü-
bingen 1913, S. 141 ff.

424 Die Posaune, S. 170

425 Die Posaune, S. 172

426Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 115. Vgl. Die gute Sache der
Freiheit und meine eigene Angelegenheit, Zürich und Winterthur 1842, S.
209: „Die Theorie, die uns so weit geholfen hat, bleibt auch jetzt noch un-
sere einzige Hilfe, um uns und andere frei zu machen. Die Geschichte, ü-
ber die wir nicht gebieten und deren entscheidende Wendungen über die
absichtliche Berechnung hinausliegen, wird den Schein stürzen und die
Freiheit, die uns die Theorie gegeben hat, zur Macht erheben, die der Welt
eine neue Gestalt gibt.“
308

427Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. I, Leipzig 1841,


S. XXIV

428 Literatur-Zeitung, Heft 11/12, S. 45

429 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. Karl


Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 1, Berlin 1964, S. 385

430 Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 85; hinsichtlich der Religion sagt Bau-
er: „Gegen ein Wesen, welches mir durchaus fremd bleiben soll, kann ich
mich nicht theoretisch verhalten, d. h. ich kann mich mit ihm nicht ver-
ständigen...“

431Bekenntnisse einer schwachen Seele, Deutsche Jahrbücher, 1842, S.


594

432Vgl. Das entdeckte Christentum, S. 92: „Um theoretische Ausgleichung


der Gegensätze, d. h. um Fortschritt des allgemeinen Bewusstseins, wie in
den wissenschaftlichen Kämpfen, ist es den religiösen Sekten nicht zu tun,
sondern um die praktische Frage der völligen Ausschließung handelt es
sich...“

433 Ebenda, S. 94

434 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 15, S. 108

435Siehe: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, Kritik von D. F. Strauß,


Berlin 1835, Nr. 109-113; 1836, Nr. 86-88. Zeitschrift für spekulative
Theologie, Berlin 1836; Der mosaische Ursprung der Gesetzgebung des
Pentateuch, 1837; Die neueren Kommentare zu den Psalmen, 1838; Apo-
logetisches und Kritisches zum biblischen Bericht von der Urgeschichte
der Menschheit

436 Kritik der Geschichte der Offenbarung, Bd. I, Berlin 1838, Einleitung,
S. XXIII; S. LI: „An seinem Nichtsein hat das Selbstbewusstsein des abso-
luten Geistes, so lange es im Werden begriffen ist, die Schranke, welche
seine Allgemeinheit begrenzt und zu endlichen Gestalten herabzieht.“

437Herr Dr. Hengstenberg. Kritische Briefe über den Gegensatz des Geset-
zes und des Evangeliums, Berlin 1839, S. 70: „Das gesetzliche Bewusst-
sein ist an dieses bestimmte Volk geknüpft... ist also gegen die andern
Völker ausschließend.“
309

438Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker und des Johannes,


Bd. III, Braunschweig 1842, S. 315; Bd. II, S. 157. Vgl. Die Judenfrage,
Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1100, 1113 ff.

439Das entdeckte Christentum, S. 109, 92, 149. Vgl. Hegels Lehre von der
Religion und Kunst von dem Standpunkt des Glaubens aus beurteilt, Leip-
zig 1842, S. 48; Theologische Schamlosigkeiten, Deutsche Jahrbücher
1841, S. 465

440 Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. III, S. 309 f.

441 Die Judenfrage, Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1101. – Dazu, dass die
Christen eher als die Juden emanzipiert werden könnten, siehe: Die Fä-
higkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden, in: Einundzwan-
zig Bogen aus der Schweiz, Zürich und Winterthur 1843, S. 69. Vgl. auch:
G. Julius: Bruno Bauer und die Judenfrage, in: Wigands Vierteljahres-
schrift, Bd. I, Leipzig 1844, S. 282 ff.

442 Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1125 f.

443 Siehe auch: Das entdeckte Christentum, S. III: „... soll oder kann der
Leisten oder die Stecknadel die ganze Seele des Menschen ausfüllen? Soll
der Mensch darin seine Religion finden, dass er zeitlebens nichts anderes
tut, als diese bestimmte Maschine für die Zubereitung einer bestimmten
Schraube zu beaufsichtigen? Soll den Menschen noch etwas Ausschließli-
ches beherrschen? Soll er nicht dazu gebildet werden, das er von keiner
allgemeinen Angelegenheit der Menschheit und Geschichte mehr ausge-
schlossen ist?“ Vgl. S. 132 die „Prophezeiung von der totalen Umwandlung
aller Lebensverhältnisse“ und Edgar Bauers Ausführungen über die „Revo-
lution der Menschheit“ in: Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842, S.
89 ff.

444Zur Judenfrage. Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke, Bd. I, Berlin


1964, S. 350 f.

445 Die Judenfrage, Deutsche Jahrbücher 1842, S. 1096

446Der christliche Staat und unsere Zeit, Deutsche Jahrbücher, 1841, S.


553

447Vgl. Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. III, S. 309;
Marx’ Brief an Ruge vom Mai 1843 in den „Deutsch-Französischen Jahr-
büchern“, Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. I, Berlin 1961, S. 342
310

448Kritik der Evangelien und Geschichte ihres Ursprungs, Bd. I, Berlin


1850, S. V

449 Vgl. Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 88: „... selbst diejenigen,
denen Staatsbürgerrechte durch die Geburt oder durch besondere Gnade
verliehen zu sein scheinen, sind dem allgemeinen Elend nicht entnommen.
Ihr Elend ist nur ein glänzendes, also um so miserabler.“

450 Ebenda, S. 96

451 Das entdeckte Christentum, S. 138

452 Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 81

453 Zu Stirner siehe John Henry Mackay: Max Stirner. Sein Leben und
sein Werk, Berlin 1898, S. 67 ff. Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Drei-
ßig. Gesammelte Werke, Bd. 2, Berlin 1920, S. 45 ff.

454 Rezensenten Stirners. Entgegnung an Feuerbach, Szeliga und Heß, in:


Max Stirners kleinere Schriften und seine Entgegnungen auf die Kritik
seines Werkes „Der Einzige und sein Eigentum“. Aus den Jahren 1842-
1847. Herausg. v. J. H. Mackay, Berlin 1898 (später abgekürzt als: Kleine-
re Schriften), S. 147. Diese Entgegnung erschien zuerst in: Wigands Vier-
teljahresschrift, Bd. 3, 1845, S. 147-194

455Der Einzige und sein Eigentum, Leipzig 1892 (später abgekürzt als: Der
Einzige), S. 164

456 Ebenda, S. 174

457 Charakteristik Ludwig Feuerbachs, in: Wigands Vierteljahresschrift,


Bd. 3, S. 124; S. 138 ff. behauptet Bauer, auch Marx und Engels hätten in
der „Heiligen Familie“ nur Feuerbachs Dogmatismus weiterentwickelt.

458Rezension der „Posaune“ im „Telegraph für Deutschland“, Januar 1842


(wieder abgedruckt im „Literaturmagazin“, 17. Febr. 1900)

459Gegenwort eines Mitgliedes der Berliner Gemeinde wider die Schrift der
siebenundfünfzig Berliner Geistlichen: Die christliche Sonntagsfeier, ein
Wort der Liebe an unsere Gemeinden (Leipzig 1842), in: G. Mayer: Die An-
fänge des politischen Radikalismus im vormärzlichen Preußen, Zeitschrift
für Politik, Bd. 6, 1913, Anhang, S. 98, 105
311

460 Der Einzige, S. 175

461 Vgl. Kurt Adolf Mauzt: Die Philosophie Max Stirners im Gegensatz zum
Hegelschen Idealismus, Berlin 1936, S. 57. – Diese Abhandlung dringt am
tiefsten in Stirners Theorie ein; unkritisch sind dagegen die älteren Schrif-
ten von R. Schellwein, A. Ruest, M. Messer, B. Lachmann, H. Schultheiß,
A. v. Winterfeld, H. Engert, M. J. P. Lucchesi, G. Lehmann (siehe Litera-
turverzeichnis)

462 Szeliga: Der Einzige und sein Eigentum, in: Norddeutsche Blätter für
Kritik, Literatur und Unterhaltung, März 1845; M. Heß: Die letzten Philo-
sophen, Darmstadt 1845; K. Fischer: Moderne Sophisten, in: Die Epigo-
nen, Bd. V, 1848, S. 277 ff.; K. Schmidt: Das Verstandestum und das In-
dividuum, Wigands Vierteljahresschrift 1845

463 Kleine Schriften, S, 113; vgl. S. 118, 180

464Der Einzige, S. 177, 397 f. Siehe auch Willy Moog: Hegel und die Hegel-
sche Schule, München 1930, S. 467

465Der Einzige, S. 405; vgl. S. 176, 198, 389 f., 408, 410 f., 415; Kleine
Schriften, S. 134, 172

466Kleine Schriften, S. 30; vgl. S. 19 f. – Dieser Artikel erschien in Beiblät-


tern zu vier Nummern der „Rheinischen Zeitung“ im April 1842, als Marx
zwar schon ihr Mitarbeiter, aber noch nicht ihr leitender Redakteur war,
was übersehen wird von George Woodcock (dem Verfasser von „Anar-
chism“, London 1962) in „The Encyclopedia of Philosophy“, Bd. 8, New Y-
ork/London 1967, S. 17

467Dieser Terminus wird zur Bezeichnung des Individuums in der Haupt-


schrift wiederholt gebraucht.

468 Kleine Schriften, S. 21, 24, 25 f.; Der Einzige, S. 429

John Locke: An essay concercing human understandig, III, 3, § 11, The


469

Works of John Locke, Vol. II, London 1823, S. 172

470 Jenseits von Gut und Böse, Nietzsches Gesammelte Werke, Bd. 15,
München 1925, S. 29; Aus dem Nachlaß, Bd. 16, S. 99. (Zu Nietzsches von
Overbeck bezeugter Kenntnis Stirners siehe: K. Löwith: Von Hegel zu
Nietzsche, a. a. 0., S. 204. Anders Egon Friedell, der Stirner missversteht
312

und sogar in die Nähe von Novalis rückt, und zwar in seiner „Kulturge-
schichte der Neuzeit“, München 1960, S. 1073 f.) Zu Nietzsches Zurück-
führung des Erkenntnistriebs auf „Instinkte“ und einen „Aneignungs- und
Uberwältigungstrieb“ siehe auch zum Beispiel: Der Wille zur Macht, eben-
da, Bd. 18, München 1926, S. 295

471 Der Einzige, S. 159, 410

472 Kleine Schriften, S. 77 f.

473 Ebenda, S. 102; vgl. Der Einzige, S. 273

474 Der Einzige, S. 22

475Ebenda, S. 420; vgl. S. 150: „Ich brauche den Menschen nicht erst in
Mir herzustellen, denn er gehört mir schon, wie alle meine Eigenschaften“;
siehe auch: Kleine Schriften, S. 138, 154

476 Der Einzige, S. 385. Siehe auch Anmerkung 109

477 Der Einzige, S. 382 f.

478Vgl. K. Marx/F. Engels: Die deutsche Ideologie, Karl Marx, Friedrich


Engels, Werke, Bd. 3, Berlin 1962 (später abgekürzt als: Die deutsche I-
deologie), S. 415

479Der Einzige, S. 132, S. 370. Vgl. auch Stirner: Geschichte der Reaktion,
2 Bde., Berlin 1852. Trotz mancher Übereinstimmung mit Stirner bewertet
Camus Revolte und Revolution gerade umgekehrt: „Die Revolte geht vom
Nein aus, das sich auf ein Ja stützt, die Revolution geht von der absoluten
Verneinung aus... Die eine ist schöpferisch, die andere nihilistisch.“ (A.
Camus: Der Mensch in der Revolte, Hamburg 1953, S. 256; vgl. S. 67 ff.)

480 Siehe dazu Daniel Guérin: Anarchismus, Frankfurt am Main 1967, S. 8


ff.; Max Nettlau: Der Vorfrühling der Anarchie, Berlin 1925, S. 169 ff.; Vic-
tor Basch: L’ individualisme anarchiste, Paris 1904, S. 225 ff.; Julius
Braunthal: Geschichte der Internationale, Bd. 1, Hannover 1961, S. 184
ff.; Werner Hofmann: Ideengeschichte der sozialen Bewegung des 19. und
20. Jahrhunderts, Berlin 1962, S. 16 ff., 197 ff. Vgl. auch Stirners Kritik
an Proudhon: Der Einzige, S. 290 ff.

481 W. I. Lenin, Werke, Bd. 31, Berlin 1959, S. 5 ff.


313

482 Der Einzige, S. 301

483 Ebenda, S. 303

484Ebenda, S. 299. Vgl. K. A. Mautz: Die Philosophie Max Stirners, a. a. 0.,


S. 128 f.

485 Der Einzige, S. 358 ff.

486 Siehe dazu: Die deutsche Ideologie, S. 425

487 Der Einzige, S. 317 ff.

488 Ebenda, S. 370

489 Ebenda, S. 372 ff.

490 Ebenda, S. 164 f. Vgl. Die deutsche Ideologie, S. 393 ff., 277

491Der Einzige, S. 175; vgl. S. 177: „Der theoretische Kampf kann nicht
den Sieg vollenden... Nur der egoistische Kampf... bringt alles ins Klare.“

492 Ebenda, S. 302

493 Ebenda, S. 138

494 Die deutsche Ideologie, S. 263; vgl. S. 346: „Sankt Sancho kennt nur
,Dinge‘ und ,Iche‘, und von allem, was nicht unter diese Rubriken passt,
von allen Verhältnissen kennt er nur die abstrakten Begriffe, die sich ihm
daher auch in ,Gespenster‘ verwandeln.“ Siehe im besonderen zu Stirners
abstrakter Bestimmung der Freiheit als Lossein und Machthaben (Der Ein-
zige, S. 185 f.), S. 282 ff. und S. 420: „Nähme Sancho indes das
,Freiwerden‘ einmal so, dass er nicht bloß von den Kategorien, sondern
von den wirklichen Fesseln frei werden wollte, so setzt diese Befreiung
wieder eine ihm mit einer großen Masse anderer gemeinsame Veränderung
voraus...“ – Zu Marx’ und Engels’ Kritik speziell an Stirners – von Girardin
wieder aufgenommenen – Projekt der Abschaffung des Staats ohne Ab-
schaffung der Klassen siehe auch: MEW, Bd. 7, S. 288 f., 417 ff. – Marx’
Kritik an Stirner ist für Mackay das „Äußerste an alberner und leerer
Wortspielerei“ (Max Stirner, Berlin 1910, 2. Auflage, S. 251). Ähnlich urtei-
len Rudolf Hirsch in der „Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte“,
Jahrg. 9, 1957, S. 246 ff., und Paul Kägi: Genesis des historischen Materi-
alismus, Wien 1965, S. 338
314

495 Vgl. Der Einzige, S. 205, Anmerkung; Kleine Schriften, S. 158: „... Dies
lässt Heß aus, weil er von den mit sich einigen Egoisten nichts weiter ver-
steht, als was Marx über den Krämer und die allgemeinen Menschenrechte
(z. B. in den deutsch-französischen Jahrbüchern) früher ausgesprochen
hat; er wiederholt das, ohne jedoch im mindesten die scharfsinnige Ge-
wandtheit seines Vorgängers zu erreichen.“

496Moses Heß: Philosophische und sozialistische Schriften 1837-1850, he-


rausgegegeben und eingeleitet von Auguste Cornu und Wolfgang Mönke,
Berlin 1961, S. 1961, S. 385 f. Vgl. Sozialistische Aufsätze 1841-1847, he-
rausg. v. Theodor Zlocisti, Berlin 1921, S. 194 f.

497 Ebenda, S. 386: „Stirner hätte nichts an der bestehenden Ausbeutung


des einen durch den andern zu tadeln, wenn diese gegenseitige Ausbeu-
tung eine unmittelbare, persönliche wäre... Stirner hat nichts gegen den
bestehenden praktischen Egoismus einzuwenden, als dass ihm das
,Bewusstsein‘ des Egoismus fehle.“ Vgl. Über das Geldwesen (1845), eben-
da, S. 335: „Das Geld ist das Produkt der gegenseitig entfremdeten Men-
schen, der entäußerte Mensch“; Kommunistisches Bekenntnis in Fragen
und Antworten (1846), ebenda, S. 361 f. – Zu Heß’ Kritik der Bauerschen
abstrakten Entgegensetzung von Selbstbewusstsein und Masse am Maß-
stab des einheitlichen „selbsttätigen Zeitgeistes“ und der Negation des Ge-
gensatzes von Gebildeten und Ungebildeten siehe den posthum veröffent-
lichten Artikel „Was wir wollen“ (1843), ebenda, S. 240 ff. – Dass Heß „vor
allem nicht Stirners ideologische Funktion enthüllen“ könne, behauptet
dagegen Guntolf Herzberg: Die Bedeutung der Kritik von Marx und Engels
an Max Stirner, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 16. Jahrg., 1968,
S. 1465

498 Ebenda, S. 384. Vgl. Über die sozialistische Bewegung in Deutschland,


veröffentlicht 1845 in Karl Grüns „Neue Anekdota“, ebenda, S. 295: „Das
philosophische Verhältnis... das Verhältnis der vollendeten deutschen Phi-
losophie, d. h. Feuerbachs, zum Sozialismus ist das Verhältnis des theore-
tischen Humanismus zum praktischen.“

499 Die heilige Geschichte der Menschheit; von einem Jünger Spinozas, e-
benda, S.72. Auf die messianischen Vorstellungen dieser Schrift kommt
Heß später wieder in seinem Buch „Rom und Jerusalem“ (1862) zurück,
mit dem er lange vor Theodor Herzl den Zionismus begründet. – Zu Heß’
Interpretation der Weltgeschichte als Heilsgeschichte siehe H. Stuke: Phi-
losophie der Tat, Stuttgart 1963, S. 196 ff.
315

500 Die europäische Triarchie, Vorwort, ebenda, S. 77

501 Ebenda, S. 120

502 Philosophie der Tat, ebenda, S. 211: „Leben ist Tätigkeit. Tätigkeit aber
ist Herstellung einer Identität durch Setzen und Aufheben seines Gegen-
teils, Erzeugung seines Gleichen... mit einem Worte ,Selbsterzeugung‘“.

503Ebenda, S. 222; vgl. S. 225: „Das materielle Eigentum ist das zur fixen
Idee gewordene Fürsichsein des Geistes.“ Dazu, dass für Heß zwischen
geistiger und sozialer Freiheit ein Wechselwirkungsverhältnis besteht, sie-
he: Die eine und die ganze Freiheit, ebenda, S. 227

504Vgl. Philosophie der Tat, ebenda, S. 220. – Auf die Kategorie des Ha-
bens bei Heß verweist Marx in den „Ökonomisch-philosophischen Manu-
skripten“.

505 Die letzten Philosophen, ebenda, S. 386

506 Kleine Schriften, S. 159

507 Vgl. Die deutsche Ideologie, S. 362, 454

508 Vgl. Kleine Schriften, S. 156-158

509 Ebenda, S. 160

510Feuerbach: Das Wesen des Christentums in Beziehung auf den „Einzi-


gen und sein Eigentum“, Ludwig Feuerbachs Sämtliche Werke, neu he-
rausgegeben von Wilhelm Bolin und Friedrich Jodl, 10 Bände, Stuttgart
1903-1911 (später abgekürzt als: Werke), Bd. 7, S. 301, 308, 310. Vgl.
auch K. Löwith: Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen, München
1928, S. 13 ff. – Zu Marx’ und Engels’ Zurückweisung der Selbstbezeich-
nung Feuerbachs als Kommunist (wegen der ungeschichtlichen Abstrakt-
heit der Verwendung dieses Wortes) siehe: Die deutsche Ideologie, Werke,
Bd. 3, Berlin 1959, S. 41

510a Zu Feuerbachs Eudämonismus siehe auch die Spätschrift „Über Spiri-


tualismus und Materialismus“, Werke, Bd. 10, S. 91 ff. Vgl. F. Jodl: Ge-
schichte der Ethik, Bd. 2, Stuttgart und Berlin 1923, S. 246 f.

Vgl. Ergänzungen und Erläuterungen zum „Wesen der Religion“ (1845),


511

Werke, Bd. 7, S. 392: „Leben ist Egoismus. Wer keinen Egoismus will, der
316

will, dass kein Leben sei.“ (Teilweise gesperrt im Original.) Vorlesungen


über das Wesen der Religion (1848/49), Werke, Bd., 8, S. 63: „Ich verstehe
unter Egoismus das seiner Natur und folglich... seiner Vernunft gemäße
sich selbst Geltendmachen, sich selbst Behaupten...“

512Das Wesen des Christentums, Ausgabe in zwei Bänden, herausgegeben


von Werner Schuffenhauer Berlin 1956 (später abgekürzt als: Wesen des
Christentums), Bd. I, S. 188, 190 f.

513 Wesen des Christentums, Bd. II, S. 305 f., Bd. I, S. 188

514 Ebenda, Bd. I, S. 188

515Ebenda, Bd. I, S. 192 f. Vgl. Grundsätze der Philosophie der Zukunft


(1843; später abgekürzt als: Grundsätze), § 29, Werke, Bd. 2, S. 289: „Die
Vernunft hatte an der Materie ihre Grenze.“

516 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 194. Vgl. zu der von Leibniz zuerst
aufgeworfenen auch von Schelling, Marx und Heidegger behandelten Fra-
ge, warum überhaupt etwas ist und nicht nichts, S. 94 Anmerkung, und:
Zur Kritik der Hegelschen Philosophie (1839), Werke, Bd. 2, S. 196: „Das
Denken des Nichts ist ein sich selbst widerlegendes Denken.“

517Wesen des Christentums, Bd. I, S. 186, 194, 172 ff. ; Bd. II, S. 304. Das
Wesen der Religion (1845; Werke, Bd. 7, S. 476 ff. – Wegen der Auffassung
des Wunders tritt Marx auf Feuerbachs Seite in dem Artikel „Luther als
Schiedsrichter zwischen Strauß und Feuerbach“, Werke, Bd. 1, Berlin
1961, S. 26 f.

518 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 216, 221, 238 ff.

519 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 62

520 Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie (1842; später abgekürzt
als: Thesen), Werke, Bd. 2, S. 231 (Im Original gesperrt)

521 Vgl. Wesen des Christentums, Bd. I, S. 36 f.

522 Ebenda, S. 56 (Im Original teilweise gesperrt)

523 Ebenda, S. 202

524 Ebenda, S. 215 f., 227


317

525Ebenda, S. 216; Bd. II, S. 293, Anmerkung. (Im Original teilweise ge-
sperrt)

526 Ebenda, Bd. II, S. 334 (Im Original gesperrt)

527 Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie (1842; später abgekürzt
als: Thesen), Werke, Bd. 2, S. 222. – Zu Feuerbachs früher, aber dilettan-
tisch bleibender Beschäftigung mit den Naturwissenschaften siehe beson-
ders den Brief an Johann Adam Karl Roux vom Mai 1837, in: Ludwig Feu-
erbach, Briefwechsel, Leipzig 1962 (später abgekürzt als: Briefwechsel), S.
107 f.

528 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 183

529 Vgl. ebenda, S. 268 f.

530 Ebenda, Bd. II, S. 335, 339

531 Ebenda, Bd. I, S. 258

532Grundsätze, § 53, Werke, Bd. 2, S. 315; vgl. Wesen des Christentums,


Bd. II, S. 390 f., 403 f.

533 Wesen des Christentums, Bd. II, S. 407

534 Grundsätze, § 63, 57, Werke, Bd. 2, S. 319, 317 f.

535 Grundsätze, § 25, Werke, Bd. 2, S. 283

536 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 16. – Dazu, dass Feuerbach Kants
moralische Interpretation der Religion als partiell zutreffend akzeptiert,
und zur Betrachtung des Willens unter moralischem Aspekt siehe: Bd. I,
S. 99 ff.

537Vgl. Kritik des Antihegel (1835), Werke, Bd. 2, S. 77 ff. Wesen des Chri-
stentums, Bd. I, S. 43; S. 148: „Beschränkt ist das Wissen des einzelnen,
aber unbeschränkt die Vernunft, unbeschränkt die Wissenschaft...“

538Kritische Bemerkungen zu den Grundsätzen der Philosophie (aus dem


Nachlass), Werke, Bd. 2, S. 324. Vgl. Grundsätze, § 42, ebenda, S. 305. –
Dagegen wird in dem Lehrbuch Marxistische Philosophie, Berlin 1967, S.
497 f. behauptet: hinsichtlich des Erfassens der qualitativen Eigenart der
318

rationalen Erkenntnis, des Denkens, „ging nur die Erkenntnistheorie Feu-


erbachs über die Anschauungen des englischen und französischen Materi-
alismus hinaus.“

539 Siehe Thesen, Werke, Bd. 2, S. 238

540 Grundsätze, § 43, Werke, Bd. 2, S. 305 f. Vgl. dazu: Die deutsche Ideo-
logie, Werke, Bd. 3, Berlin 1962, S. 45

541 Kritik des Idealismus. Von F. Dorguth (1838), Werke, Bd. 2, S. 135 f.
(Im Original gesperrt). Hier führt Feuerbach berechtigte antizipierende
Einwände an gegen die Auffassungen der späteren Vulgärmaterialisten
vom Denken als bloßem materiellen, physikalisch-chemischen Prozess,
darunter diesen: „Wäre das Denken selbst ein physiologischer Akt, so wä-
ren auch die Gedanken physiologische Objekte, die sich ebenso gut der
Experimentalphysik oder Chemie unterwerfen ließen wie der Magensaft...“
(So in der Erstveröffentlichung in den Hallischen Jahrbüchern, 1838, S.
599.) Zu Feuerbachs späterer Stellung zu Moleschott siehe die Schrift „Die
Naturwissenschaft und die Revolution“ (1850)“, in der er – nicht in vollem
Ernst – das Scheitern der Revolution auf die falsche Diät des Volkes zu-
rückführt und im Geiste Brillat-Savarins sagt: „Der Mensch ist, was er
isst.“ (Bd. 10, S. 22 ff.; vgl. Das Geheimnis des Opfers oder Der Mensch
ist, was er isst, ebenda, S. 41ff.)

542Grundsätze, § 27, Werke, Bd. 2, S. 287 f. – In der „Deutschen Ideologie“


wird diese Stelle als „Beispiel von der Anerkennung und zugleich Verken-
nung des Bestehenden“ angeführt (Werke, Bd. 3, Berlin 1959, S. 42)

543 Feuerbachs Einstellung wird prinzipiell auch nicht dadurch geändert,


dass er gelegentlich in den nachgelassenen Aphorismen äußert: „Die Frei-
heit ist allerdings das Höchste; aber sie ist ebenso wenig wie die Idee An-
fang, sondern Ziel; kein physisches, angeborenes Vermögen - der Mensch
ist nicht freigeboren – sie ist Resultat der Bildung, freilich auch auf Grund
angeborener, entsprechender Anlagen.“ (Werke, Bd. 10, S. 314)

544 Grundsätze, § 32, Werke, Bd. 2, S. 296. – Vgl. auch Feuerbachs Kritik
an der spekulativen Auffassung der Natur als des anderen des Geistes in:
Das Wesen der Religion, Werke, Bd. 7, S. 457. - Von den durch Feuerbach
beeinflussten, aber die Dialektik nicht preisgebenden russischen Materia-
listen hält A. I. Herzen die Vernunft für das Kriterium der Wahrheit (siehe
seine „Briefe über das Studium der Natur“), Tschernyschewski aber – ähn-
lich wie Marx – die Praxis (vgl. Ausgewählte philosophische Schriften,
Moskau 1953, S. 689).
319

545 Grundsätze, § 25, Werke, Bd. 2, S. 283 (Im Original teilweise gesperrt)

546 Ebenda, § 33, S. 297

547 Ebenda, § 28, S. 287. Vgl. Darstellung, Entwicklung und Kritik der
Leibnizschen Philosophie, Werke, Bd. 4, S. 256 f.: „Auf diese Gewissheit,
auf die Wahrheit des alter ego, des Menschen außer mir, auf die Wahrheit
der Liebe, des Lebens, der Praxis, nicht auf die theoretische Bedeutung der
Sinne,... nicht auf Locke und Condillac gründet sich auch bei mir... die
Wahrheit der Sinne.“ Vgl. den Brief an Ruge vom Juni 1843, Briefwechsel,
S. 177: „Was ist Theorie, was Praxis? Worin besteht ihr Unterschied? The-
oretisch ist, was nur in meinem Kopfe steckt, praktisch, was in vielen Köp-
fen spukt. Was viele Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit
Platz in der Welt.“

548 Das Wesen des Christentums, Bd. I, S. 122; vgl. S. 117 ff., 226 f.; Bd.
II, S. 408, Fußnote. Siehe auch Thesen, Werke, Bd. 2, S. 233 ff. Zur Un-
terscheidung zwischen „Herz“ und „Gemüt“ siehe: Simon Rawidowicz,
Ludwig Feuerbachs Philosophie, Ursprung und Schicksal, Berlin 1931
(später abgekürzt als: Rawidowicz), S. 91, Anm. 4: „Während das Herz be-
sonders aktiv auf das Wirkliche. gerichtet ist, ist das Gemüt ganz und gar
passiver Natur.“

549 Das Wesen des Christentums, Bd. I, S. 251 f.; siehe zur Vermittlung
der Erkenntnis natürlicher Gegenstände durch das Dasein und das über-
einstimmende Urteil anderer Menschen auch S. 148. Vgl. weiter Grundsät-
ze, § 41, Werke, Bd. 2, S. 304: „Die Gewissheit selbst von dem Dasein an-
derer Dinge außer mir ist für mich vermittelt durch die Gewissheit von
dem Dasein eines anderen Menschen außer mir. Was ich allein sehe, dar-
an zweifle ich; was der andere sieht, das erst ist gewiss. Zur Kritik der He-
gelschen Philosophie, Werke, Bd. 2, S. 171: „Was wahr, ist weder mein,
noch dein ausschließlich, sondern allgemein. Der Gedanke, in dem sich Ich
und Du vereinigen, ist ein wahrer.“

550 Zur Kritik der Hegelschen Philosophie, Werke, Bd. 2, S. 165 ff.

551Ebenda, S. 175 (vgl. über den „unkritischen Objektivismus“ Hegels S.


202); Ruge: Aus früherer Zeit, S. 602; Marx: Nationalökonomie und Philo-
sophie, in Karl Marx: Die Frühschriften, herausg. v. Siegfried Landshut,
Stuttgart 1964, S. 278

552 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 53 (Im Original teilweise gesperrt)


320

553 Ebenda, Bd. II, S. 409. – Vgl. dagegen Rawidowicz, S. 312

554 Ruges Briefwechsel und Tagebuchblätter, Bd. I, S. 224, 258 ff., 275
(vgl. Albert Lévy: La Philosophie de Feuerbach et son influence sur la litté-
rature allemande, Paris 1904, S. 215 ff.); F. Engels: Schelling und die Of-
fenbarung (1842), MEGA, Bd. 2, S. 225: „Und so ist Feuerbachs Kritik des
Christentums eine notwendige Ergänzung zu der von Hegel begründeten
spekulativen Religionslehre.“

555 Zur Beurteilung der Schrift: „Das Wesen des Christentums“, Werke, Bd.
7, S. 265 f. Zu Feuerbachs Abgrenzung von Bauers Philosophie des
Selbstbewusstseins vgl.: Thesen, Werke, Bd. 2, S. 242. – Zu Feuerbachs
früher antitheologischer Tendenz und zu seiner im Gegensatz zu Hegel
auch inhaltlichen Trennung von Philosophie und Religion vor dem Er-
scheinen des „Wesen. des Christentums“ siehe besonders: Satirisch theo-
logische Distichen (1830), Werke, Bd. 1, S. 367 ff.; Kritik der christlichen
oder „positiven“ Philosophie (1838), Werke, Bd. 7, S. 128 ff.; Über Philoso-
phie und Christentum... (1839), Werke, Bd. 7, S. 47: „Ungeachtet aller
Vermittlungsversuche ist die Differenz zwischen (positiver) Religion und
Philosophie eine unaustilgbare... Die Basis der Philosophie ist das Denken,
die Basis der Religion das Gemüt und die Phantasie.“

556Vgl. Auguste Cornu: Karl Marx und Friedrich Engel Bd. 2, Berlin 1962,
S. 198; Max Gustav Lange in: Ludwig Feuerbach, Kleine philosophische
Schriften, Leipzig 1950, Einleitung, S. 20; Werner Schuffenhauer in: Brief-
wechsel, Einleitung, S. XXXIV

557Wesen des Christentums, Bd. I, S. 101. Vgl. auch K. Löwith: Von Hegel
zu Nietzsche, Stuttgart, S. 189

558 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 37

559 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 46 f. Vgl. Zur Beurteilung der


Schrift: Das Wesen des Christentums, Werke, Bd. 7, S. 266: „Ich tadle
Schleiermacher nicht deswegen, wie Hegel, dass er die Religion zu einer
Gefühlssache machte, sondern nur deswegen, dass er aus theologischer
Befangenheit nicht dazu kam und kommen konnte, die notwendigen Kon-
sequenzen seines Standpunktes zu ziehen, dass er nicht den Mut hatte,
einzusehen und einzugestehen, dass objektiv Gott selbst nichts anderes ist
als das Wesen des Gefühls, wenn subjektiv das Gefühl die Hauptsache der
Religion ist.“ – Zu Feuerbachs Stellung zu Schleiermacher, Lavater und
Jacobi siehe auch: Rawidowicz, S. 263
321

560 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 49; vgl. S. 91

561Ebenda, S. 92; vgl. S. 50: „Im Verhältnis zu den sinnlichen Gegenstän-


den ist das Bewusstsein des Gegenstandes wohl unterscheidbar vom
Selbstbewusstsein, aber bei dem religiösen Gegenstand fällt das Bewusst-
sein mit dem Selbstbewusstsein unmittelbar zusammen.“ Vgl. auch fol-
gende widersprüchliche Äußerungen: „Wirkliches, sinnliches Sein ist sol-
ches, welches nicht abhängt... von meiner Tätigkeit, sondern... welches ist,
wenn ich auch gar nicht bin, es gar nicht denke, fühle.“ (Bd. II, S. 312.) „...
wenn keine Vernunft, kein Bewusstsein wäre, Alles Nichts, das Sein gleich
Nichtsein wäre.“ (Bd. I, S. 93)

562 Ebenda, Bd. I, S. 40

563 Vgl. Rawidowicz, S. 104, 108 f.

564 Vgl. Thesen, Werke, Bd. 2, S. 239: „Das wahre Verhältnis vom Denken
zum Sein ist nur dieses: das Sein ist Subjekt, das Denken Prädikat. Das
Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken. Sein ist
aus sich und durch sich – Sein wird nur durch Sein gegeben...“ – Diese
Auffassung übernimmt Marx und macht sie zum Angelpunkt seiner an-
fänglichen Auseinandersetzung mit Hegel, vor allem mit dessen Rechtsphi-
losophie in der „Kritik des Hegelschen Staatsrechts“ (1843), indem er das
Individuum als wirkliches Subjekt der Familie, die Individuen und die Fa-
milie als wirkliches Subjekt der Gesellschaft und die Gesellschaft als wirk-
liches Subjekt des Staats bestimmt und nicht vice versa wie Hegel; siehe
Kritik des Hegelschen Staatsrechts, Werke, Bd. 1, Berlin 1964 S. 203 ff.

565 Vgl. Grundsätze, § 7, Werke, Bd. 2, S. 249 ff. Siehe auch: Werner Schil-
ling: Feuerbach und die Religion, München 1957, S. 16 f.

566Pierre Bayle, ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Mensch-
heit, Werke, Bd. 5, S. 214

567 Ebenda, S. 192

568 Vgl. Werke, Bd. 2, S. 363: „Gäbe es keine Natur, nimmermehr brächte
die unbefleckte Jungfer Logik eine aus sich hervor.“

569 Siehe Rawidowicz, S. 72

570 Brief an Hegel vom 22. XI. 1828, Werke, Bd.4, S. 358
322

571Über meine „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“, Werke, Bd. 1, S.


192. – Wenn J. E. Erdmann und im Anschluss H. Glockner bemängeln,
dass Feuerbachs „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“ „ganz auf dem
Gegensatz des Unendlichen und des Endlichen, des Wesens und der Er-
scheinung usw. beruhte, über den nach Hegel nur der abstrakte Verstand
nicht hinauskommt“ (J. E. Erdmann, Grundriss der Geschichte der Philo-
sophie, 2. Aufl. 1870, § 366; vgl. Wesen des Christentums, Bd. II, S. 661),
so ist für Feuerbach charakteristisch, dass er diese Gegensätze tatsächlich
unversöhnt nebeneinander bestehen lässt, nämlich unversöhnt in der
Theorie, um sie später praktisch – mittels der Liebe – zur Vereinigung
bringen zu wollen.

572Fragmente zur Charakteristik meines philosophische Entwicklungs-


ganges (1827-28), Werke, Bd. 2, S. 364

573 Vgl. Wesen des Christentums, Bd. II, S. 376

574 Ebenda, Bd. I, S. 19

575 Ebenda, Bd. II, S. 409

576Zur Kritik der Hegelschen Philosophie, Werke, Bd. 2, S. 194; vgl. Brief
an Otto Wigand vom 5. 1. 1841, Briefwechsel, S. 142. Siehe dazu auch:
Hermann Henne: Die religionsphilosophische Methode Feuerbachs, Borna-
Leipzig 1918, S. 40 ff.

577Vgl. zu Feuerbachs Stellung zu Strauß und Bauer besonders die Vorre-


de zum Wesen des Christentums, Bd. I, S. 26 f. Siehe auch Rawidowicz, S.
97 ff.

578 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 75 Anm.

579 Siehe Grundsätze, § 47, Werke, Bd. 2, S. 309 f.

580 Grundsätze, § 1, Werke, Bd. 2, S. 245

581 Grundsätze, § 15, Werke, Bd. 2, S. 266

582F. Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deut-
schen Philosophie, Werke, Bd. 21, Berlin 1962, S. 286

583 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 225 (Im Original teilweise gesperrt)


323

584Vgl. Wider den Dualismus von Leib und Seele, Werke, Bd. 2, S. 336,
339 ff.

585 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 17

586 Grundsätze, § 64, Werke, Bd. 2, S. 319

587Thesen, Werke, Bd. 2, S. 235. Vgl. Über den „Anfang der Philosophier
(1841), Werke, Bd. 2, 5.208. – Den Glauben meint dagegen mit dem Aus-
druck „Nicht philosophie“ der Schellinganhänger K. A. Eschenmayer in
seiner Schrift „Die Philosophie in ihrem Übergang zur Nichtphilosophie.“

588 Grundsätze, § 51, Werke, Bd. 2, S. 314

589Vgl. Zur Beurteilung der Schrift: „Das Wesen des Christentums“, Wer-
ke, Bd. 7, S. 273. – Vgl. Karl Rosenkranz: Hegel, Der Fakultätsphilosoph,
und L. Feuerbach, Der Menschheitsphilosoph, in: Studien, V, Leipzig
1848, S. 325 ff.

590 Siehe auch: Wesen des Christentums, Bd. I, S. 7; Brief an Otto Wigand
vom 5. I. 1841: „So theoretisch oder spekulativ aber der Gegenstand ist, so
liegt doch zugleich der Schrift ein tief praktisches Interesse zugrunde:
das... sowohl im Leben der Individuen als im Leben der Völker so unheil-
volle theologische – ja, nennen wir es offen – religiöse Prinzip, das die Köp-
fe unserer Regenten und selbst unserer großen Philosophen betört hat,
sollte hier... verfolgt und beleuchtet werden...“

591 Vorlesungen über das Wesen der Religion, Werke, Bd. 8, S. 29; vgl. S.
358: „Allein die Verneinung des Jenseits hat die Bejahung des Diesseits
zur Folge; die Aufhebung eines besseren Lebens im Himmel schließt die
Forderung in sich: es soll, es muss besser werden auf der Erde; sie ver-
wandelt die bessere Zukunft aus dem Gegenstand eines müßigen, tatlosen
Glaubens in einen Gegenstand der Pflicht, der menschlichen Selbsttätig-
keit. Allerdings ist es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass, wäh-
rend die einen Menschen alles haben, die anderen nichts haben... Die
notwendige Folgerung aus den bestehenden Ungerechtigkeiten und Übeln
des menschlichen Lebens ist einzig der Wille, das Bestreben, sie abzuän-
dern, aber nicht der Glaube an ein Jenseits, der vielmehr die Hände in den
Schoß legt und die Übel bestehen lässt.“ Vgl. S. 1: „Die Religion, der Ge-
genstand dieser Vorlesungen, hängt nun allerdings mit der Politik aufs In-
nigste zusammen...“
324

592 Notwendigkeit einer Veränderung (1842/43), in: Ludwig Feuerbach,


Kleine Schriften, Frankfurt 1966, S. 231 f. (Unvollständig ediert von Karl
Grün: Ludwig Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlass sowie in
seiner philosophischen Charakterentwicklung, Bd. 1, Leipzig und Heidel-
berg 1874, S. 406 ff.)

593 Ebenda, S. 221, 223, 233 f. – Vgl. Feuerbachs zweiseitige Antwort auf
die selbst gestellte Frage: „Wie hängt die Religion mit der Politik zusam-
men? Ist sie der Freiheit oder dem Despotismus günstig?“ Ergänzungen
und Erläuterungen zu „Das Wesen der Religion“, Werke, Bd. 7, S. 427. –
Die negative Seite wird besonders hervorgehoben in dem Brief an Christian
Kapp vom 2. VIII. 1842: „Der Protestantismus hat, ohne Basis, ohne Leben
in sich, die Rolle übernommen, die einst der Katholizismus hatte, nur dass
er seinem Prinzip... nach keine kirchliche, sondern weltliche Macht zur
Stütze seiner inneren Abgelebtheit, Hohlheit und Machtlosigkeit macht.“
Ausgewählte Briefe von und an Ludwig Feuerbach, herausgegeben und
biographisch eingeleitet von Wilhelm Bolin, Bd. 2, Leipzig 1904, S.105

594 Nachgelassene Aphorismen, Werke, Bd. 10, S. 314. Vgl. das Brieffrag-
ment vom Jahre 1844, Briefwechsel, S. 382: „Übrigens gehört zu den Auf-
gaben, die mir im Kopf noch spuken und keine Ruhe lassen auch die, die
praktischen Grundsätze der Philosophie der Zukunft zu geben... Aber
gleichwohl dürfen wir nur auf die Reformation zurückgehen, sie nur auflö-
sen in ihr Prinzip – so haben wir, was wir wollen: Keine Götzen mehr im
Himmel und keine mehr auf Erden.“ – Zu Feuerbachs zurückhaltender po-
litischer Tätigkeit im Frankfurter Parlament vgl. besonders die Briefe vom
3. III. 48 und 16. VIII. 48 an Otto Wigand sowie vom 30. VI. 48 und 14.
VII. 48 an seine Frau, Briefwechsel, S. 210, 226 ff., 219 ff.; siehe auch Ra-
widowicz, S. 314 f.

595 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 244. Siehe auch: Klaus Bockmühl: Leiblich-
keit und Gesellschaft, Göttingen 1961, S. 38 f. Zu Feuerbachs Stellung-
nahme gegen die einseitige Unterordnung der Freiheit des Individuums
unter den als Selbstzweck gefassten Staat siehe: Nachgelassene Aphoris-
men, Werke, Bd. 10, S. 312

596Thesen, Werke, Bd. 2, S. 236. Siehe auch S. 233 Feuerbachs Verknüp-


fung des von ihm abgelehnten „antigeschichtlichen Stabilitätsprinzips“ in
der politischen Praxis mit der Annahme außergeschichtlicher Existenz. –
Zu Feuerbachs Auffassung von Zeit und Raum als Wesensbestimmungen
von Sein und Denken siehe besonders: Grundsätze, § 44, Werke, Bd. 2, S.
306 ff. Gegen das Entstehenlassen der Dinge aus Raum und Zeit vgl.: Vor-
lesungen über das Wesen der Religion, Werke, Bd. 8, S. 148 f. Wenn Feu-
325

erbach außerdem dem Sein wesentlich die Bewegung zuschreibt, so nicht


als mechanische, sondern durchaus als dynamische, als „Qual“ im Sinne
Jakob Böhmes.

597Brief von Marx an Ruge vom 13. III. 1843, Werke, Bd. 27, Berlin 1963,
S. 417; Brief von Ruge an Marx vom 19. III. 1843, A. Ruge: Briefwechsel
und Tagebuchblätter, Bd. 1, Berlin 1886, S. 309

598 Brief an Arnold Rage vom 10. III. 1843, Briefwechsel, S. 172

599Brief an A. Ruge vom 20. VI. 1843, Briefwechsel, S.175. Zu Feuerbachs


Stellung zu Marx und Ruge, ihrer Auseinandersetzung und zu den Kom-
munisten siehe: Briefwechsel, S.371 ff.; Rawidowicz, S. 448 f.

600Brieffragment vom Jahre 1844, Briefwechsel S. 383; vgl. Brief an Ruge


vom Juni 1843 (veröffentlicht in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern
Paris 1844, S. 35), Briefwechsel, S. 177: „Neue Liebe, neues Leben, sagt
Goethe; neue Lehre, neues Leben heißt es bei uns.“

601 Karl Marx: Brief an den Vater vom 10. Nov. 1837, in: Karl
Marx/Friedrich Engels, Werke, Berlin 1964-68 (später abgekürzt als:
MEW), Ergänzungsband, Erster Teil, S. 4 ff. – Von Marx’ dichterischen
Versuchen ist besonders diese Strophe beachtenswert: „Nur nicht brütend
hingegangen/Ängstlich in dem niedern Joch,/Denn das Sehnen und Ver-
langen/Und die Tat, sie blieb uns doch“. (F. Mehring: Aus dem literari-
schen Nachlass von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle,
Bd. I, Berlin 1923, S. 28)

602 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 326. – Zu Marx’ späterer grund-


sätzlich positiver Einstellung zu seiner Dissertation vgl. die Briefe an Las-
salle vom 22. II. 1858 und 3. IV. 1858, MEW, Bd. 29, S. 549, 561

603 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 214

604 Ebenda, S. 327 f.

605 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 294, 283 f.

606 Siehe hierzu auch Dieter Henrich: Kant, Gentz, Rehberg, Über Theorie
und Praxis, Frankfurt a. M. 1967, Einleitung, S. 15. – Theorie und Praxis
bleiben bei Aristoteles getrennt, für sich gleichsam wie die beiden symboli-
schen Skulpturen Michelangelos in der Grabkapelle der Mediceer.
326

607Eduard Zeller: Die Philosophie und die Praxis, in: Jahrbücher der Ge-
genwart, 1843, S. 321 ff., 328. – Ähnlich will Michelet die Wissenschaft ins
„Leben“, die gedankliche Einheit von Wirklichkeit und Vernunft in die
Wirklichkeit einführen; vgl. Entwicklungsgeschichte der neuesten deut-
schen Philosophie, Berlin 1843, S. 315 ff., 397 ff. (K. Löwith: Von Hegel zu
Nietzsche, a, a. 0., S. 77)

608MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 328. - Zu Marx’ Unterscheidung


von den Junghegelianern siehe auch A. Cornu: Karl Marx und Friedrich
Engels, Bd. I, Berlin 1954, S. 159 ff.

609 F. Engels: Ernst Moritz Arndt (1841), MEW, Ergänzungsband, Zweiter


Teil, S. 125; vgl. Immermanns „Memorabilien“ (1841), ebenda, S. 148 f.;
Alexander Jung, Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen
(1842), MEW, Bd 1, S. 436 f.

610Hegel: Über das Wesen der philosophischen Kritik überhaupt und ihr
Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand der Philosophie insbesondere,
Werke, Bd. 1, S. 188 f.

611 Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Debatten über Preß-


freiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen, MEW, (Mai
1842) Bd. 1, S. 50. – Zu Marx’ Forderung der Verwirklichung der Theorie
siehe auch S. 68: „Die Deutschen sind von Natur devotest, alleruntertä-
nigst, ehrfurchtsvollst. Aus lauter Respekt vor den Ideen verwirklichen sie
dieselben nicht. Sie weihen ihnen einen Kultus der Anbetung, aber sie kul-
tivieren dieselben nicht. – Zu Marx’ Stellungnahme gegen die Zensur siehe
auch: Das Verbot der „Leipziger Allgemeinen Zeitung“, ebenda, S. 153-171.
– Von bleibender Relevanz ist Marx’ Feststellung in den „Bemerkungen ü-
ber die neueste preußische Zensurinstruktion“, dass „Gesetze, die nicht
die Handlung als solche, sondern die Gesinnung des Handelnden zu ihren
Hauptkriterien machen,... nichts als positive Sanktionen der Gesetzlosig-
keit“ sind; ebenda, S. 14

612 Debatten über die Pressfreiheit, MEW, Bd. 1, S. 47 f.

613Ebenda, S. 75. – Zu Marx’ Einleitung der Sinnesorgane in praktische


(Nase, Mund) und theoretische (Auge, Ohr), die er aus Hegels Ästhetik und
Naturphilosophie übernommen hat (vgl. oben Anm. 47), siehe ebenda, S.
31, 69

614Vgl. Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule (Au-


gust 1842), MEW, Bd. 1, S. 79: „Wie das Prinzip, so ist die Argumentation
327

Hugos positiv, d. h. unkritisch. Er kennt keine Unterschiede. Jede Exis-


tenz gilt ihm für eine Autorität, jede Autorität gilt ihm für einen Grund.“
(Im Original teilweise gesperrt.) Zu Marx’ Einstellung zur historischen
Rechtsschule siehe auch: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie.
Einleitung, ebenda, S. 380. Zu Engels’ Kritik an der historischen Rechts-
schule und ihrer Auffassung von „historischer, organischer, naturgemäßer
Entwicklung“ siehe: Tagebuch eines Hospitanten (1842), MEW, Ergän-
zungsband, Zweiter Teil, S. 253, wo er Preußens Heil noch „allein in der
Theorie, der Wissenschaft, der Entwickelung aus dem Geiste“ liegen sieht
und damit die anfängliche Überzeugung aller Junghegelianer teilt, der
preußische Staat sei die Verkörperung des reformatorischen Prinzips der
freiwilligen Entwicklung der Vernunft.

Der leitende Artikel in Nr. 179 der „Kölnischen Zeitung“ (Juli 1842),
615

MEW, Bd. 1, S. 97 f.

616 Ebenda, S. 17. – Vergleiche hiermit „Phänomenologie des Geistes“,


Werke, Bd. 2, S. 531: „Der Geist erscheint also hier als der Werkmeister,
und sein Tun, wodurch er sich selbst als Gegenstand hervorbringt, aber
den Gedanken seiner noch nicht erfasst hat, ist ein instinktartiges Arbei-
ten, wie die Bienen ihre Zellen bauen... Die Kristalle der Pyramiden und
Obelisken... sind die Arbeiten dieses Werkmeisters der strengen Form.“ –
Siehe auch S. 101 ff., wo Marx einen Widerstreit zwischen dem theoreti-
schen Anspruch und dem praktischen Leben der Christen sieht und in
diesem Widerstreit von Theorie und Praxis einen Beweis der Unwahrheit
erblickt.

617 Brief an Dagobert Oppenheim vom 25. VIII. 1842, MEW, Bd. 27, S. 409

618 Siehe dazu Werner Hofmann: Stalinismus und Antikommunismus,


Frankfurt a. M. 1968, S. 65; Henri Lefèbvre: Probleme des Marxismus,
heute, Frankfurt a. M. 1965, S. 128. – Aus diesem Grunde müssen die
frühen Versuche H. Marcuses, Sartres und Merleau-Pontys scheitern, ge-
schichtliche Dialektik und phänomenologische Ontologie zu einer Synthe-
se zu bringen; vgl. dazu Alfred Schmidt: Existential-Ontologie und histori-
scher Materialismus bei Herbert Marcuse, in: Antworten auf Herbert Mar-
cuse, Frankfurt a. M. 1968, S. 48 f.

619Der Kommunismus und die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ (Oktober


1842), MEW, Bd. 1, S. 108

620Siehe Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW, Bd. 13, S.
631 f.
328

621 Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz (Oktober/November 1842),


MEW, Bd. 1, S. 147. – Siehe dazu K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen,
Stuttgart 1960, S. 47

622 Vgl. Das Kapital, MEW, Bd. 23, S. 87 ff., S. 99 f.

623Rechtfertigung des ++ -Korrespondenten von der Mosel, MEW, Bd. 1, S.


177; vgl. S. 189, 195; Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 33

624 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Kritik des Hegelschen


Staatsrechts (1843), MEW, Bd. 1, S. 283 f., S. 232. – Während für Marx
die nachrevolutionären Zustände durch nur formale Gleichheit und forma-
le Freiheit gekennzeichnet sind, findet dagegen Alexis de Tocqueville in ih-
nen wirkliche Gleichheit und vermisst allein wirkliche Freiheit, obschon er
selbst die wirkliche Ungleichheit im zweiten Band der „Demokratie in Ame-
rika“ in dem Kapitel „Die Aristokratie des Geldes“ beschreibt.

625 Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW, Bd. 1, 5. 265. – Dazu, dass
Marx im Gegensatz zu Hegel die Gesellschaft als „Schlüssel zum Verständ-
nis des geschichtlichen Entwicklungsprozesses der Menschheit“ dem Staat
überordnet, siehe auch F. Engels: Karl Marx, MEW, Bd. 16, S. 361 ff. Ähn-
lich spricht Lorenz von Stein in seiner Schrift „Der Sozialismus und Kom-
munismus des heutigen Frankreichs“, Leipzig 1842, S. 446 f., von dem
„Versuch, jetzt den Staat durch den Begriff und das wirkliche Leben der
Gesellschaft gestalten und bedingen zu lassen.“

626Vgl. auch Th. W. Adorno: Zur Metakritik der Erkenntnistheorie, Stutt-


gart 1956, S. 27

627 Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW, Bd. 1, S. 216 f., 241

628 Ebenda, S. 296, 213

629 Marx an Ruge im Mai 1843, MEW, Bd. 1, S. 342

630 Marx an Ruge im September 1843, ebenda, S. 344

631 Ebenda, S. 345 f.

632 Ebenda, S. 346

633 Zur Judenfrage, MEW, Bd. 1, S. 354 f.


329

634 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,


S. 382 f.

635 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,


S. 384. Vgl. Engels: Die Lage Englands (1844), MEW, Bd. 1, S. 548 f.: „Die
englischen Sozialisten sind rein praktisch... sie verzweifeln an der Theorie
und halten sich für die Praxis an den Materialismus... Die Sozialisten sind
eben noch Engländer, wo sie bloß Menschen sein sollten, sie kennen...
nicht auch die deutsche Philosophie, das ist all ihr Mangel...“ Den Prakti-
zismus, die „reine Praxis“, betrachtet Engels als eine der Folgen der „Ver-
zweiflung an der Vernunft“ und der „Unfähigkeit, die Widersprüche, auf
die man in letzter Instanz geraten ist, zu lösen.“ (ebenda, S. 542, 553)

636 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,


S. 386

637 Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik, MEW, Bd. 2, S. 85
f.

638 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,


S. 381

639Hegel: Enzyklopädie, Die Wissenschaft der Logik, § 204 (Hamburg


1959, S. 178)

640 Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, MEW,


Ergänzungsband, Erster Teil, S. 584. – Es ließe sich nicht sagen, dass in
Marx’ Materialismus dadurch wieder – trotz der Umkehrung – eine Identi-
tät konzipiert würde, dass die Materie im menschlichen Geist zu sich
selbst käme, sich selbst anschaute und wie der Hegelsche absolute Geist
wiederum bei sich und somit frei wäre; denn geistlose Materie kann nicht
zur Selbstanschauung gelangen, d. h. der Kreis kann sich nicht schließen,
wenn der Ausgangspunkt selbst, das An sich, nicht geistig ist, abgesehen
davon, dass es „die“ Materie für Marx ebensowenig gibt wie „den“ Men-
schen.

641 Ebenda, S. 570

642 Ebenda, S. 573

643 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,


S. 391
330

644 Johannes Hirschberger (Geschichte der Philosophie, II. Teil, Frei-


burg/Basel/Wien 1965, S. 436) erklärt kurzweg alle Junghegelianer zu
Materialisten auf folgende Weise: „Und weil Geist und Natur auch iden-
tisch sind, die ,Natur‘ aber vielen Menschen näher zu liegen scheint, be-
stimmt die Hegelsche Linke den Inhalt des Identischen von dieser Seite her
und entwickelt jetzt einen pointierten Materialismus.“

645 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 18 f., 20; vgl. S. 27 f.; Ökono-
misch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S.
468, 568 f.; Engels: Die Kommunisten und Herr Heinzen (1847), MEW, Bd.
4, S. 321 f.: „Herr Heinzen bildet sich ein, der Kommunismus sei eine ge-
wisse Doktrin, die von einem bestimmten theoretischen Prinzip als Kern
ausgehe und daraus weitere Konsequenzen ziehe. Herr Heinzen irrt sich
sehr. Der Kommunismus ist keine Doktrin, sondern eine Bewegung; er
geht nicht von Prinzipien, sondern von Tatsachen aus. Die Kommunisten
haben nicht diese oder jene Philosophie, sondern die ganze bisherige Ge-
schichte und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den
zivilisierten Ländern zur Voraussetzung... Der Kommunismus, soweit er
theoretisch ist, ist der theoretische Ausdruck der Stellung des Proletari-
ats...“ – Löwith, der Marx, die Junghegelianer und auch Kierkegaard ne-
beneinander stellt, verfehlt also das Spezifische der Marxschen Praxiskon-
zeption, indem er es darin erblickt, dass Marx „die Welt auf Grund einer
umfassenden geschichtsphilosophischen Interpretation und theoretischen
Kritik verändern wollte.“ (Die Hegelsche Linke, Stuttgart-Bad Cannstatt
1962, S. 36)

646 K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 111. – Dass Marx
wie die Aufklärer die Religion als solche kritisiert, nicht nur wie die Früh-
sozialisten das Christentum oder die Kirche, dass aber andererseits für ihn
die Religionskritik nicht im Zentrum steht, dazu vgl. H. Gollwitzer: Marxis-
tische Religionskritik und marxistischer Glaube, in: Marxismusstudien,
Tübingen 1962, S. 23 f.

647 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 35; vgl. Ökonomisch-


philosophische Manuskripte, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 546: „Der
Kommunismus ist die notwendige Gestalt und das energische Prinzip der
nächsten Zukunft, aber der Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel
der menschlichen Entwicklung – die Gestalt der menschlichen Gesell-
schaft.“

648 Heinrich Popitz: Der entfremdete Mensch, Basel 1953, S. 129


331

649 Jürgen Habermas: Zur philosophischen Diskussion um Marx und den


Marxismus, in: Theorie und Praxis, Neuwied am Rhein und Berlin 1967, S.
285 f., 279. Vgl. auch Karl Korsch: Karl Marx, Frankfurt a. M. 1967, S. 3
ff., 204

650 Vgl. Werner Sombart: Der proletarische Sozialismus, 1924, Bd. I,


S.121; Johannes Plenge: Marx und Hegel, 1911, S. 15 ff.; Jakob Hommes:
Der technische Eros, Freiburg 1955,5.23 ff.; Pierre Bigo: Marxisme et hu-
manisme, Paris 1953,5.34; Erich Thier: Das Menschenbild des jungen
Marx, Göttingen 1957, S. 29 ff.; Jean-Yves Calvez: Karl Marx, Ol-
ten/Freiburg 1964, S. 111 ff.; Jean Hyppolite: Études sur Marx et Hegel,
Paris 1955, S. 147

651Ludwig Landgrebe: Das Problem der Dialektik, in: Marxismusstudien,


Tübingen 1960, Bd. 3, S. 8

652Siegfried Landshut: Karl Marx, Frühschriften, Stuttgart 1964, Einlei-


tung, S. XXXVI; Max Gustav Lange: Der Junghegelianismus und die An-
fänge des Marxismus, Jena 1946, S. 183: „Die Herrschaft der verdinglich-
ten ,Verhältnisse‘ über den Menschen kann nur von dem als Widerspruch
empfunden werden, der eine bestimmte Auffassung von dem Wesen des
Menschen voraussetzt.“

653 Leszek Kolakowski: Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe des Marxismus,


in: Der Mensch in der Alternative, München 1961, S. 25

654 F. Engels: Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent (1843),


MEW, Bd. 1, S. 480 f., 494 f.; vgl. Die Lage Englands. Das 18. Jahrhundert
(1844), ebenda, 5.552. – Zu Engels’ Bestimmung der Theorie als „Anleitung
zum Handeln“ siehe: Brief an F. A. Sorge vom 29. XI. 1886, MEW Bd. 36,
S. 578

655Vgl. Werner Hofmann: Ideengeschichte der sozialen Bewegung des 19.


und 20. Jahrhunderts, Berlin 1962, S. 11

656 Vgl. Jakob Hommes: Der technische Eros, Freiburg 1955, S. 267. Siehe
auch: Jean Hyppolite : Études sur Marx et Hegel, Paris 1955, S. 147. Auf
dieser Linie liegt auch die Reduktion der Entfremdung auf die (klassenin-
differente) Technik und das Außerachtlassen der Produktionsverhältnisse
(oft – wie bei H. Freyer – unter Anknüpfung an die Tradition der lebensphi-
losophischen Technophobie).
332

657 Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Er-


ster Teil, S. 572; 574, 584. Siehe dazu Georg Lukács: Der junge Hegel, Zü-
rich/Wien 1948, S. 699

658 Die heilige Familie, MEW, Bd. 28. 60 ff.; vgl. S. 144 ff.

659 Brief von Marx an Feuerbach vom 3. X. 1843, MEW, Bd. 27, S. 420

660F. Engels: Schelling und die Offenbarung (1842), MEW, Ergänzungs-


band, Zweiter Teil, S. 176

661 Thesen über Feuerbach, MEW, Bd. 3, S. 6

662 Ebenda, S. 5

663Ebenda, S. 6. – Siehe hierzu auch: Ernst Bloch: Keim und Grundlinie.


Zu Marx’ Feuerbach-Thesen, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie,
1953, 2

664 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 45

665 Ebenda, S. 44

666 Ebenda, S. 43

667 Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Er-


ster Teil, S. 540 ff.

668 Ebenda, S. 579

669 K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart 1960, S. 233

670Mao Tse-tung: Über die Praxis (1937), in: Ausgewählte Schriften,


Frankfurt a. M. 1963, S. 35

671 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 44. – Dementsprechend ist es


nicht im Sinne Marxens, wenn zwar eine naiv-realistische gesellschaftlich
unvermittelte Kosmologie vermieden wird, aber der außermenschlichen an
sich seienden Natur die Dialektik völlig abgesprochen und nur für die ge-
schichtliche für uns seiende Wirklichkeit reserviert wird, wie dies in Nach-
folge von Lukács’ Schrift „Geschichte und Klassenbewusstsein“ (Berlin-
Halensee 1923, S. 240) für Sartre, Hyppolite und A. Schmidt typisch ist;
vgl. Existentialismus und Marxismus. Eine Kontroverse zwischen Sartre,
333

Garaudy, Hyppolite, Vigier und Orcel, Frankfurt a. M. 1965 (besonders S.


105 ff.). – Nur eine Paraphrase Hegels ist insbesondere Marx’ Satz: „Aber
auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung vom Men-
schen fixiert, ist für den Menschen nichts.“ (Ökonomisch-philosophische
Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 587)

672 Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Er-


ster Teil, S. 543; vgl. Die heilige Familie, MEW, Bd. 2, S. 159; Die deutsche
Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 30, 43. Siehe auch: MEW, Bd. 19, S. 362 f.

673 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 378

674 Ebenda, S. 31 f., 46 ff.

675 Siehe dazu Joachim Ritter: Die Lehre vom Ursprung und Sinn der The-
orie bei Aristoteles, in: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen, 1953; Karl Löwith: Die Hegelsche Linke, Stuttgart-
Bad Cannstatt 1962, S. 36 ff.

676 Das Kapital, Dritter Band, MEW, Bd. 25, S. 828

677 Diese Schwierigkeit wird erörtert in: Deutsche Zeitschrift für Philoso-
phie, Heft 11/1961 bis Heft 9/1963; M. N. Rutkewitsch: Die Praxis als
Grundlage der Erkenntnis und als Kriterium der Wahrheit, Berlin 1957, S.
226 ff. – Die Schwierigkeit wird weder behoben, wenn die Theorie einfach
in die als gesellschaftliche Gesamttätigkeit definierte Praxis einbezogen
wird (so von Branko Bosnjak, der in seinem Artikel „Betrachtungen über
die Praxis“ behauptet, im marxistischen Sinne wären „das Kriterium der
Praxis... die positiven Ideale“; in: Praxis, Philosophische Zeitschrift, Nr. 1,
Zagreb 1965, S. 24), noch wenn das „Gegenständlich-sein“ als „Gegenbeg-
riff zum Selbst-sein“ gefasst wird wie von H. Marcuse: Über die philosophi-
schen Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs, in:
Kultur und Gesellschaft 2, Frankfurt a. M. 1965, S. 28

678 Thesen über Feuerbach, MEW, Bd. 3, S. 7

679 Ebenda, S. 5

680G. A. Wetter: Der dialektische Materialismus, Freiburg 1960, S. 590. –


Von einer „petitio principii“ in diesem Sinne spricht auch Josef de Vries:
Die Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus, München/ Salz-
burg/Köln 1958, S. 104 f. Die entscheidende Schwäche dieses Arguments
334

wird nicht durchschaut in dem Lehrbuch „Marxistische Philosophie“, Ber-


lin 1967, S. 597 f.

681 Vgl. zum pragmatistischen Wahrheitsbegriff besonders Ch. S. Peirce:


Collected Papers of Ch. S. Peirce, Harvard 1931-1935, Bd. 5, S. 247; ders.:
Chance, Love and Logic, New York 1949, S. 16 ff. – Zu Mussolinis Beru-
fung auf den Pragmatismus von James siehe die Schrift des Marxisten
Harry K. Wells: Der Pragmatismus, Berlin 1957, S. 170 – Marx’ Praxisauf-
fassung wird pragmatisch gedeutet von Bertrand Russel Freedom versus
Organization, New York 1934, S. 194, und von Alfred G. Meyer: Marxism,
The Unity of Theory and Practice, Cambridge 1954, S. 105

682Hannah Arendt: Vita activa oder vom tätigen Leben, München 1967, S.
287 ff.
335

Literaturverzeichnis

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Athenäum. Zeitschrift für das gebildete Deutschland. Redigiert von Karl


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– Die evangelische Landeskirche Preußens und die Wissenschaft, Leipzig


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– Kritik der evangelischen Geschichte des Johannes, Bremen 1840

– Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, 3 Bde., Leipzig


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– Das entdeckte Christentum. Eine Erinnerung an das achtzehnte Jahr-


hundert und ein Beitrag zur Krisis des neunzehnten, Zürich und Win-
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– Vollständige Geschichte der Parteikämpfe in Deutschland während der


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– Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang der


deutsch-katholischen Bewegung bis zur Gegenwart, Berlin 1849

– Rußland und das Germanentum, 2. Abt., Charlottenburg 1853

– Christus und die Caesaren. Der Ursprung des Christentums aus dem
römischen Griechentum (1874/76), 2. Aufl., Berlin 1879

– Zur Orientierung über die Bismarcksche Ära, Chemnitz 1880

– Der christliche Staat und unsere Zeit, in: Hallische Jahr bücher, 7.-12.
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– Theologische Schamlosigkeiten, in: Deutsche Jahrbücher, 15.-18. 11.


1841, Nr. 117 bis 120

– Bekenntnisse einer schwachen Seele, in: Deutsche Jahrbücher, 23. u.


24. 6. 1842, Nr. 148 u. 149

– Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Ent wicklung


und im Kampf mit der modernen Wissenschaft. Darge stellt von D. F.
Strauß, in: Deutsche Jahrbücher, 25.-28. 1. 1843, Nr. 21-24

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– Was ist jetzt der Gegenstand der Kritik, in: Allgemeine Literaturzeitung,
Bd. II, H. 8, Juli 1844

– Die Gattung und die Masse, in: Allgemeine Literaturzeitung, Bd. II, Heft
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– Ludwig Feuerbach, in: Beiträge zum Feldzug der Kritik, ebenda, Heft 4

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Leipzig 1845, 3. Band

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– Der Aufstand und Fall des deutschen Radikalismus vom Jahre 1842, 3
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– Denkwürdigkeiten zur Geschichte der neueren Zeit seit der Revolution,


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– Kritik der Geschichte der Offenbarung I: Die Religion des alten Testa-
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Berlin 1838

– „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik“. Hrsg. v. d. Sozietät für wiss.


Kritik zu Berlin. Kritik von D. F. Strauß Dezember 1835, Nr. 109-113,
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– „Zeitschrift für spekulative Theologie“. In Gemeinschaft mit einem Ver-


ein von Gelehrten,hrg. v. B. Bauer: 1836: Der mosaische Ursprung der
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Evangelium des Johannes. 1837: Die neueren Kommentare zu den
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363

Personenverzeichnis

Text (Seitenzahlen)

Blanqui, Louis-Auguste 199


A Blum, Robert 102
Adorno, Theodor W. 129 Börne, Ludwig 84, 85, 191
Alexander der Große 137 Braniß, Julius 119
Arendt, Hannah 219 Bruno, Giordano 70
Aristoteles 17, 32, 33, 40, 49, 61, Buchez, Philippe Joseph Benjamin
62, 63, 65, 89, 139, 152, 189, 196, 84, 91
201, 202, 214, 236, 241, 242, 243 Büchner, Georg 135
Aristotelisch 30, 42, 58, 62, 74, Bultmann, Rudolf 105, 106, 136
116, 223, 228, 187 Burke, Edmund 193

B C
Baader, Franz Xaver von 96 Cabet, Etienne 124, 199
Bachmann, Karl Friedrich 119 Calvez, Jean-Yves 206
Bacon, Francis 30, 176, 219 Carlyle, Thomas 135
Bakunin, Michail 111, 124, 153, Cieszkowski, August von 6, 89, 90,
236 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99,
Barth, Karl 103, 105 100, 101, 113, 116, 158, 159, 177,
Bauer, Bruno 6, 105, 114, 117, 122, 183, 187, 199, 224, 225
125, 127, 128, 129, 130, 131, 132, Comte, Auguste 205
133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, Condorcet, Antoine de 91
140, 141, 142, 143, 145, 146, 147, Considérant, Victor 124
150, 151, 158, 174, 178, 187, 190, Cousin, Victor 83
192, 193, 200, 201, 229, 230, 231, Croce, Benedetto 42
232, 233, 234
Bauersche 130, 146, 155, 156 D
Bauer, Edgar 129
Dembowski, Edward 95
Baur, Ferdinand Christian 104
Descartes, René 29, 62, 64, 171,
Beaumarchais, Pierre Augustin
218, 219
Caron 115
Dewey, John 218
Beer, Heinrich 87
Dézamy, Theodor 199
Bentham, Jeremy 155
Dibelius, Martin 136
Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch
Dilthey, Wilhelm 42
205
Bernstein, Eduard 195
Beyer, Wilhelm R. 250
E
Bigo, Pierre 206 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich
Bismarckschen 120 104
Blanc, Louis 85 Enfantin, Prosper 85
364

Engels, Friedrich 86, 87, 101, 127, 151, H


157, 172, 181, 191, 193, 208, 210, 237
Habermas, Jürgen 206
Haym, Rudolf 42, 75
F Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1, 2,
Feuerbach, Ludwig 6, 103, 109, 112, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15,
113, 115, 117, 122, 123, 131, 146, 16, 17, 18, 20, 21, 22, 23, 24, 25,
161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34,
168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43,
175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 54,
182, 183, 184, 186, 187, 190, 191, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 64,
198, 199, 200, 203, 204, 206, 207, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 74,
210, 211, 215, 216, 217, 229, 226, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83,
228, 234, 237, 238, 239, 240 84, 86, 87, 89, 91, 95, 96, 98, 99,
Feuerbachsche 158, 176, 179, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107,
181, 183, 204, 240 108, 113, 114, 115, 116, 117, 118,
Fichte, Immanuel Hermann 119 119, 120, 128, 129, 130, 131, 132,
Fichte, Johann Gottlieb 16, 37, 42, 133, 134, 135, 136, 137, 139, 140,
66, 67, 68, 69, 83, 86, 90, 94, 96, 142, 146, 148, 149, 150, 151, 152,
119, 131, 159, 176 154, 163, 164, 167, 168, 169, 171,
Fichtesche 38, 50, 67, 68, 131, 172, 173, 176, 177, 179, 180, 181,
167, 186, 222 182, 183, 186, 187, 189, 191, 193,
Fiore, Joachim von 100 196, 197, 198, 202, 203, 204, 206,
Fischer, Karl Philipp 119 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213,
Fischer, Kuno 147 214, 215, 216, 217, 219, 221, 222,
Fourier, Charles 85, 90, 98, 99 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229,
Fourieristen 99 230, 232, 233, 234, 235, 236, 239,
Franklin, Benjamin 31 240, 241, 242, 243, 244
Frantz, Constantin 97 Hegelsche 7, 16, 30, 41, 45, 51,
Fries, Jakob Friedrich 75 64, 73, 83, 87, 88, 89, 90, 91, 92,
Fröbel, Julius 125 93, 94, 99, 101, 103, 104, 108,
109, 110, 111, 113, 115, 118, 119,
G 121, 122, 124, 125, 129, 130, 131,
132, 133, 134, 140, 143, 148, 155,
Gabler, Georg Andreas 104 159, 160, 167, 168, 169, 170, 172,
Gall, Franz Joseph 17 173, 177, 178, 181, 182, 186, 187,
Gans, Eduard 98 189, 191, 192, 200, 204, 205, 209,
Gesenius, Wilhelm 104 224, 225, 226, 227, 228, 229, 231,
Glockner, Hermann 42 232, 233, 235, 237, 238, 239, 240,
Godwin, William 153 241
Goethe 22, 28, 35, 42, 50, 61, 102, Heidegger, Martin 213
107, 121 Heine, Heinrich 6, 65, 83, 84, 85,
Goethezeit 83 86, 87, 88, 89, 97, 98, 101, 120,
Görres, Joseph 120 121, 145, 158, 182, 183, 187, 195,
Göschel, Karl Friedrich 109 224
Gutzkow, Karl 85 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 104,
112, 141
Heraklit 36
365

Herder, Johann Gottfried 11, 12, Landgrebe, Ludwig 206


110, 169, 239, 143, 152, 234 Landshut, Siegfried 206
Hermes, Karl Heinrich 194 Lange, Max Gustav 206
Herwegh, Georg 125 Laube, Heinrich 85
Herzen, Alexander Iwanowitsch 50, Lavater, Johann Kaspar 17
84, 87, 160, 173, 183 Le Bon, Gustave 135
Heß, Moses 85, 124, 127, 147, 156, Ledru-Rollin, Alexandre-Auguste
157, 158, 159, 160, 183, 208, 237 120
Hinrichs, Hermann Friedrich Leibniz, Gottfried Wilhelm von 176
Wilhelm 120 Leibnizsche 43, 145
Hobbes, Thomas 171 Lenin, Wladimir Iljitsch 153, 202
Holz, Arno 153 Leo, Heinrich 120, 121
Hommes, Jakob 206 Lessing, Gotthold Ephraim 100, 121
Hugo, Gustav 193 Lichtenberg, Georg Christoph 18
Humboldt, Wilhelm von 76, 121 Locke, John 21, 48, 62, 77, 148,
Husserl, Edmund 213, 218 149, 217
Hyppolite, Jean 206 Löwith, Karl 117, 133, 212, 213
Luther, Martin 83
J
James, William 218
M
Jacobi, Friedrich Heinrich 49 Malebranche, Nicolas
Malebranche 174
K Malthus, Thomas Robert
Malthussche 107
Kant, Immanuel 12, 16, 33, 37, 39, Mann, Thomas 47, 83, 137, 151
40, 42, 45, 47, 65, 69, 72, 83, 86, Mao Tse-tung 213
89, 119, 155, 167, 176, 207, 209,
Marcuse, Herbert 199
213 Marheineke, Philipp Konrad 109
Kantisch 38, 45, 46, 47, 50, 67, Marx, Karl 6, 54, 74, 85, 86, 87,
68, 69, 90, 106, 152, 164, 167, 107, 114, 115, 121, 124, 125, 127,
173, 186, 208, 213, 222, 236 130, 134, 138, 142, 143, 151, 153,
Keller, Gottfried 182
157, 158, 159, 170, 171, 177, 179,
Kierkegaard, Sören 42, 43, 106, 115, 181, 183, 184, 186, 187, 188, 189,
227 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196,
Kierkegaardsche 207 197, 198, 200, 201, 202, 203, 204,
Kolakowski, Leszek 207 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211,
Kopernikus, Nikolaus
212, 213, 214, 215, 216, 217, 218,
Kopernikanisch 45, 156, 237 219, 224, 230, 237, 240, 241, 242,
Köppen, Karl Friedrich 121, 122 243, 244
Kroner, Richard 42 Marxismus 206
Kropotkin, Peter 153, 236 Marxsche 172, 191, 192, 195,
Krug, Wilhelm Traugott 119
204, 206, 208, 212, 218, 239, 243
Mazzini, Giuseppe 120
L Menzel, Wolfgang 107, 122
Lamartine, Alphonse de 124 Metternich, Clemens Wenzel Lothar,
Lamennais, Félicité-Robert de 84, Fürst von 193
124 Metzke, Erwin 206
366

Meyen, Eduard 122


Michelet, Carl Ludwig 90 172, 183, 184, 187, 198, 228, 229,
Mickiewicz, Adam 100 230, 231
Mignet, François 85
Mill, James 155 S
Mörser, Justus 193
Mundt, Theodor 85 Sade, Donatien-Alphonse-François
de 155, 236
Saint-Simon, Claude Henri de 91
N
Savigny, Karl von 193
Napoleon I. Bonaparte 79, 80, 83, Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph
86, 90, 115 49, 66, 67, 69, 70, 78, 83, 86, 96,
Neander, Johann August Wilhelm 109, 122, 209, 210
112 Schiller, Friedrich 35, 50, 65, 69, 70
Niebuhr, Barthold Georg 104 Schillersche 99, 151
Nietzsche, Friedrich 107, 149, 198 Schleiermacher, Friedrich Ernst
Nohl, Hermann 95, 97, 108, 118-123, Daniel 174
125, 126 Schmidt, Karl 147
Schopenhauer, Arthur 155
O Schweitzer, Albert 111
Scotus, Duns 149
Olshausen, Justus 104 Sokrates 41, 43
Ortega y Gasset, José 135 Solon 18
Sombart, Werner 206
P Sorel, George 205
Pareto, Vilfredo 135 Spengler, Oswald 93, 121
Parmenides 36 Spinoza, Benedictus de 12, 62, 83,
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob 158, 171, 176, 180, 210, 218
104 Stahl, Friedrich Julius 119
Peirce, Charles 218 Stein, Karl, Freiherr vom und zum
Platon 62, 209 75, 121
Plenge, Johannes 206 Stirner, Max (Johann Caspar
Popitz, Heinrich 205, 206 Schmidt) 6, 124, 145, 146, 147,
Proudhon, Pierre Joseph 153, 236 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154,
Pythagoras 137 155, 156, 157, 158, 160, 161, 169,
197, 214, 234, 235, 236, 237, 239
R Strauß, David Friedrich 6, 101, 102,
103, 104, 105, 106, 107, 108, 109,
Raffaelo Santi 214 110, 111, 112, 113, 117, 119, 121,
Rawidowicz, Simon 177 129, 136, 138, 140, 178, 193, 198,
Renan, Ernest 102 226, 227, 228, 229, 231, 240
Riedel, Manfred 1a, 3 Straußsche 108, 110, 227
Robespierre, Maximilien de 86 Streckfuß, Karl 121
Rousseau, Jean-Jacques 43, 44, 45, Sue, Eugène 151
86 Szeliga (Franz Zychlin v. Zychlinski)
Ruge, Arnold 6, 85, 113, 114, 115, 137, 147, 151
116, 117, 118, 119, 120, 121, 122,
123, 124, 125, 127, 128, 129, 171,
367

W
T Wegscheider, Julius August Ludwig
Thales 149 104
Thier, Erich 206 Weierstraß, Karl 62
Tholuck, August 112 Weiße, Christian Hermann 96, 119
Thomas von Aquin 209 Weitling, Christian Wilhelm 199
Tillich, Paul 205 Wette, Wilhelm Martin Leberecht de
Topitsch, Ernst 205 104
Treitschke, Heinrich von 135 Wetter, Gustav A. 217
Trendelenburg, Friedrich Adolf 42 Wienbarg, Ludolf 85
Wilhelm IV., König von Preußen 127
V Windelband, Wilhelm 42
Wolff, Christian
Vico, Giovanni Battista 30 Wolffsche 65
Vinci, Leonardo da 39 Wöllner, Johann Christoph
Vischer, Friedrich Theodor 120
Wöllnersche 119
Voegelin, Eric 205
Voltaire, François Marie Arouet 65
Z
Zeller, Eduard 190
368

Personenverzeichnis

Anmerkungen (Endnotenzahlen)

Bosnjak, Branko 677


A Braunthal, Julius 480
Brecht, Bertold 79
Adorno, Theodor W. 70, 395, 422, Brillat-Savarin, Anthelme 541
626 Buhl, Ludwig 389
Ammon, Otto 72 Bultmann, Rudolf 303
Antonius von Padua 199 Busse, Martin 116
Arendt, Hannah 57, 682
Aristoteles 19, 73, 78, 109, 157,
164, 422,606, 675
C
Aristotelische 101a Calvez, Jean-Yves 650
Arndt, Ernst Moritz 509 Camus, Albert 89, 479
Carlyle, Thomas 19
B Cäsar 19
Chamberlain, Houston Stewart 72
Backhaus, Gunther 303 Chamley, Paul 62
Bacon, Francis 56 Cicero Marcus Tullius 100
Baeumler, Alfred 100, 116 Cieszkowski, August von 238, 247,
Bakunin, Michail 328, 382
253, 255, 257, 261, 263, 274,
Barnikol, Ernst 398 277, 282
Barth, Karl 303 Condillac, Etienne Bonnot de 547
Basch, Victor 480 Condorcet, Antoine de 109
Bauer, Bruno 235, 237, 306, 312, Cornu, Auguste 261, 274, 369,
328, 336, 337, 343, 373, 389,
381, 496, 556, 608
391, 395, 397, 401, 412, 420, Cues, Nikolaus von 181
423, 430, 441, 457, 555, 577
Bauer, Edgar 397, 443
Bauersche 497
D
Bayrhoffer, Karl Theodor 272 Daumer, Georg Friedrich 237
Beckett, Samuel 79 Descartes, René 66
Benz, Ernst 216 Dewey, John 116
Beyer, Wilhelm R. 1a Diderot, Denis 79
Bigo, Pierre 650 Dilthey, Wilhelm 221
Binder, Julius 116 Diogenes Laertius 100
Bismarck, Otto von 311 Dorguth, Friedrich 541
Bismarcksche 116 Dshang Ssüä-tschöng 261
Bloch, Ernst 156, 663
Blumenberg, Hans 157 E
Bockmühl, Klaus Erich 595
Echtermeyer, Ernst Theodor 365
Böhm, Franz 116
Böhme, Jakob 21, 324, 596 Eck, Siegfried 321
Bolin, Wilhelm 510, 593 Eckermann, Johann Peter 361
Börne, Ludwig 284, 285 Edelmann, Johann Christian 412
Bornkamm, Günther 304 Endel, Nanette 199
Engels, Friedrich 45, 63, 224, 225,
Börnstein, Heinrich 384
226, 230, 261, 281, 287, 312,
369

335, 369, 384, 419, 429, 444, Gollwitzer, Helmut 646


447, 457, 478, 494, 497, 510, Görres, Joseph 361
554, 582, 601, 608, 609, 614, Göschel, Karl Friedrich 209
625, 635, 645, 654, 660 Grün, Karl 498, 592
Erdmann, Johann Eduard 571 Guérin, Daniel 480
Eschenmayer, Karl Adolf 587 Gumplowicz, Ludwig 72
Euripides 78 Gutzkow, Karl 360

F H
Feuerbach, Ludwig 87, 226, 237, Habermas, Jürgen 67, 199, 649
287, 306, 321, 341, 346, 380, Haller, Karl Ludwig von 3, 72
387, 420, 423, 454, 457, 498, Harich, Wolfgang 234
510, 510a, 517, 527, 536, 538, Hartmann, Nicolai 109, 169
541, 543, 544, 548, 554, 555, Haug, Wolfgang Fritz 89
556, 559, 565, 571, 576, 577, Hauptmann, Gerhart 293
582, 589, 592, 593, 594, 595, Haym, Rudolf 193
596, 599, 659, 661, 663, 678 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1a,
Feuerbachsche 331 3, 8, 11, 12, 18, 21, 32, 47, 61,
Feuz, Ernst 383 62, 63, 65, 70, 72, 73, 75, 76,
Fichte, Johann Gottlieb 36, 72, 91, 78, 79, 89, 95, 101, 102, 107,
115, 135, 164, 171, 243, 260, 109, 115, 116, 117a, 118, 119,
261 120, 121, 129, 135, 157,164,
Fichtesche 91, 165, 171, 172, 165, 181, 189, 192, 193, 199,
190, 261 201, 202, 203, 209, 212, 215,
Fischer, Ernst 150 216, 229, 230, 235, 236, 261,
Fischer, Kuno 324,462 283, 298, 306, 314, 321, 322,
Fleischer, Karl Moritz 337, 380, 336, 347, 361, 379, 386, 399,
382, 383, 384 406, 412, 423, 439, 464, 470,
Fourier, Charles 92, 245 551, 554, 555, 557, 559, 564,
Fourieristen 380 570, 571, 589, 607, 610, 613,
Franck, Sebastian 21 624, 639, 646, 650, 656, 657,
Frantz, Constantin 272 671
Frauenstädt, Julius 257 Hegelianer 116
Freyer, Hans 100, 656 Hegelianismus 95
Friedell, Egon 470 Hegelsche 1a, 19, 65, 79, 116,
Fröbel, Julius 381a 135, 169, 189, 224, 232, 235,
306, 311, 321, 331, 332, 336,
G 338, 348, 351, 353, 357, 367,
339, 420, 429, 461, 464, 516,
Gabler, Georg Andreas 261 549, 550, 564, 576, 614, 624,
Gans, Eduard 212 627, 634, 635, 636, 638, 640,
Garaudy, Roger 81, 671
643, 644, 645, 675
Gehlen, Arnold 12 Heidegger, Martin 6, 152, 516
Gentile, Giovanni 116 Heine, Heinrich 213, 215, 216,
George, Stefan 100 218, 221, 222, 223, 224, 225,
Girardin, Émile de 494
229, 232, 234, 236, 237, 365,
Glockner, Hermann 109, 571
Heinesche 230
Gobineau, Joseph Arthur 72 Heinzen, Karl 645
Goethe, Johann Wolfgang von 12, Heiss, Robert 1a
18, 20, 54, 87, 135, 176, 189, Helvetius, Claude Adrien 18
225, 365, 386, 600
370

Hengstenberg, Ernst Wilhelm 237, Kegel, Martin 423


362, 437 Kerner, Justinus 324
Henne, Hermann 322 Kierkegaard, Sören 89, 129, 305,
Henrich, Dieter 606 645
Herder, Johann Gottfried 12, 324 Koigen, David 416,
Hertz-Eichenrode, Dieter 423 Kojève, Alexandre 79
Herwegh, Georg 337, 394 Kolakowski, Leszek 653
Herzen, Alexander Iwanowitsch Konfuzius 66
544 Köppen, Karl Friedrich 363
Herzl, Theodor 315 Korsch, Karl 649
Heß, Moses 242, 381, 384, 393, Kosík, Karel 319
454, 462, 495, 496, 497, 499, Krieck, Ernst 116
503, 504 Kuhn, Helmut 68
Hirschberger, Johannes 644 Kühne, Walter 239, 253, 263, 269,
Hobbes, Thomas 18, 67, 515 277, 281, 282, 284
Hoffmann, Ernst 181
Hoffmann, August Heinrich (Hoff- L
mann v. Fallersleben) 377
Hoffmeister, Johannes 209 Lachmann, Benedict 461
Hofmann, Werner 480, 618, 655 Landgrebe, Ludwig 651
Landshut, Siegfried 551, 652
Holbach, Paul Heinrich Dietrich 58
Lange, Max Gustav 257, 339,
Hölderlin, Friedrich 119, 121
Hommes, Jakob 650, 656 368a, 556, 652
Hook, Sidney 423 Larenz, Karl 116
Horkheimer, Max 70, Lassalle, Ferdinand 601
Laube, Heinrich 225, 237
Hugo, Gustav 212, 614
Lauth, Reinhard 277
Husserl 32
Huxley, Aldous 422 Lavater, Johann Kaspar 559
Hyppolite, Jean 129, 650, 656, 671 Lefèbvre, Henri 618
Lehmann, Gerhard 461
Leibniz, Gottfried Wilhelm von 3,
I 516
Ibsen, Henrik 92 Leibnizsche 547
Immermann, Karl 325 Lenin, Wladimir Iljitsch 65, 481
Leo, Heinrich 331, 361, 362, 363
J Leonardo da Vinci 100
Leroux, Pierre 225
Jacobi, Friedrich Heinrich 559
Lessing, Gotthold Ephraim 109,
Jacobisch 91 121
Jaspers, Karl 157 Lévy, Albert 554
Jodl, Friedrich 510 Lichtenberger, Henri 236
Jung, Alexander 609 Litt, Theodor 12
Locke, John 469, 547
K Löwith, Karl 101a, 109, 135, 149,
Käferle, Christian 297 189, 298, 336, 347, 379, 399,
Kallen, Gerhard 157 406, 470, 510, 557, 607, 621,
Kant, Immanuel 12, 18, 72, 95, 645, 646, 669, 675
101, 101a, 102, 107, 109, 115, Lukács, Georg 62, 201, 218, 236,
165 242, 305, 657, 671
Kantisch 92, 109 Luther, Martin 21, 189, 336a, 517
Kapp, Christian 593
Kaufmann, Hans 213, 286
371

Moog, Willy 464


M Morus, Thomas 67
Müller, Adam 3, 152
Macchiavelli, Niccolò 67, 203 Mussolini, Benito 681
Macchiavellismus 116
Mackay, John Henry 453, 454, 494
Mandeville, Bernard de 18
N
Mann, Thomas 100
Mao Tse-tung 670 Napoleon 19
Marcuse, Herbert 12, 116, 422, Neher, Walter 331
618, 677 Nerrlich, Paul 337
Marcuse, Ludwig 222 Nettlau, Max 480
Marheineke, Philipp Konrad 282 Niethammer, Friedrich Immanuel
Märklin, Christian 297, 321 205
Marx, Karl 45, 63, 89, 119, 202, Nietzsche, Friedrich 19, 78, 100,
212, 224, 226, 230, 234, 236, 135, 189, 298, 314, 347, 379,
237, 257, 261, 277, 281, 287, 406, 470, 557, 607, 646
306, 312, 335, 337, 369, 382, Noack, Ludwig 261
384, 397, 399, 410, 419, 423, Nohl, Hermann 95, 97, 108, 118,
429, 444, 447, 457, 466, 478, 120, 121, 122, 125
494, 495, 497, 504, 510, 516, Novalis (Friedrich von Hardenberg)
517, 544, 551, 556, 564, 597, 135, 170
599, 601, 602, 608, 611, 613,
614, 616, 624, 625, 629, 630,
640, 645, 646, 649, 650, 652, O
656, 659, 663, 671, 681
Oppenheim, Dagobert 617
Marxismus 12, 257, 339, 618,
Overbeck, Franz 470
646, 649, 650, 651, 652, 653,
671
Marxist 681
Marxistische 12, 538, 646, 677,
P
680 Panunzio, Sergio 116
Marxsche 277, 645 Peirce, Charles 681
Mautz, Kurt Adolf 484 Philippe, Louis 229
Mayer, Gustav 366, 459 Piechocki, Werner 336a
Mehring, Franz 293, 601 Piontowski, A. A. 107
Meinecke, Friedrich 116 Platon 6, 61, 78
Meinhold, Peter 216 Platonisch 116
Mendelssohn 109 Plenge, Johannes 650
Menzel, Moses 214 Plessner, Helmut 12
Merleau-Ponty, Maurice 618 Popitz, Heinrich 202, 648
Messer, Max 461 Popper, Karl Raimund 616
Meyen, Eduard 363 Portmann, Adolf 12
Michelangelo di Buonarotti 606 Proudhon, Pierre Joseph 480
Michelet, Carl Ludwig 239, 257, Prutz, Robert Eduard 344, 372
263
Mickiewicz, Adam 283
Mo Di 66 Q
Moleschott, Jakob 541
Moltke, Helmuth von 311 Quinet, Edgar 272
Mönke 381, 496
Montesquieu, Charles de 102, 107
372

R Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph


1a, 18, 89, 166, 169, 181, 346,
Ranke, Leopold von 116 516, 554, 660
Rapp, Ernst 292, 314 Schellinganhänger 587
Ratcliff, William 221 Schellingianer 257
Ratzenhofer, Gustav 72 Schellingsche 165, 171, 172 190
Rawidowicz, Sinion 548, 553, 559, Schellwein, Robert 461
563, 569 Schiller, Friedrich 7, 12, 47, 87,
Renan, Ernest 293 121, 163, 177, 365
Richelieu, Armand-Jean du Plessis Schilling, Werner 565
19 Schlegel, Friedrich 135
Riedel, Manfred 1a, 3 Schleiermacher, Friedrich Ernst
Ritschl, Albrecht 321 Daniel 135, 324, 559
Ritter, Joachim 193, 675 Schmidt, Alfred 618, 671
Robespierre, Maximilien de 109 Schmidt, Karl 462
Rolland, Romain 293 Schmitt, Carl 72, 116
Rosenberg, Alfred 116, 360 Schnabel, Franz 116
Rosenberg, David Jochelevic 384 Schubert, Gotthilf Heinrich 257
Rosenberg, Hans 340 Schuffenhauer, Werner 512, 556
Rosenkranz, Karl 62, 89, 95, 333, Schultheiß, Hermann 461
589 Schulze, Gottlob Ernst 128
Rosenzweig, Franz 116, 212 Schweitzer, Albert 327, 423
Rothacker, Erich 12 Smith, Adam 18
Rousseau, Jean-Jaque 115 Snell, Bruno 78
Roux, Johann Adam 527 Sokrates 121
Royce, Josiah 116 Sombart, Werner 650
Ruest, Anselm 461 Spengler, Oswald 72
Ruge, Ludwig 119, 237, 331, 331c, Spinoza, Benedictus de 499
335, 336a, 337, 337a, 339, 340, Stahr, Adolf 338, 340, 349, 364,
344, 346, 360, 361, 363, 364, 373
365, 368a, 372, 373, 376, 377, Staiger, Emil 108
380, 381, 381a, 382, 383, 384, Stein, Lorenz von 625
386, 387, 389, 390, 394, 447, Steuart, James Denham 62
547, 551, 554, 597, 599, 600, Steussloff, Hans 296, 303
629, 630 Stirner, Max (Johann Caspar
Runze, Georg 423 Schmidt) 381a, 453, 454, 461,
Russel, Bertrand 681 470, 479, 480, 484, 494, 497
Rutkewitsch, M. N. 677 Strauß, David Friedrich 286, 290,
293, 296, 299, 303, 311, 312,
314, 321, 324, 327, 331, 353,
S 358, 363, 423, 435, 517, 577
Saint-Simon, Claude Henri de 92, Streckfuß, Karl 366
247 Stuke, Horst 246, 261, 277, 328,
Saint-Simonismus 212 335, 395, 406, 499
Santayana, George 116 Szeliga (Franz Zychlin von Zych-
Sartre, Jean-Paul 89, 618, 671 linski) 454, 462
Savigny, Friedrich Karl von 3, 212
Schaller, Julius 359
Scheidler, Karl Hermann 289 T
Scheler, Max 12 Theognis 109
Thier, Erich 650
373

Tocqueville, Alexis de 624 W


Topitsch, Ernst 116
Treitschke, Heinrich von 19, 116, Wahl, Jean 129, 203
326, 327 Wee Jüän 66
Tschernyschewski, Nikolai Gawri- Weil, Eric 192
lowitsch 544 Weitling, Christian Wilhelm 237
Wende, Peter 339
Wetter, Gustav A. 680
Wieland, Wolfgang 236
U
Wigand, Otto 420, 441, 454, 457,
Uexküll, Jakob von 12 462, 576, 590, 594
Wilhelm IV., König von Preußen
290
V Winterfeld, Achim von 461
Woodcock, George 466
Vico, Giovanni Battista 18, 66
Vinci, Leonardo da 100
Vischer, Friedrich Theodor 266,
290, 292 Z
Voltaire, François Marie Arouet Zeller, Eduard 286, 290, 324, 607
412 Ziegler, Theodor 21, 327
Vries, Josef de 680 Zlocisti, Theodor 496
Žółtowski, Adam 255, 268, 277,
281, 284
Danksagung

Mein herzlicher Dank gilt Frau Dr. Yara Lizárraga-Mehringer. Sie erstellte
die Personenverzeichnisse und sorgte dafür, dass die mit der mechanischen
Maschine geschriebene Arbeit überhaupt ins Internet gestellt werden konnte.

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