Documentos de Académico
Documentos de Profesional
Documentos de Cultura
Treptow
bei Hegel
Elmar Treptow
Habilitationsschrift,
gewidmet
4
Inha1tsverzeichnis
Vorwort......................................................................................................6
1. Das Verhältnis von Theorie und Praxis als die Dialektik von
Geist und Willen.........................................................................7
7. Die Praxis und die endliche Theorie als Stufen auf dem
Weg zur vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit in der ab-
soluten Theorie.........................................................................65
Zusammenfassung ...............................................................................221
Anmerkungen.......................................................................................245
Literaturverzeichnis ..............................................................................335
Vorwort
Gegenstand der Untersuchung ist das Verhältnis von Theorie und Pra-
xis im Denken Hegels und der Junghegelianer. Als „Junghegelianer" seien
hier im weitesten Sinn des Wortes nicht nur D. F. Strauß, B. Bauer, Stir-
ner und Ruge, sondern auch Heine, Cieszkowski, Feuerbach und der junge
Marx bezeichnet, insofern sie alle den Auflösungsprozess des Hegelianis-
mus repräsentieren. Die Analyse soll so weit wie möglich Hegels Grundsatz
des Eingehens auf die Sache selbst und des Fernhaltens beliebiger von
außen genommener Gesichtspunkte befolgen, ohne dass aber die Verwick-
lung mit der Sache die Versöhnung mit ihr ist.
7
Der zentrale Aspekt bei der Untersuchung des Verhältnisses von Theo-
rie und Praxis im Denken Hegels muss der Begriff der Freiheit sein. Er ist
der Schlüssel, der den Zugang zur Hegelschen Konzeption von Theorie und
Praxis öffnet. Es ist im einzelnen zu zeigen, wie für Hegel die verschiede-
nen Formen der Theorie und Praxis die stufenweise Verwirklichung der
Freiheit als Überwindung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes und damit als
Aufhebung der Entfremdung zum Zweck haben, und wie die theoretischen
und praktischen Vereinigungen von Subjekt und Objekt mit dem Vollbrin-
gen der Freiheit zugleich das Wahre und Gute realisieren.
In Hinblick darauf ist zunächst zu klären (ohne dass auf eine vorliegen-
de Abhandlung verwiesen werden könnte1a): wie verhalten sich grundsätz-
lich für Hegel Theorie und Praxis zueinander?
1. Das Verhältnis von Theorie und Praxis als die Dialektik von Geist
und Willen
Theorie und Praxis bilden eine Einheit, die darin besteht, dass der Geist
mit seiner Substanz, der Freiheit1, nur in die Existenz gelangt und sich
durchsetzt im Willen und in dessen Realisierung. Der Wille ist der „prakti-
sche Geist“.2 Das heißt: der Wille und seine Ausführung in der Handlung
sind das im dialektischen Sinne andere des Geistes, die Entäußerung oder
Objektivation des Geistes. Geist und Wille bedingen sich wechselseitig wie
Inneres und Äußeres.3 In formaler Hinsicht sind somit Geist und Wille
„fundamentum“ und „terminus“ einer Relation, die die Struktur eines in
sich zurückkehrenden Übergangs oder einer reflexiven Transzendenz hat.
Das innere Geistige ist das allgemeine Mögliche, das erst durch den Wil-
len und die praktische Tätigkeit des Menschen ins Wirkliche übersetzt
wird: „Prinzip, so auch Grundsatz, Gesetz ist ein Allgemeines, Inneres, das
als solches, so wahr es auch an ihm sei, nicht vollständig wirklich ist...
was an sich erst ist, ist eine Möglichkeit, ein Vermögen, aber noch nicht
aus seinem Innern zur Existenz gekommen. Es muss ein zweites Moment
für ihre Wirklichkeit hinzukommen, und dies ist die Betätigung, Verwirkli-
8
chung, und deren Prinzip ist der Wille, die Tätigkeit der Menschen über-
haupt.“4
Dieses dialektische Verhältnis von Geist und Willen ist nach Hegel im
subjektiven, objektiven und absoluten Sinne zu verstehen: durch die indi-
viduellen Willenshandlungen verwirklicht sich sowohl die Freiheit des sub-
jektiven, individuellen Geistes (im Lebenslauf des einzelnen Menschen) als
auch des objektiven Volksgeistes (im Hervorbringen einer epochalen Stufe
der Geschichte) sowie des absoluten Weltgeistes (im Vollbringen der Welt-
geschichte), der wiederum – wenn auch verborgenerweise – vermittels des
Volksgeistes und dessen Werken das substantielle, wesentliche Terrain der
Realisierung der Freiheit des individuellen Geistes ist.
Geist und Wille bilden also keine getrennten Vermögen; und Hegel fasst
ihre Wechselbeziehung nicht statisch, sondern dynamisch auf. Das heißt:
die Bewegung des Geistes läuft nicht selbständig neben dem Prozess der
praktischen Tätigkeit her, baut sich auch nicht äußerlich hierarchisch ü-
ber ihm auf, sondern ist in ihn einbezogen. Zunächst durchdringen sich
theoretische und praktische Tätigkeit auf der Stufe und im Wirkungskreis
des subjektiven, individuellen Geistes. Isoliert betrachtet, richtet sich die
individuelle theoretische Tätigkeit, sofern sie von der Anschauung und
Vorstellung zum Denken aufsteigt, auf das Innere, Rationale, Allgemeine
und Unendliche; dagegen bleibt die individuelle praktische Tätigkeit als
solche, die sich nicht zum allgemeinen objektiven Willen erhoben hat, auf
das Äußere, Sinnliche, Besondere und Endliche der Wirklichkeit be-
schränkt. Aber in Wahrheit stehen die individuelle theoretische und prak-
tische Tätigkeit in untrennbarer Einheit.
Es gibt nämlich keine Intelligenz ohne Willen; denn „indem wir denken,
sind wir eben tätig. Der Inhalt des Gedachten erhält wohl die Form des
Seienden, aber dies Seiende ist ein Vermitteltes, durch unsere Tätigkeit
Gesetztes “5
Auf welche Weise die theoretischen Erkenntnisse praktisch vermittelt
werden, ist unten in Verbindung mit dem Problem der Vergegenständli-
chung darzustellen. Dass erst auf der Grundlage des Willens die theoreti-
sche Distanz zu den Objekten möglich ist, wird deutlich werden aus der
Charakterisierung des Willens als Triebhemmung. Wenn Hegel sagt, in der
Tätigkeit des Denkens finde sich das Moment des Willens, so sei dieser
9
ren, gewinnt der Mensch freie Distanz („Weltoffenheit“) gegenüber den Ge-
genständen der Natur und Gesellschaft und vermag infolgedessen auf sie
mit Überlegung und Auswahl einzuwirken.
Die willenlosen, trieb- und instinktgeleiteten Tiere dagegen sind mit der
Natur nicht entzweit und somit von der Umwelt unmittelbar abhängig und
determiniert Sie passen sich der Natur, ohne sie entsprechend ihren Be-
dürfnissen zu verändern, an und assimilieren sie direkt. Sie sind, wie He-
gel sagt, nicht ausgeschlossen von den „Eleusischen Mysterien der Ceres
und des Bacchus“ über die Nichtigkeit der sinnlichen Dinge; denn sie „lan-
gen... ohne weiteres zu und zehren sie auf.“8
Grundlegend ist Hegels Einsicht, dass der Mensch nicht unmittelbar
von Natur selbständiges freies Subjekt ist, sondern dies erst in einem
praktisch-theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess werden kann.
Das Tier „kann zwischen seinen Trieb und dessen Befriedigung nichts ein-
schieben; es hat keinen Willen, kann die Hemmung nicht vornehmen. Das
Erregende fängt bei ihm im Innern an und setzt eine immanente Ausfüh-
rung voraus. Der Mensch aber ist nicht darum selbständig, weil die Bewe-
gung in ihm anfängt, sondern weil er die Bewegung hemmen kann und
also seine Unmittelbarkeit und Natürlichkeit bricht. - Denken, dass er Ich
ist, macht die Wurzel der Natur des Menschen aus. Der Mensch ist als
Geist nicht ein Unmittelbares, sondern wesentlich ein in sich Zurückge-
kehrtes... er ist also das, wozu er sich durch seine Tätigkeit macht. Erst
das in sich Zurückgekehrte ist das Subjekt...“9
Die praktische Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Menschen
sind also bedingt durch die theoretische Selbsterkenntnis, indem die Be-
herrschung und Regulierung der Triebe zur Voraussetzung hat das Be-
wusstsein und Selbstbewusstsein, d. h. das Bewusstsein des Menschen
als Ich oder Subjekt, wie auch umgekehrt die selbstbewusste theoretische
Tätigkeit bedingt ist durch die Hemmung der Triebe und die willentliche
Selbstbestimmung.
Wie Hegel hervorhebt, sind die natürlichen Bedürfnisse, die Weisen ih-
rer willentlich-praktischen Befriedigung und die Mittel hierfür beim Men-
schen im Gegensatz zum Tier nicht konstant und einfach, sondern sie dif-
ferenzieren, multiplizieren, komplizieren und spezialisieren sich in einem
unendlichen Prozess.10 In dessen Verlauf geraten die Menschen im „Sys-
11
Mensch sich selbst verwirklicht und bestimmt, was aber objektive Mög-
lichkeit bleibt und nicht im Belieben steht. „Der“ Mensch ist der Bildungs-
prozess des Menschen. „Die“ Vernunft ist kein fixes Vermögen, das der
Mensch hat, sondern sie ist „das fortgehende Werk der Bildung des
menschlichen Lebens. Sie ist nicht angeboren...“12
Unverkennbar ist die vielmals perhorreszierte Konzeption der Selbst-
verwirklichung des Menschen hier nicht entworfen aus prometheischer
Überhebung, sondern auf Grund einer begründeten Analyse der geistig-
leiblichen Konstitution des Menschen.
Diese Konzeption impliziert die Schlussfolgerung: die Ergründung des-
sen, wer der Mensch ist, ist keine rein theoretische, sondern auch eine
praktisch-geschichtliche Frage.
Daraus muss sich ergeben, dass die philosophischen Aussagen über
den Menschen nicht in der Weise von wissenschaftlichen unbeteiligten
Feststellungen über unmittelbar seiende Naturgegenstände, Dinge oder
„positive“ Fakten nur beinhalten, was der Mensch als Objekt ist, sondern
zugleich auch, was der Mensch als Subjekt sein kann. Die philosophi-
schen Aussagen über den Menschen fordern Anteil- und Stellungnahme
heraus. Sie enthalten Elemente von Hinweisen für das Handeln. Sie lassen
kein Sichabfinden mit den bestehenden „Fakten“ zu.
Die philosophische Betrachtung des Menschen verliert damit die Mög-
lichkeit, sich methodologisch einseitig an der Mathematik oder den Natur-
wissenschaften (die selbst nicht voraussetzungslos, sondern geschichtlich
vermittelt sind) zu orientieren und zum Beispiel wie Spinoza „more geo-
metrico“ zu verfahren oder wie Kant einen „sichern Gang der Wissen-
schaft“ zu erstreben.
So wird ein – allerdings nicht geradliniger – Weg sichtbar von Herders
Bestimmung des Menschen zu Hegels Abgrenzung der Methode der Philo-
sophie von dem Verfahren des mathematischen Erkennens in der Vorrede
der „Phänomenologie des Geistes“: während das mathematische Erkennen
seinem Gegenstande äußerlich bleibt, steht dagegen das philosophische
Erkennen nicht in souveräner Zuschauerhaltung „über“ der Sache; das
philosophische Erkennen gehört wesentlich zu seinem Inhalt und dessen
geschichtlich-praktischer Bewegung (die als Entstehung des Wesens, des
13
Das Individuum, das eine solche geistige objektive Welt vorfindet, hat,
wie Hegel in der „Phänomenologie des Geistes“ darlegt, die Aufgabe, sie
aufzuarbeiten und zu integrieren: „Der einzelne muss auch dem Inhalte
nach die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes durchlaufen, aber als
vom Geiste schon abgelegte Gestalten, als Stufen eines Wegs, der ausgear-
beitet und geebnet ist...“16
Das Individuum kann sich nicht verwirklichen, indem es das Dass vom
Was abtrennt und die allgemeinen objektiven geschichtlich-
gesellschaftlichen Verhältnisse zu überspringen sucht. Es kann nicht hin-
aus über die vorgegebene objektive Stufe der Entwicklung seines Volkes.
Wenn auch Leidenschaft, partikulares Interesse und selbstsüchtige Zwe-
cke die Triebkraft des Handelnden sind, so ist doch einerseits ihr Inhalt –
da der Handelnde denkender Mensch ist – „durchzogen mit allgemeinen,
wesenhaften Bestimmungen des Rechts, des Guten, der Pflicht usf.“17; an-
dererseits führt aber auch das Handeln des einzelnen – kraft der „List der
Vernunft“18 – zu allgemeinen Ergebnissen, die nicht in seiner besonderen
Absicht gelegen haben müssen. (Dabei führt die Tätigkeit der „welthistori-
schen Individuen“ – unter unerlässlicher Berücksichtigung dessen, was
objektiv „an der Zeit ist“ und „im Innern schon vorhanden“ ist – im Gegen-
satz zur Aktivität der „erhaltenden Individuen“ zu einer qualitativ höheren
Stufe der allgemeinen Verhältnisse des objektiven Geistes.) Der objektive
Inhalt wird realisiert, auch wenn der einzelne Mensch sein „Wohl“ oder
seine „Glückseligkeit“ anstrebt, d. h. die Harmonie und Befriedigung seiner
subjektiven Absichten und besonderen Bedürfnisse und Interessen.19
Die Hemmung der Triebe und die Herausbildung des individuellen Wil-
lens dürfen nicht dazu führen, dass der Mensch sich in sich zurück zu
ziehen und in einem romantischen Kultus der Innerlichkeit und Subjekti-
vität abzuschließen versucht. Da Geist und Wille wie Wesen und Erschei-
nung eine untrennbare Einheit bilden, muss der Geist sich äußern in
Handlungen und Taten. Dem entspricht in der philosophischen Wissen-
schaft das von Hegel nachdrücklich hervorgehobene Erfordernis der be-
sonderen Durchführung des allgemeinen Prinzips.20
Was der Mensch tut, das ist er (und umgekehrt). „Das, was der Mensch
ist, ist seine Tat, ist die Reihe seiner Taten, ist das, wozu er sich gemacht
16
hat... So ist der Geist wesentlich Energie, und man kann bei ihm nicht von
der Erscheinung abstrahieren.“21
Infolgedessen muss der Mensch für seine Handlungen einstehen. Er
kann sich nicht auf eine „innere Handlung“ berufen. Letztlich sind nicht
einmal seine ehrlichen Absichten und Gesinnungen entscheidender Maß-
stab zur Beurteilung seines praktischen Verhaltens in sittlicher Hinsicht,
worauf im Zusammenhang mit der Frage der konkreten Sittlichkeit und
Hegels Kritik an Kants und Fichtes ethischen Formalismus zurück zu
kommen ist.
Allerdings hat der einzelne Mensch nicht diejenigen Konsequenzen sei-
ner Handlung als „imputable“ Schuld, als das „Seinige“, zu übernehmen,
die keine „immanente Gestaltung der Handlung“ sind, sondern hervorge-
hen aus äußeren – zufälligen und notwendigen – Umständen, die er nicht
kannte oder verkannte und die er infolgedessen nicht in den Vorsatz ein-
beziehen konnte. Hierin liegt die Anerkennung des Menschen als Denken-
den.22
Das heißt in Hegels Terminologie: der einzelne Mensch hat sich nur
seine „Handlungen“, nicht aber seine „Taten“ in vollem Umfange als
Schuld zuzurechnen. („Schuld“ im Hegelschen Sinne hat der Mensch not-
wendigerweise, insofern er nämlich aus der Unschuld des Naturzustandes
heraustritt und überhaupt seine Handlungen will.) Zur „Handlung“ gehört
also allein die mit Vorsatz, zur „Tat“ auch die ohne Vorsatz hervorgebrach-
te praktische Veränderung der objektiven Wirklichkeit (wobei grundsätz-
lich im Vorsatz das, was noch nicht da ist und erst sein soll, in Differenz
steht zu dem, was unmittelbar vorliegt).
Seine Tat, nicht nur seine Handlung hat, wie Hegel analysiert, der he-
roische Mensch in der antiken Tragödie – Ödipus oder Ajax zum Beispiel –
zu büßen.23
Aber auch der Mensch in unserer Zeit muss nach Hegels Konzeption
der konkreten Sittlichkeit dann den ganzen Umfang seiner Handlung auf
sich nehmen und verantworten, wenn er – auch ohne Vorsatz – die wesent-
lichen sittlichen zwischenmenschlichen Verhältnisse verletzt; denn er ist
wesentlich denkender und frei wollender Mensch.
17
Dass der Geist des Menschen sich wesentlich nur in Handlungen und
Taten äußert, macht Hegel mit besonderer Schärfe deutlich im Zusam-
menhang mit seiner Polemik gegen die Physiognomik (Lavaters) und die
Phrenologie (Galls) in der „Phänomenologie des Geistes“ in dem Kapitel:
„Beobachtung der Beziehung des Selbstbewusstseins auf seine unmittel-
bare Wirklichkeit; Physiognomik und Schädellehre“.
Die Äußerung des Inneren in Schädelbildung und Physiognomie bil-
det, wie Hegel ausführt, kein wesentliches und notwendiges Verhältnis. Sie
macht den Geist nicht begreiflich. Eine zufällige, nur unbestimmte Mei-
nungen und Vorstellungen zulassende nicht gesetzmäßige Verbindung von
Innen und Außen ist der sinnliche daseiende Ausdruck – das Sein für an-
dere – des Inneren in den leiblichen Organen, der Gestalt, der Stimme, den
Zeichen der Mienen und Gebärden, dem Gesicht und der Handschrift, erst
recht im toten Knochenbau („Es ist... für völlige Verleugnung der Vernunft
anzusehen, für das wirkliche Dasein des Bewusstseins einen Knochen
auszugeben“24).
Sogar die Hand, nach Aristoteles „das Werkzeug der Werkzeuge“, ist
nicht die wahre Vergegenständlichung des Geistes, obgleich sie „nächst
dem Organ der Sprache am meisten es ist, wodurch der Mensch sich zur
Erscheinung und Verwirklichung bringt. Sie ist der beseelte Werkmeister
seines Glücks; man kann von ihr sagen, sie ist das, was der Mensch tut,
denn an ihr als dem tätigen Organ seines Sichselbstvollbringens ist er als
Beseelender gegenwärtig...“25 In den leiblichen Organen ist das Tun noch
als Tun oder als Inneres am Individuum einfach gegenwärtig; es ist nicht
eigentlich nach außen getreten, jedenfalls im Vergleich zu seiner Äußerung
in (der Vielheit der) Taten und Werke, die vom Individuum absonderbar
sind.
Sprache und Arbeit dagegen sind „Äußerungen, worin das Individuum
nicht mehr an ihm selbst sich behält und besitzt, sondern das Innere ganz
außer sich kommen lässt, und dasselbe Anderem preisgibt“.26
Wenn die leiblichen Erscheinungen die wahren Ausdrucksformen, die
„Phänomenologie“, des individuellen Geistes wären, würde der Geist nur
verbunden mit der Vergangenheit der vita acta, nicht mit der Gegenwart
und Zukunft der vita agenda.
18
Was aber der einzelne Mensch an sich ist, lässt sich – mit Solon - erst
aus und nach dem ganzen Lebensvollzug wissen.27 Die Freiheit des tätigen
Individuums widerstreitet der wesentlichen Festlegung auf sein leibliches
Dasein.28 Zustimmend zitiert Hegel Lichtenberg: „Gesetzt, der Physiognom
haschte den Menschen einmal, so käme es nur auf einen braven Ent-
schluss an, sich wieder auf Jahrtausende unbegreiflich zu machen.“29
Nur im Willen, in der Handlung und der Tat hat also der Geist seine
wesentliche gegenständliche Wirklichkeit, die Erfüllung seiner Möglichkei-
ten, seine Reflexion in sich, seine Selbstbestätigung: „Das wahre Sein des
Menschen ist... seine Tat; in ihr ist die Individualität wirklich... die Indivi-
dualität stellt sich in der Handlung als das negative Wesen da, welches
nur ist, insofern es Sein aufhebt.“30
Da die vollbrachten Taten – wie z. B. „Mord, Diebstahl oder Wohltat“ –
nicht eine „gemeinte“ unaussprechliche infinite Bedeutung haben, sondern
eine feste Bestimmtheit, ist in ihnen die „schlechte Unendlichkeit vernich-
tet.“ Die Tat „ist dies, und ihr Sein ist nicht nur ein Zeichen, sondern die
Sache selbst. Sie ist dies, und der individuelle Mensch ist, was sie ist...“ 31
Indem also der menschliche Geist – wie auch die voran gegangenen Ka-
pitel in der „Phänomenologie des Geistes“ über die Vernunft sowie über die
sinnliche Gewissheit, die Wahrnehmung und den Verstand demonstrie-
ren – seine Realität, d. h. die Objektivität oder Entäußerung seiner Subjek-
tivität, nur in den Gegenständen als seinen eigenen Werken, nicht in den
Gegenständen als unvermittelt seienden, gegebenen Dingen erfährt, haben
wir es hier mit dem Gegensatz des Theoretischen und Praktischen zu tun;
und Hegel kommt konsequenterweise zu dem Resultat: das Bewusstsein
muss, um seine Freiheit hinsichtlich der Dinge zu gewinnen, von der ge-
scheiterten theoretischen „beobachtenden“ reproduzierenden (gleichsam
protokollierenden und datenverarbeitenden) Einstellung – hier in Gestalt
der Physiognomik und Phrenologie – übergehen zu einer praktischen Ein-
stellung: „Das Bewusstsein will sich nicht mehr unmittelbar fin-
den, sondern durch seine Tätigkeit sich selbst hervorbringen. Es selbst ist
sich der Zweck seines Tuns, wie es ihm im Beobachten nur um die Dinge
zu tun war.“32
19
Züge hervor und ist fähig, in der Kunst das Innere sichtbar zu machen
(zum Beispiel in Gestalt der Allegorie oder des Symbols – nach dem Wort-
gebrauch Goethes –, d. h. in Gestalt des Repräsentierens des Allgemeinen
im Besonderen, der Einheit von Bild und allgemeiner Bedeutung oder ge-
danklichem Gehalt). Die Einbildungskraft bildet somit die Mitte in der A-
nodos zu den allgemeinen Gedanken.
Weder einseitig rationalistisch noch empiristisch ist Hegels Konzeption
hinsichtlich der Quellen der endlichen Erkenntnis: er trennt weder Sinnli-
ches und Rationales, Einzelnes und Allgemeines sowie Erscheinung und
Wesen gänzlich voneinander – als könnte das Erkennen die Empirie um-
gehen und unmittelbar das Wesen erfassen – noch fährt er das Rationale
auf das Sinnliche zurück – als könnte Erkenntnis eine Summation von
Sinnesdaten sein.43
Zu den nicht-sinnlichen, rationalen Formen des endlichen theoreti-
schen Bewusstseins gehört zunächst als elementare Verstandestätigkeit
der Vergleich einzelner Wahrnehmungsgegenstände, d. h. das Aufdecken
des Identischen und Differenten.
Damit wird der Übergang gemacht zur Abstraktion, die das Heraushe-
ben eines einzelnen Momentes eines wahrgenommenen sinnlichen Konkre-
ten, also einer Einheit mannigfaltiger Bestimmungen, und sein Fixieren
zur einfachen Allgemeinheit ist. (Das allgemeine naturwissenschaftliche
Gesetz ist für Hegel wesentlich Begriff und damit nicht abhängig von in-
duktorischer infiniter Verifikation44.)
Abstraktionen und Definitionen werden gebildet in Verbindung mit den
theoretischen Operationen der Analyse und Synthese. Die Analyse ist das
Zergliedern eines einheitlichen konkreten Gegenstandes der sinnlichen
Wahrnehmung in allgemeine abstrakte Elemente, und die Synthese ist das
Wiederherstellen der konkreten Einheit vermittels der Vereinigung der abs-
trakten Elemente auf der höheren Stufe des Denkens, so dass das sinnli-
che Konkrete Ausgangspunkt der Analyse und das gedankliche Konkrete
Resultat der Synthese ist.45
Die grundlegende Verstandestätigkeit des Urteilens ist, wie Hegel auf-
weist, immanent dialektisch, insofern – z. B. in dem Urteil „die Rose ist
rot“ – die Kopula in der Verbindung von Subjekt und Prädikat mit der Un-
23
Kurz: die Praxis ist für Hegel in zweifacher Hinsicht – nach der objekti-
ven und der subjektiven Seite – mangelhaft: erstens verhindert sie als Ver-
änderung der objektiven Wirklichkeit die vollkommene Autonomie der ob-
jektiven Wirklichkeit; zweitens verhindert sie als nur relative Veränderung
der objektiven Wirklichkeit die vollkommene Autonomie des Subjekts.
Zu den Formen des praktischen individuellen Bewusstseins gehören
außer dem Willen als Trieb, Neigung, Leidenschaft, Begierde und Interesse
auch die praktischen Gefühle .48
Als Grundlage der praktischen Gefühle und ihrer Polarität des Ange-
nehmen und Unangenehmen erkennt Hegel die Beziehung zwischen den
Bedürfnissen des Subjekts und den Objekten; das heißt: die praktischen
Gefühle, z.B. Freude und Schmerz, sind der Ausdruck davon, wie der
Handelnde in der Außenwelt für seine individuellen Bedürfnisse eine Ent-
sprechung findet. Die praktischen Gefühle sind in dieser Weise eine sub-
jektive – die niedrigste – Form des objektiven Inhalts. Nicht nur Verstand
und Wille, sondern auch Gefühl und Wille sind im Menschen eine Einheit
und keine isolierten fertigen Vermögen, beisammen „wie in einem Sacke“.49
Sowohl die endliche Theorie als auch die endliche Praxis knüpft also
das Band zwischen Ich und Gegenstandswelt; sie überwinden jeweils in
einander ergänzender Weise den Gegensatz und die Entfremdung von Sub-
jekt und Objekt, indem die „Einseitigkeit der Subjektivität“ – die unmittel-
bare Selbständigkeit des Subjekts – von der die Objekte aufnehmenden
Theorie, und die „Einseitigkeit der Objektivität“50 – die unmittelbare Selb-
ständigkeit der Objekte – von der die Objekte verändernden Praxis negiert
wird. „Diejenigen, welche soviel von der Festigkeit und Unüberwindlichkeit
des Endlichen, sowohl des Subjektiven als des Objektiven sprechen, haben
an jedem Triebe das Beispiel von dem Gegenteil. Der Trieb ist sozusagen
die Gewissheit, dass das Subjektive nur einseitig ist und keine Wahrheit
hat, ebensowenig als das Objektive“.51
Dass sowohl die Theorie als auch die Praxis Bewusstsein und Gegens-
tand vereint, heißt, dass ihre zugrunde liegende Struktur die gleiche ist,
nämlich die Negation der Negation (die Negativität).
Indem Theorie und Praxis die Entzweiung von Subjekt und Objekt auf-
heben, negieren sie nämlich – jeweils auf entgegengesetzter Seite – das
25
unmittelbar Gegebene. Das von Theorie und Praxis mittels der Negation in
gleicher Form angestrebte Resultat ist die versöhnende Wiederherstellung
der Einheit und Freiheit, die sich im anderen mit sich zusammenschlie-
ßende, vermittelte Rückkehr des Subjekts in sich (oder das Fürsichsein als
Negation der Negation und „wahrhafte Unendlichkeit“). „Die Gegenstände,
sofern ich mich zu ihnen mit dem Triebe danach verhalte, sind Mittel der
Intregation; dies macht überhaupt die Grundlage des Theoretischen und
Praktischen aus.“52
Aber sowohl die theoretische als auch die praktische Vereinigung von
Subjekt und Objekt in der Sphäre der Endlichkeit – und das heißt: im Be-
reich nicht nur des subjektiven, sondern auch des objektiven Geistes –
bleibt eine Beziehung auf anderes und bringt keine Auflösung aller Wider-
sprüche.
Die Abhängigkeit oder Unfreiheit ist nur formal oder an sich, aber nicht
inhaltlich aufgehoben. „Die physischen Bedürfnisse, das Wissen und Wol-
len des Menschen erhalten nun also in der Tat eine Befriedigung in der
Welt und lösen den Gegensatz von Subjektivem und Objektivem, von inne-
rer Freiheit und äußerlich vorhandener Notwendigkeit in freier Weise auf.
Der Inhalt aber dieser Freiheit und Befriedigung bleibt dennoch be-
schränkt, und so behält auch die Freiheit und das Sichselbstgenügen eine
Seite der Endlichkeit. Wo aber Endlichkeit ist, da bricht auch der Gegen-
satz und Widerspruch stets wieder von neuem durch, und die Befriedigung
kommt über das Relative nicht hinaus... Was der... in Endlichkeit ver-
strickte Mensch sucht, ist die Region einer höheren, substantielleren
Wahrheit, in welcher alle Gegensätze und Widersprüche des Endlichen ih-
re letzte Lösung und die Freiheit ihre volle Befriedigung finden können.“53
Indem Hegel mit dem absolut idealistischen Anspruch auftritt, wahre
Freiheit erfordere die Beziehung eines Subjekts auf einen objektiven Inhalt
als Beziehung auf sich selbst, d. h. sie erfordere die Aufhebung aller äuße-
ren Bedingtheit und somit der Gegenständlichkeit als solcher, kann er kon-
sequenterweise das endliche theoretische und praktische Subjekt-Objekt-
Verhältnis als nur unvollkommene Einheit und Freiheit bestimmen.
Innerhalb des endlichen Verhältnisses ist in der Tat für Theorie und
Praxis nur eine Konvergenz an die inhaltliche Synthese von Subjekt und
Objekt erreichbar. Vollkommene Vereinigung von Subjekt und Objekt,
26
Form und Inhalt, Begriff oder Idealität und Realität, Denken und Sein, d.
h. restlose Überwindung des Widerstandes der Objektivität und damit
vollkommene Freiheit lässt sich für Hegel jedoch, wie zu zeigen sein wird,
gewinnen im absoluten Denken.
Aber schon das ästhetische Verhalten ist eine Synthese des Praktischen
und Theoretischen, eine Aufhebung ihrer Einseitigkeit und Unfreiheit, und
steht damit höher als die endliche Theorie und die Praxis, d. h. es gehört
zum absoluten Geist.
Obgleich nämlich das Kunstwerk, der schöne Gegenstand, nicht wie der
Gegenstand der praktischen Tätigkeit der Begierde zerstört wird, macht es
den Betrachter doch auch nicht –trotz seines beschränkten Inhalts – ab-
hängig und unfrei wie der Gegenstand der endlichen Theorie. (Das Kunst-
werk setzt auf Grund seiner appellativen oder evokativen Wirkung einen
Prozess der Befreiung im Kunstgenießenden in Gang.) Der Grund dafür ist,
dass im schönen Gegenstand das sinnliche Objektive keine Selbständigkeit
und Unmittelbarkeit hat, d. h. dass der schöne Gegenstand seinen einheit-
lichen lebendigen Begriff oder seine Form nicht außerhalb seiner Objektivi-
tät oder seines Stoffes hat. Er ist vielmehr deren konkrete Einheit, in der
sich vernünftiger Zweck und sinnliche Realität zu freier Totalität oder Indi-
vidualität durchdringen; er ist die Freiheit als Notwendigkeit „hinter dem
Schein absichtsloser Zufälligkeit“.54
Dennoch ist die ästhetische Synthese des Praktischen und Theoreti-
schen noch keine vollkommene Vereinigung von Subjekt und Objekt, d. h.
keine perfekte Aufhebung der Gegenständlichkeit, kein reines Gesetztsein
der Gegenständlichkeit durch das Subjekt, keine restlose Verwandlung der
Substanz ins Subjekt. Das Schöne ist als das „sinnliche Scheinen der I-
dee“55 noch nicht explizit die Idee in ihrem eigenen Element, dem Begriff,
den zu erfassen, Aufgabe der absoluten Theorie ist. Auch die Religion kann
nach Hegels Konzeption der „drei Reiche des absoluten Geistes“ in ihrem
Element der Vorstellung – die eine höhere Stufe der Innerlichkeit oder
Subjektivität als das ästhetische Anschauen repräsentiert – nicht den ab-
soluten Inhalt, die Einheit des Göttlichen und Menschlichen, des Unendli-
chen und Endlichen, in vollkommen adäquater Form ausdrücken und den
Subjekt-Objekt-Gegensatz zur reinen Freiheit aufheben.
27
Die Einheit von theoretischer und praktischer Tätigkeit, die sich in je-
der Willenshandlung manifestiert, konkretisiert Hegel weiter, indem er den
Zusammenhang von Praxis und Teleologie sowie Teleologie und Kausalität
aufdeckt.
Wie Hegel zeigt, sind Kausalität und Teleologie miteinander vereinbar
und schließen sich nicht dualistisch-antinomisch aus. Die Verlässlichkeit
kausaler Naturprozesse – für Hegels mechanische und chemische Prozes-
se – ist die Voraussetzung zweckvollen praktischen Eingreifens, auch in
Gestalt der Technik.56 Die Teleologie ist die Wahrheit des Mechanismus
und Chemismus.57
Die Zweck-Mittel-Relation hat zur Grundlage die Ursache-Wirkung-
Relation; ein Mittel kann zur Erreichung eines Zieles nur angewendet wer-
den, wenn das Mittel Ursache bestimmter Wirkung ist.
Auf Grund der Verknüpfung von Teleologie und Kausalität stehen
Mensch und Natur in einem derartigen praktischen Wechselwirkungsver-
hältnis, dass der Mensch weder ausschließlich als Subjekt noch aus
schließlich als Objekt agiert, d. h. dass die Natur weder der Aktivität des
Menschen schrankenlosen Spielraum gewährt noch den Menschen gänz-
lich einengt und zu Passivität oder Fatalismus und Hinnahme ihrer
Fremdheit verurteilt (wie die Mechanisten und Deterministen des l8. Jahr-
hunderts – im Widerstreit zu ihrem politischen Engagement – annahmen
infolge der Übertragung der Naturerscheinungen der Anziehung und Ab-
stoßung auf das menschliche Verhalten58).
In der Einheit von Teleologie und Kausalität ist die Einheit von Freiheit
und Notwendigkeit impliziert. Diese vier Kategorien der Praxis lassen sich
nicht trennen.
Wenn der Mensch annimmt, seine Willensfreiheit läge darin, beliebig
und willkürlich entscheiden und handeln zu können, lässt er sich schließ-
lich in seiner Handlung von zufälligen Konstellationen determinieren und
ist tatsächlich unfrei.59 Freiheit besteht in der Sphäre der Endlichkeit nur
in der Erkenntnis und in dem praktischen Beherrschen notwendiger all-
gemeiner Zusammenhänge.
28
Die Vereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit (die auch Goethe her-
vorhebt als die Dialektik von Wollen und Schicksal in der Abhandlung
„Shakespeare und kein Ende“) wird zum Beispiel dadurch bestätigt, dass
wir eine Handlung nur frei nennen, wenn auch ihre Folgen mit berück-
sichtigt und einkalkuliert worden sind, was aber einen der Handlung
zugrunde liegenden notwendigen Zusammenhang voraussetzt.
Die praktische Realisierung des subjektiven Zwecks und die Herstellung
der relativen Einheit von Subjekt und Objekt ist dadurch eine Negation der
Unmittelbarkeit sowohl des Subjekts als auch des Objekts, dass der Zweck
aus seiner Innerlichkeit herausgesetzt, objektiviert wird und das Objekt
vom Zweck durchdrungen und ihm adäquat formiert wird. „Dieses negati-
ve Verhalten gegen das Objekt ist ebensosehr ein negatives gegen sich
selbst, ein Aufheben der Subjektivität des Zwecks.“60
Der subjektive, innere Zweck, der auf das objektive zu bearbeitende Ma-
terial bezogen ist, wird – auf der Basis der Triebhemmung – unter Anwen-
dung eines Mittels oder Werkzeugs realisiert.
Die Mittel der Produktfon haben den Vorrang vor den unbeständigen
subjektiven Zwecken und den rastlos sich erneuernden Bedürfnissen („das
Essen, die Sättigung, das Schlafen hilft nichts, der Hunger, die Müdigkeit
fangen morgen von vorn wieder an“61); denn in den Mitteln verallgemeinert
sich die Einzelheit der Arbeit zu einer (relativ) beständigen nachahmbaren
Regel: „... der Pflug ist ehrenvoller als unmittelbar die Genüsse sind, wel-
che durch ihn bereitet werden und die Zwecke sind. Das Werkzeug erhält
sich, während die unmittelbaren Genüsse vergehen und vergessen werden.
An seinen Werkzeugen besitzt der Mensch die Macht über die äußerliche
Natur, wenn er auch nach seinen Zwecken ihr vielmehr unterworfen ist.“62
Auch hinsichtlich dieser Mittel der praktischen Naturaneignung, nicht
nur im direkten Zusammenhang mit dem Geschichtsprozess, spricht Hegel
von einer „List der Vernunft“: der Mensch hält sich „im Hintergrund“ und
lässt die Objekte der Natur, das Material und das Mittel (das passiv gegen
den Arbeitenden und aktiv gegen das zu Bearbeitende ist) für seine Zwecke
wirken und sich aneinander „abreiben“, ohne „Komplimente“ mit ihnen zu
machen: „Dass der Zweck sich aber in die mittelbare Beziehung mit dem
Objekte setzt und zwischen sich und dasselbe ein anderes Objekt ein-
schiebt, kann als die List der Vernunft angesehen werden... In der unmit-
29
kenntnis und der rationalen Herrschaft des Menschen als „maître et pos-
sesseur du monde“, und er könnte damit anknüpfen an Bacons Gleichset-
zung von Macht und Wissen sowie auch an Vicos Gleichsetzung von Ma-
chen und Erkennen66, aber es ist zu bedenken: für Hegel geht das Wissen
nicht auf in der praktikablen operativ-technischen Theorie der Naturbe-
wältigung, sondern diese ist ein Moment im Dienste der Freiheit des Geis-
tes, die Hegel schließlich kulminieren lässt in einer Erneuerung der aristo-
telischen Kontemplation. Und die auf die Natur sich beziehende Theorie
erschöpft sich für Hegel, wie ein Blick in seine Naturphilosophie zeigt,
nicht in einem einförmigen mathematischen Formalismus; vielmehr reha-
bilitiert er die qualitative Mannigfaltigkeit der Natur. Die Unzulänglichkeit
der mathematisch-mechanischen Methode der alten Physik war schon na-
turwissenschaftlich erwiesen mit dem Entstehen der Chemie, der Biologie
und der Elektrizitätslehre.
Ebensowenig wie die Theorie in der Erkenntnis der Naturgesetze er-
schöpft sich für Hegel die Praxis in der technischen Naturbeherrschung.
Nicht schon deshalb allein, weil Hegel überhaupt in seine Theorie-Praxis-
Konzeption das Moment der Naturaneignung systematisch integriert, ließe
sich behaupten, dass bei ihm die Praxis im aristotelischen Sinne, d. h. das
ausschließlich auf die Welt des Menschen bezogene – in den Einzelfällen
von der Klugheit (phronesis) nur unwissenschaftlich ungenau geleitete
nicht lehrbare stets veränderliche und sein Ziel in sich selbst tragende67 –
Handeln abdanke zugunsten der Poiesis, der technischen Herstellung, der
Produktion. Die eigentliche Distanz des aristotelischen Begriffs des situati-
onsgerechten klugen tugendhaften Handelns – für das sich keine stringen-
ten Prinzipien aus der reinen Theorie und Weisheit ableiten lassen68 – zu
dem Hegelschen Praxisbegriff wird erst ersichtlich aus Hegels dialektischer
Verknüpfung der Praxis mit dem Geschichtsprozess.
31
schichtliche Etappe, auf die sich Hegel bezieht und die er hier in ihrer
Spiegelung in der Entwicklung des subjektiven individuellen Geistes dar-
stellt, ist die Auflösung der antiken Sklavengesellschaft. Auf der Stufe des
objektiven Geistes ist mit dem Ineinanderumschlagen der Selbständigkeit
des Knechts und des Herrn am ehesten vergleichbar die von Hegel analy-
sierte Verwandlung des „edelmütigen Bewusstseins“ des Lehnsmanns mit
seinem „Heroismus des Dienstes“ in das „niederträchtige Bewusstsein“ des
Höflings und der feudalen „Staatsmacht“ in den bürgerlichen „Reich-
tum“80.
Ohne dass Hegel es ausdrücklich so nennt, ist auch dies eine „List der
Vernunft“, dass die aufopfernde Selbstpreisgabe des Knechts zur Selbst-
gewinnung wird und sein Leiden ihn mündig macht. Angesichts der Be-
drohung und der Angst, sein ganzes Selbst durch den Tod zu verlieren, hat
„alles Fixe... in ihm gezittert“, ist er zur Selbstbehauptung entschlossen
und ist sein Fürsichsein, das ihm im Herrn entfremdet und suspendiert
war, schon „an ihm selbst“; aber erst wirklich „sein eigenes“ und an und
für sich seiendes ist es auf Grund der Arbeit. Dass die Todesgefahr des
Knechts zur Aufhebung der Desintegration seines Selbst führt, lässt sich
in Verbindung sehen mit Hegels grundlegender Spekulation über den Tod
als Überwindung des Endlichen, Natürlichen und Gegebenen und als ver-
mittelndes Moment der Erhebung ins Leben des unendlichen Geistes.81
Das Tun des Herrn, das unmittelbare Verzehren der Arbeitsprodukte,
hinterlässt keine objektiven gesellschaftlichen „vestigia“, sondern ver-
schwindet mit diesem Tun, während dagegen das „formierende Tun“ des
Knechts, der seine eigene transitorische Begierde erzwungenermaßen ne-
giert und seinem Eigenwillen entsagt, in den Arbeitsgegenständen und
Werkzeugen von Dauer ist, „in das Element des Bleibens tritt“: „Diese Be-
friedigung ist aber deswegen selbst nur ein Verschwinden, denn es fehlt
ihr die gegenständliche Seite oder das Bestehen. Die Arbeit hingegen ist
gehemmte Begierde, aufgehaltenes Verschwinden, oder sie bildet. Die nega-
tive Beziehung auf den Gegenstand wird zur Form desselben und zu einem
Bleibenden, weil eben dem Arbeitenden der Gegenstand Selbständigkeit
hat.“82
In diesen (relativ) beständigen Objektivierungen seines subjektiven Be-
wusstseins findet der Arbeitende – in einer Art praktischer Anamnesis –
35
kenntnis der Wahrheit ist bedingt durch die Verwirklichung der Wahrheit
in der geschichtlich-politischen Freiheit.
Weiter ist die Einheit von Theorie und Praxis als Einheit von Theorie
und Geschichte die Einheit der Logik und der Geschichte, insofern die lo-
gisch-systematischen Stufen und Erkenntnisformen des Geistes – An-
schauung, Vorstellung und Denken – in der geschichtlichen Entwicklung
erscheinen auf dem Niveau der Kunst, der Religion und der Philosophie.
Nach Hegels Konstruktion findet der Geist seine jeweils adäquate Form
in der Kunst des Griechentums, der Religion des Mittelalters und der Phi-
losophie der Zeit Hegels. Auch die logisch-absoluten (oder ontologischen)
Kategorien der philosophischen Theorie erscheinen also als Gestalten im
geschichtlich-relativen Entwicklungsprozess (zum Beispiel die Kategorie
des Seins bei Parmenides, die des Werdens bei Heraklit und so fort).
Frei, allgemein und unendlich ist der beschränkte, natürliche und end-
liche Wille nur formal, an sich oder seinem Begriffe nach, das heißt inso-
fern, als er die Möglichkeit hat, von jedem bestimmten Inhalt, den er durch
seinen Entschluss wählt, ins („schlechte“) Unendliche fort zu abstrahieren
oder ihn zu transzendieren und in dieser einseitigen Weise als einfache
Reflexion in sich und Negation des Realen unmittelbar bei sich zu sein.
Sogar sein Leben kann der Mensch im Gegensatz zum Tier durch Selbst-
mord „fallen lassen“.88
Diese negative verstandesmäßige Freiheit des formalen Willens ist „im
Politischen wie im Religiösen der Fanatismus der Zertrümmerung aller be-
stehenden gesellschaftlichen Ordnung, und die Hinwegräumung der einer
Ordnung verdächtigen Individuen...“, worin für Hegel insbesondere die Si-
gnatur der plebejischen jakobinischen „Schreckenszeit der französischen
Revolution“ vor dem Thermidor (l794) mit ihrer antikisierenden „allgemei-
nen Freiheit“ und dem Terror im Namen der asketischen Tugend besteht.89
Die Unbestimmtheit des Willens ist allerdings die Voraussetzung dafür,
dass er einen bestimmten Entschluss fassen kann. Anders gesagt: die Zu-
37
wendung des Menschen zur Welt basiert auf seiner originären Weltoffen-
heit und Triebbeherrschung.
Form und Inhalt bleiben aber unter diesem Gesichtspunkt im Gegen-
satz: außerhalb des abstrakten nur potentiell, nicht aktuell unendlichen
allgemeinen unentschlossenen Willens steht der besondere Inhalt, zu dem
sich der Wille jeweils entschließen muss, indem er aus seiner unbestimm-
ten Identität der reinen Selbstgewissheit heraustritt.90
Insofern Kants und Fichtes praktische Philosophie auf diesen formalen
allgemeinen Willen, das abstrakte unwirkliche Gute, gegründet ist (auch
bei Fichte kommt nämlich, wie Hegel bemängelt, der besondere Inhalt zum
allgemeinen Ich – als dem Wahren für sich – nur hinzu und ist ihm nicht
immanent91), stehen sich auch in ihr das apriorische Allgemeine und das
empirische Mannigfaltige unvermittelt gegenüber und machen wahre Sitt-
lichkeit als Einheit des allgemeinen Gesetzes und des bestimmten Inhalts
unmöglich: „Die Leerheit des reinen Pflichtgefühls und der Inhalt kommen
einander beständig in die Quere.“92
Die inhaltslose Universalität der Moral ist getrennt von der empirischen
Partikularität, ohne jemals vollkommen verwirklicht werden zu können.
Die Erfüllung der moralischen Postulate bleibt eine ethische Utopie, ist ein
unendlicher Prozess, der „perennierend gesetzte Widerspruch selbst“93
Dieser Widerspruch ist unaufhebbar; denn wenn sich das Sollen reali-
sierte und die gedachte Einheit der Pflicht und der Glückseligkeit als sei-
end zustande käme, verschwände das Sollen und die Pflicht. Die Vollen-
dung der Harmonie „ist ins Unendliche hinauszuschieben; denn wenn sie
wirklich einträte, so höbe sich das moralische Bewusstsein auf. Denn die
Moralität ist nur moralisches Bewusstsein als das negative Wesen, für des-
sen reine Pflicht die Sinnlichkeit nur die negative Bedeutung, nur nicht
gemäß ist“.94
Dadurch, dass die Ethik Kants und Fichtes – wie ihre Erkenntnistheo-
rie – den Dualismus von Idealität und Realität, Subjektivität und Objektivi-
tät, nicht wahrhaft überbrückt, wird trotz des Rigorismus der moralischen
Forderungen dem empirischen „gemeinen Bewusstsein“ nichts „von seiner
Zufälligkeit und Gemeinheit“ genommen, sondern es bleibt – ebenso wie
die empirische Wirklichkeit – unverändert, unaufgehoben bestehen. Infol-
38
gedessen stabilisiert diese Ethik die Zerrissenheit des Lebens und die „Zer-
stückelung des Menschen“.95
Dass der abstrakt allgemeine formal gute existenzlose Wille (nicht nur
im Sinne der Kantischen und Fichteschen Ethik) nicht wahrhaft autonom
ist, zeigt sich, wie Hegel in der „Phänomenologie des Geistes“ in dem Kapi-
tel „Die Tugend und der Weltlauf“ sagt, daran, dass „das Gute, indem es in
dem Kampf gegen den Weltlauf auftritt, damit sich darstellt als seiend für
ein anderes, als etwas, das nicht an und für sich selbst ist, denn sonst
würde es nicht durch Bezwingung seines Gegenteils sich erst seine Wahr-
heit geben wollen.“ Wenn andererseits der „Ritter der Tugend“ das abstrak-
te Gute als schon an und für sich seiend ausgibt, ist sein Kampf gegen den
Weltlauf unernste „Spiegelfechterei“.96
Wie Hegel ausführt, besiegt der geschichtlich-gesellschaftliche Inhalt
des Weltlaufs – dessen „Kraft das negative Prinzip (ist), welchem nichts be-
stehend und absolut heilig ist, sondern welches den Verlust von allem und
jedem wagen und ertragen kann“ – die utopische freischwebende Tugend
des sich vergeblich auflehnenden Ritters (Don Quichotte), „dem es im
Kampfe allein darum zu tun ist, sein Schwert blank zu erhalten“, mitsamt
den „pomphaften Reden“ von Weltverbesserung, den „Deklamationen“ und
der „leeren Aufgeblasenheit“. Hiermit ist vergleichbar, was Hegel in einem
Entwurf schon in seiner Frankfurter Zeit formuliert: „Das andere Extrem
von dem, von einem Objekte abzuhängen, ist das – die Objekte fürchten,
die Flucht vor ihnen, die Furcht vor Vereinigung, die höchste Subjektivi-
tät.“97
Die Tugend hört auf Grund ihres Schicksals schließlich auf, die Indivi-
dualität rigoros aufopfern zu wollen, muss sich mit der Wirklichkeit ver-
söhnen und die Erfahrung machen, dass „der Weltlauf so übel nicht ist,
als er aussah“; denn – und das ist Hegels zentraler Gesichtspunkt – das
scheinbar nur eigennützige pfiffige Handeln der Individualität ist zugleich
„allgemeines Tun“ (weshalb am Ende nicht nur die Tugend, sondern auch
der ihr abstrakt entgegengesetzte Weltlauf aufgehoben wird).98
In diesem Zusammenhang wird schon deutlich, dass Hegel gerade im
Gegensatz zum subjektiven Idealismus die Individualität nicht „vertilgt“.
Die Individualität kann Hegel insofern nicht dem Allgemeinen aufopfern,
als er nachweist, dass es keine Individualität isoliert für sich gibt, die nicht
39
ten, weil selbst auf das Handeln hin bezogen, dass es zum Übergang von
der Theorie zur Praxis nicht etwa geschichtlicher Vermittlungen des objek-
tiven Geistes, sondern nur eines individuellen „Aktus dar Urteilskraft“ be-
dürfe, wodurch „der Praktiker unterscheidet, ob etwas der Fall der Regel
sei oder nicht“, und dass, dementsprechend die Theorie trotz ihrer Bezo-
genheit auf praktische Verwirklichung souverän, unabhängig von äußeren
in der Geschichte erfahrbaren Gründen und Erfolgen, „für sich selbst be-
stehende Theorie“ sei.101a
Indem Hegel in seine Konzeption der Sittlichkeit den veränderlichen In-
halt aufnimmt, kehrt er sich nicht nur vom ethischen Formalismus und
Apriorismus ab, sondern auch vom ethischen Individualismus: an die Stel-
le des individuellen Wollens und Handelns, das unter dem Aspekt des
Konflikts der sinnlichen Neigung des „homo phänomenon“ und der morali-
schen Pflicht des „homo noumenon“ beurteilt wird (als ob die Widersprü-
che und Unvollkommenheiten des menschlichen Lebens nur aus der Sinn-
lichkeit stammten), tritt als Basis der Ethik die gesellschaftlich-
geschichtliche Praxis. (Hierin trifft sich Hegel insofern wiederum mit Aris-
toteles, als auch für diesen Ethik und Politik eine Einheit bilden und das
private gute und gerechte Handeln des einzelnen Menschen von der öffent-
lichen Verfassung der Polis abhängt, in der allein die Freiheit als Autar-
keia, also als Unabhängigkeit von Äußeren, wirklich ist.)
Der substantielle Inhalt der konkreten Sittlichkeit stammt für Hegel aus
der absoluten Vernunft, die sich in der Geschichte ausbreitet, im mensch-
lichen Handeln realisiert und im Volksgeist objektiv konkretisiert als Fami-
lie, bürgerliche Gesellschaft und Staat. (Kant setzt Staat, „civitas“, und
Gesellschaft, „societas civilis“, noch gleich.) An dieser konkreten relativen
Totalität lassen sich als eine besondere Seite abstrakt die Moralität und
die Legalität isolieren. Aber in Wahrheit ist die Historizität und Sozialität
des Menschen von seinem Handeln nicht abtrennbar.
Infolgedessen ist letztlich für Hegel das sittliche Kriterium einer Hand-
lung ihre Übereinstimmung mit dem Inhalt der „an und für sich seienden
Gesetze und Einrichtungen“102 eines Staatswesens, nicht allein die indivi-
duelle Gesinnung und das Gewissen als scheinbar unvermitteltes Faktum;
deren Bedeutung wird von Hegel herabgemindert, d. h. Hegel gibt nicht der
Tendenz der Verselbständigung des Gewissens nach, die geschichtlich mit
41
der Auflösung der Stände und ihrer Regeln zugunsten der freien Konkur-
renz auftrat.
Dennoch wird das Gewissen von Hegel nicht im historistischen Sinne
vollständig relativiert, da es ein notwendiges Moment in der Entwicklung
des absoluten Geistes bleibt. Dies wird häufig in der Befehdung der Hegel-
schen Auffassung des Gewissens mißachtet Der einzelne Mensch ist nach
Hegels Konzeption unbedingt berechtigt, nur das anzuerkennen, was Ge-
wissen, Überzeugung, Gesinnung, Einsicht und Gewissheit gut heißen.
„Das Gewissen drückt die absolute Berechtigung des subjektiven Selbst-
bewusstseins aus, nämlich in sich und aus sich selbst zu wissen, was
Recht und Pflicht ist...“103
Die Anstrengung des Gewissens und der subjektiven Reflexion ist sogar
die Pflicht des Einzelnen; denn eine äußerliche Befolgung der objektiven
vernünftigen Gebote ohne persönliche Überzeugung entbehrt der morali-
schen Qualität.104 (In geschichtlicher Hinsicht repräsentiert das unmittel-
bare Verharren in den substantiellen Verhältnissen das Niveau der despo-
tischen orientalischen vorgriechischen Welt.) Der objektive sittliche Gehalt
kann vom subjektiven Willen gerade deshalb nicht seine blinde Anerken-
nung und Hinnahme fordern, weil der subjektive Wille unendlich für sich
ist und die formale Möglichkeit hat, in reiner Selbstgewissheit und Selbst-
bestimmung von allem Vorhandenen und Geltenden abzusehen und sich
ihm gegenüber zu behaupten, d. h. weil das selbstbewusste Subjekt sich
als ein solches weiß, „dem alle vorhandene und gegebene Bestimmung
nichts anhaben kann noch soll“.105 (In geschichtlicher Hinsicht hat sich
die unendliche Freiheit der Individuen – und ihre Gleichheit vor Gott – im
Christentum manifestiert, nachdem die „Richtung nach innen“ mit Sokra-
tes und den Stoikern ihren Anfang nahm.)
Infolgedessen sind das Heraustreten des Subjekts aus der Verschlos-
senheit und Konzentriertheit der Innerlichkeit und die abermalige Zuwen-
dung zum objektiven Inhalt freiwillig: das Subjekt nimmt den sittlichen
Gehalt, sofern es eine höhere Stufe seiner Selbstbestimmung erreichen
will, nach eigener Prüfung und Entscheidung in sich auf und lässt sich
von ihm in seinem Willen und Handeln durchdringen. Das Subjekt hat al-
so keine äußerliche unmittelbare, sondern eine vermittelte Beziehung zum
42
objektiven Inhalt der aus dem Absoluten stammenden Geschichte und Ge-
sellschaft, der somit nicht an sich, sondern an und für sich gültig ist.
Hegel weist allerdings zurück, dass das Subjekt den vernünftigen we-
sentlichen Inhalt – der nur aus dem Zusammenhang der ganzen Geschich-
te zur begreifen ist und nicht mit dem alltäglich Vorhandenen und Zufälli-
gen identisch ist106 – seinem Belieben und Meinen unterwirft und seine
Besonderheit gegen ihn nach Gutdünken geltend macht. Die subjektive
Reflexion kann letztlich ebensowenig Beurteilungsmaßstab der Vernünf-
tigkeit einer Handlung sein wie das subjektive Bewusstsein der Rechtswid-
rigkeit einer Tat Voraussetzung ihrer Strafbarkeit ist.107
Es ist augenfällig: Hegels Auffassung von der Moral und insbesondere
von dem Gewissen steht und fällt mit seiner Geschichtskonzeption, die
zugleich einer aristotelischen Praxisauffassung den Weg versperrt.
Mit der Aufnahme des veränderlichen gesellschaftlich-geschichtlichen
Inhalts, der sich in Gegensätzen bewegt, anerkennt Hegel auch die von
Kant und Fichte verneinte Kollision der Pflichten108, die das Fundament
der relativen Tragik der in der Geschichte Handelnden bildet. Ebensowenig
wie Goethe kennt Hegel einen „Pantragismus“ im Sinne des Neuhegelia-
ners H. Glockner, der die dialektische Methode Hegels ablehnt109 und dar-
in übereinstimmt mit so verschiedenen Hegelinterpreten wie: F. A. Trend-
elenburg, Logische Untersuchungen, 1839, von denen Kierkegaard beein-
flusst ist; R. Haym, Hegel und seine Zeit (1859); W. Dilthey, Die Jugendge-
schichte Hegels, 1905; B. Croce, Lebendiges und. Totes in Hegels Philoso-
phie, 1909; W. Windelband, Die Erneuerung des Hegelianismus, 1910; R.
Kroner, Von Kant zu Hegel, 192l-24, und anderen.
Die Widersprüchlichkeit im Bereich der Sittlichkeit ist ein Spezialfall
der allgemeinen Widersprüchlichkeit, die für Hegel die objektive Wirklich-
keit wesentlich kennzeichnet, die für Kant dagegen – wie die Behandlung
der Antinomien der Endlichkeit und Unendlichkeit, der Kontinuität und
Diskontinuität sowie der Freiheitund Notwendigkeit in der transzendenta-
len Dialektik der „Kritik der reinen Vernunft“ zeigt – Beweis für die
Schranken des menschlichen Erkenntnisvermögens und die Unerkenn-
barkeit der Dinge an sich ist.
43
auf Grund eines „Abfalls“ – in sich entzweit, sich in sich reflektiert und aus
seiner einfachen Unendlichkeit und Identität mit sich in die Differenz und
Endlichkeit tritt, was impliziert, dass Gott für Hegel wesentlich Schöpfer
ist. Das ist – trotz Hegels Verwahrung dagegen – eine Art des Pantheismus
und der Ablehnung der Transzendenz: der Geist kann für Hegel die Welt
nicht schaffen, da der Geist zugleich notwendigerweise Welt ist. Das Er-
schaffen ist die vorstellungsmäßige dem Begriff inadäquate Form für das
Negative des Geistes: „Dieses Erschaffen ist das Wort der Vorstellung für
den Begriff selbst nach seiner absoluten Bewegung oder dafür, dass das
als absolut ausgesagte Einfache oder reine Denken, weil es das abstrakte
ist, vielmehr das Negative und hiemit sich Entgegengesetzte oder Andre
ist.“113
Wie Hegel ausführt, wird der Charakter des Bösen als notwendiges
Moment des Guten nur erfasst vom Wissen, nicht von der religiösen Vor-
stellung, die nicht über den Dualismus hinaus zur begrifflichen Versöh-
nung gelangt.114
Da der Geist, die Quelle des Bösen, auch das Prinzip der Versöhnung
des Entzweiten ist, wäre eine romantische Rückwärtswendung in Richtung
auf einen unschuldigen Naturzustand gegen die Entwicklung des Geistes
gerichtet.
Indem für Hegel die Freiheit des besonderen Willens des einzelnen pri-
vat interessierten Menschen nur die Kehrseite des abstrakt allgemeinen
formal freien Willens ist und somit keine Basis für die substantiellen
menschlichen Beziehungen bilden Bann, lehnt er auch Rousseaus Theorie
der Gemeinschaftsbildung auf Grund eines zwischen den Individuen ge-
schlossenen Vertrags ab als eine „atomistische Ansicht im Politischen“, die
den Vorrang der gesellschaftlichen und staatlichen Ganzheit verkenne.
Rousseaus Konzeption des „allgemeinen Willens“ muss Hegel als abstrakt
– und in der Konsequenz als jakobinisch – ansehen, da zu diesem „allge-
meinen Willen“ der vermittelnde Übergang von den einzelnen beliebigen –
gleichsam demoskopisch erfassbaren – Willensäußerungen und ebenso
von dem „Willen aller“ fehlt.115
Mit dieser Auffassung der Priorität des konkreten Allgemeinen, der Ge-
samtpraxis, distanziert sich Hegel zwar eindeutig vom Liberalismus; aber
um diese Einstellung Hegels nicht wiederum undialektisch mit einer völli-
45
gen Degradierung des Individuums oder gar mit einer Sanktionierung des
autoritären Totalitarismus gleichzusetzen116, muss jede Kontroverse hier-
über berücksichtigen: dieses vernünftige – das Bestehen von Recht und
Gesetz einschließende – Allgemeine, das „bonum commune“, wird von He-
gel eben nicht abstrakt verstanden, d. h. nicht verselbständigt oder objek-
tiviert, nicht der individuellen Freiheit obstinat entgegen gesetzt. Es wird
vielmehr begriffen als konkret vermittelt durch die subjektiven Tätigkeiten
der Individuen. Der Liberalismus und speziell die nach-thermidorianischen
Neuerungen (deren Antagonismen von Hegel nicht übersehen werden) sind
also in seiner politischen Philosophie als Moment aufgehoben.
Eine Interpretation, die in der Hegelschen Staatslehre einen Ausdruck
oder eine Vorbereitung des Totalitarismus oder eine Affinität zu ihm sieht,
ignoriert, dass gemäß Hegels Konzeption der konkreten Sittlichkeit der
einzelne Mensch niemals nur behandeltes passives Objekt, sondern stets
zugleich handelndes aktives Subjekt ist. Und was Hegel sein Leben lang
als das grundlegende Verdienst der Kantischen Ethik trotz aller ihrer Män-
gel anerkennt, ist gerade der bei Rousseau vorgebildete Gedanke der
Selbstbestimmung und Freiheit des Willens, der Selbständigkeit des Sub-
jekts, aber nicht nur im Sinne des transzendentalen reinen Bewusstseins
gefasst. Dass der Mensch wesentlich Subjekt ist und kein Objekt der (feu-
dalistischen) Willkür werden darf, bleibt für Hegel die unverzichtbare „ko-
pernikanische Wendung“ in ethischer Hinsicht.117a
„Die Freiheit liegt... weder in der Unbestimmtheit, noch in der Be-
stimmtheit, sondern sie ist beides“.117 Das heißt aber: erst der konkret all-
gemeine wahrhaft gute Wille, der den besonderen Inhalt immanent enthält
oder durch ihn hindurchgeht, der an und für sich seiende vernünftige Wil-
le, hebt den Gegensatz von Form und Inhalt, Subjekt und Objekt, Begriff
und Realität, auf und damit auch die Abhängigkeit und Beschränkung sei-
tens der bestimmten Gegenstände.
Schon der junge Hegel in seiner Berner Periode (1793-1796), auch
schon in seiner Tübinger Studienzeit, untersucht die Probleme der Praxis,
die für ihn zu dieser Zeit den Primat haben, von vornherein im Gegensatz
zu Kant unter gesellschaftlich-geschichtlichem Aspekt. Es geht ihm nicht
um die Praxis des intelligiblen (noumenalen) Ich, sondern um die Freiheit
des Volkes als die Praxis der gemeinschaftlichen Selbsttätigkeit oder Sub-
46
der toten Positivität (des etablierten Faktums und des affirmierten Fatum)
opponiert, in der Liebe und in dem „Leben“ der Religion verwirklicht.
Das christliche Leben vereint das von den tyrannischen Kantischen Mo-
ralgeboten und von den herrischen jüdischen Gesetzen Entzweite und ver-
söhnt mit dem notwendigen äußeren „Schicksal“ (speziell mit der Strafe
des Verbrechers).
So sagt Hegel in dem Konzept zu seiner Frankfurter Hauptschrift „Der
Geist des Christentums und sein Schicksal“ (l799): „Jesus setzt dem Gebo-
te die Gesinnung gegenüber, d. h. die Geneigtheit, so zu handeln; Neigung
ist in sich gegründet, hat ihr idealisches Objekt in sich selbst; nicht in ei-
nem Fremden (dem Sittengesetze der Vernunft)... Gesinnung hebt die Posi-
tivität, Objektivität der Gebote auf; Liebe die Schranken der Gesinnung,
Religion die Schranken der Liebe.“121
Der Hauptaspekt der Kritik Hegels an Kants Ethik kommt in der Ausar-
beitung dieser Frühschrift mit folgenden Worten prägnant zum Ausdruck
(im Anschluss an eine Stelle in Kants „Die Religion innerhalb der Grenzen
der bloßen Vernunft“): „... zwischen dem tungusischen Schamanen mit
dem Kirche und Staat regierenden europäischen Prälaten oder dem Mogu-
litzen mit dem Puritaner und dem seinem Pflichtgebot Gehorchenden ist
nicht der Unterschied, dass jene sich zu Knechten machten, dieser frei wä-
re; sondern dass jener den Herren außer sich, dieser aber den Herren in
sich trägt, zugleich aber sein eigener Knecht ist... Ein Mann (sc. Kant, E.
T.) der den Menschen in seiner Ganzheit wieder herstellen wollte, konnte
einen solchen Weg unmöglich einschlagen, der der Zerrissenheit des Men-
schen nur einen hartsinnigen Dünkel zugesellt...“122
In dem Konzept zu der Schrift „Der Geist des Christentums und sein
Schicksal“ behandelt Hegel ein Hauptmoment der Praxis, nämlich die
Wahl, und zwar in Auseinandersetzung mit Kants Bestimmung der Wahl
als Entscheidung zwischen moralisch Gutem und Bösem. Die Wahl ist für
Hegel hier die adäquate Vereinigung oder Versöhnung zwischen wählen-
dem Subjekt und gewähltem Objekt und vollbringt als solche die Aufhe-
bung der Positivität. Ob die Vereinigung der Wahl wirklich moralisch ist,
hängt vom gewählten Inhalt ab, nicht primär von der Gesinnung und der
Vorstellung. Worauf es Hegel wesentlich ankommt, ist, was gewählt wird:
„... das Vorstellende und das Vorgestellte werden eins; dies ist die Hand-
48
lung; das Moralische der Handlung ist in der Wahl, die Vereinigung in der
Wahl ist, dass das Ausgeschlossene ein Trennendes ist; dass das Vorge-
stellte, das in der Handlung vereinigt wird mit dem Vorstellenden der Tä-
tigkeit, selbst schon ein Vereinigtes sei, unmoralisch, wenn es ein Tren-
nendes ist. Die Möglichkeit der Entgegensetzung ist Freiheit – das Entge-
gensetzen selbst ein Akt der Freiheit. Die moralische Handlung ist darum
unvollständig und unvollkommen, weil sie die Wahl, weil sie Freiheit, Ent-
gegengesetzte, Ausschließung eines Entgegengesetzten voraussetzt, – je
verbundener dies Ausgeschlossene ist, desto größer die Aufopferung, die
Trennung, desto unglücklicher das Schicksal; ‚je‘ größer dieser einzelne,
desto zerrissener die Idee des Menschen; ‚je‘ intensiver sein Leben, desto
mehr verliert es an Extension, und er trennt sich wieder desto mehr. Mora-
lität ‚ist‘ Angemessenheit, Vereinigung mit dem Gesetz des Lebens; ist die-
ses Gesetz aber nicht Gesetz des Lebens, sondern selbst ein fremdes, so ist
die höchste Trennung; Objektivität.“123 (Freiheit ist also für Hegel eine
Qualität der Willensentscheidung, der Wahl selbst, nicht nur – wie etwa
für Locke, der die Frage der Willensfreiheit unbeantwortet lässt – die Fä-
higkeit, eine getroffene Willensentscheidung in die Tat umzusetzen.)
Auch im Frankfurter Systemfragment von 1800 steht im Mittelpunkt
die Frage der Vereinigung und des „Lebens“ (d. h. der Tätigkeit der Verein-
heitlichung des Entgegengesetzten oder des „Fließgleichgewichts“ – venia
sit verbo). Später präzisiert Hegel den Begriff des Lebens durch Angabe der
drei Hauptmerkmale: Totalität, Prozesshaftigkeit und Selbstbewegung oder
Selbstreproduktion.124 Diese Problematik wird hier weiter ausgeführt in
Richtung auf die reife Konzeption der konkreten Sittlichkeit. Zwischen In-
dividuum und Objektwelt herrscht nach Hegels Entwurf eine untrennbare
Beziehung; das Individuum „wird bloß in Beziehung betrachtet, sein Sein
nur als Vereinigung habend...“125 Diese Beziehung zwischen Subjekt und
Objekt wird als lebendiges Wechselverhältnis aufgefasst.
Dabei bestimmt Hegel das „Leben“ oder den „Geist“ mit einer Formulie-
rung, die seiner reifen Artikulation der Dialektik als „Identität der Identität
und Nichtidentität“ entspricht: er nennt das Leben „die Verbindung der
Verbindung und der Pflichtverbindung“.126 Aus alledem ist im übrigen er-
sichtlich, dass Hegels Begriff des „Lebens“ – die Keimform seines Begriffes
der Sittlichkeit – nichts gemeinsam hat mit dem gleichnamigen Begriff der
49
ihrer bürgerlichen Welt waren, in der sie alles „ihrer eigenen Tätigkeit ver-
danken“ konnten.130) Aber durch Entsagung und Verzicht auf eigenen Wil-
len, Arbeit, Genuß und Besitz hat an sich auch vom unglücklichen Be-
wusstsein „sein Unglück... abgelassen“, und ist es an sich die vernünftige
Einheit des Einzelnen und Allgemeinen, des Wandelbaren und Unwandel-
baren.
Die bisher erwähnten Kollisionen von Subjekt und Objekt spielten sich
im individuellen Bewusstsein auf dem Hintergrund der antiken und mit-
telalterlichen Welt ab. Aber auch auf der folgenden Stufe des objektiven
Geistes kommt es zu praktischen Zusammenstößen zwischen Individuel-
lem und Allgemeinem: die sinnliche Lust oder das einzelne Gefühl – in
Goethes „Faust“ vom Erdgeist repräsentiert – findet den Untergang in der
schicksalhaften allgemeinen Notwendigkeit. Das Bewusstsein erfährt, dass
„die Folgen seiner Taten... ihm nicht seine Taten selbst“ sind, und die abs-
trakte Notwendigkeit ist „nur die unbegriffene Macht der Allgemeinheit, an
welcher die Individualität zerschmettert wird.“131
Ähnlich ergeht es dem Individuum, das sein unmittelbares „Gesetz des
Herzens“, dessen besonderem Inhalt und seine Auffassung vom „Wohl der
Menschheit“ in seinem Tun verwirklichen will. Es muss erfahren, dass die
anderen „Herzen der Menschen selbst seinen vortrefflichen Absichten ent-
gegen“ sind.132 Als Beispiele für die Ausdehnung der subjektiven hochflie-
genden, überschwenglichen Ziele zur substantiellen Allgemeinheit führt
Hegel in der „Ästhetik“ unter anderem an: Faust (im ersten Teil des Dra-
mas), Ferdinand in Schillers „Kabale und Liebe“, Wallenstein und Karl
Moor, der sich als „selbständiger Rächer“ gegen „die gesamte bürgerliche
Ordnung und den ganzen Zustand der Welt und Menschheit seiner Zeit
empört“.133
Nach der Darstellung des Scheiterns der Tugend am Weltlauf zeigt He-
gel den Zusammenhang zwischen der individuellen Handlung und dem
gesellschaftlichen Allgemeinen im „geistigen Tierreich“ der bürgerlichen
Gesellschaft („Das Ganze ist die sich bewegende Durchdringung der Indi-
vidualität und des Allgemeinen...“134), bevor er in den Kapiteln „Die gesetz-
gebende Vernunft“ und „Die gesetzprüfende Vernunft“ die „reine Form der
Allgemeinheit“ der Kantischen und Fichteschen Moral bemängelt und
dann von den „Gestalten des Bewusstseins“ zu den wirklichen „Gestalten
51
zu seinen Zwecken hat; solcher Inhalt ist aber nur im Denken und durchs
Denken...“137
Dagegen ist der Inhalt des individuellen Willens auf der Stufe des sub-
jektiven Geistes nicht ausschließlich im Denken. Er kann auch in der
Wahrnehmung oder Vorstellung sein; und die Verstandesreflexion bringt
an den besonderen zufällig gegebenen Inhalt des individuellen Willens nur
die formale Allgemeinheit heran, so dass Form und Inhalt sich entgegenge-
setzt bleiben und der individuelle reflektierende Wille an den Inhalt ge-
bunden und durch ihn bestimmt bleibt.
Schon um nur die Reflexionsform der Allgemeinheit des Wissens und
Wollens zu erreichen, muss sich der einzelne, subjektive Wille erheben aus
der vorgefundenen Objektwelt, d. h. aus dem Bereich der unmittelbaren,
natürlichen, partikulären Bedürfnisse und der äußerlich sich dem Be-
wusstsein darbietenden Naturdinge sowie aus dem Bereich des Verhältnis-
ses einzelner Menschen, die sich in ihrem Selbstbewusstsein verschieden
und partikulär sind. Der einzelne, subjektive Wille – dessen Freiheit als
Auflösung und Vereinigung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes zur Befrie-
dung nur beschränkt und nicht endgültig ist – befreit sich weiter und bil-
det sich durch „die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Beneh-
mens, gegen die Unmittelbarkeit der Begierde, sowie gegen die subjektive
Eitelkeit der Empfindung und die Willkür des Beliebens.“138
Da der objektive konkret allgemeine, vernünftige Inhalt des Willens, die
allgemeingültige Ordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen, dem
Denken angehört, aber auch sein wirkliches Element im Willen hat, reprä-
sentiert der „wirkliche freie Wille“ als objektiver, gegenständlicher Geist die
Aufhebung und Synthese der subjektiven theoretischen und praktischen
Tätigkeit.139
In dieser Synthese der subjektiven Theorie und Praxis auf der Stufe des
objektiven Geistes erfasst sich aber der Geist noch nicht in seinem eigenen
Element, im Geist selbst. Der objektive, vergegenständlichte Geist ist noch
nicht der absolute Geist. Der Geist bleibt im Element des Willens, in sei-
nem anderen, sich selbst entfremdet. Er bezieht sich nicht auf sich als
Geist. Das heißt: die Gegensätze von Subjekt und Objekt sind noch keine
rein logischen Gegensätze des absoluten Wissens. Das Wahre ist noch
nicht in der Form des Wahren. Die rechtlichen, moralischen und sittlichen
53
Der Wille als Wille überwindet zwar die Endlichkeit und Abhängigkeit,
aber die Wahrheit des Willens ist für Hegel der absolute Geist, mit dem
weder der subjektive noch der objektive Wille übereinstimmt.
Wenn auch der objektive Geist in der Perspektivs des absoluten Geistes
noch die Sphäre der Praxis, der Entfremdung, Gegenständlichkeit, End-
lichkeit und Unfreiheit ist, so befindet er sich doch auf dem Wege zum ab-
soluten Geist: er ist ein Schritt zur Entgegenständlichung, Verinnerlichung
und vollkommenen geistigen Freiheit; denn die Gegenstände der Praxis auf
der Stufe des objektiven Geistes – die rechtlichen, moralischen und sittli-
chen Bestimmungen – sind nicht sinnlich, sondern intelligibel, ausschließ-
lich dem Denken zugänglich. Der auf sie gerichtete Wille ist also in seiner
Verwirklichung schon innerlich. Die Synthese von Innen und Außen, Beg-
riff oder Idealität und Realität ist auf dieser Stufe selbst innerlich und i-
deell. „Der an und für sich seiende Wille ist... nicht bloße Möglichkeit, An-
lage, Vermögen(potentia), sondern das Wirklich-Unendliche (infinitum actu),
weil das Dasein des Begriffs, oder seine gegenständliche Äußerlichkeit das
Innerliche selbst ist.“142a
Der Wille auf der Stufe des objektiven Geistes ist also real, indem er von
sich weiß. Die Entwicklungshöhe der rechtlichen, moralischen und sitt-
lich-politischen Verhältnisse, das heißt der realen Freiheit, innerhalb eines
bestimmten Volkes hängt somit von der Entwicklung seines Selbstbe-
wusstseins ab.
Da der objektive Geist eine Sphäre der Praxis ist, der Wille in ihr aber
ausschließlich gedanklich fassbare Gegenstände hat, ergibt sieh: für Hegel
ist die Praxis, d. h. die Bestimmung oder Veränderung von Gegenständen,
nicht identisch mit der Bestimmung oder Veränderung sinnlicher Gegens-
tände. Dies verdient schon an dieser Stelle hervorgehoben zu werden hin-
sichtlich der junghegelianischen Umdeutungen der Philosophie Hegels, in
deren Verlauf schließlich Marx die Praxis mit „gegenständlicher“ – und das
heißt für ihn: sinnlicher – Tätigkeit gleich setzt.
55
Wenn auch, wie dargestellt, für Hegel Theorie und Praxis in der Sphäre
der Endlichkeit beide einseitig sind und keine vollkommene Einheit und
Freiheit erreichen, da dem subjektiven Geist eine beschränkende objektive
Außenwelt mit ihrer Selbständigkeit und Fremdheit vorgegeben bleibt und
dem objektiven Willen noch die Form des absoluten Geistes ermangelt, so
sind sie doch nicht gleichrangig.
Zunächst hat die Praxis einen Vorrang: im theoretischen Verhalten des
endlichen Bewusstseins empfängt das Subjekt den Inhalt als vorgegebenen
und ist ausschließlich formal oder abstrakt bei sich selbst und frei, inso-
fern es bei allen äußeren Bestimmungen in reiner Unbestimmtheit und
Selbstgewissheit identisch mit sich bleiben kann. Dagegen bestimmt sich
das Subjekt in der Praxis nicht nur formal, sondern auch inhaltlich aus
sich selbst, aus dem Bewusstsein. „Beim theoretischen Vermögen macht
es nun den wesentlichen Unterschied aus, dass nur die Form im Bestim-
men des Geistes liegt, hingegen beim praktischen der Inhalt auch vom
Geist herkommt.“143
Diese inhaltliche Selbstbestimmung gilt sowohl für die objektive kon-
kret allgemeine Praxis als auch für die subjektive, individuelle Praxis; aber
für diese gilt sie nur in relativer Weise: den inneren Inhalt, der durch das
Handeln äußeres Dasein erhalten soll, findet sie vor und macht ihn erst
willentlich – durch den Entschluss – zum eigenen Inhalt. „Die Umstände
oder Beweggründe haben nur so viel Herrschaft über den Menschen, als er
selbst ihnen einräumt.“144
Indem der innere Inhalt des Willensentschlusses durch das Handeln
realisiert wird, d. h. die inneren Möglichkeiten und Reichtümer vorgezeigt
werden, und dadurch das äußere Vorhandene umgestaltet und zur Über-
einstimmung und Vereinigung mit dem Inneren gebracht wird (so dass das
Handeln Setzen und Negieren, gewissermaßen Zustimmung und Missbilli-
gung, zugleich ist), bleiben der innere Inhalt und der realisierte Inhalt der
gleiche, und nur die Form wird aufgehoben. „Das Haus, welches, dem Vor-
satz nach, gebaut werden soll, und das, welches, dem Plan nach, gebaut
wird, sind dasselbe Haus.“145
56
Dementsprechend stellt Hegel auf der Ebene der „Logik“ die praktische
Idee des Guten, da sie in sich das Moment der Bestimmtheit enthält, hö-
her als die theoretische Idee des Wahren: „In der theoretischen Idee steht
der subjektive Begriff als das Allgemeine, an und für sich Bestimmungslo-
se, der objektiven Welt entgegen, aus der er sich den bestimmten Inhalt
und die Erfüllung nimmt. In der praktischen Idee aber steht er als Wirkli-
ches dem Wirklichen gegenüber... Die Objektivität hat das Subjekt hier
sich selbst vindiziert; seine Bestimmtheit in sich ist das Objektive, denn es
ist die Allgemeinheit, welche ebensowohl schlechthin bestimmt ist... Diese
in dem Begriffe enthaltene, ihm gleiche, und die Forderung der einzelnen
äußerlichen Wirklichkeit in sich schließende Bestimmtheit ist das Gute...
Diese Idee ist höher als die Idee des betrachteten Erkennens, denn sie hat
nicht nur die Würde des Allgemeinen, sondern auch des schlechthin Wirk-
lichen.“146
Aber der Vorrang der Praxis gegenüber der Theorie wird letztlich von
Hegel als Schein behandelt. Der Mangel der Praxis ist für Hegel, dass sie
keine absolute Selbstbestimmung gewährt. Der Inhalt des objektiven all-
gemeinen Willens ist nämlich nicht in seiner wahren Form, dem Geist; und
der subjektive, individuelle Wille ist inhaltlich nur relativ autonom, d. h. er
bleibt in Beziehung auf seinen Inhalt beschränkt und endlich.
Der Grund dafür ist, dass der Praxis eine von ihr unabhängige gleich-
sam widerspenstige objektive Welt als unüberwindliche nicht manipulier-
bare Schranke, als das sich selbst vorgebende Unverfügbare, Ungenießba-
re, vorausgesetzt bleibt, dass also die Gegenständlichkeit für die schöpferi-
sche praktische Initiative den Charakter der Notwendigkeit hat.
Infolgedessen kann auch die Realisierung des Willensinhaltes in der
Außenwelt gehemmt oder verhindert werden (so dass sie ein Postulat
bleibt); oder ein realisierter Willensinhalt kann mit einem anderen kollidie-
ren und von ihm zerstört werden.147
Die Praxis hat aber nicht nur den Mangel der Relativität der Selbstbe-
stimmung. Sie ermangelt auch eines Vorzugs der endlichen Theorie: diese
lässt im Gegensatz zur Praxis die unabhängige Gegenstandswelt frei in ih-
rem eigenen Wesen gewähren und behandelt sie nicht als für sich nichtig
(allerdings auf Kosten ihrer eigenen inhaltlichen Selbstbestimmung).148
57
sich wird und sich in dieser Weise verwirklicht. Andernfalls wäre der
Mensch nicht wesentlich denkendes Lebewesen und Selbstbewusstsein.
Insofern der Mensch sich in den praktisch formierten Gegenständen
vergegenständlicht und wiedererkennt, wirkt die „praktische Veränderung
der Außendinge“ auf den Menschen zurück, formt den Menschen selbst
und führt ihn zu tieferem Wissen von sich, und zwar nicht als akzidentel-
les Resultat der Praxis, sondern als ihr Hauptzweck, was ein längeres Zitat
aus der „Ästhetik“ zeigen soll: „Dies Bewusstsein von sich erlangt der
Mensch in zwiefacher Weise: Erstens theoretisch, insofern er im Inneren
sich selbst sich zum Bewusstsein bringen muss, was in der Menschen-
brust sich bewegt... Zweitens wird der Mensch durch praktische Tätigkeit
für sich, indem er den Trieb hat, in demjenigen, was ihm unmittelbar ge-
geben, was für ihn äußerlich vorhanden ist, sich selbst hervorzubringen
und darin gleichfalls sich selbst zu erkennen. Diesen Zweck vollführt er
durch Veränderung der Außendinge, welchen er das Siegel seines Inneren
aufdrückt und in ihnen nun seine eigenen Bestimmungen wiederfindet...
Schon der erste Trieb des Kindes trägt diese praktische Veränderung der
Außendinge in sich; der Knabe wirft Steine in den Strom und bewundert
nun die Kreise, die im Wasser sich ziehen, als ein Werk, worin er die An-
schauung des Seinigen gewinnt.“150
Das praktische „Hinausgehen“ des menschlichen (wie des absoluten)
Bewusstseins aus sich hat also für Hegel den hintergründigen Sinn des
theoretischen „Hineinbildens in sich“. Die Ausbreitung dient der Vertie-
fung. Die zeitlich-räumliche Entäußerung und Vergegenständlichung be-
zwecken das geistige Insichgehen und die „Erinnerung“.
Es zeigte sich schon bei der Betrachtung der Einheit von Denken und
Wollen in der individuellen Handlung, dass für Hegel die Zwecke der Praxis
letztlich keine Reflexe von natürlichen Bedürfnissen und deren Gegens-
tände sind. Die Praxis wurzelt für Hegel in dem geistigen Bedürfnis der
Selbsterkenntnis.
Das Selbstbewusstsein ist der „Trieb“, die Bewegung, die Negativität,
sich als Gegenstand hervorzubringen, d. h. sein An sich oder seinen Beg-
riff zu realisieren durch die Entäußerung seiner selbst, die zugleich Set-
zung, Affirmation, und Negation der unmittelbaren sinnlichen Gegenstän-
de des Bewusstseins ist.151
60
bliebe, so dass in undialektischer Weise die Theorie in der Praxis nur ihre
Anwendung, nicht aber ihre Aufhebung fände. Dies würde bedeuten, dass
die Erkenntnis nur die Voraussetzung der Praxis ist, nicht auch das pri-
mär angezielte – Resultat der Praxis wird.
Zunächst betrifft Hegels Konzeption der durch Praxis vermittelten geis-
tigen Entwicklung den subjektiven, individuellen Geist (einschließlich der
Begabungen, Fähigkeiten, des Temperaments und Charakters): die Le-
bensgeschichte und Profilierung eines Menschen ist unbestreitbar nicht
ausschließlich eine Aktualisierung fertiger geistiger Potenzen, sondern
auch eine Formierung der geistigen Potenzen selbst durch den Vollzug und
die praktische Gestaltung des Lebens, durch das Sichaussprechen und
Darstellen der Individualität als Übersetzen „seiner selbst aus der Nacht
der Möglichkeit in den Tag der Gegenwart“, aus dem „Nichtgesehenwerden
in das Gesehenwerden“, was auch Goethe im Sinn hat, wenn er davon
spricht, dass die „Tätigkeit gegen die Außenwelt“ nicht zugunsten einer
„innern falschen Beschaulichkeit“ preisgegeben werden dürfe, denn: „Der
Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in
sich und sich nur in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl be-
schaut, schließt ein neues Organ in uns auf.“154
In gewissem Maße hiermit vergleichbar ist die Auffassung des Aristote-
les von der „hexis“, dem „habitus“, worin ein Keim einer dialektischen Be-
trachtungsweise des Handelns liegt: das Handeln nimmt einerseits seinen
Ausgang und seine Richtung von der Basis einer festen, geformten, geord-
neten ethischen „Haltung“ und Charaktertugend (nicht die Ziele, sondern
nur die Mittel der Handlung werden nach Aristoteles bestimmt von der in-
tellektuellen Wahl, der „prohairesis“), aber diese Basis selbst wird anderer-
seits auch durch das Handeln gefestigt.154a
Das gleiche Verhältnis der Wechselwirkung macht sich geltend auf der
Stufe des objektiven Geistes. Aber aufs Ganze gesehen, hinsichtlich des
absoluten Geistes, hat für Hegel die Vergegenständlichung des Geistes
nicht mehr die inhaltliche Entwicklung des Geistes zum Zweck, sondern
nur noch das Realisieren der fertigen Möglichkeiten, des in sich abge-
schlossenen An sich oder Begriffs. Der Inhalt des absoluten Geistes steht
nicht auch erst als Resultat, sondern allein als Voraussetzung des Objek-
tivierungsprozesses des absoluten Geistes in der Geschichte fest. Der inne-
62
re Gehalt, der Ertrag und Sinn der Geschichte sind letztlich für Hegel er-
schöpft, immanent und providentiell beschlossen. Die Geschichte bringt
nur hervor, was ursprünglich „investiert“ ist, und erschließt keine wesent-
lich neuen Aspekte. Sie ist gewissermaßen eine dialektische Tautologie
und nur formal eine Entwicklung. Die praktisch-geschichtliche (räumlich-
zeitliche) Aufeinanderfolge der Epochen ist das Abbild der theoretisch-
logischen Auseinanderfolge der Kategorien oder Strukturen. Die Entwick-
lung ist der „in sich zurückgehende Kreis, der seinen Anfang voraussetzt,
und ihn nur im Ende erreicht“, wobei die Kreisläufigkeit das Kriterium der
Wahrheit ist.155 Als solches Rückwärtsschreiten im Vorwärtsschreiten ist
sie eine Wiederherstellung der ursprünglichen Einheit, eine Wiederholung,
eine Reproduktion des von vornherein teleologisch angelegten Grundmus-
ters, gleichsam ein mythisches, immer gleichbleibendes Rondo. Dement-
sprechend bezeichnet der Begriff der wahren Unendlichkeit für Hegel – in
Übereinstimmung mit Spinoza und Descartes und im Gegensatz zu Locke
und den anderen Empiristen – eine Qualität, keine Quantität, d. h. das
aktual Unendliche, nicht das potentiell Unendliche des unbegrenzten Fort-
schreitens (dessen Begriff in der modernen Mathematik seit Weierstraß bei
der Bestimmung des Grenzwertes des unendlich Großen und Kleinen al-
lein angewendet wird und aus dessen Begriff die Konstruktivisten die Gül-
tigkeit des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten sowie der indirekten Exis-
tenzbeweise bestreiten). Als abgeschlossene systematisierbare Totalität, in
der jeder der Teile seine logifizierte Stelle hat, ist die Geschichte nicht erst
Totalität in Hinblick auf die Zukunft. Sie gewährt unter diesem Gesichts-
punkt der Horizontlosigkeit keine Hoffnung.156 Ihr Neues ist das Alte in
einer Weise, die durchaus vergleichbar ist mit der Abgeschlossenheit und
anthropologischen Vorbildlichkeit und Verbindlichkeit des Kosmos der
Wesenheiten bei Platon und Aristoteles, die mit größter Prägnanz zum
Ausdruck kommen in Aristoteles’ verfehlter Bestimmung der produzieren-
den „techne“ als bloße Nachahmung, „mimesis“, der Natur (oder jedenfalls
als bloßes Zuendebringen der Tendenzen der Natur), eine Auffassung von
der „techne“, deren Korrektur eingeleitet wurde durch die nicht-
aristotelische nominalistische Scholastik und durch Nikolaus von Cusa
(mit seinem „Idiota“, der schon in dem geschnitzten Löffel – und, wie sich
hinzufügen ließe, erst recht zum Beispiel in dem Automotor oder dem Ra-
63
Antwort auf die Frage: ob und was hier zu tun ist“159 ; denn dieser Inhalt
ist nur dem Schein nach unmittelbar gegeben; er ist in Wahrheit durch-
drungen vom Allgemeinen; d. h. in ihm spricht sich immanent wirkend,
gegenwärtig zugrunde liegend und sich durchhaltend das Wesen des Men-
schen, das Selbstbewusstsein, aus, in das jeder scheinbar unvermittelte
Bewusstseinsinhalt zurückgeführt wird.
Diese Lösung Hegels lässt sich in Entsprechung zu seiner Antwort auf
die Frage in der „Logik“ sehen: „Womit muss der Anfang der Wissenschaft
gemacht werden?“ Indem die Linie der wissenschaftlich-philosophischen
Methode gemäß der Bewegung des absoluten Geistes einen Kreis be-
schreibt, kann das Denken überall anfangen, denn jeder unmittelbare
Ausgangspunkt erweist sich zugleich als vermitteltes Resultat (es gibt
„nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was
nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung...“160).
Die Auffassung Hegels von der Praxis, dass sie ihren Zweck in der Theo-
rie hat, ist also untrennbar von der – in der Nachfolge des Descartes ste-
henden – Konzeption des menschlichen Wesens als (sich selbst bewegen-
des) Selbstbewusstsein sowie von der Konzeption des absoluten Wesens
als (sich selbst bewegende) Idee; denn Zwecke setzen kann nur ein geisti-
ges Subjekt, und alle Tätigkeit Zwecken des Geistes unterordnen kann nur
ein Subjekt, das wesentlich Geist ist.
Die Annahme, dass das Absolute wesentlich Geist ist, impliziert den i-
dealistischen Objektivitätsbegriff und ist die Voraussetzung für die Mög-
lichkeit der gedanklich-ideellen Rücknahme oder Aufhebung der Entäuße-
rungen des Absoluten, also für den Primat der philosophischen Theorie.
Andererseits ist schon hier deutlich: das Festhalten an der Bestimmung
des menschlichen Wesens als Selbstbewusstsein ist nicht unerlässliche
Voraussetzung für die Übernahme jener Hegelschen Auffassung, dass die
Praxis – als Vergegenständlichung – die Grundlage (nicht der Zweck) für
die Herausbildung der endlichen Theorie ist.
65
7. Die Praxis und die endliche Theorie als Stufen auf dem Weg zur
vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit in der absoluten Theorie.
zuließ. Kant begründet diese Einschränkung damit, dass für den mensch-
lichen diskursiven Verstand das Besondere „in Ansehung des Allgemeinen
etwas Zufälliges enthält“, das nicht aus der allgemeinen zweckmäßigen
Gesetzlichkeit ableitbar ist.165
Objektive Geltung spricht zwar schon der junge Schelling der intellek-
tuellen Anschauung zu – das heißt dem Wissen, „dessen Objekt nicht von
ihm unabhängig ist, also ein Wissen, das zugleich ein Produzieren seines
Objekts ist...“166 –, aber ursprünglich nicht hinsichtlich des Natur- und
Geschichtsprozesses, sondern nur in der ästhetischen Anschauung, auf
die er die Einheit zweckmäßiger und kausal bestimmter Tätigkeit gründet,
und das heißt für Schelling: die Einheit bewusster, freier und subjektiver
Tätigkeit einerseits und bewusstloser, notwendiger Tätigkei andererseits.
„Wenn die ästhetische Anschauung nur die objektiv gewordene transzen-
dentale ist, so versteht sich von selbst, dass die Kunst das einzige wahre
und ewige Organon zugleich und Dokument der Philosophie sei, welches
immer und fortwährend beurkundet, was die Philosophie äußerlich nicht
darstellen kann, nämlich das Bewusstlose im Handeln und Produzieren,
und seine ursprüngliche Identität mit dem Bewussten.“167
Der Hauptmangel dieser intellektuellen Anschauung, die also im Ge-
gensatz zur sinnlichen Anschauung ihr Objekt nicht als gegeben vorfindet,
sondern hervorbringt, liegt für Hegel in ihrer Unmittelbarkeit und in ihrer
Esoterik: die absolute Subjekt-Objekt-Einheit (die Einheit von Wissen und
Produzieren) wird von Schelling – ebenso wie von Fichte – nicht als Resul-
tat der Tätigkeit der Überwindung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes
schrittweise aufgewiesen und vermittelt; die intellektuelle Anschauung, der
sinnliche Verstand oder der „intellectus archetypus“, ist, wie Schelling
selbst sagt, als Anschauung ein Wissen, „wozu nicht Beweise, Schlüsse,
überhaupt Vermittlung von Begriffen führen“168, und damit ist ihre Allge-
meinheit für Hegel abstrakt, nicht konkret.
Als solche Intuition, die den unterscheidenden Verstand nicht integ-
riert, die Anstrengung der „ascensio“ meidet und die Vermittlungsstufen
überspringt, wird die philosophische Erkenntnis von Schelling in methodo-
logischer Hinsicht über die prinzipielle Zugänglichkeit (zum Beispiel über
die Erlernbarkeit) hinausgehoben, bleibt ein „esoterisches Besitztum eini-
ger Einzelner“169 und legitimiert den genialischen „Sprung“.
67
these aufgelöst, sondern als Forderung fixiert, damit das Ideale dem Reel-
len absolut entgegengesetzt und die höchste Selbstanschauung des Ichs
als eines Subjekt-Objekts unmöglich gemacht.“172
Indem Fichtes Subjekt-Objekt-Einheit nur subjektiv und ihre tätige Re-
alisierung nur ein Sollen, Unendliches, Streben, Sehnen, Jenseits, Glau-
ben ist, steht diese Einheit also noch – als ein Extrem fixiert – im Gegen-
satz. So ist die objektive Natur, wie Hegel in „Glauben und Wissen“ her-
vorhebt, „nichts an sich, sondern nur in Beziehung auf ein anderes“, „ein
zu Vernichtendes, an dem der Vernunftzweck ewig erst zu realisieren ist“;
sie ist nur, um in praktischer Hinsicht „den freien Wesen eine Sphäre und
Spielraum zu bilden und um zu Trümmern werden zu können...“173
Da Fichtes Idealismus der „Grundlage der gesamten Wissenschaftsleh-
re“ somit wegen der Abhängigkeit des Ich von einem „Anstoß“ seitens des
Nicht-Ich für Hegel die Annahme eines Dinges an sich und den Kantischen
Dualismus restituiert, lässt sich sagen: für Hegel ist im Grunde die theore-
tische und praktische Tätigkeit des Fichteschen Prinzips des Ich eine Tä-
tigkeit innerhalb des endlichen Verhältnisses von Subjekt und Objekt, wie
sie oben im zweiten Abschnitt dargestellt wurde; denn die Unendlichkeit
des Ich ist, weil abstrakt, endlich (wenn auch nicht in der Weise der Sinn-
lichkeit und Empirie) ebenso wie die des Nicht-Ich, das nur die „schlechte“
Unendlichkeit der Unbegrenztheit ist.
Dementsprechend sind die Tätigkeiten des Fichteschen Ich behaftet mit
der Einseitigkeit, Mangelhaftigkeit und Unfreiheit der Subjekt-Objekt-
Vereinigungen in der Sphäre der Endlichkeit: das Ich ist als theoretisches
Bewusstsein – und zwar also nicht nur, wie Fichte selbst annimmt, als ge-
wöhnliches „bewusstloses“ Bewusstsein im Gegensatz zum philosophi-
schen Bewusstsein – passiv und wird bestimmt und beschränkt vom ein-
wirkenden „anstoßenden“ Nicht-Ich (dem Kantischen Ding an sich); und
das Ich als praktisches Bewusstsein bestimmt, begrenzt und setzt das
Nicht-Ich.174
Was somit Fichte nicht gelingt, ist, die absolute Subjekt-Objekt-Einheit
in der Weise zu fassen, dass das Bestimmen, Setzen, Affirmiere zugleich
das Bestimmtwerden, Entgegensetzen, Negieren ist, d. h. die Tätigkeit in
zwei Richtungen als ein und denselben Akt, das Hinausgehen als die be-
freiende Rückkehr in sich, als ein Verhalten zu sich selbst, zu begreifen:
69
„Ich ist der absolute Begriff, der nicht zur Einheit des Denkens kommt,
nicht in diese Einfachheit zurückkehrt, oder in der Einfachheit nicht den
Unterschied, in der Bewegung nicht die Ruhe hat, – Setzen, reine Tätigkeit
des Ich und Entgegensetzen nicht als dasselbe begreift.“175
Einen großen Schritt in Richtung zur Subjekt-Objekt-Einheit im Sinne
des objektiven Idealismus – über Fichtes subjektiven Idealismus hinaus –
geht Schiller (noch vor Schelling) im Ausgang von Kants „Kritik der Ur-
teilskraft“. Hegel hebt hervor: „Es muss Schiller das große Verdienst zuge-
standen werden, die Kantische Subjektivität und Abstraktion des Denkens
durchbrochen und den Versuch gewagt zu haben, über sie hinaus die
Einheit und Versöhnung denkend als das Wahre zu fassen und künstle-
risch zu verwirklichen.“176
Mit der Bestimmung des Schönen als harmonischer Einheit von Stoff
und Form, Sinnlichkeit und Vernunft, Naturgesetz und Sittengesetz, Lei-
den und Selbsttätigkeit, Abhängigkeit und Freiheit, Einzelnem und Allge-
meinem, Mannigfaltigkeit und Einheit, Leben und Gestalt, das heißt: mit
der Bestimmung des Schönen als „lebende Gestalt“, der der „Spieltrieb“ –
die Verbindung von „Stofftrieb“ und „Formtrieb“ – zugeordnet ist, gewinnt
Schiller das Prinzip der ästhetischen Erziehung.177
Von deren Wirksamkeit erwartet er am Maßstab der antiken Kultur vor
allem in den Briefen „über die ästhetische Erziehung des Menschen“
(1795), die auf Hegel sofort einen enthusiastischen Eindruck machen, dass
die Zerrissenheit und Zerstückelung des modernen Lebens der Individuen,
die für den Fortschritt der Gattung immerhin förderlich gewesen seien, be-
seitigt werden. „Auseinandergerissen wurden jetzt der Staat und die Kir-
che, die Gesetze und die Sitten; der Genuß wurde von der Arbeit, das Mit-
tel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur
an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der
Mensch selbst nur als Bruchstück aus, ewig nur das eintönige Geräusch
des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines
Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er
bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.“178
Die Schönheit führt nach Schillers Ansicht zur Freiheit. Dies ist über-
haupt die illusionäre typische Einstellung der deutschen Klassiker: indem
der ästhetische Humanismus auf dem Wege der Erziehung die Totalität
70
des Menschen wiederherstelle, werde zugleich der von blinden Kräften und
rohen Bedürfnissen beherrschte feudal-absolutistische Staat der Not in
einen Staat der Freiheit und Vernunft reformiert und somit eine revolutio-
näre Umwandlung wie in Frankreich vermieden.
Auf diesem Wege der ästhetischen Erziehung tritt man nach Schillers
Ansicht auch aus dem Zirkel heraus, der dadurch entsteht, dass die bar-
barischen staatlich-politischen Verhältnisse die moralische Praxis beein-
flussen (die mit der theoretischen Aufklärung in Wechselwirkung steht),
von der aber gerade die Reform dieser Verhältnisse ausgehen müsste. Die
Kunst allein könne sich frei von „aller politischem Verderbnis“ halten und
reiche über ihre Zeit hinaus.179
Hegel steht Schiller also auch in dieser letzten Frage nahe, wenn er die
Kunst dem absoluten Geist zuordnet. Aber die entscheidende Schranke
Schillers ist für Hegel, dass die ästhetische konkrete Einheit – wenn auch
objektiv und nicht mehr nur subjektiv – doch nur als sinnliche Anschau-
ung und nicht als Vernunft gefasst wird.
Die vernünftige Subjekt-Objekt-Einheit ist für Hegel die absolute Idee.
Sie wird von ihm als Einheit der theoretischen und der praktischen Idee
bestimmt180, aber nicht in der Weise, dass sie deren Zusammenfall und
Neutralisierung wäre, d. h. nicht im Sinne der „Indifferenz des Subjektiven
und Objektiven“ Schellings oder der „coincidentia oppositorum“ des Niko-
laus von Cusa und des Giordano Bruno.181 Die Differenz und somit die
Bewegung gehen nicht im Absoluten unter; die Negativität oder Vermitt-
lung wird nicht suspendiert oder gleichsam aufgesaugt und versenkt in
einem qualitätslosen Positivum, das nur durch unvermittelte Intuition er-
fassbar wäre. Auf dem Niveau der Subjekt-Objekt-Einheit in der Logik
bleiben nämlich die Gegensätze und die bestimmten Begriffe.
Dem widerstreitet aber nicht, dass in jedem dialektischen Gegensatz ei-
ne Seite prävaliert (wie zum Beispiel das Sein vor dem Nichts den Vorrang
hat, ohne den das Werden als wechselseitiges Umschlagen und Ver-
schwinden des Seins in Nichts nicht zum Resultat des Daseins führen
könnte). So ist – hinsichtlich des Gegensatzes von Innerlichkeit und Äu-
ßerlichkeit, Subjektivität und Objektivität, Denken und Sein – die in sich
reflektierte Idee zwar nicht reine, vollkommen zurückgezogene Innerlich-
keit, aber doch letztlich über die substantielle seiende Objektivität „über-
71
kenntnis, der absoluten Einheit von Subjekt und Objekt, her – also auf
dem Standpunkt der „Logik“, der am Schluss der „Phänomenologie des
Geistes“ vermittelt ist, wo das Wissen „nicht mehr über sich selbst hinaus-
zugehen nötig hat“186 – lässt sich im Rückblick der Gang der Bewusst-
seinserfahrung (das Fortschreiten von der sinnlichen Gewissheit zu der
Wahrnehmung, dem Verstand, dem Selbstbewusstsein und der Ver-
nunft)in seiner Notwendigkeit als die hinter seinem Rücken wirkende und
leitende Tätigkeit des absoluten Geistes selbst, nämlich seiner Selbstent-
äußerung und ihrer Rücknahme, erkennen.
In Hinblick auf diesen dialektischen Prozess der inneren Zwecktätigkeit
des absoluten Geistes wird die Hegelsche Bestimmung des Verhältnisses
von Geist und Wille, Theorie und Praxis, konkret: die Praxis und die endli-
che Theorie sind nur ein Moment, eine Stufe auf dem Wege des absoluten
Geistes und aus seiner Entäußerung in Natur und Geschichte zurück zu
sich selbst und zur vollkommenen geistigen Freiheit.
Hierin zeigt sich insofern eine Fortführung der Transzendentalphiloso-
phie, als auch der transzendentale Akt des Ich sich in teleologischer Weise
– um seiner Einheit willen – zum Sollen differenziert und als solcher das
eigentliche Handeln ist, das sich vermittels der endlichen ontischen Praxis,
Theoria und Poiesis verwirklicht (so dass Kant auch das Denken als
„Handlung“ des Verstandes bezeichnen kann).
Auf dem Vermittlungsweg, innerhalb der Sphäre der Verendlichung des
absoluten Geistes, ist sowohl die praktische als auch die endliche – nur
formal oder an sich unendliche – theoretische Tätigkeit einseitig und man-
gelhaft, insofern beide Tätigkeiten vollkommene Freiheit durch Aufhebung
der Selbständigkeit der Objekte nicht erreichen können, wie oben im zwei-
ten Abschnitt dargestellt wurde. (Wenn der Hegelsche absolute Geist in
den menschlichen verwandelt wird, müsste konsequenterweise die Einsei-
tigkeit und gegenseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Theorie und Praxis
anerkannt werden.) Aber für Hegel kann sich der Mensch aus der Abhän-
gigkeit endlicher Verhältnisse befreien durch das Begreifen der Tätigkeit
des absoluten Geistes als stufenweise fortschreitende Vereinigung von
Subjekt und Objekt und Rücknahme der Gegenständlichkeit überhaupt.
Hauptakteur bleibt somit der absolute Geist. Nicht wir handeln und er-
kennen letztlich, sondern gleichsam durch uns, den Agenten oder „Ge-
73
schäftsträgern“, hindurch agiert der absolute Geist: „Wenn nun dies Nega-
tive zunächst als Ungleichheit des Ichs zum Gegenstand erscheint, so ist
es ebensosehr die Ungleichheit der Substanz zu sich selbst. Was außer ihr
vorzugehen, eine Tätigkeit gegen sie zu sein scheint, ist ihr eigenes Tun,
und sie zeigt sich wesentlich Subjekt zu sein.“187
Damit steht die absolute Theorie auf dem Standpunkt des Allgemeinen,
das sich in unbedingter Weise selbst bestimmt, indem es seinen Inhalt
nicht als äußeren Gegenstand vorfindet, sondern hervorbringt.
Wenn man davon ausgeht, „wirkliche“ Freiheit heiße Machthaben über
„wirkliche“ Verhältnisse, so kann Hegel diese Macht deshalb letztlich im
Denken finden, da für ihn das Wesen der Dinge der objektive Begriff ist.
Demzufolge ist für Hegel der Maßstab bei der Prüfung der Überein-
stimmung zwischen Begriff und Gegenstand, also der Wahrheit, nicht nur
der Gegenstand, sondern auch umgekehrt – was absolut idealistisch ist –
der Begriff, so dass im zweiten Fall geprüft wird, ob der Begriff, der Zweck,
das Logische sich objektiviert und realisiert hat. Begriff und Gegenstand
fallen somit in das Wissen selbst.188
Wenn man schließlich im Verlauf der Umwandlung der Hegelschen Phi-
losophie die Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit, der absolu-
ten „conciliatio“ oder – treffend in englischer Sprache – „at-one-ment“, für
eine idealistische Verstiegenheit oder Mystifikation hält, muss die Auflö-
sung aller Gegensätze über die endliche praktisch-theoretische Aufhebung
hinaus in der spekulativen Theorie den Charakter des Scheins erhalten.
74
dass es ist, wie es sein muss, d. h. nicht nach Willkür und Zufall, so er-
kennen wir auch, dass es so sein soll.“204
Wie wenig sich Hegels Philosophie in der Jenaer Periode (1801-1807)
auf das Begreifen des – in vollständig entwickelter Form – Vorgegeben be-
schränkt, zeigt sich deutlich in der Stellung zu Napoleon. Von ihm, der
nicht angesehen wird als Usurpator, sondern als legitimer Vollstrecker der
französischen Revolution in der Weise ihrer Aufhebung, als „Weltseele“
und „großer Staatsrechtlehrer in Paris“205, erwartet Hegel, dass er eine
neue Epoche beginnen lässt, nämlich die Verwirklichung der französischen
Revolution in Deutschland und damit die Überwindung der feudalen parti-
kularistischen Rückständigkeit ineins mit der staatlichen Ausgleichung
(nicht etwa der Sicherung) der ökonomischen Interessen der bürgerlichen
Gesellschaft. Dementsprechend heißt es in der Vorrede der „Phänomenolo-
gie des Geistes“: „Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, dass unsere Zeit
eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der
Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebro-
chen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken,
und in der Arbeit seiner Umgestaltung.“206 Und am Schluss des Kollegs
über spekulative Philosophie in Jena am l8. September 1806 sagt Hegel:
„Wir stehen in einer wichtigen Zeitepoche, einer Gärung, wo der Geist ei-
nen Ruck getan, über seine vorige Gestalt hinausgekommen ist und eine
neue gewinnt... Es bereitet sich ein neuer Hervorgang des Geistes. Die Phi-
losophie hat vornehmlich seine Erscheinung zu begrüßen und ihn zu er-
kennen.“207
In Übereinstimmung mit seiner Zukunftserwartung spricht Hegel in der
„Phänomenologie des Geistes“ zwar davon, dass die in Frankreich aufgetre-
tene revolutionäre „absolute Freiheit aus ihrer sich selbst zerstörenden
Wirklichkeit in ein anderes Land des selbstbewussten Geistes“208, nämlich
nach Deutschland, übergeht, aber er kann die der Philosophie des „seiner
selbst gewissen Geistes“ entsprechende wirkliche versöhnende Staatsord-
nung nicht mehr behandeln.
Nach eigener politischer Tätigkeit als Redakteur der Bamberger Zeitung,
die er wegen der Finanz- und Zensurschwierigkeiten als Galeerenarbeit
empfindet, wird für Hegel schließlich die Niederlage Napoleons die Krise,
die zur Annäherung an die preußischen Verhältnisse führt. Erst danach
81
wird die Hegelsche Philosophie endgültig zur „Eule der Minerva“ (womit sie
den hergestellten Zusammenhang zwischen Philosophie und Zeit selbst
bestätigt).
Davon zeugen die beiden anderen politischen Publikationen Hegels, die
Landstände-Schrift (1815/16) und die Schrift „Über die englische Reform-
bill“ (1831), sowie die akademischen Antrittsreden in Heidelberg und Ber-
lin und schließlich die Vorrede zur zweiten Auflage der „Logik“.209
Besonders die „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“
(1830/31 zuletzt gehalten) machen die kontemplative Stellung Hegels zur
politisch-gesellschaftlichen Praxis deutlich: die Theorie der deutschen Phi-
losophie wird höher gestellt als die Praxis der französischen Revolution (die
selbst allerdings „von der Philosophie ihre erste Anregung erhalten“ habe,
nämlich von der abstrakten Aufklärungsphilosophie210). Dementsprechend
wird nunmehr die Reformation – mit ihrem Prinzip der Freiheit als Ver-
söhnung von Vernunft und Wirklichkeit – als entscheidender Wendepunkt
vor der französischen Revolution bewertet. Die Reformation habe in den
protestantischen Ländern eine Revolution nicht notwendig gemacht. „Was
die andre Frage betrifft: warum sind die Franzosen sogleich vom Theoreti-
schen zum Praktischen übergegangen, wogegen die Deutschen bei der the-
oretischen Abstraktion stehenblieben, so könnte man sagen: die Franzosen
sind Hitzköpfe (ils ont la tête près du bonnet); der Grund liegt aber tiefer.
Dem formellen Prinzip der Philosophie in Deutschland nämlich steht die
konkrete Welt und Wirklichkeit mit innerlich befriedigtem Bedürfnis des
Geistes und mit beruhigtem Gewissen gegenüber. Denn es ist einerseits
die protestantische Welt selbst, welche so weit im Denken zum Bewusst-
sein der absoluten Spitze des Selbstbewusstseins gekommen ist, und and-
rerseits hat der Protestantismus die Beruhigung über die sittliche und
rechtliche Wirklichkeit in der Gesinnung, welche selbst, mit der Religion
eins, die Quelle alles rechtlichen Inhalts im Privatrecht und in der Staats-
verfassung ist... In Deutschland war in Ansehung der Weltlichkeit schon
alles durch die Reformation gebessert worden...“211
Durch die Verabsolutierung der Gegenwart in der kontemplativ-
spekulativen Philosophie wird Hegels dialektische Verknüpfung von Abso-
lutem und Relativem, Logik und Geschichte, Sein und Zeit, letztlich aufge-
löst; denn die Geschichte wird zum Stehen gebracht und dadurch logifi-
82
der Zukunft221 und kommt letztlich erst zustande durch politisch soziale
Praxis.
Von dieser erwartet er, dass sie in Deutschland eine Form annimmt
und auf einem Niveau stattfindet, wogegen „die französische Revolution
nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte.“222
Der Grund dafür ist: die deutsche Revolution wird aus einer vollendeten
Philosophie hervorgehen: „Mich dünkt, ein methodisches Volk wie wir
musste mit der Reformation beginnen, konnte erst hierauf sich mit der
Philosophie beschäftigen und durfte nur nach deren Vollendung zur politi-
schen Revolution übergehen... Durch diese Doktrinen haben sich revoluti-
onäre Kräfte entwickelt, die nur des Tages harren, wo sie hervorbrechen
und die Welt mit Entsetzen und Bewunderung erfüllen können.“223 So
werden die Deutschen die Franzosen, die sie schon in Gedanken überflü-
gelten, auch in der Tat überflügeln. In diesem Sinne wagt Heine, der Geg-
ner des burschenschaftlichen Nationalismus und der Deutschtümelei, in
der Vorrede zu „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (l844) die ironische
Prognose: „Die ganze Welt wird deutsch werden!“224
Kennzeichnend für Heine ist, dass er – großenteils im Gegensatz zu den
anderen Schriftstellern des oppositionellen „Jungen Deutschland“, zu Bör-
ne, Gutzkow, Laube, Wienbarg und Mundt – nicht nur die politische Pra-
xis, sondern auch vor allem die soziale Praxis im Auge hat. Es geht ihm
nicht so sehr um die Staatsformen der Monarchie oder Republik oder um
Fragen der parlamentarischen Repräsentation als vielmehr um das
„Wohlsein der Materie, das materielle Glück der Völker“ (wobei er auch die
Vertröstungen des jakobinischen Tugend-Asketismus persifliert).225
Diese Einstellung Heines wird gefördert durch die Bekanntschaft mit
den Saint-Simonisten (ihrem Repräsentanten Prosper Enfantin widmet er
die französische Ausgabe der Schrift „Zur Geschichte der Religion und Phi-
losophie in Deutschland“ in dem Sammelwerk „De l’Allemagne“,1835) und
mit den Anhängern Fouriers und mit Louis Blanc sowie durch die Kennt-
nis der Geschichtsauffassung Mignets, und sie begünstigt die Zusammen-
arbeit mit Ruge und Heß und – seit l844 – die Freundschaft mit Marx.
86
Heine ist der erste, der die revolutionäre politisch-soziale Praxis in Zu-
sammenhang bringt mit der deutschen idealistischen Philosophie, wie dies
Engels in einem späteren Rückblick hervor hebt.226
Zum einen erwartet Heine, wie angeführt, das Hervorgehen der deut-
schen Revolution aus der deutschen Philosophie. „Der Gedanke geht der
Tat voraus wie der Blitz dem Donner.“227 Zum anderen parallelisiert er die
deutsche Philosophie mit der französischen geschichtlichen Praxis: „... wie
hier in Frankreich jedes Recht, so muss dort in Deutschland jeder Gedan-
ke sich justifizieren, und wie hier das Königtum, der Schlussstein der al-
ten sozialen Ordnung, so stürzt dort der Deismus, der Schlussstein des
geistigen alten Regimes.“228
Kant wird in Analogie gesetzt mit Robespierre (der “nichts als die Hand
von Jean-Jacque Rousseau“ war), Fichte mit Napoleon und der spätere
Schelling mit der restaurierenden Reaktion229, wobei die negative Ein-
schätzung Schellings – vor allem hinsichtlich seiner Entwicklung seit der
Schrift „Philosophie und Religion“ (1804) – typisch wird für alle Junghege-
lianer.
Während Hegel, wie oben dargestellt, das Ausbleiben der revolutionären
Praxis in Deutschland und das Stehenbleiben bei der Theorie als die ver-
nünftige Auswirkung der Reformation ansieht und Marx dies als Schwäche
des Bürgertums erklärt230, erblickt Heine darin eine Verzögerung aus me-
thodischer Gründlichkeit (einschließlich des Zurückschreckens vor den
Resultaten des Denkens), einen Nachteil, der sich zum Vorteil wenden
werde.
Bei der Parallelisierung der französischen Praxis mit der deutschen
Theorie ordnet Heine Hegel nicht wie Schelling eindeutig der Restauration
zu trotz Hegels Zugeständnisse an das Bestehende: „... wenn er auch,
gleich Herrn Schelling, dem Bestehenden in Staat und Kirche einige allzu
bedenkliche Rechtfertigungen verlieh, so geschah dieses doch für einen
Staat, der dem Prinzip des Fortschritts wenigstens in der Theorie huldigt,
und für eine Kirche, die das Prinzip der freien Forschung als ihr Lebens-
element betrachtet.“231 Entschiedener urteilt Heine in der Vorrede zur
Schrift „Französische Zustände“ (1833): „Dieses Preußen! wie es versteht,
seine Leute zu gebrauchen!... Hegel musste die Knechtschaft, das Beste-
hende, als vernünftig rechtfertigen.“232 Und in der Abhandlung „Die ro-
87
Linie auf Grund der Vollendung des Umsturzes des Deismus. Die geistig
emanzipierten Menschen – nicht die Angehörigen einer bestimmten Klasse
– werden die Geschichte selbst machen, nachdem sie gründlich wissen,
dass Gott zwar „der eigentliche Held der Weltgeschichte“, die Weltgeschich-
te und die ganze Menschheit aber „eine Inkarnation Gottes“ ist.236
Mehr für Heines Biographie als für die Umbildung der Hegelschen The-
orie-Praxis-Konzeption ist es von Belang, dass Heine sich später wieder
dem Deismus zuwendet und sein Grauen bekundet vor dem Erbe der He-
gelschen Philosophie, dem Bündnis des Atheismus mit dem Kommunis-
mus, von dem er die Zerstörung der Kultur befürchtet, und dass er be-
kennt: „Ich war nie abstrakter Denker, und ich nahm die Synthese der He-
gelschen Doktrin ungeprüft an, da ihre Folgerungen meiner Eitelkeit
schmeichelten.“237
89
gelschen Philosophie nicht unter Berufung auf den Vorrang der Methode
vor dem System, sondern im Namen der Widerspruchslosigkeit des Sys-
tems und damit der wahren Totalität. Der Übergang zur Praxis soll die
Mängel und Einseitigkeiten des Systems beseitigen. Cieszkowski stützt
sich also nicht primär auf den revolutionären Charakter der dialektischen
Methode.
Die Unterordnung der Dialektik unter den „Organismus“ des Systems
kommt schon in einem Brief Cieszkowskis an seinen Lehrer und lebens-
langen Freund Michelet aus der Zeit der Vorarbeit für die „Prolegomena
zur Historiosophie“ zum Ausdruck: was er im Auge habe, sei „la vraie dia-
lectique objective, le procès intrinsèque qui développe l’unité des
contrastes, la marche normale de l’objet dans sa genèse organique, le
développement de l’idée dans sa totalité.“239 Der entscheidende Mangel des
Hegelschen Systems ist für Cieszkowski, dass es – man muss ergänzen:
erst nach dem Sturz Napoleons – die Gegenwart verabsolutiert, die Zu-
kunft und das Problem ihrer allgemeinen Erkennbarkeit nicht als wesent-
liches Moment integriert und deshalb die organische Totalität der Ge-
schichte verfehlt.240 So wie das Hegelsche System die Grenzen des Kanti-
schen Kritizismus und Agnostizismus durchbrochen habe, seien Hegels
„Vorurteil“ und „noch nicht gereifte Erkenntnis“ zu überwinden und sei die
zukünftige Periode zu bestimmen, und zwar aus der Einsicht in Vergan-
genheit und Gegenwart sowie aus der Idee des Organismus und seiner Ar-
chitektonik241, die gegenüber der mechanisch-undialektischen Methode
der Aufklärungszeit ihre relative Berechtigung hat.
Dies ist unausgesprochen ein Versuch, Fichtes Bestimmung der Zu-
kunft in der ethisch-naturrechtlichen Konzeption der „Grundzüge des ge-
genwärtigen Zeitalters“ (1804/5) konkreter geschichtlich zu fassen.242
Fichte konstruiert aus dem Endzweck der Menschheit, nämlich „dass sie...
alle ihre Verhältnisse mit Freiheit nach der Vernunft einrichte“, fünf Epo-
chen, von denen zwei in Zukunft folgen werden auf den gegenwärtigen
„Stand der vollendeten Sündhaftigkeit“, der Befreiung und „Ungebunden-
heit ohne einigen Leitfaden“.243 Zugleich wird Cieszkowski in dieser Frage
der Bestimmung der Zukunft von Fourier beeinflusst, der ausdrücklich
von ihm in einem entsprechenden Zusammenhang genannt wird244, und
der in seiner „Tabelle philosophischer Prinzipien“ zu den wertvollen Er-
91
sens und eine partielle Abdikation sei, ist andrerseits nicht zu leugnen,
und der Grund davon ist schon genug in der Nichterreichbarkeit der
höchsten Stufe der Identität durch das Denken angedeutet worden. Wie
aber der Gedanke und die Reflexion die schönen Künste überflügelten, so
wird jetzt die Tat und das soziale Wirken die wahre Philosophie überflü-
geln... Wenn das Denken also jetzt seinen Kulminationspunkt erreicht und
seine wesentliche Aufgabe gelöst hat, so muss es durch den Fortschritt
selbst zurücktreten, d. h. aus seiner Reinheit in ein fremdes Element ü-
bergehen. Wir wollen uns also nicht scheuen es auszusprechen, die Philo-
sophie wird von jetzt an beginnen angewandt zu werden... Ihr nächstes
Schicksal ist, sich zu popularisieren... sie muss sich in die Tiefe verfla-
chen... Jetzt wird also ihr normaler Ausfluss auf die sozialen Verhältnisse
der Menschheit beginnen, um in der nicht bloß vorhandenen, sondern
selbst ausgebildeten Wirklichkeit die absolut objektive Wahrheit zu entwi-
ckeln...“259 Die Praxis in dieser Weise als Anwendung der Theorie aufzu-
fassen, ist nur möglich, indem die Theorie – unter Annahme ihrer Auto-
nomie – für systematisch vollendet gehalten wird. Die Theorie wird aber
hiermit in undialektischer Weise von der praktischen Bedingtheit getrennt
und – als für sich fertig – aus der Verflechtung und Wechselwirkung mit
der Praxis heraus gelöst, während sie dem Anschein nach gerade mit der
Praxis aufs engste verknüpft wird. Dies bedeutet, dass für Cieszkowski
letzten Endes die Theorie nur die Voraussetzung oder Grundlage der Pra-
xis ist, nicht auch das Resultat der Praxis wird. Theorie und Praxis stehen
einander abstrakt gegenüber.
Damit zeigt sich an Cieszkowskis Entwurf, dass die dialektische Einheit
von Theorie und Praxis nicht aufrecht zu erhalten ist, wenn die Theorie
zugleich auf die Zukunft ausgerichtet und systematisch vollendet wird.
Zumindest auf eines der drei Momente muss bei der Umwandlung der He-
gelschen Philosophie verzichtet werden: auf die dialektische Verschrän-
kung von Theorie und Praxis oder die Ausrichtung auf die Zukunft oder
den systematischen Abschluss, d. h. den Anspruch des theoretischen Er-
fassens der Totalität.
Cieszkowski trennt Theorie und Praxis aber nicht in der Weise, dass der
Inhalt der Theorie ein Ideal ist, das durch unbegrenzt fortschreitende Pra-
xis ins Sein übergehen soll. Trotz Bezugnahme auf Fichte260 bleibt für ihn
95
das Sollen kein unendliches, sondern ein endlich bestimmtes. „Das Sol-
len... ist durchaus kein Mangel der Spekulation; denn die Bestimmungen
sind ein Zukünftiges, dem aber eine ganz bestimmte Stelle im Prozesse des
Weltgeistes angewiesen ist. Überhaupt ist das Sollen erst durch das Tun
völlig zu besiegen.“261
Indem das abgeschlossene System und in seinem Gefolge die Theorie
triumphieren und der Praxis nur das zu realisieren überlassen wird, was
die Theorie als das endgültige Ziel oder die Vorsehung des geistigen Pro-
zesses der Weltgeschichte antizipiert, behält die Theorie letztlich den Vor-
rang und wird die Hegelsche Bestimmung des Verhältnisses von Theorie
und Praxis nicht prinzipiell umgekehrt entgegen dem Anschein, der aus
den Worten entstehen kann: „Nach Hegel ist der Wille nur eine besondere
Weise des Denkens, und dies ist die falsche Auffassung; vielmehr ist das
Denken ein bloß integrales Moment des Willens, denn das Denken, wel-
ches wieder zum Sein wird, ist erst der Wille und die Tat.“262 Hier wird
nämlich von Cieszkowski unter „Denken“ etwas anderes verstanden als
das, was bisher „Theorie“ genannt wurde: „Denken“ meint hier nicht die
philosophisch-spekulative „historiosphische“ Theorie Cieszkowskis selbst,
die die praktisch zu vermittelnde zukünftige Synthese a priori antizipiert,
sondern eine einseitige abstrakte retrograde aposteriorische Bewusstseins-
tätigkeit, die Cieszkowski in Hegels absolutem Idealismus kulminieren
lässt (und die er in seiner eigenen Terminologie in der Regel „theoretisch“
nennt). Nur über das so aufgefasste Denken stellt er den Willen als eine
höhere Stufe, aber als eine Form des „Geistes“, und zwar als „die höchste
Stufe des Geistes“263, die die geistigen Stufen des Seins und Denkens in
einer Synthese zusammenfasst und die im Unterschied zum An sich und
Für sich in Cieszkowskis Terminologie das „Aus sich“ des Geistes darstellt,
was aber kein Heraustreten des Geistes außer sich bedeuten solle. Dem-
entsprechend gilt die Tat – die Synthese des unmittelbaren Seins und des
abstrakten Denkens – zwar als eine Abdankung der Philosophie, aber als
eine „ungeheure Emporschwingung des Geistes“.264
Hinsichtlich dieses Spiritualismus der Praxis ist Cieszkowski vergleich-
bar mit seinem polnischen Landsmann und Zeitgenossen Edward Dem-
bowski, der in seiner „Philosophie des Schaffens“ das Schaffen auch als
96
wirkung auf die Aktion, auf des zielbewusste Handeln der menschlichen
Träger des Prozesses, in der Weise einer Veränderung des Verlaufs des
Prozesses haben könnte.
Cieszkowski unterscheidet an der „nachtheoretischen“ Praxis drei Sei-
ten: in subjektiver Hinsicht die Ausbildung des einzelnen Willens, in objek-
tiver Hinsicht die Ausbildung des Staatslebens und in absoluter Hinsicht
das Erreichen der vollständigen Identität des Seins und des Denkens.273
Nach alledem ist offensichtlich, dass Cieszkowski die Praxis nicht etwa
gleichsetzt mit einer philosophisch-kritischen Tätigkeit.274
Die wirkliche Veränderung des Bestehenden bleibt für Cieszkowski al-
lerdings insofern Sache der Theorie, als er davon ausgeht, dass aus der
Theorie – sobald sie durch ihre vollendete Ausbildung zur Klassizität auf
die Spitze getrieben ist – die wahre nachtheoretische Praxis entspringt, d.
h. dass der Gedanke „mit der Reife des Bewusstseins“275 seinen Wende-
punkt erreicht, umschlägt und die Tat erzeugt, wie es auch Heine an-
nimmt mit den Worten; „Der Gedanke geht der Tat voraus wie der Blitz
dem Donner“. Demnach bleibt das (historiosophische) Denken die Grund-
lage sowie das Kriterium der Praxis und die Quelle des geschichtlichen
Fortschritts. In diesem Sinne ist für Cieszkowski die Praxis nicht unableit-
bare sinnliche – etwa revolutionäre – Tätigkeit, sondern der Wille und die
Tat bleiben eine Form des Geistes.
Cieszkowski stellt weder die Theorie wie Hegel und Heine in Parallele
zur Geschichte Frankreichs noch bringt er wie Heine die geschichtliche
Praxis überhaupt in Verbindung mit der Revolution. Seiner Organismus-
Konzeption entspricht die Befürwortung der Evolution.276 Die Beseitigung
der Widersprüche erwartet Cieszkowski nicht vom Austrag des Kampfes
der Gegensätze, sondern von ihrer Harmonisierung.277
Aber Cieszkowski verknüpft die Praxis, wie schon mehrfach erwähnt,
ähnlich wie Heine und Eduard Gans mit der sozialen Tätigkeit bei Ableh-
nung des ökonomischen und politischen Liberalismus. Als „bedeutendes
Moment“278 auf dem Wege der Verwirklichung der Wahrheit, der prakti-
schen Lösung der sozialen Widersprüche, führt er die Lehre des utopi-
schen Sozialisten Fourier an, der die auf dem Handelskapital basierende
krisenhafte Verteilungsordnung durch Produktivassoziationen überwinden
99
will, und zwar im Vertrauen auf die Kraft der Überzeugung und des Bei-
spiels. Das Motto der Fourieristen in der Zeitschrift „Phalange“ von l836
bis l840 heißt: „Gesellschaftliche Reform ohne Revolution – Verwirklichung
der Ordnung, der Gerechtigkeit und der Freiheit – Organisation der In-
dustrie – Vergesellschaftung des Kapitals, der Arbeit und des Talents.“
Dabei ist sich Cieszkowski der Mangelhaftigkeit der Utopie durchaus
bewusst: er sieht ihr Hauptgebrechen darin, „sich nicht selbst mit der
Wirklichkeit zu entfalten, sondern in die Wirklichkeit treten zu wollen.“279
Cieszkowski hat also einen Weg im Auge, der in der Mitte vorläuft zwi-
schen dem undialektischen Auseinanderreißen von Vernunft und Wirk-
lichkeit einerseits und dem Zusammenfallenlassen von Vernunft und
Wirklichkeit im Hegelschen Sinne andererseits, ohne aber, wie dargestellt,
vermeiden zu können, Theorie und Praxis einander abstrakt gegenüberzu-
stellen.
Trotz des Hinweises auf die Lehre Fouriers bleiben die Konturen der zu-
künftigen Praxis unscharf. Keine weitergehende Konkretisierung liegt in
Andeutungen wie diesen, dass die soziale Praxis die aufgehobene antike
Kunst sowie den ästhetischen Humanismus im Schillerschen Sinne und
die moderne Philosophie neu beleben und allseitig entwickeln werde, dass
die wahre Sittlichkeit als Einheit von Recht und Moralität adäquat ausge-
bildet werde und die Natur regeneriert werde. (Die Praxis der Naturaneig-
nung übergeht Cieszkowski völlig).280 In diesem Zusammenhang seien
immerhin erwähnt die auf die „Prolegomena zur Historiosophie“ folgenden
zaghaften Pläne zur Reform des Goldwesens, u. z. zugunsten des hypothe-
karischen Kredits, in der Schrift „Du crédit et de la circulation“ (1839) so-
wie die Pläne zur Reform der zweiten Kammer durch Einführung einer „A-
ristokratie des Verdienstes“ in der Schrift „De la pairie et de l’aristocratie
moderne“ (1840). Schließlich gehören hierher Cieszkowskis Vorstellungen
in dem Vortrag „Zur Verbesserung der Lage der Arbeiter auf dem Lande“
(1845) und in der Schrift „Über die Klein-Kinder-Bewahr-Anstalten“
(1855).281
Fragt man, wer Subjekt oder Träger der zukünftigen wahren Praxis sein
werde, so gibt Cieszkowski zugleich eine kosmopolitisch und eine polnisch-
messianisch orientierte Antwort: einerseits geht er über Hegel hinaus zu
dem Gedanken des Völkerrechts und setzt „die Menschheit“ an die Stelle
100
drücklich ab von Hegels „System der Restauration“, das auf der Gleichset-
zung beruhe von Vernunft und Wirklichkeit, „wie der Natur so des Staats
und der Religion“.289
Strauß erkennt, dass Hegels Rechtsphilosophie aber nicht das unmit-
telbar Vorhandene stabilisiert, sondern auf Grund der Differenz zwischen
ihren Konstruktionen und den gerade bestehenden politisch-
gesellschaftlichen Zuständen Preußens (z. B. hinsichtlich der Geschwore-
nengerichte, oder des Zweikammersystems) einen relativen „Fortschritt“
begünstigt, wenn auch nicht in dem Sinne, dass – wie Strauß behauptet –
die Liberalen in Hegels Schule gehen könnten.290
Die Kritik von Strauß in seinem zweiten Hauptwerk „Die christliche
Glaubenslehre“ (1840/41) mündet in die Forderung nach der Trennung
von Kirche und Staat, da das Göttliche schon im wahrhaft sittlichen Ver-
halten des Staatsbürgers verwirklicht werde.291
Obgleich Strauß erkennt, dass er mit seiner Religionskritik zu den „the-
oretischen Vorbereitern“ der achtundvierziger Revolution gehört, schreckt
er vor der politischen Praxis zurück unter Verachtung der „Weisheit auf
allen Gassen“ und unter Berufung auf die aristokratische Geistesbildung
und die Privilegien des Besitzes. Die Praxis der Kritik bleibt die Theorie. In
einem Brief bekennt Strauß: „Das Element hört auf, in dem wir uns bisher
am liebsten bewegten... Denn unser Element war doch... die Theorie, ich
meine die freie, nicht auf Zweck oder Bedürfnis gerichtete geistige Tätig-
keit. Diese ist jetzt kaum mehr möglich und wird bald sogar geächtet sein.
Denn das Gleichheitsprinzip ist auch dem geistigen Vorrang, wie dem ma-
teriellen feind. Es haßt Bildung wie Besitz. Wie oft rufe ich jetzt unsern
alten Schutzheiligen Goethe an...“292
Nachdem Strauß sich dennoch zur Wahl für das Frankfurter Parlament
gestellt hat, in ihr unterlegen ist, aber in die Württembergische Stände-
kammer delegiert worden ist und dort mehr für Mäßigung, Ruhe und Ord-
nung als für Freiheit eingetreten ist (unter anderem die Erschießung Ro-
bert Blums zu rechtfertigen gesucht hat), entwickelt er sich nach 1866 zu
einem Anhänger des Nationalliberalismus und macht sich während des
deutsch-französischen Krieges in einem Sendschreiben an Ernest Renan
zum Anwalt der Annexion Elsaß-Lothringens.293 Diese Entwicklung ist ty-
103
sen werden); die kritische Prüfung – bei der Strauß auf quellenkritische
Vorfragen im Gegensatz zu seinem an Niebuhr geschultem Lehrer F. 0.
Baur verzichtet und sich vor allem auf Naturgesetze und psychologische
Gesetze als Kriterien stützt – erweise dagegen die Entstehung der Evange-
lien aus dem Mythus, d. h. sie erweise diese als absichtslose (nicht be-
wusst-betrügerische) zunächst mündlich überlieferte Einkleidungen der
messianischen Erwartungen der urchristlichen Gemeinde, wobei Strauß
mit seiner mythischen Betrachtungsweise, die er von Eichhorn, Gabler,
Baur und de Wette aufnimmt, sowohl die natürliche Exegese der rationa-
listischen Theologen (H. E. G. Paulus, Wegscheider, Gesenius) als auch die
supranaturalistische Auffassungsweise der orthodoxen Theologen (Ols-
hausen, Hengstenberg) überwinden will.
Damit rückt Strauß zwar – vermittels der Kritik – die Philosophie und
die Evangelien auseinander, aber er ersetzt noch nicht die Religion als sol-
che durch die Philosophie, wie mehrfach behauptet wird.296 Die religiöse
Wahrheit – in ihrem dogmatischen Gehalt – gilt für Strauß in diesem Sta-
dium seiner Entwicklung noch unabhängig von der Historizität der Evan-
gelien. „Christi übernatürliche Geburt, seine Wunder, seine Auferstehung
und Himmelfahrt, bleiben ewige Wahrheiten, so sehr ihre Wirklichkeit als
historischer Facta angezweifelt werden mag.“297
Damit setzt Strauß die prinzipielle Zweideutigkeit noch fort, die in der
Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung und formalen Unterscheidung von
Religion und Philosophie insofern liegt, als diese zugleich Rechtfertigung
und Kritik der Religion sind.298
Hegel hatte die Frage nach der Geschichtlichkeit der Evangelien unbe-
stimmt gelassen und für unerheblich und letztlich unbestimmbar gehalten
in der Annahme, dass der christliche Glaube nicht angewiesen sei auf die
„geistlose“ Beglaubigung äußerer sinnlicher Fakten durch historische
Zeugnisse, „welche als historische Zeugnisse betrachtet freilich nicht den
Grad von Gewissheit über ihren Inhalt gewähren würden, den uns Zei-
tungsnachrichten über irgendeine Begebenheit geben.“299 Darüberhinaus
verneint Hegel aber ausdrücklich die Geschichtlichkeit der übernatürli-
chen Erzeugung Jesu, der Wunder und der Auferstehung als äußere sinn-
liche Fakten, sofern sie getrennt vom geistig-spekulativen Begreifen gefußt
werden.
105
über die Natur in ihm, wie durch Erfindungen, Maschinen, über die Natur
außer ihm.“308
Die Entfremdung, die der versöhnenden Verwirklichung der Vernunft
im Laufe der geschichtlichen Entwicklung des gottmenschlichen Lebens
der Gattung entgegensteht, liegt also für Strauß in der menschlichen Na-
türlichkeit und Endlichkeit.309 Ihre Negation schließt – seit Strauß’ Wen-
dung in der „Glaubenslehre“ – vor allem die Überrwindung der positiven
autoritären Religion ein und führt zur Rechtfertigung aus eigener „Mitwir-
kung“310.
Ohne das Moment der – den substantiellen Inhalt der Menschwerdung
Gottes verwirklichenden – subjektiven Tätigkeit ganz unberücksichtigt zu
lassen, betont Strauß doch primär die Seite der „allgemeinen Mächte in
der Geschichte“311, d. h. das Substantielle des Volksgeistes, darunter den
Mythus der urchristlichen Gemeinde, so dass Marx davon sprechen kann,
Strauß führe „den Hegel auf spinozistischem Standpunkt“ innerhalb der
Theologie konsequent durch.312 Dementsprechend tendiert Strauß dahin,
die objektiven allgemeinen Verhältnisse (der geistigen geschichtlichen
Mächte) als scheinbar autonom gegenüber der menschlichen Praxis zu
verselbständigen und die Hegelsche Dialektik des Substantiellen und Sub-
jektiven aufzulösen.
Das festhalten an der Vernünftigkeit der Geschichte aber verhindert
zum Beispiel, dass Strauß etwa wehrlos wäre gegenüber einem apokalypti-
schen und rassisch orientierten Irrationalismus, wie ihn W. Menzel ver-
tritt, der vom „Jungen Deutschland“ attackierte Gegner Goethes und Her-
ausgeber des Literaturblatts zum Cottaschen „Morgenblatt“, der auf Grund
der Malthusschen Bevölkerungstheorie einen Vertilgungskampf als Ende
der Geschichte prophezeit.313
Ebensowenig verfällt Strauß in seiner letzten Schrift „Der alte und der
neue Glaube“ (1872) dem Sozialdarwinismus und der Auffassung des
Menschen als Naturwesen, während Nietzsche dagegen in seiner Invektive
gerade die von Strauß vollzogene Trennung von Ethik und Darwinismus
bemängelt.314 Die Ethik gründet Strauß in dieser Schrift, in der er an die
Stelle der kritischen Philosophie naturwissenschaftlichen Positivismus und
vulgären Materialismus setzt, auf die allgemeine Solidarität der Menschen,
108
kirchlichen Fakten) als einer Form der Entfremdung zugunsten des ver-
mittelten Begreifens der Sache selbst.319
Wie Strauß weiter betont, darf der Prozess der subjektiven kritischen
Vermittlung und Aufhebung, des „Scheidens“ und „Auseinandersetzens“,
des „Schmelzens“ und Gärens“, nicht schließlich – wie bei den Althegelia-
nern Marheineke, Göschel und anderen sowie beim späten Schelling – zu
der Wiederherstellung des unvermittelten Ausgangspunktes, des sinnli-
chen Faktums der Vorstellung, und zu seiner begrifflichen Bestätigung
führen, sondern der kritische Durchgang muss dieses wirklich verändern
und zu etwas Untergeordnetem herabsetzen. „Es ist nur der Schein der
Freiheit, welchen man uns vorspiegelt, wenn man uns über das Faktum
hinaus zur Idee nur darum führt, um uns von der Idee wieder zum Fak-
tum als solchem zurückzulenken.“320
Damit scheint Strauß vollends auf dem Standpunkt der Hegelschen Di-
alektik zu stehen; denn ihr gemäß führen die Analyse des sinnlich Konkre-
ten, des lebendigen Inhalts, in allgemeine tote Abstrakta einerseits und die
darauf erfolgende Synthese der Abstrakta zum Konkreten andererseits
nicht zurück zum Ausgangspunkt des sinnlich Konkreten, sondern repro-
duzieren das sinnlich Konkrete zum geistig Konkreten auf der höheren E-
bene des Denkens, so dass Resultat und Ausgangspunkt zwar das Konkre-
te ist, aber ein verschiedenes Konkretes.
Aber spätestens seit seiner „Glaubenslehre“ verwendet Strauß in Mehr-
heit nicht mehr diese Hegelsche Dialektik. Der dort – unter dem Einfluss
Feuerbachs321 – vollzogene Bruch zwischen Glauben und Wissen, d. h. die
Ablehnung der Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung von Religion und
Philosophie (worin eine prinzipielle Modifikation der Form-Inhalt-Dialektik
liegt: eine nicht vollkommen adäquate Form setzt auch den Inhalt zu ei-
nem unvollkommeneren herab322), geht Hand in Hand mit einer – von
Strauß selbst nicht explizierten – Umformung der Dialektik, die Kritik ist
kein Aufstieg vom sinnlich Konkreten zum geistig Konkreten (als Heraus-
heben des Wesens aus der Erscheinung) vermittels Analyse und Synthese,
sondern sie bleibt bei der Analyse ohne Synthese stehen, indem ihr Resul-
tat statt des Aufhebens das Aufgeben und Verwerfen des Ausgangspunkts
(hier des Dogmas) ist.
110
Die Straußsche Kritik ist somit rein negativ dialektisch, nicht reproduk-
tiv dialektisch im Hegelschen Sinne (und such nicht scheinbar reproduktiv
dialektisch im Sinne der Althegelianer). Die Straußsche Kritik bewahrt von
der Hegelschen Dialektik nur die Form der Entgegensetzung von These
und Antithese, den Kampf der Gegensätze. Ohne vermittelnden Übergang
setzt die Kritik an die Stelle der als unhaltbar aufgelösten Dogmen die –
ihnen nicht zugrunde liegenden und aus ihnen nicht ableitbaren – philo-
sophischen Spekulationen. Keineswegs strebt die Kritik an, die Vorstellun-
gen der Dogmengeschichte in Begriffe zu übersetzen oder „umzuwan-
deln“323, da der Inhalt der Religion nicht von ihrer Form trennbar ist.
Glauben und Wissen Werden in zwei Extreme auseinander gespreizt,
wobei nicht nur ihre Versöhnung in der Hegelschen, sondern auch in der
Schleiermachischen Gestalt fallengelassen wird.324 Implizit weist Strauß
damit zugleich die These zurück, die spekulative Philosophie sei wesent-
lich säkularisierte Religion.
Zum Beispiel behandelt Strauß in dem Kapitel über das Dogma von der
göttlichen Schöpfung der Welt zunächst die mosaische Schöpfungsge-
schichte, dann die patristischen Anstrengungen, mit Hilfe von Allegorien
deren Unstimmigkeiten zu beseitigen, weiter die theologischen Versuche,
die Schwierigkeiten, die sich von seiten der neueren Astronomie und Geo-
logie ergaben, zu „bemänteln“ und zu harmonisieren, und darauf die Auf-
lösung der mosaischen Schöpfungsberichte in den Mythus (beginnend mit
Herders Schrift über die „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“). An-
schließend untersucht Strauß die Auslegungsversuche und Umdeutungen
einer apokryphen Stelle über die Schöpfung aus dem Nichts sowie die
theologisch philosophischen Bestimmungen über die Beweggründe der
Weltschöpfung und die Frage der zeitlichen oder ewigen Schöpfung und
kommt zu dem Ergebnis, dass die Schwierigkeiten und Widersprüche (das
heißt hier: Ungereimtheiten) nicht innerhalb der kirchlichen Lehre selbst
lösbar sind. Strauß erkennt, dass die spekulative Auffassung diese Wider-
sprüche in der Weise beseitigt, dass sie den Schöpfungsbegriff überhaupt
verwirft und die Schöpfungslehre in die philosophische Lehre von dem
notwendigen Verhältnis des Absoluten und des Endlichen verschwinden
lässt. „Hiermit ist aber freilich der Schöpfungs-Begriff... eigentlich aufge-
geben. Dieser Begriff setzt einen vor und abgesehen von der Schöpfung
111
fertigen Gott voraus, welcher, wie ein fertiger Mensch zur Ausarbeitung
eines Buchs, eines Kunstwerks, so sich zur Hervorbringung der Welt ent-
schloß. Nach der Lehre der Philosophie und spekulativen Theologie hinge-
gen fällt das Setzen der Welt in den Prozess der Vollendung des absoluten
Wesens... hinein...“325
Trotz des antithetischen – Altes und Neues polarisierenden – Charak-
ters seiner Kritik verzichtet Strauß in der Darstellung nicht auf die triadi-
sche (oder tetradische) Form, die aufgesetzt und konstruiert erscheinen
muss. Für ihn nimmt in dem Beispiel der Schöpfungslehre Origenes mit
seiner Häresie von der anfanglosen Schöpfung die Stellung der kritischen
Negation des überlieferten Dogmas ein, die schließlich – nach einer Periode
der fortschreitenden rationalistischen Umdeutung – vom spekulativen Ra-
tionalismus wieder aufgenommen und vollendet worden sei, und zwar in
Gestalt der vollständigen Vernichtung des überlieferten Dogmas (durch
Unterlegung eines völlig fremdartigen Sinnes).326
Dieser von Strauß gezeichnete Gang hätte allenfalls dann einen tria-
disch-dialektischen Charakter, wenn zwischen dem nicht-spekulativen
und dem spekulativen Rationalismus der orthodoxe Supranaturalismus
seine Stelle hätte und wenn es der anfänglichen häretisch-
rationalistischen Opposition tatsächlich um eine reine Vernunftreligion
gegangen Wäre, abgesehen davon, dass der Aufweis der Notwendigkeit in
der Entwicklung fehlt. Entsprechend äußerlich ist das triadisch-
dialektische Verfahren im „Leben Jesu“, in dem an die Stelle der natürli-
chen und der übernatürlichen die mythische Betrachtungsweise gesetzt
wird, so dass A. Schweitzer sie nicht mit vollem Recht „die Synthese aus
einer Thesis und aus einer Antithesis“ nennen kann.327
Indem sie die kritische Negation sich nicht immanent aus dem Positiven
entwickeln, sondern von außen selbständig hinzutreten lässt, weist
Strauß’ Kritik voraus auf Bakunins explizite Konzeption vom vermittlungs-
losen Gegensatz, worin das Positive und Negative unverträglich „wie Feuer
und Wasser“ einander gegenüber stehen und das Negative das Schaffen
und Hervorbringen als Zerstören und Vernichten ist: „Ist das Zugrunde-
richten des Positiven nicht die einzige Bedeutung des Negativen?“328
Nur um den Preis der Verkürzung der Hegelschen Dialektik zur kriti-
schen antithetischen Analytik gelingt es Strauß also, dem christlichen
112
Dialektik diskreditiert alle Fakta. Während für D. F. Strauß das mit der
Vernunft nicht übereinstimmende Faktum die biblische Geschichte und
das kirchliche Dogma ist, wird dieses für Arnold Ruge primär der beste-
hende politisch-staatliche Zustand Preußens. Darin vor allem geht Ruge
über Strauß hinaus, dass sich seine Kritik auf die Veränderung der poli-
tisch-staatlichen Wirklichkeit richtet.
Zugleich kritisiert Ruge im Unterschied zu Strauß explizit den einseitig
kontemplativen Charakter der Hegelschen Philosophie als deren entschei-
dende Schranke, d. h. er erhebt das zukunftsgerichtete Verändern und
Umgestalten des Bestehenden an Stelle des Begreifens und Nach-denkens
ausdrücklich zum Programm mit dem Ziel, den Dualismus zu beseitigen
und die wahre Einheit von Theorie und Praxis, Idee und Wirklichkeit, Beg-
riff und Existenz, im Prozess der Selbstverwirklichung des Menschen her-
zustellen. Dabei gibt Ruge im Gegensatz zu Cieszkowski schließlich den
Vorrang des Systems auf und legt den Akzent ganz auf die – zur Kritik
umgeformten – dialektischen Methode.
Strauß hat dieses Ziel der Einheit von Theorie und Praxis deshalb
nicht, weil sich seine Kritik auf die Vorstellung und nicht wie die Kritik
Ruges auf den Willen (und über diesen auf die politische Wirklichkeit) rich-
tet. Im übrigen schließt sich Ruge Strauß’ Religionskritik weitgehend an,
bevor er auf den Standpunkt Feuerbachs übergeht.331 Infolgedessen kann
Ruge sagen: „Im Religiösen hatte Strauß mit seinem Leben Jesu dieselbe
Befreiung begonnen, wie ich im Politischen mit der Kritik von Hegels
Rechtsphilosophie.“ 331a
Ebenso wie Strauß bindet Ruge die subjektive Kritik an die objektive
Kritik der als Geistesprozess verstandenen Geschichte; er verankert jene
Kritik in der Krisis.3 3 l b Wie Strauß fasst Ruge die Kritik als Auflö-
sung und Scheidung ohne Synthese33lc sowie als vorantreibende Kraft
der Geschichte, als „Puls der Entwicklung“ und „Sekretionsprozess, der
zugleich Zeugungsprozess ist“332; und wie Strauß vollzieht Ruge die Kritik
am Maßstab des spekulativen Begriffs.
114
Ihrer Struktur nach ist die Kritik, wie Ruge sie schließlich bis zum Jah-
re 1842 herausbildet, „Beziehung des Begriffs auf die Existenz“, d. h. „Be-
ziehung der Theorie auf die geschichtlichen Existenzen des Geistes“.333 Die
Kritik nimmt ihren Ausgangspunkt bei der vernünftigen Theorie als „reiner
Einsicht“ und Metaphysik des logischen Begriffs oder der abstrakten Kate-
gorie, und sie wendet sich – nach einem Vergleich des allgemeinen Wesens
mit der einzelnen geschichtlichen Existenz, der Vernunft mit der Wirklich-
keit – an den Willen des Menschen, den sie zu dem Entschluss mobilisiert,
die einzelne geschichtlichen Existenz der vernünftigen Theorie zu „unter-
werfen“ und somit die Einheit des Denkens und Wollens herzustellen.
„Erst das Wollen (versteht sich auf dieser Basis vernünftiger Einsicht) ist
das reelle Denken.“334
Die gleiche Struktur hat in der Konzeption Bruno Bauers die Kritik, die
er in einem Brief an Marx als „Terrorismus der wahren Theorie“ kenn-
zeichnet.335 Die Kritik erneuert den von Hegel in der absoluten Theorie
aufgehobenen Gegensatz von Sein und Sollen, Substanz und Subjekts
„Das, was ist und was sein soll, wird unterschieden. Das Sollen aber ist
allein das Wahre, Berechtigte und muss also zur Geltung, Herrschaft und
Gewalt gebracht werden...“336
Für Ruge (wie für Bauer) bleibt demnach die Kritik als Vermittlung zwi-
schen der Theorie und dem Willen noch eine Sache des Bewusstseins.
Zwar ist die Kritik – die praktizierte Theorie – kein Selbstzweck für Ruge
(der in Halle und Dresden als Stadtverordneter tätig ist 336 a), sondern sie
zielt letztlich auf wirkliche sinnliche Veränderung der bestimmten poli-
tisch-staatlichen Verhältnisse (deswegen bricht Ruge schließlich mit Bauer
und den in scheinbarer geistiger Selbstgenügsamkeit verharrenden Berli-
ner „Freien“337), aber ihre eigene „praktische Wendung“ besteht darin, dass
sie einen Entschluss hervorbringt, was noch ein innerer, geistiger Vorgang
ist.
Darin liegt implizit die Annahme, dass die Durchsetzung vernünftiger
Verhältnisse verhindert wird durch ein falsches Bewusstsein, d. h. durch
das Unaufgeklärtbleiben über Vernunft und Unvernunft (oder durch die
Böswilligkeit der Herrschenden), nicht aber etwa durch Interessen und
Machtkonstellationen oder Leidenschaften und Bedürfnisse, eine Annah-
115
me, die der sokratischen Gleichsetzung von Wissen und Tugend ent-
spricht. 337a
Ruge erwartet, dass die sich an der wahren Theorie orientierende be-
wusstseinsmäßige Kritik unwiderstehlich den Übergang zur wirklichen Ne-
gation der unvernünftigen (irrationalen) Existenzen macht. „Die Umwäl-
zungen des Geistes ziehen die Umwälzungen des Lebens nach sich.“338
(Die bewusstseinsmäßige subjektive Kritik hat nach Ruges Ansicht ihre
wirkliche objektive Entsprechung in der Revolution von 1848338a.) Darin
bekundet sich ein ungebrochenes aufklärerisches Vertrauen in die Herr-
schaft der Vernunft339, so als ob Beaumarchais’ Figaro tatsächlich, wie
Napoleon meinte, die französische Revolution „schon in Aktion“ gewesen
wäre.
Dem entspricht Ruges Überschätzung der Funktion der Hallischen und
Deutschen Jahrbücher, dem literarischen Hauptorgan der Junghegelianer
von 1838 bis 1843, als Motor der Geschichte, als „bewusste Praxis der his-
torischen Dialektik“.340
Wie Feuerbach feststellt, dass für Hegel das Sein wesentlich Gedanke
des Seins ist („Das Denken setzt sich das Sein entgegen, aber innerhalb
seiner selbst...“341), so lässt sich von der aus dem Geist der Hegelschen Di-
alektik geborenen Kritik Ruges sagen, dass sie wesentlich geistige Kritik
ist. In idealistischer Weise setzt auch Marx in seiner Dissertation (1841)
die kritische Philosophie und die Welt einander gegenüber, indem er sagt:
„... die Praxis der Philosophie ist selbst theoretisch. Es ist die Kritik, die die
einzelne Existenz am Wesen, die besondere Wirklichkeit an der Idee
misst.“342
Wie für Hegel der Wille „praktischer Geist“ ist, so ist also für Ruge der
von der Kritik mobilisierte Wille das nicht ursprüngliche, unselbständige
andere des Geistes; Wille und Denken werden gefasst als das Außen und
Innen des Geistes. Der Wille wird determiniert gedacht von einem theore-
tisch fixierten Zweck, nicht etwa von Antrieben und Motiven, die in nicht-
intellektuellen Bedürfnissen und Interessen wurzeln und nur nachträglich
bewusst geworden sind.
Die Willensentscheidung bildet keinen unvermittelten Anfang wie bei
Kierkegaard das absolute Entschlossensein – als wesentliche „qualitative
116
Dialektik“ der auf sich selbst stehenden Existenz besonders in Gestalt der
Entscheidung zum „Sprung“ gegen die beiläufige „quantitative Dialektik“
der Geschichte gesetzt –, sondern sie ist durch die auf die Theorie bezoge-
ne Kritik vermittelt; aber die Theorie selbst wird als vollendet angesehen.
Die Kritik zielt auf die Veränderung der Existenz, nicht des Begriffs. In rein
theoretischer Hinsicht – hinsichtlich des Prinzips der Entwicklung – gilt
Hegels Philosophie als unüberholbar, als „die letzte aller Philosophieen ü-
berhaupt“, die nur dialektisch umzuschlagen, d. h. aus ihrer theoretischen
Einseitigkeit – der Verborgenheit ihres an sich vorhandenen praktischen
Bezuges – herauszutreten habe und von dem „Bewusstsein über sich be-
wegt und befruchtet, Tat werden muss“. „Die Dialektik, die sie am Begriffe
aufweist, hat demnach diese Philosophie an sich selbst zu vollziehen, und
dieser Prozess, diese Bewegung zur eigenen Gegenständlichkeit und Aktu-
alität ist ihre Geschichte...“343
Der Prozess der Kritik – das Geltendmachend der Vernunft, die Herstel-
lung der Einheit von Begriff und Existenz – ist also für Ruge wie für Ciesz-
kowski nur die Anwendug der fertigen Theorie und ihre einseitige Überset-
zung in die Existenz. Die dialektische Wechselwirkung, das gegenseitige
Sichdurchdringen der Theorie einerseits und der Praxis der (subjektiven
und objektiven) Kritik andererseits wird von Ruge aufgelöst.
In dieser Hinsicht setzt Ruges Kritik also die Herauslösung der Theorie
aus der praktischen Bedingtheit fort, die Hegel in Erneuerung der aristote-
lischen Kontemplation auf der Spitze seines Systems vollzieht. Die Theorie
hat nicht ihre Grundlage in der Praxis der Kritik oder deren Durchführung
in der Handlung; sie ist autonom und souverän. („Das Prinzip, um das
sich jetzt alles dreht, ist die Autonomie des Geistes, und zwar im Wissen-
schaftlichen die Fortbildung des Rationalismus und im Staatlichen des
Liberalismus...“344) Ruge anerkennt nicht etwa einen der Kritik vorgängi-
gen Veränderungswillen, ein ursprüngliches Engagement.
Auch Kriterium können die geschichtlich-politischen Entwicklungen al-
lenfalls für die kritische Anwendung der Theorie, nicht für die Theorie
selbst sein; die Theorie ist im voraus gesichert, ohne von ihnen bestätigt
oder widerlegt werden zu können (was sich auch auf Grund der angenom-
menen prinzipiellen Isomorphie von Theorie und Geschichte erübrigt).345
117
nicht stets bewusst gegenwärtig war (nämlich bis zu Hegels Erhebung der
dialektischen Methode zum bewussten Prinzip), dürfte Ruge in Wahrheit
gar kein notwendiges von vornherein auf ein Ziel Ausgerichtetsein des Ge-
schichtsablaufs supponieren; unvereinbar ist es, den Fortschritt der Ge-
schichte einerseits völlig im menschlichen Geist gründen zu lassen und
dennoch andererseits eine Vorsehung anzunehmen und die Einheit der
theoretischen und praktischen Tätigkeit in der selbstbewussten und
selbstgewollten Durchführung geschichtlicher Intentionen zu sehen.349
Die Verwandlung des Weltgeistes in den Menschengeist wirft ein weite-
res Problem auf, das Ruge nicht löst und worüber er kaum ein Bewusst-
sein hat: das Problem der Einheit von menschlichem Geist und Natur (die
nicht mehr als Erscheinungsform des Weltgeistes begriffen werden kann
und selbständig bleibt, insofern sie kein Produkt des menschlichen Geistes
ist); denn die Wechselwirkung von Mensch und Natur, die Hegel in der mit
der geschichtlichen Praxis verknüpften Teleologie der Arbeit aufdeckt, tritt
für Ruge in den Hintergrund.
Indem Ruge das Vernünftigfinden der Wirklichkeit und ihre Loslösung
aus der geschichtlichen Entwicklung nicht nur in Hegels Rechtsphiloso-
phie hinsichtlich der politisch-staatlichen Verhältnisse feststellt, sondern
als charakteristisch für Hegels Philosophie überhaupt ansieht, negiert er
mit seiner Kritik auch Hegels spekulatives System im ganzen als einseitig
theoretisch und abstrakt.350
Auch der Religion, Kunst und Wissenschaft habe Hegel die praktisch-
geschichtliche Seite genommen, indem er sie über den Bereich des Staats
und der Geschichte hinaus in die Sphäre des absoluten Geistes rückte
und ihre Freiheit nicht als Prozess und Aktion der Befreiung aus jeweils
bestimmten Existenzen auffasste. „Die Wissenschaft ist ihm nicht zugleich
Kritik, die Kunst nicht zugleich Verarbeitung und Abklärung der Gegen-
wart, die Religion wesentlich Vorstellung und Lehre, nicht praktisches Pa-
thos.“351
Die Absolutheit des Hegelschen Systems, das die Zukunft im wesentli-
chen ignoriert, die auf die Spitze getriebene „faule Beschaulichkeit des He-
gelianismus“, muss nach Ruge umschlagen in die tatkräftige Verwirkli-
chung des Geistes in der Geschichte, in die geschichtliche Freiheit als das
119
kennen, „den Geist, also auch Religion und Staat zu erkennen, wie er ist
und geworden ist, nicht wie er sein wird oder sein soll.“360 Hiermit über-
einstimmend hatte er auch schon im Jahre 1836 in seiner Schrift „Neue
Vorschule der Ästhetik“ – von Hinrichs in den „Hallischen Jahrbüchern“
1838 rezensiert – das Komische ähnlich wie Vischer bestimmt als Selbst-
entgegensetzung des unendlichen Geistes als „lächerliches und lachendes
Subjekt“, d, h. als Befreiung des unendlichen Geistes aus der Verstrickung
ins Endliche und Unwahre.
Ruges kontemplativer Einstellung entspricht in diesem Stadium seine
Verherrlichung des preußischen Staates als Verkörperung des reformatori-
schen Prinzips der freiwilligen Entwicklung der Vernunft und als Erben
der französischen Revolution. Von hier führt Ruges Weg in der politischen
Kritik, inhaltlich gesehen, zum Liberalismus und Konstitutionalismus,
wobei sich seine Einstellung zum Verhältnis von Theorie und Praxis wan-
delt, dann zum radikalen Demokratismus und – nach dem Scheitern der
achtundvierziger Revolution und der Gründung des „Europäischen demo-
kratischen Komitees“ mit Mazzini und Ledru-Rollin in London – schließlich
zum Nationalliberalismus und der Entgegennahme eines Ehrensoldes vom
Bismarckschen Staat.
Zunächst polemisiert Ruge (nach kleineren meist ästhetisch-
literarischen Artikeln wie die über die Düsseldorfer Malerakademie und
über Heinrich Heine) anläßlich des Kölner Kirchenstreites in den „Halli-
schen Jahrbüchern“ sowohl gegen Joseph Görres und seine Schrift „Atha-
nasius“ als auch gegen dessen orthodox-protestantischen Gegner Heinrich
Leo (der den Namen „Junghegelianer“ prägt) und dessen „Sendschreiben
an Görres“, und zwar im Namen des
Rationalismus und der Aufklärung – der neuen Aufklärung, die im Ge-
gensatz zur alten geschichtlich verfahre – sowie in Anknüpfung an Hegels
Auffassung der Reformation in dessen Vorlesungen über die Geschichte
der Philosophie. „Die feindlichen Gedanken der Reaktion lehnen sich auf
1) gegen die Berechtigung des Verstandes und schreien darum gegen Auf-
klärung und Rationalismus; 2) sie lehnen sich auf gegen die deutsche Re-
formation, sowohl in ihrem Prinzipe als in ihrer Ausbildung, dem gegen-
wärtigen religiös-politischen Leben in Preußen... 3) sie lehnen sich auf ge-
121
das konkrete Ziel ist die Teilhabe am Staat „theoretisch mit vollem öffentli-
chen Selbstbewusstsein und praktisch mit freiester Vertretung.“368
Bezeichnend bleibt, dass Ruge die liberalen Forderungen betrachtet als
Ergebnis eines geistigen Prozesses, nicht etwa realer bürgerlicher Interes-
sen. 368a Nach dieser Wendung Ruges zur politischen Kritik arbeiten an
den „Halleschen Jahrbüchern“ auch die Mitglieder des Berliner Doktor-
klubs, vor allem Karl Friedrich Köppen, Eduard Meyen und Bruno Bauer,
in wachsendem Maße mit.369
Das Gegensatzpaar Protestantismus-Katholizismus ersetzt Ruge durch
das des Konstitutionalismus-Absolutismus in den folgenden Artikeln über
Wolfgang Menzels „Europa im Jahre 1840“ und „Friedrich von Florencourt
und die Kategorien der politischen Praxis“, wobei er das Schicksal des Li-
beralismus in Europa an die Entscheidung Preußens entweder für Eng-
land und Frankreich oder für Rußland und Österreich knüpft.370
Wenn Ruge und anderen Junghegelianern vorgehalten wird, es werde
fortwährend ein Standpunkt gegen einen anderen eingetauscht, so lässt
sich dies mit dem dialektischen Taumel – der wesentlichen Negativität –der
Kritik erklären. Ruge selbst sagt in seinem „Gegenmanifest“, betitelt „Die
wahre Romantik und der falsche Protestantismus“: „Die Jahrbücher haben
gesagt, die Kritik sei frei, ein Standpunkt fresse den anderen auf; gut, wir
wollen die Probe machen. Wir sind ein neuer Standpunkt, eine neue Nega-
tion in dem unaufhörlichen Veitstanz des Negierens.“371
Durch Feuerbachs Einfluss nämlich sieht Ruge jetzt seine politische
Kritik unter dem Gesichtspunkt des Humanismus, dessen Inhalt er als
Volkssouveränität und Atheismus bestimmt und mit der Forderung nach
der Revolution verbindet (indem zugleich die Angriffe gegen den im Febru-
ar 1841 nach Berlin berufenen Schelling verschärft werden). Der Protes-
tantismus wird jetzt ebenfalls zur reaktionären Romantik gerechnet, die
„in der Qual der Erde“ wurzele372, und das Christentum überhaupt wird
polemisch behandelt (nachdem Ruge Feuerbach zunächst als „richtigen
Ausleger der Hegelschen Philosophie“ missverstanden hat373).
Es zeigt sich: die Erfahrung der Unwirklichkeit und Ohnmacht seiner
Kritik, d. h. die Erfahrung, dass die bestehenden politischen Verhältnisse
vermittels der Kritik nicht zu ändern sind, führt Ruge nicht zu einer Neu-
123
rung der Menschen von dem Gemeinwesen“ (d. h. hier dem Staatswesen).
Er propagiert wie Julius Fröbel (der im „Literarischen Comptoir“ die von
Ruge herausgegebenen Anekdota zur neuesten Philosophie und Publizis-
tik“ und die von Herwegh herausgegebenen „Einundzwanzig Bogen aus der
Schweiz“ verlegt) die Beseitigung des Elends vermittels politischer Erzie-
hung und politischer Organisation: „Eine Sozialrevolution ohne politische
Seele (d. h. ohne die organisierende Einsicht vom Standpunkt des Ganzen
aus) ist unmöglich.“383
Kurz vorher hat Ruge auch versucht, Marx’ weitergehende – auf den
Klassenstandpunkt des proletarischen Sozialismus übergehende – Kritik
an der bürgerlichen Gesellschaft in den Abhandlungen „Zur Judenfrage“
und „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, die in den
gemeinsam herausgegebenen „Deutsch-Französischen-Jahrbüchern“ er-
schienen, mit seinem eigenen bürgerlich politischen Humanismus zu har-
monisieren384, wovon sich Marx darauf unmissverständlich distanziert in
den „Kritischen Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und
die Sozialreform‘“ mit dem Aufweis der Notwendigkeit der Analyse und der
Änderung der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt, dass politischer
Verstand, politische Energie und politisch-administrative Maßnahmen
unmöglich das soziale Elend beseitigen können.
Hinsichtlich der Methode zur Durchsetzung des wahren Inhalts, des
Humanismus und Demokratismus, geht Ruge schließlich nicht hinaus ü-
ber eine Verbindung der Kritik mit der Bildung und Erziehung. Das heißt:
er erwartet, dass die praktische Gesellschaftsreform auf bürgerlicher
Grundlage als Verwirklichung des theoretischen Humanismus – die Besei-
tigung des entfremdenden inhumanen Egoismus sowie auch des Patrio-
tismus385, die Vermenschlichung der Existenz und die Emanzipation des
Menschen – primär erfolgt auf dem Wege über Bildung und Erziehung des
Volkes oder der „Masse“, die Ruge zwar im Gegensatz zu Marx undifferen-
ziert lässt, aber nicht wie Bruno Bauer als Widersacher des Geistes an-
sieht.386 „Ein Volk ist nicht eher frei, als bis es die Philosophie zum Prinzip
seiner Entwicklung macht; und es ist die Aufgabe der Philosophie, das
Volk zu dieser Bildung zu erheben.“387 Mit der Ausrichtung auf Bildung
und Erziehung als Weg der Umgestaltung des menschlichen Lebens steht
dieser politische Humanismus in der Tradition des ästhetischen Huma-
126
nismus der deutschen Klassik, wobei zwar die Grenzen des Ästhetischen,
aber nicht die der Erziehung erkannt werden.388
127
innerhalb einer Partei nötig ist, sich gehindert sehen sollte, dieselbe zu kri-
tisieren und aufzulösen.“394
Die unversöhnliche Ablösung von den Voraussetzungen – der absolute
Hiat zu dem Gegebenen – heißt zunächst, dass diese kritische Theorie sich
weder mit positivistischen Protokollsätzen und Deskriptionen begnügt
noch ihre Zielsetzungen aus vorhandenen Tendenzen, den inneren Wider-
sprüchen, der geschichtlichen Entwicklung - durch Unterscheiden, „kri-
nein“, oder Auseinanderspalten, „discutio“, des unmittelbar Gegebenen –
zu gewinnen sucht.
Zugleich stellt diese Kritik damit – noch eindeutiger als bei Strauß und
Ruge – eine Umformung der Hegelschen spekulativen affirmativen Dialek-
tik zu einer analytischen negativen Dialektik dar (wie sie heute in ver-
gleichbarer Weise von Adorno erneuert wird395): das Resultat der Kritik ist
jeweils die bloße, abstrakte Negation, die Vernichtung des Positiven, d, h.
die Negation enthält das Positive, von dem sie ausgeht, nicht aufgehoben
in sich, so dass es als überwundenes noch wahr bliebe; die Negation ist
nicht von der Qualität des jeweils Negierten affiziert und affirmativ deter-
miniert, sondern bleibt ausschließlich die Präposition eines „Anti-“. Daher
ist die Kritik nicht wie die Spekulation die affirmative Synthese, die kon-
krete Vermittlung der entgegengesetzten Momente zur Totalität.
Hegel anerkennt diese negative Dialektik als eine berechtigte, wenn
auch einseitige Form seiner Versöhnungsphilosophie und kennzeichnet sie
in Hinblick auf die „vollkommene Verzweiflung an allem Festen des Ver-
standen und die sich daraus ergebende Gesinnung... der Unerschütter-
lichkeit und des Insichberuhens“ als Skeptizismus.396 Bauer verselbstän-
digt also die skeptische Seite der Hegelschen Dialektik. Wie sich zeigen
wird, schließt sich Bauers Kritik dem Skeptizismus auch noch in anderer
Hinsicht an.
Dabei ist für Bauer die skeptizistische negative Dialektik die Form nicht
nur der subjektiven Kritik, sondern auch der objektiv-kritischen Ge-
schichtsentwicklung. Edgar Bauer gibt die Ansicht seines Bruders Bruno
wieder: „Auch das Christentum. war nichts als ein gewaltiger Vernich-
tungskampf, den ein neues Prinzip gegen die alte Welt anhub. Und die
französische Revolution? Die Geschichte kennt kein ähnliches Beispiel ei-
ner urplötzlicheren, mächtigeren Erschütterung und Neubelebung der
130
Menschheit. So ist denn gewiss, dass jedes Prinzip, welches neu auftritt in
der Weltgeschichte, vandalisch ist.“397 Diese negative Dialektik kann aber
nicht die weltgeschichtliche Kontinuität erklären.
Dass die Kritik Bauers nicht anknüpft an das Bestehende und sich
nicht parteilich einlässt auf das objektiv Vorliegende ist gleichbedeutend
mit ihrem Rückgang ins Subjekt, gefasst als Selbstbewusstsein. Diesen
kritischen Rückgang ins Selbstbewusstsein versteht Bauer als Negation
der Religion, des christlichen Staates und der „Masse“ in der Gesellschaft;
denn sie sind für ihn Entfremdungen des allgemeinen menschlichen
Selbstbewusstseins.
Das Selbstbewusstsein gilt ihm als „die wahrhafte causa sui“, die „die
Welt, den Unterschied setzt und in dem, was es hervorbringt, sich selbst
hervorbringt“ und „den Unterschied des Hervorgebrachten von ihm selbst
wieder aufhebt.“398
Dementsprechend hat für Bauer die subjektive Kritik die Fiktion, die
das Selbstbewusstsein in seiner geschichtlichen objektiv-kritischen nega-
tiv-dialektisch fortschreitenden Entwicklung beschränkenden, hemmen-
den und unfrei machenden partiellen Objektivationen seiner selbst – das
Bestehende, Substantielle, Positive – zu destruieren und zu „liquidieren“.
Spirituelle Tätigkeit überwindet materielle Widerstände, wenn diese ihre
eigenen Manifestationen sind und wenn sie nicht bloß illegitim vorher in
gedankliche, innere Widerstände verflüchtigt werden, was Marx gegen
Bauer in der „Heiligen Familie“ einwendet.
Voraussetzung dieser Bauerschen Konzeption der Kritik ist die Umdeu-
tung der Hegelschen Philosophie des absoluten Geistes zur Philosophie des
menschlichen Selbstbewusstseins (und damit die Verabsolutierung der
Geschichte). Unter der Kapitelüberschrift „Das Gespenst des Weltgeistes“
zeigt Bauer – in orthodox pietistischer Maske – in der Schrift „Die Posaune
des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen“, an der
noch Marx mitgearbeitet hat, dabei die Tendenz zur philosophiegeschicht-
lichen Harmonisierung: der Weltgeist, der „seine Wirklichkeit im Men-
schengeiste“ und „kein Reich für sich, keine Welt, keinen Himmel für sich“
hat, wäre nach Bauer „nur ein Bild, welches der Philosoph zuweilen auf-
stellt und dem er dann die Attribute der Göttlichkeit... schenkt. Der Philo-
131
soph weiß aber recht gut, dass dieses Bild nur das Selbstbewusstsein dar-
stellt...“399 Damit umgeht Bauer die Notwendigkeit, die Feuerbach und
Marx zum Programm erheben, die Hegelsche Philosophie zu überwinden.
Unter anderem vermeidet Bauer in seiner Harmonisierungstendenz, ernst-
haft daran Anstoß zu nehmen, dass Hegel beansprucht, die Philosophie im
wesentlichen systematisch zum Abschluss gebracht zu haben. Seine Diffe-
renz zu Hegel kann Bauer zu verdecken suchen, insofern er mit ihm über-
einstimmt in der Auflösung der Substantialität oder Objektivität in die
Subjektivität. Aber der wesentliche Unterschied bleibt: Hegel nimmt die
Substanz ins absolute Selbstbewusstsein hinein, Bauer ins menschliche
allgemeine Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zu Bauer anerkennt Hegel
gegenüber dem menschlichen Selbstbewusstsein durchaus die substan-
tielle, objektive Realität.
Bauers Eliminierung der spinozistischen Seite des Hegelschen Systems,
sein abstraktes Herauslösen des Fichteschen Moments und damit sein ei-
gener Rückgang auf Fichte wird deutlich, wenn er Hegels Stellung zu Fich-
te so beurteilt, als wäre Hegel nicht über Fichte hinaus gegangen und als
hätte Hegel eine Überwindung Fichtes nicht als notwendig angesehen:
„Endlich aber kommt der Philosoph in seiner Heimat, dem Selbstbewusst-
sein an, nachdem ihm Fichte alle Wirklichkeit, die es außer dem Selbstbe-
wusstsein gibt, zerstört hat... Wenn der Spinozismus ihm als der notwen-
dige Anfang der Philosophie galt, so nun die Fichtesche Auffassung des Ich
als die Vollendung...“400
Die Hauptabsicht Bauers – besonders in der „Posaune“ – ist, die Trans-
zendenz zu zerstören, d. h. der Religion den Objektivitätscharakter zu
nehmen, indem sie als Schöpfung des menschlichen Selbstbewusstseins
behandelt wird. In diesem Zusammenhang deutet er Hegels Religionsphi-
losophie als Atheismus, insofern für Hegel „das religiöse Verhältnis nichts
als ein inneres Verhältnis des Selbstbewusstseins zu sich selber ist und
alle jene Mächte, die als Substanz oder als absolute Idee von dem Selbst-
bewusstsein noch unterschieden zu sein scheinen, nichts als die eigenen
in der religiösen Vorstellung nur objektivierten Momente desselben
sind.“401 Um also die transzendenten Objekte der Religion zu zerstören,
zerstört Bauer die Objektivität überhaupt. Kein Gegenstand übersteigt für
Bauer den Gedanken; der Gedanke bleibt souverän und die Dialektik im-
132
sche Wissen – dem Inhalt nach der Gedanke seiner Zeit, der Form nach
über seiner Zeit – das Sichselbstwissen des Geistes ist, und so „der formel-
le Unterschied auch ein realer wirklicher Unterschied (ist). Dies Wissen ist
es dann, was eine neue Form der Entwicklung hervorbringt; die neuen
Formen sind nur Weisen des Wissens. Durch das Wissen setzt der Geist
einen Unterschied zwischen das Wissen und das, was ist; dies enthält wie-
der einen neuen Unterschied, und so kommt eine neue Philosophie hervor.
Die Philosophie ist also schon ein weiterer Charakter des Geistes; sie ist
die innere Geburtsstätte des Geistes, der später zu wirklicher Gestaltung
hervortreten wird.“405
Hegel sagt also gar nicht – im Gegensatz zu Bauers und auch Löwiths406
Interpretation –, dass die Philosophie außer einer neuen Form selbst eben-
falls einen neuen Inhalt hervorbringt (den sie gedanklich in sich trägt und
antizipiert auch da, wo sie in „ein anderes Land des selbstbewussten Geis-
tes“ ohne schon entsprechende Wirklichkeit übergeht); und wenn auch das
philosophische Wissen gegenüber dem Bestehenden von Hegel „ein realer
wirklicher Unterschied“ genannt wird, so ist diese Realität des Wissens
doch in einem anderen Sinne zu verstehen als die Realität der wirklichen
Gestalten des objektiven Volksgeistes.
Gegenüber Bauers Ableitung seiner subjektiv-idealistischen Konzeption
der Philosophie als Kritik des Bestehenden und Motor der Geschichtsbe-
wegung – als Entgegensetzung von Wissen und Wirklichkeit, Subjekt und
Substanz, Sollen und Sein – aus der Hegelschen Bestimmung des Verhält-
nisses der Philosophie zu anderen Gestaltungen einer Stufe des Geistes
müssen Hegels eindeutige Worte zitiert werden: „Das Verhältnis der politi-
schen Geschichte, Staatsverfassungen, Kunst, Religion zur Philosophie
ist... nicht dieses, dass sie Ursachen der Philosophie wären, oder umge-
kehrt, diese der Grund von jenen, sondern sie haben vielmehr alle zu-
sammen eine und dieselbe gemeinschaftliche Wurzel, den Geist der
Zeit.“407 Im Gefolge der Auflösung des absoluten Geistes in den menschli-
chen Geist und des objektiven Geistes in den subjektiven kritischen Geist
werden für Bauer die Philosophen „die wahren, die einzig gefährlichen,
weil die konsequentesten und rücksichtslosen Revolutionäre.“408 Dement-
sprechend sieht er die Aufgipfelung der Hegelschen Philosophie in der
Kontemplation nicht als zu überwindenden Mangel an, sondern er be-
134
hauptet, dass Hegels Theorie schon „in ihr selber und, darum die gefähr-
lichste, umfassendste und zerstörendste Praxis (war). Sie war die Revoluti-
on selber.“409
Diese Auffassung von der praktisch-revolutionierenden Rolle der Theo-
rie bekundet sich ebenfalls in einem Brief an Marx: „Es wäre Unsinn, wenn
Du Dich einer praktischen Carriere widmen wolltest. Die Theorie ist jetzt
die stärkste Praxis, und wir können noch gar nicht voraussagen, in wie
großem Sinne sie praktisch werden wird“.410
So ist es konsequent, wenn Bauer auch die Aufklärungsphilosophie als
Ursache der französischen Revolution ansieht. Seine Deutung der Hegel-
schen Stellung zur französischen Aufklärung deckt aber nur wiederum ei-
ne Hauptquelle seiner eigenen Anschauungen auf. Wenn Hegel zum Bei-
spiel sagt: „Was in den französischen philosophischen Schriften, die in
dieser Hinsicht wichtig sind, bewunderungswürdig ist, ist diese erstaunli-
che Energie und Kraft des Begriffs gegen die Existenz, gegen den Glauben,
gegen alle Macht der Autorität seit Jahrtausenden“411, so will er damit nur
die eine (negative) Seite der Aufklärungsphilosophie charakterisieren. In-
dem aber Bauer diese Feststellung eklektisch aufgreift und ummünzt zu
Hegels vorbehaltloser „Bewunderung der Franzosen und Verachtung gegen
die Deutschen“412, übergeht er, dass Hegel bestrebt ist, die Aufklärungs-
philosophie als einseitigen Rationalismus, formelle Verstandesherrschaft
und zertrümmernden „Fanatismus des abstrakten Gedankens“ in einer
wahren Versöhnung der Gegensätze zu überwinden. Ähnlich dokumentiert
sich in Bauers Interpretation, nach Hegels Ansicht müsse „die Kirche ge-
gen den Staat untergehen“413 seine eigene Erwartung, die er an die Be-
kämpfung der Kirche knüpft, während dagegen Hegel als Aufgabe des
Staates ansieht, „von allen seinen Angehörigen zu fordern, dass sie sich zu
einer Kirchengemeinde halten.“414
Indem Bauer den Prozess der Geschichte von der dialektischen Ent-
wicklung des Selbstbewusstseins und diese wiederum von der philosophi-
schen Theorie – etwa der aufklärerischen oder der Hegelschen und der kri-
tischen – bestimmt sein lässt, spricht er der hervorragenden Persönlichkeit
in der weltgeschichtlichen Praxis die entscheidende emanzipierende Rolle
zu.
135
dung von der Masse geht die Konzeption der Reinheit, der System- und
Gesinnungslosigkeit, der Absolutheit der Kritik.
Aber Bauers Mangel ist, dass er die blasse undifferenziert lässt und als
Aggregat völlig gleichartiger Elemente betrachtet; er erkennt nicht, dass
der geschichtlich gewordenen abstrakten politischen Gleichheit der Indivi-
duen eine wirkliche konkrete Ungleichheit entspricht, und dass speziell die
Bereitschaft der Masse zur blinden Gefolgschaft jeweils in einer bestimm-
ten Bedrohung durch eine objektive Notlage wurzelt.
Mit der Abwendung von der Masse vollzieht Bauer die Absage an die
sich auf die Masse stützenden und sich damit in seinen Augen diskreditie-
renden Lehren und Parteiungen des Liberalismus, radikalen Demokratis-
mus, Sozialismus und Kommunismus, in Vergleich zu denen Bauers kriti-
sche prinzipienlose Position als anarchistisch erscheinen muss sowie als
prototypisch für die geistesaristokratischen sich bescheidenden, entsagen-
den vor jeder Verdinglichung sichernden Rückzugsbewegungen in die In-
nerlichkeit (jenseits eines faktischen Glücksanspruchs), aber auch
zugleich als Repristination des antiken skeptischen Bewusstseins, wie es
Hegel analysiert: „... negatives Verhalten, ja tätige Negation gegen alles
Prinzip“, das im Unglück der bestehenden Herrschaft „in seinem Innern
auf abstrakte Weise die Befriedigung (hat) suchen müssen, die die Wirk-
lichkeit ihm nicht gab“421, und das andererseits in dem bestimmten ein-
zelnen unwesentlichen Inhalt befangen bleibt trotz der Deklaration seiner
Nichtigkeit. Innerhalb des nicht preisgegebenen Anspruches, letztlich die
wirkliche Welt mittels der Kritik zu gestalten, erneuert Bauer in dieser
Weise den allgemein antiken Dualismus zwischen Arbeit und Muße, Le-
bensnotwendigem und Schönem, Theorie des Beständigen und Praxis des
Unsicheren.422
Bauers Antithese von Denken und Sein in Gestalt von kritischer selbst-
bewusster Persönlichkeit und depersonalisierter geistloser Masse hat ihren
Ansatz schon in seiner Evangelienkritik und seiner Polemik gegen Strauß,
insofern er zur Erklärung des Ursprungs der Evangelien – in teilweiser
Vorwegnahme der formgeschichtlichen Methode Bultmanns und M. Dibe-
lius’ – an die Stelle des „substantiellen“ Gemeindebewusstseins der messi-
anischen Erwartung das schöpferische Selbstbewusstsein als „schriftstel-
lerisches Prinzip“ setzt und die Evangelien als „Werk der Reflexion“ an-
137
gar nicht in die Hand; die Hand bleibt ihm überhaupt aus dem Spiele.
Nicht mit roher Faust schlägt er drein, aber das Auge schlägt er frei auf
und sieht – und sieht, wie ihr ihm die Praxis erspart und an euch selber
genug zernichtet.“428
Die Bestimmung „der Geschichte“ als Adressat und Subjekt der – von
der Kritik vorzubereitenden – wirklichen Veränderung ist nicht nur eine
mechanisch-deterministische Hypostasierung, sondern beinhaltet auch
eine Aporie: „die Geschichte“ würde „die Masse“ einschließen; die Masse
wird als blind und unfähig zur kritischen Aufklärung angesehen, aber die
befreiende Veränderung des Bewusstseins soll die Voraussetzung realer
Veränderung sein. Die massenhafte Veränderung des Bewusstseins wird
also von Bauer zugleich als erforderlich und unmöglich betrachtet. Marx
dagegen geht nach seinem Bruch mit Bauer davon aus, dass die Theorie
praktisch wirksam, zur „materiellen Gewalt“, wird, „sobald sie die Massen
ergreift“429
Der Geschichte die praktischen Konsequenzen der Kritik zu überlassen
und die kritische Position der Überparteilichkeit, Neutralität und Objektivi-
tät einzunehmen, ist gleichbedeutend mit praktischer Toleranz gegenüber
dem Bestehenden, das – auch wenn es widersprüchlich, unvernünftig und
unmenschlich ist – unangetastet gelassen und nicht negiert wird. So er-
möglicht die reine – vor dem Bestehenden als unauflösbarem Objekt prak-
tisch resignierende – überparteiliche Kritik zum Beispiel die Gleichgültig-
keit, den wirklich vorhandenen Gegensatz des Unterdrückers und des Un-
terdrückten auf der gleichen Stufe zu sehen. Die äußerste theoretische
Opposition wird zur äußersten praktischen Position; die Resistenz gegen
die Realität wird zur Kapitulation. Der Widerspruch tritt an die Stelle des
Widerstands. Das heißt auch: die skeptizistische negative Dialektik, die
radikal nur die qualitative Differenz und Diskontinuität hervorhebt,
schlägt in praktischer Hinsicht um in die Affirmation nur quantitativ sich
ändernder Sachverhalte.
Ungewollt kehrt sich gegen Bauers Kritik selbst, was er in der Rezensi-
on von Strauß’ „Glaubenslehre“ über die Theorie sagt: „Reine und wahre
Theorie ist nur möglich zwischen Gleichen und Freien. In einem Zustande
zum Beispiel, wo die Stände, die Geburtsunterschiede und Privilegien
herrschen oder mit Gewalt restauriert werden sollen, ist die Theorie ein
139
Verbrechen, weil sie sich zunächst als Kritik gegen diese natürlichen Un-
terschiede richten und die Gleichheit, die noch nicht vorhanden ist und im
Gegenteil als Übel abgewehrt werden soll, wiederherstellen würde.“430
Hieraus lässt sich folgern: die Beschränkung auf Theorie wie auf theo-
retische Kritik ist in Wahrheit erst gerechtfertigt, wenn die wirklichen Ge-
gensätze und Partikularitäten praktisch zur Homogeneität verändert sind,
d. h. wenn im wesentlichen Gleichheit, Freiheit und Allgemeinheit beste-
hen. Auf diesem Niveau wäre die theoretische Kritik sogar die angemesse-
ne Methode des Veränderns, d. h. des Aufdeckens und Überwindens noch
vorhandener unwesentlicher Beschränkungen der individuellen Spontanei-
tät. Der traditionelle Satz: nur Gleichartiges kann erkannt werden, ist
auch so zu deuten: das Erkennen – als Verzicht auf das Eingreifen zu-
gunsten des Begreifens – setzt Gleichartiges voraus. Der Gott des Aristote-
les verhält sich theoretisch, insofern er autonom, bei sich selbst ist und
von nichts Fremdartigem wirklich eingeschränkt wird. Bei Hegel trium-
phiert schließlich das absolute Wissen, insofern alles Fremdartige total
vermittelt ist.
Der scheinbaren Negation des Bestehenden korrespondiert bei Bauer
die scheinbare Autonomie des Kritikers: wenn Bauer die praktischen Kon-
sequenzen der nicht engagierten überparteilichen Kritik der Geschichte
überlässt, so nimmt er an, dass das Subjekt der Kritik seinerseits nicht
von der Geschichte vermittelt, sondern autonom und autark ist. Das kon-
krete kritisierende Individuum wird auf abstrakte Rationalität reduziert
und als „tabula rasa“ behandelt, die frei von Bedürfnissen und
von äußeren Einflüssen und Manipulationen ist und sich vermittels der
Anstrengung des kritischen Denkens gegenüber bestimmten andrängen-
den Inhalten rein erhalten und bei sich bleiben kann, und zwar als
Grundsituation, nicht als zeitweiliges Ausweichen vor bedrohlichen unfrei-
en äußeren Verhältnissen zum Zweck der inneren Bewahrung bestimmter
Ideale, wie es zunächst scheinen mag, wenn Bauer rhetorisch fragt: „Wenn
die bestehenden Verhältnisse der Idee vollständig widersprechen, wo kann
die Idee dann anders existieren, als in dem reinen Selbstbewusstsein, wel-
ches aus der Verderbnis sich gerettet hat und die wahren Formen seiner
Existenz als Ideale zunächst i eich trägt?
140
Hat das Selbstbewusstsein eben als solches nicht das Recht, zu verlan-
gen, dass es seine inneren Bestimmungen in den Gesetzen und Einrich-
tungen des Bestehenden wiederfindet?“431
Die positive Kehrseite der äußersten abstrakten theoretischen Oppositi-
on und des absoluten Sichverweigerns dar Kritik ist, dass das einheitliche
Ziel der Kritik – sowohl der theologischen als auch der politischen – in al-
len Phasen ihrer Entwicklung bleibt, die Universalität der menschlichen
Vernunft gegenüber jeder Partikularität, Restriktion und Fixiertheit zu er-
reichen, in dieser Weise die menschliche Vernunft von der Widersprüch-
lichkeit zu befreien und schließlich die Vereinzelung der Menschen aufzu-
heben.
Von hier aus – eine Konsequenz der Hegelschen Erkenntnis, dass die
Wahrheit das Ganze ist – ist auch zu verstehen, weshalb Bauer sich unter
zunehmendem politischen Druck immer weiter von dem Engagement der
eingreifenden Praxis entfernt: die kritische Theorie gewährt eher den An-
schein dieser negativen Freiheit von Beschränkungen und Voraussetzun-
gen, zumal praktisch vollzogene Entscheidungen anders als theoretische
Unterscheidungen irreversibel sind; Gegensätze, die sich praktisch aus-
schließen, lassen sich theoretisch ausgleichen.432 „Im Denken, im Schrei-
ben, im feurigen Trieb der Kritik lebe ich nicht mehr für die Sekte und ihre
beschränkten Voraussetzungen, sondern für die Gattung und ihre Frei-
heit. Das Denken ist der wahre Gattungsprozess, welche einen geistigen
Menschen, ja erst die Menschheit selbst erzeugt.“433 In dieser Weise
schließt sich Bauer an Hegels Bestimmung des Denkens an als „die Tätig-
keit des Allgemeinen, das Allgemeine in seiner Tätigkeit, Wirksamkeit.“434
Implizit liegt der Ausrichtung auf die theoretische Allgemeinheit und Frei-
heit der Zustand zugrunde, dass die praktischen Lebensverhältnisse noch
die Sphäre der Partikularität und Kontingenz der Bedürfnisse und Interes-
sen vereinzelter Individuen sind.
Schon in der „Kritik der Geschichte der Offenbarung“ (1838) – unmit-
telbar nach der Preisgabe seines in der von ihm redigierten „Zeitschrift für
spekulative Theologie“ und in den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Kri-
tik“ gegen Strauß vertretenen apologetischen Standpunkts in der Religi-
onsphilosophie435 – fasst Bauer das Alte und das Neue Testament als zwei
bestimmte Entwicklungsstufen des menschlichen Geistes und zeitbedingte
141
wusstseins“: „Das letzte, aber freilich auch Schwierigste, was dem Staat...
noch übrigbleibt, ist die Befreiung der bürgerlichen Heloten, welche täglich
mit der Materie zu kämpfen haben, für das Allgemeine die Sinnlichkeit ü-
berwinden, ohne für ihre Person in diesem Kampfe des Allgemeinen, dem
sie dienen, sich wahrhaft bewusst zu werden.“446
Zwischen Bauer und Marx bestehen weitere formale Parallelen darin,
dass für beide die Entmenschlichung und Entfremdung jeweils total, auf
die Spitze getrieben, erscheinen muss, bevor sie umschlagen kann zur völ-
ligen Wiederaneignung des Menschen447, worin sich eine Gemeinsamkeit
sowohl der idealistischen als auch der materialistischen Dialektik bekun-
det; ebenso ist ein gemeinsames Erbe der Hegelschen Maxime der „Durch-
führung“ des Prinzips die Abneigung gegen „die Gleichgültigkeit gegen das
Detail und die Verehrung der Phrase“448 sowie gegen die erbauliche sal-
bungsvolle Abschwächung, Beschönigung, Einebnung und Harmonisie-
rung von Gegensätzen. Weiter sind für Bauer und Marx nicht nur die Un-
terprivilegierten, sondern auch die Privilegierten selbst entfremdet.449 Und
beide stimmen überein in der Auffassung, dass die Kritik der Religion be-
endet sei. Im übrigen kommt Bauer Marx’ Auffassung von dem Zusam-
menhang zwischen gesellschaftlicher und religiöser Entfremdung nahe
(und beleuchtet gleichzeitig seinen Kampf gegen die Religion), wenn er
sagt: „Das religiöse Vorurteil ist die Basis des bürgerlichen und politi-
schen, aber die Basis, die das letztere, wenn auch bewusstlos, sich selbst
gegeben hat. Das bürgerliche und politische Vorurteil ist der Kern, den das
religiöse nur umschließt und schützt. Die Methode des Kampfs gegen die
bürgerliche und politische Unterdrückung, wie ihn die Geschichte bisher
geführt hat..., bestand daher darin, dass die religiöse Voraussetzung jener
Unterdrückung angegriffen und aufgelöst wurde.“450
Indem Bauer mit Hilfe seiner Kritik die Destruktion jeder fixen Partiku-
larität der geschichtlichen Entwicklung des Selbstbewusstseins anstrebt,
geht es ihm zugleich um die fortschreitende Entfaltung der menschlichen
Möglichkeiten in ihrer Totalität. In Übereinstimmung mit der Hegelschen –
von Herder ausgehenden – Erkenntnis betont Bauer: „Der Mensch ist als
Mensch kein Naturprodukt, sondern das Werk seiner eigenen Freiheit.
Menschen werden nicht geboren, sondern gebildet.“451 Kritik und Selbst-
verwirklichung des Menschen gehören also zusamen. Dies ist in formaler
144
tion nur den Bürger, nicht aber das Individuum befreie und dass die Re-
volte keine neuen Einrichtungen an die Stelle der bekämpften bestehenden
setzen wolle.479 Stirner will sich überhaupt keiner politisch-sozialen Orga-
nisation anschließen und an keine vorliegenden Voraussetzungen anknüp-
fen, also keine auch nur partielle Identifikation mit den bestehenden Ver-
hältnissen eingehen, d. h. keine vermittelnden Kompromisse schließen,
sondern alternativ „alles oder nichts“ (was auf pädagogisch-
psychologischer Ebene vergleichbar ist mit der Haltung der totalen Distan-
zierung der Kinder von den Eltern als das eine Extrem zu dem anderen
Extrem der totalen Identifizierung, die beide die Mitte der mit Selbstbe-
hauptung verbundenen Anerkennung verfehlen, oder was auf ökonomi-
scher Ebene vergleichbar ist mit der Negation der Komplementarität von
Stabilität und Flexibilität).
Dieser unpolitische antiinstitutionelle kompromisslos destruktive Anar-
chismus Stirners ist somit zu unterscheiden vom Typ des kollektiv-
sozietären Anarchismus vor allem Proudhons, Bakunins, Kropotkins und
anderer, deren Anhänger als „libertäre“ Sozialisten auftreten gegen die „au-
toritären“ und „doktrinären“ „Staatssozialisten“480 (und den Marx in der
ersten Internationale bekämpft und Lenin als „linken Radikalismus, die
Kinderkrankheit des Kommunismus“, zurückweist481). Stirner verbindet
aber mit den meisten Anarchisten – außer der Ablehnung jedes Staates als
totalitär – die Negation aller bürokratisch-administrativen Apparate, aller
disziplinierten und hierarischen Organisationen sowie aller etablierten Pri-
vilegien. (Wie der Anarchismus in Chauvinismus umschlagen kann, findet
sich literarisch dargestellt in Arno Holz’ Drama „Sozialaristokraten“.)
Die individuelle Revolte setzt Stirner gleich mit dem Krieg aller gegen al-
le. In ihm gilt die egoistische Maxime des amoralischen Verfolgens der je-
weils eigenen Interessen und der gewaltsamen usurpatorischen Aneignung
„Greife zu und nimm, was Du brauchst... Ich allein bestimme darüber,
was ich haben will.“482 Mit Hilfe dieser Praxis der Revolte, nicht aber nach
den Anleitungen der utopischen Sozialisten und Kommunisten, lasse sich,
so behauptet Stirner, auch die Eigentumsfrage lösen: „Die Armen werden
nur frei und Eigentümer, wenn sie sich – empören, emporbringen, erhe-
ben.“483 Noch im Namen der Vernunft dagegen fordert William Godwin un-
ter dem Einfluss der von ihm übersetzten französischen Enzyklopädisten
154
Kategorie des Seins, die Habsucht über die „Seinssucht“ (M. Heß), die Sa-
chenwalt über die Menschenwelt.
Gerade der radikale Subjektivismus, der die objektiven Inhalte zu über-
springen und die Subjekt-Objekt-Spannung sowie die Differenz von Begriff
und Realität zu negieren sucht, mündet in eine Verobjektivierung der Sub-
jekte ebenso wie auf der anderen Seite die Subjekt-Objekt-Beziehung, die
zur leeren Idealität ohne sorgende Umsicht überspannt ist.
Mit der bewusst angestrebten Verdinglichung menschlicher Beziehun-
gen verkehrt Stirner die Intentionen des Idealismus und will ihre „koperni-
kanische Wende“, in ethischer Hinsicht, nämlich dass der Mensch kein
Objekt der Willkür werden darf, rückgängig machen. Das führt dazu, dass
Stirner, um die idealistische als theologisch fundiert gedeutete Ethik ü-
berwinden zu können, im Grunde die Ethik überhaupt preisgibt: er findet
keinen Ausweg aus den beiden Extremen der unterwürfigen Anpassung
einerseits und des nihilistischen „Alles ist erlaubt,“ andererseits. Speziell
deutet er keinen Ausweg an aus dem Dilemma der vollständigen Unterdrü-
ckung und dem uneingeschränkten Gewährenlassen der Triebe, was bei-
des lediglich der Machtentfaltung des Ich dienen kann.
Wenn Stirner als notwendige Konsequenz der Revolte, des Sichheraus-
ziehens aus den bestehenden Verhältnissen (d. h. auch aus ihren Leis-
tungszwängen), eine praktische Veränderung der bestehenden Verhältnis-
se erwartet, so gilt ihm, dem antiintellektualistischen Intellektuellen, als
unerlässliche Vorbedingung dieser Revolte zwar nicht die gedankliche Kri-
tik im Bauerschen Sinne („Ein Ruck tut mir die Dienste des sorglichsten
Denkens, ein Recken der Glieder schüttet die Qual der Gedanken ab...“491),
aber doch auch eine Veränderung des Bewusstseins, nämlich die Beseiti-
gung des falschen Bewusstseins in Gestalt des „Sündenbewusstseins“,
und das ist die Beseitigung der Selbstvorwürfe, gleichsam verstanden als
Sanktionen einer Schizophrenie, sowie der Selbsttäuschungen, Vorurteile
und Fiktionen über die bestehenden Verhältnisse, besonders die Preisgabe
des Respekts und der Devotion zugunsten einer radikal antiautoritären
Willenshaltung. Die logische Negation gilt Stirner zugleich als ontologische
und axiologische Negation.
In diesem Sinne sagt Stirner zum Beispiel: „Gelangen die Menschen da-
hin, dass sie den Respekt vor dem Eigentum verlieren, so wird jeder Eigen-
157
tum haben, wie alle Sklaven freie Menschen werden, sobald sie den Herrn
als Herrn nicht mehr achten.“492492 Noch deutlicher wird der von Stirner
behauptete Zusammenhang zwischen Bewusstseinsveränderung, prakti-
scher Revolte und praktischer Umwandlung der bestehenden Verhältnisse,
wenn er sagt: „Die Arbeiter haben die ungeheuerste Macht in den Händen,
und wenn sie ihrer einmal recht inne würden und sie gebrauchten, so wi-
derstände ihn nichts: sie dürften nur die Arbeit einstellen und das Gear-
beitet als das ihrige ansehen und genießen.“493493
Die Hauptsache der Emanzipation ist also für Stirner eine Bewusst-
seinsleistung; psychoanalytisch ausgedrückt: Stirner meint sich als Ich zu
verwirklichen und die allgemeinen Ansprüche der Gesellschaft wirklich los
zu sein, sobald er sich mit seinem Über-Ich, in dem sie sich melden, nicht
mehr identifiziert. Daraus ist ersichtlich, weshalb Marx und Engels ihn in
der „Deutschen Ideologie“ vor allem unter dem Gesichtspunkt angreifen
können, er halte wirkliche – z.B. staatliche und soziale – entfremdete Ver-
hältnisse dadurch für auflösbar, dass man sie sich aus dem Kopf schlage,
eine Illusion, der vorausgehe die Verwandlung der wirklichen Verhältnisse
in gedankliche Verhältnisse, d. h. die Idealisierung der realen Verhältnisse
und ihre Verflüchtigung zu Scheinexistenzen. „Unsere ganze Darstellung
hat gezeigt, wie Sankt Sancho alle wirklichen Verhältnisse dadurch kriti-
siert, dass er sie für ,das Heilige‘ erklärt, und sie dadurch bekämpft, dass
er seine heilige Vorsellung von ihnen bekämpft.“494
Während Stirner nur die beiden früheren Abhandlungen von Marx in
den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ kennt495 und auf die „Deutsche
Ideologie“ nicht eingehen kann, da sie zu seinen Lebzeiten nicht veröffent-
licht wird, äußert er sich doch zu Moses Heß’ Schrift „Die letzten Philoso-
phen“ (1845), in der im wesentlichen das gleiche Argument angeführt wird,
und in dieser Weise indirekt zur „Deutschen Ideologie.“
Heß wirft nämlich Stirner die Verwechselung wirklicher Verhältnisse
mit Abstraktionen vor, als deren Konsequenz Stirner schließlich „mit der
transzendenten Humanität auch alle wirkliche Humanität“ zugunsten des
praktischen Egoismus verwerfe.
Heß’ Gedankengang sei etwas ausführlicher zitiert: „Nicht die gegensei-
tige Entfremdung der Menschen, sondern der theoretische Ausdruck die-
ser Entfremdung: Religion und Philosophie – nicht der Krieg aller gegen
158
Diese dialektische Einheit in der freien Tätigkeit des nicht mit sich zer-
fallenen Lebens macht Heß nun auch gegen Stirners einseitigen Egoismus
in seiner Schrift „Die letzten Philosophen“ geltend: „Lieben, schaffen, arbei-
ten, produzieren, ist unmittelbarer Genuss... Wenn ich liebe, um zu genie-
ßen, dann liebe ich nicht nur nicht, dann genieße ich auch nicht.“505
Indem Stirner diese Zusammenhänge in seiner Entgegnung unbestrit-
tene „Trivialitäten“ nennt 506506, verkennt er das Argument gegen seine
Konzeption des Egoismus, das in dem Hinweis auf die Dialektik der Tätig-
keit liegt, demzufolge zum Beispiel seine starre Entgegensetzung von egois-
tischer Tat und politisch-sozialer Tat unmöglich wird.507
Vor allem missversteht Stirner völlig Heß’ prinzipiell gemeintes Argu-
ment, dass er wirkliche in bewusstseinsmäßige Verhältnisse verwandle
und die wirklichen Verhältnisse mit den Abstraktionen von ihnen ver-
wechsele.508
Dieses Argument bekräftigt Stirner gerade dadurch, dass er Heß’ weite-
re Behauptung, er stehe mit seiner Befürwortung des Egoismus auf dem
Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft, damit zurückweist, in der bür-
gerlichen Gesellschaft seien die wirklichen menschlichen Beziehungen
noch von „heiligen“ Vorstellungen vermittelt. Infolgedessen mischt er Fal-
sches und Wahres: „Stirner liegt die bürgerliche Gesellschaft ganz und gar
nicht am Herzen... So etwas konnte Heß nur darum in ihm argwöhnen,
weil er mit Hegelschen Kategorien an ihn trat.“509
161
hier die Liebe des Menschen zum Menschen gleichgültig war, und die
Christen auf theoretischem Gebiet, insofern sie sich ausschließlich auf das
Individuum konzentrierten, dem Individuum die Gattung aufopferten, den
Menschen aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kosmos her-
aus lösten und die Natur subjektiv – in der Einbildungskraft – verzerrten
und egoistisch benutzten.
Die Freiheit können für Feuerbach theoretische Vernunft und prakti-
sche Liebe insofern verwirklichen, als sie nicht exklusiv und partikular,
sondern wesentlich unbeschränkt und universell sind. „Universalität, Un-
beschränktheit und Freiheit sind unzertrennlich.“532 Und insofern Ver-
nunft, Liebe und Freiheit universell sind, haben sie ihren einheitlichen
Grund nicht im isolierten Ich allein, sondern in der Ich-Du-Beziehung, d.
h. dem Ich als Mitmensch oder in der Gemeinschaft der menschlichen
Gattung, die im Du repräsentiert ist. „Die Liebe ist die subjektive Existenz
der Gattung, wie die Vernunft die objektive Existenz der Gattung. “ 533
In dieser Weise werden der Anthropologismus und Humanismus das
Vereinigende von wahrer Theorie und Praxis: nicht die absolute Subjekt-
Objekt-Identität, sondern die „Einheit des Menschen mit dem Menschen“ ist
für Feuerbach als Selbstzweck „das höchste und letzte Prinzip der Philoso-
phie“, worin Theorie und Praxis, „ratio“ und „emotio“, Kopf und Herz wur-
zeln.534
In Feuerbachs Gründung der Theorie und Praxis auf die menschliche
Gattung wird noch eine Seite der Hegelschen Einsicht bewahrt, dass Er-
kennen und Handeln nicht nur Tätigkeiten eines einzelnen isoliert ge-
nommenen Subjekts sind, wenn auch Feuerbach Theorie und Praxis de-
historisiert, d. h. ihnen den Charakter des stufenweise von der Menschheit
vollzogenen Prozesses nimmt und von Hegels Konzeption der Sittlichkeit
als konkreter Totalität fast ganz abstrahiert.
Das letztere wird besonders daraus deutlich, dass Feuerbach sogar vor
der Abkehr von Hegel – die sich prägnant in seiner Zustimmung zu Kants
Kritik des ontologischen Gottesbeweises dokumentiert535 – zwar in theore-
tischer Hinsicht auf dem Hegelschen Standpunkt der Identität von Denken
und Sein steht, in praktischer Hinsicht aber teilweise näher dem Kantisch-
Fichteschen Rigorismus als der Hegelschen Auffassung von der geschicht-
lich-gesellschaftlich bestimmten Praxis. Wie wenig Feuerbach der Hegel-
168
thropologie diese Praxis der Liebe des Menschen zum Menschen – eine a-
theistische Liebesreligion; denn das Ich-Du-Verhältnis bestimmt Feuer-
bach mit diesem praktischen Grundsatz: homo homini deus est.553 Als ei-
nige der Junghegelianer – so Ruge und Engels554 – Feuerbachs Religions-
kritik nicht als Bruch mit der Hegelschen Philosophie, sondern als ihre
Weiterentwicklung und Ergänzung missverstehen, erklärt Feuerbach dezi-
diert in dem Aufsatz „Zur Beurteilung der Schrift: ,Das Wesen des Chris-
tentums’ “: „Meine Religionsphilosophie ist so wenig die Explikation der
Hegelschen..., dass sie vielmehr nur aus der Opposition gegen die Hegel-
sche entstanden ist...“555
Aber für Feuerbach ist nicht nur das ursprüngliche Christentum eine
Entfremdung des menschlichen Wesens, sondern darüber hinaus auch
das moderne Christentum eine Entfremdung des ursprünglichen Christen-
tums. Widerspruch und Krise seiner Zeit beruhen für ihn, wie er in den
Vorreden zum „Wesen des Christentums“ ausführt, hauptsächlich auf dem
Gegensatz von scheinbarer Geltung des Christentums und wirklicher
Herrschaft des Atheismus, d. h. darauf, dass der wahre Geist des Chris-
tentums – bedingt durch Renaissance, Reformation, Aufklärung und Na-
turwissenschaft – aus dem praktischen Leben gewichen sei, dennoch aber
als konventionelle „komfortable“ Weltanschauung eine fixe theoretisch un-
durchschaute Scheinexistenz in den Köpfen der Menschen führe.
Somit ist zwar die Entfremdung als wesentlich religiöse für Feuerbach
primär eine theoretische, d. h. ein inneres Verhältnis, und kann infolge-
dessen durch bewusstseinsmäßige Kritik zurück genommen werden, aber
nach der Marxschen Kritik hieran in der „Deutschen Ideologie“ bleibt allzu
oft unberücksichtigt556, dass für Feuerbach die Entfremdung vollständig
erst, insofern überwunden ist, als zur geistig-kritischen aufklärerischen
Reduktion die Praxis der Liebe hinzu kommt, und zwar sowohl als Emp-
findung wie auch als verändertes Verhalten der Menschen zueinander.
Die Religionskritik ist also für Feuerbach zwar der entscheidende Hebel,
aber sie soll nicht nur dazu führen, dass eine Bewusstseinseinstellung
durch eine andere Bewusstseinseinstellung ersetzt wird, sondern dass eine
praktische Versöhnung der Gegensätze erreicht wird, wie sie ebenfalls der
junge Hegel in seiner Frankfurter Periode (an den Feuerbach nicht an-
knüpfen konnte) von der Liebe erwartet als lebendiger Subjektivität und
173
Selbstbestimmung, die gegen die Hinnahme der toten Positivität des etab-
lierten Faktums und des affirmierten Fatums opponiert. Wie für den jun-
gen Hegel die Liebe das von den tyrannischen Kantischen Moralgeboten
und den herrischen jüdischen Gesetzen Entzweite vereint und versöhnt, so
erlöst für Feuerbach die Liebe von dem Zwiespalt, den das Nichtentspre-
chen gegenüber dem Postulat der moralischen Willensvollkommenheit und
das Sündenbewusstsein hervorbringen: „Die Liebe ist das Band, das Ver-
mittlungsprinzip zwischen dem Vollkommnen und Unvollkommnen, dem
sündlosen und sündhaften Wesen, dem Allgemeinen und Individuellen,
dem Gesetz und dem Herzen, dem Göttlichen und Menschlichen.“557 Inso-
fern Hegels Begriff der Liebe und des „Lebens“ als Vereinheitlichung der
Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Einzelnem und Allgemeinem,
die Keimform seiner reifen Konzeption der konkreten Sittlichkeit ist und
mit Feuerbachs Entwurf der Liebe vergleichbar ist, bestätigt sich noch
einmal, dass Feuerbach eine Seite der Hegelschen Einsicht von dem Cha-
rakter der Gemeinschaftlichkeit der praktischen (und theoretischen) Tätig-
keit bewahrt. Feuerbachs Religionskritik im „Wesen des Christentums“
basiert zur Hauptsache auf einer bestimmten Gegenstands- und Bewusst-
seinstheorie, die noch entfernt ist von einem erkenntnistheoretischen kon-
sequenten Sensualismus und Realismus, und die Feuerbach als unhaltbar
angelastet werden muss, wenn man von seinem eigenen in „Zur Kritik der
Hegelschen Philosophie“ angekündigten Programm des Umkehrverfahrens
ausgeht.
Feuerbachs Gedankengang, der zu der Schlussfolgerung führt, dass der
Mensch sieh selbst in der Religion vergegenständlicht, ist nämlich folgen-
der: der Mensch unterscheidet sich wesentlich vom Tier durch sein Be-
wusstsein; das Bewusstsein ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass
es nicht auf Individuelles, sondern auf die allgemeine und unendliche Gat-
tung des Menschen gerichtet ist, d. h. auf Vernunft, Wille und Gefühl. Das
Bewusstsein ist im wesentlichen Bewusstsein des Unendlichen. Worauf
sich das Bewusstsein bezieht, das ist das Wesen des Bewusstseins; daher:
„Das Bewusstsein des Unendlichen ist nichts andres als das Bewusstsein
von der Unendlichkeit des Bewusstseins.“558 Da nun für Feuerbach die Re-
ligion „das Bewusstsein des Unendlichen“ ist, ist die Religion das Bewusst-
sein des Menschen von sich selbst.
174
Die Theologie, die „Reflexion über die Religion“, die den Glauben und
die Wesensverschiedenheit von Mensch und Gott hervor hebt573, und die
spekulative Philosophie, einschließlich der spekulativen Religionsphiloso-
phie, werden durch Feuerbachs Kritik in der Weise „negiert“, dass sie ver-
worfen werden. Die Religion dagegen, die ursprünglich die Liebe und die
Wesenseinheit von Gott und Mensch beinhaltet, will Feuerbach nicht gänz-
lich preis gegeben wissen; nur ihr „unmenschliches Wesen“ sei zu de-
struieren, ihre „Wahrheit“, ihr „menschliches Wesen“ zu bewahren. So
heißt es in der Vorrede zur zweiten Auflage des „Wesens des Christen-
tums“ (1843): „Allerdings ist meine Schrift negativ, verneinend, aber, wohl-
gemerkt! nur gegen das unmenschliche, nicht gegen das menschliche We-
sen der Religion.“574
Dass Feuerbach die religiöse Entfremdung im Gegensatz zur theologi-
schen Entfremdung nicht im Sinne einer Destruktion zurück genommen
wissen will, sondern ihre Grundlage bewahren möchte, heißt aber nicht,
dass er eine dialektische Beziehung zur Religion im Sinn hat. Feuerbachs
weder dialektisch aufhebendes noch antithetisch verneinendes Verhalten
zur Religion kann man – mit ihm selbst – als „kritische“ Einstellung zur
Religion abgrenzen: „Unser Verhältnis zur Religion ist daher kein nur ver-
neinendes, sondern ein kritisches, wir scheiden nur das Wahre vom Fal-
schen – obgleich allerdings die von der Falschheit ausgeschiedne Wahrheit
immer eine neue, von der alten wesentlich unterschiedne Wahrheit ist.“575
Diese Kritik Feuerbachs ist aber nicht historisch; denn wenn auch Feu-
erbach in seiner Schrift „Zur Kritik der Hegelschen Philosophie“ sagt, seine
Methode sei im Gegensatz zu der Hegelschen eine „genetisch-kritische“, die
den „Ursprungs“ vorstellungsmäßig gegebener Gegenstände untersucht, so
meint er damit nicht eine historisch, sondern eine psychologisch verfah-
rende – zwischen dem „Subjektiven und Objektiven“ unterscheidende –
Kritik.576 Indem für Feuerbach die Kritik an der Religion das Scheiden und
unversöhnliche Durchstreichen einer – der psychologisch begründeten i-
maginären – Seite ist, kritisiert er nicht wie Strauß und Bauer die ge-
schichtliche Entwicklung der Religion577 und will er nicht wie sie die sub-
jektive kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtspro-
zess verbunden wissen. Feuerbach steht also als Kritiker nicht mehr selbst
auf dem Boden eines kritischen Prozesses, das heißt Feuerbachs Kritik ist
179
kein Prinzip der Wirklichkeit mehr, sondern hat nur noch eine methodolo-
gische Funktion; denn die Basis der Feuerbachschen Kritik, die menschli-
che Gattung, erfährt – im Gegensatz zu Strauß’ Konzeption – keine stu-
fenweise Entwicklung in der Geschichte. Auch als Strauß in seiner „Glau-
benslehre“ unter Feuerbachs Einfluss die Hegelsche inhaltliche Gleichset-
zung von Religion und Philosophie aufgibt und den Bruch zwischen Glau-
ben und Wissen vollzieht, behält seine analytische negativ dialektische Kri-
tik insofern eine historische Dimension, als sie an die Stelle der als un-
haltbar aufgelösten Dogmen die Hegelschen dialektischen Spekulationen
setzt. Im übrigen führt Strauß also die Theologie auf die Spekulation zu-
rück, während Feuerbach umgekehrt die Spekulation als Form der Theo-
logie zu enthüllen sucht.
Dialektische Aufhebung hätte Feuerbachs Kritik der Religion nur dann
sein können, wenn für ihn die religiöse Entfremdung eine notwendige posi-
tive Durchgangsstufe in der geschichtlichen Entwicklung wäre und die kri-
tische Negation sich immanent aus dem Positiven entwickelte (also nicht
selbständig von außen als vermittlungsloser Gegensatz hinzu träte), so
dass die Kritik das Wesen der Religion auf höherem Niveau bewahrt hätte,
so wie für Hegel die Entäußerung des Absoluten sich nach ihrer Aufhe-
bung notwendig immer wieder herstellt und das Zusichselbstkommen des
Absoluten ermöglicht (oder wie für Marx die gesellschaftliche Entfremdung
die Produktivkräfte entwickelt und damit die notwendige Voraussetzung
der Aufhebung der Klassengegensätze schafft). Wenn Feuerbach auch ge-
legentlich davon spricht, dass die religiöse „Selbstvergegenständlichung
des Menschen... unwillkürlich, notwendig, so notwendig als die Kunst, als
die Sprache ist“578, so kann er doch nicht angeben, worin der Fortschritt
liegen sollte, der nicht auch ohne diese Selbstvergegenständlichung er-
reichbar wäre. Zur Dialektik gehört, dass der Widerspruch im Wesen des
betreffenden Inhalts liegt. Dementsprechend müsste für Feuerbach die re-
ligiöse Entfremdung zum Wesen des Menschen gehören, wenn Feuerbachs
Kritik der Religion eine dialektische Funktion haben sollte. (Feuerbach
verneint im übrigen in anderen Zusammenhängen ausdrücklich das dia-
lektische – gleichzeitige – Bestehen von Gegensätzen und anerkennt nur
zeitlich aufeinander folgende Gegensätze.579) Infolgedessen kann Feuer-
bach nicht annehmen, dass der bewusstseinsmäßige Akt der Religionskri-
tik mit dialektischer Notwendigkeit zur Realisierung des Wesens der Reli-
180
gion, der Praxis der menschlichen Liebe, führt; er muss diese vielmehr im
Anschluss an die Kritik propagieren und postulieren, indem die kritische
und die praktische Sphäre sich nicht wechselseitig durchdringen, sondern
heterogen einander gegenüber stehen bleiben.
Was die spekulative Philosophie, eine Form der Theologie, betrifft, so
kann sie nach Feuerbachs Auffassung nicht einmal ihrer Grundlage nach
anerkannt werden, muss also gänzlich negiert werden, obgleich ihr Feuer-
bach „die hohe geschichtliche Bedeutung“ konzediert, dass sie ein theore-
tischer Schritt auf dem Weg zur „Verwirklichung und Vermenschlichung“
Gottes sei.580 Nicht erst Hegels, schon Spinozas Pantheismus ist für Feu-
erbach „Verwirklichung Gottes“, insofern die theistische Absonderung Got-
tes verneint wird, das Materielle und Sinnliche zum Attribut Gottes ge-
macht wird; so sei die praktisch vorhandene „materialistische Tendenz der
neuen Zeit“ auch theoretisch legitimiert worden: „... nur, wo die Theorie
nicht die Praxis, die Praxis nicht die Theorie verleugnet, ist Charakter,
Wahrheit und Religion.“581
Das zum Anthropologismus und Sensualismus führende Umkehrver-
fahren ist also keine dialektische Weiterentwicklung, sondern ein antithe-
tisches Umstürzen des Verhältnisses von Denken und Sein. Um die Um-
kehrung von Denken und Sein vornehmen zu können, musste Feuerbach
vorher ihre dialektische Verbindung in Hegels Spekulation zerstören, d. h.
er musste bestreiten, dass Hegel Denken und Sein wahrhaft vereint habe.
Die Voraussetzung des Umkehrverfahrens ist also, dass Feuerbach Den-
ken und Sein, Subjekt und Prädikat, sich abstrakt einander gegenüber-
stehen lässt und nicht anerkennt, dass – wie Hegel zum Beispiel in der
Vorrede zur „Phänomenologie“ ausführt – die Prädikate im Subjekt dialek-
tisch untergehen; d. h. Hegels Synthese wird zur These herab gesetzt, und
ihr wird die Antithese unvermittelt entgegen gesetzt; denn Hegels Synthe-
se von Denken und Sein vollzieht sich für Feuerbach nur einseitig im Den-
ken, und diesem wird das auf sich gegründete Sein opponiert.
Entsprechend ist speziell die Einheit des Bewusstseins des Menschen
und des Selbstbewusstseins Gottes in der spekulativen Religionsphiloso-
phie für Feuerbach in Wahrheit nur eine Synthese innerhalb des Denkens,
dem er die Sphäre des Gefühls entgegen hält.
181
aber in uns, wir befinden uns stets in einem Bruch, einen Zwiespalt zwi-
schen dem Leben und der Philosophie, der Praxis und der Theorie, wir ha-
ben ein anderes, (abstraktes), Wesen im Kopfe als im Herzen... wir sind bei
jedem Schritte im Leben außer der Philosophie, bei jedem Gedanken der
Philosophie außer dem Leben... Nur wenn das Wesen unseres Lebens auch
das Wesen unseres Denkens, das wesentliche Objekt der Praxis auch das
wesentliche, das absolute Objekt der Theorie ist, bekommen wir wahre
Einheit zwischen Sinn und Denken, zwischen Philosophie und Leben.“592
Die neue Philosophie als „Bedürfnis der Zukunft“ in Verbindung mit der
Politik kann für Feuerbach auch deshalb an die Stelle der christlichen Re-
ligion treten – die sich „vermengt hat mit den Hemnissen des wesentlichen
Triebes der jetzigen Menschheit, der politischen Freiheit“, und die „den
Menschen um die politische Energie“ bringt –, weil in der christlichen Reli-
gion die Realisierung eines wahren politischen Gemeinwesens vorstel-
lungsmäßig antizipiert worden sei, und zwar in der Weise der Gleichheit
aller Menschen vor Gott ohne Ansehung der Geburt, des Standes und der
Nation.593 Dementsprechend ist für Feuerbach der politisch verwirklichte
Abbau der Hierarchie dir Republik, was er in den nachgelassenen Apho-
rismen formelhaft so ausdrückt: „Die Auflösung der Theologie in die Anth-
ropologie auf dem Gebiete des Denkens ist auf dem Gebiete der Praxis, des
Lebens, die Auflösung der Monarchie in die Republik.“594
Dass der Staat, in dem der Mensch nicht „dem Zufall der Naturmacht“
preisgegeben ist, in der Form der Republik die Verwirklichung und zu-
gleich „die praktische Widerlegung“ der Religion ist, ist eine etwas nähere
Bestimmung der in den „Thesen“ veröffentlichten abstrakt allgemeinen
Behauptung, der Staat sei „die realisierte, ausgebildete, explizierte Totali-
tät des menschlichen Wesens“, in dem „die wesentlichen Qualitäten oder
Tätigkeiten des Menschen in besonderen Ständen verwirklicht, aber in der
Person des Staatsoberhauptes wieder zur Identität zurückgeführt“ seien.595
Der Grad der Abstraktheit der Feuerbachschen Konzeption der politischen
Praxis in den „Thesen“ kommt auch darin zum Ausdruck, dass er zwar
ähnlich wie Hegel, Heine, Cieszkowski, Heß und Ruge die Verbindung von
Praxis und Theorie in Gestalt einer gallo-germanischen Allianz fordert, a-
ber mit ihr doch nur allgemein die Vereinigung von Herz und Kopf, Leiden-
schaft und Geist meint.596 Infolgedessen ist es verständlich, wenn Marx
über die „Thesen“ an Ruge schreibt: „Feuerbachs Aphorismen sind mir nur
184
in dem Punkt nicht recht, dass er zu sehr auf die Natur und zu wenig auf
die Politik hinweist“; worauf Ruge antwortet: „Über Feuerbachs Naturein-
seitigkeit stimm ich ihnen bei. Er hat aber außerdem sehr viel politischen
Sinn, nur meint er, sei in Deutschland dem Ding nicht anders als von der
Theologie aus beizukommen.“597
Feuerbachs Schwäche ist, dass er im wesentlichen dabei bleibt, die
Theologie sei „für Deutschland das einzige praktische und erfolgreiche Ve-
hikel der Politik, wenigstens zunächst.“598 In dem Bewusstsein, dass sein
anthropologisches Prinzip für die politische Praxis allein nicht hinreichend
ist und er keine allseitig fundierte in die Praxis übersetzbare politische
Theorie entwickelt hat, schreibt Feuerbach im Zusammenhang mit dem
Projekt der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“, für das ihn Marx und
Ruge – unter Berufung auf die von ihm selbst verkündigte gallo-
germanische Allianz – zu gewinnen suchen: „Ich habe nichts gegen die Idee
an sich – im Gegenteil... aber vom praktischen Gesichtspunkt aus hält sie,
namentlich jetzt, nicht stich und stand. Diese Assoziation ist auffallend,
und schon dadurch verfehlt sie ihren Zweck; denn der letzte Zweck ist zu-
nächst doch immer nur, sich Luft zu machen... Haben wir nur erst Luft,
der Wind stellt sich schon mit der Zeit ein; er entsteht unter Bedingungen,
die nicht in unserer Gewalt sind... Deutschland kann nur durch Gift ku-
riert werden – nicht durch Feuer und Schwert. Wir sind noch nicht auf
dem Übergang von der Theorie zur Praxis, denn es fehlt uns noch die The-
orie, wenigstens in ausgebildeter und allseitig durchgeführter Gestalt.“599
Wie sich zeigte, muss es für Feuerbach gerade wegen seines Anthropo-
logismus und ungeschichtlichen Sensualismus unmöglich bleiben, einen
exakten Begriff der Kritik der Politik und Gesellschaft zu gewinnen, der auf
der Differenz von Wirklichem und Möglichem, Realem und Rationalem zu
basieren hätte; und das Fehlen dieses Begriffes der Kritik kann nicht adä-
quat ersetzt werden durch die Vorstellung eines in der Religion antizipier-
ten auf der Gleichheit aller Menschen gegründeten politischen Gemeinwe-
sens. Aber eines, was die Junghegelianer (im engeren Sinne) von der Kritik
annehmen, denkt auch Feuerbach von der politischen Theorie, nämlich
dass die praktische Neugestaltung oder Therapie zwangsläufig auf die
wahre Einsicht oder Diagnose folgen müsse und die Tatlosigkeit wesentlich
in der Ratlosigkeit wurzele (so dass, wie sich folgern lässt, in der politisch-
185
lodie... nicht behagte“, so gründet dieses hier noch nicht darin, dass er ihr
Prinzip, die Gleichsetzung von Idee und Wirklichkeit, als unzulänglich be-
stimmt hätte; das heißt: für Marx ist hier die Gegenständlichkeit durchaus
noch im idealistischen Sinne die Entäußerung oder das andere des Geis-
tes. Auch nimmt Marx noch nicht ausdrücklich Anstoß an dem Widerstreit
zwischen dem System und der Methode in der Hegelschen Philosophie,
den im folgenden Jahr Cieszkowski als die Unterordnung der Dynamik des
dialektischen Prozesses unter die Statik des endgültigen Abschlusses der
Geschichte und als Versöhnung von Theorie und Praxis vermittels der
Verabsolutierung der Gegenwart kennzeichnet, ohne aber seinerseits dar-
auf zu verzichten, an dem Vorrang des Systems vor der Methode festzuhal-
ten und die die Totalität umschließende Synthese nur um eine zukünftige
Stufe höher hinaus zu verschieben.
Wenn aber Marx in den Anmerkungen zu seiner Dissertation über die
„Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ (1841)
in der „Unzulänglichkeit oder unzulänglichen Fassung seines Prinzips“ den
Grund für Hegels versöhnende Akkommodation sieht602 (und nicht in der
von Bauer und Ruge behaupteten inkonsequenten äußerlichen Anpassung
und Apologetik oder in der von Heine unterstellten exoterischen Irrefüh-
rung), so zielt er damit auf die absolute Einheit von Vernunft und Wirk-
lichkeit oder von Subjektivität und Objektivität, auf Hegels absoluten Idea-
lismus, dessen Anspruch auf Vollendung im Wissen des absoluten Geistes
prinzipiell voraussetzt die praktisch-geschichtliche Verwirklichung des
Geistes, d. h. die Vollendung der geschichtlichen Praxis, die als solche in
ihrem gegenwärtigen vorgegebenen Bestand zu begreifen, in Form zu brin-
gen ist, und der sich also der Begreifende in diesem Sinne zu akkomodie-
ren hat. Mit der Abkehr von der Hegelschen Konzeption der absoluten
Subjekt-Objekt-Einheit, die zwar wie die aristotelische Theoria auf das E-
wige und Absolute ausgerichtet ist, aber im Gegensatz zu ihr mit diesem
zugleich das Zeitliche, Relative und Praktische dialektisch verknüpft, ver-
liert Marx auch die Möglichkeit der Rücknahme der Entäußerungen des
absoluten schöpferischen Subjekts auf dem Wege der spekulativen Theo-
rie. Marx bleibt jedoch in seiner Dissertation auf dem Boden der Dialektik
des objektiven Geistes (nachdem die Umkehrung des Verhältnisses von
Denken und Sein von Feuerbach schon im Jahre 1839 vorgenommen wor-
den ist). Die Weltgeschichte ist für Marx in diesem Stadium seiner Ent-
188
abstrakte Einzelheit ist die Freiheit vom Dasein, nicht die Freiheit im Da-
sein. Sie vermag nicht im Licht des Daseins zu leuchten.“ Marx bemängelt
infolgedessen Epikurs Begriff der Freiheit als Ataraxie, als „Ausbeugen vor
dem Schmerz und der Verwirrung“, dem Epikurs Bestimmung der Dekli-
nation des Atoms von der geraden Linie sowie seine Auffassung vom Des-
interesse der intermundanen Götter an der Welt entspreche, wozu das an-
dere falsche Extrem Demokrits deterministisch-undialektische Bestim-
mung der Notwendigkeit sei.605
Unverkennbar sucht Marx sich also anzuschließen an Hegels Konzepti-
on der konkreten Sittlichkeit: frei, allgemein und unendlich ist nach ihr
der beschränkte, natürliche und endliche Wille nur formal oder seinem
Begriffe nach, das heißt insofern, als er die Möglichkeit hat, durch seinen
Entschluss von jedem bestimmten Inhalt ins Unendliche fort zu abstrahie-
ren und in dieser einseitigen Weise als einfache Reflexion in sich und Ne-
gation des Realen unmittelbar bei sich zu sein, während dagegen die
wahrhafte Autonomie und Sittlichkeit erst in der Einheit des allgemeinen
Gesetzes und des bestimmten Inhalts möglich ist.
Marx’ in der Dissertation entwickelte Auffassung von der Praxis der
theoretischen Kritik stimmt mit der kritischen Philosophie der idealisti-
schen Junghegelianer in folgendem überein: erstens in der Beziehung der
subjektiven Kritik auf die als Geistesprozess verstandene objektive Ge-
schichte (mit ihren latenten und akuten Krisen), wodurch die Kritik als
Selbstzweck verneint wird und in den Dienst der geschichtlichen Selbst-
verwirklichung, des Prozesses der Freiheit, gestellt wird (und sich nicht auf
die Vergangenheit des Menschen bezieht, sofern diese keine gegenwärtige
und zukünftige Dimension mehr hat); somit zweitens in der Strukturie-
rung der Kritik, nämlich in der vermittelnden Zuordnung der – im Ge-
schichtsprozess enthaltenen – spannungsvollen Zweiheit von Vernunft und
Realität, Begriff und Existenz, Möglichkeit und Wirklichkeit; drittens in der
hiermit implizierten Ablehnung, Theorie und Praxis – wie Aristoteles – als
ein Verhältnis zweier wesentlich verschiedener Prinzipien zu fassen606 und
in der Fortführung der Hegelschen Bestimmung des Vorranges innerhalb
des dialektischen Verhältnisses von Theorie und Praxis, Geist und Willen,
Innen und Außen, demgemäß der – von der Kritik aktivierte, mobilisierte
und formierte – Wille nicht das Ursprüngliche und Selbständige, sondern
190
das andere, die Entäußerung oder Objektivation des Geistes, des allgemei-
nen Möglichen oder An sich, ist; viertens in der Annahme, dass die Prakti-
zierung vernünftiger Verhältnisse hauptsächlich verhindert wird durch ein
falsches Bewusstsein, d. h. durch das Unaufgeklärtbleiben über Vernunft
und Unvernunft (nicht durch Interessen- und Machtkonstellationen sowie
Leidenschaften und Bedürfnisse); fünftens in der Auffassung, dass die phi-
losophische Theorie, an die die Kritik beim Geltendmachen und Inswerk-
setzen der Vernunft anknüpft, trotz ihres Ausgerichtetseins auf praktische
Effektuierung im wesentlichen für sich selbst besteht und souverän ist
und nicht in der geschichtlichen Praxis ihre Grundlage hat. In dieser Hin-
sicht stehen die Junghegelianer im übrigen nicht in Opposition zu Eduard
Zeller, wie dieser selbst annimmt, indem er zwar die praktische Bedeutung
der Philosophie, ihre „Verbindung mit dem Leben“ (als „Bestimmen der ge-
gebenen Stoffe und Verhältnisse durch den Gedanken“) anerkennt, aber
schließlich an ihrer Autonomie prinzipiell festhält: „... die rechte Praxis der
Philosophie setzt voraus, dass erst die Selbständigkeit der Theorie gegen
unbefugte Ansprüche und Anforderungen gewahrt werde“, ohne dass er
mit diesen etwa nur korrumpierende willkürliche Einflussnahmen der All-
tagspraxis oder rechtfertigende Anpassungen der Theorie an Taktiken des
Machtstrebens meint.607
Aber Marx unterscheidet sich von der kritischen Philosophie der idealis-
tischen Junghegelianer schon in seiner Dissertation dadurch, dass er – als
Resultat der Kritik – die Verwirklichung der Philosophie und ihre Versöh-
nung mit den Erscheinungen der Welt in der Weise der Aufhebung der für
sich bestehenden Philosophie erwartet: „Die innere Selbstgenügsamkeit
und Abrundung ist gebrochen. Was innerliches Licht war, wird zur verzeh-
renden Flamme, die sich nach außen wendet. So ergibt sich die Konse-
quenz, dass das Philosophisch-Werden der Welt zugleich ein Weltlich-
Werden der Philosophie, dass ihre Verwirklichung zugleich ihr Verlust...
ist...“608
Mit diesem Gedanken, den er im Laufe seiner Entwicklung weiter kon-
kretisiert, musste Marx später am schroffsten in Gegensatz geraten zu
Bauers Rückgang in die Subjektivität und unversöhnlichen Ablösung von
den bestehenden Voraussetzungen. Aber auch von Feuerbachs Entwurf
einer „Mensch gewordenen Philosophie“ unterscheidet sich Marx hier im
191
will, so ist sie Polemik und Parteisache.“610 Gerade dieses wird die Konse-
quenz der Hegelschen Philosophie, nachdem ihr Anspruch auf das speku-
lative Erfassen des versöhnenden absoluten Ganzen von den Junghegelia-
nern fallengelassen und nur die objektive Vernunft der Entwicklung in Ge-
gensätzen festgehalten worden ist (und nur Bauer den Rückzug in eine
welt- und substanzlose Überparteilichkeit und Desintegration erstrebt
hat).
Diese Art von Kritik praktiziert Marx im folgenden. Ihr – nicht nur der
vollständigen und allseitigen Information – den von der Pressezensur un-
gehinderten Ausdruck zu verschaffen besonders innerhalb der politischen
Auseinandersetzungen, in denen er auf selten der Liberalen und danach
der Radikaldemokraten steht, gelten Marx’ „Bemerkungen über die neues-
te preußische Zensurinstruktion“ (Ende Januar 1842) und der erste Arti-
kel über „Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags“, (im Mai 1842
veröffentlicht in der „Rheinischen Zeitung“). Überdies konkretisiert er diese
Kritik (die Vermittlung zwischen Wesen und Existenz), indem er die Idee
der Freiheit in Gestalt der Pressefreiheit vergleicht mit den bestehenden
Zensurzuständen und in dieser bestimmten Weise „das Maß des Wesens
der inneren Idee an die Existenz der Dinge“ legt.611
Wie sehr Marx in diesem Zusammenhang bestrebt ist, Theorie und Pra-
xis zu vereinen, geht indirekt aus dem hervor, was er dem Stand der Ritter
hinsichtlich dessen Äußerungen zur Pressefreiheit vorhält: er könne – da
seine wirkliche Stellung obsolet und seine Bestrebungen irrational gewor-
den seien – seinen praktischen Forderungen nur durch theoretische Illusi-
onen Ausdruck verschaffen: „Weil ferner die wirkliche Stellung dieser Her-
ren im modernen Staate keineswegs dem Begriff entspricht, den sie von
ihrer Stellung haben, weil sie in einer Welt leben, die jenseits der wirkli-
chen liegt..., so greifen sie, in der Praxis unbefriedigt, notwendig zur Theo-
rie, aber nur zur Theorie des Jenseits, zur Religion, die jedoch in ihren
Händen eine polemische, von politischen Tendenzen geschwängerte Bitter-
keit empfängt und mehr oder weniger bewusst nur der Heiligenmantel für
sehr weltliche, aber zugleich sehr phantastische Wünsche wird.“612
Marx stimmt hier sogar schon dem Repräsentanten des Bauernstandes
zu, der die Notwendigkeit für gesetzliche Bestimmungen der Pressefreiheit
aus neuentstandenen geschichtlichen Interessen und Bedürfnissen ablei-
193
tet.613 Dass diese Perspektive durchaus vereinbar ist mit der noch vertre-
tenen idealistischen Auffassung von Gesetz und Staat als Daseinsweisen
des Volksgeistes und als Wirklichkeit der Freiheit, zeigt sich auch an den
vergleichbaren Schriften Hegels: „Über die neuesten inneren Verhältnisse
Württembergs“, „Die Verfassung Deutschlands“ (die damals beide nicht
veröffentlicht waren) und „Verhandlungen in der Versammlung der Land-
stände des Königreichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816“, in denen
Hegel Veränderungen unhaltbar gewordener überlebter Zustände am Maß-
stab des Begriffs fordert.
Unkritisch und positivistisch, d. h. stecken geblieben in gegebenen Tat-
sachen als maßgebender Instanz, und in dieser ponierend-stabilisierenden
Weise „materialistisch“ muss nach Marx’ Urteil die historische Rechts-
schule Gustav Hugos und Friedrich Karl von Savignys verfahren, insofern
sie sich gegen die Vernunft skeptisch verhält und nicht von der Spannung
– der „geeinten Zwienatur“ – von Vernunft und Wirklichkeit ausgeht (womit
sie als verdinglichtes Bewusstsein eine Wahrheit des Idealismus ver-
wirft).614 In der Tat verliert hiermit die historische Rechtsschule – ähnlich
wie die Publizistik Justus Mörsers – die Möglichkeit, über bloß hinneh-
mendes „inventarisierendes“ Protokollieren, Deskribieren und Reproduzie-
ren hinaus das scheinbar unmittelbar Gegebene, Dinghafte, Positive und
Selbständige, das der Selbstbestimmung des Subjekts entgegensteht,
durch die Anstrengung der „Kritik“, des Unterscheidens – „krinein“ – oder
Aufschließens und Auseinanderspaltens – discutio“ – zu entautorisieren,
die „quaestio facti“ und „quaestio iuris“ einander gegenüber zustellen und
sich als immanente Kritik an den inneren Widersprüchen der geschichtli-
chen Entwicklung des manifest-tatsächlich Gewordenen zu orientieren.
Marx hätte sich mit Recht auch auf Friedlich von Gentz, den Übersetzer
von Burkes „Reflections on the revolution in France“ und Vertrauten Met-
ternichs, beziehen können, der den „Vorrang der positiven Wissenschaften
über die philosophischen und kritischen“ genau als ein Mittel erkannt hat,
die „intellektuelle Subordination“ zu erhalten. – Wenn im übrigen Marx
und Engels gegen die historische Rechtsschule geltend machen, dass das
Recht nicht nur unbewusster „organischer“ Ausdruck des Volksgeistes,
sondern auch bewusste zwecktätige Hervorbringung ist, so entspricht dem
Bauers Stellungnahme gegen Strauß’ Erklärung des Ursprungs der Evan-
gelien, indem Bauer diese nicht aus dem substantiellen urchristlichen
194
lassen. Die die „Phrase“ meidende sachliche undogmatische Kritik, für die
Marx plädiert, entwickelt die Theorie konkret, d. h. an den aktuellen Zeit-
erscheinungen, und verbindet so Theorie und Praxis: „Die wahre Theorie
muss innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen
klargemacht und entwickelt werden.“617 Da die Zeiterscheinungen nicht
mehr als Entäußerungen des absoluten Geistes begriffen werden und das
Wahre weder mit dem reinen unbedingten Transzendentalsubjekt noch mit
dem äußeren Anwesenden und Bleibenden gleichgesetzt wird, entfällt mit
dieser methodischen Ausrichtung zugleich die Möglichkeit, die philosophi-
sche Theorie in einem fertigen lehrbaren System – in der Weise einer ein-
zelnen Wissenschaft oder einer Ontologie und eines Strukturaslismus – zu
verselbständigen oder zu einer geschlossenen Weltanschauung zu ma-
chen.618 Infolgedessen befände sich auf dem Boden der Marxschen Theo-
rie, wer diese weder „dogmatisch“ rezipiert, indem er sie in Form von er-
starrten theoretischen Thesen von der wirklichen veränderlichen Praxis
absperrt, noch ihre dialektische Methode „revisionistisch,“ wie prototy-
pisch Eduard Bernstein, verwirft.
Eingehendes gründliches Studium verlangt Marx – gegenüber der
„Augsburger Allgemeinen Zeitung“ – auch hinsichtlich der Frage des
Kommunismus, von dem er in Gegensatz zu seiner späteren materialisti-
schen Auffassung praktische Gefahr für die bestehenden Verhältnisse erst
dann erwartet, wenn er theoretisch ausgearbeitet, begrifflich durchdrun-
gen sein wird: „Wir haben die feste Überzeugung, dass nicht der praktische
Versuch, sondern die theoretische Ausführung der kommunistischen I-
deen die eigentliche Gefahr bildet, denn auf praktische Versuche... kann
man durch Kanonen antworten, sobald sie gefährlich werden, aber Ideen,
die unsere Intelligenz besiegt, die unsere Gesinnung erobert, an die der
Verstand unser Gewissen geschmiedet hat, das sind Ketten, denen man
sich nicht entreißt, ohne sein Herz zu zerreißen...“619 Diese Reihenfolge
von Gedanke und Tat hat Heine als den Vorzug methodischer Gründlich-
keit der deutschen Philosophie gekennzeichnet, von dem er die Überlegen-
heit der Praxis erwartet hat.
Ein weiteres Charakteristikum der Marxschen Kritik ist, dass sie den
einzelnen Gegenstand im Zusammenhang zu betrachten sich bemüht mit
dem Allgemeinen, dem relativen Ganzen, d. h. mit den wesentlichen Er-
196
allerdings im Zustand der Unfreiheit – bestanden habe, sei erst Sache der
zukünftigen „wahren Demokratie“.624 Tätiges, vorantreibendes und selbst-
bestimmendes Subjekt ist für Marx nicht die absolute Idee, sondern der
Mensch in Familie, bürgerlicher Gesellschaft und Staat. Aus der unter
dem Einfluss von Feuerbachs Umkehrung der Priorität von Denken und
Sein vollzogenen allgemeinen Umkehrung des Subjektiven und Objektiven
im Hegelsehen Sinne ergibt sich, dass der Mensch zu dem Träger wird, der
mit seiner Tätigkeit die objektive Freiheit verwirklicht: „Die subjektive Frei-
heit erscheint bei Hegel als formelle Freiheit..., eben weil er die objektive
Freiheit nicht als Verwirklichung, als Betätigung der subjektiven hinge-
stellt hat. Weil er dem präsumtiven oder wirklichen Inhalt der Freiheit ei-
nen mystischen Träger gegeben hat, so bekommt das wirkliche Subjekt der
Freiheit eine formelle Bedeutung.“625 Wenn Marx an Hegel grundsätzlich
bemängelt, er habe geschichtlich veränderbare Verhältnisse zu logischen
Bestimmungen verabsolutiert und gleichsam irrmobilisiert (worauf unter
anderem auch Nietzsche in der „Götzendämmerung“ mit der Rede von den
„Begriffs-Mumien“ des „Ägypticismus“ zielt626), er habe die „Logik der Sa-
che“ in die „Sache der Logik“ transfiguriert und bestehende empirische E-
xistenzen unkritischerweise als Verwirklichung der Vernunft betrachtet627,
so schließt er sich hiermit Ruges Vorwurf gegen Hegels logische Reduktion
der bestehenden Staatsverfassung, der erblichen Monarchie, der Majorate
und des Zweikammersystems an und argumentiert auf der Linie, die zu-
erst Strauß gezeichnet hat, indem er sich gegen die Zurückführung der
biblischen Geschichte und der kirchlichen Dogmengeschichte auf spekula-
tive Begriffe gewandt hat. In der Konsequenz dieses Ausspielens des Phä-
nomenologischen gegen das Logische fordert Marx, das Denken aus dem
Gegenstand zu entwickeln und in dieser Weise kritisch bestehende Wider-
sprüche in Gesellschaft und Staat aufzudecken und ihre eigentümliche
Genesis zu erklären628 (womit die Kritik letzten Endes anstrebt, die Kon-
flikte zwischen dem Individuum und den allgemeinen Lebensverhältnissen
in friedliche Konvergenz zu verwandeln).
Unmittelbar vor dem Übergang zum historischen Materialismus kom-
men die wesentlichen Momente von Marx’ Konzeption der Praxis der theo-
retischen Kritik noch einmal zusammengedrängt in seinen drei Beiträgen
des Briefwechsels von l843 in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“
zum Ausdruck, worin er zum Zweck der Emanzipation des Menschen die
199
„Reform des Bewusstseins“ – noch als ihr Fundament baut, nämlich die
Erwartung, dass „die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von
der sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besit-
zen.“632 Im folgenden wird für Marx nicht das kritische Aufdecken der Per-
spektiven, das Erheben der objektiven Möglichkeiten ins Bewusstsein, der
Angelpunkt, sondern ihre praktisch-sinnliche Realisierung, wobei ihn der
Grundsatz leitet, dass Ideen als solche keine wirklichen Veränderungen
bewerkstelligen können.
(2) In dem ersten der beiden Artikel in den „Deutsch Französischen
Jahrbüchern“, betitelt „Zur Judenfrage“, kritisiert Marx den Gegensatz von
politischem Staat und bürgerlicher Gesellschaft unter einem theoreti-
scheng Gesichtspunkt, und zwar im Gegensatz zu Bauer nicht unter dem
Gesichtspunkt der politischen, sondern der menschlichen Emanzipation.
Erst in dem zweiten Artikel „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie.
Einleitung“ bezeichnet Marx das Subjekt, von dem er die praktische Ver-
wirklichung der menschlichen Emanzipation erwartet: das Proletariat.
Die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staats,
des Bürgers und des Staatsbürgers, des Bourgeois und des Citoyen, ist für
Marx die Trennung des praktischen, materiellen Lebens mit seinen priva-
ten Interessen und des theoretischen, spirituellen Lebens, des „Gattungs-
lebens“, mit seinen allgemeinen öffentlichen Interessen.633 Wie Marx aber
in der Einleitung „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ bemän-
gelt, befinde sich das rückständige Deutschland noch nicht einmal auf
diesem geschichtlichen Niveau der Trennung von Theorie und Praxis, so
dass hier die „Kritik der Erde“, die die hauptsächlich von Feuerbach been-
digte „Kritik des Himmels“ voraussetze, nicht direkt an die wirkliche Politik
anzuknüpfen habe, sondern an die philosophische Theorie, vor allem die
Hegelsche Philosophie, die allein – wenn auch nur als ideales antizipieren-
des Spiegelbild – auf der Höhe der französischen und englischen Zustände
stehe, über die somit die Kritik an der deutschen Philosophie hinaus wei-
se.634 Dass in der Hegelschen Rechtsphilosophie die nachrevolutionäre
Wirklichkeit gedankliche Gestalt bekommen habe, trifft jedoch nur in sehr
einzuschränkender Weise zu; in ihr überwiegt vielmehr die Versöhnung
mit der halb-feudalen Ordnung Preußens.
201
Entgegensetzung von Theorie und Praxis und die Loslösung des kritischen
Gedankens von der gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit zu ver-
meiden und damit im Grunde zugleich die Dialektik von Freiheit und Not-
wendigkeit, Tat und Schicksal, Wollen und müssen, Teleologie und Kausa-
lität zu konkretisieren und sowohl dem Voluntarismus als auch dem De-
terminismus in der Geschichtsauffassung zu entgehen (über deren Ausle-
gung im einzelnen eine Kontroverse entsteht zwischen Lenin und R. Lu-
xemburg, und zwar hinsichtlich der Bestimmung der Aufgabe einer akti-
ven proletarischen Organisation im Verhältnis zu den „Massen“ und der
„revolutionären Situation“). Praxis und Theorie, Sein und Sollen, Ideal und
Wirklichkeit sind also für Marx vermittelt durch die – sich im Geschichts-
prozess schon nach Hegels Erkenntnis unendlich differenzierenden, mul-
tiplizierenden, komplizierenden und spezialisierenden – praktischen Be-
dürfnisse und Interessen, indem die Theorie an sie anknüpft und deren
immanente Dialektik bewusst macht: „... man muss diese versteinerten
Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene
Melodie vorsingt.“638 Dass aber die Bedürfnisse und Interessen, die immer
auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung zu fassen sind, verdeckt oder
bis zur Unkenntlichkeit deformiert sein können, bleibt hier außer Be-
tracht.
Insofern Marx die Verwirklichung der Gedanken von der Verwirklichung
praktischer Bedürfnisse abhängig macht, steht er ebenso in Gegensatz zu
Aristoteles, für den die Ziele der Praxis primär Bewusstseinsziele sind, wie
zu Hegel, für den die natürlichen Bedürfnisse auch nicht ursprünglich
sind, sondern Entäußerungen der Vernunft, „Beispiele vom Zweck“.639 In-
dem Marx nicht wie Hegel den Willen als das andere des Geistes bestimmt,
gelten ihm (1) letztlich auch nicht geistige Zwecke als Quellen, die die
praktische Tätigkeit mobilisieren und determinieren, (2) ist für ihn die
Selbständigkeit der natürlichen Bedürfnisse nicht mehr nur der Schein
auf dem Standpunkt der Endlichkeit des subjektiven Geistes, (3) liegt für
ihn dem unmittelbar gegebenen Interesse nicht mehr das sich immanent
durchhaltende Wesen des Menschen zugrunde und hat (4) für ihn der
Mensch auf diesem Standpunkt in seiner Tätigkeit, wenn auch ihm selbst
verborgen, nicht mehr als Inhalt und Interesse den Geist selbst, der sich in
der Selbsterkenntnis des Menschen vermittels der Praxis formiert.
203
Vermenschlichung der Sinne auch die Entfaltung des Denkens, der Spra-
che, des Willens und der Liebe. Dies impliziert, dass Marx im Gegensatz
zur philosophischen Tradition das Erkennen nicht anheben lässt mit dem
Staunen und der Wissbegierde, sondern mit der in praktischen Bedürfnis-
sen wurzelnden Naturaneignung.
Marx verabsolutiert – nach der Preisgabe der absoluten Subjekt-Objekt-
Einheit – die geschichtliche Entwicklung nicht nur der Erscheinungen,
sondern auch des Wesens selbst, die zwar schon Hegel im Gegensatz zur
traditionellen Wesensmetaphysik innerhalb des Kreises des Objektivie-
rungsprozesses des absoluten Geistes konzipierte, aber gleichsam auf der
Spitze des Systems noch abbrach. „Weder die Natur – objektiv – noch die
Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adäquat vorhan-
den.“668 Indem also der Mensch die Natur bearbeitet und umformt, die ge-
genständliche Welt mit seinen Kräften durchdringt, d. h. sich in der Form
des Gegenstandes objektiviert und den zunächst fremden inadäquaten Ge-
genstand der Natur subjektiviert oder vermenschlicht, verwandelt er sich
selbst und bringt nach Marx’ Konzeption nicht nur nützliche Waren, son-
dern sich selbst im Laufe der Geschichte hervor. Eine Negation der Unmit-
telbarkeit sowohl des Objekts wie des Subjekts ist also die Tätigkeit der
Naturaneignung als praktische Realisierung subjektiver Zwecke und „We-
senskräfte“ und Herstellung der relativen Einheit von Subjekt und Objekt;
denn der Zweck wird aus seiner Innerlichkeit heraus gesetzt, und das Ob-
jekt wird vom Zweck durchdrungen und ihm adäquat formiert. Wie Hegel
erkannt hat, ist der Syllogismus die Form dieser Praxis: durch das Arbeits-
instrument (B) schließt sich der Mensch (C) mit den Gegenständen (A) zu-
sammen und in ihnen auch insofern mit sich selbst, als er sich darin ob-
jektiviert. Marx lehnt somit auch alle die Theorien ab, die das soziale Mi-
lieu (oder die biologische Vererbung) als bestimmenden unveränderlichen
objektiven Faktor beschreiben, der der aktiven Einwirkung des Subjekts
schicksalhaft-fatalistisch entzogen bleibt.
Wenn K. Löwith hinsichtlich der Marxschen historisch-
materialistischen Kritik an der Auffassung der Welt als Objekt passiver
Betrachtung von einer Verkehrung des Verhältnisses von natürlicher Welt
und Menschenwelt, „mundus rerum“ und „mundus hominum“, spricht, da
der „übermenschliche physische Kosmos... in Vergessenheit“ gerate669, so
213
Allerdings gründet dieser Gegensatz nicht darin, dass für Marx das
menschliche Dasein seine wesentliche Erfüllung und Vollendung fände im
Dienste der Befriedigung der natürlichen in der organischen Konstitution
wurzelnden Bedürfnisse vermittels der Arbeit, also in der ökonomischen
Sphäre. Wie sich die Hegelsche Konzeption der Praxis nicht auf die Kon-
zeption der Praxis als Begierde, d. h. als Naturaneignung, sowie als Her-
stellung eines Werkes und als Herrschaft reduzieren lässt, sondern die
Praxis als konkrete Sittlichkeit in der Sphäre des objektiven Geistes (und
somit das politische Handeln im durchaus nicht technisch-instrumental
verfügenden Sinne) mitumfasst, so gelangt auch für Marx der Mensch zur
vollen Entfaltung erst im „Reich der Freiheit“ „jenseits der Sphäre der ei-
gentlichen materiellen Produktion.“676 Aber im Gegensatz zur philosophi-
schen Tradition bis zu Hegel bleibt dieses Reich für Marx erstens mit der
materiellen Produktion als seiner Basis verbunden (ohne seine Freiheit in-
nerhalb der Zwänge der Arbeitsteilung zu errichten); und zweitens domi-
niert in diesem Reich die Selbstverwirklichung in Gestalt der Praxis; drit-
tens schließlich bleibt in diesem „Reich der Freiheit“ für Marx wie für Feu-
erbach der Mensch „das höchste Wesen für den Menschen.“
Marx’ Begriff der Praxis ist doppeldeutig: immer zwar meint er die ge-
sellschaftliche Tätigkeit, d. h. die aus dem Zusammenwirken der Men-
schen hervorgehende Tätigkeit; er kann aber einerseits die gesellschaftli-
che Produktionstätigkeit, andererseits die gesellschaftliche revolutionäre,
politische, wissenschaftliche, künstlerische, pädagogische, juristische und
medizinische Tätigkeit beinhalten.
Hiermit ergeben sich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Praxis von
der Theorie677: Marx definiert die Praxis als „sinnlich-menschliche Tätig-
keit“ und „gegenständliche Tätigkeit (erste Feuerbach-These); vorausge-
setzt, dies meine soviel wie die die sinnliche Realität „unmittelbar verän-
dernde“ Tätigkeit, und die Theorie sei dementsprechend bestimmt als
nicht-gegenständlich und nicht unmittelbar verändernd (sondern nur un-
mittelbar im Inneren vor sich gehend), so liegt nahe, unter Praxis nur die
naturverändernde Produktionstätigkeit zu verstehen, nicht die –jedenfalls
zum Teil unmittelbar nur das Bewusstsein verändernde – politische, juris-
tische, pädagogische usw. Tätigkeit (was aber von Marx abgelehnt wird; er
bezeichnet in den Feuerbach-Thesen die politische und pädagogische Tä-
216
Zusammenfassung
der Naturaneignung auf (sie ist vielmehr ein Moment im Dienst der Frei-
heit des Geistes) noch erschöpft sich die Praxis in der technisch-
instrumental verfügenden Naturbeherrschung.
In die Analyse der Praxis der Naturaneignung wird von Hegel das Mo-
ment der Wechselbeziehung der Menschen untereinandeer, d. h. die ge-
sellschaftliche geschichtliche Seite der Tätigkeit, mit einbezogen.
Das Bearbeiten der Natur, das Handeln in der Geschichte und die Ent-
stehung des Selbstbewusstseins bedingen sich, wie Hegel im besonderen
in dem Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ in der „Phänomenologie des
Geistes“ expliziert. Die Selbsterkenntnis wird gewonnen auf der Grundlage
der Umgestaltung der Natur innerhalb bestimmter geschichtlich-
gesellschaftlicher Beziehungen der Menschen untereinander. Die konkre-
tere Bestimmung des allgemeinen Verhältnisses von Theorie und Praxis,
Geist und Willen, liegt darin, dass Theorie und Geschichte (und schließlich
Logik und Geschichte) aufeinander bezogen werden. Die Erkenntnis ist für
Hegel kein rein „erkenntnistheoretischer“ (innerer) Vorgang eines isoliert
genommenen Subjekts, keine einfache Relation zwischen einem Subjekt
und einem Objekt, sondern ein praktisch-geschichtlicher (äußerer) Pro-
zess, der von der Menschheit vollzogen wird. Die volle Erkenntnis der
Wahrheit ist bedingt durch die Verwirklichung der Wahrheit in der ge-
schichtlich-politischen Freiheit.
Charakteristisch für Hegel ist die Konzeption der Praxis als konkreter
Sittlichkeit. Hegel nimmt in die Ethik den gesellschaftlich-geschichtlichen
Inhalt auf, der aus der sich in der Geschichte entäußernden absoluten
Vernunft hergeleitet wird, und überwindet den Kantischen und Fichte-
schen Dualismus von Form und Inhalt, Idealität und Realität. Hegel weist
auf, dass aus dem reinen, formalen abstrakten Willen und dem kategori-
schen Pflichtgebot der praktischen Vernunft kein bestimmter Inhalt dedu-
zierbar ist. Die Praxis des allgemeinen konkreten Willens ist für Hegel die
Sphäre der Entfremdung des absoluten Geistes. Dementsprechend ist der
objektive Geist für Hegel noch nicht vollkommen frei (unter der grundle-
genden Voraussetzung, dass die Gegenständlichkeit schlechthin in den
absoluten Geist aufhebbar ist); er ist eine Stufe auf dem Weg der Entge-
genständlichung, Verinnerlichung und vollkommenen geistigen Freiheit.
223
Die Praxis erhält auf Grund ihrer – wenn auch nur relativen – inhaltli-
chen Selbstbestimmung einen Vorrang vor der endlichen Theorie. In ihrem
Rücken aber behauptet sich der Vorrang der absoluten Theorie; denn der
Zweck nicht nur der theoretischen, sondern auch der praktischen Tätig-
keit ist für Hegel schließlich, dass der Mensch im vertieften Maß ein Be-
wusstsein von sieh erlangt, für sich wird und sich in dieser Weise verwirk-
licht. Diese Auffassung Hegels ist untrennbar von der Konzeption des
menschlichen Wesens als Selbstbewusstsein.
Alle Formen der Praxis sowie der endlichen Theorie sind für Hegel Stu-
fen oder Momente auf dem Weg zur vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit
in der absoluten Theorie. Die absolute Einheit des Ideellen und des Realen,
des Theoretischen und des Praktischen, ist selbst ideell und theoretisch
(die Idee ist über die Objektivität „übergreifende“ Subjektivität). Aus der
Konzeption der absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und aus dem entspre-
chenden idealistischen Objektivitätsbegriff ergeben sich die Möglichkeit
und letztlich die Notwendigkeit der Rücknahme der Entäußerungen des
absoluten schöpferischen Subjekts auf dem Weg der spekulativen Theorie.
Die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes setzt die Vollendung in
der geschichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraus. Die Hegelsche
Erneuerung der aristotelischen Theoria umfasst die als vollendet begriffene
Geschichte. Hinsichtlich der Stellung Hegels zur praktisch-theoretischen
Verwirklichung der Vernunft sind zu unterscheiden: die systembedingte
endgültige theoretische Verwirklichung der Vernunft in der spekulativen
Philosophie; die ebenfalls systembedingte endgültige praktisch-
geschichtliche Verwirklichung der Vernunft (a) im unmittelbar gegenwärti-
gen Zustand des preußischen Staatslebens, (b) im Zustand eines weiter
reformierten preußischen Staatslebens. In den in der „Rechtsphilosophie“
überwiegenden „unzeitgemäßen“ Tendenzen liegt nicht nur eine Ablehnung
des Sollens, insofern dieses als Grundsatz proklamiert wird, sondern auch,
insofern dieses eine zeitlich begrenzte demokratisch-liberale Opposition
beinhaltet. Dass Hegels eigentümlich „konservative“ Einstellung der Hin-
nahme der gegebenen gesellschaftlichen, geschichtlichen Praxis nicht
mehr prinzipiell bedingt ist und Hegel in seiner früheren Entwicklung
weitaus negativer, unversöhnlicher und kritischer zur Gegenwart stand,
224
zeigt ein Überblick über die Stufen seiner Auseinandersetzung mit den Ge-
gensätzen und Krisen der Zeit nach der französischen Revolution.
Gerade weil Hegel Logik und Geschichte aufeinander bezieht, kann die
Geschichte auch grundsätzlich zum Kriterium für sein System werden, d.
h. für die idelle Versöhnung von Theorie und Praxis. Das System hat sich
an der Geschichte zu bewähren, die erstmals und grundsätzlich die Positi-
on einer systemimmanenten Kritik erhält. Das Auftreten praktisch-
geschichtlicher qualitativ neuer im System nicht integrierter Gegensätze
innerhalb der bestehenden Welt – wie sie in der Julirevolution 1830 akut
werden – wird ein Argument gegen die Hegelsche Vereinigung von Theorie
und Praxis.
Die Überwindung der Entzweiung von „Spiritualismus“ und „Sensua-
lismus“, d. i. von Theorie und Praxis, ist für Heine durch Hegel nur in der
Theorie vollendet, kommt aber in Wirklichkeit erst durch die politische
und vor allem die soziale Praxis zustande. Von dieser erwartet Heine, dass
sie in Deutschland auf einem höheren Niveau stattfindet als in Frankreich,
da die deutsche Revolution aus der vollendeten Philosophie hervorgehe.
Während Hegel das Ausbleiben der revolutionären Praxis in Deutschland
und das Stehenbleiben bei der Theorie als die vernünftige Auswirkung der
Reformation ansieht (und Marx dies als Schwäche des Bürgertums ver-
steht), erblickt Heine hierin eine Verzögerung aus methodischer Gründ-
lichkeit. Mit seiner Ansicht, dass Hegel in einer esoterischen Lehre den A-
theismus und die Revolution bejahen würde, setzt er sich hinweg über He-
gels systembedingte Konzeption der Vollendung der Geschichte und der
endgültigen Versöhnung von Theorie und Praxis und zieht Konsequenzen
aus Hegels Philosophie, die sich erst ergeben könnten nach einer bewuss-
ten Destruktion des Systems, das keine Irreführung für nicht Eingeweihte,
sondern ein konstitutiver Bestandteil der Hegelschen Philosophie ist.
In der Umbildung der Hegelschen Philosophie geht Cieszkowski mit sei-
ner Schrift „Prolegomena zur Historiosophie“ über Heine insofern hinaus,
als er die Hegelsche Philosophie nicht nur in die Praxis überführt sehen
will, sondern sie auch als Theorie umwandelt, nämlich zu einer Philoso-
phie der Praxis. Cieszkowski ignoriert nicht einfach wie Heine das Hegel-
sche System unter Berufung auf eine vorgebliche revolutionäre Esoterik,
aber er verwandelt es schließlich in eine schematische aprioristische Kon-
225
struktion. An die Stelle der kontemplativen Theorie Hegels tritt die „histo-
riosophische“, nicht etwa eine „kritische“ Theorie. Cieszkowski strebt die
Weiterentwicklung der Hegelschen Philosophie nicht auf Grund des Vor-
ranges der dialektischen Methode vor dem System an, sondern wegen der
Widerspruchslosigkeit des Systems und somit der wahren Totalität. Der
Übergang zur Praxis soll die Mängel und Einseitigkeiten des Systems be-
seitigen.
Der entscheidende Mangel des Hegelschen Systems ist für Cieszkowski,
dass es die Gegenwart verabsolutiert, die Zukunft und das Problem ihrer
Erkennbarkeit nicht als wesentliches Moment integriert und deshalb die
organische Totalität verfehlt. Cieszkowskis Ausrichtung auf die Zukunft
unter Verweis auf die bestehenden „Widersprüche der Zeit“ bildet einen
berechtigten Ansatzpunkt der Kritik an Hegels Versöhnung von Idee und
Wirklichkeit, Theorie und Praxis, da Hegel selbst Philosophie und Zeit auf-
einander bezieht und sein philosophisches System sich dementsprechend
an der Geschichte zu bewähren hat. Indem Cieszkowski aber wie Hegel die
Weltgeschichte als teleologischen Prozess auffasst und an der absoluten
Einheit von Vernunft und Wirklichkeit, Logik und Geschichte, festhält und
fordert, man müsse „das ganze System der Kategorien sich dialektisch in
der Geschichte entwickeln lassen“, ist er prinzipiell gezwungen, mit dieser
zukünftigen Periode die Geschichte wiederum systematisch zum Abschluss
kommen und die „höchste Spitze des Weltgeistes“ erreichen zu lassen. Die
letzte Stufe der Geschichte bei Hegel wird zur vorletzten bei Cieszkowski;
die endgültige Synthese wird nur um eine Stufe höher verschoben. Wenn
trotz der Ausrichtung auf die Zukunft für Cieszkowski die Geschichte prin-
zipiell abgeschlossen ist, so ist seine Konzeption insofern konsequent, als
er das systematische Erfassen der Totalität nicht preisgeben und dennoch
zugleich ein Überschreiten der widerspruchsvollen krisenhaften Gegenwart
ermöglichen will.
Die Praxis in Cieszkowskis Weise als Anwendung der Theorie aufzufas-
sen, ist nur möglich, indem die Theorie – unter Annahme ihrer Autonomie
– für systematisch vollendet gehalten wird. Die Theorie wird aber hiermit
in undialektischer Weise von der praktischen Bedingtheit getrennt und –
als für sich fertig – aus der Verflechtung und Wechselwirkung mit der
Praxis heraus gelöst. Dies bedeutet, dass für Cieszkowski letzten Endes die
226
Theorie nur die Voraussetzung oder Grundlage der Praxis ist, nicht auch
das Resultat der Praxis wird. Indem das abgeschlossene System und in
seinem Gefolge die Theorie „triumphieren“ und der Praxis nur das zu reali-
sieren überlassen wird, was die Theorie als das endgültige Ziel des geisti-
gen Prozesses der Weltgeschichte antizipiert, behält die Theorie letztlich
den Vorrang und wird entgegen dem Anschein die Hegelsche Bestimmung
des Verhältnisses von Theorie und Praxis nicht prinzipiell umgekehrt. Das
„historiosophische“ Denken bleibt die Grundlage sowie das Kriterium der
Praxis und die Quelle des geschichtlichen Fortschritts.
Der neue folgenreiche Gesichtspunkt, der in D. F. Strauß’ „Leben Jesu“
zur Geltung kommt, ist die konsequente Anwendung der zur analytischen
Kritik umgeformten dialektischen Methode. Dabei verlässt Strauß in die-
sem Werk den Boden der Hegelschen Religionsphilosophie nicht: einmal
bleibt für ihn wie für Hegel das Wesentliche der christlichen Religion die
Menschwerdung Gottes, die Vereinigung des Göttlichen und Menschli-
chen, zum anderen werden Religion und Philosophie inhaltlich gleichge-
setzt und nur formal insofern unterschieden, als die Verwirklichung des
Göttlichen von der Religion im Medium der sinnlichen Vorstellung, von der
Philosophie aber im Medium des allgemeinen Begriffs gefasst wird; erst in
seiner „Glaubenslehre“ gibt Strauß unter dem Einfluss Feuerbachs die He-
gelsche inhaltliche Gleichsetzung von Religion und Philosophie auf. Im
„Leben Jesu“ rückt Strauß vermittels der Kritik die Philosophie und die
Evangelien auseinander, aber er ersetzt noch nicht die Religion als solche
durch die Philosophie. Die religiöse Wahrheit – in ihrem dogmatischen Ge-
halt – gilt für Strauß in diesem Stadium seiner Entwicklung noch unab-
hängig von der Historizität der Evangelien. Damit setzt Strauß die prinzi-
pielle Zweideutigkeit noch fort, die in der Hegelschen inhaltlichen Gleich-
setzung und formalen Unterscheidung insofern liegt, als diese zugleich
Rechtfertigung und Kritik der Religion sind. Strauß unterscheidet sich in
seinem „Leben Jesu“ grundlegend von Hegel letztlich nur darin, dass er die
Beantwortung der Frage nach der geschichtlichen Person Jesu und seinem
Selbstbewusstsein – und somit nach der Menschwerdung Gottes in einem
einzelnen Individuum – konsequenterweise von einer historisch-kritischen
Untersuchung abhängig machen will. Das durch Strauß’ Kritik hervorge-
rufene überwundene Dilemma der Theologie besteht darin, dass einerseits
der rein historische Kern der Evangelien wegen der Verflechtung von Ge-
227
Geschichte zum Maßstab des Geistes. Nach der von Feuerbach hervorge-
rufenen Wendung orientiert er die Kritik ausschließlich am Zeitgeist und
verwirft er die Selbständigkeit der überzeitlichen Logik überhaupt, davor
aber – und auch noch in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
(1842) – bemängelt er auf der Basis der Unterscheidung zwischen Theorie
und Kritik nur Hegels Logifizierung und Verabsolutierung bestimmter his-
torischer Existenzen.
Indem Ruge dieses Vernünftigfinden der Wirklichkeit und ihre Loslö-
sung aus der geschichtlichen Entwicklung nicht nur in Hegels Rechtsphi-
losophie hinsichtlich der politisch-staatlichen Verhältnisse feststellt, son-
dern als charakteristisch für Hegels Philosophie überhaupt ansieht, ne-
giert er mit seiner Kritik auch Hegels spekulatives System im ganzen als
einseitig theoretisch und abstrakt.
Die Zurückführung des absoluten Geistes auf den menschlichen Geist
nimmt Ruge (wie Strauß und Bauer) die Möglichkeit, die Praxis und die
endliche Theorie mit Hegel als Moment im Prozess der Realisierung der
absoluten Subjekt-Objekt-Einheit zu fassen und die „List der Vernunft“ als
Grund der teleologischen Notwendigkeit dieses Geschichtsprozesses anzu-
nehmen. Die Konsequenz ist eine Aporie, über die sich Ruge nicht im Kla-
ren ist: da für Ruge der Träger des Geschichtsprozesses ausschließlich der
menschliche Geist ist, diesem aber zugestandenermaßen das Ziel der
menschlichen Geschichte (die realisierte geistige Einheit und Freiheit)
nicht stets bewusst gegenwärtig war (nämlich bis zu Hegels Erhebung der
dialektischen Methode zum bewussten Prinzip), dürfte Ruge in Wahrheit
gar kein notwendiges von vornherein auf ein Ziel Ausgerichtetsein des Ge-
schichtsablaufs supponieren; unvereinbar ist es, den Fortschritt der Ge-
schichte einerseits völlig im menschlichen Geist gründen zu lassen und
dennoch andererseits eine Vorsehung anzunehmen und die Einheit der
theoretischen und praktischen Tätigkeit in der selbstbewussten und
selbstgewollten Durchführung geschichtlicher Intentionen zu sehen. Die
Verwandlung des Weltgeistes in den Menschengeist wirft ein weiteres Prob-
lem auf, das Ruge nicht löst und worüber er kaum ein Bewusstsein hat:
das Problem der Einheit von menschlichem Geist und Natur; denn die
Wechselwirkung von Mensch und Natur, die Hegel in der mit der ge-
230
zwar die Grenzen des Ästhetischen, aber nicht die der Erziehung erkannt
werden.
Nachdem sich im Gefolge der Unterdrückung der „Deutschen Jahrbü-
cher“ und der „Rheinischen Zeitung“ am Anfang des Jahres 1843 die
Junghegelianer endgültig gespaltet haben, sieht Bruno Bauer den ent-
scheidenden Gegensatz zu Ruge in der Frage der Negativität oder der dia-
lektischen Radikalität, Rücksichtslosigkeit und Unversöhnlichkeit, d. h.
der Voraussetzungslosigkeit und Reinheit der Kritik: Ruge verharre mit
seiner Forderung der zukünftigen praktischen Entwicklung im Sinne des
Liberalismus oder des Humanismus und Demokratismus noch konzessi-
onsbereit – nur von den schon vorhandenen positiven Ansätzen aus ins
Unbeschränkte gehend – auf dem Boden der bekämpften Macht (vor allem
des Staates), anstatt mit ihr zu brechen und sich über ihre Voraussetzun-
gen zu erheben. Bauers radikale Abwendung von dem Bestehenden und
seine Bestimmung des Verhältnisses der Kritik zu den Mächten der Ver-
gangenheit und Gegenwart nicht als aufhebende und bewahrende Erb-
schaft, sondern als abgründige Bindungslosigkeit, entspringt seiner Ent-
täuschung darüber, dass das Volk und die Liberalen gegen die unterdrü-
ckenden Regierungsmaßnahmen nicht aufbegehrten. Im Scheitern der Be-
strebungen der „Deutschen Jahrbücher“ kann Bauer eine Selbstbestäti-
gung seines kritischen Standpunktes sehen, der von der wieder erstarken-
den Reaktion praktisch unangetastet (und nicht korrumpiert) bleibt, wenn
auch nur insofern, als er Opposition ohne bestimmte Position ist, d. h. als
seine Kritik – ohne Zugeständnisse an das Bestehende und Gegebene zu
machen und infolgedessen ohne zu partizipieren und parteilich einzugrei-
fen – sich von vornherein über die politische und soziale Wirklichkeit hin-
weg setzt und in ihrer Isolierung gar nicht verwirklicht werden kann.
Die durch die unversöhnliche Ablösung von den Voraussetzungen,
durch den absoluten Hiat zu dem Gegebenen, gekennzeichnete Kritik Bau-
ers stellt damit zugleich – noch eindeutiger als bei Strauß und Ruge – eine
Umformung der Hegelschen spekulativen affirmativen Dialektik zu einer
analytischen negativen Dialektik dar: das Resultat der Kritik ist jeweils die
bloße, abstrakte Negation, die Vernichtung des Positiven, d. h. die Negati-
on enthält das Positive, von dem sie ausgeht, nicht aufgehoben in sich, so
dass es als überwundenes noch wahr bliebe; daher ist die Kritik nicht wie
232
von Herder ausgehenden – Erkenntnis betont Bauer: „Der Mensch ist als
Mensch kein Naturprodukt, sondern das Werk seiner eigenen Freiheit.
Menschen werden nicht geboren, sondern gebildet.“ Kritik und Selbstver-
wirklichung des Menschen gehören also zusammen. Dies ist in formaler
Hinsicht die gemeinsame Auffassung aller Junghegelianer. Insofern weiter
die durch Kritik voran getriebene Selbstverwirklichung als Entwicklung
des Ganzen die Wahrheit ist, lassen sich Kritik, Selbstverwirklichung und
Wahrheit zusammenfassen und kann Bauer sagen: „... die Wahrheit ist
nicht, sie wird nur, sie ist also nur in der Geschichte und durch die Ge-
schichte, in der Kritik und durch die Kritik.“
Der extremen Abstraktion des Allgemeinen in der kritischen Theorie
Bauers setzt Max Stirner die extreme Abstraktion des Einzelnen entgegen.
Um die wirkliche Vereinzelung und den Egoismus zu überwinden, verzich-
tet Bauer asketisch auf die individuelle Freiheit und das Glück des einzel-
nen zugunsten des Allgemein-Vernünftigen; um die individuelle Freiheit
und das Glück des einzelnen zu erreichen, verwirft Stirner hedonistisch
das Allgemein-Vernünftige zugunsten der wirklichen Vereinzelung und des
Egoismus. Weder Bauer noch Stirner gewinnt eine Konzeption eines allge-
mein vernünftigen objektiven Glücks und einer verbindlichen Freiheit.
Während Bauer die Partikularität mittels der permanenten „reinen Kritik“
in die Universalität des Humanismus aufheben will, spitzt Stirner – in
dem Bestreben radikaler Destruktion der Substantialität oder Objektivität
– die Partikularität zur Singularität des Ichs zu. Gemessen am einzelnen
leibhaftigen vergänglichen Individuum gelten Stirner die menschliche Ge-
sellschaft und das allgemeine Selbstbewusstsein in Bauers Kritik sowie
der Staat und das Recht in der Lehre des politischen Liberalismus und die
sozialistische Gesellschaft in der Theorie der utopischen Kommunisten –
ebenso wie Hegels Weltgeist und Feuerbachs Gattungswesen – als Schein-
existenz, als illusionärer „Geist“ und fiktive „Idee“, als „Fremdes“, „Heili-
ges“, „Gespenst“ und Residuum des religiösen Glaubens an das Jenseits.
Während Bauers Kritik auf der Ebene des Gedankens bleibt, ist das „Ich“
nach Stirners Anspruch kein Gedanke. Das „Ich“ ist als das Einmalige,
Einzige, „solus ipse“, das Unausdrückbare, „ineffabile“ (und im Verhältnis
zum allgemeinen Wesen des Menschen der „Unmensch“), das sich in
Wahrheit nicht durch philosophische Theorie näher entwickeln und
bestimmen lässt, sondern nur tautologische Urteile zulässt. Das Indivi-
235
geborenen Kritik; denn alle Dialektik und subjektive sowie objektive Kritik
(ebenso wie alle Hoffnung und bestimmte Forderung) basiert auf der Ent-
zweiung, d. h. auf der Differenz zwischen Rationalem und Realem, zwi-
schen Wesen und Erscheinung, Begriff und Existenz, Möglichem und
Wirklichem. Ausdrücklich verwirft Stirner den Begriff der realen Möglich-
keit. Für ihn ist also Möglichkeit nur im Kantischen Sinne das wider-
spruchsfreie Denkbare; und er würde in der Kontroverse des Aristoteles
mit den Megarikern in dieser Frage der realen oder formalen Möglichkeit
auf deren Seite stehen.
In Stirners Konzeption ist die Revolte des neinsagenden unbotmäßigen
Individuums keine politische oder soziale Insurrektion, sondern ein anti-
konventioneller Protest als eine Aktion der Selbstbefreiung, die weder gött-
liche Gnade noch menschliche Teilnahme erhofft. Ausdrücklich unter-
scheidet sie Stirner von der Revolution unter dem Aspekt, dass die Revolu-
tion nur den Bürger, nicht aber das Individuum befreie und dass die Re-
volte keine neuen Einrichtungen an Stelle der bekämpften bestehenden
setzen wolle. Stirner will sich überhaupt keiner politisch-sozialen Organi-
sation anschließen und an keine vorliegende Voraussetzungen anknüpfen,
also keine auch nur partielle Identifikation mit den bestehenden Verhält-
nissen eingehen, d. h. keine vermittelnden Kompromisse schließen, son-
dern alternativ „alles oder nichts“. Dieser unpolitische antiinstitutionelle
kompromisslos destruktive Anarchismus Stirners ist somit zu unterschei-
den vom Typ des kollektiv-sozietären Anarchismus vor allem Proudhons,
Bakunins, Kropotkins und anderer, deren Anhänger als libertäre Sozialis-
ten auftreten gegen die autoritären und doktrinären Staatssozialisten.
Während für Hegel der Egoismus der konkurrierenden Privatinteressen
nur die bürgerliche Gesellschaft, das „System der Bedürfnisse“ bestimmt,
im Staat aber mit den Allgemeininteressen versöhnt wird, gewinnt für
Stirner der Egoismus – in Gestalt der individuellen Revolte – als scheinbar
natürliche Konstante des Menschen universale Bedeutung. Stirner selbst
will nicht wahrhaben, dass er nur die von Hegel analysierten geschichtlich
gewordenen schon vorhandenen Triebfedern der bürgerlichen Gesell-
schaft verabsolutiert. Vergleichbar mit de Sade entwürdigt Stirner das
Subjekt zum Objekt, das Fürsichsein zum Ansichsein, zum Abhängigen
und Vorhandenen, das verfügbar ist, und sanktioniert dieses Verhältnis,
237
in sich selbst als das andere seiner selbst entgegensetzenden sich selbst
überbietenden – Denkens der Identitätsphilosophie zu unterbrechen und
das Denken an das sinnliche selbständige Sein als Maßstab zu binden,
führt Feuerbach in die Nähe eines Nominalismus und zu dem extremen
Sensualismus, die Diskontinuität, die qualitative Differenz, von sinnlicher
Wahrnehmung und übersinnlichem Denken zugunsten ihrer Kontinuität
undialektisch zu verwerfen. In Folge der Identifizierung von Wesen und
Erscheinung kommt Feuerbach mit Stirner darin überein, dass er keinen
Kritik-Begriff der Gesellschaft, der Politik und der Geschichte aus der He-
gelschen Philosophie gewinnen kann, da die Kritik auf der Entzweiung von
Wesen und Erscheinung, der Differenz zwischen Möglichem und Wirkli-
chem, Rationalem und Realem basieren müsste. Zusammen gehören somit
bei Feuerbach das Fehlen dieses Begriffes der Kritik und die Ungeschicht-
lichkeit der sensualistischen Anthropologie, dergemäß das Wesen des
Menschen – im Gegensatz zur geschichtlich orientierten Anthropologie so-
wohl Herders als auch Hegels – einfach vorgegeben, unmittelbar fertig und
festgestellt ist. Feuerbach löst wieder die Hegelsche Verknüpfung der Er-
kenntnis der Wahrheit mit der praktischen Verwirklichung der Wahrheit in
der geschichtlich-politischen Freiheit.
Die Entfremdung ist zwar für Feuerbach als wesentlich religiöse primär
eine theoretische, d. h. ein inneres Verhältnis, und kann infolgedessen
durch bewusstseinsmäßige Kritik zurück genommen werden, aber nach
der Marxschen Kritik hieran in der „Deutschen Ideologie“ bleibt allzu oft
unberücksichtigt, dass für Feuerbach die Entfremdung vollständig erst
insofern überwunden ist, als zur geistig-kritischen aufklärerischen Reduk-
tion die Praxis der Liebe hinzu kommt, und zwar sowohl als Empfindung
wie auch als verändertes Verhalten der Menschen zueinander. Die Religi-
onskritik ist also für Feuerbach zwar der entscheidende Hebel, aber sie
soll nicht nur dazu führen, dass eine Bewusstseinseinstellung durch eine
andere Bewusstseinseinstellung ersetzt wird, sondern dass eine praktische
Versöhnung der Gegensätze erreicht wird, wie sie ebenfalls der junge Hegel
in seiner Frankfurter Periode (an den Feuerbach nicht anknüpfen konnte)
von der Liebe erwartet als lebendiger Subjektivität und Selbstbestimmung,
die gegen die Hinnahme der toten Positivität des etablierten Faktums und
des affirmierten Fatums opponiert. Insofern Hegels Begriff der Liebe und
des „Lebens“ als „Vereinheitlichung“ der Entgegensetzung von Subjekt und
240
A n m e r k u n g e n
1 Vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, Bd. 7 (unten abge-
kürzt als: Rechtsphilosophie), § 4. Vorlesungen über die Geschichte der
Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 528, 533. Die Vernunft in der Geschichte,
S. 55, 62, 83. Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd.
15, S. 148.
5 Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz
13 Phänomenologie, S. 35-39
15 Phänomenologie, S. 72
werden muss, was sie durch Freiheit und mit Anstrengung aller ihrer Kräf-
te gewollt haben.“ (System des transzendentalen Idealismus, Hamburg
1957, S. 263) Hierher gehört auch Kants Begriff der „ungeselligen Gesel-
ligkeit“ in der Schrift „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürger-
licher Absicht“ (1784), mit dessen Hilfe der „Antagonismus... in der Gesell-
schaft“ und die Entwicklung der menschlichen Anlagen erklärt werden.
(Kants gesammelte Schriften, Bd. VIII, Berlin 1812, S. 20 ff.) – Wie aber
schon angedeutet wurde und später zu wiederholen ist, steht Hegel in sei-
ner politischen Theorie nicht auf dem Standpunkt des Liberalismus, dem
„Prinzip der Atome“.
19 Rechtsphilosophie, § 119-126, 20. Enzyklopädie 505, 479. –
Beachtenswert ist: indem die Glückseligkeit in diesem Hegelschen Sinne
sich nicht aus der Verwirklichung des Substantiellen ergibt, sondern for-
mell, d. h. dem Inhalt nach zufällig ist, kommt sie nicht dem nahe, was
Aristoteles unter Eudaimonia versteht, sondern eher dem, was Aristoteles
mit Lust, Hedone, meint: sie ist ein Akzidenz der Verwirklichung der Ver-
nunft. (Vgl. Nikomachische Ethik, X, 4.) - Hinsichtlich der „welthistori-
schen Individuen“ – wie zum Beispiel Alexander, Cäsar, Richelieu, Napole-
on – muss berücksichtigt werden, dass ihre Bestimmung als „Geschäfts-
träger“ eines objektiven vernünftigen Prozesses ausschließt, sie undialek-
tisch als auf sich gestellte Heroen im Sinne Carlyles, Nietzsches oder
Treitschkes zu verstehen.
20 Phänomenologie, S. 9 ff. Vgl. hierzu auch Goethe: „Der Schein, was ist
er, dem das Wesen fehlt? Das Wesen, wär’ es, wenn es nicht erschiene?“
22 Rechtsphilosophie, § 115-118
24 Phänomenologie, S. 249
25 Ebenda, S. 231
26 Ebenda, S. 229
27 Ebenda, S. 231
28 Ebenda, S. 447 f.
29 Ebenda, S. 233
30 Ebenda, S. 236
31 Ebenda, S. 236
32Ebenda, S. 253. – Einseitig muss für Hegel deshalb auch Augustins ge-
wisse Vorwegnahme der cartesianischen Trennung von Selbsterkenntnis
und Welterkenntnis sein, die auch Husserl am Schluss seiner „Cartesiani-
schen Meditationen“ zitiert: „Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore
homine habitat veritas“ (De vera religione, 39, 72).
34 Ebenda, S. 105
und hebe bei diesem Verhalten den Gegensatz auf, mache diesen Inhalt zu
dem meinigen.. Das praktische Verhalten fängt dagegen beim Denken,
beim Ich selbst an...“ Vgl. Die Philosophie des Geistes, Werke, Bd.10, §
443, Zusatz, S. 303. – Über das theoretische und praktische Verhältnis
von Subjekt und Objekt als das Verhältnis von Ich und Nicht-Ich bei Fich-
te siehe: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19,
S. 624 ff.
hen wird – aus dem Wesen der Persönlichkeit (nicht aus den Bedürfnis-
sen), und zwar als das „Dasein der Persönlichkeit“ und das erste Dasein
der Freiheit“, vgl.: Rechtsphilosophie, § 44 ff.
48 Enzyklopädie, § 471 f.
50 Enzyklopädie, § 225
51 Ebenda, § 204
55Ästhetik, Bd. I, S. 117. Vgl. Realphilosophie, Bd. II, S. 265: „Die Schön-
heit ist viel mehr der Schleier, der die Wahrheit bedeckt, als die Darstel-
lung derselben.“
56 Logik, Bd. II, S. 391: „Die mechanische oder chemische Technik bietet
sich also durch ihren Charakter, äußerlich bestimmt zu sein, von selbst
der Zwecksetzung dar...“
57Ebenda, S. 390: „Der Zweck hat sich als das Dritte zum Mechanismus
und Chemismus ergeben; er ist ihre Wahrheit.“
58 Vgl. zum Beispiel: Holbach: System der Natur oder Von den Gesetzen
der physischen und der moralischen Welt, Berlin 1960, S. 145 f.: „Wenn
wir die Erfahrung zu Rate ziehen, werden wir finden, dass unsere Seelen
denselben physischen Gesetzen unterworfen sind wie die materiellen Kör-
per.“
255
59Vgl. Rechtsphilosophie, § 15, Zusatz: „In der Willkür ist das Enthalten,
dass der Inhalt nicht durch die Natur meines Willens bestimmt ist der
Meinige zu sein, sondern durch Zufälligkeit:: ich bin also ebenso abhängig
von diesem Inhalt, und dies ist der Widerspruch, der in der Willkür liegt.
Der gewöhnliche Mensch glaubt frei zu sein, wenn ihm willkürlich zu han-
deln erlaubt ist, aber gerade in der Willkür liegt, dass er nicht frei ist.“
61 Ästhetik, Bd. I, S. 105. Diese gewisse Vergeblichkeit betrifft auch die Se-
xualität. – Vgl. in diesem Zusammenhang Hegels mit Platon übereinstim-
mende Deutung des Prometheus nicht als sittlich politische Macht, son-
dern als „Naturmacht“ und „Wohltäter der Menschen, indem er sie die ers-
ten Künste gelehrt hat“, das heißt „Geschicklichkeiten, welche die Befrie-
digung natürlicher Bedürfnisse angehen. In der bloßen Befriedigung dieser
Bedürfnisse ist nie eine Sättigung, sondern das Bedürfnis wächst immer
fort und die Sorge ist immer neu – das ist durch jenen Mythus angedeutet“
(Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 107; vgl.
Ästhetik, Bd. I, S. 444 ff., 450).
62 Logik, Bd. II, S. 398. Schon in den Jenenser Vorlesungen heißt es: „Das
Wekzeug ist die existierende vernünftige Mitte, existierende Allgemeinheit
des praktischen Prozesses; es erscheint auf der Seite des Tätigen gegen
das Passive, ist selbst passiv nach der Seite des Arbeitenden und tätig ge-
gen das Bearbeitete. Es ist das, worin das Arbeiten sein Bleiben hat... es
pflanzt sich in Traditionen fort...“ (Realphilosophie, Bd. I, S. 221; vgl. Bd.
II, S. 198. Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie, S. 422). – Hegels
erste feststellbare Beschäftigung mit ökonomischen Problemen der Arbeit
datiert aus seiner Frankfurter Periode (1797-1800) und besteht unter an-
derem in der Kommentierung von James Denham Steuarts „Inquiry into
the principles of political economy“, deren Manuskripte verloren gegangen
sind; vgl. darüber: K. Rosenkranz: Hegels Leben, Berlin 184, S. 86; G. Lu-
kács, Der junge Hegel, Berlin 1954, S. 211 ff.; P. Chamley, Économie poli-
tique et philosophique chez Steuart et Hegel, Paris 1963.
blindes Tun zu einem zweckmäßigen gemacht wird... Es ist die Ehre der
List gegen die Macht, die blinde Macht an einer Seite anzufassen, dass sie
sich gegen sich selbst richtet... Wind, mächtiger Strom, mächtiges Welt-
meer, bezwungen, geackert. Keine Komplimente mit ihm zu machen – e-
lende Empfindsamkeit, die sich an Einzelnes hält.“ Marx bezieht sich ex-
plizit auf diese Erkenntnis Hegels im „Kapital“, Bd. I, Karl Marx/Friedrich
Engels, Werke, Bd. 23, S. 194
64 Logik, Bd. II, S. 394: „Der Zweck schließt sich durch ein Mittel mit der
Objektivität und in dieser mit sich selbst zusammen. Das Mittel ist die
Mitte des Schlusses.“ - Vgl. auch mit Bezug auf das handelnde Individuum
im Drama: „In dieser Weise tritt die Handlung als Handlung auf, als wirkli-
ches Ausführen innerer Absichten und Zwecke, mit deren Realität sich das
Subjekt als mit sich selbst zusammenschließt und darin sich selber will
und genießt und nun auch mit seinem ganzen Selbst für das, was aus
demselben ins äußere Dasein übergeht, einstehen muss.“ (Ästhetik, Bd. II,
S. 516)
67Vgl. vor allem: Nikomachische Ethik, VI, 3-5; 8. Zu dem Übergang vom
praktisch-klugen Wissen zum Herrschaftswissen und zur Machttechnik
bei Macchiavelli, Morus und Hobbes siehe: H. Arendt: Vita activa, Stutt-
gart 1960; und J. Habermas: Theorie und Praxis, Neuwied am Rhein und
Berlin 1963, S. 13 ff.
257
71 Enzyklopädie, § 431 f.
74Ästhetik, Bd. II, S. 423: „... in Europa ist jetzt jedes Volk von dem ande-
ren beschränkt und darf von sich aus keinen Krieg mit einer anderen eu-
ropäischen Nation anfangen; will man jetzt über Europa hinausschicken,
so kann es nur nach Amerika sein.“
77 Phänomenologie, S. 147
81 Vgl. Phänomenologie, Vorrede, S. 29: „Aber nicht das Leben, das sich
vor dem Tode scheut und vor der Verwüstung rein bewahrt, sondern das
ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes.“ (Vgl. dazu R.
Garaudy: Gott ist tot, Frankfurt a. M. 1965, S. 111 ff.)
83 Phänomenologie, S. 149
84 Rechtsphilosophie, § 189-198
85 Phänomenologie, S. 140
88 Rechtsphilosophie, § 5, Zusatz.
90 Rechtsphilosophie, § 11
93 Enzyklopädie, § 60
mehr, vor welchem geflohen wird, so ist die Flucht und Freiheit und über-
sinnliche Welt nicht mehr gesetzt, und diese empirische Realität ist so sehr
an sich als Ich.“
96 Phänomenologie, S. 276 f.
97 Nohl, S. 396
98 Phänomenologie, S. 278-282
sagt. Das macht gerade das Handeln zum Handeln, dass es nicht gedeckt
ist durch einen Wert. Der Handelnde exponiert sich, sein Teil ist niemals
die securitas, sondern certitudo“; und H. Freyer hinsichtlich der politi-
schen Ethik: „Echtes Gebot ist auch hier nur sich richtig zu entscheiden,
nicht aber zu wissen, dass oder warum es richtig sei“; Herrschaft und Pla-
nung, Hamburg 1933, S. 39. (Siehe hierzu auch Stefan Georges Gedicht
„Der Täter“ aus dem „Teppich des Lebens“.) Preisgegeben wird die Traditi-
on des Rationalismus, wie sie ihr zum Beispiel Cicero Ausdruck gibt in „De
officiis“, I, 101: „Omnis autem actio vacare debet temeritate et neglegentia
nec agere quicquam, cuius non possit causam probabilem reddere; haec
est enim fere descriptio officii.“ – Vgl. dazu, dass der von Cicero mit „offi-
cium“ wiedergegebene stoische Ausdruck „kathékon“ ebenfalls die vertret-
bare Rechtfertigung impliziert: Diogenes Laertius, VII, 101.
101aKant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein,
taugt aber nicht für die Praxis, in: Kant, Gentz, Rehberg: Über Theorie und
Praxis, Frankfurt a. M. 1967, S. 41, 44. (Zu Kants Verweigerung des
Rechts auf praktischen Widerstand und Revolutionierung und zu seiner
Konzession der „Freiheit der Feder“ siehe S. 68 ff.) – Vgl. zu Kants „Abweg“
von der aristotelischen Theoria durch seine „Rechtfertigung der Theorie für
die Praxis“ und seiner Preisgabe des theoretischen Ethos „als philosophi-
sche Lebenshaltung“ : K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart
1960, S. 250.
sich hinweg, hat also nur einen willkürlichen Grund. Der Sinn und Inhalt
des Urteils der Erfahrung ist dadurch allein dieser, dass einigen die
Glückseligkeit an und für sich nicht zukommen sollte, d. h. er ist Neid, der
sich zum Deckmantel die Moralität nimmt. Der Grund aber, warum an-
dern das so genannte Glück zu Teil werden sollte, ist die gute Freund-
schaft, die ihnen und sich selbst diese Gnade, d. h. diesen Zufall gönnt
und wünscht.“ – Für Hegel gibt es also keine selbständige Ethik, getrennt
von Gesellschaftslehre und Politik. – Dass nicht Gesinnung und Tugend,
sondern die Anerkennung des Gesetzes die konstitutionelle Monarchie
charakterisiert, betont Hegel mit Bezug auf Montesquieu in der Rechtsphi-
losophie, § 273. – Da die Moralität – wie es schon Kant bestimmte – im Ge-
gensatz zur Legalität nicht äußerlich erzwingbar ist, ergibt sich für Hegel
die Folgerung: „Die Staatsgesetze können sich also auf die Gesinnung
nicht erstrecken wollen, denn im Moralischen bin ich für mich selbst, und
die Gewalt hat hier keinen Sinn.“ (Rechtsphilosophie, § 94, Zusatz; vgl. §
106, Zusatz)
103Rechtsphilosophie, § 137. Vgl. § 132 und Vorrede, S.36: „Es ist ein gro-
ßer Eigensinn, der Eigensinn, der dem Menschen Ehre macht, nichts in
der Gesinnung anerkennen zu wollen, was nicht durch den Gedanken ge-
rechtfertigt ist...“
109 Vgl. H. Glockner: Hegel, Bd. I, Stuttgart 1929, S. XII. – Auch N. Hart-
mann muss die Dialektik ablehnen, indem er die Konzeption der „realen
Möglichkeit“ verwirft, die Möglichkeit nur im Kantischen Sinne als das wi-
derspruchsfrei Denkbare fasst und in der Kontroverse des Aristoteles mit
den Megarikern über diese Frage auf deren Seite steht (vgl. Möglichkeit
und Wirklichkeit, Meisenheim am Glan 1949, S. 181 ff.) und indem er die
Stufenordnung des Seienden statisch versteht, während Hegel dagegen
zwar nicht die natürliche Entwicklung der Stufen, aber doch ihr inneres,
idelles Hervorgehen auseinander anerkannte; vgl. Enzyklopädie, § 194. –
Dass Hegel das Tragische als Moment der dialektischen Entwicklung aner-
kennt, heißt: er steht nicht auf dem aufklärerischen Standpunkt des ge-
radlinigen Fortschritts und der ungebrochenen Vervollkommnung, wie ihn
zum Beispiel – im Gegensatz zu Lessing (Die Erziehung, des Menschenge-
schlechts, § 91, Sämtliche Schriften, Leipzig 1897, Bd. 13, S. 434: „Es ist
266
nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist“) und zu Kant (der
gegen Lessings skeptischen Freund Mendelssohn voraussetzt ein Fort-
schreiten des menschlichen Geschlechts „zum Besseren in Ansehung des
moralischen Zwecks seines Daseins“, das „zwar bisweilen unterbrochen,
aber nie abgebrochen“ sein werde; Über den Gemeinspruch: Das mag in
der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, in: Kant, Gentz,
Rehberg: Über Theorie und Praxis, Frankfurt a. M. 1967, S. 81) – Antoine
de Condorcet (1793), der Gegner Robespierres und Anhänger der Giron-
disten, vertrat; über ihn vergleiche K. Löwith: Weltgeschichte und Heilsge-
schehen, Stuttgart 1953, S. 87 ff. – Mit der Anerkennung der relativen
Tragik entgeht Hegel im übrigen der Gefahr der (seit Theognis immer wie-
der geübten) desperaten Aufbauschung und Fixierung des Zerfalls, der
„Dekadenz“ oder der Herausforderung einer bestimmten Entwicklungsstu-
fe zum totalen Untergang. – Tragik liegt in gewisser Weise in jeder endli-
chen Tätigkeit des Individuums, nämlich insofern, als das Individuum in
seiner Tätigkeit zum Objektiven und zum Totalen im Gegensatz bleibt.
112 Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke, Bd. ll, S. 413
114 Ebenda, S. 539: „Die andere Seite, das Böse, nimmt das Vorstellen als
ein dem göttlichen Wesen fremdes Geschehen; es in demselben selbst, als
seinen Zorn zu fassen, ist die höchste, härteste Anstrengung des mit sich
selbst ringenden Vorstellens, die, da sie des Begriffs entbehrt, fruchtlos
bleibt.“
267
118 Nohl, S. 26 f. – Dass Hegel die Praxis von vornherein unter gesellschaft-
lichem Aspekt sieht, heißt also: seine Fragestellung ist von vornherein
nicht rein erkenntnistheoretisch orientiert.
119 Ebenda, S. 223. Vgl. besonders S. 227: „So hatte der Despotismus der
römischen Fürsten den Geist des Menschen von dem Erdboden verjagt,
der Raub der Freiheit hatte ihn gezwungen, sein Ewiges, sein Absolutes in
die Gottheit zu flüchten – das Elend, das er verbreitete, Glückseligkeit im
Himmel zu suchen und zu erwarten. Die Objektivität der Gottheit ist mit
der Verdorbenheit und Sklaverei der Menschen im gleichen Schritte ge-
gangen...“ – Besonders sein Jugendfreund Hölderlin teilt mit Hegel den En-
thusiasmus für die französische Revolution und die Hoffnung auf die Her-
stellung der Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft am Maßstab
hellenischer Freiheit, und zwar nicht nur im „Hyperion“ („Ich kann kein
Volk mir denken, das zerrissner wäre wie die Deutschen“, zitiert von Ruge
im Brief an Marx in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“; Paris
1844, S. 18), sondern darüberhinaus. Erinnert sei in diesem Zusammen-
hang an das Gedicht „An die Deutschen“: „... auch wir sind/ Tatenarm
und gedankenvoll!/ Aber kommt, wie der Strahl aus dem Gewölke
kommt,/ Aus Gedanken vielleicht, geistig und reif die Tat?“ (Sämtliche
Werke, Bd. 2, Stuttgart 1951, S. 9).
120Vgl. z. B. Nohl, S. 211 f.; und S. 374 f., aus einem Entwurf, der schon
aus der Frankfurter Zeit Hegels datiert: „Positiv wird ein Glauben genannt,
in dem das Praktische theoretisch vorhanden ist – das ursprünglich Sub-
269
jektive nur als ein Objektives, eine Religion, die Vorstellungen von etwas
Objektivem, das nicht subjektiv werden kann, als Prinzip des Lebens und
der Handlungen aufstellt... Der positive moralische Begriff ist fähig, den
Charakter der Positivität zu verlieren, wenn die Tätigkeit, die er ausdrückt,
selbst entwickelt wird und Kraft bekommt.“ Somit ist die Positivität zu-
gleich ein Sediment der Zeit, eine Versteinerung der Vergangenheit, die mit
der Hartnäckigkeit des Objektzwangs der lebendigen emanzipierenden
Spontaneität widersteht (und diese womöglich – so lässt sich extrapolieren
– zur Funktion einer Konstellation degradiert). Auch der psychologisch-
pädagogische Aspekt, dass autoritäre Erziehung die praktische Selbsttä-
tigkeit zugunsten eines reaktiven sich einpassenden und „rollenkonfor-
men“ Verhaltens hemmt, ließe sich bruchlos in die Konzeption der Positivi-
tät hineinarbeiten. – In diesem Stadium seiner Entwicklung gesteht Hegel
der Positivität noch nicht relative Notwendigkeit zu wie später der Entäu-
ßerung oder Entfremdung in ihrem voll ausgebildeten Begriff, d. h., um es
paradox zu sagen; Hegel betrachtet noch nicht das Positive an dem Positi-
ven.
121 Nohl, S. 388 f. Über die Versöhnung des Schicksals durch die Liebe vgl.
S. 283: „... Dies Gefühl des Lebens, das sich selbst wiederfindet, ist die
Liebe, und in ihr versöhnt sich das Schicksal...“ S. 293: „Die Liebe ver-
söhnt aber nicht nur den Verbrecher mit dem Schicksal, sie versöhnt auch
den Menschen mit der Tugend, d. h. wenn sie nicht das einzige Prinzip der
Tugend wäre, so wäre jede Tugend zugleich eine Untugend...“ Zuvor wird
das Beispiel der Maria Magdalena angeführt, die kein „Automat ihrer Zeit“
war und „durch Liebe zum schönsten Bewusstsein zurückkehren konnte.“
– Vgl. W. Dilthey: Die Jugendgeschichte Hegels, in: Gesammelte Schriften,
Bd. IV, Leipzig und Berlin 1921, S. 15: „Ähnlich hatte schon Schiller in
seiner Rhapsodie die Liebe zum Mittelpunkt der moralischen Welt ge-
macht, und Hölderlin war ihm hierin gefolgt. Und in der Liebe hatte Les-
sing das Prinzip der Religion Christi erkannt.“ Dazu, dass Hegel in seinem
Entwurf „Das Leben Jesu“ (1795) die Liebe noch dem moralischen Impera-
tiv unterordnet (und nur diesen der äußeren positiven Autorität entgegen
setzt, an der teilweise auch Jesus selbst noch im Unterschied zu Sokrates
gehangen habe), vgl. a. a. 0., S. 21 ff. – Über den Zusammenhang von
Handlung, Schuld und Schicksal siehe auch Phänomenologie, S. 330 ff.
124Ästhetik, Bd. I, S. 127: „Die Lebendigkeit muss erstens als Totalität ei-
nes leiblichen Organismus real sein, der aber zweitens nicht als ein Be-
270
129 Phänomenologie, S. 160. – Dass Jean Wahl in seiner Schrift „Le mal-
heur de la conscience dans la Philosophie de Hegel“, Paris 1929, Hegel zu
sehr von Kierkegaards Position her interpretierte, räumt er inzwischen
selbst ein in: Quel avenir attend l’ homme?, Paris 1961, S. 313. In existen-
tialistische Richtung geht generell auch die Interpretation von J. Hyppolite
in: Genese et structure de la phénoménologie de l’ esprit de Hegel, Paris
1956
130 Ästhetik, Bd. I, S. 170; vgl. Bd. II, S. 256. – In der bürgerlichen Gesell-
schaft ist es das allgemeine Prinzip, dass die Individuen ihre Selbständig-
keit durch eigene Arbeit erwerben (Rechtsphilosophie, § 244 f.). Dieses
Prinzip tritt hervor mit der Auflösung des Mittelalters und dem Beginn de
neuen Zeit, in der sich in den Städten Industrie, Gewerbe und Handel be-
leben und Vorrang vor dem Ackerbau gewinnen, und in der Buchdrucker-
kunst und Schießpulver – aber auch, so lässt sich hinzu fügen, die Müh-
lentriebwerke, die Destillationsapparate, das Achterruder, die Uhr und das
Kummet – erfunden werden, Amerika entdeckt wird, das Studium des Al-
tertums aufgenommen wird, der Tag der schönen Künste herein bricht
und die Naturwissenschaften entstehen; vgl. Vorlesungen über die Philo-
sophie der Geschichte, Werke, Bd. 11, S. 487 ff. Ausgesprochen nützlichen
Projekten widmeten sich im übrigen auch die Akademien, darunter die im
17. Jahrhundert gegründeten Royal Society und Académie Royal des
Sciences; die deutschen Akademien machten sich besonders die Untersu-
chung des Bergbaus und der Landwirtschaft zur Aufgabe.
135 Ebenda, S. 462 f. – Dass hiermit vor allem Novalis gemeint ist, der
Schüler Fichtes in Jena, der in seiner Schrift „Die Christenheit oder Euro-
pa“ (1799) in geradezu unüberbietbarer Weise die Abkehr vom unschönen
als gottlos diskreditierten Leben der Revolutionszeit proklamiert, geht her-
vor aus den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd.
19, S. 644. Aber den Typus der wirklichkeitsfremden romantischen Sub-
jektivität und des verstiegenen Rückzugs aus der gegenwärtigen Welt
(wenn nicht der Natur, so doch der Geschichte) – der als Rückzug aus der
Welt gerade die Bindung an sie ist – repräsentiert für Hegel auch beson-
ders Friedrich Schlegel, dessen „Lucinde“ (1799) von Hegels Antipoden
Schleiermacher in einer anonymen Schrift verteidigt wird und für den sich
später nach seiner Konversion Hegels Philosophie als „Verneinungsphilo-
sophie“ und atheistischer „philosophischer Satanismus“ darstellt (Philoso-
phische Vorlesungen, Bonn 1837, Bd. II, S. 497). – In der Ablehnung der
romantischen welt- und substanzlosen und darum bildungswidrigen In-
nerlichkeit ist mit Hegel Goethe einig; er bezieht sich auf den enzyklopädi-
schen Inhaltsreichtum der Hegelschen Philosophie: „Wo Objekt und Sub-
jekt sich berühren, da ist Leben; wenn Hegel mit seiner Identitätsphiloso-
phie sich mitten zwischen Objekt und Subjekt hineinstellt und diesen
Platz behauptet, so wollen wir ihn loben.“ (Goethes Gespräche, Bd. III,
Leipzig 1909, S. 428. Vgl. K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart
1964, S. 20)
139 Enzyklopädie, § 481: „Der wirkliche freie Wille ist die Einheit des theo-
retischen und praktischen Geistes...“ Vgl. § 485. Die Philosophie des Geis-
tes, Werke, Bd. 10, § 481, S. 379; § 443, Zusatz, S. 303 f.
145 Ebenda; § 9
148 Vgl. Logik, Bd. II, S. 481: „Der praktischen Idee dagegen gilt diese Wirk-
lichkeit, die ihr zugleich als unüberwindliche Schranke gegenübersteht,
als das an und für sich Nichtige, das erst seine wahrhafte Bestimmung
und einzigen Wert durch die Zwecke des Guten erhalten solle. Der Wille
steht daher der Erreichung seines Ziels nur selbst im Wege dadurch, dass
er sich von dem Erkennen trennt und die äußerliche Wirklichkeit für ihn
nicht die Form des wahrhaft Seienden erhält; die Idee des Guten kann da-
her ihre Ergänzung allein in der Idee des Wahren finden.“
150 Ästhetik, Bd. I, S. 41. Die hier zum Ausdruck kommende spezifisch te-
leologisch-idealistische Konzeption übergeht Ernst Fischer: Kunst und Ko-
existenz, Hamburg 1966, S. 38 f. – Vgl. Rechtsphilosophie, § 197: durch
273
die Arbeit entwickelt sich „die Bildung des Verstandes überhaupt, damit
auch der Sprache.“ Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie,
Werke, Bd. 17, S. 50: „Alles Erkennen, Lernen, Wissenschaft, selbst Han-
deln beabsichtigt weiter nichts, als das was innerlich, an sich ist, aus sich
heraus zu ziehen, und sich gegenständlich zu werden.“
153 Phänomenologie, S. 32
154 Ebenda, S. 290, 284. – Bedeutende Fördernis durch ein einziges geist-
reiches Wort, Cotta-Ausgabe, Bd. 40, 1840, S. 444 f.
Vgl. Nikomachische Ethik, III, 7. Durch das Handeln wird also aus der
154a
155Phänomenologie, S. 559, 20. Logik, Bd. I, S. 56. – Dazu, dass das „Vor-
wärtsgehen ein Rückgang in den Grund“ ist, vgl. auch: Logik, Bd. I, S. 55
157 Vgl. Aristoteles, Physik, II, 8. – Nicolai Cusae Cardinalis Opera, Parisiis
1514, I. Unveränderter Nachdruck, Frankfurt a. M. 1962. Idiotae de mente
liber tertius, cap. II. Dazu die Übersetzung: Der Laie über den Geist, Ham-
burg 1949, S. 13: „Der Laie nahm einen Löffel in die in Hand und sagte:
Der Löffel hat außer der Idee in unserem Geiste kein weiteres Urbild. Und
wenn auch der Bildhauer oder der Maler seine Vorbilder den Dingen ent-
nimmt, die er nachzugestalten sich müht, so tue ich das doch nicht, ich,
der ich aus Holzstücken Löffel, sowie Schalen und Töpfe aus Ton hervor-
bringe. Dabei ahme ich nämlich nicht die Gestalt irgendeines Naturdinges
nach...“ Siehe auch: De Beryllo, a. a. 0., cap. VI. – Vgl. dazu: H. Blumen-
berg: Nachahmung der Natur, Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferi-
schen Menschen, in: Studium Generale 1957, Heft 2. Was die politisch-
kirchliche Praxis des lebenslang tätigen Cusanus betrifft, so habe er sie
274
163 Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S. 419 f. Vgl. auch Schiller: Über
die ästhetische Erziehung des Menschen, 13. Brief
164 Vgl. Enzyklopädie, § 55-60, 204. Logik, Bd. II, S. 387 ff. Phänomenolo-
gie, S. 22. Ästhetik, Bd. I, S. 65 ff. Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S.
315 ff.; ebenda, S. 419, zu Fichtes Teleologie: sie ist der Form nach der
älteren Teleologie der Endlichkeit verhaftet, insofern sie den Gegensatz von
Zweckbestimmtheit und Naturkausalität nicht wahrhaft überwindet, son-
dern die Subjekt-Objekt-Einheit nur als die schlechte Unendlichkeit des
Sollens bestehen lässt. (Vgl. zur endlichen Teleologie auch: Vorlesungen
über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 638.) – Mit großer
Berechtigung kann Hegel hinsichtlich seiner Konzeption der inneren
Zweckmäßigkeit bis zu Aristoteles zurück gehen: der unbewegte Beweger,
der „in der Weise eines Geliebten“ alles in Bewegung hält, und die inneren
Formen der Natur sind das „zweckmäßige Tun“. „... der Zweck ist das Un-
mittelbare, Ruhende, das Unbewegte, welches selbst bewegend ist; so ist
es Subjekt“ (Phänomenologie, Vorrede, S. 22). Vgl. Aristoteles: Metaphysik,
XI, 7
275
165 Kritik der Urteilskraft, § 76. Zu Hegels Beurteilung vgl.: Differenz des
Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, Werke, Bd. 1, S.
132: „... Die Betrachtungsart bleibt also ein durchaus Subjektives und die
Natur ein rein Objektives, ein bloß Gedachtes. Die Synthese der durch den
Verstand bestimmten und zugleich unbestimmten Natur in einem sinnli-
chen Verstand soll zwar eine bloße Idee bleiben...“ – Dass für Hegel auch
in Kants transzendentalem Prinzip der Deduktion der Kategorien der Geist
der Spekulation zum Ausdruck kommt, dazu vgl.: ebenda, S. 33 f.
168 Ebenda, S. 36
170 Phänomenologie, S. 25
Werke, Bd. 1, S. 93 f.
173Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S. 419. Vgl. Vorlesungen über die
Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 637 f.
177 Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Schillers Wer-
ke, Bd. 20, Weimar 1962, 14. und 15. Brief, S. 352-360. (Vgl. Ästhetik, Bd.
1, S. 70)
178Ebenda, 6. Brief, S. 323. Vgl. S. 322: „... wir sehen nicht bloß einzelne
Subjekte, sondern ganze Klassen von Menschen nur einen Teil ihrer Anla-
gen entfalten, während dass die übrigen, wie bei verkrüppelten Gewäch-
sen, kaum mit matter Spur angedeutet sind.“
181 Siehe Hegels Polemik gegen Schelling in der Vorrede der Phänomenolo-
gie, S. 19: das Absolute „für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sa-
gen pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkennt-
nis.“ Vgl. zu Schellings „Entfernung aller Gegensätze“ aus dem Absoluten:
Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (1802), 6. Vor-
lesung, Schellings Werke, Bd. 3, München 1927, S. 297; und: Bruno
(1802), ebenda, S. 132 ff. – Zur Vorgeschichte des Koinzidenzprinzips siehe
E. Hoffmann: Nikolaus von Cues, Über den Beryll, Einführung, Leipzig
1938
182 Enzyklopädie, § 215. Vgl. dazu die Stufe des subjektiven Geistes:,...Ich
ist es selbst und greift über das Objekt als ein a n s i c h aufgehobe-
nes über, ist E i n e Seite des Verhältnisses und das g a n z e Ver-
hältnis...“ (Ebenda, § 413)
186 Phänomenologie, S. 69
277
187 Ebenda, S. 32
188 Ebenda, S. 71 f.
R. Haym: Hegel und seine Zeit, Berlin 1857, S. 366. Vgl. dazu: J. Ritter:
193
199 Vgl. J. Habermas: Nachwort, Politische Schriften, S. 353 ff. – Siehe aber
dazu Hegels Brief vom 9. II. 1797 an Nanette Endel: „... und da ich finde,
dass es eine völlig undankbare Arbeit sein würde, den Menschen hier ein
Beispiel der Art zu geben, und dass der heilige Antonius von Padua sicher-
lich mehr ausgerichtet hat, da er den Fischen predigte, als ich hier durch
ein solches Leben je ausrichten würde, so habe ich mich nach reiflicher
Überlegung entschlossen, an diesen Menschen nicht bessern zu wollen, im
Gegenteil mit den Wölfen zu heulen...“ (Briefe, Bd. I, S. 49)
201 Vgl. dazu G. Lukács: Der junge Hegel, Berlin 1954, S. 169 f.
202 Politische Schriften, S. 17. Die Kritik und die Belehrung knüpfen also –
unter Ausschaltung subjektiver Willkür – an die besonderen Gegensätze
an, die sich allmählich innerhalb des Bestehenden selbst entwickeln und
die die Allgemeinheit des Bestehenden zur Besonderheit herab setzen (vor
allem das Staatsrecht zum Privatrecht). Dies wird mit Recht betont von H.
Popitz (Der entfremdete Mensch, Basel 1953, S. 37 ff.), der aber inhaltlich
nicht differenziert, indem er behauptet – entsprechend seiner allgemeinen
Tendenz, Marx auf Hegel zurück zu führen –, dass Marx „dieselben Fragen
wieder aufnimmt und in ähnlicher Weise beantwortet“ (S. 37).
204 Ebenda, S. 25
206 Phänomenologie, S. 15
209 Vgl. Vorrede, Werke, Bd. 17, S. 20 f.: „...die Not der Zeit und das Inte-
resse der großen Weltbegenbenheiten... hat auch unter uns eine gründli-
che und ernste Beschäftigung mit der Philosophie zurückbedrängt... Las-
sen Sie uns gemeinschaftlich die Morgenröte einer schöneren Zeit begrü-
ßen, worin der bisher nach außen gerissene Geist in sich zurückkehren
und zu sich selbst zu kommen vermag...“ Rede zum Antritt des philosophi-
schen Lehramtes an der Universität Berlin, 22. Oktober 1818; Berliner
Schriften, herausgegeben von J. Hoffmeister, Hamburg 1956, S. 4: „Nun,
nachdem dieser Strom der Wirklichkeit gebrochen und die deutsche Nati-
on überhaupt ihre Nationalität, den Grund alles lebendigen Lebens, geret-
tet hat, so ist dann die Zeit eingetreten, dass in dem Staate neben dem Re-
giment der wirklichen Welt auch das freie Reich des Gedankens selbstän-
dig emporblühe.“ (Im Original teilweise gesperrt.) – Vorrede zur zweiten
Auflage der Logik (1831), Bd. I, S. 22: „So aber musste der Verfasser... sich
mit dem begnügen, was es hat werden mögen... sogar unter dem Zweifel,
ob der laute Lärm des Tages und die betäubende Geschwätzigkeit der Ein-
bildung, die auf denselben sich zu beschränken eitel ist, noch Raum für
die Teilnahme an der leidenschaftslosen Stille der nur denkenden Er-
kenntnis offen lasse.“ – Vgl. auch Hegels Brief an Göschel vom 13. XII.
1830 (Briefe, Bd. III, S. 323 f.) und den Brief-Entwurf an Rakow vom 30.
III. 1831 (Briefe, Bd. III, S. 337) sowie die Charakterisierung des Jünglings
und des Mannesalters in der Enzyklopädie, § 396 (mit Zusatz), und den
Schluss der Vorlesungen über die Philosophie der Religion: „Aber diese
Versöhnung ist selbst nur eine partielle ohne äußere Allgemeinheit, die
Philosophie ist in dieser Beziehung ein abgesondertes Heiligtum und ihre
Diener bilden einen isolierten Priesterstand, der mit der Welt nicht zu-
sammengehen darf und das Besitztum der Wahrheit zu hüten hat. Wie
sich die zeitliche, empirische Gegenwart aus ihrem Zwiespalt herausfinde,
wie sie sich gestalte, ist ihr zu überlassen und ist nicht die unmittelbar
praktische Sache und Angelegenheit der Philosophie.“ (Werke, Bd. 16, S.
356). – Vom Standpunkt der konstitutionellen Monarchie wirft Hegel in der
Schrift „Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des König-
reichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816“ (1817) den Landständen
vor, die Jahre seit der französischen Revolution „verschlafen“ zu haben
und nichts gelernt zu haben aus der Erfahrung, „dass das Extrem des stei-
fen Beharrens auf dem positiven Staatsrechte eines verschwundenen Zu-
280
212 Ebenda, S. 562 f.: „Es ist so wieder ein Bruch geschehen, und die Re-
gierung ist gestürzt worden... Der Wille der vielen stürzt das Minesterium
und die bisherige Opposition tritt nunmehr ein; aber diese, insofern sie
jetzt Regierung ist, hat wieder die vielen gegen sich. So geht die Bewegung
und Unruhe fort. Diese Kollision, dieser Knoten, dieses Problem ist es, an
dem die Geschichte steht, und den sie in künftigen Zeiten zu lösen hat.“ –
Zu Hegels Kontroverse mit seinem liberalen Schüler Eduard Gans, dem
Lehrer Marxens und Gegner Hugos und Savignys (vgl. Gans: Das Erbrecht
in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. I, Berlin 1824, S. XII f.), der sich
dem Saint-Simonismus näherte (vgl. Gans: Rückblicke auf Personen und
Zustände, Berlin 1836, S. 99 ff.), siehe F. Rosenzweig: Hegel und der
Staat, München/Berlin 1920, Bd. 11, S. 218 ff.
216 Ebenda, S. 193. Vgl. Die romantische Schule, Werke, Bd. 5, S. 16 ff.;
Ludwig Börne, Werke, Bd. 6, S. 119 f.; Reisebilder, Die Stadt Lucca, Wer-
ke, Bd. 3, S. 376; Elementargeister, Werke, Bd. 5, S. 346, 353 f. Die Götter
im Exil, Werke, Bd. 7, S. 57 ff. Siehe dazu auch: P. Meinhold, Heinrich
Heine als Kritiker seiner Zeit, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesge-
schichte, VIII. Jahrg., 1956, S. 324 ff.; E. Benz: Hegels Religionsphiloso-
phie und die Linkshegelianer, ebenda, VII. Jahrg., 1955, S. 247 ff.
221 Vgl. hiermit auch Heines Bestimmung der Aufgabe des Dichters, näm-
lich in die Zukunft hinaus zu blicken, in der Vorrede zu: William Ratcliff
(1851), Werke, Bd. 2, S. 556
223 Ebenda, S. 305. – Insofern die Philosophie nicht im Bereich der Kon-
templation verharrt, sondern ins praktische Leben übergeht, muss sie ihre
„Unschuld“ verlieren und ihre Verantwortlichkeit gesteigert finden. Aber
die Problematik dieser Konsequenz expliziert Heine nicht.
224Werke, Bd. 1, S. 57. – Von dieser Auffassung Heines führt eine Linie zu
den Folgerungen, die Marx aus dem Zwiespalt von Theorie und Praxis in
Deutschland in der Einleitung „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphiloso-
phie“ (1843) zieht: „Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionie-
ren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deut-
schen ist die Emanzipation des Menschen.“ (Karl Marx/Friedrich Engels,
Werke, Bd. 1, Berlin 1961, S. 391)
282
226 F. Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deut-
schen Philosophie (1888). Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 21, Ber-
lin 1962, S. 265
229Ebenda, S. 260 f., 276, 302. Vgl. die Einleitung zu „Kahldorf über den
Adel“, Werke, Bd. 4, S. 276, wo Hegel selbst in Parallele gesetzt wird mit
Louis Philippe, insofern mit Recht, als auch dieser die Gegensätze noch
zusammenhält und „die Flamme dämpft“. – Über die Julirevolution und
das „juste Milieu“ ist Heine bald ernüchtert: „Nicht für sich... hat das Volk
geblutet und gelitten, sondern für andere. Im Juli 1830 erfocht es den Sieg
für jene Bourgoisie, die ebensowenig taugt wie jene Noblesse, an deren
Stelle sie trat, mit demselben Egoismus...“ Werke, Bd. 6, S. 140
230Vgl. Deutsche Ideologie, Karl Marx und Friedrich Engels, Werke, Bd. 4,
Berlin 1962, S. 176 ff. – Dass Hegel die deutsche philosophische Theorie
über die französische politische Praxis stellt, hindert ihn nicht, bei einem
Vergleich der Auffassung des Freiheitsprinzips in Frankreich und Deutsch-
land mit Heineschem Witz zu sagen: „Wir haben allerhand Rumor im Kopfe
und auf dem Kopfe; dabei lässt der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze
ganz ruhig sitzen, und operiert innerhalb seiner.“ (Vorlesungen über die
Geschichte der Philosophie, Bd. 19, S. 553)
als Führer besitzen; diese gehen über von der Doktrin zur Tat, dem letzten
Zweck alles Denkens, und formulieren das Programm“ (S. 307). Vgl. dazu
auch W. Harich: Heinrich Heine und die deutsche Philosophie, in: Sinn
und Form, 8. Jahrg., 1956, 1. Heft, S. 46
235 Werke, Bd. 7, S. 106. – Vgl. das erstmals 1844 im „Vorwärts“ in Paris
veröffentlichte Gedicht „Doktrin“ aus der Sammlung „Neue Gedichte“
(Werke, Bd. I, S. 319): „Trommle die Leute aus dem Schlaf,/ Trommle Re-
veille mit Jugendkraft,/ Marschiere trommelnd immer voran,/ Das ist die
ganze Wissenschaft./ Das ist dien Hegelsche Philosophie...“ – Die Annah-
me einer esoterischen Lehre Hegels findet sich.wieder in Bruno Bauers
„Posaune des jüngsten Gerichts“.
236 Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, Werke,
Bd. 5, S. 233. – Heines und Marx’ unterschiedliche Stellung zur Dialektik
Hegels übergeht W. Wieland, wenn er sagt: „Nicht übersehen sollte man
bei alledem jedoch, dass Heine hier eine Konsequenz aus der idealisti-
schen Philosophie zieht, wie sie später ganz ähnlich – nur viel radikaler,
aber auch wirkungsvoller – von Karl Marx gezogen wurde.“ (W. Wieland:
Heinrich Heine und die Philosophie. In: Deutsche Vierteljahresschrift für
Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 37. Band, 1963, S. 241.) –
Offensichtlich schließt Heines Konzeption, die letztlich letztlich den Ein-
fluss und die Wirksamkeit der Philosophie in der gesellschaftlich-
geschichtlichen Entwicklung überschätzt, einen vermittelnden Popularisie-
rungsprozess der Philosophie ein, zu dem seine eigenen Schriften beitra-
gen sollen und der tatsächlich auf dem Wege über Broschüren, Zeitschrif-
ten und Zeitungen mit der Tätigkeit der Junghegelianer, die alle keine Pro-
fessoren sind, im großen Stil einsetzt. – Zu Heines „Über-den-Parteien-
Stehen“ und Einsamkeit vgl. G. Lukács: Heinrich Heine als nationaler
Dichter, a. a. 0., S. 96 f.; H. Lichtenberger: Heinrich Heine als Denker,
Dresden 1921, S. 294: „... er stritt für die Freiheit, aber nur als Freischär-
ler...“
238 f. Ebenda, S. 432, 530. Vorrede der zweiten Auflage „Zur Geschichte
der Religion und Philosophie in Deutschland“, Werke, Bd. 5, S. 168 ff.
Brief an Laube vom 25. I. 1850, Werke, Bd. 9, S. 337 f.
240Prolegomena, S. 8 f.: „Er hat nämlich in seinem Werke mit keiner Silbe
der Zukunft erwähnt... Wir unsererseits müssen jedoch von vornherein
behaupten, dass ohne die Erkennbarkeit der Zukunft als einen integrieren-
den Teil der Geschichte, welche die Realisation der Bestimmung der
Menschheit darstellt, unmöglich zum Erkennen der organischen und ideel-
len Totalität, so wie des apodiktischen Prozesses der Weltgeschichte zu ge-
langen ist.“
242 Vgl. G. Lukács: Moses Heß und die Probleme der idealistischen Dialek-
tik, Leipzig 1926, S. 6 ff.
245 Ch. Fourier : Oeuvres complètes, Bd. II, Paris 1843, S. 197
251 Ebenda, S. 51
286
252 Ebenda, S. 22
255Ebenda, S. 36. Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, Paris 1848, S. 117. Aus dem pol-
nischen „Ojcze-Nasz“ wird zitiert nach der Dissertation von A. Žółtowski:
Graf August Cieszkowskis „Philosophie der Tat“, Posen 1904
258 Prolegomena, S. 33
260 Ebenda, S. 114: „Es soll jetzt der absolute Wille zu einer solchen Höhe
der Spekulation emporgehoben werden, wie es bereits mit der Vernunft
geschah, wozu sich schon sehr tiefe Andeutungen bei Fichte dem Ältern
finden...“ (Im Original teilweise gesperrt)
Hegel, der Dogmatismus und Utopie aufs schärfste verurteilt hatte und
stets bestrebt gewesen war, Denken und Sein aufs engste zu verbinden,
löste Cieszkowski nach Fichteschem Vorbild diese Vereinigung auf, indem
er das Denken als Wille in seinem steten Gegensatz zur bestehenden Wirk-
lichkeit betrachtete.“ Ähnlich, aber differenzierter: H. Stuke, a. a. 0., S.
121
263 Ebenda, S. 120. Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 234. In diesem Sinne heißt es
in den Nachlassnotizen zu Cieszkowskis Sendschreiben an Michelet „Gott
und Palingenesie“ (1842) : „Die Theorie ist das Vortrefflichste! sagen noch
viele Blödsinnige, die nicht einsehen, dass die Theorie, insofern sie nur
Theorie ist, nimmermehr das Vortrefflichste sein kann, denn jedes Nur
deutet auf ein Noch. Das Vortrefflichste kann nicht eine Einseitigkeit, eine
Abstraktion sein. Das Vortrefflichste... ist der Geist...“ Abgedruckt bei: W.
Kühne, a. a. 0., S. 441
267 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 41 f., 54 f. Ojcze-Nasz, Bd.
III, S. 63 ff.
269 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 54 f., 111, 113 f. Kühne, a.
a. 0., S. 102, 117 ff., 263 ff.
271 Ebenda, S. 20
272 Ebenda, S. 70. – Vgl. Constantin Frantz: Grundzüge des wahren und
wirklichen absoluten Idealismus, Berlin 1843, S. 210 f. Siehe zur Forde-
rung der praktischen Realisierung der philosophischen Prinzipien von
nicht-junghegelianischer Seite auch E. Quinet: Allemagne et Italie, Bruxel-
les 1839, Bd. 1, S. 44 ff.; K. Th. Bayrhoffer: Die Idee und Geschichte der
Philosophie, Leipzig 1838, S. 425 ff.
288
274 Dagegen behauptet Cornu, a. a. 0., Bd. I, S. 133: „Wie alle Idealisten
betrachtete Cieszkowski die Praxis nicht als revolutionäre Tätigkeit, die
sich zum unmittelbaren Ziel die tatsächliche Umwälzung der bestehenden
Gesellschaftsordnung setzt, sondern als Kritik, die die herrschenden Zu-
stände dadurch verändern soll, dass sie diese prinzipiell und theoretisch
negiert.“
275 Prolegomena, S. 19
276Ebenda, S. 143: „Man hat also ganz richtig gesagt, dass die revolutio-
nären Bewegungen unserer Zeit aus der Philosophie hervorgegangen sind;
aber man hätte hinzufügen sollen, dass, nachdem die Philosophie ihre
Klassizität erreicht haben werde, umgekehrt aus ihr eine Evolution zu er-
warten wäre...“
277Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 229; Bd. II, S. 233. (A. Žółtowski, a. a. 0., S.
110, 124.) De la pairie et de l’aristocratie moderne, Paris 1844, S. 161: „Es
wäre wohl Zeit, das kritische Zeitalter der Revolutionen zu schließen, um
in das der organischen Evolutionen einzutreten.“ (W. Kühne, a. a. 0., S.
130 ff.) – Cieszkowskis Konservatismus macht H. Stuke, a. a. 0., S. 35 f.,
mit Recht geltend gegenüber R. Lauth: Einflüsse slawischer Denker auf die
Genesis der Marxschen Weltanschauung, in: Orientalia Christiana Periodi-
ca, XXI, Rom 1955, und in: Die „verwirtschaftete“ Humanität. Grundvor-
aussetzungen der philosophischen Weltanschauung von Karl Marx, in:
Neue Deutsche Hefte, Jahrg. 2,1955/56
283 Mickiewicz’ Stellung zu Hegel und seine Kenntnis der Althegelianer er-
hellt aus seiner Auffassung, dass die „deutschen Philosophen“ „nur da-
nach streben, das Bestehende zu erklären und zu rechtfertigen. Hegels
Axiom: was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist
vernünftig – stellt die Begründung aller ihrer Systeme dar“; Ausgewählte
Werke fortschrittlicher polnischer Denker, Moskau 1956, Bd. II, S. 328
(russisch)
286Strauß’ Brief an Vischer vom 15. III. 1838. Ausgewählte Briefe von Da-
vid Friedrich Strauß. Herausgegeben und erläutert von Eduard Zeller,
Bonn 1885, S. 55 f. Vgl. die Briefe an Vischer vom 24. X. 1844, S. 163, an
Kaufmann vom 7. XII. 1851, S. 299 (später abgekürzt als: Briefe); Streit-
schriften zur Verteidigung meiner Schrift über das Leben Jesu und zur
Charakteristik der gegenwärtigen Theologie, zweites Heft, Tübingen 1837,
S. 199 (später abgekürzt als: Streitschriften); Zwei friedliche Blätter, Alto-
na 1839, S. 100
287 F. Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deut-
schen Philosophie. Karl Marx/ Friedrich Engels. Werke. Bd. 21. Ber-
lin1962, S. 271
292Brief an Rapp vom 3. IV. 1848, Briefe, S. 206. Vgl. Brief an Vischer vom
13. IV. 1848, Briefe, S. 207 f.; Brief an Rapp vom 23. VII. 1843, Briefe, S.
153
299Phänomenologie des Geistes, Werke, Bd. 2, S. 426; vgl. S. 582 f.; Vorle-
sungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 200 f. Siehe
dazu: Strauß: Streitschriften, III, S. 76-94
300 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 297
291
301 Ebenda, S. 282 ff.; Phänomenologie des Geistes, Werke, Bd. 2, S. 582
307 Leben Jesu, Bd. II, S. 739 f. Vgl. Streitschriften, III, S. 71 ff. Zwei fried-
liche Blätter, Altona 1839, Vorwort, S. XX, XXXII; darin: Vergängliches
und Bleibendes im Christentum, S. 98, 109 ff. Das Leben Jesu für das
deutsche Volk bearbeitet, Bonn 1895, S. XXVIII, S. 388
312 Die heilige Familie, Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke, Bd. 2, Berlin
1959, S. 147. – Zu Bruno Bauers entgegengesetzter (von Marx ebenfalls als
einseitig gekennzeichneten) Betrachtung der Evangelien als absicht-
lich-schriftstellerische „Schöpfung des Selbstbewusstseins“ und zu seiner
entsprechenden Kritik an Strauß’ Mythentheorie und Traditionshypothese
siehe vor allem: Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. I,
Leipzig 1841, Vorrede, S. VII ff.
321 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 4. Die Halben und die Ganzen, Gesammel-
te Schriften, Bd. 5, S. 181 f.: „Feuerbach... hat das Doppeljoch, worin bei
Hegel Philosophie und Theologie noch gingen, zerbrochen. Er hat gezeigt,
dass Religion und Philosophie mitnichten denselben Inhalt, nur unter ver-
schiedenen Formen, haben. Er hat... jeder der beiden Sphären ihren be-
sonderen Schwerpunkt zurückgegeben. Er hat das Bestreben, in den ein-
zelnen christlichen Dogmen entsprechende philosophische Wahrheiten
verkörpert finden zu wollen, als ein verkehrtes nachgewiesen... und auf
diesem Standpunkte, nun auch mit dem anderen Fuß aus der Hegelschen
Schule herausgeschritten, habe ich meine Glaubenslehre geschrieben.“
Vgl. auch den Brief an Märklin vom 22. VII. 1846, Briefe, S. 184: „...seine
Theorie ist die Wahrheit für diese Zeit.“ Feuerbach habe ihn, so gesteht
Strauß, überholt. Siehe dazu: S. Eck (Anhänger der liberalen – von der Re-
ligion die Grundlegung der „sittlichen Organisation des Menschen“ erwar-
tenden – Theologie A. Ritschls): David Friedrich Strauß, Stuttgart 1899, S.
105 f.
322 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 13: „Wenn daher Hegel die Form der Vor-
stellung, in welcher ihm zufolge die Religion den absoluten Inhalt hat, un-
gescheut als eine untergeordnete, inandäquate bezeichnet: so fragt sich,
ob in einer endlichen Form der Inhalt als absoluter vorhanden sein kann,
und nicht vielmehr mit dieser Form selbst ein endlicher, der Idee unange-
messener, wird?“
324 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 70: „... Aber vermitteln ist ein schweres
Amt: und doch nehmen es die meisten damit so erstaunlich leicht. Nicht
jedermann besitzt den Apparat und die Ausdauer, womit Schleiermacher
Christentum und Spinozismus zum Behuf der Mischung so fein pulveri-
sierte, dass ein scharfes Auge dazu gehört, die vermischten Bestandteile zu
unterscheieden...“ – Im übrigen streitet Strauß erfolgreich gegen die Bevor-
zugung des Johannes-Evangeliums durch Schleiermacher (der ihn von der
Theosophia Jakob Böhmes und dem Somnambulismus Justinus Kerners
befreit; vgl. E. Zeller: David Friedrich Strauß in seinem Leben und seinen
Schriften, Bonn 1874, S. 16 ff.), wobei er der Authentizität dieses Evange-
liums nur in der dritten Auflage seines „Leben Jesu“ (1838; cfr. Vorrede, S.
IV f.) – kurz darauf widerrufene – Zugeständnisse macht, ohne dass
Strauß allerdings erkennt, was Herder einsah: dass Markus das älteste
Evangelium ist und Matthäus und Lukas von ihm abhängig sind, wie denn
Strauß überhaupt auf die Quellenkritik erst im „Leben Jesu“ für das deut-
sche Volk bearbeitet“ (1864) näher eingeht; siehe dazu K. Fischer: Ge-
294
331 Über Ruges anfängliche Stellung zu Strauß siehe: Leo und die Evange-
lische Kirchenzeitung gegen die Philosophie, Hallische Jahrbücher für
deutsche Wissenschaft und Kunst (später abgekürzt als: Hallische Jahr-
bücher), 1838, S. 1888: „Die Philosophie bestreitet weder die biblische
noch die dogmatische Wahrheit, im Gegenteil sie rehabilitiert dieselbe in
dem gegenwärtigen Bewusstsein und in der Form dieses Bewusstseins.“
Vgl. Hallische Jahrbücher, 1839, S. 985 ff. (David Friedrich Strauß: Zwei
friedliche Blätter), wo Ruge den Schweizern hinsichtlich der Züricher Affä-
re vorwirft, sich politisch praktisch statt rein wissenschaftlich-theoretisch
gegenüber Strauß verhalten zu haben. (Siehe auch: Der Freihafen, ebenda,
S. 96 ff.) Hallische Jahrbücher, 1840, S. 2489 ff., hebt Ruge an Strauß’
„Glaubenslehre“ die geschichtliche Behandlung der Dogmen hervor; dazu:
W. Neher: Arnold Ruge als Politiker und politischer Schriftsteller, Heidel-
berger Abhandlungen, Heft 64, Heidelberg 1933, S. 57 f. Vgl. auch: Deut-
sche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst (später abgekürzt als: Deut-
295
331aAus früherer Zeit, Berlin 1887, Bd. IV, S. 496 (später abgekürzt als:
Aus früherer Zeit)
331b Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 5 f.: „Wir werden
damit anfangen, eine kritische Zeitschrift zu schreiben, und wir denken,
ihr diesen Namen dadurch zu verdienen, dass wir in ihr eine philosophi-
sche und publizistische Darstellung der Krisen unserer Zeit geben.“
331cVgl. z. B. Deutsche Jahrbücher, 1843, Vorwort, S. 2, wo Ruge fragt, ob
die Kritik dem Volk dazu verhelfen könne, „alle Herrlichkeiten des befrei-
ten Innern... zur Gemüts- und Willenssache... zu verdichten... ist es nicht
vielmehr ihr Begriff, dass sie nur scheidet, nicht verbindet, nur auflöst,
nicht verdichtet? Das ist er...“ Vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 17 nnd 33, wo
die Kritik als „Auflösung“ allen Systemen entgegen gestellt wird. Allerdings
sei die Auflösung „nur eine Metamorphose, nicht eine Vernichtung“ (eben-
da, S.123)
333 Ebenda, S. 763. Vgl. Brief an Rosenkranz vom 17. XI. 1839, Briefwech-
sel, Bd. I, S. 185 f.
335 Brief an Marx vom 28. 3. 1841, in: Karl Marx und Friedrich Engels,
Historisch-kritische Gesamtausgabe (später abgekürzt als: MEGA), Frank-
furt a. M. und Berlin 1927, I, 1; 2, S. 247. (Siehe auch Ruge, Deutsche
Jahrbücher, 1843, Vorwort, S. 1:,... man darf das Vertrauen zu dem Terro-
rismus der Vernunft nie verlieren, wenn man nicht den Boden unter sei-
nen Füßen verlieren will.“) Vgl. dazu H. Stuke: Philosophie der Tat, Stutt-
gart 1963, S. 162
B. Bauer: Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten
336
und Antichristen (1841), wieder abgedruckt in: Die Hegelsche Linke, Texte,
296
Aus früherer Zeit, S. 511 ff., 527. Siehe auch: W. Piechocki: Die kom-
336a
337 Vgl. Ruges Brief an Fleischer vom 12. 12. 1842: „Die ,Freien‘ sind eine
frivole und blasierte Clique... B. Bauer... heftete mir die lächerlichsten
Dinge auf die Nase, z. B. der Staat und die Religion müssten im Begriff
aufgelöst werden, das Eigentum und die Familie dazu...“ Arnold Ruges
Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825-1880, herausg. v.
P. Nerrlich, Berlin 1886 (später abgekürzt als: Briefwechsel), Bd. 1, S. 290.
Auch Marx bricht mit den „Freien“ kurz nach Übernahme der Redaktion
der „Rheinischen Zeitung“ im Oktober 1842 und tritt auf die Seite Ruges
und Herweghs.
340Aus früherer Zeit, S. 472. Siehe dazu: H. Rosenberg: Arnold Ruge und
die Hallischen Jahrbücher, Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 20, S. 285 ff.
– Zu Ruges Einschätzung der zum Vorbild genommenen französischen
Aufklärer vgl. den Brief an Stahr vom 7. XI. 1841, Briefwechsel, Bd. 1, S.
297
247: „Die Kerle schreiben Schwerter und Dolche, sie sind mächtiger als
Kanonen und Bajonette.“
342 MEGA I, 1; 1, S. 64
347 Siehe K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 96 ff., 224
298
349 Vgl. den Brief an Stahr vom 23. II. 1843, Briefwechsel, Bd. I, S. 299
350 Ebenda, S. 762. Vgl. Der Protestantismus und die Romantik, Hallische
Jahrbücher, 1840, S. 417 f. Zur Kritik des gegenwärtigen Staats und Völ-
kerrechts ebenda, S. 1211. Politik und Philosophie, ebenda, S. 2331. Vor-
wort zum 1. Jahrg. der Deutschen Jahrbücher, 1841, S. 2. Vorwort zum
letzten Jahrg. der Deutschen Jahrbücher, 1843, S. 6
353 Die Allgemeine Literaturzeitung über Strauß, oder der alte und der
neue Rationalismus, Hallische Jahrbücher, 1841, S. 271: „Die Hegelsche
Philosophie hört bei sich, bei der theoretischen Systematisierung von Geist
und Natur, von Geschichte und Dasein auf, sie besinnt sich über alles,
nur nicht über sich selbst, denn es entgeht ihr, dass sie mit diesem ihrem
System der bisherigen Vernunft nun die Forderung des zukünftigen ver-
nünftigen Werdens ist. “ Vgl.: Der Protestantismus und die Romantik, Hal-
lische Jahrbücher, 1840, S. 417. f. : „... die absolute Tatenlust des befrei-
ten Geistes, der reformatorische Enthusiasmus, der unsere Mitwelt überall
ergreift, begnügt sich nicht mit der Hegelschen Beschaulichkeit, welche in
theoretischer Selbstzufriedenheit dem Prozesse bloß zusieht und jede Ab-
surdität konstruiert, sondern handelt, fordert, gestaltet...“
360 Die Denunziation der Hallischen Jahrbücher, 1838, S. 1433. (Der letzte
Satzteil des Zitats ist im Original gesperrt.) Vgl. dazu; A. Rosenberg, a. a.
0., S. 291. Siehe auch Ruge: Deutscher Musenalmanach für das Jahr
1839, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 661 f.; Nachträgliches zur Reforma-
tionsfeier, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 1336; Gedichte von J. P. E-
ckermann, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 869 f.; Literarische Zustände
und Zeitgenossen, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 2,98 ff.; Das Wesen und
Treiben der Berliner Evangelischen Kirchenzeitung, Hallische Jahrbücher,
1839, S. 1409; K. Gutzkow, Blasedow und seine Freunde, Hallische Jahr-
bücher, 1839, S. 1047 ff., S. 1054: „Die Erkenntnis hat sich das unterge-
ordnete Gebiet des Lebens nicht zum Zweck zu setzen, sondern nur sich
selbst. Die Jahrbücher lehnen daher die Zumutung ab, sich mit Parteiinte-
resse ins praktische Gebiet einzulassen...“
tat der Literatur sind (S. 135 f.). Vgl. auch: Leo und die Evangelische Kir-
chenzeitung gegen die Philosophie, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 1881-
1896; Aufgabe der Philosophie ist für Ruge hier die Vermittlung des gege-
benen Inhalts der Religion in neuer begrifflicher Form ganz im Sinne von
Strauß’ „Leben Jesu“ (S. 1888). – Siehe auch E. Meyen: Heinrich Leo. Der
verhallerte Pietist, Leipzig 1838; K. F. Köppen: Noch ein Wort über Leos
Geschichte der französischen Revolution, Deutsche Jahrbücher, 1842, S.
513 ff.
365 Aus früherer Zeit, a. a. p., S. 487. – Das Manifest, Hallische Jahrbü-
cher, 1839, S. 1953 ff., schreibt Ruge zusammen mit Echtermeyer, mit
dem er sich aus Streit über das „Ideeneigentum“ entzweit; vgl. dazu: Aus
früherer Zeit, a. a. 0., S. 541 ff. Im Manifest wird Schiller als Praktiker und
Goethe als Theoretiker bezeichnet, insofern der eine „sein Denken reali-
siert, hinausbildet“, der andere „die Welt auf sich eindringen lässt“. „Das
einseitige theoretische Verhalten führt zur Ironie, zur zwecklosen Absorp-
tion der Welt in den Abgrund. des widerstandslosen Ich, das sich damit
zur affektlosen Camera obscura der Objektivität herabsetzt. Goethe er-
kannte daher Schiller als seine andere Seite vollkommen an.“ (S. 422)
367Sämtliche Werke, Berlin 1867, Bd. V, S. 78 f.: „Die Kritik in den Jahr-
büchern zeigte sich damals aber noch zu sehr in der Hegelschen Philoso-
phie befangen. Indessen war es gerade die philosophische Umhüllung,
welche die Veröffentlichung der Kritik möglich machte. Direkt politische
Kritik war noch verfänglicher als direkt religiöse, musste daher anfangs
vermieden werden... Indessen gelang es in einem Aufsatz über das
301
,Preußentum‘, das Prinzip der Regierung, wenn auch wieder nur verhüllt,
auszusprechen. Wir nannten Preußen ,katholisch‘, das freie Prinzip dage-
gen, von dem es abfiele, den Protestantismus.“
368aVgl. dazu M. Lange: Arnold Ruge und die Entwicklung des Parteilebens
im Vormärz, in: Einheit, 1848, Heft 7, S. 637
369 Siehe A. Cornu: Karl Marx und Friedrich Engels, Berlin 1954, S. 141
370 Hallische Jahrbücher, 1840, S. 673 ff., 2241 ff. Vgl. auch die Kritik an
dem „System der Nichtbeteiligung des Volks“ in: Die Leipziger Zeitung und
die öffentliche Meinung, Hallische Jahrbücher, 1841, S. 150 ff.
372Ebenda, S. 682. Vgl. zu Ruges Negation des Christentums und des Ab-
solutismus den Brief an Prutz vom 8. I. 1842, Briefwechsel, Bd. I, S. 259.
Siehe auch: Zwei Jahre in Paris, S. 291, wo die Religion als „ein Produkt
der Not“ bezeichnet wird.
375Ebenda, S. 5. Vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 12: „Mit dem Scheitern der
Bauernkriege verlor der deutsche Protestantismus seinen demokratischen
und tatkräftigen Herzschlag; er machte seitdem alle Menschen zu Mön-
chen ,in der Gemeinde der Heiligen‘, zu Spießbürgern im Leben und zu
Theologen in der Wissenschaft.“
376Ebenda, S. 11. – Ruges Rede in der 45. Sitzung der Deutschen Natio-
nalversammlung in der Frankfurter Paulskirche mit der Forderung, das
für das Militär ausgegebene Geld „zu Zwecken der Industrie und der Bil-
dung des Volkes anzuwenden“, ist abgedruckt in Arnold Ruge: Der Patrio-
tismus, Frankfurt a. M. 1968, S.99 ff.
377Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, Bd. I, S. 76. Darüber, dass nach Ru-
ges an Kant erinnernden Ansicht der Mensch stets Zweck, nie Mittel sein
302
darf, vgl.: Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben, Hannover 1868, Bd. IV,
S. 59 ff.
379Vgl. Aus früherer Zeit, S. 360; Zwei Jahre in Paris, S. 304 f. Siehe dazu:
K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 335
380 Aus früherer Zeit, S. 360, 365 f., 72, 84; Ruges Brief an seine Mutter
vom 28. III. 1844, Brief an Fleischer vom 9. VII. 1844, Briefwechsel, Bd. I,
S. 342, 359; Brief an Feuerbach vom 15. V. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S.
352: „Weder die komplizierten Vorschläge der Fourieristen noch die Eigen-
tumsaufhebung der Kommunisten sind klar zu formulieren. Beides läuft
immer auf einen förmlichen Polizei- und Sklavenstaat hinaus. Um das Pro-
letariat von der Not und von dem Druck der Not geistig und körperlich zu
befreien, denkt man an eine Organisation, die alle Menschen an dieser Not
und diesem Druck teilnehmen lässt.“
381Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, Bd. I, S. 60 ff.; Studien und Erinne-
rungen, Mannheim 1847, S. 39. Zu Heß’ Kritik an Ruge, die ursprünglich
in der „Deutschen Ideologie“ erscheinen sollte, siehe Moses Heß: Philoso-
phische und sozialistische Schriften 1837-1850, herausg. u. eingel. v. A.
Cornu u. W. Mönke, Berlin 1961, S. 403 ff., 479 f.
381a Zwei Jahre in Paris, Der Egoismus und die Praxis: Ich und die Welt, S.
125 ff. Vgl. den Brief an seine Mutter vom 17. XII. 1844, Briefwechsel, Bd.
I, S. 386. Auf Stirner beruft sich Ruge auch in seiner Polemik gegen den
Kommunismus: „Er kritisiert den Kommunismus sehr gut und entwickelt,
dass erst der erwachte Egoismus der Unterdrückten die wahre Quelle der
Bewegung ist.“ (Brief an Fröbel vom 6. XII. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S.
382)
382 Vgl. Ruges Briefe über Marx an seine Mutter vom 6. X. und 23. X.
1844, an Fröbel vom November 1844 und vom 6. XXI. 1844, Briefwechsel,
Bd. I, S. 367 ff., 371, 380 ff.; über Bakunin siehe die Briefe an Fröbel vom
16. X. 1844, an Fleischer vom 23. XI. 1844, an seine Mutter vom 17. XII.
1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 369, 374 ff., 385
383„Vorwärts“, 27. Juli 1844. Vgl. Ruges Brief an Fleischer vom 9. Juli
1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 359. Siehe auch J. Fröbel: Das Verbrechen
der Religionsstörung nach den Gesetzen des Kantons Zürich, Zürich und
Winterthur 1844, S. 119. Vgl. E. Feuz: Julius Fröbel, Bern 1932
303
384 Offener Brief an Herrn Börnstein, „Vorwärts“, 3. VII. 1844. Vgl. auch
Ruges Entgegnung auf Marx’ Polemik im „Vorwärts“ vom 17. VIII. 1844.
Siehe dazu: D. J. Rosenberg: Die Entwicklung der ökonomischen Lehre
von Marx und Engels in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, Berlin
1958, S. 207 ff. – Nach dem Erscheinen der „Heiligen Familie“ von Marx
und Engels schreibt Ruge (auch mit Bezug auf Moses Heß) im Brief an
Fleischer vom 27. V. 1845, Briefwechsel, Bd. I, S. 396: „Übrigens ist es ein
großer Irrtum, dass die materiellen, reellen Interessen für sich ein Agens
abgeben und Geschichte machen könnten.“
385Vgl. Polemische Briefe, Mannheim 1847, S. 252 ff. Zwei Jahre in Paris,
S. 294: „Die Aufhebung des Patriotismus in Humanismus ist eine Form
des gegenwärtigen Freiheitsproblems...“
386 Vgl. Zwei Jahre in Paris, Bd. II., S. 133 f.: „Die theoretische Befreiung
ist nirgends in der Welt so gründlich vorhanden und fortdauernd im Werke
als in Deutschland Die Geburt der wirklichen, der praktischen Freiheit ist
der Übergang ihrer Forderung an die Masse. Diese Forderung ist das Sym-
ptom der verdauten Theorie und ihres Durchbruchs in die Existenz... Das
Ende der theoretischen Befreiung ist die praktische. Die Praxis ist aber
nichts anders, als die Bewegung der Massen im Sinne der Theorie, der
Herzschlag der ewig jungen Welt.“ – Gegen das Zitat Goethes, die Masse sei
nur im Zuschlagen respektabel (in Hegels Rechtsphilosophie, § 317, An-
merkung), siehe: Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts,
Hallische Jahrbücher, 1840, S. 1235 f. Dagegen hatte Ruge in dem Aufsatz
„Unsere gelehrte kritische Journalistik“ (1837) behauptet, die Philosophie
sei „ihrem Begriff nach unpopulär“: Aus früherer Zeit, S. 461
393 Parteikämpfe, Bd. III, S. 173; vgl. S. 28 mit Bezug auf Moses Heß
394 Literatur-Zeitung, Heft 6, S. 34: „Die Kritik hat, wie gesagt, aufgehört,
politisch zu sein. Früher Ansichten durch Ansichten, Systeme durch Sys-
teme, Gesinnung durch Gesinnung bekämpfend, ist sie jetzt ansicht-, sys-
tem-, gesinnungslos geworden.“ Vgl. dagegen Ruge: Wer ist und wer ist
nicht Partei, Deutsche Jahrbücher 1842, S. 190 ff., sowie Herweghs Ge-
dicht „Die Partei“
397Edgar Bauer: Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842, S. 89. Vgl.
dagegen Marx: Das Elend der Philosophie (1847), Werke, Bd. 4, S. 133:
„Sowie man sich nur das Problem stellt, die schlechte Seite auszumerzen,
schneidet man die dialektische Bewegung entzwei.“
399Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Anti-
christen. Ein Ultimatum. Leipzig 1841, in: Die Hegelsche Linke, Texte,
ausgewählt und eingeleitet von K. Löwith, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962,
S. 164 (später abgekürzt als: Die Posaune). Vgl. Das entdeckte Christen-
tum, S. 155: „In dem echten Hegelschen System wenigstens hat der Begriff
noch zum Teil den Anschein einer hypostatischen Macht, die abgesondert
vom Selbstbewusstsein ihr Leben zu führen imstande ist...“ Siehe dazu
Marx’ Kritik an der Begriffsverselbständigung – aber nicht gegenüber dem
Selbstbewusstsein, sondern gegenüber der sinnlichen geschichtlichen und
natürlichen Welt – in der „Heiligen Familie“ unter der Überschrift „Das Ge-
heimnis der spekulativen Konstruktion“
406 K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 56: „Das Wissen
revolutioniert durch seine freie Form auch den substantiellen Gehalt.“ Al-
lerdings ist nicht anzunehmen, dass Hegel mit „wirklicher Gestaltung“ die
„Gestaltung einer neuen Philosophie“ meinen kann, wie Stuke behauptet
(a. a. 0., S. 65, Anm. 52)
412 Die Posaune, S. 174. Vgl. Bauers Berufung auf die Aufklärung, beson-
ders auf Joh. Christ. Edelmann, in: Das entdeckte Christentum, S. 89 ff.,
sowie in: Hegels Lehre von der Religion und Kunst von dem Standpunkte
des Glaubens aus beurteilt, Leipzig 1842, S. 44, 70 ff., wo eine Linie Vol-
taire, Hegel, Bauer konstruiert wird; ferner: Geschichte der Politik, Kultur
und Aufklärung des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Charlottenburg 1843/45;
über Edelmann siehe Bd. I, S. 204 ff. In der „Allgemeinen Literatur-
Zeitung“ wird Bauers Einstellung zur Aufklärung ablehnender.
413Die Posaune, S. 194. Vgl. Der christliche Staat und unsere Zeit, in:
Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 537 ff.
416 Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Bd. 19, S. 96.
Vgl. Die Posaune, S. 170. Siehe auch: D. Koigen: Zur Vorgeschichte des
modernem philosophischen Sozialismus in Deutschland, Bern 1901 S. 59
ff.
420 Vgl. auch: Denkwürdigkeiten zur Geschichte der neueren Zeit seit der
Revolution, 7 Bde., Charlottenburg 1843/44. Die Kritik an der Masse ver-
bindet Bauer auch mit der Kritik an Feuerbachs Begriff der Gattung als
einer Macht, die der Mensch „der Kritik nicht unterwerfen darf“ und die
„seinem Einfluss und seiner Tätigkeit schlechthin entzogen ist“; Litera-
tur-Zeitung, Heft 7, S. 45; Vgl. Charakteristik Ludwig Feuerbachs, in: Wi-
gands Vierteljahresschrift, Leipzig 1845 Bd. 3, S. 95: „Bei Feuerbach hat
die Hegelsche Substanz das Selbstbewusstsein besiegt.“
307
421 Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werk Bd. 18, S. 428
f.
422 Vgl. Aristoteles’ Politik, 1333 a 30 ff. Siehe dazu H. Marcuse: Über den
affirmativen Charakter der Kultur, in: Kultur und Gesellschaft I, Frankfurt
1965, S. 56 ff. Erneuert findet sich die asketische Trennung von Bewusst-
seinserhellung und Praxis u. a. in Aldous Huxleys „Brave New World“ und
erst recht in seiner späteren „buddhistischen“ „Philosophia perennis“; da-
zu siehe: Th. W. Adorno, Aldous Huxley und die Utopie, in: Prismen, Mün-
chen 1963, S. 105
423 Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. I, Leipzig 1841,
S. XV; Hegels Lehre von der Religion und Kunst, Leipzig 1842, S. 59. (Dazu
siehe: Vorläufiges über Bruno Bauer, in: Deutsche Jahrbücher, 1841, S.
418.) Vgl. Bauers Rezension über Strauß’ „Christliche Glaubenslehre“,
Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 81-95; S. 84 in Anlehnung an Feuerbach:
„Sobald es entschieden ausgesprochen ist, dass der Standpunkt der Reli-
gion der praktische, der der Philosophie der theoretische ist, dass es sich
in der Philosophie um die Natur der Sache, in der Religion um die Bedürf-
nisse des Subjekts handele, so ist damit die letzte Entscheidung über das
Verhältnis der Religion und Philosophie gegeben.“ – Zu Bauers Religions-
kritik siehe: G. Runze: Bruno Bauer redivivus, Berlin 1934, S. XIII f.; S.
Hook: From Hegel to Marx, London 1936, S. 90 ff.; H. Steußloff: Bruno
Bauer als Junghegelianer und Kritiker der christlichen Religion, in: Deut-
sche Zeitschrift für Philosophie, Heft 9/ 1963; M. Kegel: Bruno Bauer und
seine Theorien über die Entstehung des Christentums, Leipzig 1908; D.
Hertz-Eichenrode: Der Junghegelianer Bruno Bauer im Vormärz, Berlin
1959, S. 13 ff.; A. Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tü-
bingen 1913, S. 141 ff.
426Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 115. Vgl. Die gute Sache der
Freiheit und meine eigene Angelegenheit, Zürich und Winterthur 1842, S.
209: „Die Theorie, die uns so weit geholfen hat, bleibt auch jetzt noch un-
sere einzige Hilfe, um uns und andere frei zu machen. Die Geschichte, ü-
ber die wir nicht gebieten und deren entscheidende Wendungen über die
absichtliche Berechnung hinausliegen, wird den Schein stürzen und die
Freiheit, die uns die Theorie gegeben hat, zur Macht erheben, die der Welt
eine neue Gestalt gibt.“
308
430 Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 85; hinsichtlich der Religion sagt Bau-
er: „Gegen ein Wesen, welches mir durchaus fremd bleiben soll, kann ich
mich nicht theoretisch verhalten, d. h. ich kann mich mit ihm nicht ver-
ständigen...“
433 Ebenda, S. 94
434 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 15, S. 108
436 Kritik der Geschichte der Offenbarung, Bd. I, Berlin 1838, Einleitung,
S. XXIII; S. LI: „An seinem Nichtsein hat das Selbstbewusstsein des abso-
luten Geistes, so lange es im Werden begriffen ist, die Schranke, welche
seine Allgemeinheit begrenzt und zu endlichen Gestalten herabzieht.“
437Herr Dr. Hengstenberg. Kritische Briefe über den Gegensatz des Geset-
zes und des Evangeliums, Berlin 1839, S. 70: „Das gesetzliche Bewusst-
sein ist an dieses bestimmte Volk geknüpft... ist also gegen die andern
Völker ausschließend.“
309
439Das entdeckte Christentum, S. 109, 92, 149. Vgl. Hegels Lehre von der
Religion und Kunst von dem Standpunkt des Glaubens aus beurteilt, Leip-
zig 1842, S. 48; Theologische Schamlosigkeiten, Deutsche Jahrbücher
1841, S. 465
440 Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. III, S. 309 f.
441 Die Judenfrage, Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1101. – Dazu, dass die
Christen eher als die Juden emanzipiert werden könnten, siehe: Die Fä-
higkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu werden, in: Einundzwan-
zig Bogen aus der Schweiz, Zürich und Winterthur 1843, S. 69. Vgl. auch:
G. Julius: Bruno Bauer und die Judenfrage, in: Wigands Vierteljahres-
schrift, Bd. I, Leipzig 1844, S. 282 ff.
443 Siehe auch: Das entdeckte Christentum, S. III: „... soll oder kann der
Leisten oder die Stecknadel die ganze Seele des Menschen ausfüllen? Soll
der Mensch darin seine Religion finden, dass er zeitlebens nichts anderes
tut, als diese bestimmte Maschine für die Zubereitung einer bestimmten
Schraube zu beaufsichtigen? Soll den Menschen noch etwas Ausschließli-
ches beherrschen? Soll er nicht dazu gebildet werden, das er von keiner
allgemeinen Angelegenheit der Menschheit und Geschichte mehr ausge-
schlossen ist?“ Vgl. S. 132 die „Prophezeiung von der totalen Umwandlung
aller Lebensverhältnisse“ und Edgar Bauers Ausführungen über die „Revo-
lution der Menschheit“ in: Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842, S.
89 ff.
447Vgl. Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker, Bd. III, S. 309;
Marx’ Brief an Ruge vom Mai 1843 in den „Deutsch-Französischen Jahr-
büchern“, Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. I, Berlin 1961, S. 342
310
449 Vgl. Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 88: „... selbst diejenigen,
denen Staatsbürgerrechte durch die Geburt oder durch besondere Gnade
verliehen zu sein scheinen, sind dem allgemeinen Elend nicht entnommen.
Ihr Elend ist nur ein glänzendes, also um so miserabler.“
450 Ebenda, S. 96
453 Zu Stirner siehe John Henry Mackay: Max Stirner. Sein Leben und
sein Werk, Berlin 1898, S. 67 ff. Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Drei-
ßig. Gesammelte Werke, Bd. 2, Berlin 1920, S. 45 ff.
455Der Einzige und sein Eigentum, Leipzig 1892 (später abgekürzt als: Der
Einzige), S. 164
459Gegenwort eines Mitgliedes der Berliner Gemeinde wider die Schrift der
siebenundfünfzig Berliner Geistlichen: Die christliche Sonntagsfeier, ein
Wort der Liebe an unsere Gemeinden (Leipzig 1842), in: G. Mayer: Die An-
fänge des politischen Radikalismus im vormärzlichen Preußen, Zeitschrift
für Politik, Bd. 6, 1913, Anhang, S. 98, 105
311
461 Vgl. Kurt Adolf Mauzt: Die Philosophie Max Stirners im Gegensatz zum
Hegelschen Idealismus, Berlin 1936, S. 57. – Diese Abhandlung dringt am
tiefsten in Stirners Theorie ein; unkritisch sind dagegen die älteren Schrif-
ten von R. Schellwein, A. Ruest, M. Messer, B. Lachmann, H. Schultheiß,
A. v. Winterfeld, H. Engert, M. J. P. Lucchesi, G. Lehmann (siehe Litera-
turverzeichnis)
462 Szeliga: Der Einzige und sein Eigentum, in: Norddeutsche Blätter für
Kritik, Literatur und Unterhaltung, März 1845; M. Heß: Die letzten Philo-
sophen, Darmstadt 1845; K. Fischer: Moderne Sophisten, in: Die Epigo-
nen, Bd. V, 1848, S. 277 ff.; K. Schmidt: Das Verstandestum und das In-
dividuum, Wigands Vierteljahresschrift 1845
464Der Einzige, S. 177, 397 f. Siehe auch Willy Moog: Hegel und die Hegel-
sche Schule, München 1930, S. 467
465Der Einzige, S. 405; vgl. S. 176, 198, 389 f., 408, 410 f., 415; Kleine
Schriften, S. 134, 172
470 Jenseits von Gut und Böse, Nietzsches Gesammelte Werke, Bd. 15,
München 1925, S. 29; Aus dem Nachlaß, Bd. 16, S. 99. (Zu Nietzsches von
Overbeck bezeugter Kenntnis Stirners siehe: K. Löwith: Von Hegel zu
Nietzsche, a. a. 0., S. 204. Anders Egon Friedell, der Stirner missversteht
312
und sogar in die Nähe von Novalis rückt, und zwar in seiner „Kulturge-
schichte der Neuzeit“, München 1960, S. 1073 f.) Zu Nietzsches Zurück-
führung des Erkenntnistriebs auf „Instinkte“ und einen „Aneignungs- und
Uberwältigungstrieb“ siehe auch zum Beispiel: Der Wille zur Macht, eben-
da, Bd. 18, München 1926, S. 295
475Ebenda, S. 420; vgl. S. 150: „Ich brauche den Menschen nicht erst in
Mir herzustellen, denn er gehört mir schon, wie alle meine Eigenschaften“;
siehe auch: Kleine Schriften, S. 138, 154
479Der Einzige, S. 132, S. 370. Vgl. auch Stirner: Geschichte der Reaktion,
2 Bde., Berlin 1852. Trotz mancher Übereinstimmung mit Stirner bewertet
Camus Revolte und Revolution gerade umgekehrt: „Die Revolte geht vom
Nein aus, das sich auf ein Ja stützt, die Revolution geht von der absoluten
Verneinung aus... Die eine ist schöpferisch, die andere nihilistisch.“ (A.
Camus: Der Mensch in der Revolte, Hamburg 1953, S. 256; vgl. S. 67 ff.)
490 Ebenda, S. 164 f. Vgl. Die deutsche Ideologie, S. 393 ff., 277
491Der Einzige, S. 175; vgl. S. 177: „Der theoretische Kampf kann nicht
den Sieg vollenden... Nur der egoistische Kampf... bringt alles ins Klare.“
494 Die deutsche Ideologie, S. 263; vgl. S. 346: „Sankt Sancho kennt nur
,Dinge‘ und ,Iche‘, und von allem, was nicht unter diese Rubriken passt,
von allen Verhältnissen kennt er nur die abstrakten Begriffe, die sich ihm
daher auch in ,Gespenster‘ verwandeln.“ Siehe im besonderen zu Stirners
abstrakter Bestimmung der Freiheit als Lossein und Machthaben (Der Ein-
zige, S. 185 f.), S. 282 ff. und S. 420: „Nähme Sancho indes das
,Freiwerden‘ einmal so, dass er nicht bloß von den Kategorien, sondern
von den wirklichen Fesseln frei werden wollte, so setzt diese Befreiung
wieder eine ihm mit einer großen Masse anderer gemeinsame Veränderung
voraus...“ – Zu Marx’ und Engels’ Kritik speziell an Stirners – von Girardin
wieder aufgenommenen – Projekt der Abschaffung des Staats ohne Ab-
schaffung der Klassen siehe auch: MEW, Bd. 7, S. 288 f., 417 ff. – Marx’
Kritik an Stirner ist für Mackay das „Äußerste an alberner und leerer
Wortspielerei“ (Max Stirner, Berlin 1910, 2. Auflage, S. 251). Ähnlich urtei-
len Rudolf Hirsch in der „Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte“,
Jahrg. 9, 1957, S. 246 ff., und Paul Kägi: Genesis des historischen Materi-
alismus, Wien 1965, S. 338
314
495 Vgl. Der Einzige, S. 205, Anmerkung; Kleine Schriften, S. 158: „... Dies
lässt Heß aus, weil er von den mit sich einigen Egoisten nichts weiter ver-
steht, als was Marx über den Krämer und die allgemeinen Menschenrechte
(z. B. in den deutsch-französischen Jahrbüchern) früher ausgesprochen
hat; er wiederholt das, ohne jedoch im mindesten die scharfsinnige Ge-
wandtheit seines Vorgängers zu erreichen.“
499 Die heilige Geschichte der Menschheit; von einem Jünger Spinozas, e-
benda, S.72. Auf die messianischen Vorstellungen dieser Schrift kommt
Heß später wieder in seinem Buch „Rom und Jerusalem“ (1862) zurück,
mit dem er lange vor Theodor Herzl den Zionismus begründet. – Zu Heß’
Interpretation der Weltgeschichte als Heilsgeschichte siehe H. Stuke: Phi-
losophie der Tat, Stuttgart 1963, S. 196 ff.
315
502 Philosophie der Tat, ebenda, S. 211: „Leben ist Tätigkeit. Tätigkeit aber
ist Herstellung einer Identität durch Setzen und Aufheben seines Gegen-
teils, Erzeugung seines Gleichen... mit einem Worte ,Selbsterzeugung‘“.
503Ebenda, S. 222; vgl. S. 225: „Das materielle Eigentum ist das zur fixen
Idee gewordene Fürsichsein des Geistes.“ Dazu, dass für Heß zwischen
geistiger und sozialer Freiheit ein Wechselwirkungsverhältnis besteht, sie-
he: Die eine und die ganze Freiheit, ebenda, S. 227
504Vgl. Philosophie der Tat, ebenda, S. 220. – Auf die Kategorie des Ha-
bens bei Heß verweist Marx in den „Ökonomisch-philosophischen Manu-
skripten“.
Werke, Bd. 7, S. 392: „Leben ist Egoismus. Wer keinen Egoismus will, der
316
513 Wesen des Christentums, Bd. II, S. 305 f., Bd. I, S. 188
516 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 194. Vgl. zu der von Leibniz zuerst
aufgeworfenen auch von Schelling, Marx und Heidegger behandelten Fra-
ge, warum überhaupt etwas ist und nicht nichts, S. 94 Anmerkung, und:
Zur Kritik der Hegelschen Philosophie (1839), Werke, Bd. 2, S. 196: „Das
Denken des Nichts ist ein sich selbst widerlegendes Denken.“
517Wesen des Christentums, Bd. I, S. 186, 194, 172 ff. ; Bd. II, S. 304. Das
Wesen der Religion (1845; Werke, Bd. 7, S. 476 ff. – Wegen der Auffassung
des Wunders tritt Marx auf Feuerbachs Seite in dem Artikel „Luther als
Schiedsrichter zwischen Strauß und Feuerbach“, Werke, Bd. 1, Berlin
1961, S. 26 f.
519 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Werke, Bd. 16, S. 62
520 Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie (1842; später abgekürzt
als: Thesen), Werke, Bd. 2, S. 231 (Im Original gesperrt)
525Ebenda, S. 216; Bd. II, S. 293, Anmerkung. (Im Original teilweise ge-
sperrt)
527 Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie (1842; später abgekürzt
als: Thesen), Werke, Bd. 2, S. 222. – Zu Feuerbachs früher, aber dilettan-
tisch bleibender Beschäftigung mit den Naturwissenschaften siehe beson-
ders den Brief an Johann Adam Karl Roux vom Mai 1837, in: Ludwig Feu-
erbach, Briefwechsel, Leipzig 1962 (später abgekürzt als: Briefwechsel), S.
107 f.
536 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 16. – Dazu, dass Feuerbach Kants
moralische Interpretation der Religion als partiell zutreffend akzeptiert,
und zur Betrachtung des Willens unter moralischem Aspekt siehe: Bd. I,
S. 99 ff.
537Vgl. Kritik des Antihegel (1835), Werke, Bd. 2, S. 77 ff. Wesen des Chri-
stentums, Bd. I, S. 43; S. 148: „Beschränkt ist das Wissen des einzelnen,
aber unbeschränkt die Vernunft, unbeschränkt die Wissenschaft...“
540 Grundsätze, § 43, Werke, Bd. 2, S. 305 f. Vgl. dazu: Die deutsche Ideo-
logie, Werke, Bd. 3, Berlin 1962, S. 45
541 Kritik des Idealismus. Von F. Dorguth (1838), Werke, Bd. 2, S. 135 f.
(Im Original gesperrt). Hier führt Feuerbach berechtigte antizipierende
Einwände an gegen die Auffassungen der späteren Vulgärmaterialisten
vom Denken als bloßem materiellen, physikalisch-chemischen Prozess,
darunter diesen: „Wäre das Denken selbst ein physiologischer Akt, so wä-
ren auch die Gedanken physiologische Objekte, die sich ebenso gut der
Experimentalphysik oder Chemie unterwerfen ließen wie der Magensaft...“
(So in der Erstveröffentlichung in den Hallischen Jahrbüchern, 1838, S.
599.) Zu Feuerbachs späterer Stellung zu Moleschott siehe die Schrift „Die
Naturwissenschaft und die Revolution“ (1850)“, in der er – nicht in vollem
Ernst – das Scheitern der Revolution auf die falsche Diät des Volkes zu-
rückführt und im Geiste Brillat-Savarins sagt: „Der Mensch ist, was er
isst.“ (Bd. 10, S. 22 ff.; vgl. Das Geheimnis des Opfers oder Der Mensch
ist, was er isst, ebenda, S. 41ff.)
544 Grundsätze, § 32, Werke, Bd. 2, S. 296. – Vgl. auch Feuerbachs Kritik
an der spekulativen Auffassung der Natur als des anderen des Geistes in:
Das Wesen der Religion, Werke, Bd. 7, S. 457. - Von den durch Feuerbach
beeinflussten, aber die Dialektik nicht preisgebenden russischen Materia-
listen hält A. I. Herzen die Vernunft für das Kriterium der Wahrheit (siehe
seine „Briefe über das Studium der Natur“), Tschernyschewski aber – ähn-
lich wie Marx – die Praxis (vgl. Ausgewählte philosophische Schriften,
Moskau 1953, S. 689).
319
545 Grundsätze, § 25, Werke, Bd. 2, S. 283 (Im Original teilweise gesperrt)
547 Ebenda, § 28, S. 287. Vgl. Darstellung, Entwicklung und Kritik der
Leibnizschen Philosophie, Werke, Bd. 4, S. 256 f.: „Auf diese Gewissheit,
auf die Wahrheit des alter ego, des Menschen außer mir, auf die Wahrheit
der Liebe, des Lebens, der Praxis, nicht auf die theoretische Bedeutung der
Sinne,... nicht auf Locke und Condillac gründet sich auch bei mir... die
Wahrheit der Sinne.“ Vgl. den Brief an Ruge vom Juni 1843, Briefwechsel,
S. 177: „Was ist Theorie, was Praxis? Worin besteht ihr Unterschied? The-
oretisch ist, was nur in meinem Kopfe steckt, praktisch, was in vielen Köp-
fen spukt. Was viele Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit
Platz in der Welt.“
548 Das Wesen des Christentums, Bd. I, S. 122; vgl. S. 117 ff., 226 f.; Bd.
II, S. 408, Fußnote. Siehe auch Thesen, Werke, Bd. 2, S. 233 ff. Zur Un-
terscheidung zwischen „Herz“ und „Gemüt“ siehe: Simon Rawidowicz,
Ludwig Feuerbachs Philosophie, Ursprung und Schicksal, Berlin 1931
(später abgekürzt als: Rawidowicz), S. 91, Anm. 4: „Während das Herz be-
sonders aktiv auf das Wirkliche. gerichtet ist, ist das Gemüt ganz und gar
passiver Natur.“
549 Das Wesen des Christentums, Bd. I, S. 251 f.; siehe zur Vermittlung
der Erkenntnis natürlicher Gegenstände durch das Dasein und das über-
einstimmende Urteil anderer Menschen auch S. 148. Vgl. weiter Grundsät-
ze, § 41, Werke, Bd. 2, S. 304: „Die Gewissheit selbst von dem Dasein an-
derer Dinge außer mir ist für mich vermittelt durch die Gewissheit von
dem Dasein eines anderen Menschen außer mir. Was ich allein sehe, dar-
an zweifle ich; was der andere sieht, das erst ist gewiss. Zur Kritik der He-
gelschen Philosophie, Werke, Bd. 2, S. 171: „Was wahr, ist weder mein,
noch dein ausschließlich, sondern allgemein. Der Gedanke, in dem sich Ich
und Du vereinigen, ist ein wahrer.“
550 Zur Kritik der Hegelschen Philosophie, Werke, Bd. 2, S. 165 ff.
554 Ruges Briefwechsel und Tagebuchblätter, Bd. I, S. 224, 258 ff., 275
(vgl. Albert Lévy: La Philosophie de Feuerbach et son influence sur la litté-
rature allemande, Paris 1904, S. 215 ff.); F. Engels: Schelling und die Of-
fenbarung (1842), MEGA, Bd. 2, S. 225: „Und so ist Feuerbachs Kritik des
Christentums eine notwendige Ergänzung zu der von Hegel begründeten
spekulativen Religionslehre.“
555 Zur Beurteilung der Schrift: „Das Wesen des Christentums“, Werke, Bd.
7, S. 265 f. Zu Feuerbachs Abgrenzung von Bauers Philosophie des
Selbstbewusstseins vgl.: Thesen, Werke, Bd. 2, S. 242. – Zu Feuerbachs
früher antitheologischer Tendenz und zu seiner im Gegensatz zu Hegel
auch inhaltlichen Trennung von Philosophie und Religion vor dem Er-
scheinen des „Wesen. des Christentums“ siehe besonders: Satirisch theo-
logische Distichen (1830), Werke, Bd. 1, S. 367 ff.; Kritik der christlichen
oder „positiven“ Philosophie (1838), Werke, Bd. 7, S. 128 ff.; Über Philoso-
phie und Christentum... (1839), Werke, Bd. 7, S. 47: „Ungeachtet aller
Vermittlungsversuche ist die Differenz zwischen (positiver) Religion und
Philosophie eine unaustilgbare... Die Basis der Philosophie ist das Denken,
die Basis der Religion das Gemüt und die Phantasie.“
556Vgl. Auguste Cornu: Karl Marx und Friedrich Engel Bd. 2, Berlin 1962,
S. 198; Max Gustav Lange in: Ludwig Feuerbach, Kleine philosophische
Schriften, Leipzig 1950, Einleitung, S. 20; Werner Schuffenhauer in: Brief-
wechsel, Einleitung, S. XXXIV
557Wesen des Christentums, Bd. I, S. 101. Vgl. auch K. Löwith: Von Hegel
zu Nietzsche, Stuttgart, S. 189
564 Vgl. Thesen, Werke, Bd. 2, S. 239: „Das wahre Verhältnis vom Denken
zum Sein ist nur dieses: das Sein ist Subjekt, das Denken Prädikat. Das
Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken. Sein ist
aus sich und durch sich – Sein wird nur durch Sein gegeben...“ – Diese
Auffassung übernimmt Marx und macht sie zum Angelpunkt seiner an-
fänglichen Auseinandersetzung mit Hegel, vor allem mit dessen Rechtsphi-
losophie in der „Kritik des Hegelschen Staatsrechts“ (1843), indem er das
Individuum als wirkliches Subjekt der Familie, die Individuen und die Fa-
milie als wirkliches Subjekt der Gesellschaft und die Gesellschaft als wirk-
liches Subjekt des Staats bestimmt und nicht vice versa wie Hegel; siehe
Kritik des Hegelschen Staatsrechts, Werke, Bd. 1, Berlin 1964 S. 203 ff.
565 Vgl. Grundsätze, § 7, Werke, Bd. 2, S. 249 ff. Siehe auch: Werner Schil-
ling: Feuerbach und die Religion, München 1957, S. 16 f.
566Pierre Bayle, ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Mensch-
heit, Werke, Bd. 5, S. 214
568 Vgl. Werke, Bd. 2, S. 363: „Gäbe es keine Natur, nimmermehr brächte
die unbefleckte Jungfer Logik eine aus sich hervor.“
570 Brief an Hegel vom 22. XI. 1828, Werke, Bd.4, S. 358
322
576Zur Kritik der Hegelschen Philosophie, Werke, Bd. 2, S. 194; vgl. Brief
an Otto Wigand vom 5. 1. 1841, Briefwechsel, S. 142. Siehe dazu auch:
Hermann Henne: Die religionsphilosophische Methode Feuerbachs, Borna-
Leipzig 1918, S. 40 ff.
582F. Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deut-
schen Philosophie, Werke, Bd. 21, Berlin 1962, S. 286
584Vgl. Wider den Dualismus von Leib und Seele, Werke, Bd. 2, S. 336,
339 ff.
587Thesen, Werke, Bd. 2, S. 235. Vgl. Über den „Anfang der Philosophier
(1841), Werke, Bd. 2, 5.208. – Den Glauben meint dagegen mit dem Aus-
druck „Nicht philosophie“ der Schellinganhänger K. A. Eschenmayer in
seiner Schrift „Die Philosophie in ihrem Übergang zur Nichtphilosophie.“
589Vgl. Zur Beurteilung der Schrift: „Das Wesen des Christentums“, Wer-
ke, Bd. 7, S. 273. – Vgl. Karl Rosenkranz: Hegel, Der Fakultätsphilosoph,
und L. Feuerbach, Der Menschheitsphilosoph, in: Studien, V, Leipzig
1848, S. 325 ff.
590 Siehe auch: Wesen des Christentums, Bd. I, S. 7; Brief an Otto Wigand
vom 5. I. 1841: „So theoretisch oder spekulativ aber der Gegenstand ist, so
liegt doch zugleich der Schrift ein tief praktisches Interesse zugrunde:
das... sowohl im Leben der Individuen als im Leben der Völker so unheil-
volle theologische – ja, nennen wir es offen – religiöse Prinzip, das die Köp-
fe unserer Regenten und selbst unserer großen Philosophen betört hat,
sollte hier... verfolgt und beleuchtet werden...“
591 Vorlesungen über das Wesen der Religion, Werke, Bd. 8, S. 29; vgl. S.
358: „Allein die Verneinung des Jenseits hat die Bejahung des Diesseits
zur Folge; die Aufhebung eines besseren Lebens im Himmel schließt die
Forderung in sich: es soll, es muss besser werden auf der Erde; sie ver-
wandelt die bessere Zukunft aus dem Gegenstand eines müßigen, tatlosen
Glaubens in einen Gegenstand der Pflicht, der menschlichen Selbsttätig-
keit. Allerdings ist es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass, wäh-
rend die einen Menschen alles haben, die anderen nichts haben... Die
notwendige Folgerung aus den bestehenden Ungerechtigkeiten und Übeln
des menschlichen Lebens ist einzig der Wille, das Bestreben, sie abzuän-
dern, aber nicht der Glaube an ein Jenseits, der vielmehr die Hände in den
Schoß legt und die Übel bestehen lässt.“ Vgl. S. 1: „Die Religion, der Ge-
genstand dieser Vorlesungen, hängt nun allerdings mit der Politik aufs In-
nigste zusammen...“
324
593 Ebenda, S. 221, 223, 233 f. – Vgl. Feuerbachs zweiseitige Antwort auf
die selbst gestellte Frage: „Wie hängt die Religion mit der Politik zusam-
men? Ist sie der Freiheit oder dem Despotismus günstig?“ Ergänzungen
und Erläuterungen zu „Das Wesen der Religion“, Werke, Bd. 7, S. 427. –
Die negative Seite wird besonders hervorgehoben in dem Brief an Christian
Kapp vom 2. VIII. 1842: „Der Protestantismus hat, ohne Basis, ohne Leben
in sich, die Rolle übernommen, die einst der Katholizismus hatte, nur dass
er seinem Prinzip... nach keine kirchliche, sondern weltliche Macht zur
Stütze seiner inneren Abgelebtheit, Hohlheit und Machtlosigkeit macht.“
Ausgewählte Briefe von und an Ludwig Feuerbach, herausgegeben und
biographisch eingeleitet von Wilhelm Bolin, Bd. 2, Leipzig 1904, S.105
594 Nachgelassene Aphorismen, Werke, Bd. 10, S. 314. Vgl. das Brieffrag-
ment vom Jahre 1844, Briefwechsel, S. 382: „Übrigens gehört zu den Auf-
gaben, die mir im Kopf noch spuken und keine Ruhe lassen auch die, die
praktischen Grundsätze der Philosophie der Zukunft zu geben... Aber
gleichwohl dürfen wir nur auf die Reformation zurückgehen, sie nur auflö-
sen in ihr Prinzip – so haben wir, was wir wollen: Keine Götzen mehr im
Himmel und keine mehr auf Erden.“ – Zu Feuerbachs zurückhaltender po-
litischer Tätigkeit im Frankfurter Parlament vgl. besonders die Briefe vom
3. III. 48 und 16. VIII. 48 an Otto Wigand sowie vom 30. VI. 48 und 14.
VII. 48 an seine Frau, Briefwechsel, S. 210, 226 ff., 219 ff.; siehe auch Ra-
widowicz, S. 314 f.
595 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 244. Siehe auch: Klaus Bockmühl: Leiblich-
keit und Gesellschaft, Göttingen 1961, S. 38 f. Zu Feuerbachs Stellung-
nahme gegen die einseitige Unterordnung der Freiheit des Individuums
unter den als Selbstzweck gefassten Staat siehe: Nachgelassene Aphoris-
men, Werke, Bd. 10, S. 312
597Brief von Marx an Ruge vom 13. III. 1843, Werke, Bd. 27, Berlin 1963,
S. 417; Brief von Ruge an Marx vom 19. III. 1843, A. Ruge: Briefwechsel
und Tagebuchblätter, Bd. 1, Berlin 1886, S. 309
598 Brief an Arnold Rage vom 10. III. 1843, Briefwechsel, S. 172
601 Karl Marx: Brief an den Vater vom 10. Nov. 1837, in: Karl
Marx/Friedrich Engels, Werke, Berlin 1964-68 (später abgekürzt als:
MEW), Ergänzungsband, Erster Teil, S. 4 ff. – Von Marx’ dichterischen
Versuchen ist besonders diese Strophe beachtenswert: „Nur nicht brütend
hingegangen/Ängstlich in dem niedern Joch,/Denn das Sehnen und Ver-
langen/Und die Tat, sie blieb uns doch“. (F. Mehring: Aus dem literari-
schen Nachlass von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle,
Bd. I, Berlin 1923, S. 28)
606 Siehe hierzu auch Dieter Henrich: Kant, Gentz, Rehberg, Über Theorie
und Praxis, Frankfurt a. M. 1967, Einleitung, S. 15. – Theorie und Praxis
bleiben bei Aristoteles getrennt, für sich gleichsam wie die beiden symboli-
schen Skulpturen Michelangelos in der Grabkapelle der Mediceer.
326
607Eduard Zeller: Die Philosophie und die Praxis, in: Jahrbücher der Ge-
genwart, 1843, S. 321 ff., 328. – Ähnlich will Michelet die Wissenschaft ins
„Leben“, die gedankliche Einheit von Wirklichkeit und Vernunft in die
Wirklichkeit einführen; vgl. Entwicklungsgeschichte der neuesten deut-
schen Philosophie, Berlin 1843, S. 315 ff., 397 ff. (K. Löwith: Von Hegel zu
Nietzsche, a, a. 0., S. 77)
610Hegel: Über das Wesen der philosophischen Kritik überhaupt und ihr
Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand der Philosophie insbesondere,
Werke, Bd. 1, S. 188 f.
Der leitende Artikel in Nr. 179 der „Kölnischen Zeitung“ (Juli 1842),
615
MEW, Bd. 1, S. 97 f.
617 Brief an Dagobert Oppenheim vom 25. VIII. 1842, MEW, Bd. 27, S. 409
620Siehe Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW, Bd. 13, S.
631 f.
328
625 Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW, Bd. 1, 5. 265. – Dazu, dass
Marx im Gegensatz zu Hegel die Gesellschaft als „Schlüssel zum Verständ-
nis des geschichtlichen Entwicklungsprozesses der Menschheit“ dem Staat
überordnet, siehe auch F. Engels: Karl Marx, MEW, Bd. 16, S. 361 ff. Ähn-
lich spricht Lorenz von Stein in seiner Schrift „Der Sozialismus und Kom-
munismus des heutigen Frankreichs“, Leipzig 1842, S. 446 f., von dem
„Versuch, jetzt den Staat durch den Begriff und das wirkliche Leben der
Gesellschaft gestalten und bedingen zu lassen.“
627 Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW, Bd. 1, S. 216 f., 241
637 Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik, MEW, Bd. 2, S. 85
f.
645 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 18 f., 20; vgl. S. 27 f.; Ökono-
misch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S.
468, 568 f.; Engels: Die Kommunisten und Herr Heinzen (1847), MEW, Bd.
4, S. 321 f.: „Herr Heinzen bildet sich ein, der Kommunismus sei eine ge-
wisse Doktrin, die von einem bestimmten theoretischen Prinzip als Kern
ausgehe und daraus weitere Konsequenzen ziehe. Herr Heinzen irrt sich
sehr. Der Kommunismus ist keine Doktrin, sondern eine Bewegung; er
geht nicht von Prinzipien, sondern von Tatsachen aus. Die Kommunisten
haben nicht diese oder jene Philosophie, sondern die ganze bisherige Ge-
schichte und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den
zivilisierten Ländern zur Voraussetzung... Der Kommunismus, soweit er
theoretisch ist, ist der theoretische Ausdruck der Stellung des Proletari-
ats...“ – Löwith, der Marx, die Junghegelianer und auch Kierkegaard ne-
beneinander stellt, verfehlt also das Spezifische der Marxschen Praxiskon-
zeption, indem er es darin erblickt, dass Marx „die Welt auf Grund einer
umfassenden geschichtsphilosophischen Interpretation und theoretischen
Kritik verändern wollte.“ (Die Hegelsche Linke, Stuttgart-Bad Cannstatt
1962, S. 36)
646 K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 111. – Dass Marx
wie die Aufklärer die Religion als solche kritisiert, nicht nur wie die Früh-
sozialisten das Christentum oder die Kirche, dass aber andererseits für ihn
die Religionskritik nicht im Zentrum steht, dazu vgl. H. Gollwitzer: Marxis-
tische Religionskritik und marxistischer Glaube, in: Marxismusstudien,
Tübingen 1962, S. 23 f.
656 Vgl. Jakob Hommes: Der technische Eros, Freiburg 1955, S. 267. Siehe
auch: Jean Hyppolite : Études sur Marx et Hegel, Paris 1955, S. 147. Auf
dieser Linie liegt auch die Reduktion der Entfremdung auf die (klassenin-
differente) Technik und das Außerachtlassen der Produktionsverhältnisse
(oft – wie bei H. Freyer – unter Anknüpfung an die Tradition der lebensphi-
losophischen Technophobie).
332
658 Die heilige Familie, MEW, Bd. 28. 60 ff.; vgl. S. 144 ff.
659 Brief von Marx an Feuerbach vom 3. X. 1843, MEW, Bd. 27, S. 420
662 Ebenda, S. 5
665 Ebenda, S. 44
666 Ebenda, S. 43
675 Siehe dazu Joachim Ritter: Die Lehre vom Ursprung und Sinn der The-
orie bei Aristoteles, in: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen, 1953; Karl Löwith: Die Hegelsche Linke, Stuttgart-
Bad Cannstatt 1962, S. 36 ff.
677 Diese Schwierigkeit wird erörtert in: Deutsche Zeitschrift für Philoso-
phie, Heft 11/1961 bis Heft 9/1963; M. N. Rutkewitsch: Die Praxis als
Grundlage der Erkenntnis und als Kriterium der Wahrheit, Berlin 1957, S.
226 ff. – Die Schwierigkeit wird weder behoben, wenn die Theorie einfach
in die als gesellschaftliche Gesamttätigkeit definierte Praxis einbezogen
wird (so von Branko Bosnjak, der in seinem Artikel „Betrachtungen über
die Praxis“ behauptet, im marxistischen Sinne wären „das Kriterium der
Praxis... die positiven Ideale“; in: Praxis, Philosophische Zeitschrift, Nr. 1,
Zagreb 1965, S. 24), noch wenn das „Gegenständlich-sein“ als „Gegenbeg-
riff zum Selbst-sein“ gefasst wird wie von H. Marcuse: Über die philosophi-
schen Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs, in:
Kultur und Gesellschaft 2, Frankfurt a. M. 1965, S. 28
679 Ebenda, S. 5
682Hannah Arendt: Vita activa oder vom tätigen Leben, München 1967, S.
287 ff.
335
Literaturverzeichnis
A. Que11en
Bacon, Francis: Novum Organon. The Works of Francis Bacon, Bd. XIV,
London 1825
Bayrhoffer, Karl Theodor: Die Idee und Geschichte der Philosophie, Leipzig
1838
Bauer, Bruno:
– Herr Dr. Hengstenberg. Kritische Briefe über den Gegensatz des Geset-
zes und des Evangeliums, Berlin 1839
– Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Anti-
christen. Ein Ultimatum, Leipzig 1841
– Hegels Lehre von der Religion und Kunst. Von dem Standpunkte des
Glaubens aus beurteilt, Leipzig 1842
336
– Die gute Sache der Freiheit und meine eigene Angelegenheit, Zürich
und Winterthur 1842
– Geschichte der Politik, Kultur und Aufklärung des 18. Jahr hunderts; 2
Bde., Charlottenburg 1843/45
– Christus und die Caesaren. Der Ursprung des Christentums aus dem
römischen Griechentum (1874/76), 2. Aufl., Berlin 1879
– Der christliche Staat und unsere Zeit, in: Hallische Jahr bücher, 7.-12.
6. 1841, Nr. 135 bis 140
– Was ist jetzt der Gegenstand der Kritik, in: Allgemeine Literaturzeitung,
Bd. II, H. 8, Juli 1844
– Die Gattung und die Masse, in: Allgemeine Literaturzeitung, Bd. II, Heft
7, September 1844
– Ludwig Feuerbach, in: Beiträge zum Feldzug der Kritik, ebenda, Heft 4
– Der Aufstand und Fall des deutschen Radikalismus vom Jahre 1842, 3
Bde., 2. Aufl., Berlin 1850
– Kritik der Geschichte der Offenbarung I: Die Religion des alten Testa-
ments in der geschichtlichen Entwicklung ihrer Prinzipien dargestellt,
Berlin 1838
Bauer, Edgar
– Der Streit der Kritik mit Kirche und Staat (1843), Bern 1844
– Die Reise auf öffentliche Kosten, in: Die Epigonen, Bd. 5, Leipzig 1848
– Beiträge zum Feldzug der Kritik. Norddeutsche Blätter für 1844 und
1845, 2 Bde., Berlin 1846
Buhl, Ludwig: Hegels Lehre vom Staat und seine Philosophie der Ge-
schichte in ihren Hauptresultaten, Berlin 1837
– Der Patriot. Inländische Fragen. Hrsg. v. L. Buhl. Hefte i, II, III, IV, Ber-
lin 1841
– Zur Verbesserung der Lage der Arbeiter auf dem Lande. Ein Vortrag ge-
halten... am 17. 5. 1845, Berlin 1846
Die Triarier, D. F. Strauß, L. Feuerbach und A. Ruge und ihr Kampf für die
moderne Geistesfreiheit. Ein Beitrag zur letztvergangenen deutschen Geis-
tesbewegung. Von einem Epigonen. Kassel 1852
Feuerbach, Ludwig
Fischer, Kuno: Arnold Ruge und der Humanismus, in: Wigands Epigonen,
IV,1847
340
Gans, Eduard
Görres, Joseph:
Grün, Karl
Heß, Moses
– Rom und Jerusalem. Die letzte Nationalitätenfrage (1862), Wien und Je-
rusalem 1935. Briefwechsel, hrsg. v. Edmund Silberner, ’s Gravenhage
1959
Holbach, Paul Heinrich Dietrich: System der Natur oder Von den Gesetzen
der physischen und der moralischen Welt, Berlin 1960
Julius, Gustav
– Fichte und die Revolution, in: Anekdota zur neuesten deutschen Philo-
sophie und Publizistik, Bd. 1
– Geschichte des 18. Jahrhunderts und des 19. bis zum Sturz des fran-
zösischen Kaisertums, v. Schlosser. Deutsche Jahrbücher, 4. Januar
1842
Leo, Heinrich
– Bd. I. Karl Marx: Werke und Schriften bis Anfang 1844. Erster Halb-
band, Frankfurt a. M., Marx-Engels-Archiv 1927. Zweiter Halbband,
Berlin 1929
– Bd. II. Friedrich Engels: Werke und Schriften bis Anfang 1844, Berlin
1930
– Bd. III. Die heilige Familie und Schriften von Marx von Anfang 1844 bis
Anfang 1845, Berlin 1932
– Bd. IV. Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England
und andere Schriften von August 1844 bis Juni 1846, Berlin 1932
– Bd. V. Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie, Berlin 1932.
Werke, Berlin 1964/68
Mehring, Franz: Aus dem literarischen Nachlass von Karl Marx, Friedrich
Engels und Ferdinand Lassalle, 4. Aufl., Berlin 1923. Bd. I, von März 1841
bis März 1844
Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe. Köln (vom 1. Januar
1842 bis Ende März 1843)
Rosenkranz, Karl
Ruge, Arnold
– Max Stirners kleinere Schriften und seine Entgegnung auf die Kritik
seines Werkes: „Der Einzige und sein Eigentum“. Aus den Jahren 1842
bis 1847. Hrsg. v. J. H. Mackay, Berlin 1898
– Gegenwort eines Mitglieds der Berliner Gemeinde wider die Schrift der
siebenundfünfzig Berliner Geistlichen. Die christliche Sonntagsfeier.
Ein Wort der Liebe an unsere Gemeinden, Leipzig 1842
– Der Einzige und sein Eigentum und andere Schriften, hrsg. v. Hans G.
Helms, München 1968
– Der Einzige und sein Eigentum, in: Norddeutsche Blätter für Kritik, Li-
teratur und Unterhaltung, März 1845
Zeller, Eduard: Die Philosophie und die Praxis, in: Jahrbücher der Gegen-
wart, hrsg. v. A. Schwegler, Jahrg. I, Stuttgart 1843, Nr. 81-84
347
B. Sekundärliteratur
Adams, Henry Packwood: Karl Marx in his earlier writings, London 1940
Adorno, Theodor W.
Arendt, Hannah: Vita activa oder vom tätigen Leben, Stuttgart 1960
Backhaus, Gunther: Kerygma und Mythos bei David Fr. Strauß, Theologi-
sche Forschung, 12, Hamburg-Bergstedt 1956
Barion, Jakob
Barnikol, Ernst
– Bruno Bauers Kampf gegen Religion und Christentum und die Spaltung
der vormärzlichen preußischen Opposition, in: Zeitschrift für Kirchen-
geschichte, XLVI, N. F. IX, Gotha 1928
Barth, Karl
– David Friedrich Strauß als Theologe, in: Theolog. Studien, Heft 6, Zoll-
ikon 1939
Bloch, Ernst
– Keim und Grundlinie. Zu den elf Thesen von Marx über Feuerbach, in:
Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 1. Jahrg., Berlin 1953
349
Breuer, Karl Heinz: Der junge Marx. Sein Weg zum Kommunismus, Köln
1954
Bultmann, Rudolf
Cornu, Auguste
– Karl Marx und Friedrich Engels, Leben und Werk, Bd. 1 und 2, Berlin
1954/1962
350
Croce, Benedetto: Cio che e vivo e cio che e morto nella filosofia di Hegel,
Bari 1907
Fetscher, Iring: Die Bedeutung Max Stirners für die Entwicklung des histo-
rischen Materialismus, in: Zeitschrift für philosophische Forschung,
Jahrg. 6, 1951
Fischer, Kuno
Goitein, Irma: Probleme der Gesellschaft und des Staates bei Moses Heß,
Leipzig 1931
Habermas, Jürgen
Harich, Wolfgang: Heinrich Heine und die deutsche Philosophie, in: Sinn
und Form, Jahrgang, 1956, 1. Heft
Hartmann, Nicolai
– Die Philosophie des deutschen Idealismus, II. Teil: Hegel, Berlin und
Leipzig 1929
Hecker, Konrad: Mensch und Masse. Situation und Handeln der Epigonen,
gezeigt an Immermann und den Jungdeutschen, Berlin 1933
Heidegger, Martin
Heiss, Robert: Das Verhältnis von Theorie und Praxis, in: Blätter für deut-
sche Philosophie, Bd. IX, Berlin 1935/36
Hertz-Eichenrode, Dieter
Herzberg, Guntolf: Die Bedeutung der Kritik von Marx und Engels an Max
Stirner, in: Deutsche Leitschrift für Philosophie, 16. Jahrg., 1968
Horkheimer, Max
Horkheimer, Max und Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung, Ams-
terdam 1947
Hyppolite, Jean
Kegel, Martin: Bruno Bauer und seine Theorien über die Entstehung des
Christentums (Abh. z. Phil. u. ihrer Gesch., hrsg. v. Falckenberg, H. 6),
Leipzig 1908
Kohut, Adolf Ludwig: Feuerbach. Sein Leben und seine Werke, Leipzig
1909
Kojève, Alexandre
Korsch, Karl: Marxismus und Philosophie, in: Arch. für die Geschichte des
Sozialismus und der Arbeiterbewegung, 11. Jg., Leipzig 1925
Koselleck, Reinhart: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der
bürgerlichen Welt, Freiburg und München 1959
Kuhn, Helmut
Kühne, Walter
– Die Polen und die Philosophie Hegels, in: Hegel bei den Slaven, hrsg. v.
Dmitrij Tschižewskij, 2. verb. Aufl., Darmstadt 1961
– Graf August Cieszkowski, ein Schüler Hegels und des deutschen Geis-
tes, Leipzig 1938
Lademacher, Horst: Die politische und soziale Theorie bei Moses Heß, in:
Archiv für Kulturgeschichte, 42. Band, Köln und Graz 1960
Landgrebe, Ludwig
Lauth, Reinhard
Lieber, Hans Joachim und Ludz, Peter: Zur Situation der Marx-Forschung.
In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 10. Jahrg., Nr.
3 und 4, Köln/Opladen 1958
Litt, Theodor: Ludwig Feuerbach und Karl Marx, in: Handbuch der Philo-
sophie, Abt. III, München 1931
Löwith, Karl
Lübbe, Hermann: Die politische Theorie der Hegelschen Rechten, in: Ar-
chiv für Philosophie, Bd. 10 (1960)
Lukács, Georg
– Moses Heß und die Probleme der idealistischen Dialektik, in: Arch. für
die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, 12. Jg.,
Leipzig 1926
Mackay, John Henry: Max Stirner. Sein Leben und sein Werk, Berlin 1898
Marcuse, Herbert
– Reason and Revolution. Hegel and the Rise of Social Theory, 2nd Edi-
tion, London 1954
– Über den affirmativen Charakter der Kultur, in: Kultur und Gesell-
schaft I, Frankfurt 1965
Mayer, Gustav
– Karl Marx und der zweite Teil der „Posaune“, in: Arch. für die Geschich-
te des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, 7. Jg., 1916
Meinhold, Peter: Heinrich Heine als Kritiker seiner Zeit, in: Zeitschrift für
Religions- und Geistesgeschichte, VIII. Jahrg., 1956
Metzke, Erwin
Meyer, Alfred George: Marxism. The Unity of Theory and Practice, Cam-
bridge (Ma.) 1954
358
Neher, Walter: Arnold Ruge als Politiker und politischer Schriftsteller (Hei-
delberger Abhandlungen zur mittl. und neueren Geschichte, Heft 64), Hei-
delberg 1933
Noonan, John Thomas: Hegel and Strauß, in: The Catholic Biblical Quar-
terly 12, Washington 1950
Pelzer, Roland: Studien über Hegels ethische Theoreme, in: Archiv für Phi-
losophie, Bd. 13/1-2 (1964)
Piontowski, Andrej Andrejewitsch: Hegels Lehre über Staat und Recht und
seine Strafrechtstheorie Berlin 1960
Popper, Raimund: Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen (Die of-
fene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II), Bern 1958
Rau, Albrecht: Ludwig Feuerbach und Max Stirner. „Magazin für die Lite-
ratur des In- und Auslandes“. Nr. 41, Jg. 1888
Reding, Marcel: Der politische Atheismus, 2. Aufl., Graz, Wien und Köln
1958
Ritter, Joachim
– Die Lehre vom Ursprung und Sinn der Theorie bei Aristoteles, in: Ar-
beitsgemeinschaft für Forschung des Landes NordrheinWestfalen, 1953
– Das bürgerliche Leben. Zur aristotelischen Theorie des Glücks, in: Eh-
rengabe an Alfred Petzelt, Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pä-
dagogik, 32. Jg., Bochum 1956
Rosenberg, Hans: Arnold Ruge und die Hallischen Jahrbücher, in: Archiv
für Kulturgeschichte, Bd. 20, Leipzig/Berlin 1930
Runze, Georg
– Bruno Bauer redivivus. Ausschnitte aus den Schriften des „Meisters der
theologischen Kritik“ (1840-1880), ausgewählt von Georg Runze, Berlin
1934
Rutkewitsch, M. N.: Die Praxis als Grundlage der Erkenntnis und als Kri-
terium der Wahrheit, Berlin 1957
Scheler, Max: Erkenntnis und Arbeit, in: Die Wissensformen und die Ge-
sellschaft, Gesammelte Werke, Bd. 8, Bern und München 1962
Schlawe, Fritz: Die junghegelische Publizistik, in: Die Welt als Geschichte,
20. Jahrg., 1960
Steussloff, Hans
Thier, Erich
Vinci Leonardo da
Wieland, Wolfgang: Heinrich Heine und die Philosophie. In: Deutsche Vier-
teljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 37. Band,
(1963)
Zeller, Eduard: David Friedrich Strauß in seinem Leben und seinen Schrif-
ten, Bonn 1874
Zlocisti, Theodor: Moses Heß. Der Vorkämpfer des Sozialismus und Zio-
nismus (1812-75), 2. Aufl., Berlin 1921
Personenverzeichnis
Text (Seitenzahlen)
B C
Baader, Franz Xaver von 96 Cabet, Etienne 124, 199
Bachmann, Karl Friedrich 119 Calvez, Jean-Yves 206
Bacon, Francis 30, 176, 219 Carlyle, Thomas 135
Bakunin, Michail 111, 124, 153, Cieszkowski, August von 6, 89, 90,
236 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99,
Barth, Karl 103, 105 100, 101, 113, 116, 158, 159, 177,
Bauer, Bruno 6, 105, 114, 117, 122, 183, 187, 199, 224, 225
125, 127, 128, 129, 130, 131, 132, Comte, Auguste 205
133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, Condorcet, Antoine de 91
140, 141, 142, 143, 145, 146, 147, Considérant, Victor 124
150, 151, 158, 174, 178, 187, 190, Cousin, Victor 83
192, 193, 200, 201, 229, 230, 231, Croce, Benedetto 42
232, 233, 234
Bauersche 130, 146, 155, 156 D
Bauer, Edgar 129
Dembowski, Edward 95
Baur, Ferdinand Christian 104
Descartes, René 29, 62, 64, 171,
Beaumarchais, Pierre Augustin
218, 219
Caron 115
Dewey, John 218
Beer, Heinrich 87
Dézamy, Theodor 199
Bentham, Jeremy 155
Dibelius, Martin 136
Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch
Dilthey, Wilhelm 42
205
Bernstein, Eduard 195
Beyer, Wilhelm R. 250
E
Bigo, Pierre 206 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich
Bismarckschen 120 104
Blanc, Louis 85 Enfantin, Prosper 85
364
W
T Wegscheider, Julius August Ludwig
Thales 149 104
Thier, Erich 206 Weierstraß, Karl 62
Tholuck, August 112 Weiße, Christian Hermann 96, 119
Thomas von Aquin 209 Weitling, Christian Wilhelm 199
Tillich, Paul 205 Wette, Wilhelm Martin Leberecht de
Topitsch, Ernst 205 104
Treitschke, Heinrich von 135 Wetter, Gustav A. 217
Trendelenburg, Friedrich Adolf 42 Wienbarg, Ludolf 85
Wilhelm IV., König von Preußen 127
V Windelband, Wilhelm 42
Wolff, Christian
Vico, Giovanni Battista 30 Wolffsche 65
Vinci, Leonardo da 39 Wöllner, Johann Christoph
Vischer, Friedrich Theodor 120
Wöllnersche 119
Voegelin, Eric 205
Voltaire, François Marie Arouet 65
Z
Zeller, Eduard 190
368
Personenverzeichnis
Anmerkungen (Endnotenzahlen)
F H
Feuerbach, Ludwig 87, 226, 237, Habermas, Jürgen 67, 199, 649
287, 306, 321, 341, 346, 380, Haller, Karl Ludwig von 3, 72
387, 420, 423, 454, 457, 498, Harich, Wolfgang 234
510, 510a, 517, 527, 536, 538, Hartmann, Nicolai 109, 169
541, 543, 544, 548, 554, 555, Haug, Wolfgang Fritz 89
556, 559, 565, 571, 576, 577, Hauptmann, Gerhart 293
582, 589, 592, 593, 594, 595, Haym, Rudolf 193
596, 599, 659, 661, 663, 678 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1a,
Feuerbachsche 331 3, 8, 11, 12, 18, 21, 32, 47, 61,
Feuz, Ernst 383 62, 63, 65, 70, 72, 73, 75, 76,
Fichte, Johann Gottlieb 36, 72, 91, 78, 79, 89, 95, 101, 102, 107,
115, 135, 164, 171, 243, 260, 109, 115, 116, 117a, 118, 119,
261 120, 121, 129, 135, 157,164,
Fichtesche 91, 165, 171, 172, 165, 181, 189, 192, 193, 199,
190, 261 201, 202, 203, 209, 212, 215,
Fischer, Ernst 150 216, 229, 230, 235, 236, 261,
Fischer, Kuno 324,462 283, 298, 306, 314, 321, 322,
Fleischer, Karl Moritz 337, 380, 336, 347, 361, 379, 386, 399,
382, 383, 384 406, 412, 423, 439, 464, 470,
Fourier, Charles 92, 245 551, 554, 555, 557, 559, 564,
Fourieristen 380 570, 571, 589, 607, 610, 613,
Franck, Sebastian 21 624, 639, 646, 650, 656, 657,
Frantz, Constantin 272 671
Frauenstädt, Julius 257 Hegelianer 116
Freyer, Hans 100, 656 Hegelianismus 95
Friedell, Egon 470 Hegelsche 1a, 19, 65, 79, 116,
Fröbel, Julius 381a 135, 169, 189, 224, 232, 235,
306, 311, 321, 331, 332, 336,
G 338, 348, 351, 353, 357, 367,
339, 420, 429, 461, 464, 516,
Gabler, Georg Andreas 261 549, 550, 564, 576, 614, 624,
Gans, Eduard 212 627, 634, 635, 636, 638, 640,
Garaudy, Roger 81, 671
643, 644, 645, 675
Gehlen, Arnold 12 Heidegger, Martin 6, 152, 516
Gentile, Giovanni 116 Heine, Heinrich 213, 215, 216,
George, Stefan 100 218, 221, 222, 223, 224, 225,
Girardin, Émile de 494
229, 232, 234, 236, 237, 365,
Glockner, Hermann 109, 571
Heinesche 230
Gobineau, Joseph Arthur 72 Heinzen, Karl 645
Goethe, Johann Wolfgang von 12, Heiss, Robert 1a
18, 20, 54, 87, 135, 176, 189, Helvetius, Claude Adrien 18
225, 365, 386, 600
370
Mein herzlicher Dank gilt Frau Dr. Yara Lizárraga-Mehringer. Sie erstellte
die Personenverzeichnisse und sorgte dafür, dass die mit der mechanischen
Maschine geschriebene Arbeit überhaupt ins Internet gestellt werden konnte.