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Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina/

Nationale Akademie der Wissenschaften


acatech - Deutsche Akademie dE;)r Technikwissenschaften

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften


(für die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften)

Konzept
für ein integriertes
Energieforschungsprogramm
für Deutschland

Juni 2009

11-; acatech
DEUTSCHE AKADEMIE OER
TECHNIKWISSENSCHAFTEN
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berlin-brandenbUrgisct1
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
LClJpold ill a
N>l;onalo Ak"'k:m io lior Wi".:"",h:1l1."
INHALTSVERZEICHNIS

Zusammenfassung (Executive Summary) 5

Teil I: Einleitung g

- Ausgangssituation 9
- Der systemische Ansatz der Energieforschung als zentrales Element 13
- Notwendige Prämissen der Energieforschung 14
- Aufbau dieses Energieforschungskollzepts 15

Teil 11: No Regret-Forschungsschwerpunkte 17

- Einleitung 17
- Die energieeffiziente Stadt als integrativer Forschungsansatz 17

- Innovationen und Marktdurclldringung 22


- Ziele und Instrumente 22
- Nutzerverhalten und Konsum 24

Teil 111: Forschungspotenziale für eine langfristig gesicherte und nachhaltige Energiezukunft 25

- Einleitung 25
- Modul 1: Erneuerbare Energien 26
- Modul 2: Fossile Energien 33
- Modul 3: Kernenergie 43

Teil IV: Wissenschaftliche Querschnittsthemen für den Übergang zu einer 48


nachhaltigen Energiegesellschaft

- Naturwissenschaftliche Grundlagen von Energietransferprozessen 48


- Szenarienbildung und Krisenmanagement 49
- Märkte, Staat und Zivilgesellschaft (Governance) 50
- Tecllnikfolgenabschätzung und Risikoanalyse 51

Teil V: Leitlinien für eine integrative Energieforschung 52

- Grundsätzliche strukturelle Anforderungen 52


- Handlungsernptehlungen 53
- Empfehlungen für die staatliche Forschungsförderung 54
- Kapazitäten für die Nachwuchsförderung 55

Teil VI: Ausblick 57

Anhang 58

3
Vertraulich

IMPRESSUM:
Herausgeber:
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
Emil-Abderhalden-Str. 37
06108 Halle/Saale

acatech - DEUTSCHE AKADEMIE


DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN
Geschäftsstelle
Residenz München
Hofgartenstr. 2
80539 München
Hauptstadtbüro
E-Werk, Bauteil E
Mauerstr. 79
10117 Berlin

Berlin -Brandenburgische Akademie der Wissenschaften


Jägerstr. 22/23
10117 Berlin

Layout und Satz:


PM-GrafikDesign
Im alten Weg 7
63607 Wächtersbach

Druck:
Seltersdruck GmbH
65618 Selters/Ts.

Juni 2009

4
ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassung (Executive Summary)

Die Energieforschung in Deutschland muss alle Optionen für die zukünftige Energieversorgung im
Spannungsfeld von Klima- und Umw eltschutz und Versorgungssicherheit zu wirtschaftlich vertretba-
ren Kosten bereitstellen. Nur so eröffnet sie der Politik einen langfristigen Handlungs- und Entscheidungs-
spielraum. Hierbei liegen Schwerpunkte der Forschung sowohl auf der Angebotsseite (Bereitstellung und
Verteilung) wie auch auf der Nachfrageseite (Anreize für nachhaltige Energieversorgung, neue Konsum-
modelle und Akzeptanz durch Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Individuen).

Um den Weg für die Umsetzung zukünftiger Technologieoptionen und Maßnahmen offenzuha,lten, muss
die Forschung dabei die Unabhängigkeit besitzen, auch über längere Zeiträume Aspekte zu bearbeiten,
die gegenwärtig nicht im Mittelpunkt der politischen Handlungsoptionen liegen. Dies ist besonders drin-
gend vor dem Hintergrund, dass die politischen, sozioökonomischen, ökologischen und klimatischen
Randbedingungen und Handlungsoptionen der Politik für die nächsten 20, 50 oder gar 100 Jahre kaum
vorhersehbar sind .

Bei der Betrachtung der gegenwärtigen Forschungslandschaft wird deutlich, dass häufig - meist rein
technologische - Einzelaspekte der Bereitstellung, Wandlung, Verteilung, Speicherung und Nutzung von
Energie im Zentrum stehen, was den Blick auf das Gesamtsystem verstellt. Dreh- und Angelpunkt der
Energieforschung muss jedoch eine systemische Perspektive sein . Die technischen und organisatori-
schen Lösungen für den notwendigen Übergang in eine nachhaltige Energieversorgung lassen sich nur in
dem komplexen Umfeid von technischen, sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Wechsel -
beziehungen beurteilen und effektiv umsetzen . Im Zeitalter der Globalisienung ist die Energieforschung
dabei auf eine integrative und internationale Perspektive angewiesen .

Folgende Forschungsfelder können diese Leitlinien umsetzen:

• Eine zukünftige Energieversorgung muss zwingend Effizienzpotenziaie ausschöpfen. Dieses gilt so-
wohl für bestehende wie auch für zukünftige Systerne entlang der gesarnten Prozesskette - von der
Bereitstellung über den Transport und die Speicherung bis hin zur Nutzung. Besondere Chancen
bieten sich in einer vernetzten Energieoptimierung in urbanen Ballungszentren unter Einbeziehung
von Stadtplanung, Raumordnung, Gebäudeauslegung, integrierten Mobilitätskonzepten sowie in die-
sen Systemzusarnmenhang passenden Technologien wie intelligente Wärme und Stromsteuerung in
Haushalten und integrierte Abwärmenutzung (Energieeffizient e Stadt). Gleiches gilt für Großenergie-
verbraucher wie die Stahl- und Zementindustrie.

• Mittelfristig werden weltweit die fossilen Energieträger bedeutend bleiben . Da bei ihrer Verbren-
nung klirnarelevantes CO, anfällt, ist eine weitgehende Entkarbonisierung des Energiesystems eine
Schlüsselaufgabe. Wichtig ist dabei, dass alle Optionen der Entkarbonisierung vergleichend unter-
sucht und ihre Nebenwirkungen auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft abgeschätzt werden. Op-
tionen wie die Abtrennung und Speicherung des Kohlendioxids (CCS: Carbondioxide Capture and
Storage) oder die Nutzung von CO,-Senken müssen dabei auf ihre technische Machbarkeit, Langzeit-
sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Kompatibilität mit dem restlichen Energieversorgungssystem und der
Vereinbarkeit mit den Werten und Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger überprüft werden .

5
ZUSAMMENFASSUNG

• Bei allem Bemühen um eine effiziente Nutzung der bisher eingesetzten Primärenergieträger wer-
den innovative Technologien der Bereitst ellung dringend benötigt. Entwicklungslinien mit hohem
Forschungsbedarf sind Photovoltaik, Offshore-Windanlagen, grundlastgeeignete Kraftwerke für tiefe
Geothermie, solarthermische Großkraftwerke in Südeuropa mit den entsprechenden Konsequenzen
für Speicherung und Transportnetze sowie Kernkraftwerke der 4 . Generation . Unabhängig davon, ob
Deutschland den Pfad der Kernenergienujzung weiter verfolgt, ist die Erforschung neuer nuklearer
Technologien vor allem auch im Hinblick auf die Verbesserung der Sicherheit und die Endlagerung
eine Zukunftsaufgabe, an der sich Deutschland aus nationalem und weltweitem Interesse wie aus
Verantwortung für die globale Energieversorgung beteiligen sollte. Bei der Erschließung nicht-kon -
ventioneller ÖI- und Gasvorkommen sollte Deutschland auf den Forschungsfeldern mitwirken, auf
denen ein wissenschaftlicher oder technologischer Vorsprung vor Ländern besteht, die über die
entsprechenden Lagerstätten verfügen. Eine langfristig besonders vielversprechende Option ist die
Kernfusion, deren Erforschung in den etablierten internationalen Kooperationen weiter vorangetrieben
werden sollte. Begleitend ist die Erforschung der Bedingungen erforderlich, unter denen innovative
Lösungen entstehen und sich im Markt etablieren, sowie auch die Barrieren, die Innovationen im
Energiesystem verhindern .

• Die Eignung verschiedener Arten von Biomasse für die energetische Nutzung sollte neu überprüft
und die Forschung unter Berücksichtigung von ·Skaleneffekten und unter systemischen Gesichts-
punkten (Nahrungsmittel-Konkurrenz, hoher Wasserbedarf, Umweltverträglichkeit, Logistik, Basis
des Mobilitätssystems, Biomasse als CO,-Senke, Bioökonomie) vorangetrieben werden. Hierbei soll-
te das Potenzial moderner Verfahren der Biomasseverwertung (Verfahren der 2. Generation) durch
intensive Forschung eruiert und weiterentwickelt werden .

• Für die in Zukunft stärker diversifizierten Bereitstellungstechnologien müssen verlustarme Netzkon-


zepte entwickelt werden, mit denen auf Schwankungen oder auf Störungen flexibel reagiert werden
kann . Hierzu wird eine hoch entwickelte Netzsteuerung mit fortgeschrittenen Speichertechnologien zu
kombinieren sein. Die Speichertechnologien müssen deutlich weiterentwickelt werden, da sowohl
direkte elektrische als auch thermische, mechanische sowie stoffliche Speicher zukünftig wichtige
Bausteine einer integrierten Netzstruktur sein werden . Im Sinne der systemischen Perspektive ist auf
eine O,ptimale Auswahl und Kopplung von Netz- und Speichertechnologien sowie auf Interaktionen
mit den Markt-, Vertrags- und Rechtssystemen der beteiligten Staaten besonders zu achten.

• Bei den verschiedenen Nutzungsformen ist besonders die Forschung im Bereich der Mobilität gebo-
ten, da hier der Energieverbrauch weltweit kontinuierlich . Zu erwarten ist eine mittelfristige Umstellung
des Individualverkehrs auf Elektroantriebe. Im Fokus sollte dabei die Erforschung der Potenziale und
der Probleme bei einer Umstellung des Individualverkehrs auf Elektroantriebe stehen. Dabei kommt
der Batterieforschung , auch jenseits der Lithium-Ionen-Batterie, besondere Bedeutung zu . Grund-
sätzlich muss eine stärkere Integration technologischer und gesellschaftlicher Mobilitätskon-
zepte untersucht werden, wozu auch die Integration von Elektrofahrzeugen in die Netzinfrastruktur
gehört.

• Hohe Temperaturen, verbunden mit aggressiven Medien oder hohen Neutronenflüssen, erfordern
neue Materialien für den Einsatz unter extremen Bedingungen (z. B. für effizientere thermische,
solarthermische oder nukleare Kraftwerke) . Basierend auf der Stärke der Material- und Werkstoff-
forschung in Deutschland sollte dieses FuE-Gebiet in Deutschland schnell und effizient ausgebaut
werden .

6
ZUSAMMENFASSUNG

• Unabhängig von der Umsetzung von Technologien besteht aber auch die Notwendigkeit, das grund-
legende Verständnis von energieübertragenden Prozessen auf molekularer Ebene zu verbessern,
insbesondere von Mehrelektronen-Transferprozessen, auch über Phasengrenzen hinweg. Ein enges
Zusammenspiel von Chemie, Physik und Biologie kann hier die Grundlage für die Optimierung be-
stehender Verfahren und für die Entwicklung ganz neuer Technologien bilden.

• Entscheidungen in Energiepolitik und Energieforschung erfolgen vor dem Hintergrund von Annahmen
über zukünftige Entwicklungen ("Energiezukünfte") Diese Annahmen betreffen z.B. die Verfügbar-
keit und Sicherung der wirtschaftlichen Versorgung angesichts gecpclrtischer Verschiebungen, die
Wirksamkert von Anreizsystemen .und die Abschätzung von Kosten und Folgen im gesamten Zy-
klus (Vollkostenrechnung), die Reichwerte von internationalen Vereinbarungen oder die Akzeptanz
von Technologien oder Lebensstiländerungen. Zur AusgestaJrtung des notwendigen Übergangs in
eine nachhaltige Energieversorgung benötigt die Energiepclitik deshalb integrierte Modelle und
Szenarien , die in der Lage sind, verschiedene Handlungsoptionen, deren voraussichtiiche Vor- und
Nachteile sowie deren Umsetzungschancen zuverlässig abzuschätzen - und zwar mit allen Unsi-
cherheiten, die damit verbunden sind. Die Forschungsaktivitäten sind vor allem auf die Interaktionen
zwischen den Bereichen Technologieentwicklung, Diffusion von Innovationen, rechtliche und ethische
Bewertungen, staatliche Regulierung sowie sozjo-politische Anreize und Barrieren auszurichten. Be-
sonderes Augenmerk muss dabei auf die globale Situation und die Möglichkeiten internationaler Ko-
operation gelegt werden.

• Die bisher erreichten Einsparungen im Energieverbrauch durch Verbesserungen der Effizienz wurden
weltweit immer wieder durch den Mehrkonsurn von Energiedienstleistungen in nahezu allen Ländern
überkompensiert. Dem Thema Nachfrage nach Energiedienstleistungen sollte künftig wesent-
lich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der systematischen
und praxisorientierten Instrumentenforschung . Bis heute ist weitgehend ungeklärt, welche ökono-
mischen, rechtlichen und politischen Steuerungsinstrumente die energie- und klimapolitischen
Ziele effektiv, effizient, rechts- und sozialverträglich erfüllen helfen und wie sich diese in die globalen
Rechts- und Governance-Strukturen wirksam einbinden lassen. Dies erfordert die Entwicklung
völlig neuer integrativer Forschungsansätze. Vor allem sind sogenannte Second Best-Strategien zu
erforschen, die dann greifen , wenn beispielsweise ein weltweit geltendes klimapoiitisches Abkom-
men nicht zustande kommt. Die Energiepolitik
braucht mehr Wissen darüber, in welcher Wei -
Abb. 1: Handlungsfelder der Energieforschung
se psychologische, kulturelle und institutionel-
le Kontextbedingungen die Nachfrage nach
Sozi .... und KuilurwissenschDn...
Energiedienstleistungen und die Akzeptanz
von Energietechnologien und energiepcliti-
sehen Maßnahmen beeinflussen.

Das Zusammenspiel aller angesprochenen - und


in Abbildung 1 schematisch dargestellten - For-
schungsfelder lässt sich nur durch eine systemi- --
srm_n

sehe Herangehensweise, unter Einbezjehung von /EI01llt'o..-_ 0


...o0 0anlhn:lpOl._.
Expertise aus unterschiedlichen Wissenschaftsbe-
~
reichen, adäquat bearbeiten.
o
Noue 0 .....1 _ .
O N'U.""~
.,....h.t
ot._.l." 0
Energieforschung wird in Deutschland an Universi- "h..<tollt"
o
G<uftdlo.O" Entcertt.....leNn.

täten, Großforschungszentren, in Max-Planck- und


Fraunhofer-Instituten und in der Industrie durchge- NIII(rNlsnnschllhon Technlkwlssenschaflon

7
ZUSAMMENFASSUNG

führt. Eine solche Pluralität an energiebezogenen Forschungseinrichtungen im Grundlagen- wie Anwen -


dungsbereich ist grundsätzlich positiv zu beurteilen. Um die notwendigen Forschungsanstrengungen in
Deutschland effizient umzusetzen, ist aber eine geeignete Koordinationsstruktur zu schaffen, weil sich
sonst die erforderliche systemische Sichtweise nicht durchsetzen wird .

Für eine kontinuierliche, interdisziplinäre und systemische Arbeit auf dem Feld der Energieforschung ist in
Deutschland mindestens ein großes Forschungszentrum erforderlich, das großtechnische Vorhaben
breit und multidisziplinär in Kooperation mit Industrie, Universitäten und außeruniversitäre Forschungsein-
richtungen durchführt. In einem solchen Zentrum, das idealerweise aus bestehenden Strukturen - etwa
aus einem oder mehreren Helmholtz-Zentren - entwickelt würde, sollten alle Aspekte der Energiefor-
schung, von den Technlkwissenschaften über die Naturwissenschaften bis hin zu den Sozial- und Geis-
teswissenschaften, vereint werden. Ein derartiges Zentrum muss in der Lage sein, Technologien durch
Forschung und Entwicklung bis zur Marktreife zu betreuen . Die Finanzierung muss langfristig gesichert
sein . Wegen der Bedeutung der wissenschaftlichen Ausbildung des Nachwuchses muss Wert auf eine
enge Anbindung an universitäre Forschung und Lehre gelegt werden .

Den Universitäten kommt in einer zukünftigen Struktur eine besondere Bedeutung zu, da sie in vielen Be-
reichen der Energieforschung Spitzenleistungen erbringen sowie den w issenschaftlichen Nachw uchs
für die Energieforschung ausbilden. Um bei den Universitäten den systemischen Charakter der For-
schung zu stärken, sind einerseits themenspezifische Verbünde und andererseits interdisziplinäre Ex -
zellenz-Cluster oder Kompetenzzentren dringend zu empfehlen . Auf diese Weise können bestimmte
Problembereiche der Energieversorgung und der Energienachfrage interdisziplinär und vernetzt erforscht
werden. In der Lehre fehlt es an fundiert, breit und fachübergreifend ausgebildetern Nachwuchs im Be-
reich Energie. Hier sollten vor dem Hintergrund des Querschnittcharakters des Themas Energie enge
Verknüpfungen zwischen Disziplinen wie Maschinenbau, Material- und Werkstoffwissenschaften, Elektro-
technik, Chemie, Physik, Biologie, Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften hergestellt werden.
Entsprechende Studiengänge sollten etabliert werden . Promotionen und Promotionskollegs mit einem
solchen übergreifenden Forschungsansatz sind zur Nachwuchssicherung empfehlenswert.

Hinsichtlich der notwendigen Kooperation zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrich-


tungen und/der Industrie ist die Projektförderung in ihrer derzeitigen Struktur für die Energieforschung meist
noch zu diskontinuierlich und für Forscherinnen und Forscher an den Hochschulen oft wissenschaftlich
nicht attraktiv genug ausgestaltet. Zur Verbesserung dieser Situation sollte die Förderung verstärkt auf die
genannten Verbünde, Cluster und Zentren konzentriert werden, urn den bestmöglichen Wirkungsgrad der
Förderrnittel zu erreichen. Dennoch sollte immer auch Raum für innovative Einzelansätze bleiben.

Die Förderung der Energieforschung in Deutschland hat in den letzten Jahren schon zunehmend interdis-
ziplinäre Aspekte und eine systemische Betrachtung einbezogen . Dennoch ist die systemische Sicht in
der Energieforschung noch zu wenig verbreitet, was sich auch in einer Fragrnentierung der Zuständigkei-
ten in der Forschungsförderung niederschlägt. Effiziente Energieforschung bedarf aber klarer Zuständig-
keiten . Daher sollte ein mit Richtlinienkompetenz ausgestatteten gemeinsamen Koordinierungsgremium
"Energieforschung" (mit einer Struktur wie die BW+ Initiative des Landes Baden-Württernberg) etabliert
werden, in dem neben den Ressorts auch unabhängige Wissenschaftler vertreten sein sollten. Ein solches
Gremium würde die vielfach zu einzelnen Förderprograrnrnen existierenden Beiräte ablösen. A,lternativ
dazu könnte die Zuständigkeit für die Energieforschung sogar in einem Ressort zusammengeführt wer-
den. Einem solchen Ministerium sollte ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite gestellt werden . Im Aufbau
eng gekoppelter und vernetzter Strukturen liegt eine der größten Chancen für eine effiziente, zielgerichtete
und nachhaltige Energieforschungspolitik.

8
EINLEITUNG I

Ausgangssituation Die Vereinbarkert von Energieversorgungs- und


Klimaschulzzielen gehört zu den zentralen Her-
Innovative Forschung ist Deutschlands wichtigs- ausforderungen der Gegenwart. Auf dem Kopen-
te Resscurce und Basis für die Entwicklung rea- hagen-Gipfel im Dezember 2009 dürften die
listischer Optionen zur Gestaltung der künftigen Klimaschutzziele eine weitere Verschäriung er-
Energieversorgung im Spannungsfeld von Kli- fahren. Zunehmend tritt angesichts der globalen
ma· und Umweltschutz auf der einen und Ver· Entwicklung auf den Weltenergiemärkten auch
sorgungssicherheit zu vertretbaren Kosten auf das Thema Verteilungsgerechtigkeit auf die
der anderen Seite. Damit dies gelingt, ist eine sys- politische Agenda. Konflikte zwischen diesen Zie-
temische Sichtweise unabdingbar. Diese erior- len werden nicht nur im Hinblick auf unterschied-
dert eine enge und vernetzte Zusammenarbeit der liche Entwicklungen in den OECD-Staaten und
Wissenschaften über den gesamten Zyklus der den Schwellenländern oder bei einem zwischen-
Energieumwandlung von der Bereitstellung über staatlichen Vergleich der Industrieländer deutlich,
die Verteilung bis zur Nutzung der Energie. Da die sondern zeigen sich bereits in den Stufen der
politischen, sozioökonomischen, ökologischen Energieversorgung entlang der Prozesskette Be-
und klimatischen Randbedingungen ebenso wie reitstellung - Verteilung - Nutzung.
der wissenschaftlich-technische Fortschritt für die
nächsten 20, 50 oder gar 100 Jahre kaum vor- Die Primärenergieversorgung (Abbildung 2) in
hersehbar sind, muss die Energieforschung ab- Deutschland wird heute zu etwa 80 % durch fos-
sehbare Entwicklungen antizipieren und auf über- sile Energieträger gedeckt. Auch in den nächsten
raschende Änderungen der Bedingungen flexibel zwei Jahrzehnten werden Kohle, Gas und Öl die
reagieren. Diese Anforderung bedingt, dass Wis- mrt Abstand wichtigsten Energieträger sein. Die
senschaft auch über längere Zerträume unabhän- Stromproduktion (Abbildung 3) in Deutschland.
gig die Aspekte bearberten kann, die nicht im Fo- wird gegenwärtig zu 60 % durch Kohle und Gas
kus der tagespolrtischen Aufmerksamkeit liegen. gesichert, zu 22 % aus Kernenergie und zu 14 %

Abb. 2·und 3: Prtmärenergieverbrauch (links) und Stromproduktion (rechts) in Deutschland in den Jahren 2007 bzw. 2008
(Quel~ : Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.)

Sonstige
AGEB
AGEner~~V

ei~""'IÄlJ.Be.".handel ~~OJll~,Q(Q,Q) %

Erneuerbare Energ~ 7,4 (7,Q) % Mineralöl 34,7 (33,4) % Windkraft 6 % Braunkohle 24 %

Kernenergie 11,6 (11 ,1) % Wasserkraft 4 %

Mineralölprodukte 2 %

Erdgas 14 %

Erdgas 22,1(22,61% Steinkohle..'.9..'l\.............•

9
I EINLEITUNG

aus regenerativen Energiequellen. Gleichzeitig gerungen besonders wichtig. Einige der Aktivitä-
werden die 2020-Klimaschutzziele mit hohem ten in der Energieforschung sind - unabhängig von
Druck verfolgt. den Ausgangsbedingungen, energiepolitischen
Weichenstellungen und der sozioökonomischen
Dies unterstreicht die Notwendigkeit, mittel- und Entwicklung - von hoher Bedeutung für zukünf-
langfristig nach Wegen zu suchen, die fossilen tige Energiesysteme. Diese Maßnahmen sollten
Energieträger sukzessive zu ersetzen und kurzfris- in jedem Falle bei der Entwicklung von Energie-
tig Maßnahmen der Einsparung und Effizienzstei- forschungskonzepten berücksichtigt werden . Sie
gerung vorzunehmen. Diese Ansätze müssen in sind unter dem Stichwort No Regret-Strategien
allen Verbrauchssektoren verfolgt werden, weil sie im anschließenden Kapitel näher dargestellt.
alle in etwa dem gleichen Ausmaß Energiedienst-
leistungen in Anspruch nehmen. Insbesondere in Der Übergang zu einem neuen Energiesystem
der Umwandlung von Energie treten beträchtliche wird nicht frei von Zielkonflikten sein. Die Energie-
Verluste auf (Abbildung 4); hier sind Effizienzstei- dichte regenerativer Energiequellen ist überwie-

Abb. 4: Energieflussdiagramm 2007 für die Bundesrepublik Deutschland. Zahlenangaben inMillionen Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE)
(Quelle:Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzene.v.)

Gewinnung Import
im Inland
Bestands- ~
entnahme 6,2 139,1

Export und
Bunkerung
_ _ _ 71,1 _~~
477,5
Primärenergieverbrauch*
Nichtenerget. Verbrauch
11._ _ 34,6 ~
statist.
Differenzen
- - - 2,8
Umwandlungsverluste
- - - - - 18,5
Verbrauch in den
Energiesektoren

Industrie Verkehr Haushalt Gewerbe, Handel,


Dienstleistungen

'Der Anle~ der tmeuerbaran Eoorgielräge. IIegl bEll 7 ,~.


AU' zahlen vOllauflglgeschi1Z1.
Outll<t:Albeilsg""",inschafl Energiebilanzon llIlI200lI

10
EINLEITUNG I

gend gering . Ihre Nutzung erfordert daher mehr Abfälle für mehrere zehntausend Jahre sicher
Materiai, Flächen und Aufwand für die Bereitstel- gegen die Biosphäre abzusichern, wird kontro -
lung der gewünschten Energiedienstleistung. vers diskutiert. Die Fusionsforschung verspricht
eine günstige Alternative in der Zukunft, die Ein-
Im Bereich der Mobilität sind flüssige Brennstoffe iösung dieses Versprechens ist jedoch noch nicht
mit hoher Energiespeicherdichte im Hinblick auf gesichert. Schließlich sind auch Verbesserungen
Reichweite, Zuverlässigkeit, Komfort und Kosten der Effizienz in der Umwandlung und Nutzung
im Vorteil, auch wenn Alternativen (Stichwort Elek- der Energie zum Teil mit hohen Investitionskosten
tromobilität) derzeit intensiv in Betracht gezogen verbunden, die sich nach dem heutigen Energie-
werden (siehe folgendes Kapitel zu No Regret- kostenniveau teilweise nicht oder erst nach lan-
Strategien). Die Alternative Kernenergie erscheint gen Zeiträumen rechnen . Gleichwohl besteht hier
vielen Ländern wieder attraktiv, ist aber vor allem ein sehr wirkungsvoller Hebel, der ge~ utzt werden
in Deutschland gesellschaftlich umstritten - und muss.
die Frage, ob es gelingen kann, die nuklearen

Abb. 5 und 6: Projektionen der Zunahme des Primärenergiebedarfs und der energiequeJlenbezogenen C02~Emissionen im Referenzszenario
des World Energy Outlook 2008 (Quelle: IEA 2008).

• 6000 - _._ .. - - Oil


B
:>
- (oal
5000
- Gas
4000
- Biomass

3000 Y1--~"---::
. _ ._ - - - Nuclear

- Hydro
2000
- Other
1000 renewables

0
1980 1990 2000 2010 2020 2030

45
•"cc • International
marine bunkers
B
ro 40 and aviation

."'-' 35
• Non-OECD - gas

• Non-OECD - oil
30 • Non-OECD - coal
a OECD· gas
25
. OECD - oil
20 a OECD - coal

15

10

11
,

I EINLEITUNG

Die globale Nachfrage nach Energie ist ungebro- rade im Bereich der Klimapolitik ist es unabding-
chen . Die Projektion des jährlichen Anstiegs des bar, ein global wirksames und von allen Staaten
Primärenergiebedarfs im Referenzszenario des mitgetragenes Regime einzurichten, das die be-
World Energy Outlook 2008 beläuft sich auf 1,6 %, kannten Probleme bei der Nutzung von Gemein-
und der vorhergesagte Anstieg des CO,-Aussto- schaftsgütern (Allmende-Dilemma) überwinden
ßes liegt In der gleichen Größenordnung, vor al.lem hilft. Für diesen Zweck sind zum einen global
in den Nicht-OECD-Staaten (Abbildung 5 und 6). wirksame Instrumente zu entwickeln, zum ande-
ren geeignete Steuerungsformen aus der Erfor-
Diese Zunahme des Energieverbrauchs kann in schung von internationalen Institutionen, Politiken
den meisten OECD-Staaten durch Effizienzver- und Mehrebenensystemen abzuleiten . Nicht zu-
besserungen ausgeglichen werden, sodass sich letzt stärkt eine dezidiert internationale Ausrich-
der Verbrauch der Primärenergie pro Einheit Ener- tung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
giedienstleistung verringert, zum Teil allerdings Energieforschung . So ist zum Beispiel der inter-
schon jetzt zu hohen Kosten. Auf Dauer wird sich nationale Rechtsvergleich eine wesentliche Vor-
eine ständige Steigerung der Nachfrage wegen aussetzung für eine Übertragung des deutschen
des abnehmenden Grenzertrages der Effizienz- Energierechts oder Teile daraus in internationales
erhöhung nicht mehr ohne erheblichen Aufwand Recht (ink!. Benchrnarking) .
kompensieren lassen. In den Nicht-OECD-Staa-
ten eröffnen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung Unabhängig davon, ob man die Energiesituation
ein enormes Energieeinsparpotenzial, das bisher aus einer globalen Perspektive oder aus der Per-
jedoch viel zu wenig genutzt wird. spektive Europas oder Deutschlands betrachtet:
Es schälen sich einige robuste Ziele heraus, die
Zudem sind Energieprobleme nicht mehr auf die bei energiepolitischen Entscheidungen durchweg
nationale Ebene begrenzt, geschweige denn im und gleichzeitig angestrebt werden müssen . Dazu
nationalen Rahmen zu lösen . Antworten auf die gehören vor allem:
Herausforderungen der zukünftigen Energiever-
sorgung sind im Zeitalter der Globalisierung auf • die langfristige Sicherung von Energiedienst-
eine internationale, wenn nicht gar globale Per- leistungen für eine beständig zunehmende
spektive angewiesen. Dies betrifft nahezu alle Weltbevölkerung, die durch die absehbare
relevanten Energiethemen - angefangen bei der Knappheit der heute dominierenden Energie-
Sicherheit und Transportabhängigkeit, über die träger gefährdet ist,
wechselseitige Beziehung von regionalen, natio-
nalen, europäischen und internationalen Steue- • die Bereitstellung von Energie zu vernünftigen
rungsinstrumenten der Energiepolitik und zur finanziellen Konditionen als Basis für den Er-
Verteilung von Chancen und Risiken, bis hin zur halt von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit
Versorgungssicherheit für die jeweils betroffenen in Ländern wie Deutschland und für Aufbau
Regionen (Stichwort: Energiearmut). Von inter- und Entwicklung von lebenswerten Bedin-
nationalen Normen und Konventionen, Grundent- gungen in den sich entwickelnden Ländern,
scheidungen (speziell im Umweltrecht) und von
Regulierungsstrategien der einzelnen Staaten und • der Schutz von Klima und Umwelt,
Staatengemeinschaften hängt maßgeblich ab,
ob die als richtig anerkannten Maßnahmen auch • . die Sicherstellung von Verteilungsgerechtig-
weltweit umgesetzt werden. keit in der Versorgung mit Energiedienstleis-
tungen .
Die internationale Wirksamkeit von Steuerungs-
prozessen zur Erreichung von Zielen wie Klima- Diese Ziele stoßen zwangsläufig auf Randbedin-
schutz, Effizienzerhöhung und weltweiter Ver- gungen, die ihre gleichzeitige Erreichung schwie-
sorgungssicherheit ist bislang noch zu wenig im rig machen: Ungeachtet vieler BemÜhungen seit
Fokus der Energieforschung in Deutschland. Ge- den 70er Jahren des letz1en Jahrhunderts, den

12
EINLEITUNG I

••• . .... • • ••• • •


Enabling Technologies
IT l_khK Sensaik & SensanetzeAktuatctik. ..
..."--------,,
Effizienz in der Effizienz in der Effizienz in der
Bereitstellung Übertragung Nutzung

Abb. 7: Integrierte Sichtweise einer zukunftweisenden Energieforschung.

Anteil fossiler Energieträger stetig zu senken, ist entsprechende Strukturierung der anstehenden
er weltweit angestiegen. Trotz großer Erfolge bei Forschungsfragen.
der Verbesserung der Effizienz übertraf der An-
stieg der Nachfrage nach Energiedienstleistungen Energiedienstleistungen werden über die Kette
stets den Gewinn durch Effizienzsteigerung . Und Bereitstellung-Übertragung-Nutzung vom Erzeu-
trotz der weltweiten Einsicht, dass aus Gründen ger zum Verbraucher transportiert. Traditionell
des Klima- und Ressourcenschutzes global wirk- setzt die Forschung an einzelnen Technologie-
same Programme und Instrumente für den Um- komponenten dieser Kette an, bestenfalls werden
bau der Energieversorgung unerlässlich sind, fehlt Zusammenhänge innerhalb der Kette berücksich-
es bis heute an einem weltweiten, alle Länder ver- tigt. Dieser Ansatz greift aber zu kurz. Er verkennt,
pflichtenden Abkommen, um eben dieses Ziel zu dass die Effizienzerhöhung entlang der Kette nur
erreichen . dann optimal erreicht werden kann, wenn gleich-
zeitig andere Technologien in die Forschungsak-
Der systemische Ansatz der Energie- tivitäten eingebunden werden. Weiterhin ist eine
forschung als z entrales Element technologische Entwicklung immer in ein Umfeld
an sozloökonomischen Zusammenhängen ein-
In dieser Situation kommt der Energieforschung gebunden, das in der Forschung an Energietech-
zentrale Bedeutung zu. Diese ist in Deutschland nologien ebenfalls berücksichtigt werden muss
gegenwärtig durch eine nur schwach ausgepräg- (Abbildung 7). Rein technologische Forschungs-
te Kongruenz von Zielsetzung und Handeln zwi - ansätze werden in der Mehrzahl zum Scheitern
schen den einzelnen Bundesministerien geprägt. verurteilt sein, wenn etwa die gesellschaftlichen
Darüber hinaus trägt die föderale Struktur der Rahmenbedingungen, die Nachfragesteuerung
Bundesrepublik Deutschland mit dazu bei, dass oder die Akzeptanz einer Technologie nicht mit in
eine klare, in sich konsistente und zielorientierte die Systementwicklung einbezogen werden . Zu-
Ausrichtung der Energiepolitik nur in Ansätzen zu dem ist eine enge Verknüpfung zwischen Techno-
erkennen ist. logieentwicklern im akademischen und privatwirt-
schaftlichen Bereich und Technologienutzern zu
Es wäre allerdings falsch, diesen Eindruck der In- berücksichtigen.
konsistenz allein der Politik anzulasten . Vielmehr
findet sich auch in der Wissenschafts- und For- Schließlich darf gerade bei der Einfühung neuer
schungslandschaft Deutschlands eine fragmen- Energietechnologien die Frage der Rohstoffver-
tierte und wenig koordinierte Sicht des Themas fügbarkeit nicht vernachlässigt werden. Beson-
Energie: Eine integrierende, prozessketten- ders in den Massenmärkten können knappe Roh-
orientierte und systemische Sichtweise ist je- stoffe, wie etwa Indium, Lithium oder Gallium, von
doch eine unabdingbare Voraussetzung für eine hoher strategischer Bedeutung sein, sowohl in

13
1

I EINLEITUNG

Hinblick auf die gesamte Verfügbarkeit als auch reich nicht denkbar. Dementsprechend muss der
hinsichtlich der geographischen Verteilung von Stellenwert der Energieforschung in Deutsch-
Lagerstätten, die im ungünstigen Falle das Risiko land erheblich angehoben werden.
polrtischer Erpressbarkeit mit sich bringt.
Zum zweiten wird die Forschung nur dann wirk-
Das heute durch Natur- und Technikwissenschaf- same Lösungsvorschläge hervorbringen können ,
ten geprägte Bild der Energieforschung bedarf wenn sie nicht disziplinär und abgeschottet Teil-
aus dem systemischen Blickwinkel einer engen aspekte des jeweiligen Problems angeht, sondern
Verknüpfung mit ökonomischen, ökologischen, - wo immer sinnvoll - von vornherein als interdis-
rechtlichen und gesellschaftswissenschaftlichen ziplinäre oder sogar transdisziplinäre Forschung
Entwicklungen. Es ist daher ein Kernanliegen der angelegt ist.
drei an diesem Konzept beteiligten Akademien,
mit diesem Papier ein Integriertes Konzept vorzu - Um die Herausforderungen bei der Transforma-
legen, das Natur-, Technik- sowie Geistes-, Wirt- tion unseres Energiesystems effektiv, effizient und
schafts- und Sozialwissenschaften gleichermaßen gerecht anzugehen, benötigt die Gesellschaft
einbezieht. Wenn man die Anbieter und die Nutzer Wissen auf vier Ebenen:
von Technologien im Fokus hat, sind Fragen der
Wirtschaftlichkeit, der institutionellen Steuerung • Grundlagenw issen: Hier geht es um die Ent-
und der Akzeptanz zentral für die Innovations- wicklung neuer Ideen und um die Erforschung
und Wandlungsfähigkert einer Gesellschaft. grundlegender Zusammenhänge, innovativer
Materialien und arternativer Verfahren. Detail-
Auch in der Lehre, die heute - trotz zahlreicher lierte Kenntnisse naturwissenschaftlicher Vor-
Versuche - immer noch stark sektoral geprägt ist, gänge und technischer Prozesse ermöglichen
besteht erheblicher Reformbedarf, um die systemi- eine Optimierung bestehender Energieum-
sche Sicht auf die Energieforschung zu verankern. wandlungs- und Energienutzungstechniken
Derzeit wird der wissenschaftliche Nachwuchs nur und eine Entdeckung neuer und günstigerer
eingeschränkt auf die anstehenden Herausforde- Wege.
rungen vorbereitet. Neben der Ausstattung mit
unverzichtbarem Spezialwissen muss die nächste • Orientierungswissen: Hier geht es um For-
Generation von Wissenschaftlern an transdiszipli- schung, die für die wichtigen Entscheidungen
näre und systemische Sichtweisen herangeführt in der Energiepolrtik und Energiewirtschaft ref-
werden. Nicht nur im wissenschaftlichen, sondern lektives Wissen zur Verfügung stellt. Sie trägt
auch im technischen und handwerklichen Bereich dazu bei, Zielkonfiikte zu identifizieren, die
ist eine gezielte Nachwuchsförderung unverzieht- unterschiedlichen Perspektiven der Akteure
bar, wenn Deutschland mittel- und langfristig ein .konstruktiv (und partizipativ) einzubinden und
Produktionsstandort im Bereich der Hochtechno- in Abwägung von Wünschbarem und Mach-
logie bleiben soll. barem tragfähige Strategien des Übergangs
zu entwerten.
Notwendige Prämissen der
Energieforschung • Systemwissen: Hier geht es um Forschung,
welche die vernetzten Ursachen und Wir-
Aus der genannten Aufzählung der Herausforde- kungen menschlicher Interventionen in Natur
rungen und Ziele lassen sich zwei Schlüsse für die und Technik im Fokus hat. Am Beispiel der
grundlegende Beschaffenheit einer zukünftigen Biomassenutzung ist deutlich zu erkennen,
Energieforschung ziehen: Zum ersten ist eine er- dass die anfängliche Euphorie in Bezug auf
foigversprechende Lösung der Energieprobleme diese Energiequelle viele Implikationen ihrer
ohne die Erweiterung der Wissensbasis sowohl verstärkten Nutzung, von der Gefährdung
im technoiogisch-grundlagenwissenschaftlichen der Biodiversität bis hin zum starken Anstieg
als auch im gesellschaftswissenschaftlichen Be- eines Teils der Lebensmittelpreise, nicht hin-

14
EINLEITUNG I

reichend berücksichtigt hatte. Wissen, das Aufbau dieses Energieforschungs-


Entscheidungsträgern hilft,. die erwünschten konzepts
Leistungen zu erbringen, ist ebenso not-
wendig wie Wissen um nicht beabsichtigte Im folgenden Kapitel werden zunächst die Be-
Nebenwirkungen, Risiken wie Chancen. reiche der Energieforschung beschrieben, die in
jedem Falle prioritär angegangen werden sollen,
• Transformationswissen: Hier geht es um die entweder weil sie von überragender Bedeutung
Umsetzung als sinnvoll erkannter Ziele in die sind oder weil sie - unabhängig von Verände-
Realrtät. In erster Unie handert es sich dabei rungen der Randbedingungen - in jeder wahr-
um angewandte Forschung und Entwicklung, scheinlichen Energiezukunft entscheidende
vor allem im naturwissenschaftlichen und Komponenten bilden werden. Sie sind hier als
technischen Bereich, mrt dem Ziel, neue Pri- "No Regret-Maßnahmen" bezeichnet.
märenergieträger zu erschließen, die Effizienz
der Umwandlung und Nutzung zu verbessern, Das dritte Kapitel entwickelt anschließend' spe-
die Anforderungen an die Infrastruktur festzu - zifische Forschungsmodule (regenerative Ener-
legen und die systemischen Voraussetzungen giequellen, kohlenstoffbasierte Energieträger,
für neue Energiepfade zu erkunden. In zweiter Kernenergie), die auf der Basis eines forcierten
Unie geht es aber auch um die politische und Ausbaus einer Klasse von Bereitstellungstechno-
soziale Umsetzung: Vieles was technisch und logien Optionen im Sinne von Wenn-Dann-Be-
ökonomisch sinnvoll sein mag, wird dennoch ziehungen beschreiben. Durch die Diskussion
nicht Realität, sei es weil falsche oder unwirk- der drei Module werden die über die No Regret-
same Instrumente eingesetzt werden, sei es Maßnaihmen hinausgehenden Handlungsmög-
weil eine Diskrepanz zwischen der Rationali- lichkerten unter variablen Ausgangsbedingungen
tät der einzelneC1 Akteure und dem Gemein- aufgezeigt und deren Vor- und Nachteile für ihre
wohl aller Akteure besteht (Allmende-Prob- notwendige politische Bewertung charakterisiert.
lem) oder weil bestimmte Maßnaihmen oder In Verbindung mit dieser Bewertung stellen sich
Technologien nicht akzeptiert werden. Hier Fragen wie:
sind die Kulturwissenschaften gefragt.
• Was wäre zu tun, wenn der Klimawandel
Diese vier miteinander verwobenen Ebenen des noch dramatischer ausfallen würde als jetzt
Wissens machen einmal mehr die systemische berechnet?
Natur der Energieforschung deutlich. Ein Kon -
zept, das nur eine oder wenige dieser Dimensio- • Was müsste man erforschen, wenn alle Be-
nen adressiert, wird zu kurz greifen und dadurch mühungen um ein internationales Abkommen
Lösungen helVorbringen, die nur bis zu einem scheitern oder in ein Scheinabkommen mün-
gewissen Grade tragfähig sind. Das folgende den (Second Best-Szenarien)?
Energieforschungskonzept, das die Deutsche
Akademie der Naturforscher Leopoldina, acatech • Was würde es für die Forschung bedeuten,
- Deutsche Akademie der Technikwissenschaften wenn sich die internationale Gemeinschaft
und die Berlin-Brandenburgische Akademie der auf einen forcierten Ausbau der Kernenergie
Wissenschaften gemeinsam erstellt haben, trägt einigen würde?
der systemischen Natur des Problems Rechnung
und versucht, eine integrierende Sichtweise zu • Welche Art von Forschung ist prioritär, wenn
vermitteln, ohne auf klare Empfehlungen bezüg- trotz aller Bemühungen die fossilen Energie-
lich der Forschung an konkreten Problemen zu träger weiterhin die Energielandschaft domi-
verzichten. nieren?

Naturgemäß können hier nicht alle denkbaren


Wenn-Dann-Beziehungen berücksichtigt werden,

15
I EINLEITUNG

aber es erscheint sinnvoll, drei Module aufzuzei- gieforschung wesentlich breiter angelegt sein
gen, mit denen durch Kombination von Elementen muss als die jeweilige Energiepolitik, um mög-
in unterschiedlicher Art und Weise auf eine große lichst viele Optionen fü r die Zukunft offenzu-
Bandbreite veränderter Rahmenbedingungen re- halten.
agiert werden könnte.
Im vierten Kapitel werden wissenschaftliche
Der Zweck dieser Extremszenarien (regenera- Querschnittsthemen beschrieben, die bearbeitet
tiv, fossil, nuklear) besteht darin, den möglichen werden müssen, um den Übergang zu einer Ge-
Handlungsspielraum in den jeweiligen Feldern sellschaft mit langfristig gesicherter, nachhaltiger
bis hin zu extremen Anforderungen abzudecken Energiewirtschaft vorzubereiten. Aus den Ausfüh-
und die damit verbundenen Forschungsanforde- rungen der Kernkapitel zwei, drei und vier werden
rungen möglichst genau herauszuarbeiten . Es ist in Kapitel fünf strukturelle Empfehlungen zu Fra-
dann die Aufgabe der Politik festzulegen , wie viel gen der Infrastruktur, der Forschungsförderung,
davon umgesetzt werden soll, um über die ohne- der Forschungsorganisation und der Nachwuchs-
hin notwendigen Maßnahmen (No Regret-) hinaus förderung gegeben.
fiexibei auf Änderungen der Rahmenbedingungen
und Annahmen reagieren zu können. Nochmals Es schließt sich ein Ausblick als sechstes Kapitel
sei an dieser Stelle allerdings betont, dass Ener- an.

16
NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE 11

Einleitung ren Hilfe aus elektrischer Energie unmittelbar die


jeweils benötigte Nutzenergie gewonnen wird.
Eine Reihe von Energieforschungsfeldern rnuss
unabhängig von den gewählten Technologie- Die energieeffiziente Stadt als integrativer
schwerpunkten in jedern Falle - und irn Wortsinn Forschungsansatz
"ohne Bedauern" - aus den weiter oben skizzier-
ten Gründen mit höchster Priorität verfolgt werden. Die Hälfte der Weltbevölkerung leqt in Städten,
und dieser Anteil wird in den n;1chsten Jahr-
Effizienzmaßnahmen bergen ein großes Potenzial zehnten weiter stark wachsen. Es ist daher von
und sind durch einen hohen Grad an Kompati- zentraler Bedeutung, Visionen einer nachhaltigen
bilität gekennzeichnet, da sie für alle Bereitstel- Stadtinfrastruktur zu entwickeln, welche die Be-
lungsoptionen gelten bzw. neue ermöglichen. Ef- völkerungskonzentration zu einer Steigerung der
fizienzoptionen decken bereits heute einen weiten Energieeffizienz zu nutzen helfen. Für die For-
Bereich der Energieforschung ab . Sie reichen von schung stellen sich dazu zahlreiche Fragen: Wie
der Wirkungsgradsteigerung bei der Wandiung kann die Raumanordnung nachhaltiger Städte
von Primärenergie in nutzbare Energie - z. B. bei aussehen und was ist ihre optimale Größe? Wei -
Gasturbinen oder photovoltaischen Elementen - chen Beitrag können sie zur Verringerung des
über die Absenkung von Verteilungsverlusten bei Energieverbrauchs und des Treibhausgasaus-
der Übertragung von elektrischer Energie durch stoßes beitragen? Auf welche Weise kann dies
Etablierung von Hochspannungs-Gleichstrom- geschehen? Welche Technologien benötigen wir
leitungen für iängere Transportentfernungen bis dazu? In welchem Maß können Städte als Inno-
zur Anwendung durch Nutzer in Industrie und pri- vationszentren und Labors einer nachhaltigen Zu -
vaten Haushalten oder zu der energieeffizienten kunft fungieren?
Sanierung von Gebäuden .
Wenn diese Fragen beantwortet werden sollen,
Die Energienutzung wird sich in Zukunft zuneh - treten zwei Sektoren besonders in der Vorder-
mend in Richtung der elektrischen Energie ver-
schieben, da die meisten Bereitstellungstechnolo-
gien, die fossile Energiequellen ersetzen können,
primär elektrische Energie liefern und weitere Um-
wandlungen grundsätzlich mit Verlusten verbun-
den sind . Die elektrische Energie kann insofern
als höchstwertige Form betrachtet werden, als sie
in ihrer Anwendung die größte Flexibilität bietet.
Aus ihr kann ohne großen Aufwand und mit hoher
Effektivität jede andere Energieform bereitgestellt
werden (Wärme, Licht, Bewegung usw.). Man
spricht deshalb bereits heute vom Ziel einer All
Electrical Society, einer weitgehend elektrifizierten
Gesellschaft - ein Ziel, das auch für Deutschland
von Relevanz ist. Als Konsequenz ergibt sich da-
raus zwan.gsläufig, dass ein zukünftiges Energie-
system sich auf elektrische Netze, Speicher und
Umwandlungstechnologien stützen wird, mit de-

17
11 NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE

grund : die Gebäude und der Verkehr. Mit 33,5 % fordert neben ökonomischen insbesondere ver-
Gesamtanteil verbraucht der Gebäudebereich für haltensw issenschaftliche Ansätze. Fassaden
die Energiedienstleistungen Raumwärme, Warm- könnten besser isoliert werden; anstelle veralteter
wasser und Beleuchtung den größten einzelnen Heizungsanlagen könnten moderne, energiespa-
Anteil der Endenergie in Deutschland. Wenn man rende Systeme eingebaut werden, Energiespar-
bedenkt, dass 80 % aller Haushalte nicht auf dem lampen könnten weitgehend die bisherigen Glüh-
neuesten Stand der Technik sind , besteht offen- lampen ersetzen, Kraft -Wärme-Kopplung unter
sichtlich ein hohes Energiesparpotenzial. Der ge- Einsatz von Nah- und Fernwärmenetzen würden
samte Verkehrssektor benötigt einen ähnlichen die Gesamteffizienz der Systeme verbessern.
Anteil der Endenergie wie der private Sektor (sie - Viele dieser Maßnahmen sind auf längere Sicht
he oben, Abbildung 4); allerdings liegt in diesem unter ökonomischen Gesichtspunkten besonders
Bereich das rein technologische Sparpotenzial sinnvoll. Technologische Weiterentwicklungen er-
vermutlich niedriger. Verbunden mit diesen beiden scheinen hier zum Teil nicht unmittelbar vordring -
Sektoren, die für die Erhöhung der Energieeffi- lich, doch gibt es erheblichen Forschungsbedarf
zienz von Städten besonders wichtig sind, müs- zur Frage einer besseren Umsetzung. Was sind
sen auch die Versorgungsnetze und - wo nötig die richtigen Anreizsysteme? Welche ökonomi-
- Speicher so weiterentwickelt werden , dass sie schen, rechtlichen und politischen Steuerungsins-
neue Angebots- und Nachfragestrukturen bedie- trumente können dafür sorgen, die technischen
nen können . Diese drei Forschungsthemen ent- Möglichkeiten auch auszureizen? In welcher Wei-
falten ihre größte Wirkung zwar in der Anwendung se beeinflussen psychologische, kuiturelle und
auf Ballungsräume, sie sind aber vielfach auch für institutionelle Kontextbedingungen die Geschwin-
ländliche Regionen relevant. digkeit, mit der Innovationen umgesetzt werden?
Diese Ziel- und Instrumentenw irkungsfor-
Gebäude schung ist auch über das Problemfeld "energie-
effiziente Stadt" hinaus ein Thema, das dringend
Im Gebäudesektor könnten bereits heute ohne intensiver bearbeitet werden muss.
weitere Technologieentwicklung große Einspar-
potenziale realisiert werden; vielfach scheitert dies Gleichzeitig gibt es auch im Bereich der energie-
aber an der Umsetzung . ihre Erforschung er- effizienten Gebäude weiterhin technologisch ge-
prägten Forschungsbedarf. Es müssen architek-
tonische und gebäudetechnische Konzepte
Sehr gute Wärme entwickelt werden, die den Heizwärmebedarf -
-dämmung und zunehmend auch den Kühlungsbedarf - von
Wohngebäuden stark zurückdrängen und vom
Verbraucher akzeptiert werden . Bei Gebäuden mit
Passivhaus- niedrigem Wärmebedarf könnten sich andere als
fenster die jetzigen Heizkonzepte durchsetzen, um den
(Dreifachver-
dann noch vorhandenen Restenergiebedarf zu de-
glasung oder
Kastenfenster)
rrr===~~~~~
.(f
===~
~ cken, insbesondere in Verbindung mit leistungs-
fähiger Sensorik. Hier ist über Lebenszyklusana-
Zuluft Abluft
lysen zu untersuchen, welche Heiztechnologien
am günstigsten sind . In einer zunehmend elekt-
rifizierten Energieinfrastruktur könnten dies Wär-
mepumpen oder die dynamische Flächenheizung
Lüftungsanlage mit
Wärmerückgewinnung auf Elektrobasis ein. Derartige Systeme sollten
besonders in den Schwerpunkt von Forschungs-
Erdwärmetauseher aktivitäten zur Effizienzverbesserung rücken . Heu-
te ist die Bereitstellung von elektrischer Energie
Schematische Darstellung eines Passivhauses für Heizungsanw endungen zwar aufgrund des

18
NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE 11

niedrigen durchschnittlichen Wirkungsgrades des von Bio-Kraftstoffen (allerdings nur der 2. und 3.
Kraftwerkparks mit reiativ hohen Verlusten verbun- Generation) möglich, mit dem damit verbundenen
den . Fortschritte bei der Kraft-Wärme-Kopplung Forschungsbedarf hinsichtlich der Technologie-
und zunehmende Anteile regenerativer Energien entwicklung und der systemischen Aspekte, wie
bei der Bereitstellung elektrischer Energie werden etwa der Nutzungskonkurrenz zu anderen Ener-
dieses Verihältnis jedoch verbessern, sodass die gie- und Rohstofftechnologien, die auf Biomasse
Nutzung elektrischer Energie für die Berertstellung zugreifen. Forschung zu Veränderungen des Ver-
des Restwärmebedarfs akzeptabel oder sogar braucherverihaltens (etwa Verzicht auf Fahrzeuge
systemisch vorteilhaft werden kann. mit hoher Beschleunigungsleistung oder benzin-
sparendes Fahrverihalten) können die Aktivitäten
Straßengebundene Mobilität zur Effizienzverbesserung auf der Angebotsseite
auch von der Nachfrageseite unterstützen.
Der Verkehr wird in Deutschland - und wertweit
- in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Von Angesichts der oben erwähnten Entwicklung hin
diesem Anstieg sind insbesondere die Ballungs- zu einer weitgehend elektrifizierten Gesellschaft
räume als Kerne der Wirtschaftsentwicklung und und der Erwartung, dass unabhängig von der
der individuellen Mobilität betroffen. Ein konzer- Energiebereitstellungstechnologie, die Mobili-
tierter Forschungsansatz zur Verkehrsproblema- tät zunehmend elektrisch gewährleistet werden
tik ist also für die Realisierung energieeffizienter muss, ist Forschung zu Konzepten zur Realisie-
Städte wichtig. Dazu kommt die Forderung; CO,- rung von E-Mobilität (Elektrohybrid bis E-Fahr-
Emissionen in die Atmosphäre zu senken. Wäh- zeug) und zur Sicherstellung einer entsprechen-
rend in Kraftwerken und anderen konzentrierten den Versorgungsinfrastruktur von besonderer
CO,-Quellen die Abscheidung an der Quelle zu- Bedeutung. Dass sich energieeffiziente Städte als
mindest grundsätzlich möglich scheint, ist dies bei primäre Zielrichtung solcher Konzepte besonders
verteiiten, jeweils kleinen Quellen wie Autos kaum gut eignen, liegt auf der Hand. Da die Umwand-
vorstellbar. Hier sind dringend Lösungen erforder- lung von elektrischer Energie in einen stofflichen
lich. Speicher und dann wieder zurück in elektrische

Beim straßengebundenen Verkehr besteht die


besondere Herausforderung darin, dass dieser
momentan und vermutlich auch für die nächsten
zwei bis drei Dekaden überwiegend auf den Ein-
satz flüssiger Energieträger in Verbrennungs-
motoren angewiesen sein wird. Gleichwohi gibt
es zu einer weitgehenden Entkarbonisierung
dieses Teils des Transportsektors keine klima-
freundliche Alternative. Klassische Verbrennungs-
motoren weisen nach wie vor große Verbrauchs-
optimierungspotenziale auf(PKW-Otto: ca. 35 %;
PKW-Diesel: ca. 20 %), wobei zukünftige Mo-
torentwicklungen auch zu einer Konvergenz der
Diesel- und Otto-Technologie führen können. Hier
ist auch ein enges Zusammenwirken entlang der
Prozesskette Kraftstoffherstellung - Verbren-
nung im Motor - Abgasbehandlung ein un-
verzichtbares Element. Eine nachhaltige Lösung
bezüglich . des CO,-Problems für Verbrennungs-
motoren erscheint nur durch zunehmende Kraft-
stoffdiversifizierung insbesondere zugunsten Elektroauto Chevrolet Volt (Bildquelle:General Motors)

19
11 NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE

Energie mit erheblichen Verlusten über die gesam- Netze und Speicher
te Prozesskette hinweg belastet ist (derzeit muss
mit 75 % Verlust gerechnet werden), sollten sich Die Entwicklungen im Bereich der energetischen
Forschungsanstrengungen primär auf Batterie- Gebäudeversorgung und der elektrifizierten Mobi-
konzepte zur Realisierung von Elektrofahrzeugen lität sind im Zusammenhang mit dem zunehmen-
richten . Diese Technologie wird unabhängig von den Anteil erneuerbarer Energien, insbesondere
den Randbedingungen benötigt und eignet sich - der Windenergie, in der Strombereitstellung zu
aufgrund der limitierten Reichweiten, die für Batte- sehen . Sie bedingen intensive Forschungsan-
riefahrzeuge auf absehbare Frist erwartet werden strengungen im Bereich der elektrischen Netze
- besonders für Ballungsräume. Forschungskon- und von Speichertechnologien . Auch hier han-
zepte sollten nicht bei der derzeit diskutierten Lit- delt es sich eindeutig um No Regret-Maßnahmen,
hium-Ionenbatterie stehen bleiben, sondern auch da die erwartete verstärkte Elektrifizierung eine
Systeme zukünftiger Batteriegenerationen ein- Anpassung, wahrscheinlich aber eine urnfassen-
schließen . Schließlich besteht großer Forschungs- de Neukonstruktion unserer Netzinfrastruktur un-
bedarf zur Frage integrierter Mobilitätskonzep- abdingbar macht.
te. Dabei geht es beispielsweise um die optimale
Kombination von privaten und öffentlichen Trans- Daher muss die Energieforschung auf alle Op-
portmitteln und die gemeinschaftliche Nutzung tionen gerichtet werden, die die Speicherbarkeit
von Fahrzeugen (Car Sharing, Fahrgemeinschaf- oder die stoffliche Nutzung von elektrischer Ener-
ten, Car Pools). Auch städtebauliche Aspekte wie gie massiv verbessern und die dazu beitragen
die "Stadt der kurzen Wege" können Bestandteil können, die bisherigen Netzstrukturen in einem
integrierter Mobilitätskonzepte sein. Dabei sind wesentlich komplexeren und dynamischen
technische, organisatorische und psychologische Umfang zu verstehen und zu beherrschen. Die
Aspekte eng miteinander verbunden. zu schaffenden Netzstrukturen müssen künftig

20
NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE 11

nicht nur die Abnehmer mit den Standorten der Um die Möglichkeiten eines Smart Grid voll aus-
Kraftwerke und der großen Windenergieparks in zunutzen, müssen auch die Verbraucher einbe-
Norddeutschland, bzw. off-shore und mit einer zu - zogen werden, d.h. über geeignete Software-
nehmenden Elektrizitätserzeugung durch Photo- konzepte müssen in Zeiten knappen Ang ebots
voltaik oder Solarthermie, schwerpunktmäßig in beispielsweise Geräte und Anlagen, bei denen
südlichen Gegenden, verbinden. In ganz Europa dies unkritisch ist, abgeschaltet werden können
werden zunehmend Regionen planerisch erfasst, (E-Energy). Dazu muss zum einen das Verbrau-
die besondere Standortvorteile für unterschied- cherverhalten intensiv untersucht werden, zum
liche Arten regenerativer Erzeugung haben und anderen sind aber auch Untersuchungen dazu er-
die netztechnisch erschlossen werden müssen. forderlich, in welchem Maße einzelne Verlbraucher
Die Übertragung großer Energiemengen über dies als unzulässigen Eingriff in ihre Privatsphäre
we~e Strecken - etwa von solarthermischen An - empfinden würden und wie entsprechende Bar-
lagen in Nordafrika zu Nutzem in Deutschland rieren abgebaut werden können. Da Konzepte
- ist technisch aufwendig und stellt besondere zur Elektromobilität und zur Neuauslegung der
Anforderungen an die Belastbarkeit der Netze. Netze voraussichtlich zeitgleich entwickelt wer-
Zudem stellen sich hier Fragen der Versorgungs- den, muss bereits frühzeitig eine enge Verbindung
und Importsicherheit. zwischen den Entwicklungen gewährleistet sein .

Während in der Vergangenheit die Ausgestaltung Es besteht zwar die Hoffnung, dass intelligent
elektrischer Netze meist im Bereich von Teilnet- geregelte Netze unter Einbeziehung sowohl der
zen auf der Basis quasistationärer Berechnungs- Erzeuger als auch der Verlbraucher einen erheb-
modelle erfolgte, wird in Zukunft eine ganzheit- lichen Teil der schwankenden Einspeisung und
liche und hochdynamische Untersuchung des Nachfrage ausgleichen können. Dennoch wird es
Übertragungssystems unter Einbeziehung aller unabdingbar sein, für alle Zeitskalen - von Minu-
Erzeuger, der Lastentwicklung und auch des ad- ten bis Tagen - und auf verschiedenen Größen-
äquaten Speichereinsatzes erforderlich werden. skaien Speichertechnologien zu entwickeln.
Hierzu sind ModelIierungswerkzeuge zu ent- Hierzu kommen unterschiedlichste Speicher-
wickeln, die sowohl hinsichtlich Größe als auch konzepte in Frage, für die unterschiedlich hoher
Dynamik den zukünftigen Anforderungen gerecht Forschungsbedarf besteht. Auf Systemebene ist
werden. Außerdem wird der Einsatz schneller Zu- dazu zunächst zu untersuchen, welche Speicher-
standsbeobachtungen durch Netzinformations- technologien in welcher Form untereinander und
systeme erforderlich werden, um aus einer Zu - mit dem Netz optimal kombiniert werden können.
standsbestimmung eine Stabilitätsanalyse bzw. Fast alle Speichertechnologien benötigen noch er-
Netzsicherheitsanalyse online durchführen zu heblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
können. Für Druckgasspeicher (z.B. Kavernen in Salzstö-
cken) ist eine Vemesserung des Wirkungsgrades
Zwar laufen viele Aktivitäten in die Richtung, Eng- durch Entwicklung der adiabatischen Betriebs-
pässe im europäischen 400 kV-Verbundsystem weise erforderlich. Für elektrische Speicher -
zu bese~igen. Da aber in der zukünftigen Er- wie Redox-Row-Systeme oder konventionelle
zeugungsstruktur deutlich größere Entfernungen Batterien - muss die Speicherdichte verlbessert
zwischen Erzeugung und Verlbrauch verlustarm werden; viele Systeme verfügen über nicht aus-
zu überlbrücken sein werden, ist die schrittweise reichende Zyklenstabil~ät, auch die Schnelllade-
Etablierung einer überlagerten Spannungsebe- und Schnellentladefähigke~ müssen in der Regel
ne in Europa unumgänglich, unabhängig davon , deutlich verbessert werden. Latentwärmespei-
ob dies in Drehstrom- oder Gleichstromtechnik eher werden bereits technisch eingesetzt, wie der
ausgeführt werden wird . Die Verknüpfung dieses NaN0,lKN0 3 -Schmelzspeicher zur Pufferung der
European Super Grid mit den bestehenden 400 TaglNacht-Differenz im solarthermischen Kraft-
kV-Verbundnetzstrukturen wird ein hohes Maß an . werk Andasol in Spanien. Allerdings müssen hier
begleitender Forschung erfordern. viele weitere Systeme identifiziert und entwickelt

21
l
11 NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE

werden, die sowohl Niedertemperaturwärme für Technik und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähig-


den Gebäudesektor als auch Hochtemperatur- keit ab, sondern ebenso von ihren kurturelIen, so-
wärme für solarthermische Kraftwerke unter- zialen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Ins-
schiedlicher Bauart effizient speichern können. besondere muss der Zusammenhang zwischen
Technologiewahl und -entwicklung auf der einen,
Für größere Energiernengen wird eine stoffliche und Marktstruktur, rechtlichen Bedingungen und
Speicherung unvermeidbar sein. Dazu bietet sich geeigneten Institutions- und Organisationsformen
zunächst die Herstellung von Wasserstoff durch auf der anderen Seite besser verstanden werden.
Elektrolyse an. Diese ist allerdings weit von der Zu untersuchen ist beispielsweise, was private
maximal möglichen Effizienz entfernt. Bei großska- und was staatliche Akteure dazu bertragen kön-
liger Anwendung ist daher dringend die Effizienz nen, um innovative Technologien zu entwickeln
von Elektrolyseeinheiten zu verbessern . Zu und ihre Marktdurchdringung zu verbessern.
untersuchen ist dann auch, wie der Wasserstoff Solche Fragen können allerdings nur beantwor-
wieder - möglicherweise unter Einkopplung von tet werden, wenn die klassischen Innovations-
Biogas - optimal rückverstromt werden könnte. konzepte des Technology Push und Market Pull
Allerdings sollte hier auch auf der Systemebene durch Netzwerkansätze ergänzt oder sogar abge-
untersucht werden, ob nicht ein alternativer Zu- löst werden. Gerade für die Politikberatung sollten
gang zu großen, strategisch gespeicherten Ener- diese Untersuchungen, wo immer möglich, quan-
giemengen über andere Wege, etwa Biornasse, titativ modelliert werden.
möglich ist.
Prioritäre Forschungslinien sind hier die Analyse
Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz kön- kultureller und interkultureller Faktoren in der
nen interessante Marktpotenziale haben . Gerade Verbreitung von Energietechnologien, auch
im Bereich der Energieeffizienz könnten weltwei- hinsichtlich globaler Entwicklungen und Rahmen-
te Märkte entstehen, auf denen Technologien zur bedingungen. Werterhin müssen strukturelle In-
CO,-armen Energie-Berertstellung, Umwandlung novationshemmnisse identifiziert und analysiert
und Nufzung von Energie mrteinander konkurrieren. werden. Das reicht von rechtlichen Bedingungen
Aber auch für den heimischen Markt eröffnen sich (aus den Bereichen Zulassungs- oder Patent-
Chancen, wenn man etwa die Gebäudesanierun- recht), über wirtschaftliche Rahmenbedingungen
gen nach der Einführung der Energieeinsparver- (z.B. Flexibilitätsmargen oder unterschiedliche Ef-
ordnungen betrachtet. Aus diesem Grunde sind fizienzanforderungen an Technologien mrt unter-
Forschungsanstrengungen sowohl im Bereich der schiedlicher Marktreife) bis hin zu sozialen oder
Technologien als auch bei den Maßnahmen zu institutionellen Faktoren (wie Präferenzen, Tech-
ihrer Implementierung (Information, Finanzierung, nikleitbildem, Organisationsformen oder Arrange-
rechtliche Fragen) von besonderer Bedeutung. ments der Wissensgenerierung). Darüber hinaus
solrten normative Grundlagen und Regeln zur
Innovationen und Marktdurchdringung Gewährleistung von Innovationsverantwor-
tung (Insbesondere bei Einführung neuer Tech-
Die Umstellung auf eine nachhaltige Energiever- nologien, wie der CCS-Technologie) entwickelt '
sorgung wird nur gelingen, wenn die Vorausset- werden. Schließlich gilt es, die Problemlösungs-
zungen für Innovationen und deren Marktdurch- kapazität innovativer deliberativer und partizi-
dringung verbessert werden. Dies erfordert ein pat iver Verfahren (z.B. im Rahmen von demo-
gründliches Verständnis der gesellschaftlichen, kratischer Technikenlwicklung) zu analysieren und
ökonomischen, politischen und rechtlichen Be- deren Praxistauglichkert zu verbessern.
dingungen der Entstehung und Markteinführung
von innovativen Lösungen bei der Gewinnung, Ziele und Instrumente
Umwandlung, Speicherung, Verteilung und Nut-
zung von Energie. Denn das Gelingen von Inno- Die Realisierung auch von No Regret-Maßnah-
vationsprozessen hängt nicht nur von exzellenter men ist in einer pluralen und von Interessens-

22
NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE 11

und Wertkonflikten bestimmten Gesellschaft an Ziele durch technologische Verbesserungen (sie-


die Wirksamkeit von politischen und rechtlichen he z.B. Clean Coal-Technologien) zu erreichen.
Steuerungsprozessen gebunden. Ein umfassen- Die Akzeptanz und die Durchsetzbarkeit techni-
des Verständnis der Wirkungen - und Nebenwir- scher Entwicklungen sind eng an Wirkungsweise
kungen - von energiepolitischen Instrumenten ist und Effizienz ökonomischer Instrumente und ihre
daher für die Gestaltung einer nachhaltigen und rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingun-
verantwortlichen Energiepolitik unabdingbar. Eine gen gekoppelt.
wirksame Energie- und insbesondere Klimapolitik
ist auf der globalen Ebene auf die freiwillige Ko-
operation von 203 souveränen Staaten angewie-
sen. Es zeigt sich aber, dass die bestehenden An-
reizsysteme nicht ausreichen, um beispielsweise
die Bildung global verbindlicher Regelwerke zur
Vermeidung von Kohlendioxidemissionen zu för-
dern. Zu fragen ist also, mit welchen spezifischen
Anreizen wichtige Entwicklungs- und Schwellen-
länder und die Staaten der OPEC in ein effektives
Klimaabkommen eingebunden werden können .

Ein weiteres Problem besteht in der Abhängigkeit


von Energieimporten aus unsicheren Gebieten. Mit
welchem Instrumenten- und Institutionen-Portfo-
lio lässt sich diese auf möglichst wirtschafts- und
sozialverträgliche Weise verringern? Insbesondere
sol~e untersucht werden, welche Bedeutung die
Gesta~ung internationaler Verträge bei der Gewin-
nung, Ueferung und Durchle~ung von Energie und
Energierohstoffen für die Gewährleistung der Ver-
sorgungssicherheit und für das Nutzen- und Risi-
koverhältnis zwischen den Akteuren haben kann .
Neben staatlichen spielen private Akteure eine Eine systematische, praxisbezogene und dis-
entscheidende Rolle in der Energiepolitik. Hier ist ziplinenübergreifende Ziel-, Instrumenten- und
von Interesse, welche Anreize Unternehmen dazu Wirkungsforschung sollte deshalb einen hohen
motivieren, externe Effekte zu internalisieren und Stellenwert in der Energieforschung erhalten. Da-
durch ihr unternehmerisches Handeln übergrei- bei sol~en nicht nur ideale, sondern auch Real
fende energiepolrtische Ziele zu unterstützen. Für Wond-Voraussetzungen zugrunde gelegt werden.
die Klimapolitik besonders relevant ist eine bes- Folgende Schwerpunkte bieten sich an: Zum ers-
sere Einschätzung der Wirkungen und Neben- ten sollten die Effektivität und Effizienz einzelner
wirkungen von alternativen Steuerungsoptionen Instrumente (der direkten Steuerung ebenso wie
(wie Cap and Trade Systeme oder Instrumente der indirekten Anreize) und deren Zusammenspiel
des Kapitalmarkts) oder neuen Technologien (wie untersucht werden. Neben den wirtschaftlichen
Solarzellen, Clean Coal Technologien oder Geo- und sozialen, sollten dabei auch die juristischen
Engineering zur Erhöhung der Senkenkapazität und institutionellen RahmE'jnbedingungen auf na-
für die Aufnahme von COJ. Dabei stehen die Ab- tionaler, europäischer und internationaler Ebene
hängigkeiten zwischen Erzeugungstechnologien, berücksichtigt werden. Zum zweiten sollten die
Verteilungsinfrastruktur und strategischem Verhal- Erfahrungen im Bereich zwischen Regulierung
ten von Akt\luren im Vordergrund. Erforderlich ist und Selbstregulierung genauer analysiert und
diese Forschung nicht zuletzt für die Bewertung bewertet werden. Zum dritten sind organisatori-
derzeit viel diskutierter Ansätze, die Klimaschutz- sche, institutionelle und rechtliche Arrangements

23
11 NO REGRET-FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE

in internationalen, europäischen und nationa- kultureller Bedingungen der Energienachfrage


len Mehrebenensystemen auf ihre Wirksamkeit (Lebensstil, Milieu) sowie für das Verha~en der
und Nebenwirkungen zu untersuchen. Verbraucher in Entwicklungs- und Schwellenlän-
dern.
Nutzerverhalten und Konsum
Daher sollten folgende Schwerpunkte einer inte-
Neben der Notwendigkeit, innovative Prozesse grativen Konsumverhaltens- und Akzeptanz-
zeit- und bedarfsgerecht einzuleiten, spieit die forschung gefördert werden: Zum ersten geht es
Untersuchung der Nachfrage nach Energiedienst- um die Erforschung der Präferenzen und Werte
leistungen eine wichtige Rolle, weil der Umgang der Abnehmer von Energiedienstleistungen und
mit Energiedienstleistungen und die Aufgeschlos- die Art und Weise, wie sich diese Vorlieben durch
senheit gegenüber verschiedenen Energiequellen demographische, kulturelle und soziale Wand-
von strukturellen, institutionellen und kulturellen lungsprozesse verändern. Zum zweiten gi~ es, die
Faktoren maßgeblich bestimmt wird. Zwar hat Forschung zu den Anreizen für private Akteure,
sich die Lebenssti~orschung als eine vielver- Organisationen und staatliche Institutionen zu in-
sprechende Forschungsrichtung erwiesen, wenn tensivieren, welche geeignet wären, die Nachfrage
aussagekräftige und differenzierte Ergebnisse nach Energiedienstleitungen in Richtung auf einen
zur Akzeptanz von Maßnahmen zur nachhaltigen nachhaltigen Umgang mit Energie zu lenken.
Nutzung von Energie gefragt sind. Es fehlen aber Zum dritten sollte die Frage untersucht werden,
Queribezüge Z'Mschen empirischen Untersuchun- welche Faktoren die Akzeptanz von Energie-
gen und allgemeinen zeitgeschichtlichen Trends, sparmaßnahmen und von Energietechnologien in
die langfristige Konsum- und Nachfragemuster Haushalten, Betrieben oder Verwaltungen beein-
bestimmen und sich oft auch gegenüber kurzfris- flussen und welche Möglichkeiten bestehen, die
tigen Steuerungsimpulsen durchsetzen. Dies ist Akzeptanz durch Modifikation von Technologien,
Gegenstand geisteswissenschaftlicher, insbeson- Einfühnungsstrategien oder veribesserte Kommu-
dere historischer Forschung. Die umwe~psycho ­ nikationsformen zu beeinflussen. Ein viertes For-
logische Interventionsforschung hat Techniken zur schungsfeld sind die situativen und strukturel-
unmittelbaren Verhaltensändenung und Methoden len Kontextfaktoren, die auf das Verhalten von
zur Bewertung ihrer Wirksamkeit entwickelt. Ver- Individuen und Organisationen Einfluss haben,
gleichsweise wenig ist allerdings über das Kon - sowie die Möglichkeiten, diese im Sinne einer auf
sumverh~en nicht-individueller Verbraucher, wie Nachh~igkeit orientierten Energiepolitik zu be-
Handel, Handwerk und KJeingeweribe bekannt. einflussen. Schließlich sol~e die Konsumverhal-
Gleiches gilt für den indirekten Energieverbrauch tens- und Akzeptanzforschung stärker mit rechts-
durch Konsumgüter (etwa im Bereich der Unter- wissenschaftlichen Fragen, beispielsweise zum
haltungselektronik, der Freizeitgestaltung oder der Auftrag (und den Grenzen) staatlicher Infonnations-
elektronischen Kommunikation), für den Einfluss tätigkeit in der Energiepolitik, verknüpft werden.

24
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

Einleitung der Nutzung fossiler Energiequellen untrennbar


verbunden sind, unabdingbar. Die im Folgenden
Im vorigen Kapitel wurden Forschungsfelder iden- diskutierten Module erlauben eine schlüssige Dar-
tifiziert, deren Bearbeitung unabhängig von poli- stellung systemischer Implikationen, und in allen
tischen , gesellschaftlichen, ökonomischen und drei Modulen zusammengenommen w~rden alle
sonstigen Randbedingungen unabweisbar ist, wesentlichen Handlungsfelder der Energiefor-
da sie entweder von so überragender Bedeutung schung angesprochen . Einige rnodulübergrei-
sind, dass sie in jedem Fall bearbeitet werden fende Querschnittsthemen werden im Anschluss
müssen, oder weil sie unabhängig von politischen diskutiert.
Schwerpunktsetzungen in jeder "Energiezukunft"
relevant werden . Viele andere Forschungsfelder Zukünftige Energielösungen werden nicht mono-
in der Energieforschung sind ebenfalls sehr wich- lithisch gestaltet sein, sondern sich vermutlich als
tig; ihre relative Bedeutung hängt allerdings von Kombination verschiedener Energiequellen
zahlreichen Faktoren und politischen Weichen - erweisen. Die Zusarnmensetzung dieses Energie-
stellungen ab. Außerdem ist zu berücksichtigen, mixes kann jedoch heute weder für Deutschland
dass Entscheidungen für bestimmte Energiequel- noch für ein anderes Land vorhergesagt werden.
len - unter der Voraussetzung, dass grundsätzlich Abhängig von der Erwartung, wie dieser Mix aus-
so viel Energie zur Verfügung steht, dass man frei sehen könnte, wird auch die Energiepolitik Priori-
auswählen kann - Konsequenzen für die Energie- täten setzen, die wiederum Auswirkungen auf die
infrastruktur und die Energienutzung haben, mit Forschungspolitik haben können. Eine weise und
denen wiederum Erfordernisse für die Energiefor- vorausschauende Energiepolitik wird sich nicht
schung verbunden sind . ausschließlich auf eine Energiequelle oder eine
Klasse von Energiequellen verlassen, sondern
Im Folgenden werden die Kornponenten eines Forschungspolitik so offen gestalten, dass bei
Energieforschungsprograrnms daher für drei sich verändernden Rahmenbedingungen jeweils
unterschiedliche Klassen von Primärenergiequel- tragfähige Lösungen vorbereitet sind. Bei der
len diskutiert. Diese Darstellung sollte jedoch kei - Festlegung der Mischung sollen die folgenden
nesfalls im Sinne von alternativen Szenarien ver- Ausführungen eine Hilfestellung geben, No Reg-
standen werden, sondern sie dient zur Schärfung ret-Aktivitäten sollten in jedem Falle und möglichst
des Blicks auf die systemischen Implikationen , schnell begonnen werden.
wenn bestimmte Weichenstellungen bezüglich
der Quelle der Primärenergie getroffen werden . Schon heute lässt sich aus diesen Überlegungen
So wird beispielsweise klar werden, dass, wenn ein entscheidender Schluss ziehen, der in gewis-
sich die Politik für eine primär auf erneuerbaren ser Weise einen Paradigmenwechsel illustriert:
Quellen beruhende Versorgungsstruktur entschei- Langfristig müssen wir uns darauf einstellen, fle-
den sollte, in der Forschung mit höchster Priorität xible, der kurzfristigen Änderung der weltweiten
an einer Verbesserung der zum Einsatz kommen - ökonomischen, sozialen und technologischen
den Netze und an neuen Methoden der Energie- Rahrnenbedingungen angepasste Strategien be-
speicherung gearbeitet werden muss. Bei einer reitzuhalten . Insofern werden wir uns stärker als
im Wesentlich.en auf fossilen Quellen beruhenden bislang auf permanente Transformationsprozesse
Struktur ist eine Konzentration auf Technologien einzustellen haben und lernen müssen, eine Reihe
zur Beherrschung der CO2 -Emissionen, die mit von Brückentechnologien und Krisenüberbrü-

25
l
111 FORSCHUNGS POTENZIALE

ckungsstrategien bis zur Einsatzfähigkeit zu ent- terlum und Tritium - den erneuerbaren Energien
wickeln, selbst wenn - je nach veränderten Rah- gleichzustellen.
menbedingungen - nicht aHe von ihnen benötigt
werden. In einigen Ländern (z. B. in Deutschland, Spanien,
den USA, aber auch China) nimmt die regenerativ
Modul 1: Erneuerbare Energien gewonnene Energiemenge derzeit rasch zu. Ein
weltweites Wachstum wird jedoch noch durch -
Erneuerbare Energien, auch regenerative Energien im Vergleich zu konventionellen Energieträgern
genannt, stammen aus nachhaltigen Quellen . Sie - teilweise relativ hohe Kosten erschwert. Außer-
bleiben - nach menschlichen Zeiträumen gemes- dem sind einige der eingesetzten Technologien,
sen - kontinuierlich verfügbar und stehen hier- wie etwa die Kernfusion oder photovoltaische
mit im Gegensatz zu fossilen Energieträgern und Großkraltwerlke, noch nicht in einem genügend
Kernbrennstoffen, deren Vorlkommen bei kontinu- fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, als dass
ierlicher Entnahme stetig abnimmt. Erneuerlbare sie umfassend großtechnisch eingesetzt werden
Energien (aus Biomasse, Sonne, Wind , Wasser- könnten.
kraft und Geothermie) werden fossile Energien
und Kernenergie langfristig ersetzen, da letztere Ein Energiesystem, das langfristig auf erneuerbare
nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen Quellen setzt, wird zumindest auf absehbare Zeit
und ihr Einsatz ökologisch zunehmend problema- ein Szenario des eher knappen Energieangebots
tisch wird. Insbesondere tragen erneuerlbare Ener- sein. Dies würde sich vermutlich erst bei einem
gien wesentiich gerlnger zur giobalen Erwärmung Durchbruch in der Einführung von Fusionskraft-
bei als die fossilen Energien. Die Kernfusion ist werlken ändern. Daher ist höchste Effizienz in
aufgrund der faktisch unbegrenzten Verfügbarlkeit allen Bereichen auch bei vollständiger Impiemen-
ihres Brennstoffs - der Wasserstoff-Isotope Deu- tierung erfolgskritisch. Der Übergang zu einer auf

26
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

erneuerbaren Energiequellen beruhenden Ener- sungen anzustreben, die allerdings die parallele
gieversorgung kann unter anderern auch aus die- Entwicklung und Implementierung von leistungs-
sern Grund nur langfristig erfolgen. Fossile und fähigen regionalen, nationalen und internatio- !i
rnöglicherweise nukleare Energiequellen werden nalen Transportnetzen notwendig machen . In I.
"

I
deshalb mittelfristig noch eine wesentliche Rolle einem derartig ausgleichenden Verbund könnten
spielen. Speicher für die verschiedenen Energieformen
nicht mehr so wichtig sein wie in einem regio-
Im Bereich der erneuerbaren Energien ist die nalen Versorgungssystem; nichtsdestoweniger
Windenergienutzung technologisch arn weitesten sind auch im Bereich der Speicher Forschungs-
entwicke~. Allerdings sind zumindest in Deutsch- anstrengungen notwendig. Darüber hinaus sind
land die besten Standorte an Land weitgehend die internationalen Rec htsbeziehungen so zu
ausgenutzt. Mittlerweile sind aber Anlagen mit gestalten, dass ein solches System reibungs-
deutlich höherer Leistung als die meisten instal- frei etabliert werden kann, und ökonomische
lierten Systeme verfügbar, so dass durch Ersatz Modelle zu entwickeln, die für alle beteiligten
alter Windkraftanlagen zusätzliche Kapazitäten Partner (Erzeugerländer, Stromtransitiänder, Ver-
auch an Land geschaffen werden können. Durch braucherländer sowie die beteiligten nationalen
höhere Anlagen werden auch früher wenig nutz- und internationalen Unternehmen) akzeptable
bare Waldgebiete mögliche Standorte für weitere Konditionen bieten. Auch besteht sowohl techno-
Anlagen. Erhebliche Potenziale werden off-shore logisch als auch politisch-soziologisch erhebiicher
gesehen, allerdings besteht hier noch erheblicher Forschungsbedarf zur Analyse der Anfälligkeit sol-
Forschungsbedarf in Hinblick auf die Robustheit cher Systeme gegen terroristische Angriffe und zu
der Anlagen, deren Wartungsanmut und Langzert- deren Prävention. Von ähnlicher Bedeutung und
betriebsfähigkeit. Da Windenergie als unstetig daher ebenfalls Forschungsthema ist die Anfäl-
anfallende Quelle nur in einem stabilen integrier- ligkeit gegen politische Erpressung. Schließlich
ten Gesarntsystem mrt ausreichender Speicher- wird man damrt rechnen müssen, dass es gegen
kapazrtät ihre volle Leistungsfähigkeit entwickeln Höchst- und Hochspannungstrassen zunehmen-
kann, sind intensive Forschungsanstrengungen de Widerstände von Anwohnern geben wird. Hier
im Bereich intelligenter Datenverarbeitungsmo- ist frühzeitig zu untersuchen, wie diesen begegnet
delle und Kommunikationssysteme notwendig, werden kann.
die eine Vernetzung von Windkraftwerken und
anderen Erzeugereinheiten national und grenz- Wissenschaftlich und technologisch nimmt
überschreitend entscheidend verbessern. Um den Deutschland derzeit eine Spitzenstellung in der
Ausgleich unstetig anfallender Energie europaweit Solartechnologie - Photovoltaik und Solarther-
zu ermöglichen, müssen Möglichkeiten zum ver- mie - ein. Sowohl in Bezug auf die Energieerzeu-
lustarmen Transport von elektrischer Energie gung als auch den wirtschaftlichen Erfolg durch
erschlossen werden. Hier bieten sich Hochspan- Export von Spitzentechnologie erscheint daJher
nungs-Gleichstromleitungen an. Wertere Ver- die Solartec hnologie als ein prioritäres Hand-
besserungen könnten durch supraleitende Ver- lungsfeld . Um diese Technologien zunehmend im
bindungen möglich werden. Vergleich mit fossilen und nuklearen Berertstellung
von elektrischer Energie wettbewerbsfähig zu
Zertlich häufg komplementär zur Windenergie gesta~en, sind in der Forschung zaJhlreiche Pro-
fällt direkte Sonneneinstrahlung an. Aufgrund blemfelder der Grundlagenforschung bis hin zur
der in Deutschland im Vergleich z. B. zu Ländern Anwendungsorientierung anzugehen. Dabei ist für
des Mittelmeerraums schwächeren Sonnenein- ein Verständnis von Photovoltaiksystemen be-
strahlung werden die Kosten für die Erzeugung deutend, den Transport von Ladungsträgern und
elektrischer Energie in solarthermischen Kraft- - damit verbunden - die elektronischen und struk-
werken oder Photovoltaikanlagen in Deutschland turellen Eigenschaften der Grenzflächen iri solchen
immer deutlich höher sein als in Südeuropa oder Systemen besser zu verstehen. Ein bedeutendes
Nordafrika. Daher sind europaweite Systemlö- Querschnittsthema ist auch die Entwicklung von

27
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

transparenten Elektroden. Da derzeit nicht er- Technologie - erforderlich sein, massentaugliche


kennbar ist, welche Technologie letztendlich die und kosteng ünstige Fertigungsverfahren ent-
erfolgreichste sein wird, sollte ein möglichst brei- lang der Produktionskette Zelle - Modul - Panel
ter Forschungsansatz verfolgt werden, wobei zu entwickeln. Auch muss bereits bei der Planung
ein wesentliches Ziel die Kostenreduktion von dieser Technologiekette auf Recyclingkreisläufe
Photovoltaiksystemen ist. Dies könnte auf ver- hingearbeitet werden, um eine möglichst nach-
schiedenen Wegen erreicht werden, etwa durch ha~ige Entwicklung zu gewährleisten.
Verringerung der Kosten des Absorbers durch
verbesserte Synthesetechnologien oder die Ent- Alternativ zu Photovoltaikanlagen bieten für die
wicklung von Dünnschichtsolarzellen mit hoher zentrale Energiebereitstellung solarthermische
Effizienz. Bei hoch konzentrierenden Solarzellen Kraftwerke Lösungen, die derzeit Photovoltaik-
müssen weitere geeignete Materialsysteme iden- anlagen hinsichtlich Wirkungsgrad und Kosten
tifiziert werden, mit denen hohe Energieausbeuten überlegen und marktnäher sind. Forschung auf
zu geringen Kosten erreicht werden können. diesem Gebiet ist eher anwendungsorientiert
und dient vornehmlich der Kostensenkung und
Ein hohes Potenzial für Kostensenkungen haben Effizienzsteigerung. Bei den optischen Kompo-
organische Solarze llen. Allerdings erfordern der- nenten geht es um temperatur- und umweltbe-
zeit alle Elemente solcher Photovoltaiksysteme ständige Materialien, die sich bei maßgeschnei-
noch Durchbrüche, um an die Leistungsfähigkeit derten Eigenschaften auf beliebigen Oberfächen
der anorganischen Systeme heranzureichen. Neue kostengünstig abscheiden lassen. Daneben ist
aktive Materialklassen müssen gefunden werden, die Entwicklung von hochtemperaturbeständigen
und nicht zuletzt ist die Lebensdauer erheblich zu und temperaturwechselstabilen Komponenten
steigern, beispielsweise durch ieistungsfähige Ver- für Wärmeüberträger, Speicher und Receiver er-
kapselungstechnologien. Zur Kostensenkung wird forderlich. Um solarthermische Kraftwerke ohne
es aber auch - unabhängig von der eingesetzten wesentliche Tag/Nachtschwankungen betreiben

28
I
I
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

zu können, sind kostengünstige Materialien zur beide Primärenergieformen grundlastfähig sind,


Speicherung von Wärme auf dem richtigen während Wind und direkte Soiarenergienutzung
Temperaturniveau ertorderlich. Vertähren zum be- starken Ruktuationen unterworten sind.
schleunigten Mern, die der experimentellen Be-
stimmung der Lebensdauer dienen, sind auch Bei der Erschließung von geothermischen Ener-
für kurze Entwicklungszyklen von relativ großer giecuellen sind die oberflächennahe und die tiefe
praktischer Bedeutung. Zur Optimierung von Ausbeutung mit unterschiedlichen FuE-Heraus-
Komponenten und des Gesamtsystems werden forderungen verbunden. Insbesondere zur Nut-
numerische Vertahren zunehmend an Bedeutung zung der tiefen Geothermie ist die Erweiterung
gewinnen, die ebenfalls weiterentwickelt werden auf stimulierte Wärmetauseher unverzjchtbar;
müssen. Zur Erzeugung großer Mengen von Ener- die Entwicklung kosteneffizienter Prospektions-,
gie durch solarthermische Kraftwerke müssen So- Explorations- und Bohrtechniken ist hiertür Vor-
lartelder mit mehreren Quadratkilometern Größe aussetzung. Integrierte Kraftwerks- und Wärme-
errichtet werden. Dies wird kostengünstig nur mit nutzungen mit neuartigen Kreisprozessen für die
optimierten Fertigungs- und Logistikkonzepten Nutzung geringerer Temperaturdifferenzen, mög-
möglich sein. Hinsichtlich der Systemeinbindung licherweise in Hybrid-Kraftwerken, erlauben eine
photovoltaischer oder solarthermischer Systeme langfristige, CO,-freie und mit wenig Flächenver-
in Netze gelten analog die Ausführungen, die be- brauch verbundene Energiebereitstellung.
reits zu Windkraftwerken gemacht wurden.
Die Nutzung von Biomasse als Energiequel-
Forschungsarbeiten und Demonstrationsprojek- le findet in Deutschland ihre obere Begrenzung
ten zur wirtschaftlichen und sicheren Nutzung dadurch, dass der derzeitige Primärenergiever-
von Geothermie und Biomasse kommt in einem brauch doppeit so hoch ist wie der Energieinhalt
insbesondere auf erneuerbare Energien beruhen- der gesamten Pfianzenmasse, die jährlich netto in
den Energiesystem besondere Bedeutung zu, da Deutschland durch Photosynthese gebildet wird.

Schematische Darstellung der Geothermie Ko ndensa lionseinJiChlung

Nahwarm?net2
W.1rmeübenräger fur
Nahwarm eneu

Turbine

-s;;~~
~~ Förderbohrungen

29
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

Die hochwertige und zugleich nachhaltige ener- für die Industrie und als Energieform für unter-
getische Nutzung von Biomasse erfordert sowohl schiedliche Einsatzzwecke (Wärme, Elektrizität,
eine effiziente Erzeugung und Emte von Biomasse Rüssigkraftstoffe) muss dabei technisch, ökono-
wie eine effiziente Verarbeitung und Umwandlung misch, ökologisch und sozial ausgewogen her-
in andere Energieformen . Hoher Forschungsbe- ausgearbeitet und bewertet werden. Neben der
darf besteht bei den Technologien, aus Biomasse direkten Nutzung als Brennstoff werden zukünf-
breit nutzbare chemische Energieträger zu er- tig die Umwandlung in chemische Energieträger
zeugen, ebenso wie in der Effizienzsteigerung bei und Grundstoffe, die aus Biomasse gewonnen
der Produktion der Biomasse, z. B. durch Züch- werden, im Mittelpunkt von FuE stehen müssen.
tungsforschung oder den Einsatz grüner Gen- Die Vielfait der möglichen Produkte, insbesondere
technologie im Bereich von Energiepflanzen. Al- Bio-Slurry, Bio-SynCrude, Wasserstoff, Methanol,
ternativ zu landgebundener Biomasseproduktion Ethanol und Methan, eröffnet hochwertige und
ist zu untersuchen, inwieweit über die Produktion breit nutzbare Optionen.
von angepassten Algen hohe Flächenerträge er-
reicht werden können. Daneben sind Verfahren In einem überwiegend auf regenerativen Quellen
weiterzuentwickeln, die Restbiomasse aus der beruhenden Energiesystem wird ein großer Teil
Nahrungsmittelproduktion, andere biogene Rest- der Endenergie in Form elektrischer Energie er-
stoffe sowie Biomassen aus marginalen Standor- halten werden. Da diese Energieform in genau
ten zu nutzen. dem selben Umfang verbraucht werden muss,
wie sie erzeugt wird, dies aufgrund unstetiger Er-
Biomasse ist ein verlustarmer - wenn auch nicht zeugungs- und Verbrauchsstrukturen aber nicht
sehr effizienter - Speicher für Sonnenenergie und möglich ist, ist das Problem der Energiespeiche-
CO, und puffert deren zeitliche Schwankungen. rung in einem solchen Szenario von nicht zu über-
Zur optimalen Nutzung ist es unerlässlich, die ver- schätzender Bedeutung und muss mit höchster
schiedenen Erzeugungs- und Nutzungsformen Forschungspriorität angegangen werden.
und -technologien mittels Systemanalyse zu
vergleichen . Die Konkurrenz zwischen der Nut- Derzeit erscheint die direkte Speicherung von
zung als Nahrungs- und Futtermittel, als Rohstoff elektrischer Energie in Batterien unterschiedli-

30
FORSCHUNGS POTENZIALE 111

eher Bauart insbesondere für kleine und mittlere energieverbrauchende Aggregate beim Verbrau-
Leistungen und Energiemengen der meistver- cher erreicht werden. Hierzu werden viele Ver-
sprechende Weg zu sein, da dieser - neben der braucher jedoch nicht ohne weiteres bereit sein,
Speicherung in Form von Pumpspeicherkraftwer- so dass derartige Umstellungen des Systems
ken oder Druc kgasspeichern, für die adiabate flankiert werden müssten durch Untersuchungen
Versionen zu entwickeln sind - mij den geringsten zur Akzeptanz einer solchen Technologie, zur Ef-
Verlusten verbunden ist. Erforderlich ist allercings fektivität wirtschaftlicher Anreize oder zur Mög-
eine deutliche Reduktion der Herstellungskosten lichkeit gesetzlicher Regelungen.
(Faktor drei) und eine Steigerung der Energie- und
Leistungsdichte der Energiespeicher um einen Allerdings ist nicht abzusehen, dass auch bei größ-
realistischen Faktor zwei bis drei (Wunschziel Fak- ten Forschungsanstrengungen genügend hohe
tor fünf bis zehn), wofür die Lijhium-Ionen-Techno- Speicherdichten im Netz, in Batterien und in an-
logie viel versprechende Optionen bietet. Gegen- deren Speichersystemen erzielt werden können,
wärtig sind die Speicherdichten jedoch noch zu mit denen eine strategische Energiereserve für
gering und die Systemkosten zu hoch. Notwendig Deutschland aufgebaut wercen könnte. Für diese
ist daher die Erforschung und Entwicklung neuer Zwecke ist eine stoffliche Speicherung durch
Material-, Fertigungs- und Systemintegrationskon- chemische Verbindungen hohen Energiegehalts
zepte, um den höheren Anforderungen hinsicht- unabdingbar. Hier ist systemische Forschung er-
lich Energie- und Leistungsdichte, Lebensdauer, forderlich, um solche Verbindungen zu identifizie-
Sicherheit und Optimierung der Kosten gerecht ren und dann für ausgewäMe, viel versprechende
werden zu können. Zusätzlich müssen grundle- Optionen eine Technologieplattform zu schaffen.
gende Arbeiten an den nächsten Generationen
von Batterien begonnen und mit zunehmender Als Energieträger- und -speichermaterialien wer-
Intensität vorangetrieben wercen. den derzeit insbesondere Wasserstoff, Methan
und Methanol diskutiert. Wasserstoff hat u. a.
Neben der Speicherung elektrischer Energie sind den Vorteil, dass er ohne CO,-Freisetzung ver-
auch Wärmespeichermaterialien, insbesondere brannt werden kann. Verglichen mit Methanol und
Latentwärmespeicher, wesentliche Kompo- Methan sind hinsichtlich Transport, Speicherung
nenten, sowohl im Bereich der Bereijstellung von und Sicherheit jedoch noch massive Forschungs-
Niedertemperaturwärme zur Gebäudeheizung als anstrengungen notwendig. Außerdem ist seine
auch zur Speicherung von Mittel- und Hochtem- Erzeugung aus elektrischer Energie, die Speiche-
peraturwärme, um die Tag-/Nachtschwankungen rung und die anschließende Rückverstromung mit
von solarthermischen Kraftwerken auszugleichen. erheblichen energetischen Verlusten in Höhe von
Eine Reihe von Latentwärmespeichern ist be- 60-80 % verbunden, so dass für die Einführung
kannt, es wird jedoch erforderlich sein, für unter- eines Wasserstoffsystems alle Komponenten die-
schiedliche Ternperaturniveaus Speichersysteme ser Wandlungsketten entscheidend verbessert
mit hohen Speicherkapazitäten zu entwickeln, um werden müssen. Methan und Methanol können
jeweils angepasste Lösungen anbieten zu können. bereijs heute für mobile Anwendungen eingesetzt
werden. Für Methanol ist die derzeijige Infrastruk-
Die lokalen Speicherkomponenten müssen durch tur weijgehend nutzbar, allerdings erscheint der
ein "intelligentes" Stromnetz für den überregio- Zugang zu Methanol energetisch wenig effizient.
nalen Transport und die lokale Verteilung effizient Eine Infrastruktur für Methan (Erdgasfahrzeuge)
erschlossen werden. Die Echtzeit-Zustandsana- wird derzeit parallel zu der auf flüssigen Koh-
Iyse und Modellierung solch hochdynamischer lenwasserstoffen basierenden Infrastruktur auf-
Netze stelij eine große Herausforderung dar, für gebaut, Speicher für große Mengen stehen zur
die entsprechende Analyse- und Modeliierungs- Verfügung. Prinzipiell gibt es viele Wege, die aus
werkzeuge erforderlich sind. Eine zentrale Last- regenerativen Quellen zu Methan führen. Diese
steuerung im Netz kann auch durch software- sind jedoch alle optimierungsbedürftig .
gesteuerten Zugriff der Energieversorger auf

31
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

I. Vor allem die chemisch-thermischen Verarbei-


tungsprozesse hin zu hochwertigen syntheti-
Hier ist umfassende systemische Forschung zur
Neustrukturierung und zu Umstellungsstrategien
schen flüssigen Energieträgem (z.B. Biomass-to- erforderlich. Des Weiteren besteht zum Teil erheb-
Liquid-Kraftstoffe) ermöglichen eine unmittelbare licher Forschungsbedarf zum Verbraucherverhal-
Einbindung in die bestehende Infrastruktur. Die ten, zur Akzeptanz und bezüglich der politischen
Entwickiung effizienter Hersteliverfahren direkt Rahmenbedingungen.
aus Biomasse erfordert jedoch entsprechende
Forschungsanstrengungen, insbesondere um Unter der Prämisse, dass ein Szenario, das we-
den Übergang zu ökonomisch vorteilhaften Groß- sentlich auf regenerativen Quellen beruht, im We-
technologien zu vollziehen. Hier sind weitere For- sentlichen ein Knappheitsszenario ist, wird auch
schungsanstrengungen hinsichtlich der Effizienz die effiziente Bereitstellung und Nutzung von
der Umsetzung zu den Speichermolekülen not- Wärmeenergie eine hohe Priorität erhalten, die
wendig. Die Technologieentwicklung muss von etwa ein Drittel des Endenergiebedarfs Deutsch-
einer ökonomischen und soziologischen For- lands ausmacht. Forschungsbedarf besteht hier
schung begieitet werden, um zu klären, welche insbesondere im Bereich des energiegünstigen
der oben genannten Speichertechnologien Ak- Bauens, der Niedertemperatur-Solarthermie,
zeptanzprobleme oder große ökonomische Hür- der Wärmespeicherung in dezentralen Einhei-
den erwarten ließe. ten, und der Anwendung von Wärmepumpen in
weitgehend elektrischen Systemen. Ziel solcher
Mobilität als Verbrauchssektor mit derzeit etwa Forschung muss es sein, im Bereich von Wärme-
einem Drittel unseres Endenergieverbrauchs stellt energie fast vollständig auf extern gelieferte Ener-
aufgrund der erforderlichen hohen Energiedichte gie verzichten zu können.
des mitgeführten Kraftstoffs eine besondere Her-
ausforderung für ein Energiesystem dar, das we- Langfristig muss angestrebt werden, auch in
sentlich auf erneuerbaren Quellen beruht. Kurz- einem regenerativen Energiesystem aus einer
bis milleifiistig wird der Anteil an Biokraftstoffen erwarteten Knappheitssituation herauszukom-
zunehmen. Forschungsbedarf besteht hier in der men. Hier bietet die Kernfusion, die aufgrund
Erhöhung der Effizienz bei der Gewinnung der der faktisch unbegrenzten Brennstoffvorräte und
Biokraftstoffe. Darüber hinaus sind Nutzungs- der nahezu CO,-freien Energieerzeugung eben-
konflikte und ökonomische Randbedingungen falls zu den regenerativen Energiecuellen gezäM
grundsätzieh zu kiären. Die oben beschriebenen werden kann, langfiistig die besten Perspektiven.
Energiespeicheroptionen bzw. die Verbesserung Allerdings kann man mit einer großtechnischen
der Leistungsfähigkeit von mobiien Batterien wer- Nutzung dieser Energiecuelle erst in einigen
den auch bei der Realisierung von Konzepten Jahrzehnten rechnen. Der Weg dorthin erfordert
zur Elektromobilit ät eine wichtige Rolle spielen. die Optimierung plasmaphysikalischer Betriebs-
Mittelfiistig ist ein Szenario vorstellbar, in dem szenarien sowie die (Weiter-) Entwicklung bzw.
Kurzstrecken millels Eiektrofahrzeugen bewältigt Qualifizierung kraftwerkstauglicher Technologien
werden, Langstrecken mit anderen Fahrzeug- (Plasmaheizung, Brennsloffkreislauf) und Struk-
technoiogien wie z. B. der Wasserstoffbrennstoff- turmaterialien (niedrige Aktivierung durch Neutro-
zelle oder Ähnlichem, alternativ mit öffentlichen nen, kurze Abklingzeiten). Mit dem jetzt im Bau
Verkehrssystemen wie der Bahn. Forschungs- befindlichen Experimentalreaktor ITER werden
anstrengungen sind im Bereich der Einbindung die meisten Fragen zur Plasmaphysik geklärt und
elektrifizierter Antriebe in das Stromnetz, der viele Technologien zur Einsatzreife gebracht wer-
Speichertechnologien im Fahrzeug und Energie- den . Mit dem Experiment Wendelstein 7-X wird
umwandlungs- und Übertragungstechnologien ein alternatives Plasmaeinschlusskonzept für
notwendig . Eine derartige Umstellung unseres kontinuierlichen Betrieb erprobt. Für die Material-
Mobilitätssystems würde sehr tiefgreifend sein qualifizierung wird eine zusätzliche Großanlage,
und entsprechend lange Zeitskalen aufweisen. die Fusionsneutronenquelle IFMIF, konzipiert. Auf

32
FORSCHUNGS POTENZIALE 111

der Basis der so gewonnenen Erkenntnisse kann als strategischer Langzeitspeicher auf stofflicher
dann das erste Fusionskraftwerk "DEMO" in ca. Basis Gegenstand von Forschungsaktivitäten mit
drei Jahrzehnten in Betrieb gehen. Signifikante höchster Priorität sein.
Beiträge zur Energieversorgung sind wohl erst für
die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts zu erwar- Wesentlich ist auch die zunehmende Erschließung
ten, allerdings könnten durch kontinuierliche For- solarer Strahlung als Energiequelle zu akzeptab-
schung auf diesem Gebiet die Voraussetzungen len Kosten, wobei die technologische Forschung
für eine zeitgerechte Einführung der Kernfusion in in systemische Überlegungen auf europäischer,
den künftigen Energiemarkt geschaffen werden. möglicherweise sogar übereuropäischer Ebene
eingebettet werden muss.
Zusammenfassende Bewertung der
Forschungsprioritäten auf dem Gebiet Langfristig erscheint in einem regenerativen Ener-
I
der erneuerbaren Energien giesystem, aber auch grundsätzlich, die Fusion
als eine sehr attraktive Option, die trotz der langen
Die Schlüsselfrage der Forschung zu erneuer- Zeitskalen wellerverfolgt werden sollte.
baren Energien ist ein hoher Grad räumlich groß-
räumiger Vernetzung verschiedener - häufig Modul 2: Fo ssile Energ ien
fluktuierender - Energiequellen, um die immer
mit z. T. erheblichen Verlusten verbundene Spei- Fossile Energieträger decken, so die Internationa-
cherung von Energie soweit als möglich zu ver- le Energieagentur IEA, auch heute noch, trotz ver-
meiden. Nichtsdestoweniger sollien Speicher schiedenster anderer Technologieoptionen, über
sowohl zur Abpufferung von ftuktuierender Er- 75 % des weltweiten Primärenergiebedarfs Die
zeugung , als auch zur Gewährleistung eines Mo- ursprüngliche Dominanz der Kohle ist dem Drei-
bilitätsszenarios jenseits von Öl und schließlich gestirn Kohle, Öl und Gas gewichen. Die fossilen

1 Plasma

._-
1 0 Biologischer Schild
2 Bl....kel 11 Oeuleriumzulullr

R
_
3 0iver\ol' 12 Zufuhl' des Illbrilll111n
4 VakuumbehAlIef TrUllTlS

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5 ToroldaIfeklspul8n 13 HelUrIabItJ/W
14 TItIlum ood Oeulen.m
7 Translonnalor~
t 5 Kl»*n/lIeJzufulW

.""..... t. KOhlmitleIabIuhr

A Tokamak-HII"
• TrlliurnrOdcllitltung, Vakuul1'll)'Sleme.
81ennsto/l.inspIIislRlg und Insltndllaltung
C Neutrllltelleh.n-lnjektion und Slromv&rSOfgung
D Turt:llnenhall'
If: Enetglev"lor9 unll lilr MagnIl'
F KryopI.nt
Q NoIslrom-Versorgung

_ _ _ _ _ _ Das Fusionskraftwerk der Zukunft -


33
'Bll ,

111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

Energieträger sind bis heute unerreicht in Energie- Weiterentwicklung der Nutzung fossiler Energie-
dichte und Handhabbarkeit. Daher eignen sie sich träger auf diese Sektoren sind nicht absehbar und
besonders auch für mobile Anwendungen. Ob- fordern daher tiefer gehende systemanalytische
wohl die Reserven, d . h. die derzeit technisch und Untersuchungen.
ökonomisch nutzbaren Vorräte, nur eine begrenz-
te Reichweite haben und somit für die Nutzung Fossile Energieträger müssen immer in Zusam -
insbesondere von Öl und Gas, mit relativ kurzen menhang mit der Versorgungssicherheit diskutiert
statistischen Reichweiten von 40 bis 60 Jahren, werden. Die deutschen Vorräte an Braunkohle
nur eine kurz- bis mittelfristige Perspektive be- sind erheblich, auch die Steinkohlevorräte sind
steht, dürften zumindest für die nächsten Jahr- beträchtlich, wenn diese auch seit langem ökono-
zehnte fossile Energieträger eine sehr wesentli- misch mit Importkohle nicht konkurrenzfähig ist.
che Komponente unserer Energiesysteme bilden . Gegenwärtig verfügt Deutschland noch über eine
Wenn beispielsweise nachhaltige Verfahren zur eigene Erdgasförderung, die rund ein Fünftel des
Kohlenutzung entwickelt werden könnten, könn - heimischen Bedarfs abdeckt, das Ende dieser
ten fossile Energieträger sogar eine längerfristige Reserven ist aber absehbar. Die Abhängigkeit von
Option bieten. importiertem Erdgas hat in der jüngsten Vergan -
genheit wiederholt zu Lieferengpässen geführt,
Man sollte allerdings immer berücksichtigen, dass und die Verlässlichkeit einiger Import-und Pipe-
bedeutende Mengen fossiler Energieträger in die line-Netzpartner ist fragwürdig. Die Versorgungs-
Eisen- und Stahlindustrie (Koks aus Steinkohle) sicherheit für Erdgas hat europäische Dimensio-
sowie in die chemische Industrie (Grundstoffe und nen. Die Kapazität bestimmter Knotenpunkte der
Energieträger hauptsächlich auf Erdölbasis) ein- europäischen Netzarchitektur kann gegenwärtig
fließen. Diese Abhängigkeit und die Folgen der die Anforderung, die Versorgungssicherheit durch

34

.i
I
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111 i
I,

flexible Ueferrouten sicherzustellen, nur bedingt Druck- und Temperaturbedingungen gebunden.


erfüllen. Ähnliche Überlegungen wie beim Erdgas Sie finden sich in den Permafrostgebieten und in
gelten auch für die Verscrgung mit Erdöl. Deutsch- vielen Bereichen am Boden der Ozeane, wobei
land ist weitestgehend auf Importe aus teils poli- die Menge der Hydrate in den Meeren um meh-
tisch instabilen Regionen angewiesen. Daher gibt rere Größenordnungen höher eingeschätzt wird.
es besonders für eine energetische Zukunft, die Die Schätzungen über die gesamten Ressourcen
stark auf fossile Energiecuellen setzt, erheblichen streuen sehr weit, zwschen etwa 3 x 10" m3 und
Forschungsbedarf hinsichtlich der technologi - etwa 8000 x 10" m3 . Realistischerweise kann man
schen und soziokulturellen Rahmenbedingungen wohl davon ausgehen, dass die in Gashydraten
für eine stabile Energieversorgung. gebundene Menge an Erdgas die des konven-
tionellen Erdgases um ein Mehrfaches übertrifft.
Die Technologie zur Gewinnung und Wandlung Daraus ergibt sich primär ein hoher Forschungs-
konventioneller fossiler Rohstoffe ist bereits bedarf hinsichtlich der Exploration möglicher la-
sehr hoch entwickelt. Dennoch kann auch auf die- gerstätten, um tragfähigere Schätzungen über die
sem Gebiet durch Verbesserung der Effizienz die tatsächlichen Vorkommen zu erhalten, begleitet
Reichweite der Energiequellen verlängert werden. von Untersuchungen der geologischen, geophy-
Derzeit werden die Vorkommen insbesondere von sikalischen, geochemischen, mikrobiologischen,
Öl nur zu einem Anteil von 30-40 % ausgebeutet. biogeochemischen und klimatologischen Grund-
Die Entwicklung von Enhanced Recovery Tech- lagen .
nologien hat auch bei geringen Steigerungen der
Ausbeute einen enormen Hebel. Auch Verbes- Wenn Gashydrate für die Förderung erschlossen
serungen in der Fördertechnik, etwa aus unter- werden sollen, ist die Entwicklung klima- und
seeischen Vorkommen in Tiefen von 5000 m, umweltgerechter Förder-, Verflüssigungs- und
können neue Vorkommen erschließen und damit Transport1echnologien für eine wirtschaftliche
Ressourcen in Reserven umwandeln. Ebenfalls Ausbeutung von Gashydratvorkommen zwin-
sind Forschungen zu Verbesserungen in der Raf- gend notwendig und eröffnet beachtliches Ex-
finerietechnik und der damit verbundenen Weiter- portpotenzial - Deutschland selbst verfügt über
entwicklung der Katalysatoren von großer Bedeu- keine Vorkommen an Gashydraten, ist aber auf
tung. Allerdings sind im Bereich der Ölindustrie der Grundlagenseite international gut positioniert.
deutsche Unternehmen nicht sehr präsent - ab- Kurz-bis mittelfristig sollte dabei der Fokus zu-
gesehen von der Katalysatorindustrie und in Teil- nächst auf der Entwicklung von Förderverfahren
bereichen des Engineering, wo deutsche Rrmen aus Permafrostböden bis hin zu möglichen Pro-
eine Spitzenstellung einnehmen. Daher sind im duktionstests liegen. Auf einer längerfristigen Zeit-
Bereich der Exploration, Enhanced Reccvery skala erscheinen die unterseeischen Vorkommen
und Raffinerietechnik Forschungsaktivitäten in interessanter, wobei hier der Forschungsbedarf
Deutschland nicht prioriitär, abgesehen von der sowohl hinsichtlich der Grundlagen als auch der
Katalyseforschung und Teilbereichen der Raf- Produktionstechnologie deutlich höher ist. Dabei
finerietechnik, die eine erhebliche wirtschaftliche ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Gas-
Bedeutung haben und über den Export die deut- hydrate ein weit höheres Treibhauspotenzial ha-
sche Wirtschaft stärken, wenn auch die Anwen- ben als CO" die Verluste in die Atmosphäre bei
dungen selbst nicht in Deutschland liegen. der Förderung und Verarbeitung müssen also
gering gehalten werden. In diesem Zusammen -
Wegen der abzusehenden langfristigen Rohstoff- hang wird auch die Substitution von Methan aus
situation werden vermehrt sogenannte "nicht- den Hydraten mit CO, diskutiert. Eine solche
konventionelle" Rohstoffvorkommen zur Förde- Technologie hätte neben dem Potenzial Methan
rung in Betracht gezogen. Beim Erdgas ruhen die abzubauen, den Vorteil, eine geologische Senke
Hoffnungen ?uf den Gashydraten, Einschlussver- als CO,-Speichertechnologie zu erschließen, was
bindungen von Methan in einem Käfig aus Was- insbesondere für Deutschland eine interessante
sermolekülen. Ihr Vorkommen ist an bestimmte Option mit Exportpotenzial darstellt.

35
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

Mit steigendem Erdölpreis wird auch die Gewin- Deutschland vorkommen, sollte die Forschung in
nung von Öl aus nicht-konventionellen Quellen Deutschland nur auf solchen Feldern konzentriert
wirtschaftlich attraktiver. Die Größenordnung der gefördert werden, auf denen ein wissenschaft-
Ölvorkommen in Ölsänden und Ölschiefern wird licher oder technologischer Vorsprung vor ländern
auf 13000 Exajoule (EJ) geschätzt und ist damit besteht, die über die entsprechenden lagerstät-
ebenfalls größer als die der bekannten Vorkom- ten verfügen. Interessant sind solche Vorkommen
men an konventionellem Erdöl. Erste technische nicht zuletzt deswegen, weil sie aufgrund stärkerer
Umsetzungen zur Ölgewinnung in Kanada führ- geographischer Diversifizjerung die Versorgungs-
ten zu massiven Umweltbeeinträchtigungen. In sicherheit erhöhen.
Analogie zu den Gashydraten ist auch hier der
Entwicklung umweltgerechter und w irtschaft- Die Hauptanwendung fossiler Energieträger liegt
licher Fördertechnologien Priorität einzuräu- derzeit in ihrer energetischen Nutzung, wenn
men. Die Wirtschaftlichkeit einer Förderung nicht- auch gerade im Falle des Öls die stoffliche Nut-
konventioneller Vorkommen kann gegenwärtig zung in der Chemieindustrie wegen der hohen
nicht beurteilt werden. Angesichts der deutlich Wertschöpfung von erheblicher Bedeutung ist. Die
schlechteren Qualität der nicht-konventionellen hohe Energiedichte fossiler Energieträger macht
Ölvorkommen werden adaptierte Prozesstechno- sie zu idealen Kandidaten für netzunabhängige
logien mit angepassten Katalysatorsystemen er- mobile Anwendungen. Des Weiteren stellen sie
forderlich werden, darüber hinaus ist zu untersu- ihre eigenen stofflichen Speicher. Eine Weiterent-
chen, inwieweit die als Nebenprodukt anfallenden wicklung von Speichertechnologien im Zusam-
Metalle die Metallmärkte verändern können. menhang mit der Nutzung fossiler Energieträger
gehört somit nicht zu den prioritären Forschungs-
Aufgrund der Tatsache, dass weder Gashydra- feldern . Fossile Energieträger finden sich derzeit
te noch nicht-konventionelle Ölvorkommen in in allen Nutzungsbereichen, von zentralen Kraft-

,I
I

I
36
1

FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

w erken über die Erzeugung von Niedertempera- logien, die in der Lage sind, Wärmemengen auch
turwärme für Heizzwecke bis hin zum gesamten bei geringem Temperaturgradienten effizient zu
Verkehrssektor. nutzen, ein erhebliches Potenzial. Ziel weiterer
Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen
Ein modernes Kohlekraftwerk erreicht einen elek- sollte die Entwicklung thermo-chemischer Spei-
trischen Wirkungsgrad von über 45 %. Durch ef- cher sein, die verschiedene Temperaturibereiche
fektive Kraft-Wärme Kopplung kann der Gesamt- abdecken.
wirkungsgrad des Kraftwerks (Strom + Wärme)
auf rund 80% gesteigert werden. Ein noch höhe- Auf dem thermoel ektrischen Effekt beruht die
rer Wirkungsgrad kann prinzipiell durch erhöhte direkte Umwandlung eines Temperaturgradienten
Betriebstemperatur und -druck erreicht werden. in elektrischen Strom. Dies ist zur Zeit die einzige
Aktuell wird das Ziei verfolgt, eine Betriebstem- Technologie, die prinzipiell diese Möglichkeit eröff-
peratur von 700 ·C zu realisieren. Hierzu mÜs- net. Ihr Wirkungsgrad ist bisher jedoch begrenzt,
sen erhebliche Forschungsanstrengungen in den und es werden keine kurzfristigen Durchbrüche
Werkstoff- und Materialwissenschaften unter- erwartet. Dennoch sollte diese Technologie unter-
nommen werden, da die gegenwärtig verfügbaren stützt werden, da sie als einzige die direkte Nut-
Werkstoffe chemisch und mechanisch nicht aus- zung von Abwärme als Strom ermöglicht und
reichend robust sind. Dieselben Anforderungen längerfristig zu erheblichen energetischen Einspa-
gelten für die Erhöhung des Wirkungsgrades von rungen führen könnte. Hier ist sowohl Forschung
modernen Gas- und Dampfturibinenkraftwerken. im Grundlagenbereich erforderlich, wo es um das
Verständnis des Zusammenhangs der thermo-
Konventionelle Kraftwerke haben eine Lebensdau- elektrischen Eigenschaften mrt den atomaren und
er von rund 30 Jahren. Die Erneuerung des Kraft- strukturellen Parametern der Materialien geht, als
werkparks erfolgt daher langsam aber stetig . So auch die empirische Entwicklung neuer Materia-
sind hocheffiziente, neue und weniger effiziente, lien mit verbesserten Leistungsdaten, insbeson-
ältere Technologien parallel im Einsatz. Geschickt dere verbesserter energetischer Effizienz. Für die
gewählte Anreize könnten zu einem beschleunig- Anwendung ist die Kostensenkung entsprechen-
ten Austausch existierender Kraftwerke führen. der Systeme von hoher Bedeutung; dazu müsste
Hier sind systemische Forschungsansätze erfor- die Materialbasis auf kostengünstigere Ausgangs-
derlich, um die Effektivität von weltweit wirksa- stoffe umgestellt werden, die zudem mrt geringe-
men Anreizsystemen in all ihren Konsequenzen ren gesundheitlichen und ökologischen Auswir-
modellieren und vorhersagen zu können. Dazu kungen verbunden sein könnten. ~:
I
gehört beispielsweise auch die Analyse der Wett-
beweribsfähigkert deutscher Kraftwerkshersteller, Mobile Anwendungen , mrt Ausnahme des Schie-
die weltwert eine führende Stellung einnehmen. nenverkehrs, der zum großen Teil elektrifiziert ist,
basieren hauptsächlich auf flüssigen Kraftstoffen,
Im Falle der Kraft-Wärme Kopplung in Kraftwerken die sich durch relativ hohe Energiedichte und gute
wird Abwärme effizient genutzt. Verwendet wer- Transportierbarkeit auszeichnen und die heute
den thermische Speicher auf Wasserbasis, die ganz überwiegend aus Erdöl gewonnen werden .
zur Versorgung mit Raumwärme und Warmwasser
eingesetzt werden. In Hochtemperaturanwendun- Schienenverkehr
gen (um 1000·Cl, wie z. B. in der Glasindustrie,
kommen keramische Speichermaterialien sowie Der Schienenverkehr ist in Deutschland zum gro-
Glertdruck- oder Ruthspeicher zur Bereitstellung ßen Teil elektrifiziert. Dieselgetriebene Antriebe
von Spitzenlastdampf zum Einsatz. In vielen an- kommen nur in Strecken mit niedrigem Verkehrs-
deren Anwendungen, z. B. in der chemischen aufkommen oder in speziellen Anwendungen
Industrie, entstehen bedeutende Wärmemengen, (z. B. Bau- und Rangierbetrieb) zum Einsatz. Die
die in der Regel zwar abgeführt, aber nicht wei- Bahn betreibt ihre eigene Stromerzeugung über
ter genutz1 werden. Daher versprechen Techno- konventionelle Kraftwerke und ihr eigenes Strom-

37

7 1
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

netz. Fortschritte der Kraftwerktechnologie kom- getrennt bleiben, ist von erheblicher Bedeutung
men daher ebenfalls der Gesamtenergiebilanz für den Energieverbrauch einer Gesellschaft.
des Schienenverkehrs zu Gute. Moderne Züge
sind bereits heute mit Technologien ausgestattet, Flugverkehr
die es erlauben, Bremsenergie wieder ins Netz
einzuspeisen. Gleichzeitig wächst der Energiever- Der Flugverkehr bedient sich ausschließiich des
brauch aber durch die Tendenz, zunehmend Züge Treibstoffs Kerosin . Es gibt gegenwärtig keine
mit hohen Geschwindigkeiten einzusetzen . überzeugenden Konzepte, die auf mittlere Sicht
zu einem anderen Treibstoff führen könnten. Die
Fortschritte im Schienenverkehr sind hauptsäch- damit verbundene Abhängigkeit vom Rohöl lässt
lich im Bereich der Werkstoffwissenschaften sich in gewissen Grenzen durch den Einsatz von
zu erwarten, die zu leichteren Zügen, verbes- biogenen oder künstlichen Kraftstoffen mindern.
sertem Rollverhaiten und damit zu geringerem Forschungsbedarf besteht auch hier im Bereich
Energieverbrauch führen scllten. Das größte Ein- der Werkstoff- und Materialwissenschaften mit
sparpotenziai liegt jedoch sektonübergreifend in dem Ziel leichterer Materiaiien, beziehungsweise
einer Verschiebung des automobilgebundenen verbesserter Materialien für Turbinen, und in neu-
Personen- und Güterverkehrs auf die Schiene . en aerodynamischer Konzepten . Einsparungen
Hierzu sollten Konzepte für eine stärker bedarfs- lassen sich ebenfalls durch eine systematische
ausgerichtete Konzeption des Schienenverkehrs Analyse und Verbesserung bedarfsorientierter
erarbeitet werden. Grundsätziich stehen solche Verkehrsplanung erreichen. Derzeit sind Flugrei·
Konzepte immer in Zusammenhang mit der so- sen oft preiswerter als Baihnreisen, wodurch der
ziologisch-psychologischen Frage nach dem Anreiz zu Fernreisen selbst für Kurzuriaube zu·
Mobilitätsbedürfnis und dessen realen Manifes- nimmt.
tationen im Sinn der Nachfrage einer Gesellschaft
nach Mobilitätsleistungen (private PKW, Car Sha- Schiffsverkehr
ring, öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Ersatz von
Mobilität durch neue Kommunikationstechnolo- Der Schiffsverkehr basiert zum großen Teil auf
gien). Die Frage, inwieweit die Arbeits- und Le- Verbrennungsmotoren, die schweres Dieselöl und
benswelt verschränkt werden oder voneinander Schweröl einsetzen. Die Maschinen erfüllen die

38
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

Doppelrolle des Antriebs und des Generators für giesystem Elektromobilität - mit den oben bereits
die Stromversorgung des Schiffes. Der Schwer- formulierten Forschungserfordemissen - von ent-
punkt der Aktivitäten liegt hier in der Entwicklung scheidender Bedeutung, wobei die CO,-Emissio-
alternativer Antriebskonzepte und gegebe- nen zentral anfallen würden - bei der Produktion
nenfalls deren parallele Verwendung. Im Schiff- von elektrischer Energie oder von Wasserstoff, der
bau liegt weiterhin ein Potenzial in der effizienten im Auto in einer Brennstoffzelle verstromt würde.
Nutzung der Abwärme. Interessant sind ebenfalls Zentral anfallende Emissionen ließen sich dann
Entwicklungen im Bereich der Supraleitung , de- abtrennen und speichern (siehe unten).
ren Einsatz wesentlich kompaktere Schiffsmoto-
ren ermöglicht. Diese befinden sich gegenwärtig Die Verwendung fossiler Energieträger ist inhärent
im Demonstrationsstadium, und gegebenenfalls rnit der Produktion von CO" dem Endprodukt der
lassen sich diese Erkenntnisse auch auf einen Verbrennung, verbunden. Je nach Kohlenstoff!
Einsatz im Schienenverkehr übertragen. Wasserstoff-Verhältnis entstehen unterschiedliche
Mengen an CO,. Die seit der industriellen Nut-
Automobil zung von fossilen Energieträgern stetig ansteigen-
de CO,-Konzentration in der Atmosphäre ist ein
Der Autoverkehr ist der Sektor, in dem derzeit wesentlicher Faktor im globalen Klimawandel.
fossile Energie stark dominiert. Allerdings werden Eine möglichst umfassende Reduzierung der Frei-
hier auch am schnellsten Probleme in Hinblick setzung von CO, in die Atmosphäre bildet daher
auf Verfügbarkert erwartet. Außerdem erscheint die wesentliche Voraussetzung für die zukünftige
es kaum möglich, CO, aus mobilen Quellen wie energetische Nutzung fossiler Energieträger.
Autos abzutrennen. Dieser Bereich der Mobilität
hat daher auch in einem fossilen Energiesystem Kohlendioxid-Management
hohen Forschungsbedarf zur Vorbereitung auf
bevorstehende einschneidende Änderungen. Ein Eine mögliche, kurZfristige Strategie im Rahmen
wesentlicher Teil des Automobilverkehrs wird auf von fossilen Energieträgern ist die Umstellung von
CO,-neutrale Energiequellen umgestelrt werden kohlenstoffreichen fossilen Energieträgern (Kohle)
müssen, durch Biomasse allein wird dies nicht zu auf möglichst wasserstoffreiche und kohlenstoff-
leisten sein. Daher ist auch in einem fossilen Ener- arme (Erdgas). Eine solche Umstellung führt zu

39
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

I I

I
i veränderten Interdependenzen und sollte im Zu - der Schwerpunkt von Forschungsanstrengungen
I sammenhang der Versorgungssicherheit, des auf diesem Gebiet liegen in den komplexen
Klimaeffektes und der technischen Möglichkerten logistischen Herausforderungen der Produk-
systemisch anaiysiert werden. Gleichzertig bedeu- tionskette, vom Anbau über Wachstum zur Ernte,
tet die Umstellung auf Erdgas aufgrund der be- Vorbehandiung und Transport.
schränkten Reserven nur eine Aufschiebung der
Emissionen von CO, und bietet keine tragfähige Eine Schlüsseltechnologie, sowohl für die Was-
langfristige Lösung der Klimaproblematik. serstoffproduktion, als auch zur "CO,-freien Ver-
brennung", ist die Vergasung . Dabei wird kohien-
Auch in einem durch fossiie Energieträger ge- stoffhaltiges Material (von Kohle bis Biomasse) mit
prägten Energiesystem wird man andere Quellen, Wasser zu einem Synthesegas, das im Wesentli-
wie etwa Biomasse, sowert als möglich nutzen, chen aus Wasserstoff und CO besteht umgesetzt.
insbesondere da diese in erster Näherung ais kli- Das Synthesegas kann zur Produktion von Grund-
maneutral angesehen werden können. Moderne chemikalien oder Kraftstoffen (Fischer-Tropsch-
Kohlekraftwerke sind in der Lage, eine mäßige Synthese) eingesetzt werden. Alternativ kann in
Beimischung von Biomasse ohne Einschränkung einem weiteren Schritt, der Shift-Reaktion, mehr
des Wirkungsgrades zu verkraften. Dies hängt Wasserstoff und CO, produziert werden. Nach
hauptsächlich mit dem variierenden Wasseranteil der Abtrennung von CO, kann das verbliebene,
in der Biomasse zusammen. Biogas kann ohne hauptsächlich aus Wasserstoff bestehende Gas in
weiteres in modernen Anlagen verfeuert werden. modernen IGCC-(Integrated Gasification Com-
Dabei können Erfahrungen aus der Trocknung bined Cycle) Kraftwerken verbrannt werden.
von Braunkohle auf Biomasse übertragen wer-
den. Die wesentliche Schwierigkeit für eine um- Diese Kraftwerke sind in kleinerem Maßstab Stand
fassende Verwendung von Biomasse und damit der Technik, jedoch ist noch viel Spieiraum für Op-

I
I
,I

Schematische Darstellung der geologischen CO2·Speicherung (Quelle:GFZ Potsdam)

40

FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

timierung vorhanden, da diese Kraftwerka nicht einer Welt, die einen wesentlichen Teil ihres Ener-
die Effizienz von modernen konventionellen Kraft- giebedarfs aus fossilen Quellen deckt, kann man
werken erreichen. Dies ist unter anderem auf die auf Maßnahmen zum Kohlendioxid-Manage-
. Turbinentechnologie zurückzuführen, die gegen- ment nicht verzichten.
wärtig noch nicht in der Lage ist, das volle Poten-
ziai der Wasserstoffverbrennung auszunutzen. Kraflwerkstechnologien
Daher besteht Bereich der Werkstoff- und Mate-
rialw issenschaften sowie der Verarbeitung aku- Gegenwärtig ist nicht abzusehen welche Tech -
ter Forschungs- und Entwickiungsbedarf, um kor- nologieoptionen sich durchsetzen werden. Der
rosionsbeständige Hochtemperaturwerkstoffe für grundlegende Gedanke hierbei ist es, die Ver-
die Anwendungen in IGCC-Kraftwerken zu entwi- brennung so zu betreiben, dass das entstehen-
ckeln. Die prinzipiell mögliche Kopplung einer Ver- de CO, möglichst einfach abgetrennt werden
gasung an ein IGCC-Kraftwerk in Kombination mit kann. Dieses wird dann einer Speicherung im
einer chemischen Fabrik zur Synthesegasnutzung Untergrund zugeführt und bleibt damit der At-
würde es erlauben, je nach Nachfrage einen stoff- mosphäre entzogen. Diese Kette enthält jedoch
lichen Speicher (z.B. Kraftstoffe) und / oder Strom mehrere energieintensive Schritte, so dass eine
und Wärme zu erzeugen und damit Spitzenbelas- Abtrennung und Speicherung von CO, immer den
tungen abzufangen. Weiterhin ist es denkbar, ein Wirkungsgrad des Kraftwerks im Vergleich zu
IGCC-Kraftwerk mit einer Brennstoffzellenanlage einem konventionell betriebenen Kraftwerk ohne
zu koppeln. Es wird eine beträchtliche Wirkungs- Abtrennung und Speicherung reduziert. Dies führt
gradsteigerung prognostiziert. Die Umsetzung ist zwangsläufig zu einem höheren Primärenergiebe-
jedoch kritisch an weitere Fortschritte im Bereich darf für die gleiche Leistung bzw. entsprechend
der Brennstoffzellen gekoppe~. Solche Konzepte höheren Energiekosten für den Verbraucher. Ziel
bedürfen der systemischen Analyse hinsichtlich der Forschungsaktivitäten muss es sein, diesen
der Einbindung in ein Energiesystem. Malus möglichst zu reduzieren.

Eine signifikante Nutzung von fossilen Energie- Bne Schlüsselstellung in dieser Kette kommt den
trägern ist unter den oben skizzierten klimapoli- Abtrenntechnologien zu. Es existieren umfang-
tischen Bedingungen nur dann mittelfristig sinn- reiche Erfahrungen zur CO,-Abtrennung aus der
voll und globaipolitisch akzeptabel, wenn ein Weg chemischen und petrochemischen Industrie, die
gefunden wird, das entstehende CO, nicht in die hauptsächlich auf chemischen Wäschen beru-
Atmosphäre einzubringen. Hierzu werden eine hen und Stand der Technik sind. Die chemischen
Reihe von verschiedenen Technologien diskutiert Wäschen benötigen einen beträchtlichen Energie-
(die sog. CCS-Technologien , Carbon Dioxide aufwand für die Regeneration. Weitemin werden
Capture and Storage, Kohlenstoff/CO,-Abtren- auch physikalische Wäschen wie die Adsorption
nung und Speicherung), die sich in unterschied- diskutiert. Die Regeneration erfolgt mit Hilfe eines
lichen Entwickiungsstadien befinden und alle Temperatur- oder Drucksprungs. Der Energieauf-
noch erheblichen Forschungs- und Entwicklungs- wand ist geringer, ebenso wie die Kapazität der
bedarf aufweisen . Alternativ sollten auch andere Waschmittel. Die Entwicklung alternativer Wä-
CO,-Senken zur Entfernung des CO, aus der At- schen auf chemischer oder physikalischer
mosphäre untersucht werden. Schließlich werden Basis mit reduziertem Energieaufwand stellt
auch sogenannte "Geo-Engineering" Maßnahmen eine wichtige kurz- bis mittelfristige Forschungs-
in Betracht gezogen, durch die die Aufnahmeka- priorität dar.
pazität zum Beispiel der We~meere für Kohlen-
dioxid emeblich ausgeweitet werden soll. Da es Die Anwendung der Wäschen auf Kraftwerksab-
sich hierbei um schwerwiegende Eingriffe in das gase stellt ebenfalls neue Anforderungen an die
ÖkosystE;>m handelt, ist vor allem die Technikfol- chemischen Eigenschaften der Waschmittel. Die-
genabschätzung in diesem Bereich unabdingbar. se müssen auf einen immansen Durchsatz von
Welcheri Weg man auch immer beschreitet, in zum Teil extrem korrosiven Substanzen ausgelegt

41
111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

I, , werden. Prinzipiell jedoch können existierende schlusses auch über längere Zeiträume hinweg
I I Kraftwerke auf Basis fossiler Brennstoffe mit den sind allerdings noch offen.
I entsprechenden Wäschen nachgerüstet werden,
was ein wesentlicher Vorteil dieser Technologie Diese Technologie ist in mehreren Demonstra-
ist. lionsprojekten im Einsatz. Die längste Erfahrung
ist mit dem Sleipner-Projekt von Statoil in Norwe-
Eine weitere Technologie, die Teil einer Prozess- gen gesammelt worden . Eine weitgehende Spei-
kette zur Abtrennung und Speicherung von CO, cherung von Kraftwerksabgasen setzt die trans -
sein kann, ist die Verbrennung der fossilen parente Erstellung und neutrale Validierung eines
Energieträger in Sauerstoff und rezirikuliertem geologischen Kriterienkatalogs voraus.
Abgas statt in Luft. Hierbei können höhere Tem-
peraturen und damit theoretisch auch höhere Eine weitgehende Speicherung von CO, hat Fol-
Wirikungsgrade erzielt werden. Das Abgas enthält gen, die über rein technische Aspekte hinaus-
einen wesentlich höheren CO,-Anteil als in einem gehen. Neben Fragen der Risikoabschätzung
konventionell betriebenen Kraftwerik, das CO, ist stehen die zur Sicherheit und Überwachung der
daher leichter abzutrennen. Die Bereitstellung von Lagerstätten, Aufbau einer Transportstruktur, Ak-
Sauerstoff kann über den energetisch aufwendi- zeptanz der Bevölkerung im Bereich der Lager-
gen Weg der kryotechnischen Luftzerlegung er- stätten, gegebenenfalls erhöhten Energiepreisen
folgen. Alternativ wird die Anwendung selektiver einschließlich der Auswirikung auf Verbraucher
I Membranen propagiert. Diese Membranen erfül- und die Wettbewerbsfähigkeit vor allen Dingen der

I'
i '
len jedoch zurzeit nicht die dafür notwendigen An-
forderungen. Intensive Forschungsanstrengungen
energieintensiven Industrie. Auf der anderen Sei-
te könnten sich durch die Entwicklung effizienter
I ,
I I im Bereich der Membrantechnologie müssen CCS-Technologien neue Exportmöglichkeiten für
hier noch wesentliche Grundlagen schaffen. das Hochtechnologieland Deutschland eröffnen.

Nach der Abtrennung muss das CO, einer Spei- Neben einer Speicherung von CO, ist auch eine
cherung zugeführt werden. Hierzu wird das Gas alternative Verwertung im Sinne einer chemi-
überkritisch verdichtet und dann zum Speicher- schen Umsetzung zu einem Produkt denkbar,
ort transportiert. Im Wesentlichen werden gegen- wozu neue Synthesewege und Wertschöpfungs-
wärtig Erdgas- bzw. Erdöllagerstätten und saline ketten etabliert werden müssten. Das Mengen-
I' i Formatio nen diskutiert. potential der Verwertung ist im Vergleich zu den
I
Emissionen vernachlässigbar. Allerdings könnte
Erdgas- und Erdöllagerstätten sind in der Regel die mit ihrer Produktion verbundene Wertschöp-
geologisch sehr gut erforscht. Werden sie noch fung einen Beitrag zu einer verbesserten Wirt-
genutzt, so kann die Speicherung von CO" je schaftlichkeit der gesamten CO,-Strategie führen,
, i nach geologischen Gegebenheiten, effizient mit so dass im Sinne einer systernischen Betrachtung
der Förderung kombiniert werden, wobei das CO, Ansätze für die stoffliche Verwertung durchaus
den Druck innerhalb der Lagerstätte erhöht und sinnvoll sind.
damit eine weitergehende Ausbeutung zulässt.
Alternativ zur Abtrennung des CO, sollten aller-
Im Gegensatz dazu ist die Speicherung von CO, dings auch Konzepte exploriert werden, die über
in salinen Formationen (tiefe, salzwasserführende andere Verfahren der Atmosphäre äquivalente
Sedimentgesteine) nicht mit wirtschaftlichen Vor- Mengen CO, entzehen. Dies könnte durch Nut-
teilen verbunden. Allerdings ist die geschätzte Ka- zung von Biomasse als CO,-Senke geschehen,
pazität der salinen Formationen deutlich größer. die Biomasse müsste dann allerdings langfristig
Hierbei wird CO, in die saline Schicht in Tiefen ab gebunden bleiben. Eine Reihe von Vorschlägen
800 m gepresst, wo es aufgrund der Tempera- hierzu (Carbonisierung und Einlagerung, unterirdi-
tur- und Druckbedingungen überikritisch vorliegt. sche Einlagerung von Holz, Auslösen von verstärik-

I ,,
, I
Zahlreiche Fragen zur Stabilität des CO,-Ein- tem Algenwachstum durch Düngung) existieren,

[I
42
I' I
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

diese müssten allerdings umfassend systemisch, Geistes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften .


auch unter ökonomischen und soziologischen Dabei geht es primär um wirksame und politisch
Aspekten und in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit durchsetzbare Steuerungsprozesse, die sowohl
analysiert werden. Auch ist für solche Ansätze zu national (Genehmigungs- und Planungsverfahren)
analysieren, inwieweit die Nutzung von Biomasse wie international (Liefersicherheit) betrachtet wer-
als Kohlenstoffsenke die Produktion von Energie den müssen .
aus Biomasse durch Flächenkonkurrenz beein-
trächtigt. Modul 3: Kernenerg ie

Zusammenfassende Bewertung der Deutschland hat - im Gegensatz zu den meisten


Forschungsprioritäten auf dem Gebiet anderen europäischen Staaten - den Ausstieg aus
der Fossilen Energien der Kernenergie beschlossen. Im Zuge \'Iieses Be-
schlusses wurde auch die restliche Forschungs-
Die Schlüsselfrage in einem Energiesystem, das förderung mit Bundesmitteln zur Kernenergie, die
sich wesentlich auf fossile Energieträger stützt, nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung, auf
mit dementsprechend höchster Forschungsprio- ein Minimum reduziert. Auch wenn Deutschland
rität, ist die Minderung der Nettoemissionen an diesem Beschluss festhalten und die Kernkraft-
von CO, . Forschungsanstrengungen sollten sich werke in den nächsten ca. 15 Jahren stilllegen soll-
sowohl auf Abscheide- und Lagertechnologien te, ist ein hoher zusätzlicher Forschungsbedarf
bei der Verbrennung als auch auf alternative zu den Themenbereichen nukleare Sicherheit,
CO,-Senken richten . Gesellschaftliche Aspekte Endlagerung und Strahienforschung unabding-
sollten frühzeitig in die technologische Forschung bar. Dieser ergibt sich zum einen aus dem allge-
mit einbezogen werden, da bei dieser Techno- meinen Interesse, die sehr hohen deutschen Si-
logie mit erheblichen rechtlichen Problemen und cherheitsstandards weiterzuentwickeln und in die
Widerständen durch gesellschaftliche Gruppen Entwicklung, den Betrieb und den Bau künftiger
und Anwohner zu rechnen ist. Kernkraftwerke andernorts auf der Welt einfließen
zu lassen, auch im nationalen Eigeninteresse.
Technologisch stellt sich bei allen Arten der Nut-
zung fossiler Energieträger die Frage nach neuen Gleiches gilt für die Endlagerforschung , bei der
hochtemperaturbeständigen Materialien zur außerdem das hohe Eigeninteresse besteht, die
Erhöhung der Wirkungsgrade. Dies ist somit auch eigenen radioaktiven Abfälle einer sicheren End-
in einem fossil geprägten Energiesystem ein prio- lagerung zuzuführen. Zum anderen besteht auf-
ritäres Forschungsgebiet, wo deutsche For- grund der vorhandenen Altersstruktur ein rasch
schungsinstitute und Unternehmen zudem welt- zunehmender Bedarf an gut ausgebildeten Inge-
weit eine Spitzenstellung einnehrnen. nieuren und Naturwissenschaftlern auf dem Ge-
biet der Kernenergie, um zumindest die vorhande-
Aufgrund der Schwierigkeiten , CO, aus mobi- nen Kraftwerke mit bestausgebildetem Personal
len Quellen wie etwa Autos abzutrennen, ergibt zu betreiben sowie den Abbau der Kernkraftwer-
sich auch in einem fossilen Energiesystem die ke und die Endlagerung mit den bisher üblichen
Notwendigkeit, einen erheblichen Teil des Mobi- höchsten Qualitätsmaßstäben sicher zu stellen.
liätsbedarfs elektrisch zu befriedigen, wobei die Den dringend erforderlichen Nachwuchs gewinnt
elektrische Energie fossil mit CCS erzeugt würde. man jedoch nur, wenn dieser im Rahmen einer
Elektromobilität ist also auch in diesem Modul qualitativ hochwertigen Forschung angezogen,
ein Forschungsgebiet mit hoher Priorität. motiviert und entsprechend ausgebildet wird.

Soziopolitisch stellt sich in einem kohlestoffba- Abhängig von politischen und gesellschaftlichen
sierten Szenwio am stärksten die Frage nach der Rahmenbedingungen könnte sich Deutschland
Versorgungssicherheit. Hier liegen damit die aber in der Zukunft wieder an der Entwicklung und
prioritären Fbrschungsfelder für Arbeiten in den dem Bau von neuen Kernkraftwerken beteiligen,

43
I
I 111 FORSCHUNGSPOTENZIALE I

111'
I I
I ,. 0

[I:: um einen erheblichen Teil des Energiebedarfs mit Kernbrennstoffe erwartet wird, so dass die Ver-
I
Kernenergie zu decken. Eine solche Entscheidung fügbarkeit von Kernbrennstoffen gegenüber den
hätte Konsequenzen für die Energieforschung bisherigen Schätzungen entsprechend verlängert
nicht nur im Bereich der Entwicklung der Nuklear- wird. Außerdem wird erwartet, dass sich durch
technologien selbst, sondern auch in Bezug auf die veränderte Art des Abbrands die Isotopenver- I
die Einbettung in ein umfassendes Energiesystem teilung in Richtung schnell zerfallender Reststoffe
mit allen technologischen und soziopolitischen verschiebt, die dann auch in geringeren Mengen
Konsequenzen. vorliegen sollen. Damit könnte die Abklingzeit der
Reststrahlung um etwa zwei Größenordnungen
Ein Wiedereinstieg Deutschlands in die Entwick- reduziert werden.
lung von Kernkraftwerken wäre dann denkbar,
wenn Deutschland die ge~enden hohen Sicher- Nukleare Sicherheitsforschung sollte in Zukunft
heitsstandards auch bei der Entwicklung von fest in den europäischen Forschungsraum einge-
i ausländischen Kernkraftwerken der dritten und bunden werden. Durch die Weiterentwicklung der
vierten Generation mit Nachdruck implementieren Kerntechnik sollen vor allem die jetzt schon sehr
wollte, oder wenn sich in Deutschland im Ver- hohen Sicherheitsstandards und die Wirtschaft-
I,
lauf der Zeit die Einsicht durchsetzen sollte, dass ichkeit nochmals verbessert werden sowie Fort-
die Kernkraft trotz der unbestreitbaren Risiken schritte in Bezug auf die Nachha~igkeit erreicht
eine kostengünstige und konsensfähige Grund- werden.
last-Stromversorgung ohne CO, Ausstoß bietet.
Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu Die gegenwärtigen Pläne in den meisten EU-Mit-
sehen, dass für Kernkraftwerke der 4. Gene- gliedstaaten zielen darauf ab, die Laufzeit der
ration eine weitere Verbesserung der Sicherheit Kernkraftwerke im Einzelfall über 40 bis auf ca.
mit einer bis zu 50-fach besseren Ausnützung der 60 Jahre hinaus zu verlängern. Reaktoren der

Kernkraftwerk Gemeinschaftskraftwerk Neckar (GKN) bel Neckarwestheim, aufgenommen vom Burgfried des Schloss Liebenstein.
In der Bildmitte die Zellenkühler von Block 1, Rechts der Hybridkühlturm von Block 2. (Quelle: FZK)

44
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

3. Generation, wie der EPR (Europäischer Druck- Da Kernbrennstoffe ebenso wie fossile Energie-
wasserreaktor), basieren auf den Erfahrungen quellen begrenzt sind, sind die Wiederaufarbei- I
1
der heutigen Leichtwasserreaktoren und sind auf tung bestrahlter Brennstoffe und die Mehrfach-
eine Betriebsdauer von mindestens 60 Jahren rückführung die Grundlagen, auf denen künftige iI I'I
ausgelegt. Die Sicherheitsforschung für diese Reaktoren der 4. Generation Nachhaltigkeit er- I
, ,I
Reaktoren muss werterhin Untersuchungen von reichen werden. Schnelle Reaktoren mit geschlos-
Betriebstransienten, Auslegungsstörfällen, sowie senem Brennstoffkreislauf ermöglichen a) eine viel
Störfällen, die zum Kernschmelzen führen könn- bessere Ausnutzung der natürlichen Ressourcen, 'II
ten, beinharten. Gerade die letztgenannten Stör- was die Kernenergie auf mehrere Jahrtausende
,
I,
fälle der Sicherheitsebene 4 werden bei neuen zu einer nachhaltigen Energiequelle macht, und
Reaktoren zunehmend in das Genehmigungsver- b) eine Minimierung von Volumen und Wärme-
fahren mit einbezogen und bedürfen deshalb einer belastung hoch radioaktiver Abfälle. Anlagen der
detaillierten Analyse. In Zukunft werden als Ana- 4. Generation müssen noch zur technischen Rei-
Iysewerkzeuge verstärkt gekoppelte Programm- fe entwickert werden; der wirtschaftliche Einsatz
systeme eingesetzt, die fortgeschrittene 3-D solcher Anlagen dürfte kaum vor Mitte dieses
Neutronenkinetikprogramme mit Programmen zur Jahrhunderts erfolgen, da für deren Entwicklung
3-D Untersuchung thermo- und fluiddynamischer immer noch wichtige technische Details zu lösen
Fragestellungen verbinden. Damit kann eine de- sind. Hierzu gehören Untersuchungen thermohy-
tailliertere Sicherheitsbeurteilung auch von Reak- draulischer und materialwissenschaftlicher Frage-
torsystemen der 4. Generation vorgenommen stellungen, bei denen das Potenzial von natrium-,
werden, hier insbesondere die Werterentwick- helium- und bleigekührten Anlagen zu überprüfen
lung der Leichtwasserreaktoren als HPLWR (High ist. Der bisher für Systeme der 4. Generaüon ent-
Pressure Light Water Reactor), einen LWR mrt wickelte Technologiefahrplan sieht unter anderem
überkritischen Dampfzuständen. vor, übergreifende Forschung und Entwicklung auf
den Gebieten Sicherheitstechnologie, Brenn-
stoffkreislauf, Brennstoffe und Werkstoffe
durchzuführen. Deutschland kann sich aufgrund
seiner Expertise hier an vorderster Stelle betei-
ligen, um unter anderem höchste Sicherhertsstan-
dards zu etablieren.

Der geschlossene Brennstoffkreislauf ist der


Grundstein einer Strategie zur Abtrennung und
Umwandlung (Partitioning and Transmutation) mi-
norer Aktiniden, wodurch Radioaktivität und Wär-
mebelastung der verbleibenden hoch radioaktiven
Abfälle erheblich vermindert werden. Damit wer-
den die Einschlusszeit und die erforderliche End-
lagerkapazität für die geologische Tiefenlagerung
reduziert. Zur Umwandlung der minoren Aktiniden
müssen die Möglichkeiten, die von Beschleuniger
getriebenen Systemen (ADS) geboten werden, si-
cherhertstechnisch mit denen schneller krrtischer
Reaktoren verglichen werden.

Forschung und Entwicklung sind auch zur Schaf-


fung der wissenschaftlichen Grundlagen für die
sichere Endlagerung und zur Führung des Sicher-
heitsnachweises eines Endlagers erforderlich. Für

45
., ....------------------------

111 FORSCHUNGSPOTENZIALE

die Wärme entwickelnden Abfälle ist ein geeigne- Jahrzehnten ist in Deutschland das Verfahren zur
tes Endlager noch zu errchten. Die Zuständigkert Bestimmung und Genehmigung eines Standor-
für die Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet tes im Fokus der Auseinandersetzung. Wie man
liegt in Deutschland beim Bund. Als mögliches polrtisch wirksam, gerecht und sozial akzeptabel
WIrtsgestein für ein Endlager für Wärme entwi- einen Standort aussuchen und überprüfen soll,
ckelnde radioaktive Abfälle stehen in Deutschland Ist höchst umstritten. Rund 80% der Bevölkerung
Steinsalzformationen im Fokus . Eine weitere in in Deutschland sind der Meinung, dass dieses
der Fachwelt diskutierte Möglichkeit ist die End- Land ein nukleares Endlager dringend benötige,
lagerung in einer Tonsteinformation . Der erfor- aber nur 12% sind bereit, ein solches Lager in
derliche technische Kenntnisstand für die Errlch- ihrer Nähe zu tolerieren. Bei kaum einer anderen
tung eines Endlagers im Steinsalz wurde durch Technologie sind Akzeptanzverweigerung und
die In den vergangenen 40 Jahren in Deutsch- Mobilisierung so hoch wie bei der Frage der
land geleistete Forschungstätigkeit wertgehend nuklearen Abfallen1sorgung. Dementsprechend
erarbeitet. Für ein Endlager in Tongestein liegen führen alle kurzfristigen und nur auf wirtschaft-
umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus 1iche Kompensation ausgerichteten Maßnahmen
Frankreich, Belgien und der Schweiz vor. zur Akzeptanzverbesserung ins Leere. Benötigt
wird hier eine breit angelegte interdisziplinäre For-
Die Langzeitsicherheit eines Endlagers für hoch- schung, bei der rechtliche, entscheidungsanaly-
I,. radioaktive Abfälle ist jedoch durch technische tische, planerische, soziologische, politikwissen-
Systeme allein nicht nachweisbar. Vielmehr muss schaftiche und psychologische Aspekte parallel
das Verhalten langlebiger Radionuklide unter den behandelt und in partizipative Ansätze überführt
geochemischen Bedingungen eines Endlagers werden müssen.
in tiefen geologischen Formationen verstanden
werden, um damit Werkzeuge und Daten für eine Systemische Auswirkungen
belastbare Langzeit-Sicherheitsanalyse berertzu-
stellen. Voraussagen zur Radionuklidfreisetzung Kernenergie ist zunächst eine Technologie, die
über große Zeiträume, wie sie für solche Langzeit- Grundlast in Form von elektrischer Energie bereit
sicherheitsanalysen gefordert werden, lassen sich stellt. Erhebliche Mengen an fluktuierender Leis-
nur durch das Verständnis relevanter Prozesse tung - aufgrund der erwarteten stärkeren Elekt-
auf molekularem Niveau und ihre Anwendung auf rifizierung unseres Energiesystems würde dieser
natürliche Systeme erhalten . Die Arberten müssen Anteil vermutlich noch zunehmen - müssten auf
strategisch so ausgerichtet werden, dass grund- anderen Wegen berertgestellt werden. Daher girt für
legende Untersuc hungen zur aq uatischen ein Energiesystem, das wesentlich auf Kernener-
LI Chemie der Actiniden und langlebigen Spalt- gie basiert, hinsichtlich des Forschungsbedarfs
!I
' , produkte mit anw endungsorientierten Untersu - bei Verteilung und Nutzung vieles von dem, was
I ! I

I: j i chungen an realen Syst emen (Untertagelabors) bereits in dem Modul Erneuerbare Energien an-
I ' synergistisch verknüpft werden . Für nicht wieder- gesprochen wurde - wenn auch in deutlich abge-
1
verwertbare Actinide und Spaltprodukte müssen mildertem Ausmaß. Da unsere Gesellschaft sich
1:1 langzeitstabile Endlagermatrizes entwickelt und stärker in Richtung elektrische Energie entwickeln
charakterisiert werden. Vorhandene Immobilisie- würde, wäre auch das Mobilitätssystem betroffen.
rungstechniken wie die Verglasung müssen wei- Elektromo bilit ät mrt dem daraus resultierenden
terentwickelt und den verschiedenen Abfalleigen- Forschungsbedarf in Bezug auf Batterien und die
schaften angepasst werden. Dies gilt auch für Versorgungsinfrastruktur wäre eine wahrschein-
spezifische keramische Matrizes für Abfallformen liche systemische Folge eines starken Einsatzes
I fortgeschrittener Reaktoren. der Kernenergie. Allerdings wäre der Druck zu
I, raschen Entw icklungen auf diesern Gebiet nicht

,~ I
Die bisherigen Probleme bei der Endlagerung ra- ganz so hoch, da durch Reduktion von CO, -Emis-
dioaktiver Abfälle liegen aber weniger in techni- sionen im Kraftwerksbereich die Anforderungen
schen oder geologischen Fragen begründet. Seit an die Verrngerung des Kohlendioxidausstoßes

I
46
:I .
I I
FORSCHUNGSPOTENZIALE 111

Im Verkehrssektor weniger stringent wären - ob- energie als wesentliche Bereitstellungstechnologie


wohl ebenfalls mittel- bis langfristig unumgänglich. setzt, Forschung in erheblichem Maße auch auf
Alternativ zum sehr starken Ausbau der Elektro- den Gebieten erforderlich ist, die in Zusammen-
rnobilität können Kernkraftwerke auch zur Erzeu- hang mit dem regenerativen oder dem fossilen
gung sowohl von elektrischer Energie als auch Modul diskutiert worden sind, da nicht alle Arten
von Hochtemperaturwärme eingesetzt werden. der Nachfrage gut mit Kernenergie befriedigt wer-
Diese könnte zur Erzeugung anderer Energie- den können.
träger, wie etwa Wasserstoff, in großem Umfang
dienen. Sie könnte damrt den Weg zu Synthese- Aufgnund der Erfahnung mrt Wid erständen gegen
kraftstoffen mrt niedrigem CO,-Ausstoß aus Bio- die Nutzung der Kernenergie in den vergange-
masse, Gas oder Kohle erschließen. Vor einer nen Jahrzehnten ist zu erwarten, dass ein Wle-
großtechnischen Nutzung müssen jedoch noch dereinstieg nicht ohne größere gesellschaftliche
folgende Parameter sehr sorgfärtig untersucht Konflikte vonstatten gehen würde. Hier scheint
werden: Temperaturniveau der nuklearen Wärme- es wichtig, durch historische und sozio logische
quelle, Gesamtverhalten der Spaltungsreaktion, Forschung die Situation in der Vergangenheit zu
Reaktorankopplung, Sicherheits- und material- analysieren und mit der heutigen oder zukünf-
technische Fragen. Deutschland sollte sich an tigen Lage zu vergleichen, um daraus Schlüsse
diesen Arbeiten beteiligen, um sein einzigartiges für die zu erwartenden gesellschaftlichen Reak-
Know-how auf den Gebieten der Sicherheitsfor- tionen ziehen zu können. Außerdem müssen bei
schung, der Hochtemperatunreaktortechnologie einer Wiederaufnahme der Forschungsarbeiten
und der Wasserstoffsicherheit einzubringen. Aller- zu neuen Reaktoren bereits frühzeitig Ansätze
dings muss auch bei der Erzeugung von Kraftstof- entwickelt werden, mittels derer die Technologie
fen über Hochtemperaturwärme die systemische gegebenenfalls umgesetzt werden könnte, ohne
Einbindung dieser Technologien in ein umfassen- Widerständen zu begegnen oder - für den Fall,
des Mobilrtätskonzept mitbedacht werden. das dies nicht möglich ist - mit diesen Widerstän-
den konstnuktiv umzugehen.
Da Kernkraftwerke im wesentlichen Gnundlast-
kraftwerke sind, stel~ sich in einem nuklearen Mo- Die Gefahr der Proliferat ion stel~ in einem mas-
dul die Frage, wie Verbrauchsspitzen abgepuffert siv auf Kernenergie setzenden Energiesystem ein
werden können. Die Puffer- und Speicherfrage ist großes Problem dar - sowohl in Hinblick auf Staa-
allerdings weniger kritisch als im regenerativen ten, die Zugang zu Atomwaffen erlangen könnten,
Modul , da bei einer im Wesentlichen regenerati- als auch aufterroristische Gruppen . Hier sind flan -
ven Energiebereitstellung sowohl die Angebots- kierend zur technologischen Forschung dringend
seite als auch die Nachfrageseite fluktuiert. Für Arbeiten erforderlich, um dieses Problem besser
die nukleare Bereitstellung ist daher vornehmlich analysieren zu können. Es ist ebenfalls nötig, über
Forschung zur Steuerung der Energienachfrage Mechanismen zu forschen, mit denen dieser Ge-
notwendig, um die Nutzung zeitlich gleichmäßi- fahr auf internationaler Ebene wirksam begegnet
ger zu verteilen. Wie die verbleibende, kurzfristig werden kann.
erforderiiche, schwankende Energie durch unter-
schiedliche Arten von Spitzenlastkraftwerken Auch wenn Deutschland an dem beschlossenen
berejtgestel~ werden kann, ist systemisch zu Ausstieg aus der Kernenergie festha~en sollte, ist
überpnüfen. Für ausgewählte, geeignet erschei- es ratsam, die nukleare Forschung in Deutschland
nende Technologien, die aufgnund der Klimaprob- weiter zu führen, um einerseits die Sicherhert bei
lematik CO, neutral ausgestaltet sein müssen, ist den bestehenden nuklearen Anlagen weiterhin
dann gezielt Forschung zur Effizienzerhöhung und sicher zu stellen oder zu verbessern und ande-
zur Systemeinbindung zu leisten, soweit die Tech- rerseits bei den noch nicht gelösten Problemen
nologien nicht ausgereift sind . Es ist also davon überzeugende Konzepte zu entwickeln.
auszugehen, dass in einem Modul, das auf Kern-

47
IV WISSENSCHAFTLICHE QUERSCHNITTSTHEMEN
I
I
I I'
1, :'(
. I
1 1
1
I
11
IV Wissenschaftliche Querschnittsthemen
! 1.1 für den Übergang zu einer nachhaltigen
I
i Energiegesellschaft

Naturwissenschaftliche Grundlagen von technologien ausgebaut werden können, Solche


Energietransferprozessen Entdeckungen werden oft nicht durch gezieltes
Forschen möglich sein, sondern dadurch entste-
Viele der bei den No Regret-Themen und in den hen, dass Wissenschaftler auf einem Gebiet aktiv
Modulen angesprochenen Forschungserforder- sind, das Bezüge zur Energieforschung aufweist.
nisse sind stark technologisch geprägt. Sie dienen Daher sollten in gewissem Umfang Arbeiten ge-
der Weiterentwicklung grundsätzlich bekannter fördert werden, die grundlegend auf Probleme ge-
Technologien oder - bei weniger ausgereiften Ver- richtet sind, die für Energietechnologien relevant
fahren - der Umsetzung naturwissenschaftlicher sind.
I Erkenntnisse in nutzbare Technologien, Allerdings
ist es erforderlich, auch grundlegend naturwissen- Beispielsweise sind Mehrelektronentransferpro-
schaftlich an Fragen der Energiebereitstellung und zesse molekular wenig verstanden , obwohl sie
des Energietransfers zu arbeiten, um neue Phäno- von großer Bedeutung in einer Reihe von Ener-
mene zu entdecken, die in Richtung auf Energie- giewandlungsprozessen sind, wie etwa bei der

48
WISSENSCHAFTLICHE QUERSCHNITTSTHEMEN IV

photokatalytischen oder elektrolytischen Was- Meist wird bei Energieszenarien von kontinuierli-
serspaltung sowie bei molekularen Prozessen in chen Kontextbedingungen ausgegangen . Für die
Batterien . Das Verständnis der Wachstumsre- Energiepolitik ist es aber ebenso bedeutsam zu
gulation von Pflanzen gehört ebenfalls zu diesen erfahren, welche Kombinationen von Techniken
grundlegenden Problemen . Einsichten hier könn - zu keiner befriedigenden Lösung führen, welche
ten zu neuen Ansätzen bei der Erzeugung von mit hoher Wahrscheinlichkeit Krisen auslösen
Energiepflanzen führen. Mikrobiologische Arbei- können, und wie Energiesysteme ihrerseits auf
ten zur Sukzession von Bakterienpopulationen Krisen in anderen Bereichen reagieren. Erst wenn
bei der Methanproduktion oder die molekularen auch der Einfluss von Entwicklungsbrüchen unter-
Grundlagen katalytischer Prozesse sind Beispiele, sucht wird - sowohl in den technischen, als auch
wie Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Pro-
neuen Technologien, etwa bei der Transformation zessen - können intendierte und nicht-intendierte
von Biomasse zu Kraftstoffen, eine große Bedeu- Nebenwirkungen von Energietechnologien und
tung in jetzigen und zukünftigen Energiesystemen energiepolitischen Maßnahmen genauer erfasst
bekommen. Die Kopplung von biologischen und und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einge-
physikalisch-chemischen Ansätzen wird deutlich leitet werden. Daneben ist energiepolitisch auch
bei Arbeiten zur Wasserstoffproduktion aus Algen, die Entwicklung von Second Best-Szenarien er-
bei denen die molekularen Mechanismen besser forderlich, die mögliche Handlungswege für den
verstanden werden und die Organismen opti- Fall aufzeigen, dass - aus welchen Gründen auch
miert werden müssen. Diese Aufzählung ist nur immer - die besten Szenarien nicht verwirklicht
beispielhaft zu verstehen. In der Forschungsför- werden können. Was wäre zum Beispiel energie-
derung sollte es eine Offenheit für grundlegende polrtisch zu tun, wenn es kein Folgealbkommen
Fragestellungen geben, die das Potenzial haben, nach Kyoto mehr gäbe? Gerade dieser Frage
in Anwendungen auszustrahlen. nachzugehen und dabei die dann noch verbliebe-
nen Handlungsmäglichkerten mrt ihren wirtschaft-
Szenarienbildung und Krisenmanagement lichen und ökologischen Implikationen systema-
tisch zu erfassen, wäre eine vorrangige Aufgabe
Wenn man die No Regret-Maßnahmen mit ver- der Szenarienforschung.
schiedenen Elementen der Module zur Bereit-
stellung und Nutzung von Energie kombiniert, Methodische Herausforderungen bestehen in der
entstehen Szenarien, die im Idealfall sowohl die adäquaten Behandlung von hoch komplexen und
technische Machbarkeit wie die gesellschaftliche unsicheren Wirkungsketten. In integrierten Model-
Wünschbarkeit widerspiegeln. Diese Szenarien len werden zwar Verhaltensweisen von Individuen
sind in Beziehung zu wirtschaftiichen, sozialen und Organisationen mit einbezogen, die dazu ver-
und ökologischen Wandlungsprozessen zu set- wendeten Algorithmen sind empirisch allerdings
zen. Sie müssen systematisch erfasst und im Zeit- noch wenig überprüft und gehen von sehr verein-
ablauf auf der Basis unterschiedlicher Annahmen fachten Annahmen aus. Oft bleiben dabei Aspekte
modelliert werden. Insofern reicht auch nicht ein wie die Einflussmäglichkeit der Akteure (Agency),
einziges Energieszenario aus, sondern es müs- die Machtstrukturen und die instrtutionellen Rah-
sen eine Reihe von Szenarien parallel entwickelt menbedingungen für individuelles Handeln unter-
werden, denen jeweils unterschiedliche Annah- belichtet. Ebenso hat die historische Betrachtung
men und politische Präferenzen zugrunde liegen. von längerfristigen Entwicklungen und Entwick-
Die drei oben beschriebenen Module könnten lungsbrüchen noch wenig Niederschlag in den
beispielsweise in unterschiedlicher Ausprägung Energieszenarien gefunden. Diese Themen nä-
in ein in sich konsistentes Szenario eingebracht her zu erforschen und sie für die Energieplanung
werden, um bestimmten Anforderungen der Ver- und Szenarienentwicklung aufzubereiten, ist eine
sorgungssicherheit, Zuverlässigkeit, Umwelt-und der wesentlichen Forschungsaufgaben in diesem
Klimaverträglichkeit sowie der sozialen Akzeptanz Untersuchungsfeld.
zu genügen.

49
IV WISSENSCHAFTLICHE QUERSCHNITTSTHEMEN

Vor allem soll daran gearbeitet werden, die den Märkte, Staat und Zivilgesellschaft
Szenarien zugrunde liegenden kausalen oder (Governance)
funktionalen Zusammenhänge so weit wie mög-
lich empirisch zu verifizieren und die häufig nicht- Energiemärkte, ihre Dynarnik und ihr Zusammen-
linearen Wechselbeziehungen angemessen zu spiel rnit anderen Märkten sowie mit staatlichen
modellieren . Dazu muss das Verhalten von und zivilgesellschaftlichen Kräften, sind bislang
Marktteilnehmern und seine Abhängigkeit noch wenig verstanden. Der Energiemarkt steht
von unterschiedlichen Marktstrukturen syste- mit vielen anderen Märkten in direkter Beziehung,
matisch erforscht und in die Szenarien integriert und die verschiedenen Energiesysteme wirken in
werden . Weiterhin müssen die Möglichkeiten unterschiedlicher Weise auf die öffentlichen Güter
und Grenzen des technischen Fortschritts und Klirna und Umwelt ein. Daher müssen sowohl die
der darauf aufbauenden Energieinnovationen Wechselwirkungen zwischen privaten und staat-
(in Bereitstellung, Transport und Nutzung) in lichen Akteuren innerhalb der Energiemärkte als
Szenarien integriert und deren Wechselwirkung auch die Zusammenhänge zwischen den Ener-
mit den Leitbildern und Modellen zukünftiger gie- und anderen Märkten in die Überlegungen
I "
: :! Energiegesellschaften (..Energiezukünfte") analy- mit einbezogen werden . Zu fragen ist, wie auf die-
siert werden . Dabei gilt es vor allem die zeitlichen ser Basis tragfähige institutionelle, strukturelle und
., ::c
und räumlichen Interaktionen zwischen der prozessuale Lösungen entwickelt werden können,
Dynamik von Energiesystemen und den poli- die die Ziele Versorgungssicherheit, Umwelt-und
tischen, rechtlich en, wirtschaftlichen, sozia- Klimaverträglichkeit sowie Sozialverträglichkeit
len und internationalen Entwicklungen sowie bestmöglich vereinbaren .
zwischen normativen Zukunftserwartungen (z.B.
zur nachhaltigen Entwicklung) und der Energie- Vordringlich müssen die Wechselw irkungen
systemdynamik zu beachten. Schließlich rnüssen zw ischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft im
sprunghafte und krisenhafte Entwicklungen Bezug auf Energiesysteme erforscht werden. Da-
als Möglichkeiten mit in die Zukunftsplanung ein- bei geht es um einen interdisziplinären Ansatz, bei
bezogen werden und sollten daher in die Model- dem Fragen der Effizienz von Institutionen rnit As-
Iierung und Szenarienentwicklung einfließen. Vor pekten der politischen und rechtlichen Rahmen-
allem in den Krisenplänen und im Rahmen der bedingungen sowie mit Wirkungsanalysen der
Katastrophenvorsorge sind ModelIierungen von Marktinteraktionen vernetzt werden müssen. Die-
Syst~meinbrüchen bis hin zu Zusammenbrüchen ses Zusammenspiel von institutionellen Reglun-
von großem Nutzen . gen und politisch wirksarnen Handlungen muss
einerseits besser verstanden, gleichzeitig aber
Auf dem Weg zu objektivierbaren Energieszena- auch auf weitere Optirnierungsmöglichkeiten hin
rien wird empfohlen, numerische und qualitative untersucht werden. Es gilt, institutionelle Arran-
I:: :
ModelIierungsmethoden aus verschiedenen Diszi- gements und Regulierungen so auszugestalten,
I plinen auf ihre Tauglichkeit zu prüfen, zusammen- dass die sich zurn Teil widersprechenden Ziele
1, zuführen und daraus neue Verfahren zur Analyse der Versorgungssicherheit, der Umwelt- und Kli-
1
I1 komplexer Sachverhalte zu entwickeln. Dazu ge- maverträglichkeit und der Sozialverträglichkeit im
I! hören stochastische Modellierungen, die zeitlich Sinne einer nachhaltigen Entwicklung bestmög-
!,i hochauflösende Energiesysternmodellierung, die lich erreicht werden können. Analyse wie Optimie-
1I detailliertere Erfassung von Energietransportnet- rung sind auf Ergebnisse aus der ökonomischen ,
I:
,
zen und Energieverteilnetzen, die evolutorische rechtlichen und sozialwissenschaftlichen For-
ModelIierung von Veränderungsprozessen und schung angewiesen. Bei den Optimierungsfragen
eine intelligente Kombination von Modellen aus ist es zudem dringend geboten, ethische Aspekte
unterschiedlichen Disziplinen und Denkschulen . stärker mit zu berücksichtigen .
Durch methodische Metastudien sollte angestrebt
werden, Ergebnisvarianzen von unterschiedlichen
Energiesysternstudien besser zu verstehen .

50
I:
11I1
WISSENSCHAFTLICHE QUERSCHNITTSTHEMEN IV

Technikfo lgenabschätzung und zen von kornplexen Maßnahmenbündeln im Kon -


Risikoanalyse text von divergierenden 3elen und Interessen.

Energiepolitik wirkt großräumig oder sogar global, Daher gilt es, die Kapazitäten in Deutschland zu
und über lange Zertperioden. Die Wechselwir- einer methodisch abgesicherten und t ransdis-
kungen zwischen regionalen, nationalen, euro- ziplinären Technikfolgenforschung so auszu-
päischen und internationalen energiepolitischen bauen, dass die Entscheidungsträger aus der
Rahrnenbedingen sind dabei ebenso wichtig wie Energiewirtschaft und -polrtik durch wissenschaft-
die energierelevanten Entscheidungen und Maß- lich fundierte Analysen zu Chancen und Risiken
nahmen von Individuen, Organisationen und Re- der diskutierten Handlungsoptionen unterstützt
gierungen im interkulturellen Raum. Entscheidend werden. Dazu sollten auch die Methoden der
für Planungsvorgänge in der Energiepolitik ist Energiesystemmodellierung so weiter entwi-
daher, dass die möglichen Nebenwirkungen und ckelt werden, dass sie die für die Integration neuer
Risiken sowohl der eingesetzten Technologien wie Energietechniken strukturellen Systemanpassun-
auch der Steuerungsmaßnahmen (etwa Cap and gen ebenso wie Unsicherherten erfassen, um ihre
Trade Systeme) im Voraus abgeschätzt und be- Chancen, Risiken und Nebenwirkungen quantita-
wertet werden können. tiv beziffern und damit einer Bewertung zugäng-
lich machen zu können.
Deutschland war und ist international ein Vorrei-
ter in der Risiko- und Technikfolgenforschung. Die Werterhin sind für die Bewertung von Maßnahmen
zentralen Fragen der Erfassung der Nebenwir- und Technologien die Implikationen des Energie-
kungen und Risiken gehen weit über die Aspekte rechtes und die Ergebnisse partizipativer Ent-
einzelner Energietechniken und einzelner Steue- scheidungsfindungsverfahren mit einzubeziehen,
rungsmaßnahmen hinaus. Sie sind wesentlich vor allem im Hinblick auf die Folgen für die Wirt-
durch den Systemcharalkter der Energiefrage ge- schafts-, Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie
prägt. Die Methoden- und Modellentwicklung zur für eine gerechte und faire Verteilung von Risiken
Analyse von Energiesystemen haben inzwischen und Chancen im nationalen wie internationalen
einen hohen und auch international anerkannten Kontext. Risk Governance-Strukturen und inter-
Stand erreicht. Defizite bestehen allerdings in der nationale, kollektiv verbindliche Risk Governance-
Anwendung der verfügbaren Methoden, Modelle Standards sind ebenfalls wichtige Forschungs-
und Instrumente der Technikfolgenforschung auf themen in diesem Zusammenhang.
die Abschätzung der zu erwartenden Konsecuen-

51
V LEITLINIEN

Grundsätzliche strukturelle Anforderungen dürfen einer ihrer Bedeutung entsprechenden


öffentlichen Förderung . Durch die Wissenschaft
Innovative Energieforschung ist die Basis für eine kann die Größe der Aufgabe dokumentiert wer-
wirtschaftliche, nachhaltige und sozialverträgli- den - so wie es hier geschehen ist - , die Poli-
che Energieversorgung. Sie muss langfristig und tik gewichtet diese dann in Relation zu anderen
nachhaltig konzipiert sein und den schwer vor- öffentlichen Aufgaben und nimmt entsprechende
hersehbaren zukünftigen Anforderungen von Poli- Weichenstellungen vor. Hier scheint den Akade-
tik, Wirtschaft und Gesellschaft gerecht werden . mien eine Neubewertung erforderlich.
Hierbei müssen die Zeiträume, in denen sich eine
erwünschte Veränderung der Energielandschaft Die Politik muss die Forschung mit Entschieden-
einstellen kann, bei allem Maßnahmen mit anti- heit darin unterstützen , neue Wege zu gehen, um
zipiert werden. Die erforderliche Vorsorge in der der Gesellschaft eine nachhaltige und CO,-arme
Energiepolitik ist dabei auf Forschungsleistungen Energiezukunft zu ermöglichen . Um die Forschung
aus Wirtschaft, Universitäten und außeruniversi- aus den Dilemmata der Energiepolitik zwischen
tären Forschungseinrichtungen angewiesen . Dies kurzfristiger Erfolgsorientierung und langfristig
bedingt eine enge Zusammenarbeit zwischen öf- orientierter Zukunftsvorsorge zu befreien, müssen
fentlich und privat finanzierter Energieforschung Akteure in Forschung und Politik noch besser zu-
als Kernbestandteil gemeinsamer Zukunftsvorsor- sammenarbeiten .
ge. Da die Aufgabe langfristig ist und nur durch
fortwährende wissenschaftliche Arbeit bewältigt Die Struktur der Energieforschung in Deutschland
werden kann, muss auch die Förderung hohe ist trotz einer Reihe von neuen Ansätzen für eine
Kontinuität aufweisen . vernetzte Forschungslandschaft sowie bundes-
weiten Programmen für interdisziplinäre Energie-
Der politische Stellenwert der Energieforschung forschung immer noch stark fragmentiert. Die
sollte der Bedeutung entsprechen, den die Struk- Vielfalt der international anerkannten disziplinären
tur unseres zukünftigen Energiesystems für die Forschung stellt ohne Frage ein großes Potenzial
Zukunft Deutschlands und auch der Welt hat. dar: Die OECD-Patentdatenbank sieht Deutsch-
Mangelnde Vorsorge in diesem Bereich kann fa- land im Bereich der Energietechnik erneuerbarer
tale Folgen für künftige Generationen nach sich Energien im Jahr 2008 in einer Spitzenposition .
ziehen, die Lösung der Energiefrage ist eine Allerdings arbeiten die einzelnen Forschungsbe-
existentielle Aufgabe unserer Gesellschaften. Ein reiche und -einrichtungen weitgehend unabhängig
solch hoher Stellenwert muss konsequenterwei- von einander. Der fachübergreifende Austausch ist
se auch in einer angemessenen Ressourcen- zu wenig ausgeprägt. Durch mangelnde Koordi -
ausstattung sowie effektiven Koordinations- nation kommt es zu ineffektiver Doppelforschung,
und Abstimmungsinstrumenten zum Ausdruck und Synergien bleiben ungenutzt. Die für die Zu-
kommen. sammenarbeit zwischen technisch-naturwissen-
schaftlicher und wirtschafts-, rechts- geistes- und
Die in den vorigen Kapiteln dargestellten Erforder- gesellschaftswissenschaftlicher Energieforschung
nisse, die No Regret-Maßnahmen und weitere notwendige Vernetzung ist kaum entwickelt. Das
Forschungsaktivitäten, wie sie in den Modulen liegt zum einen an der starken Fragmentierung
und den Querschnittsthemen formuliert sind, be- der verschiedenen Sektoren der universitären und

52
1

LEITLINIEN V

der außeruniversitären Forschung. Zum anderen wird derzeit in den USA mit dem Energy Frontier
ist es auf die traditionell disziplinär ausgerichtete Research Center (EFRC) realisiert.
Hochschulstrukturzurückzuführen, in der fakul-
tätsübergreifende Forschung zwar verbal gefor- PPP-Modelle (public-private partnerships) für
dert, aber in der Praxis zu wenig umgesetzt wird. technologiebezogene, paritätisch vom Staat
Auch hat die Forschung immer noch einen vor- und von d er Privatwirtschaft finanzierte For-
wiegend nationalen und, wenn international, stark schungsverbünde könnten einen Rahmen da-
auf Europa ausgerichteten Fokus. Der Anschluss für bereitstellen, neue Energietechnologien unter
an die internationale Forschung und Technolo- Praxisbedingungen auf einer wissenschaftlichen
gieentwicklung muss daher verbessert werden, Basis zu testen und zu einer wirtschaftlich arbei-
besonders im Hinblick auf Länder wie Russland, tenden Pilotanlage weiter zu entwickeln. Beispiele
China oder Indien, von denen eine globale Lösung für mögliche Projekte sind Verbünde für die For-
der Energiefrage entscheidend abhängen wird. schung zu Off-Shore Windanlagen oder CCS-Pi-
lotanlagen, vergleichbar mit dem Energy Techno-
Die Kooperation zwischen universitärer bzw. außer- logies Institute (ETI) in Großbritannien.
universitärer Forschung und Industrieforschung
muss verbessert werden. Energieforschung sollte Um eine kontinuierliche, interdisziplinäre und sys-
zudem stärker an internationalen Gesichtspunk- temwissenschaftliche Arbeit in der Energiefor-
ten orientiert und grenzüberschreitend organisiert schung zu gewährleisten, ist in Deutschland min-
sein. Selbst für die Europäische Energieforschung destens ein großes Energieforschungszentrum
gibt es heute in Deutschland keinen zentralen An - erforderlich. Ein solches Zentrum sollte nicht neu
sprechpartner. Die Bundesrepublik Deutschland geschaffen werden, sondern würde idealerweise
benötigt dringend ein Gremium, das die organi - aus den bestehenden Strukturen der deutschen
satorische Bündelung der Energieforschung in Forschungslandschaft entwickelt, grundsätz-
Deutschland koordiniert und institutionelle Struk- lich bieten sich dazu ein oder mehrere Zentren
turen für eine integrative, grenzüberschreitende der Helmholtz-Gemeinschaft an. In einem sol-
Energieforschung schafft. chen Zentrum sollten die Leitwissenschaften der
Energieforschung, von den Naturwissenschaften
Handlungsempfehlungen und Technikwissenschaften bis hin zu den Wirt-
schafts-, Geistes-, Rechts- und Sozialwissen-
Die Einrichtung von energiebezogenen Kompe- schaften verlreten sein. Die jeweiligen Abteilungen
tenzzentren wird empfohlen. Solche Kompetenz- müssen auf hohem Niveau Forschung an relevan-
zentren sollten aus einem Netzwerk von thema- ten Einze~hemen vorantreiben. Organisation und
tisch zusammenarbeitenden Forschungsgruppen Leitung müssen gewährleisten, dass der System-
verschiedener Universitäten und außeruniversitä- aspekt eine vorrangige Rolle spielt.
rer Einrichtungen , sowie potenziellen Anwendern
(etwa Politik, Verbände, Industrie) bestehen . Da- Die Finanzierung muss langfristig und zu einem
bei können sowohl technisch -naturwissenschaft- erheblichen Teil über institutionelle Förderung ge-
liche wie wirtschafts- und gesellschaftswissen- sichert sein. Geeignete Methoden der Qualitäts-
schaftliehe Fragestellungen behande~ werden. sicherung gewährleisten, dass die einzelnen Ab-
Vorrangig geht es aber um die Verknüpfung aller teilungen innovative Themen bearbeiten und die
Disziplinen, die zum Verständnis und zur Lösung Zusammenarbeit der Disziplinen lebendig bleibt.
eines Energieproblems benötigt werden. Die ein- Idealerweise sollten in einer solchen Organisa-
zelnen Arbeitsgruppen können auf mehrere, ört- tion, in Kooperation mit Universitäten, auch Stu-
lich getrennte Institutionen verteilt sein, die Kom - denten und Doktoranden ausgebildet werden.
petenzzentren sollten aber auf eine Dauer von Eine Verbindung von einem Forschungszentrum
deutli?h mehr als fünf Jahren angelegt sein, um mit Exzellenzzentren der Universitäten bietet sich
stabile Strukturen zu schaffen und die Kontinuität an. Praxisrelevante Fragestellungen gehören zu
der Arbeit zu gewährleisten. Ein ähnliches Modell den Kernaufgaben eines solchen Zentrums. Dies

53
V LEITLINIEN

könnte gefördert werden durch temporäre ge- Dabei ist es unerlässlich, vor allem die systemi-
meinsame Strukturen mit Unternehmen, z.B. in sche Perspektive zu fördern, weil nur so For-
gemeinsam finanzierten "Instituten auf Zeit" etwa schung zu langfristig wirksamen Fortschritten in
für zehn Jahre. Ein Energieforschungszentrum der Sicherstellung unserer zukünftigen Energie-
müsste hinsichtlich der finanziellen Ausstattung versorgung führen wird . Dies sollte aber nicht da-
beispielsweise in der Lage sein, ein Versuchs- hingehend missverstanden werden, dass bereits
Windenergiefeld oder eine Pilotanlage für eine jedes einzelne Projekt in interdisziplinärer Koope-
neuartige Form der Energiespeicherung zu betrei- ration erfolgen muss. Die Entwickiung eines neuen
ben, oder eine CCS-Anlage aufzubauen . Das Pro- Elektrodenmaterials für ein Batteriesystem etwa
fil eines solchen Zentrums müsste an seine Rolle bleibt letztlich eine naturwissenschaftliche Frage-
als Energieforschungszentrum angepasst wer- stellung. Ebenso ist die Frage der Wirksamkeit
den. Es muss aber sichergestellt sein , dass die eines ökonomischen Anreizes im Wesentlichen
Kosten für ein solches Zentrum nicht zu Lasten eine Aufgabe der Wirtschafts- und Gesellschafts-
der Forschungsetats der Universitäten und außer- wissenschaften . Doch erst, wenn das Wissen der
universitären Forschungsinstitutionen gehen . unterschiedlichen Fächer als integrative Einheit ge-
sehen und in den einzelnen Forschungsleistungen
Bund und Länder können neben den genannten aufeinander bezogen wird, haben wir die Chance,
Zentren inneruniversitäre Forschungsverbünde den Herausforderungen der künftigen Energiever-
fördern. Solche Verbünde sind auf mindestens sorgung angemessen zu begegnen . Für das oben
drei Jahre angelegte Zweckbündnisse zwischen genannte Beispiel des Batteriesystems bedeutet
mindestens drei Fachbereichen, Fakultäten oder dies, dass es nur dann sinnvoll ist, das Elektro-
entsprechender Einheiten innerhalb einer Univer- denmaterial für Anwendungen in einem Energie-
sität (Modell der Polyprojekte an der RH Zürich). system zu entwickeln, wenn die benötigten Roh -
Dabei geht es nicht unbedingt um Vollständigkeit stoffe in genügend großer Menge verfügbar sind,
bei einer Problembearbeitung, vielmehr um die das Material auf der Ebene der Systemintegration
konkrete Kooperation zwischen Hochschullehrern in der Batterie eingesetzt werden und der Typ Bat-
unterschiedlicher Disziplinen innerhalb einer Uni- terie' für den es geeignet ist, sinnvoll in ein Ener-
versität. Ziele sind zum einen die Verbesserung giesystem integriert werden kann.
der interdisziplinären Zusammenarbeit und zum
anderen die Einrichtung eines fachübergreifenden Im Einzelnen wird empfohlen:
Forsc~ungsteams, das sich nach Abschluss des
Projektes weitere Drittr'nittel erschließen kann. Langfristig ausgerichtete Koordination der
FuE Aktivitäten, eine Energieforschungs-
Empfehlungen für die staatliche politik aus einem Guss
Forschungsförderung
Derzeit wird die Energieforschung von sechs Bun-
Den eingangs dargestellten Anforderungen an des- und zahlreichen Landesministerien sowie von
eine innovative Energiepolitik sollte auch in der DFG , VW-Stiftung und privaten Stiftungen geför-
staatlichen Forschungsförderung Rechnung ge- dert, ohne dass eine ausreichende Abstimmung
tragen werden. Die Art und Weise, in der Ener- oder gar eine gemeinsame Koordination stattfin-
gie umgewandelt und genutzt wird, grundlegend det. Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Kohärenz
zu verändern, erfordert zusätzliche Forschungs- wäre ein Modell, in dem die FuE-Mittel der ver-
anstrengungen über unter Umständen mehrere schiedenen Ressorts von einem gemeinsamen
Jahrzehnte mit großen Investitionen in die Grund- Lenkungsausschuss unter Beteiligung von allen
lagenforschung . Es wird dabei empfohlen, nicht sechs Ressorts und hochrangigen Vertretern aus
einfach die ressortgebundene Forschung weiter Wissenschaft und Wirtschaft unter forschungs-
auszubauen, sondern den Ausbau mit einer Koor- strategischen Gesichtspunkten koordiniert wer-
dinierung der FuE-Aktivitäten der einzelnen Res- den. (Ein solches Modell ist in Baden-Württemberg
sorts zu verbinden . mit dem Programm BW+ erfolgreich verwirklicht

54
LEITLINIEN V

worden. Die gesamte Ressortforschung im Be- träge bearbeiten zu lassen. Die Zahl dieser Direkt-
reich Umwelt wird gemeinsam in einem Len- vergaben sollte in der Tendenz eher abnehmen
kungsgremium, in dem vier Miniserien vertreten und durch innovative Methoden der Forschungs-
sind , abgestimmt.). Alternativ könnten zumindest förderung, wie sie in diesem Abschnitt skizziert
die bislang aufgefächerten Zuständigkeiten des sind, ersetzt werden.
Bundes künftig in einem Ressort zusammenge-
führt werden. Bis eine dieser Optionen umgesetzt Auflage integrativer Förderprogramme
ist, sollte zumindest ein mit Richtlinienkompetenz
ausgestatteter Koordinationskreis geschaffen wer- Thematische Ausschreibungen sollten je nach
den . Ein solcher Ausschuss könnte auch zu einem Thematik technische, naturwissenschaftliche und
"Deutschen Energieforschungsrat" ausgewei- sozialwissenschaftliehe Aspekte umfassen und
tet und aufgewertet werden, der nicht nur die auf integrative, interdisziplinäre Forschung aus-
genannte Aufgabe übernimmt, sondern auch die gerichtet sein. Dazu sollte die bereits heute breit
internationale Vernetzung koordiniert und die Bun- gefächerte naturwissenschaftliche und technik-
desregierung berät. Zudem könnte er die notwen- wissenschaftliche Forschungsförderung dahinge-
dige Balance zwischen fokussierten Projekten und hend ergänzt werden, dass die Wahrscheinlichkeit
starker systemischer Integration gewährleisten. einer Bewilligung steigt bzw. zusätzliche Mittel be-
reitgestellt werden, wenn in kompetenter und pro-
Überprüfung der öffentlichen FuE-Budgets blemgerechter Form wirtschafts-, sozialwissen-
schaftliehe, rechts- oder geisteswissenschaftliche
Die bisherige Allokation des Budgets für öffentli- Fragestellungen in das Projekt integriert werden.
che FuE sollte kritisch überprüft werden. Bessere
Abstimmungen zwischen den einzelnen Bundes- Kapazitäten für die Nachwuchsförderung
ministerien und zwischen Bundes- und Landesmi-
nisterien erscheinen dringend geboten. Vor allem Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nach-
sind die in den No Regret-Maßnahmen und in der wuchses ist von essentieller Bedeutung für die
Diskussion der Module und Querschnittsthemen Zukunft der Energieforschung und für die Inno-
benannten Themen vorrangig zu bearbeiten . Dies vationskraft des Standorts Deutschland . Eine
schließt ausdrücklich die Förderung integrativer zukunftsorientierte systematische und langfristig
Ansätze der Sozial- , Wirtschafts-, Rechts- und orientierte Nachwuchsförderung ist unerlässlich.
Geisteswissenschaften ein Der Transfer von Wissen in Industrie, Politik und
Verwaltung kann nur durch "lebenslanges Lernen"
Angemessene Begutachtungs- und in Form von Fortbildungen geschehen. Sowohl bei
Bewilligungsverfahren der Nachwuchsförderung als auch bei der post-
graduierten Weiterbildung muss man allerdings
Die Bewilligungsprozesse sind so weiter zu ent- große Defizite konstatieren. So gibt es nicht ge-
wickeln, dass sie innovative, High Risk - High Re- nug Berufsmöglichkeiten in Energieunternehmen
ward Forschung fördern. Die Begutachtungsver- für Absolventen aus der Grundlagenforschung
fahren sollten durch eine interdisziplinäre (bei nicht für erneuerbare Energien, Speicherung, innova-
rein fachwissenschaftlichen Fragestellungen) und tive Antriebssysteme oder effizienzorientierte inf-
internationale Zusammensetzung der Gremien die rastruktur. Ein anderes wichtiges Beispiel ist der
wissenschaftliche Qualität der Forschung sichern sehr relevante Kompetenzerhalt in der Reaktorsi-
und ihre internationale Ausrichtung stärken. cherheits- und Endlagerungsforschung. Nur durch
einen breit angelegten Aufbau von geeigneten
Bündelu ng und Fokussierung Strukturen lassen sich die "Humanressourcen" er-
der A uftragsforschung halten und ausbauen, die für einen gelingenden
Übergang in ein post-fossiles Energiesystem not-
Es wird weiterhin unerlässlich sein, Forschungs- wendig sind .
fragen .der einzelnen Ressorts durch gezielte Auf-

55

g
V LEITLINIEN

ii I

Reformen in der Lehre als Basis der Ausbildung Onkl. der Promotion)
und ihre Attrakt~ät für Studierende sollten dar-
Die Notwendigke~ interdisziplinärer Energie- in gestärkt werden - oft wird dies bere~s durch
forschung erfordert eine Umstrukturierung der offensivere Vermarktung des Themas Energie,
Lehre. Neue grundständige energie-spezifische sowohl als Schwerpunkt des Studiums als auch
Studiengänge sind aber wenig zweckmäßig, weil als Forschungsthema, erreicht. Verbessert wer-
sie auf Kosten der disziplinären Grundlagenausbil- den sollte aber auch die Zusammenarbe~ in der
dung gehen, kaum wirklich breit in allen Fächern Doktorandenausbildung zwischen Univers~äten
der Energieforschung ausbilden können und so und außerunivers~ären Forschungseinrichtungen
die Gefahr des Dilettantismus in sich bergen. An (einschließlich der [ndustrieforschung). Model-
ausgewiesenen Universitäten sollten vielmehr Auf- [e könnten International Max-Planck-Research
baustudiengänge eingerichtet werden, die fertigen oder Helmholtz Graduate Schools sein, die Pro-
Naturwissenschaftlern und Ingenieuren die gesell- motionsvorhaben thematisch verzahnen und eine
schaftswissenschaftliehe Aspekte und fertigen enge Zusammenarbeit der Promovierenden und
Sozial- und Geisteswissenschaftlern die naturwis- ihrer Betreuer an verschiedenen Einrichtungen
senschaftlichen und technischen Inhalte vermit- gewährleisten .
teln. Darüber hinaus erscheint es angebracht, die
bestehenden Studiengänge daraufhin zu über- Praxisorientierte Fortbildungsangebote
prüfen, ob nicht im Grundstudium im Sinne eines
Studium Generale Grundperspektiven der ande- Um den Wissens- und Kompetenztransfer im
ren wissenschaftlichen Denkrichtungen vermittelt Energiebereich zu stärken, sollte die Weiterbildung
werden könnten, um die spätere Zusammenarbeit in technisch -naturwissenschaftlichen Bereichen
von interdisziplinär besetzten Arbe~steams zu er- für Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und
leichtern. Kooperationen mit der Energiewirtschaft Industrie zum Standard werden. In den Weiterbil-
könnten die Ausbildung praxisnäher machen. Die- dungsangeboten könnten Technik- und Naturwis-
se Veränderungen können nur von den Universi- senschaften, Wirtschafts- und Rechts-, Sozial-
täten initiiert und gemeinsam mit den Ländern und Politikwissenschaften verknüpft werden. Der
umgesetzt werden, der Bund kann aber über ge- erweiterte B[ick von Entscheidungsträgern könnte
eignete Anreize diese Entwicklung unterstützen. helfen, neue Entwicklungen bei Energiedienstleis-
tungen, Energieeffizienz und in der Umsetzung
Postgraduale Weiterbildung der Emissionsziele anzustoßen. Beispiele sind
Masterprogramme, Sommerschulen und berufs-
Die Einrichtung von Graduiertenkollegs zu Ener- begle~ende Aufbaukurse für Entscheidungsträger
giefragen sol~e gepnüft werden. Die Universitäten in Politik, Wirtschaft und Verwaltung.

56
AUSBLICK VI

Die vorstehende Darstellung identifiziert in kom- Die Grundaussagen dieses Berichts ergeben
primierter Form wichtige Forschungsfelder, die in sich aus den dargelegten Fakten, Begründun-
der Energieforschung prioritär behandelt werden gen und umfassenden Hintergrundinformationen.
sollten, um die Herausforderungen zu bewä~igen, Allerdings sind nicht für alle Aussagen detaillierte
die bei der unvermeidlichen Umstellung unseres Begründungszusammenhänge und die unterstüt-
Energiesystems auf Wirtschaft und Gesellschaft zenden Daten angegeben - dies war im Zeitraum
zukommen. Hierbei gibt es einige Themen, die zwischen Auftrag (Herbst 2008) und Fertigstellung
in jedem Falle bearbeitet werden müssen, unab- des Berichts (Juni 2009) nicht möglich. Ein gro-
hängig von politisch-gesellschaftlichen Randbe- ßer Teil der Daten liegt aber vor. Die Priorisierung
dingungen. Bei anderen Themen gibt es gewisse bestimmter Forschungsthemen ist in Form aus-
Spielräume hinsichtlich der Forschungsprioritä- führlicher Technologieberichte und Handlungs-
ten, abhängig von den Vorstellungen darüber, wie feidberichte , die von Experten in ihren jeweiligen
unser Energiesystem gestaltet werden und auf Feldern verfasst worden sind, durch detaillierte
welchen Energiequellen es primär beruhen soll. Begründungen gestützt. Da diese informationen
von hohem Wert für Leser dieses Berichts sein
Beide Elemente zusammen vermitteln jeweils das könnten, ist geplant, bis Mitte 2010 eine wesent-
Bild einer bestimmten Energiezukunft. Energiepoli- lich umfangreichere und umfassendere Studie zu
tische Entscheidungen haben typischerweise sehr erstellen. Diese wird in den Kernaussagen dem
langfristige Auswirkungen - die Betriebsdauern vorliegenden Bericht entsprechen, aber stärker
energietechnischer Anlagen übertreffen die Dauer ins Detail gehen und wertergehende Begründun-
einer Legislaturperiode um das Fünf- bis Zehn- gen liefern.
fache. Aus diesem Grunde darf die Forschung
nicht auf nur eine solche Energiezukunft verengt Die Autoren hoffen, dass die beiden Studien zu-
werden, sondern muss mehrere parallele Hand- sammen eine fundierte Basis für die Formulierung
lungsoptionen für Politik und Gesellschaft er- und Strukturierung eines Energieforschungspro-
öffnen. Damit muss sie in Kontinurtät auch solche gramms für die nächsten Jahre - vielleicht sogar
Richtungen verfolgen, die jeweils nicht im Fokus Jahrzehnte - bilden.
der politischen Diskussion liegen, aber für die Zu -
kunft bedeutsam sein könnten.

57
ANHANG

Autoren und Mitwirkende

Für den Text dieses Energieforschungskonzepts sind ausschließlich die Koordinatoren verantwortlich, die
Akademien tragen die Aussagen des Papiers. In den Akademien ist das Konzept durch vorher nicht in-
volvierte Kollegen, die wertvolle weitere Anregungen gegeben haben, begutachtet worden. Die anderen
I. im Folgenden genannten Personen und Organisationen haben durch Expertisen, Stellungnahmen und
I Beratung die Koordinatoren unterstützt, nicht aber den gesamten Text gelesen und autorisiert.

Die Autoren danken allen, die an der Erstellung des Konzepts beteiligt waren, für ihre Unterstützung.

Koordinatoren
Prof. Dr. Frank Behrendt Institut für Energietechnik, TU Berlin
Prof. Dr. Ortwin Renn Abteilung für Technik- und Umweltsoziologie, Universität Stuttgart
Prof. Dr. Ferdi Schüth Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim/Ruhr
Prof. Dr. Eberhard Umbach Forschungszentrum Karlsruhe

Mitarbeiter der Koordinatoren


Dr. Florian Ausfelder DECHEMA, Frankfurt/Main
Dr. Andreas Fö rster DECHEMA, Frankfurt/Main
Dr. Justus Lenlsc h BBAW, Bertin
Dr. Andreas Möller acatech Hauptstadtbüro, Bertin
Dr. Christoph Schneider Bonn
Dr. Gisela Wachinger Stuttgart

Autoren von Beiträgen, Berichten zu Einzelthemen und Expertisen


Prof. Dr.-lng. Diet er Ameling ThyssenKnupp Steel AG, Obemausen
Dr. Michael Bäcker Zenergy Power GmbH, Rheinbach
Prof. Dr. Mare Oliver Bettzüge Staatswissenschaftliches Seminar, Universität zu Köln
Prof. Dr. Fra nk Biermann Institute for Environmental Studies, Vrije Universitert Amsterdam
Prof. Dr.-Ing. Rainer Bilsch Instrtut für Energietechnik, BTU Cottbus
Prof. Dr. Monika Böhm Institut für Öffentliches Recht, Philipps-Universität Marburg
Dr. Harald Böttner Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg
Prof. Dr. Gerhard Bohrmann Fachbereich Geowissenschaften, Universität Bremen
Prof. Dr. Aiexander Bradshaw Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garehing
Dr. Christian Draheim RWE Innogy GmbH, Essen
Dr.-Ing. Harald Drück Forschungs- und Testzentrum für Solaranlagen, Universität 8tuttgart
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Potsdam
Prof. Dr. Rolf Emmermann Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam

58
,

ANHANG

Prof. Dr. Georg Erdmann Institut für Energietechnik. TU Berlin


Dr.-Ing. Peter Fritz Forschungszentrum Karlsruhe
Prof. Dr. Horst Geckeis Instrtut für Nukleare Entsorgung, Forschungszentrum Karlsruhe
Dr. Michael Geiger BASF SE, Ludwigshafen
Prof. Juri Grin Max-Planck-Insmut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden
Prof. Dr. Armin Grunwald Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse,
Forschungszentrum Karlsruhe
Dr. Uwe Hermann Corporate Technology, Siemens AG, Erlangen
Prof. Dr. Lutz Heuser SAP AG, WaJldorl
Prof. Dr.-Ing. Bernd Hillemeier Instrtut für Bauingenieurwesen, TU Berlin
Dr. Horst Hüners Deutsches Zentrum für Lurt- und Raumfahrt, Köln
Prof. Dr. Reinhard Hülll Deutsches GeoForschungSZentrum, Potsdam
Prof. Dr. Carlo Jäger Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Potsdam
Prof. Dr. Helmut Jungermann Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaften, TU Berlin
Prof. Dr.-Ing. Alfons Kather Institut für Energietechnik, TU Hamburg-Harburg
Prof. Dr. Gernot Klepper Institut für Weltwirtschaft, Kiel
Dr.-Ing. Joachim Knebel Instrtut für Reaktorsicherheit, Forschungszentrum Karlsnuhe
Prof. Dr.-Ing. Michael Kurrat Instrtut für Hochspannungstechnik, TU Braunschweig
Prof. Dr. Claus Leggewie Ku~urwissenschaftliches lnsmut Essen
Prof. Dr. Karl Leo Instrtut für Angewan~e Physik, TU Dresden
Prof. Dr. Franz Makeschin Institut für Bodenkunde und Standortlehre, TU Dresden
Prof. Dr. Dirk Messner Deutsches Institut für Entwickiungspolitik, Bonn

Dr. Bernhard Milow Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln
Dr. Mallhias Müller-Mienack Vattenfall Europe Transmission GmbH, Berlin
Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen Institut für Technische Thermodynamik, Deutsches Zentrum für
Lurt und Raumfahrt, Stuttgart
Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin Geschwister-Scholl-Institut für Polrtische Wissenschaft,
LMU München
Prof. Dr. Korneiius Nieisch Institut für Angewandte Physik, Universität Hamburg
Dr. Zoltän Nochta SAP Research CEC, Karlsruhe
Dr. Thai Lai Pham Sector Healthcare and Corporate Technology, Siemens, Erlangen
Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger Institut für Verbrennungskraftmaschinen, RWTH Aachen
Prof. Dr. Robert Pitz-Paal Instrtut für Technische Thenmodynamik, Deutsches Zentrum für
Luft- und Raumfahrt, Stuttgart
Dr. Werner Prusseit THEVA Dünnschichttechnik GmbH, Ismaning
Prof. Dr. Joachim Radkau Faku~ät für Geschichtswissenschaft,Philosophie und Theologie,
Universität Bielefeld
Prof. Dr. Bernd Rech Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie
Prof. Dr. Eckard Rehbinder Institut für Wirtschafts-, Umweltrecht und Rechtsvergleichung,
Universität Frankfurt
Prof. Dr.-Ing. Christian Rehtanz Fakultät für Elektrotechnik und Infonmationstechnik, TU Dortmund

59
I

ANHANG

Prof. Dr. Lucia Reisch Copenhagen Business Schocl, Kopenhagen

Prof. Dr. Horst Rueter Gecthermische Vereinigung, Geeste


Dr. Bernd Rumpf BASF SE, Ludwigshafen
Prof. Dr. Günter Scheffknecht Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesseiwesen,
Universität Stuttgart
Dr. Kerstin Schierle-Arndt BASF SE, Ludwigshafen
Prof. Dr. Eberhard Schmidt-Aßmann Instrtut für Deutsches und Europäisches Verwa~ungsrecht,
Universität Heidelberg
Prof. Dr. Jens-Peter Schneider European Legal Studies Institute, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Hans-Werner Schock Helmhollz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie

Prof. Dr. Miranda Schreurs Forschungsstelle für Umwe~politik, FU Berlin


Prof. Dr. Thomas Schulenberg Instrtut tür Kern- und Energietechnik, Forschungszentrum
Karlsruhe
Prof. Dr.-Ing. Harald Schwarz Lehrstuhl für Energieverleilung und Hochspannungstechnik,
BTU Cottbus
Prof. Dr. Arndt Simon Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart
Prof. Dr. Martin Strohrmann BASF SE, Ludwigshafen
Dr. Rainer Tamme Institut für Technische Thermodynamik, Deutsches Zentrum für
Luft- und Raumfahrt, Stuttgart
Dr.-Ing. Waiter Tromm Nukleare Sicherheitsforschung, Forschungszentrum Karlsruhe
Dr. Christian Urbanke Corporate Technology, Siemens AG, Erlangen

Prof. Dr.-Ing. Frank Vogdt Institut für Bauingenieurwesen, TU Berlin


Prof. Dr.-Ing. Alfred Voß Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung,
Universrtät Stuttgart
Dr. Kurt Wagemann DECHEMA,FrankfurlfiMrun
Prof. Dr.-Ing. Harald Weber Fakultät für Informatik und Elektrotechnik, Universität Rostock
Prof. Dr. Eicke Weber Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme, Freiburg
Prof. Dr. Dieter Wegener Industry & Solutions, Siemens AG, Erlangen
Prof. Dr. Carl Christian von Weizsäcker Max-Pianck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern,
Bonn
Prof. Dr. Lutz Wicke Institut für Umwertmanagement, Europäische Wirtschafts-
hochschule, Campus Berlin
Prof. Dr. Martin Winter Institut für Physikalische Chemie, Universität Münster
Prof. Dr. Michael Zürn Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

60
ANHANG

Schriftliche Stellungnahmen im Rahmen der Konsultation


Bundesverband Erneuerbare Energien

Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie


Deutsche Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie
Deutsche Physikalische Gesellschaft
Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasseliaches

Deutsches Institut für Wirtschaflsforschung


ForschungsVerbund Erneuerbare Energien

Gesellschaft Deutscher Chemiker


Verband der Chemischen Industrie
Verein Deutscher Ingenieure

Verband Kommunaler Unternehmen

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