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fastforeword (1-07) – Wie ‚krank’ ist die Moderne?
Waßner spricht zu Recht von einer „Art faustischem Pakt“, der geschlos-
sen wurde: „Die Produktivität, die sich nicht entfalten konnte, ging
schließlich das Bündnis mit dem Bösen ein.“7 Andererseits scheint jedoch
ergiebiger zu sein, so die These dieses Aufsatzes, nach sozialen Dispositi-
onen8 Ausschau zu halten, die eine Symbiose von Sozialwissenschaft und
Nationalsozialismus ermöglichten, auch wenn für die Zeit vor 1933 keine
Hinweise auf rassistische oder antisemitische Orientierungen zu beobach-
ten sind. Dabei erscheint Andreas Walther geradezu als Prototyp des „So-
zialingenieurs“, der „durch die Gestaltung des Raumes, der Städte und der
Wohnungen, durch eugenische Praktiken und durch Reformen der Ge-
sundheits- Erziehungs- und Sozialpolitik eine radikale Neugestaltung der
Gesellschaft erreichen“ wollte, „und zwar in Form einer die ideelle Grund-
struktur der alten Ordnung wahrenden neuen Gemeinschaft“.9 Die Prakti-
ken dieser Sozialexperten waren massiv geprägt von einem spezifischen
Denkstil, der von dem Trierer Historiker Lutz Raphael in seinem einfluss-
reichen Aufsatz „Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitä-
rer Herrschaft“ scharf umrissen wurde. Im weiteren Verlauf meines
Beitrages werde ich zunächst die wesentlichen Stilelemente des „radikalen
Ordnungsdenkens“ referieren, dann den biografischen und intellektuellen
Werdegang Andreas Walthers knapp skizzieren, daraufhin Walthers empi-
rische Stadtforschungen in Hamburg darstellen, um schließlich in einem
knappen Resümee aufzuzeigen, wie dieses spezifische Ordnungsdenken
ein Zusammengehen von Sozialwissenschaft und den national-
sozialistischen Machthabern ermöglichte.
7
Ders. (1991), S. 1019.
8
Unter Dispositionen werden hier im Anschluss an Etzemüller (2007), S. 67, Diskurse, Denkstile
und Habitus verstanden, die in kollektiven Prozessen angeeignet werden und die Art und Weise
„formatieren“, wie Individuen „die Welt wahrnehmen, wie sie Erfahrungen machen, mit welchen
Unterscheidungen sie beobachten.“ Bei Dispositionen handelt es sich also um „produktive Begren-
zungen“, die „unreflektierte intellektuelle wie soziale Anpassung und damit erst kommunizierbare
Erkenntnis sowie Regelmäßigkeiten des Handelns“ erzeugen.
9
Ders. (2006), S. 449.
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Zu den humanwissenschaftlichen Experten zählt Raphael (2001), S. 9, diejenigen, die im univer-
sitären Kontext „vor und nach 1933 ein Expertenwissen über Menschen, ihre Konstitution, ihre Ge-
sellschaft, Geschichte und Kultur erhalten hatten und damit als Berater, Planer und Ideologen
nationalsozialistischer Eingriffe in die Lebensverhältnisse der unterschiedlichsten Bevölkerungs-
gruppen in Frage kamen“. An Professionen sind hier vor allem Sozialforscher, Ärzte, Juristen, Geis-
teswissenschaftler, Architekten oder Bevölkerungsstatistiker zu nennen.
11
An dieser Stelle muss freilich darauf hingewiesen werden, dass sich das social engineering der
Zwischenkriegszeit mitnichten auf das „Dritte Reich“ und seine mörderischen Destruktionspotentia-
le beschränkte. Ein ähnlich gelagerter Denkstil determinierte die Wahrnehmung zahlreicher Sozial-
experten auch in demokratischen Wohlfahrtsstaaten (etwa Schweden), wie vor allem Etzemüller
(2006), S. 445f., ausdrücklich betont.
12
Martin Broszat, zit. n. Rapahel (2001), S. 13.
13
Ebd.
14
Gutberger (1996), S. 475.
15
Zum Konzept des Denkstils vgl. Fleck (1980); Etzemüller (2007), S. 37ff.
16
Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Aufsatz von Raphael (2001). Sofern nicht anders
angegeben, beziehen sich die Zitate in diesem Abschnitt auf ebd., S. 24ff.
5
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Vgl. Kaesler (1981).
24
Schreiben von Andreas Walther an Rudolf Heberle vom 19.6.1933, zit. n. Waßner (1986), S.
401.
25
Ders. (1985), S. 54; ders. (1991), S. 1028.
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Ende der dreißiger Jahre schrieb, dass mit dem Nationalsozialismus der
„Durchbruch einer neuen organischen Ordnung und Einheitskultur“ gelun-
gen sei.26 Insgesamt, dieses Zwischenfazit darf man ziehen, gehörte
Walther zu jenen, die die politische Entscheidung von 1933 vor dem Hin-
tergrund einer weit verbreiteten „Krisenwahrnehmung“ einerseits als „En-
de des lebensweltlichen und des wissenschaftlichen Relativismus“27 sowie
andererseits als Chance, das eigene Fach und damit auch die eigene Kar-
riere maßgeblich zu befördern, begrüßten.
Stadtsoziologie im „Dritten Reich“
In dem nun folgenden abschließenden Kapitel möchte ich anhand der
Schrift „Neue Wege zur Großstadtsanierung“ aufzeigen, wie sehr Walthers
empirische Forschungen von dem oben skizzierten „radikalen Ordnungs-
denken“ geprägt waren. Dieser Text aus dem Jahr 1936 resümierte die
Ergebnisse von stadtsoziologischen Studien, die in den Jahren 1934 und
1935 unter Walthers Leitung als „Notarbeit 51“ der Akademikerhilfe der
Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft.28 Bei diesen Untersuchun-
gen ging es Walther vor allem darum, den Aspekt der „soziale[n] Gesun-
dung“ für die Stadtplanung in den Vordergrund zu rücken. Auch wenn „der
Nationalsozialismus nicht die Wirkungsmacht schlimmer oder heilsamer
Umwelt“ verkenne, die bei früheren Großstadtsanierungen, die im wesent-
lichen unter baulichen und hygienischen Gesichtspunkten erfolgt seien,
und ihre Hoffnung auf die Änderung des Wesens der Menschen „durch
Verpflanzung in eine andere Umwelt“ legten, wisse er aber um die „Gren-
zen der Erziehung und Milieuwirkung“. Denn „in den gemeinschädigenden
Regionen der Großstädte“ gäbe es „gehäuft hoffnungslose Fälle, die wie
ein Geschwür am Volkskörper weiterwuchern, wenn sie nicht herausge-
sucht und am Weitergeben ihrer Krankheitskeime und Defekte verhindert
werden“ (S. 3f.). Um diese „Geschwüre“ ausfindig machen zu können,
plante Walther bereits in den späten 1920er Jahren, einen „Sozialatlas“ zu
erstellen. In einem Exposé an die Hochschulbehörde erläuterte Walther
seine Vorstellungen: Zum einen sollten alle vorliegenden, statistischen
Materialien von Behörden und privaten Einrichtungen eingeholt werden,
zum andern galt es einzelne soziale Gruppen zu untersuchen – bis hin
zum soziologischen Studium jedes einzelnen Häuserblocks. Zudem sollte
die Erfassung des Stadtgebietes mit Hilfe der Kartografie erfolgen, nicht
zuletzt um „die Herkunft der minderwertigen Jugendlichen und der Ver-
brecher“ zu ergründen. Hier griff Walther auf jene Rastertechnik zurück,
die er bei seinem Aufenthalt in den USA kennengelernt hatte. Mit diesen
Ideen stieß Walther gerade bei den Verwaltungs- und Sozialbürokratien
und polizeilichen Behörden auf reges Interesse, denn seit dem späten 19.
Jahrhundert war es vor allem in den hafennahen Wohnvierteln, die vor-
nehmlich von Hafen- und Gelegenheitsarbeitern und ihren Familien
bewohnt wurden, zu sozialen Unruhen gekommen, weshalb diese seit die-
26
Walther (1939), S. 7.
27
Oexle (1996), S. 165.
28
Die Zitate in diesem Abschnitt sind, wenn nicht anders angegeben, Walther (1936) entnommen;
die entsprechenden Seitenzahlen werden im Folgenden in Klammern angegeben. Zur Notgemein-
schaft der Deutschen Wissenschaft vgl. Marsch (1994).
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29
Zum sozialgeschichtlichen Kontext vgl. Grüttner (1983).
30
Berliner Tageblatt vom 10.2.1897, zit. n. ebd., S. 360.
31
Vgl. Roth (1984), S. 11f.; ders. (1987), S. 378ff.
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winn, aber auch nicht einen unmittelbar sichtbaren Schaden für die
Gemeinschaft bedeuten“. Diese Gruppe sei „aber wichtig deswegen, weil
es oft nur auf Zufälligkeiten beruht, wenn ihr Gefährdendes nicht oder
noch nicht offen zur Erscheinung kam“ (S. 7ff.). Zu den „Asozialen“ zählte
Walther insbesondere „chronisch Erfolglose“, deren „hoffnungslose Le-
bensuntüchtigkeit […] in der Regel auf biologischen Defekten“ beruhe.
Jene Gebiete, in denen Walther die „Asozialen“ vermutete, waren für ihn
„Brutstätten für Verbrechertum“, die „zugleich Schlupfwinkel für Kriminelle
aller Art“ seien, „die dort Schutz finden durch den asozialen Korpsgeist der
Nachbarschaft, teilweise auch durch die gedrängt unübersichtliche Bau-
weise der Häuser, Höfe und Durchgänge“. Jedoch habe, so Walther, die
räumliche Konzentration der „Gemeinschädlichen“ und „Asozialen“ auch
einen entscheidenden Vorteil, denn schließlich erleichtere es „doch gerade
die natürlich gewordene räumliche Absonderung […], sie in den Griff zu
bekommen“ (S. 5f.)
Ausgehend von diesen Beobachtungen formulierte Walther drei Arbeits-
gänge. Erstens sollten durch Erhebungen über das gesamte Stadtgebiet
jene Regionen umgrenzt werden, in denen sich „gemeinschädigendes“
Verhalten besonders häufe. Dafür operationalisierte Walther Begriffe wie
„antisozial“ und „gemeinschädlich“, indem er auf Wahlerhebungen zurück-
griff, die Ende der zwanziger Jahre von ihm durchgeführt wurden. Beson-
ders dort, wo die Stimmabgaben für SPD und KPD besonders hoch und die
Stimmenthaltungen sehr niedrig waren, vermutete Walther „asoziales“
Verhalten. Als weitere Indikatoren kamen die Zahl der Fürsorgezöglinge
und der jugendlichen Delinquenten hinzu (S. 17ff.). Als weiteren Indikator
für „Gemeinschädlichkeit“ kartierten Walther und seine Mitarbeiter 14.000
chronische Wohlfahrtsempfänger, und schließlich wurden jene 2.000
Wohnungen verzeichnet, in denen Hilfsschulkinder lebten. Wenngleich
Walther die Auswirkungen des sozialen Milieus nicht vollkommen negierte,
wies er den erbbedingten Ursachen eine klare Priorität zu: Die meisten der
von Walther und seinem Team gesammelten Informationen hätten direkt
auf „biologische Defekte“ hingewiesen, „besonders nach der neuen Auffas-
sung des Nationalsozialismus von ,Gesundheit‘, die nicht in Abwesenheit
von ,Krankheit‘“ bestünde, „sondern an der Leistung gemessen“ werde,
wie Walther hinzufügte (S. 20).
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Der zweite Arbeitsschritt zielte auf die Erkennung der „einzelnen gemein-
schädigenden Regionen nach Sondercharakter und Struktur […]: ihre Teil-
räume, die gemeinschädigenden Kerne und Ansteckungsherde besonderer
Bösartigkeit, die eingelagerten relativ gesunden Teilbezirke“ (S. 24f.). Zur
Erreichung dieses Ziels wurde jedem der Mitarbeiter ein eigenes Gebiet
zugeteilt. Dort versuchten sie alle existierenden quantifizierenden Unterla-
gen und Veröffentlichungen (u.a. Justizakten) auf ihren Bezirk umzurech-
nen und zu übertragen. Diese Ausarbeitungen über Sozialstruktur,
Bebauungs- und Wohnverhältnisse, Wohndichte sowie über Bevölkerungs-
entwicklung und -mobilität wurden schließlich verknüpft mit den Eindrü-
cken, welche die Mitarbeiter mittels teilnehmender Beobachtung in ihren
Bezirken gemacht hatten.32
Drittens sollte durch einen abschließenden Arbeitsgang „Klarheit“ gewon-
nen werden, „was mit jedem Menschen und jeder Familie, die ihre Woh-
nungen verlassen müssen, geschehen sollte“ (S. 29). Da sich die ersten
beiden Arbeitsschritte hinsichtlich ihrer Erfassung als zu ungenau erwiesen
hätten, sollten nun „Hinweise auf bestimmte Personen, Familien, Hausge-
meinschaften, Nachbarschaften nicht mehr umgangen werden müssen“.
Für diese „restlose Erfassung“ (Aly/Roth) sollten „über jede Familie oder
Einzelperson der zum Abbruch bestimmten Häuserblocks auf einem geeig-
neten Formular alle Nachrichten eingetragen werden, die zur biologischen,
psychologischen, moralischen oder sozialen Charakterisierung geeignet
sind“ (S. 29). Zu diesem Zweck werteten Walthers Mitarbeiter Unterlagen
der Alkoholikerfürsorge und die Meldebücher von 33 Polizeiwachen aus.
Auf diese Weise „entstand auf lokaler Ebene eines der ersten deutschen
Projekte zur Kriminalgeographie“ (Roth). Besonders positiv stimmte Wal-
ther die Hoffnung, dass „in absehbarer Zeit ein Informationsmaterial“ zur
Verfügung stehen werde, dass „solche Registrierungen außerordentlich“
erleichtern würde. Dabei hatte er vor allem den Aufbau umfassender Per-
sonenkataster im Sinn, die „keinen deutschen Menschen auslassen“ soll-
ten (S. 29f.). In der Tat entwickelte sich mit dem „Zentralen
Gesundheitspaßarchiv“ in der Folgezeit ein umfassendes Sozialkataster,
das über die Grenzen Hamburgs hinaus „zu einem Pilotprojekt der sich
seit 1938 konsolidierenden Sozialverdatung“ avancierte.33
Resümee
Die Darstellung seiner stadtsoziologischen Studien hat zeigen können,
dass es sich bei Andreas Walther zweifelsohne um das Musterbeispiel ei-
nes Sozialingenieurs handelt, dessen wissenschaftliche Expertise die
destruktive Kraft des NS-Regimes unterstützt hat. Die Stilelemente des
„radikalen Ordnungsdenkens“, die im zweiten Kapitel kurz skizziert wur-
den, lassen sich bei Walther paradigmatisch auffinden: Sowohl das
Denken in organizistischen Topoi und sozialen Pathologien (wenn Walther
von den „Geschwüren“, die am „Volkskörper weiterwuchern“, spricht und
32
Von den Protokollen, die von den Mitarbeitern aus Walthers Team angefertigt wurden, sind ins-
gesamt acht erhalten geblieben, die von Karl Heinz Roth aufgefunden wurden und beim „Verein zur
Erforschung der nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik e.V.“, Dokumentationsstelle,
in Hamburg-Eimsbüttel archiviert sind. Vgl. Waßner (1988), S. 82, Anm. 28.
33
Roth (1987), S. 391.
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eine „soziale Gesundung“ von Stadt und Volk intendiert), als auch die Er-
zeugung statistischer Evidenzen, das sozialplanerische Gestalten, die Dia-
lektik von Neubau („die trotz asozialer Umwelt gesund Gebliebenen
fördern zu einem erfolgreichem Fortkommen in der Stadt“) und Vernich-
tung („das Erbgut der biologisch Defekten ausmerzen“)34 sind nachzuwei-
sen wie auch der Wunsch nach „Formierung einer ideologisch homogenen,
sozial angepaßten, leistungsorientierten und hierarchisch gegliederten Ge-
sellschaft“.35 Somit wurde Walthers Stadtsoziologie zu einer „Technologie
des Rassismus“ (Beyerchen), die das System stabilisierte. Dabei wurde
„der Rassismus der deutschen Intellektuellen […] nicht nur genährt durch
die vielen materiellen und ideellen Prämien, die das Regime vergab, son-
dern gewann seine Kraft aus dem diffusen Weltanschauungsbedürfnis, das
sich aus den Katastrophenerfahrungen seit dem Ersten Weltkrieg speiste
und im extremen Nationalismus seinen Nährboden gefunden hatte“.36 Es
war zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dieses diffuse Weltanschauungs-
bedürfnis, das den Übergang zahlreicher Humanwissenschaftler in das
„Dritte Reich“ ermöglichte. Insofern ist auch die Frage falsch gestellt, ob
sich bei einzelnen Intellektuellen vor 1933 Anzeichen von (pro-
to-)faschistischem Gedankengut identifizieren lassen. Es macht auch we-
nig Sinn, zwischen dezidierten Nationalsozialisten und denjenigen scharf
zu trennen, die „andere Vorstellungen als die des klassischen Nationalso-
zialismus“37 besaßen. Vielmehr lud der Nationalsozialismus „zur Beteili-
gung aller nationalen Kräfte ein“,38 denn „die NS-Ideologie ist inhaltlich
und strukturell für die neuen Begriffe und Wertvorstellungen aus der Wei-
marer Republik ein ideales Sammelbecken gewesen“.39 1933 schlug die
„Stunde der Experten“ (Raphael), und unter den neuen Freiheiten des na-
tionalsozialistischen Regimes konnten die „Allmachtsphantasien und Ord-
nungsutopien“40 der Humanwissenschaftler zu ihrer Verwirklichung finden.
„Reinheit und Eindeutigkeit in den gesellschaftlichen Verhältnissen“ sollten
hergestellt werden, und dies führte die Sozialexperten mitunter „in den
Vorhof der Massenverbrechen, nicht weil sie sich als politisch verstanden,
sondern weil sie sich als unpolitische Faktensammler und Analytiker beg-
riffen, die ein autoritär-technokratisches Gesellschaftsbild über die politi-
schen Systeme hinweg transportierten“.41 So sehr liegen die Gründe für
Andreas Walthers „Wandlung vom Paulus zum Saulus“ wohl doch nicht im
Dunkeln, wie Rainer Waßner noch vor über zwanzig Jahren mutmaßte.42
34
Allerdings bedeutete „Ausmerzen” für Walther nicht die physische Vernichtung, sondern „ledig-
lich“ die Sterilisation der „hoffnungslos Asozialen“.
35
Peukert (1982), S. 295.
36
Raphael (2001), S. 39.
37
Interview mit Wolfgang J. Mommsen, in: Hohls, Jarausch (2000), S. 199.
38
Raphael (2001), S. 29.
39
Lepsius (1994), S. 116.
40
Raphael (2001), S. 38.
41
Gutberger (2004), S. 214.
42
Waßner (1986), S. 400f.
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