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Literatur – 754
716 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
Das Bindegewebe durchzieht den gesamten Organismus. Um den vielfältigen Aufgaben als Gerüst- und Stützsubstanz gerecht
zu werden, kommt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor. Dazu gehören feste Strukturen wie Knorpel, Sehnen und
Bänder, aber auch das aus locker gepackten fibrillären Strukturen bestehende interstitielle Bindegewebe, das den Extrazellulär-
raum ausfüllt und Organe umgibt. Das Bindegewebe ist aber weit mehr als nur das strukturgebende Element des Körpers. Eine
Vielzahl von extrazellulären Matrix-Molekülen binden über spezifische Rezeptoren an Zellen und beeinflussen Wachstum, Dif-
ferenzierung und Funktion fast aller Zellen des Körpers. Eindrucksvoll konnte dies an Mäusen gezeigt werden, bei denen Rezep-
toren oder deren extrazelluläre Liganden inaktiviert waren. Im Extremfall kam es nicht einmal zur Ausbildung des zweiblättrigen
24 Keimblatts.
Aufgrund des komplexen Aufbaus und der ubiquitären Verteilung ist das Bindegewebe an zahlreichen Krankheiten beteiligt.
Dazu gehören angeborene Störungen, die auf Defekten in Genen für Strukturproteine oder Zelladhäsionsmoleküle beruhen.
Darüber hinaus spielt das Bindegewebe eine entscheidende Rolle bei vielen atrophisierenden und fibrosierenden Prozessen.
Pathologische Veränderungen treten bei entzündlichen Reaktionen wie den rheumatischen Erkrankungen auf. Auch die Metas-
tasierung von Tumoren wird vom Bindegewebe beeinflusst.
24.1 Zusammensetzung der extra- bekanntesten Moleküle dieser Gruppe sind die Lami-
zellulären Matrix (ECM) nine und das Fibronectin
Die wichtigsten fibrillären Kollagene sind die in . Tab. 24.1 zen, während sie in der Haut (vor allem Typ-I- und Typ-III-
aufgelisteten »klassischen« Typen I, II, III, V, und XI. Die Kollagen) kreuz und quer liegen, um eine Dehnung in alle
Aufgabe der fibrillären Kollagene ist die Bildung von festen Richtungen zu ermöglichen. Knorpel hingegen besitzt
Fasern, die Druck- oder Zugbelastungen aushalten. Im dünnere Fasern (überwiegend Typ-II-Kollagen), die ein
Elektronenmikroskop lassen sie einen Aufbau aus quer dreidimensionales auf Druckbelastung ausgelegtes Netz-
gestreift erscheinenden Fibrillen mit einer Periodizität werk ausbilden. Diese morphologischen Befunde beruhen
von 67 nm erkennen (. Abb. 24.1, . Abb. 24.4), jedoch auf unterschiedlichen Eigenschaften der Polypetidketten
sind Anordnung und Dicke in verschiedenen Geweben und Zusammenwirken mit Fibrillendicke-regulierenden
recht unterschiedlich (. Abb. 24.1). Die dreidimensionalen Proteinen.
Strukturen sind den Anforderungen entsprechend opti- Die Polypeptidketten der fibrillären Kollagene besitzen
miert. In Sehnen z.B., die überwiegend Typ-I-Kollagen ent- homologe Aminosäuresequenzen und nahezu identische
halten, sind alle Fibrillen parallel angeordnet, sodass sie Domänen-Strukturen (. Abb. 24.2). Das charakteristische
maximale Stabilität in Richtung einer Zugbelastung besit- Strukturmerkmal ist eine große zentrale Domäne. Sie be-
718 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
. Abb. 24.2. Schematische Darstellung der Struktur der Polypep- die Spaltstellen für die N- und C-Propeptidasen sind durch Pfeile
tidkette von fibrillären Kollagenen am Beispiel der α1(III)-Kette. gekennzeichnet. Die Zahlen geben die Anzahl der Aminosäuren in
Die »tripelhelicalen« Bereiche, d.h. die Bereiche, die mit zwei weiteren den einzelnen Domänen an
Kollagenketten eine Tripelhelix ausbilden, sind hellblau dargestellt,
24.2 · Kollagene
719 24
. Abb. 24.5a–d. Grundlegende Quervernetzungsreaktionen zwischen H-Aminogruppen von Lysinen und der Aldehyd-Gruppen
zwischen Lysin- und Allysin-Resten von Kollagen-Polypeptid- von Allysinen. c Stabilisierung von Schiff’schen Basen durch Amadori-
ketten. a Bildung von Allysin durch Oxidation von Lysinresten in der Umlagerung im Falle einer Quervernetzung zwischen hydroxylierten
Peptidkette durch Lysyloxidase b Bildung von Schiff’schen Basen Lysinen/Allysinen. d Aldol-Kondensation zweier Allysin-Reste
Resten im C-terminalen Telopeptid und dem davor liegen- Base. Durch die Amadori-Umlagerung kann dieses Pro-
den Teil der Tripelhelix. Voraussetzung für die Ausbildung dukt zu einem nicht mehr säureempfindlichen Produkt
der Crosslinks ist die Oxidation eines Teils der Lysin/ umgelagert werden (. Abb. 24.5c). Daneben sind aber auch
Hydroxylysinreste zu Allysin (. Abb. 24.5a) durch das erheblich kompliziertere Reaktionen beobachtet worden,
kupferabhängige Enzym Lysyloxidase. Im einfachsten Fall bei denen drei Aminosäuren unter Ausbildung von Pyri-
kondensiert ein Allysin mit einem Lysin zu einer Schiff ’schen din-Derivaten beteiligt sind.
24.2 · Kollagene
721 24
! Prokollagen wird in extrazellulären Kompartimenten während die Fibrillen der Haut aus den Kollagen-Typen-I
von Fibroblasten prozessiert und zu Fibrillen aneinan- und –III aufgebaut sind. Knorpel hingegen enthält Misch-
der gelagert. fibrillen aus Typ–II und Typ-XI. Typ-XI-Kollagen ist zwar
nur eine Nebenkomponente (5–10%), aber notwendig, da-
Die intrazellulär synthetisierten Prokollagen-Moleküle mit sich überhaupt Fibrillen bilden können.
werden nicht einfach in den Extrazellulärraum sezerniert,
! Wichtige, die Fibrillendicke regulierende Faktoren sind
vielmehr findet die Prozessierung und Bildung fibrillärer
Mischung verschiedener Kollagentypen, Interaktion
Segmente in extrazellulären Kompartimenten des Fibro-
mit Proteoglykanen und Fibrillen assoziierten (FACIT)-
blasten statt. Wie in . Abb. 24.3c angedeutet, reichen Ein-
Kollagenen.
buchtungen bis tief in den Fibroblasten hinein. Sekreto-
rische Vakuolen mit Prokollagen fusionieren miteinander Die verschiedenen Kollagentypen unterscheiden sich von
und mit der Zellmembran, sodass lange, enge Kanäle ent- Hause aus in der maximal erreichbaren Fibrillendicke.
stehen, in denen die Fibrillenbildung abläuft. Im Extra- Wenigstens teilweise beruht dies darauf, dass bei den Kol-
zellulärraum erfolgt dann eine Aneinanderlagerung der lagenen Typ-III, Typ-V und Typ-XI die N-terminalen
fibrillären Segmente, begleitet von Zusammenlagerung zu Propeptide nur zum Teil abgespalten werden, und so die
Bündeln, die gewebsspezifisch zu weiteren Lagen organi- Fibrillenbildung sterisch inhibieren. Es konnte außerdem
siert werden können (. Abb. 24.1). gezeigt werden, dass die Fibrillenbildung durch das kleine
Proteoglykan Decorin (7 Kap. 24.4.2) reguliert wird. Die Be-
Dicke und Zusammensetzung von Kollagen- deutung der FACIT-Kollagene wird im nächsten Abschnitt
fibrillen behandelt.
! Fibroblasten können Kollagenfibrillen organisieren.
! Natürlich vorkommende Fibrillen sind in der Regel
Mischfibrillen. Werden in einer Petrischale Fibroblasten in einem Netz-
werk aus lockeren Kollagen-Molekülen kultiviert, wird
Da die tripelhelicalen Abschnitte der verschiedenen Kol- dieses Kollagen-Gel bis auf einen kleinen Bruchteil des
lagentypen die gleiche Länge besitzen, können sie in die Ausgangsvolumens kontrahiert (. Abb. 24.6). Fibroblasten
gleiche Fibrille eingebaut werden. So bestehen Fibrillen der können über Integrin-Rezeptoren in der Plasmamembran
Cornea z.B. aus einer Mischung von Typ-I- und Typ-V- sezernierte Kollagene binden und bündeln. Solche Prozesse
Kollagen. Sehnen enthalten fast ausschließlich Typ-I-Kol- dürften unter anderem auch für die Kontraktion von Wund-
lagen, mit geringen Beimischungen der Typen-III und –V, rändern essentiell sein.
c d
722 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
sie in . Abb. 24.7a dargestellt ist. Insgesamt existieren 24.2.3 Angeborene Erkrankungen
sechs verschiedene D-Ketten. In den meisten Basal- des Kollagen-Stoffwechsels
membranen hat Kollagen IV die Zusammensetzung
[D1(IV)2D2(IV)], in einigen Basalmembranen findet Störungen der Kollagen-Expression können auf unter-
man jedoch auch andere Kombinationen (. Tab. 24.1). schiedlichen Ebenen auftreten:
So enthalten die Basalmembranen der Glomeruli über- 4 Störung der Regulation einzelner Gene, wodurch die
wiegend Moleküle der Zusammensetzung [D3(IV) gewebsspezifische Zusammensetzung der einzelnen
D4(IV)D5(IV)], die funktionell nicht durch die D1 und Kollagen-Typen verändert wird
D2-Ketten ersetzt werden können, wie die Analyse von 4 Mutationen von Kollagenen und Enzymen für die
Gendefekten zeigt (7 u.) posttranslationalen Modifikationen. Dies führt meist
4 Mit Basalmembranen assoziiert sind die beiden homo- zu Defekten in der makromolekularen Organisation des
logen Kollagene Typ-XV und Typ-XVIII. Sie kommen Kollagens und somit zur Veränderung der biomecha-
in den epithelialen und endothelialen Basalmembranen nischen Eigenschaften, die letztlich für die klinischen
einer Reihe von Geweben vor. Ca. 20 kDa große Spalt- Symptome verantwortlich sind
produkte der C-terminalen Domäne (Endostatin im
Falle von Col-XVIII) hemmen die Angiogenese. Mu- Osteogenesis imperfecta (OI). Die Erkrankung beruht auf
tationen im Gen für Col-XVIII führen aus noch unbe- einer Synthesestörung von Kollagen I. Betroffen sind alle
kannten Gründen zur Makuladegeneration im Auge Kollagen-reichen Organe, dominant ist jedoch der Kno-
4 Kollagen-Typ-VI ist ein in den meisten interstitiellen chen-Phänotyp (wiederholte, zu schweren Skelettdeforma-
Bindegeweben vorkommendes Kollagen. Es ist der tionen führende Knochenbrüche bei Belastung). Man un-
Hauptbestandteil der gebänderten Mikrofibrillen terscheidet verschiedene Formen der OI, die schwerste
(. Abb. 24.7b). Diese Strukturen werden in völlig ande- Form führt zum Tod im Mutterleib oder kurz nach der Ge-
rer Art und Weise als die Fibrillen der Kollagene I-III burt. Über 200 verschiedene Mutationen sind beschrieben,
und V gebildet. Zunächst lagern sich zwei monomere darunter Deletionen, Insertionen und Spleiß-Variationen.
Moleküle antiparallel zu Dimeren zusammen, die wei- Die meisten Mutationen bestehen in einer Substitution von
ter zu Tetrameren aggregieren. Diese Tetramere poly- Glycinen im Gly-X-Y-Triplet. Dies kann zur Folge haben,
merisieren schließlich über die globulären Enden dass die Tripelhelix-Bildung verlangsamt wird oder sich
4 Kollagen-Typ-VII verankert die Basalmembran von überhaupt nicht mehr falten kann, sodass die Ketten im
Plattenepithelien mit Ankerplatten im darunter liegen- Fibroblasten abgebaut werden. Andere Mutationen verur-
den Gewebestroma. Nach Abspaltung einer C-termi- sachen Knicke in der Tripelhelix und interferieren so mit
nalen, 30 kDa großen globulären Domäne bildet Kol- dem Wachstum der Fibrillen.
lagen VII antiparallele Dimere, die zu Bündeln aggre-
gieren Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS). Das Ehlers-Danlos-Syn-
4 Kollagen-Typ-X wird nur in hypertrophierendem drom ist durch Überdehnbarkeit der Haut und Überstreck-
Knorpel exprimiert und stellt daher ein wichtiges barkeit der Gelenke charakterisiert. Trotz der relativ ein-
Markerprotein dar. Das monomere Molekül besitzt die heitlichen Symptomatik liegen der Erkrankung sehr hete-
Form einer Hantel und polymerisiert zu einem hexa- rogene Ursachen zugrunde, und man unterscheidet neun
gonalen Netzwerk. Ähnlich aufgebaut ist Kollagen verschiedene Typen, z.B.:
VIII, das aber eine breitere Verteilung besitzt, und vor 4 Typ-IV beruht auf Defekten in der Kollagen-III-Syn-
allem in der Descemet-Membran und in der subendo- these. Da Blutgefäße, besonders die großen Arterien,
thelialen Matrix prominent ist einen hohen Anteil an Kollagen-III besitzen, besteht
4 Transmembrankollagene. Nicht alle Kollagene werden Neigung zu Gefäßrupturen
sezerniert, einige besitzen Transmembrandomänen 4 Typ-V beruht auf einer defekten Lysyloxidase, sodass
(Typen XIII, XVII, XXIII, XXV). Eine Funktion der die Quervernetzung von Kollagen gestört ist. Da dieses
Transmembrankollagene ist die Stabilisierung von Enzym Kupfer-abhängig ist, treten ähnliche Effekte
Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktionen. Kollagen- auch beim Mencke-Syndrom, einer Resorptionsstörung
Typ-XVII ist ein Bestandteil der Hemidesmosomen von Kupfer, auf
und bindet an Laminin und D6-Integrin, Mutationen 4 Typ-VI beruht ebenfalls auf einer Störung der Querver-
führen zu schweren Erkrankungen (Epidermolysis bul- netzung von Kollagenfibrillen, in diesem Fall jedoch
losa junctionalis, 7 u.). Eine interessante Eigenschaft aufgrund einer defekten Lysylhydroxylase
von Kollagen Typ-XXV ist die Bindung an Alzheimer 4 Typ-VII beruht auf einer gestörten Abspaltung der
Amyloid-Plaques Propeptide, indem entweder die Peptidasen inaktiv
oder wenig aktiv sind oder die Erkennungsstelle für die
Proteasen mutiert ist
724 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
Alports-Syndrom. Das Alports-Syndrom stellt eine pro- dysplasien, die zu Zwergwuchs, Gelenkdeformationen
gressive Erbkrankheit dar, die durch Mutationen in den D3-, oder anderen Skelettfehlbildungen führen können, da es
D4-, besonders aber der D-Kette des Typ-IV-Kollagens aufgrund von Kollagen-II-Synthesestörungen zu Stö-
verursacht wird. Die Folge ist eine Verschlechterung der Nie- rungen in der Knorpelbildung und damit zu Störungen
renfunktion mit Hämaturie und Proteinurie aufgrund von der enchondralen Ossifikation kommt. Mutationen des
Strukturveränderungen der glomerulären Basalmembran. Typ X-Kollagens sind die Ursache für die Chondrodys-
Zusätzlich ist die Erkrankung durch Innenohrschwerhörigkeit plasia metaphysaria vom Typ Schmid, klinische Symp-
und Augenveränderungen gekennzeichnet. tome sind Verkürzung der Gliedmaßen und verkrümmte
Beine.
24 Chondrodysplasien. Eine Vielzahl von Mutationen im Epidermolysis bullosa dystrophica beruht auf De-
Kollagen-II-Gen korreliert mit einer Reihe von Chondro- fekten des Kollagens Typ VII (7 Kap. 24.8.5)
In Kürze
Kollagene sind die wichtigsten Strukturproteine des Kör- – Abspaltung der N- und C-Propeptide in extrazellulä-
pers, inzwischen sind wenigstens 27 verschiedene Typen ren Kompartimenten und Assemblierung zu größeren
bekannt. Einheiten
Alle Kollagen-Moleküle bestehen aus drei Polypeptid- – Bildung von Fibrillen und Stabilisierung durch Quer-
ketten. Gemeinsames Strukturmerkmal sind vielfach wie- vernetzung (zwischen Lysin und Allysin) im Extrazel-
derholte Gly-X-Y-Sequenzen, wobei X und Y häufig Prolin lulärraum
und Hydroxyprolin darstellen. Hydroyxprolin erhöht den – Organisation der Fibrillen durch Fibroblasten
Schmelzpunkt der Tripelhelix auf über 40°C. Die Hydroxy- 4 Fibrillen-assoziierte Kollagene modifizieren die Oberflä-
lierung von Prolin und Lysin ist Vitamin-C abhängig. Wei- chen von Fibrillen. So verleiht das Kollagen Typ IX den
tere für Kollagen typische modifizierte Aminosäuren sind Typ-II-Fibrillen des Knorpels den hydrophilen Charakter
Hydroxylysin und Allysin. (wichtig für die Gelenkfunktion)
4 Die größte Gruppe innerhalb der Kollagene sind die 4 Viele Kollagene bilden keine Fibrillen und sind nicht mit
fibrillären Kollagene (Typ-I, -II, -III, -V, und -XI), die Fibrillen assoziiert. Ein besonders wichtiger Vertreter
gebänderte Fibrillen bilden (z.B. in Sehnen, Bändern, dieser Gruppe ist das Typ-IV-Kollagen, ein essentieller
Haut und Knorpel). Sie kommen überwiegend in Bestandteil aller Basalmembranen
Form von Mischfibrillen vor.
Defekte in den Kollagen-Genen führen zu einer Reihe von
Die komplexe Biosynthese der fibrillären Kollagene Erkrankungen wie Osteogenesis imperfecta und Ehlers-
lässt sich in mehrere Abschnitte unterteilen: Danlos-Syndrom (Mutationen bzw. Defekte in der Prozes-
– intrazelluläre Schritte: Biosynthese am RER, cotrans- sierung von Typ-I-Kollagen), Alports Syndrom (Defekte im
lationale Hydroxylierung, Assemblierung der drei Typ-IV-Kollagen), Chondrodysplasien (Defekte im Typ-II-
Polypeptidketten zu Prokollagen Kollagen).
24.3 Elastische Fasern (MAGPs), Emiline und Fibuline. Diese Proteine sind für die
Bildung der korrekten Architektur der elastischen Fasern
Aufgrund ihrer starren Tripelhelix sind die Kollagene nur wichtig (7 u.).
bedingt geeignet, Strukturen (z.B. Wände der großen Arte-
! Elastin verleiht den Geweben elastische Eigenschaften.
rien, Lunge) elastische Eigenschaften zu verleihen. Dafür
haben die Vertebraten spezielle elastische Fasern entwickelt, Elastin ist ein unlösliches, quervernetztes Polymer aus mo-
die je nach Gewebetyp in morphologisch unterscheidbaren nomeren Tropoelastin-Untereinheiten. Dieses 70 kDa
Netzwerken vorkommen. große Protein setzt sich zum großen Teil aus alternierenden
Die elastischen Fasern bestehen aus einem Kern aus hydrophoben Bereichen und D-helicalen Quervernet-
Elastin, der in elektronenmikroskopischen Aufnahmen zungs-Domänen zusammen (. Abb. 24.9a).
keine Struktur aufweist und daher »amorph« genannt wird. Die hydrophoben Bereiche sind reich an Glycin, Ala-
Der Elastin-Kern wird von einem Mantel aus Mikrofibril- nin, Valin und Prolin. Sie besitzen einen hohen Anteil an
len umgeben. Letztere bestehen aus Fibrillin-Molekülen, E-Faltblatt-Strukturen und E-Turns. Diese Strukturen kön-
an denen Elastin während der Biosynthese der elastischen nen in mehreren, leicht ineinander überführbaren Konfor-
Fasern polymerisiert (7 u. und . Abb. 24.8). Zusätzlich mationen vorliegen, besitzen also eine hohe Flexibilität. In
enthalten die elastischen Fasern noch eine Reihe weiterer dieser Hinsicht ist Tropoelastin ein atypisches Protein, denn
Proteine, wie z.B. Mikrofibrillen-assoziierte Glycoproteine normalerweise liegen die hydrophoben Domänen im Inne-
24.3 · Elastische Fasern
725 24
. Abb. 24.8a,b. Architektur und Biosynthese elastischer Fasern. Mikrofibrillen zum Rand (3). b Elektronenmikroskopische Aufnahme
a Fibrillin-Moleküle (rot) assemblieren an der Zelloberfläche und reifen nach Rotations-Kegelbedampfung von Fibrillen aus Fibrillin. Der Strich
zu Mikrofibrillen (1), danach werden Tropelastinmoleküle (grün) an entspricht 100 nm. (Aus Ren ZX 1991. Ren ZX et al. (1991) An Analysis
die Mikrofibrillen angelagert und durch Lysyloxidase quervernetzt (2). by Rotary Shadowing of the Structure of the Mammalian Vitreous
Die Polymere aus Elastin wachsen später zusammen und drängen die Humor and Zonular Apparatus. J Struct Biol 106:57–63)
ren des Proteins verborgen und besitzen eine feste, kom- hülle kann sich wieder statistisch orientieren (= Entropie-
pakte Struktur. Eine zweite atypische Eigenschaft besteht zunahme), sodass eine elastische Rückstellkraft resultiert.
darin, dass die hydrophoben Bereiche des Tropoelastins Die Quervernetzungsdomänen enthalten 40 Lysin-
von einem Wassermantel umgeben sind. Diese Hydrati- Reste, von denen etwa 35 durch Lysyloxidase zu Allysin
sierung wird als wesentlich für das elastische Verhalten oxidiert werden, nach dem gleichen Mechanismus wie bei
erachtet: Bei Dehnung der Peptidkette werden mehr hy- Kollagen (s.o). Die Mehrzahl der Allysinreste bildet Cross-
drophobe Seitenketten der Aminosäuren dem Wasser links mit verbliebenen Lysinresten. Dabei entstehen z.T. die
ausgesetzt, sodass das Wasser eine geordnetere Struktur gleichen Produkte wie beim Kollagen, zusätzlich werden
(= Entropieabnahme) einnehmen muss (wie bei der Grenz- aber auch elastinspezifische ringförmige Moleküle wie
fläche zu einem Öltröpfchen). Wenn die Zugbelastung Desmosin und Isodesmosin aufgebaut (. Abb. 24.9b).
nachlässt, können die hydrophoben Seitenketten wieder Die Quervernetzungen erfolgen intra- und intermole-
stärker miteinander interagieren, die geordnete Hydrat- kular. Dabei entsteht ein hochelastisches, inertes Polymer,
726 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
24
. Abb. 24.9a,b. Tropoelastin. a Schematische Darstellung der schen. b Struktur der durch Kondensation von vier Lysin-/Allysinresten
Proteinstruktur, bestehend aus alternierenden hydrophoben Domä- entstehenden, Elastin-spezifischen Desmosin- und Isodesmosinmole-
nen und Quervernetzungsdomänen. Jede Domäne wird von einem küle. Für Desmosin ist angedeutet wie die vier Moleküle interagieren
separaten Exon kodiert. Die Nummerierung orientiert sich am Tropo- müssen, um die ringförmige Struktur aufzubauen
elastin des Rindes, die Exons 34 u. 35 fehlen beim Protein des Men-
das bei einem gesunden Menschen zeitlebens erhalten Fibrillin. Fibrillin besitzt eine Molekülmasse von etwa
bleibt. Über die Anordnung und Struktur des Tropoelastins 350 kDa und existiert in mindestens drei Isoformen. Wäh-
im Polymer ist noch nicht viel bekannt. Schon eine Struk- rend Elastin nur bei Vertebraten vorkommt, werden Fibril-
turanalyse von monomerem Tropoelastin durch 2D-Kern- line auch von allen Invertebraten gebildet, sind also evo-
resonanzspektroskopie oder Röntgenbeugung war auf- lutionär viel älter. Fibrillin-Monomere polymerisieren zu
grund seiner Flexibilität bisher nicht möglich. charakteristischen Filamenten (. Abb. 24.8b). Die Assemb-
Wegen des Fehlens von Strukturdaten ist bisher keine lierung der Monomeren und Reifung der Filamente zu
exakte Beschreibung des elastischen Verhaltens möglich. den Fibrillen mit den typischen, periodischen Verdickun-
Daher wurden verschiedene Modelle entwickelt, darunter gen wird durch transiente Bindung der Monomeren an
eines, das den gleichen Mechanismus wie bei der Gummi- die Zelloberfläche und Interaktion mit Proteinen wie den
elastizität annimmt. Allgemein akzeptiert ist jedoch ledig- Mikrofibrillen-assoziierten Glykoproteinen gefördert.
lich die Vorstellung, dass die Elastizität durch Entropie- Mikrofibrillen aus Fibrillin besitzen bereits für sich
änderungen bei der Dehnung bedingt ist, in Überein- alleine elastische Eigenschaften und kommen in geringem
stimmung mit dem oben beschriebenen Verhalten der Umfang als eigenständige Strukturen im Organismus vor,
hydrophoben Domänen. z.B. in den Zonulafasern des Auges. In der Regel sind sie
aber mit Elastin assoziiert.
! Mikrofibrillen aus Fibrillin sind für die Funktion der Defekte im Gen für Fibrillin-1 sind die Ursache des
elastischen Fasern unentbehrlich. Marfan-Syndroms (7 Kap. 24.8.5). Das Marfan-Syndrom
24.4 · Proteoglykane
727 24
ist durch Hochwuchs, Arachnodaktylie und Linsenverän- dass die Tropoelastinmoleküle durch Bindung an Mikro-
derungen gekennzeichnet. Entscheidend für den Verlauf fibrillen eine Konformation einnehmen, in der die zu ver-
der Krankheit sind jedoch Störungen in den Gefäßwänden. netzenden Lysine/Allysine in der richtigen Position für die
Es kommt zur Bildung von Aneurysmen und zu Aortenrup- Quervernetzung durch Lysyloxidase liegen. Wie neueste
turen. Untersuchungen gezeigt haben sind für die Assemblierung
Eine der historischen Persönlichkeiten, die an Marfan- des Elastins noch weitere Proteine wie die Emiline und
Syndrom litten, war wahrscheinlich der amerikanische Prä- Fibuline erforderlich. Auf molekularer Ebene sind diese
sident Abraham Lincoln. Prozesse allerdings erst unzureichend charakterisiert.
Elastische Fasern werden hauptsächlich während der
Biosynthese der elastischen Fasern. Zunächst entstehen Wachstumsphase der Organe angelegt, später nur noch in
Mikrofibrillen, die später mit Elastin zusammenwachsen, begrenztem Umfang. Dies erklärt, warum bei degenerativen
das die Hauptkomponente in den ausgereiften elastischen oder entzündlichen Reaktionen, bei denen Elastin durch
Fasern darstellt (. Abb. 24.8), der Elastinanteil ist allerdings z.B. von Leukozyten gebildete Elastasen degradiert wird, die
von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich. Man nimmt an, elastischen Eigenschaften weitgehend verloren gehen.
In Kürze
Elastische Fasern erlauben eine reversible Dehnung und Lysin/Allysin, dabei entstehen u.a. die Elastin-spezifi-
Kontraktion. schen Produkte Desmosin und Isodesmosin
Elastische Fasern sind im Wesentlichen aus Elastin 4 Fibrillin bildet Mikrofibrillen, die für die Organisation
und Fibrillin aufgebaut: des Elastins notwendig sind
4 Elastin ist ein Polymer, das durch Quervernetzung
von monomeren Tropoelastin-Einheiten entsteht. Defekte im Gen für Fibrillin-1 führen zum Marfan-Syn-
Die Quervernetzung erfolgt wie beim Kollagen über drom.
einen osmotisch bedingten Wassereinstrom aus den um- weist (. Abb. 24.10b). Aggrecan kommt im Knorpel nicht
liegenden Regionen. Das Ausmaß hängt stark von der isoliert vor, sondern bildet riesige Aggregate mit Hyalu-
Konzentration ab, die in verschiedenen Kompartimenten ronsäure (. Abb. 24.10a), die selbst schon ein ungewöhn-
sehr unterschiedlich ist. Im Knorpel etwa beträgt die extra- lich großes lineares Polymer aus bis zu 25000 Disaccharid-
zelluläre Na+ -Konzentration 250–350 mM und die Os- einheiten von Glucuronsäure und N-Acetyl-Glucosamin
molalität 350–450 mosm, verglichen mit etwa 290 mosm darstellt (7 Kap. 2.1.4). Die nichtcovalente Bindung an
der normalen Extrazellulärflüssigkeit. Hyaluronsäure wird durch die N-terminale globuläre
Mit solchen Funktionen sind die Proteoglykane aber Domäne des Aggrecans vermittelt und durch ein kleines
nur unzureichend charakterisiert. Sie sind darüber hinaus Protein, das so genannte Link-Protein, stabilisiert. Muta-
von Bedeutung als Corezeptoren für Wachstumsfakto- tionen, die zu einem nichtfunktionellen Protein führen,
ren, als Modulatoren der Zell-Zell- und Zell-Matrix- sind letal. Embryonen von Hühnchen und Maus zeigen eine
Interaktion und bei der Regulation der Aktivität eini- stark verminderte Knorpelbildung und damit auch eine
ger Proteasen (Heparin-Thrombin-Antithrombin III) gestörte Knochenbildung. Unmittelbar letal ist vermutlich
(7 Kap. 29.5.3). der Kollaps der Luftröhre. Ein ähnlicher Phänotyp tritt bei
Mangel an Sulfattransferasen auf, weil durch Fehlen der
sulfatierten Zucker die Ladungskonzentration erniedrigt
24.4.1 Aggrecan ist und so die Bildung eines hyperosmotischen (7 o.), rever-
sibel deformierbaren Gels verhindert wird.
! Aggrecan ist ein lebensnotwendiger Knorpelbaustein. Ein strukturell mit Aggrecan verwandtes großes Pro-
Es ist essentiell für die Funktion des Knorpels als druck- teoglykan ist das in vielen extrazellulären Matrices vorkom-
elastische Struktur. mende Versican. Dieses Proteoglykan schafft ebenfalls
eine lockere hydratisierte Matrix. Darüber hinaus kann es
Aggrecan ist das wichtigste Proteoglykan des Knorpels. auch Prozesse wie Zellwanderung und -Proliferation be-
Das Core-Protein hat eine Größe von etwa 250 kDa. Die einflussen.
N- und C-terminalen Bereiche bilden globuläre Domänen,
der Mittelteil hingegen besitzt eine elongierte Struktur, die
mit etwa 30 Keratansulfat- und ungefähr 100 (!) Chon- 24.4.2 Kleine leucinreiche Proteoglykane
droitinsulfat-Seitenketten substituiert ist, sodass das kom-
plette Protein eine Molekülmasse von etwa 3 MDa besitzt ! Proteoglykane wie Decorin, Biglykan und Fibromodulin
und eine hohe Konzentration an negativen Ladungen auf- regulieren die Kollagen-Fibrillenbildung.
24.4 · Proteoglykane
729 24
. Abb. 24.10a,b. Schematische Darstellung der Aggregate des über ihre N-terminale globuläre Domäne an Hyaluronsäure. Die Bin-
Proteoglykans Aggrecan mit Hyaluronsäure. a Aggrecan bindet dung wird durch ein sog. Link-Protein verstärkt. KS = Keratansulfat;
in vielen Kopien entlang des Hyaluronsäure-Fadens und schafft so ein CS = Chondroitinsulfat
wässriges, elastisches Kompartiment. b Aggrecan-Moleküle binden
Die kleinen leucinreichen Proteoglykane besitzen etwa Heparansulfat-Seitenkette, die für eine hochaffine Bindung
40 kDa große core-Proteine mit einer N-terminalen, die noch ein spezielles Sulfatierungsmuster besitzt, bindet
Glycosaminoglykan-Seitenketten tragenden Domäne, zwei Ligand-Rezeptor-Komplexe und hält sie so in der
gefolgt von einer Domäne, die aus leucinreichen repeats richtigen Konformation, dass die intrazelluläre Tyrosin-
besteht. Eine wichtige Funktion dieser Proteine ist die kinase-Aktivität des FGF-Rezeptors, eines typischen Tyro-
Organisation von Kollagenfibrillen. Decorin bindet mit sinkinase-Rezeptors (7 25.7) durch Autophosphorylierung
seinem core-Protein an die Gap-Region (. Abb. 24.4) von aktiviert werden kann. Neben FGF sind eine Reihe anderer
Kollagen-Fibrillen, während die Glycosaminoglykan-Sei- Wachstum und Differenzierung regulierender Faktoren
tenkette nach außen gerichtet ist. Dies erschwert die wei- (TGFE, Wnt, Hedgehog) auf zellgebundene Proteoglykane
tere Anlagerung von Kollagenmolekülen, verhindert die als Cofaktoren angewiesen. Dies können entweder Mem-
laterale Fusion von Fibrillen und fördert so die korrekte branproteine sein wie Betaglykan und die Syndecane,
Fibrillenbildung. Entsprechend besitzen Decorin-Knock- oder über einen Lipidanker befestigte Moleküle wie Gly-
out-Mäuse eine gestörte Kollagen-Fibrillen-Morphologie pican. Betaglykan bildet über sein core-Protein mit TGFE
und die Haut zeigt eine deutlich reduzierte mechanische (7 Kap. 25.1.3, 25.7.2) einen Komplex, der mit dem TGF-
Belastbarkeit. Rezeptor interagiert. Die Aktivierung von Wachstumsfak-
toren durch Syndecane und Glypicane hingegen erfordert
die Interaktion mit den Heparansulfatketten.
24.4.3 Membrangebundene Proteo- Nicht nur Zelloberflächenproteine binden Wachs-
glykane tumsfaktoren, sondern auch einige sezernierte Proteo-
glykane. Seit langem ist z.B. der wachstumshemmende
! Viele membrangebundene Proteoglykane sind Corezep- Effekt von Heparin bekannt. Dieser dürfte darauf be-
toren für Wachstumsfaktoren. ruhen, dass Proteoglykane in der extrazellulären Matrix
mit Heparin um die Bindung der Wachstumsfaktoren kon-
Zellkulturuntersuchungen aus den frühen 90er Jahren kurrieren und so die Konzentration an freien Cytokinen
hatten gezeigt, dass die Wirkung von FGF (Fibroblasten- regulieren. Andererseits werden auf diese Weise Wachs-
Wachstumsfaktor, 7 Kap. 25.1.3) in Abwesenheit von He- tumsfaktoren in der ECM gespeichert und können bei Be-
paransulfat drastisch reduziert ist. Röntgenstrukturanalysen darf durch Hydrolyse der Bindungspartner wieder freige-
haben inzwischen die molekulare Ursache geklärt. Eine setzt werden.
730 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
In Kürze
Proteoglykane sind eine heterogene Gruppe von Pro- Viele Funktionen der Proteoglykane ergeben sich aus den
teinen, die mit Glycosaminoglykan-Seitenketten substitu- biophysikalischen Eigenschaften der negativ geladenen
iert sind. Zuckerketten, z.B.:
Glycosaminoglykane sind aufgrund von sulfatierten 4 Filtrationsbarriere in den Glomeruli (z.B. durch Perlecan)
Zuckern und Uronsäuren stark negativ geladen. Man 4 wassergefüllte hydrophile Kompartimente (z.B. durch
unterscheidet 4 Klassen: Hyaluronsäure und Aggrecan im Knorpel)
4 Chondroitinsulfat
4 Keratansulfat Einige Proteoglykane (wie Decorin) sind wichtig bei der
24 4 Dermatansulfat Regulation der Kollagen-Fibrillenbildung.
4 Heparansulfat/Heparin Einige membrangebundene Proteoglykane (z.B. Syn-
decane) sind Corezeptoren für Wachstumsfaktoren (FGF,
TGFβ) oder für die Zelladhäsion.
24.5 Nichtkollagene, zelladhäsive allem die Integrine (7 u.). Je nach Substrat werden die Zel-
Glycoproteine len zur Wanderung angeregt, haften fest oder versuchen
sogar, das Substrat zu meiden. Bei der Gastrulation z.B.
Die extrazelluläre Matrix besitzt nicht nur Strukturfunkti- wandern die Mesoderm-Zellen über eine Schicht aus Fibro-
onen, sondern sie reguliert auch zelluläre Funktionen. nectin (7 u.), das gleichsam als Leitschiene für die Zellen
dient. Zellwanderungen sind auch im adulten Organismus
! Die extrazelluläre Matrix dient als Substrat für Zell-
z.B. im Falle der Fibroblasten und in pathologischen Situa-
Adhäsion und -Wanderung.
tionen wie der Wundheilung oder Rekrutierungen von
Mit Ausnahme einiger hämatopoetischer Zellen sind alle Leukozyten zu Entzündungsherden erforderlich.
Zellen des Organismus ständig an Substrate wie die Basal-
membran oder das lockere Bindegewebe gebunden, die ! Die extrazelluläre Matrix beeinflusst Zellfunktion, Zell-
Bindung erfolgt über spezifische zelluläre Rezeptoren, vor differenzierung, Zellproliferation und Apoptose.
. Abb. 24.11a,b. Struktur von Fibronectin. a Schematische Dar- werden können. Entlang der Polypeptidkette befinden sich verschie-
stellung des modularen Aufbaus einer Fibronectin Untereinheit. dene Bindungsregionen für weitere ECM- und Zelloberflächen-Mole-
Die Polypeptidkette (MG ca. 230 kDa) besteht aus einer Vielzahl von küle. b Elektronenmikroskopische Aufnahme (Rotary Shadowing
40–90 Aminosäuren langen Domänen, die aufgrund ihrer Homologie Verfahren) einzelner Fibronectin-Moleküle. Zwei Polypeptidketten
in drei verschiedene Strukturtypen (Typ-I, Typ-II, Typ-III) eingeteilt werden über C-terminale Disulfidbrücken verknüpft. (Aufnahme von
werden. EDA, EDB und IIICS sind Module, die alternativ gespleißt J. Engel, Basel)
732 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
24.5.2 Laminine
. Abb. 24.13a,b. Typische Struktur von Lamininen, dargestellt migen Domänen (I–VI). Die stäbchenförmigen Domänen der kurzen
am Beispiel von Laminin-1. a Elektronenmikroskopische Aufnahme Arme sind aus einer Vielzahl je acht Cystein-Reste enthaltender
(nach Rotary Shadowing) von Laminin-1 aus einem Maus-Tumor. LE-Module (EGF-ähnliche Lamininmodule) aufgebaut. Der Stab des
b Schematische Darstellung des Aufbaus der kreuzförmigen Struktur langen Arms besitzt eine coiled-coil Struktur. Zusätzlich enthält die
aus drei unterschiedlichen Polypeptidketten mit Molekulargewichten D1-Kette noch eine große C-terminale globuläre Domäne. Einige
zwischen 220 und 440 kDa. Alle drei Ketten zeigen einen homologen wichtige biologisch aktive Regionen sind in der Abbildung gekenn-
Aufbau aus sechs unterschiedlichen globulären und stäbchenför- zeichnet. G-Domäne = globuläre, C-terminale Domäne)
C
24
. Abb. 24.14a,b. Struktur und Signaltransduktion der Integrine. Ligandenbindungsregion der E-Untereinheit enthält ein zweiwertiges
a Schematische Darstellung der Struktur eines Integrins, bestehend Kation (Mg2+), das einen Aspartatrest in der Bindungsregion des
aus einer D- und einer E-Untereinheit. An der Ligandenbindung sind Liganden bindet. b Schematische Darstellung der durch Aktivierung
die N-terminalen Domänen beider Untereinheiten beteiligt, die der Integrine ausgelösten Signalwege. (Einzelheiten 7 Text)
Auch weitere durch Integrine stimulierte Reaktion proteine Ras aktivieren. Die Zellen müssen adhärent
lassen sich mit der Annahme, dass ein priming der Zelle sein, damit die Wachstumsfaktoren wirken können. In
durch Integrin-abhängige Zelladhäsion erforderlich ist, Suspension teilen sich nichttransformierte Zellen
erklären: nicht
4 Integrine wirken synergistisch mit Wachstumsfak- 4 Integrine sind permissiv für die Zelldifferenzierung.
toren. Einige Integrine können ebenso wie Wachs- In einigen Zelltypen bewirkt die Adhäsion Austritt aus
tumsfaktoren (7 Kap. 25.4.3) über SH2/SH3-Adapter- dem Zellzyklus und Differenzierung
In Kürze
24.6 Abbau der extrazellulären Matrix durch Spaltung von Fibrin bekannt (7 Kap. 29.5.3), sind
aber auch an Umbauprozessen der ECM beteiligt.
Die extrazelluläre Matrix des Erwachsenen besitzt in der Plasmin ist in der Lage, verschiedene ECM-Proteine
Regel einen recht geringen Stoffumsatz. So werden ca. 2–3% wie Fibronectin und Laminin zu verdauen. Eine Beson-
des Hautkollagens täglich erneuert, im gesunden Gelenk- derheit von uPA besteht darin, dass durch Bindung an
knorpel beträgt die Halbwertszeit viele Jahre. In bestimmten den Zelloberflächen-Rezeptor uPAR gezielt die ECM
Situationen sind jedoch ein schneller Abbau bzw. Umbau in der direkten Umgebung dieser Zelle verdaut werden
erforderlich. Großflächige Umstrukturierungen finden z.B. kann, z.B. bei der Extravasation von Leukozyten.
bei der Rückbildung des Uterus nach der Geburt und bei 4 Die Matrix-Metallo-Proteinasen (MMPs) stellen eine
der Wundheilung statt, während lokal eng begrenzte Ab- Familie von inzwischen über 20 Zink-abhängigen
bauprozesse beim Durchtritt von weißen Blutkörperchen Proteasen dar (. Tabelle 24.5), die entweder sezerniert
aus der Blutbahn ins Interstitium erfolgen. Der Abbau von werden oder in der Membran verankert sind. Alle En-
ECM-Molekülen wird durch spezifische Proteasen vermit- zyme besitzen eine konservierte Protease-Domäne, in
telt. Einige davon sind Serinproteasen, die meisten gehören der drei Histidin-Reste das Zinkatom im katalytischen
jedoch zur Familie der Metalloproteinasen: Zentrum komplexieren. Zusätzlich finden sich bei den
4 Zwei für den Abbau der ECM wichtige Serinproteasen meisten Mitgliedern noch eine oder mehrere C-termi-
sind tPA (tissue-type-plasminogen activator) und uPA nale Domänen, die für Substraterkennung und -bin-
(urokinase-type-plasminogen-activator). Beide wandeln dung wichtig sind.
durch Spaltung einer einzigen Peptidbindung Plas-
minogen in Plasmin um. Plasminogen/Plasmin sind ! Die Matrix-Metallo-Proteinasen werden als inaktive Pro-
wegen ihrer Rolle bei der Auflösung von Blutgerinnseln Formen (Zymogene) gebildet.
24.7 · Biochemie und Pathobiochemie des Skelettsystems
737 24
Die Pro-Form enthält eine N-terminale Domäne, die Pro- Eine überschießende Reaktion würde leicht zu einer Ge-
Domäne, die das katalytische Zentrum blockiert. Die Akti- webszerstörung führen. Daher erfolgt die Aktivierung lokal
vierung der Protease erfolgt durch proteolytische Ab- begrenzt an der Zelloberfläche von Fibroblasten. Gelatinase
spaltung des Propeptids im Extrazellulärraum. Lediglich wird bei Bedarf durch die membranständige MT1-MMP
Stromelysin-3 und die membrangebundenen MMPs aktiviert, die gleichzeitig einen Rezeptor für das aktive
(MT-MMPs) werden bereits im Golgi-Apparat aktiviert. Enzym darstellt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von
Inhibitoren der MMPs, die TIMP (tissue inhibitors of metal-
! Die Matrix-Metallo-Proteinasen besitzen zum Teil eine
loproteinases) genannt werden. Normalerweise herrscht ein
sehr hohe Substratspezifität.
fein reguliertes Gleichgewicht zwischen den MMPs und
Die Kollagenasen MMP-1, -8 und -13 spalten die fibril- TIMPs. Störungen des Gleichgewichts führen zu einem er-
lären Kollagene I–III, nicht aber Kollagen-Typ-IV. Die Spal- höhten Kollagenabbau (z.B. bei Metastasierungen) oder zu
tung erfolgt an einer einzigen Gly-Ile/Leu-Bindung. Die erniedrigtem Kollagenabbau (Fibrose).
Tripelhelix der Fragmente ist thermisch nicht mehr so
stabil und kann von anderen Proteasen, darunter die eben-
falls zu den MMPs gehörenden Gelatinasen (MMP-2 und 24.7 Biochemie und Pathobiochemie
MMP-9), weiter verdaut werden. Letztere vermögen auch des Skelettsystems
das Typ-IV-Kollagen in zwei Fragmente zu zerlegen.
Die Bedeutung der MMPs wurde in jüngerer Zeit auch 24.7.1 Die extrazelluläre Matrix von
durch Ausschalten der entsprechenden Gene in Mäusen Knorpel und Knochen
offenbar. So können Makrophagen von Mäusen, denen
MMP-12 fehlt, weder in vitro noch in vivo durch die Basal- Knorpel. Knorpel findet sich an den Stellen, wo flexible,
membran penetrieren. MMP-9 defiziente Mäuse zeigen druckresistente Strukturen benötigt werden. Er hat als Ge-
verzögertes Wachstum der langen Knochen mit abnorm lenkknorpel und Zwischenwirbelscheibe mechanische Auf-
verdickter Wachstumszone, was auf eine Verzögerung des gaben. Darüber hinaus ist Knorpel die Vorstufe für die
Abbaus der knorpeligen ECM bei der indirekten Ossifika- durch indirekte Ossifikation entstehenden Knochen. Die
tion zurückzuführen ist (s.u.). extrazelluläre Matrix des Knorpels wird von Chondrozyten
gebildet, die von ihren eigenen Syntheseprodukten einge-
! Die Aktivität von MMPs und Serinproteasen wird strikt schlossen werden, sodass sie nur noch durch Diffusion von
reguliert. außen ernährt werden können, denn Knorpel ist nicht
738 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
vaskularisiert. Die Knorpelmatrix stellt im Wesentlichen klasten. Fehlen dieser Proteine äußert sich u.a. in einer
ein faserverstärktes Gel dar. Der Gelcharakter ist durch erhöhten Knochenbrüchigkeit und einer verlangsamten
polyanionische Aggregate aus Hyaluronsäure mit Proteo- Heilung von Knochenbrüchen. Osteopontin und bone-
glykanen (Aggrecan) bedingt (7 Kap. 2.1.4, 24.4.1), die zu sialoprotein sind integrinbindende, phosphorylierte und
hohen osmotischen Drücken führen. Daher besitzt Knorpel sulfatierte Glycoproteine, denen aufgrund ihrer Fähigkeit
die Fähigkeit anzuschwellen, der Wasseranteil beträgt etwa Hydroxylapatit zu binden eine Funktion in der Mineralisie-
70–80%. Dieses Gel wird durch quervernetzte Fibrillen aus rung zugeschrieben wird. Wichtig für die Ossifikation sind
Kollagen-Typ-II in Form gehalten. Dieses Kollagen ist das auch Proteine mit Vitamin-K abhängig gebildeten J-Car-
mengenmäßig dominierende Knorpelkollagen. Daneben boxy-Glutamat-Resten (= Gla), z.B. Matrix-GLA-Protein
24 findet man noch geringere Mengen der physiologisch eben- und Osteocalcin (7 Kap. 23.2.4). Mäuse mit inaktivierten
falls wichtigen Kollagene Typ-XI und Typ-IX (7 Kap. 24.2.1). Genen für Matrix-GLA-Protein und Osteocalcin zeigen
Knorpel ist meist von einem Perichondrium umgeben, dies überraschenderweise eine verstärkte (!) Knochenbildung.
trifft jedoch nicht zu für die Gelenkflächen, die Knorpel- Mäuse ohne GLA-Protein sterben in den ersten beiden
Knochen-Grenze der Gelenke und die Wachstumszone. Im Monaten nach der Geburt aufgrund einer exzessiven, ab-
Perichondrium finden sich Kollagene Typ-I, -II und -V. normalen Calzifizierung der Arterien. Trotz ihrer Fähigkeit
Zusätzlich zu den Kollagenen und Proteoglykanen enthält an Apatit zu binden, scheint also die Funktion dieser Pro-
die Korpel-Matrix noch weitere Proteine, darunter Protease- teine eher in der kontrollierten Abscheidung von Hydro-
inhibitoren und die in drei Isoformen bekannten Matri- xylapatit und der Verhinderung einer überschießenden
line (auch cartilage matrix protein genannt). Die mit den Ossifikation zu liegen.
Thrombospondinen (. Tabelle 24.3) verwandten Matriline Ein wichtiges Markerenzym für die Osteoblastenakti-
besitzen möglicherweise eine Bedeutung in der Assemblie- vität ist eine knochenspezifische alkalische Phosphatase,
rung der Knorpelmatrix oder vermitteln die Adhäsion der deren physiologische Funktion allerdings noch nicht genau
Chondrozyten an Knorpel-Matrix-Proteine. bekannt ist.
. Abb. 24.16. Schematische Darstellung der enchondralen standene Markhöhle wandern Osteoblasten-Vorläuferzellen ein und
Ossifikation von Röhrenknochen. Mesenchymale Zellen (1) konden- leiten die primäre Ossifikation ein (5). Das Längenwachstum erfolgt
sieren zu einer Knorpelanlage (Knorpelblastem) (2), das Knorpelmo- an der Wachstumszone zu beiden Seiten der Markhöhle (7 auch
dell erhält eine perichondrale Knochenmanschette (3), die umschlos- . Abb. 26.17a). In späteren Entwicklungsstadien, vor allem nach der
senen Chondrozyten hypertrophieren, verkalken und gehen durch Geburt entsteht in den Epiphysen das sekundäre Ossifikationszen-
Apoptose zugrunde (4), Blutgefäße wandern ein (5) und mit ihnen trum (6, dargestellt sind zwei sekundäre Ossifikationszentren in unter-
Chondroklasten, die die Reste der Knorpelzellen abbauen. In die ent- schiedlichen Entwicklungsstadien)
Überblick gibt . Abb. 24.16. Eingeleitet wird sie durch Kon- matrix eingebettet und differenzieren zu den nicht mehr
densation von Mesenchymzellen. Während die Zellen an teilungsfähigen Osteozyten, die über ein Netzwerk von
der Peripherie das Perichondrium bilden und sich direkt Zellfortsätzen miteinander verbunden bleiben, aber kaum
zu Osteoblasten entwickeln, differenzieren die Zellen im noch Osteoid synthetisieren. Andere sterben durch Apop-
Zentrum zu Knorpelzellen. Im Gegensatz zur Chondro- tose ab.
genese bleibt die Differenzierung aber nicht auf der Stufe Auf molekularer Ebene werden Chondrogenese und
der Chondrozyten stehen, sondern sie differenzieren über Osteogenese durch eine Reihe von Faktoren reguliert, die
verschiedene Zwischenstadien zu hypertrophen Zellen, die man in zwei Gruppen unterteilen kann:
durch Apoptose zugrunde gehen. Die Hypertrophierung 4 Schlüsseltranskriptionsfaktoren. Sie bewirken die Dif-
ist durch Umschalten der Synthese von Kollagen-Typ-II ferenzierung von mesenchymalen Vorläuferzellen zu
auf Typ-X und schließlich die Mineralisierung der Knor- Chondrozyten bzw. Osteoblasten. Diese Faktoren wer-
pelmatrix gekennzeichnet. Von den hypertrophen Knor- den im Laufe der Embryonalentwicklung an entschei-
pelzellen sezerniertes VEGF (= vascular endothelial growth denden Weichenstellungen exprimiert. Sind sie nicht
factor) führt zur Vaskularisierung der mineralisierten vorhanden, wird die ganze Zell-Linie (z.B. Chondro-
Knorpelmatrix. Mit den Blutgefäßen dringen Zellen ein, die blasten) nicht gebildet. Welche Faktoren die Induktion
zu Chondroklasten werden und die Knorpelreste abbauen, dieser Transkriptionsfaktoren zum richtigen Zeitpunkt
und schließlich Osteoblasten-Progenitorzellen, die die an der richtigen Position bewirken, ist meist erst un-
endgültige Ossifikation einleiten. vollständig aufgeklärt
Die Knochenmatrix-synthetisierenden Osteoblasten 4 Parakrine Wachstumsfaktoren und Hormone. Eine
sind spezialisierte, aber noch nicht terminal differen- Übersicht ist in . Tab. 24.6 dargestellt. Im Folgenden
zierte Zellen. Einige werden schließlich in die Knochen- sind nur die wichtigsten Faktoren dargestellt
740 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
! Die wichtigsten Transkriptionsfaktoren für die Bildung tion des proximal-distalen Wachstums durch FGF8, und
von Chondrozyten und Osteoblasten sind SOX9 und legt so die Grundlagen für die Arm- und Beinentwicklung.
CBFA-1 (Runx2). In der Wachstumsfuge wirken sie antagonistisch zu den
BMPs (7 u.).
SOX-9 reguliert die frühe Differenzierung der kondensie- Störungen der FGF-Signaltransduktion sind verant-
renden Mesenchymzellen zu Knorpelzellen und die fol- wortlich für häufige erblich bedingte Fehlregulationen der
genden Differenzierungsstadien. SOX-9 stimuliert zu- Knochenbildung: Die Achondrodysplasie, die häufigste
sammen mit weiteren Mitgliedern der SOX-Familie die Form von Zwergwuchs, wird durch aktivierende Muta-
Transkription einer Reihe von Matrix-Genen, darunter tionen des FGFR-3-Rezeptors verursacht, was zu einer ver-
24 Typ-II-Kollagen und Aggrecan. frühten terminalen Differenzierung der Chondroblasten
Für die späte Differenzierung von Chondrozyten zu führt.
hypertrophen Chondrozyten übernimmt ein zweiter Trans- Die Kraniosynostose ist die vorzeitige Verknöcherung
kriptionsfaktor, CBFA-1 (= core binding factor-1), Syno- der Schädelnähte. Sie wird meist durch aktivierende Mu-
nym: Runx-2 (= runt related transcription factor-2), eine tationen des FGFR-2-Rezeptors verursacht, übermäßig
zentrale Rolle. starkes signaling durch FGF stimuliert die Differenzierung
CBFA-1 ist gleichzeitig der Schlüsseltranskriptions- von Osteoblasten.
faktor für die Differenzierung von Mesenchymzellen zu
! Ein Regelkreis aus Ihh und PTHrP kontrolliert die Länge
Osteoblasten. Ohne CBFA-1 bilden sich zwar noch die
der Zone der proliferierenden Chondrozyten in der
knorpeligen Vorläufer der Knochen, aber die Osteoblasten-
Wachstumsfuge.
Differenzierung und somit die Ossifikation unterbleiben.
CBFA-1 ist auch für die Expression von Osteoblasten-spe- Das Längenwachstum der Röhrenknochen erfolgt an den
zifischen Genen erforderlich und wurde in der Tat erstmals Wachstumsfugen und ist durch eine charakteristische Ab-
als ein die Transkription von Osteocalcin stimulierender folge ruhender, proliferierender und hypertrophierender
Faktor isoliert. Chondrozyten gekennzeichnet (. Abb. 24.17a). Die ver-
schiedenen Differenzierungsschritte müssen strikt reguliert
! Parakrin sezernierte Faktoren aus den Familien der
und koordiniert werden. Werden z.B. unter pathologischen
BMPs und FGFs besitzen eine Schlüsselfunktion bei
Bedingungen Chondrozyten zu einem vorzeitigen Über-
allen Stadien der Chondrozyten-Differenzierung.
gang von der proliferativen Phase zum hypertrophierten
Die bone morphogenetic proteins (BMPs) aus der TGFE- Zustand stimuliert, wird das Längenwachstum des Kno-
Superfamilie wurden aufgrund ihrer Fähigkeit entdeckt, chens verlangsamt, mit Zwergwuchs als Folge.
enchondrale Knochenbildung zu induzieren, wenn sie sub- Die kontrollierte Abfolge von Reifungsprozessen wird
kutan in Mäuse injiziert wurden. Die BMP-Proteine kom- durch komplexe Regelkreise gesteuert, an denen Hormone
men in zahlreichen entwicklungsspezifisch exprimierten (Wachstumshormon, IGFs, Schilddrüsenhormone, 7 u.)
Isoformen vor und binden an mehrere unterschiedliche und Wachstumsfaktoren (BMPs, FGFs, . Abb. 24.17b)
Rezeptoren. Einige Vertreter (BMP-4) sind für die Konden- beteiligt sind. Ein wichtiger Regelkreis zur Kontrolle der
sation der Mesenchymzellen wichtig, für jeden Knochen Chondrozyten-Proliferation und -Reifung wird durch in-
muss eine Anlage von aggregierten Mesenchymzellen ge- dian hedgehog (Ihh) und parathormon-related-peptide
bildet werden. Die Aggregation der Mesenchymzellen wird (PTHrP) gebildet. (. Abb. 24.17a,b).
u.a. durch Expression von Zelladhäsionsmolekülen aus der Indian hedgehog (Ihh) ist ein Mitglied der Hedgehog
Cadherin-Familie bewirkt. Außerdem halten BMPs die Familie von lokal wirkenden, sezernierten Proteinen, die
SOX-Expression aufrecht. BMPs sind auch an den weiteren nach Bindung an den Rezeptor patched den Transkriptions-
Schritten der Chondrogenese beteiligt, wobei in jedem faktor Gli (so benannt nach Mutationen die zu Glioblasto-
Stadium ein charakteristisches Muster an BMPs exprimiert men führen) aktivieren. Ihh wird in prähypertrophen und
wird. frühen hypertrophen Chondrozyten exprimiert. Es stimu-
Darüber hinaus sind BMP-Proteine auch für die Osteo- liert zum Einen die Proliferation der zum Gelenkende hin
blastenentwicklung essenziell, von der Differenzierung der gelegenen Chondrozyten (die zur späteren Markhöhle ge-
Mesenchymzellen über die Reifung der Osteoblasten bis legenen Chondrozyten sind nicht mehr teilungsfähig). Zum
hin zur Apoptose von Osteozyten. Anderen verhindert Ihh die vorzeitige Hypertrophierung
Die Fibroblastenwachstumsfaktoren (FGFs) stellen der Chondrozyten. Dieser Effekt wird indirekt über Sti-
eine Gruppe von Cytokinen dar, die mit Tyrosinkinasere- mulierung der PTHrP-Expression vermittelt (7 u.). Eine
zeptoren (FGFRs) der Targetzelle interagieren. Viele der weitere wichtige Funktion von Ihh ist die Förderung der
insgesamt 22 FGF-Gene und der vier FGF-Rezeptorgene Bildung von Osteoblasten in der primären Spongiosa und
werden in allen Stadien der Knorpel- und Knochenent- der Knochenmanschette.
wicklung exprimiert. Eine der bekanntesten Wirkungen ist Parathormon-related-peptide (PTHrP) bindet an den
die Induktion der Extremitätenknospen und die Regula- gleichen Rezeptor wie PTH und wurde in der Tat auch als
24.7 · Biochemie und Pathobiochemie des Skelettsystems
741 24
. Abb. 24.17a,b. Interaktion von PTHrP, Ihh, BMPs und FGFs bei a biologische Wirkungen von Ihh und negative Rückkopplung zwi-
der Regulation der Chondrozytenproliferation und Reifung in der schen Ihh und PTHrP, b Darstellung des Antagonismus zwischen FGFs
Wachstumszone (spätere Epiphysenfuge, vgl. Abb. 26.16, 5 u. 6). und BPMs und Beziehung zu Ihh und PTHrP. (Einzelheiten 7 Text)
Faktor entdeckt, der die Hypercalcämie bei bestimmten trophen Chondrozyten zu terminal differenzierten Chon-
Tumoren bewirkt. Erst später wurde seine Bedeutung bei drozyten. Daher ist das Knochenwachstum vom richtigen
der Knochenentwicklung erkannt. PTHrP wird unter der Verhältnis der beiden Cytokine abhängig (. Abb. 24.17b).
Wirkung von Ihh von Perichondrium-Zellen und den frü-
! Parakrine Faktoren regulieren Chondro- und Osteo-
hen proliferativen Chondrozyten an den periartikulären
genese zusammen mit Hormonen.
Enden der langen Knochen exprimiert, der Mechanismus
ist noch nicht bekannt. PTHrP wirkt primär, indem es die An der Entwicklung und Homöostase von Knorpel/Kno-
Chondrozyten im proliferierenden Zustand hält. Wenn chengewebe sind eine Reihe von Hormonen beteiligt (. Tab.
Chondrozyten nicht mehr genügend durch durch PTHrP 24.6). PTH, Calcitonin und Dihydroxycalciferol regulieren
stimuliert werden, können sie nicht mehr zur Proliferation den Calcium-Haushalt. Die wichtigsten Hormone, die das
angeregt werden und beginnen, Ihh zu synthetisieren. Längenwachstum während der Embryonalentwicklung
Durch diesen Regelkreis wird die Länge der proliferativen und der Kindheit regulieren, sind das Wachstumshormon
Zone vorgeben (. Abb. 24.17a). Die Bedeutung des Ihh/ (GH) und die insulin-like growth factors-1, -2 (7 u.), die
PTHrP-Systems erkennt man am besten aus der Tatsache, Schilddrüsenhormone und die Glucocorticoide, während
dass Fehlen von Ihh zu schwersten Wachstumsstörungen des Heranwachsens gewinnen die Androgene und Östro-
führt: Das Wachstum der Röhrenknochen ist praktisch gene an Bedeutung. Sowohl Chondrozyten als auch Osteo-
komplett inhibiert, und es werden keine Osteoblasten ge- blasten besitzen Rezeptoren für diese Hormone. Die Bio-
bildet. chemie dieser Hormone wird im Kap. 27 besprochen. Hier
An der Wachstumsfuge müssen noch weitere Faktoren soll nur kurz die Beziehung zu den parakrinen Faktoren
aktiv werden, damit eine normale Knochenentwicklung abgegrenzt werden.
erfolgt: Auf den ersten Blick scheinen Hormone und parakrine
Faktoren redundante Funktionen in der Embryonalent-
! BMPs und FGFs sind Antagonisten bei der Regulation
wicklung und der Wachstumsphase zu besitzen, da beide
der Chondrozyten-Differenzierung in der Epiphysen-
Proliferation und Differenzierung unterstützen. Aber da
fuge.
sowohl Störungen des Hormon-Haushalts als auch Defekte
BMPs werden in proliferierenden und hypertrophierenden in der Signaltransduktion durch parakrine Wachstums-
Chondrozyten sowie im Perichondrium exprimiert. Sie faktoren zu definierten Defekten im Skelettsystem führen,
fördern die Proliferation von Chondrozyten und verzö- können sie sich offensichtlich nicht gegenseitig ersetzen.
gern/inhibieren ihre terminale Differenzierung. Sie sti- Beide Komponenten sind essenziell.
mulieren die Expression von Ihh (und umgekehrt). FGFs Einige Funktionen lassen sich klar voneinander abgren-
hingegen vermindern die Proliferation von Chondro- zen. In der Embryonalentwicklung sind morphogenetische
zyten und beschleunigen die Differenzierung von hyper- Prozesse wie Kondensation der Mesenchymzellen zu Knor-
742 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
pelanlagen, Induktion der Extremitätenknospe primär die sulfatproteoglykan, einem essenziellen Cofaktor der FGF-
Domäne der parakrinen Faktoren (BMPs und FGFs). Auf Rezeptors (7 o.). In den meisten Fällen sind die molekularen
der anderen Seite sind Koordination von Wachstumspro- Mechanismen aber noch unbekannt.
zessen primär die Aufgabe von Hormonen, z.B. kontrolliert Die Wirkung der parakrinen Faktoren ist nicht auf die
das GH/IGF-System das proportionales Wachstum aller Wachstumsphase begrenzt. Einige Wachstumsfaktoren wie
Knochen und die Koordination mit dem Muskelwachstum. TGFβ, BMPs und FGFs werden auch im reifen Knochen ge-
Hormone koppeln auch das Wachstum an die Stoffwech- bildet und in der Knochenmatrix gespeichert. Sie spielen eine
sellage und Energieversorgung, hierbei sind die Schild- wichtige Rolle bei Umbau- und Regenerationsprozessen.
drüsenhormone und Glucocorticoide involviert.
An vielen Prozessen sind aber Hormone und parakrine
Faktoren gleichermaßen involviert (. Tab. 24.6). So regulie- 24.7.3 Differenzierung von Osteoklasten
ren T3/4, GH/IGF-1,2 auf der einen Seite und PTHrP/Ihh, und Abbau und Umbau von
BMP und FGF auf der anderen Seite zusammen die Pro- Knochen und Knorpel
liferation und Differenzierung von Chondroblasten und
Osteoblasten. Man weiß inzwischen, dass die Biosynthese Osteoklasten sind die Zellen, die die Knochensubstanz auf-
von PTHrP und dessen Rezeptor zumindest teilweise unter lösen und so für den Umbau des Skelettsystems unentbehr-
Kontrolle der Schilddrüsenhormone steht, sodass sie den lich sind (7 u.).
Regelkreis zwischen Ihh und PTHrP und somit auch die
Länge des Zone zwischen Ruheknorpel und hypertrophie- ! Im Gegensatz zu den Chondroblasten und Osteoblas-
rendem Knorpel (. Abb. 24.17a) beeinflussen. Auch stimu- ten leiten sich die Osteoklasten von Vorläuferzellen der
lieren Schilddrüsenhormone die Biosynthese von Heparan- Makrophagen ab.
24.7 · Biochemie und Pathobiochemie des Skelettsystems
743 24
Indiz dafür ist z.B., dass bei einem 28-jährigen Mann mit
defektem Östrogenrezeptor (ER) aber normalem Testos-
teronspiegel die Epiphysenfugen noch nicht vollständig
geschlossen waren. Ähnliche Effekte waren bei Mäusen
24 mit inaktiviertem ER-D-Östrogenrezeptor-Gen sowie bei
männlichen Ratten, bei denen durch Gabe von Aromatase-
Inhibitoren die Bildung von Östrogenen inhibiert worden
war, zu beobachten.
. Abb. 24.19. Mechanismus der Knochenresorption durch Osteo- 24.7.5 Homöostase des Skelettsystems
klasten. (Einzelheiten 7 Text)
wirkenden Substanzen sind die Bisphosphonate, in denen und hemmen so die Prenylierung und damit die Mem-
der Sauerstoff von Pyrophosphat (-O3P-O-PO3-) durch branverankerung von kleinen G-Proteinen wie Rho, Rab
eine Methylengruppe (-O3P-CH2-PO3-) mit verschiedenen und Cdc42, die für die Aktivierung und das Überleben der
Seitenketten ersetzt ist. Diese Substanzen werden von Os- Osteoklasten wichtig sind. Aufgrund ihres Wirkungsme-
teoklasten aufgenommen und wirken wahrscheinlich durch chanismus können die Bisphosphonate Knochenresorption
Inhibition der Farnesylpyrophosphatsynthase (7 Kap. 18.3.1) unabhängig von der Ursache verhindern.
In Kürze
Knorpel und Knochen besitzen eine sehr spezialisierte – sezernierte Faktoren: Bindung von M-CSF an Rezepto-
ECM: ren auf den Vorläuferzellen
4 Knorpel stellt im Wesentlichen ein elastisches – direkte Zell-Zell-Kontakte mit Osteoblasten: Inter-
hydratisiertes Gel dar, das aus riesigen Komplexen aktion des Zellmembranproteins RANKL auf Osteo-
zwischen Hyaluronsäure und dem Proteoglykan blasten mit RANK auf den Präkursorzellen
Aggrecan besteht und durch Typ II Kollagen-Fasern in
Form gehalten wird Osteoklasten bauen Knochen durch Erzeugung eines abge-
4 Knochen besitzt eine aus Hydroxyapatit aufgebaute schlossenen extrazellulären Kompartiments ab, in das HCl
ECM, die durch Kollagen Typ I-Fasern ihre Stabilität und lysosomale Enzyme sezerniert werden.
erlangt Die Homöostase des Skelettsystems erfordert eine
4 Darüber hinaus enthalten Knochen und Knorpel noch komplexe hormonelle Regulation:
eine Reihe von anderen, nichtkollagenen Proteinen, 4 Knochenwachstum unter Einfluss von Wachstumshor-
die z.T. für die Interaktion der Zellen mit der ECM von monen (GH und IGF), Schließung der Epiphysenfuge in
Bedeutung sind der Pubertät unter Einfluss von Östrogen
4 Hormone des Calcium-Stoffwechsels (PTH, Vitamin D,
Knochen- und Knorpel-spezifische Zellen sind die Chon- Calcitonin): Mineralisation und Demineralisation
drozyten, Osteoblasten/Osteozyten und die Osteoklasten. 4 Androgene und Östrogene: positive Bilanz, geschlechts-
4 Chondrozyten und Osteoblasten leiten sich von Fi- spezifische Ausprägung
broblasten ab. Die Differenzierung ist von Trans- 4 Glucocorticoide: hohe Spiegel bewirken Entmineralisie-
kriptionsfaktoren wie SOX-9 und CBFA-1 und Wachs- rung
tums-/Differenzierungsfaktoren wie Ihh und PTHrP 4 Cytokine (Interleukine): stimulieren Knochenabbau
und verschiedenen Isoformen aus den TGFE/BMP-
und FGF-Familien abhängig. Zusätzlich ist eine Reihe Das Skelettsystem ist einer Reihe von pathophysiologischen
von Hormonen (GH, IGF, T3, Glucocorticoide) invol- Veränderungen unterworfen. Am bedeutendsten sind:
viert 4 Osteoporose, besonders in der Postmenopause bei
4 Osteoklasten leiten sich von der Monozyten/Makro- Frauen
phagen-Linie ab. Die Differenzierung erfordert das 4 entzündliche Knochenerkrankungen wie Rheuma mit
Zusammenwirken zweier unterschiedlicher Signale: erhöhten Cytokin-Spiegeln
Differenzierung werden außerdem unter dem Einfluss der Differenzierung und Migration der basalen Keratinozyten
Transglutaminase 1 und -3 (TG1, TG3) Glutaminyl- und in der Epidermis und spielt damit eine wichtige Rolle z.B. in
Lysylreste von Proteinen covalent verknüpft, wodurch die der Wundheilung.
Plasmamembran zunehmend durch eine Zellhülle ersetzt Die supramolekularen Teilstrukturen der dermo-epi-
wird. Diese Zellhülle enthält außerdem Lipide auf ihrer Au- dermalen Junktionszone sind im Elektronenmikroskop
ßenfläche und den sog. Filament-Matrix-Komplex an ihrer darstellbar (. Abb. 24.22a). Diese enthalten die in . Abb.
Innenfläche. Die Transglutaminase K (TGK) verknüpft ein 24.22b schematisch dargestellten Makromoleküle des
membrangebundenes Protein mit Involukrin, einem Cyto- dermo-epidermalen Verankerungskomplexes, der für den
plasmaprotein. Dieses Gerüst wird durch Verknüpfung an- festen Zusammenhalt der Hautschichten essentiell ist.
derer Proteine wie Cornifinen, den kleinen prolinreichen
Proteinen (KPP) oder Lorikrin weiter verstärkt, bis die
gesamte innere Oberfläche der Zellmembran bedeckt ist. 24.8.4 Die Dermis
Die durch Filaggrin aggregierten Keratinfilamente treten
dann mit der verstärkten Proteinhülle in Verbindung. Die Dermis ist ein fibroelastisches Gewebe von hoher
Reißfestigkeit und Elastizität und gleichzeitig Träger der
versorgenden Gefäße und Nerven. Sie enthält mehrere
24.8.3 Die dermo-epidermale Junktions- Typen von diskreten fibrösen Netzwerken. Zwischen den
zone Maschen dieser Fasernetze liegen die Zellen der Dermis,
darunter die Fibroblasten, Mastzellen, Makrophagen, und
Die dermo-epidermale Junktionszone ist eine spezialisierte gelegentlich Lymphozyten.
Basalmembranzone, die für den Zusammenhalt der Epi- Zu den molekularen Komponenten der extrazellulären
dermis mit der Dermis und dadurch für die Unversehrtheit Matrix in der Dermis zählen viele Kollagene, Proteoglykane
der Haut sorgt. Sie filtriert Moleküle anhand ihrer Größe und Glycoproteine, die alle zu unlöslichen, supramoleku-
und Ladung, ermöglicht jedoch unter gewissen Umständen laren Aggregat-Netzwerken polymerisieren. Das prominen-
die Passage bestimmter Zellen, z.B. der Langerhans-Zellen teste Fibrillennetzwerk besteht aus losen, vernetzten Faser-
oder Lymphozyten. Ferner beeinflusst sie die Proliferation, bündeln aus Kollagen- und Proteoglykan-haltigen Fibrillen
750 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
24
. Abb. 24.22a,b. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Typ XVII-haltigen Verankerungsfilamente die Lamina lucida durch-
dermo-epidermalen Junktion. a Der basale Keratinozyt (K) sitzt auf spannen. Dabei funktionieren die Transmembranproteine Integrin
einer zweischichtigen Basalmembran bestehend aus einer elektronen- D6E4 und Kollagen Typ XVII auch als Zelladhäsionsrezeptoren. Die
optisch hellen Zone, Lamina lucida (LL), und aus einer elektronen- Lamina densa, eine ultrastrukturell amorphe Schicht, ist durch Kol-
optisch dunklen Zone, Lamina densa (LD). Die intrazellulären, dunkel lagen Typ VII-haltige Verankerungsfibrillen mit dem unterliegenden
gefärbten feinen Intermediärfilamente docken an den knopfförmigen Bindegewebe verankert. Ein Verankerungskomplex mit Hemidesmo-
Hemidesmosomen (HD) ein. Die feinen Verankerungsfilamente zwi- somen, Verankerungsfilamenten und Verankerungsfibrillen ist charak-
schen den Hemidesmosomen und der Lamina densa sind kaum sicht- teristisch für die Haut und kommt in anderen Basalmembranen nicht
bar. Dagegen sind die quer gestreiften Verankerungsfibrillen (AF = vor. Mutationen in den erwähnten Proteinen führen zum vermin-
anchoring fibrils) unterhalb der Lamina densa prominent. b Schema- derten Zusammenhalt der Hautschichten und zur Blasenbildung als
tische Darstellung der molekularen Komponenten der dermo-epider- Symptom (Epidermolysis-bullosa-Gruppe). Rechts ist die Blasenbil-
malen Junktion. Die Hemidesmosomen an der Plasmamembran der dungsebene bei den verschiedenen Epidermolysis-bullosa-Formen
basalen Zelle sind Proteinaggregate, die eine Verbindung zwischen markiert (Pfeile). Die Blasenbildungsebene ist von der Lokalisation
den Keratinfilamenten und der Basalmembran sichern. Auf der intra- des betroffenen Proteins abhängig. Die entsprechenden Gendefekte
zellulären Seite vermitteln BP230 und Plectin als Linker-Proteine die sind in Tabelle 26.8 aufgelistet. EBS = Epidermolysis bullosa simplex;
Bindung zwischen den Keratinfilamenten und dem Hemidesmosom, EBJ = Epidermolysis bullosa junctionalis; EBD = Epidermolysis bullosa
während auf der extrazellulären Seite die Laminin 5- und Kollagen dystrophica
24.8 · Biochemie der Haut
751 24
(D-Periodizität: 64 nm). Außerdem finden sich elastische und bestimmter zellulärer Funktionen beteiligt. Ein wich-
Fasern, die mit perlenkettenartigen Mikrofibrillen verge- tiges multifunktionelles Glycoprotein ist Fibronectin
sellschaftet sind (7 Kap. 24.2.1, 24.3). Andere Netzwerke (7 Kap. 24.5.1). Das im Plasma in einer löslichen, globulären
werden z.B. durch Fibronectin gebildet. Schließlich kom- Form vorkommende Protein polymerisiert in der extrazel-
men auch Filamente mit einer Periodizität von 100 nm vor, lulären Matrix vieler Gewebe, u.a. in der Dermis, zu Fibril-
deren Hauptkomponente das Kollagen Typ VI ist. Die In- len, welche die Adhäsion, die Migration und die Differen-
formation für den Aufbau einer gegebenen Aggregatstruk- zierung von vielen verschiedenen Zellen regulieren.
tur ist in der Zusammensetzung der makromolekularen
Bestandteile, sowie in deren Primärstruktur enthalten und
die Polymerisierung der Fibrillen-Netzwerke ist auf mole- 24.8.5 Pathobiochemie der Haut
kularer Ebene hierarchisch und streng reguliert.
Die Dermis enthält mindestens 12 verschiedene Kol- Verhornungsstörungen. Vielfältige genetische Defekte mit
lagentypen (. Tabelle 24.1). Typische dermale Fibrillen Hautmanifestationen sind bekannt, betroffen können alle
sind immer Mischfibrillen, die mehrere Kollagentypen Hautschichten sein. Verhornungsstörungen sind die Kon-
sowie nichtkollagene Komponenten enthalten. Die charak- sequenz von Mutationen in den Genen für epidermale
teristischen, im Elektronenmikroskop sichtbaren quer ge- Strukturproteine. Zum Beispiel führen Mutationen in den
streiften Fibrillen in der Dermis enthalten als Hauptkom- Genen für Keratin 1, Keratin 10 oder Transglutaminase-1
ponente das ubiquitäre Kollagen Typ I, gemischt mit etwa (. Tabelle 24.7) zu erblichen Ichthyosen (Fischschuppen-
10–15% Typ III. Ferner finden sich geringe Mengen der krankheit). Die durch die Transglutaminase vernetzten
Kollagene Typ V, Typ XII und Typ XIV, die jedoch für die Keratinfilament-Aggregate des Stratum Corneum werden
Fibrillenorganisation essentiell sind. Der Kollagen Typ III- unter diesen Umständen nicht mehr normal gebildet und
Gehalt nimmt mit dem Alter ab. mit der Zellhülle verknüpft, was zu einer charakteristischen,
Die Kollagen Typen IV, VII, VIII, XVII und XVIII kom- grob lamellären Schuppenbildung führt.
men in den verschiedenen epithelialen und vaskulären Ba-
salmembranzonen in der Haut vor und sind dort Bestand- Bindegewebskrankheiten. Mutationen in den Genen für
teile von diskreten Suprastrukturen. die Hautkollagene, für das Elastin sowie für die Fibrilline
Die Elastizität der Haut beruht auf der Struktur der führen zu einem breiten Spektrum von erblichen Haut-
elastischen Fasern, die in verschiedenen Dermis-Schichten krankheiten oder Syndromen mit Hautbeteiligung . Tabel-
in unterschiedlicher Zusammensetzung vorkommen. Die le 24.7). Die durch Kollagenmutationen herbeigeführten
Fasern sind unterschiedlich dick und zum Teil verzweigt. molekularen Defekte zeichnen sich durch eine abnormale
Ultrastrukturell sind zwei Komponenten erkennbar, eine Struktur oder Stabilität der kollagenhaltigen Fasern und
amorphe Masse, die die dehnbare Komponente darstellt, damit eine stark erhöhte Dehnbarkeit oder verminderte
und 10–12 nm dicke Mikrofibrillen, die die elastischen Fa- Reißfestigkeit der Dermis aus. Diese Situation findet sich
sern mit dem angrenzenden Gewebe verbinden. Das amor- z.B. bei verschiedenen Formen des Ehlers-Danlos-Syn-
phe Material besteht vorwiegend aus Elastin, einem stark droms (. Abb. 24.23a). In ähnlicher Weise sind Mutationen
quervernetzten Protein, das E-Faltblatt-Elemente enthält. im Fibrillin-1-Gen die Ursache für das Marfan-Syndrom
Die mikrofibrilläre Komponente der Fasern sorgt für deren und im Fibrillin-2-Gen für die kongenitale kontraktu-
Festigkeit und Begrenzung der Dehnbarkeit, ihr Hauptbe- rale Arachnodaktylie. Elastin-Mutationen können auto-
standteil ist Fibrillin-1, ein Makromolekül, das mit anderen somal dominante Formen von Cutis laxa verursachen
Proteinen wie Fibrillin-2 zu Mikrofibrillen polymerisiert. (. Abb. 24.23b).
Zwischen den Fibrillennetzwerken ist eine amorphe
extrafibrilläre Matrix eingelagert. Deren Hauptkompo- Blasen bildende Hautkrankheiten. Ein illustratives Beispiel
nenten sind neben Wasser Proteoglykane (z.B. Versican, für die unterschiedlichen Ursachen von Hautkrankheiten
Decorin), Hyaluronan und Glycoproteine. Die extrafibril- stellen die Defekte der dermo-epidermalen Junktionszone
läre Matrix hat in der Haut nicht nur eine wichtige Füll- und dar (. Abb. 24.23c). Daran lassen sich die genetischen und
Stützfunktion, sondern ist auch biologisch aktiv. Viele erworbenen molekularen Abnormitäten einander gegen-
Glycoproteine und Proteoglykane sind wesentlich für den überstellen, bzw. miteinander korrelieren.
korrekten Aufbau der Gewebearchitektur und liefern spe- Die Epidermolysis bullosa (EB) gehört zu einer Grup-
zifische Informationen an die Zellen. Heparansulfatsei- pe von erblichen Krankheiten, bei denen durch minimale
tenketten der Proteoglykane und kleine Proteoglykane, z.B. Verletzungen Blasenbildung hervorrufen wird. Ursachen
Decorin und Biglykan, funktionieren auch als Speicher sind Mutationen in den Genen für Proteine des Veranke-
oder Modulatoren von Wachstumsfaktoren der FGF- und rungskomplexes und dadurch Verminderung des dermo-
TGFE-Familien. epidermalen Zusammenhalts. Es werden drei EB-Haupt-
Die dermalen Glycoproteine besitzen adhäsive Eigen- gruppen unterschieden: EB simplex, EB junctionalis und
schaften und sind an der Regulation der Fibrillenbildung EB dystrophica.
752 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
24
. Abb. 24.23a–c. Klinische Symptome von genetischen Haut- Syndrom (Kollagen-Typ-I-Mutation). b Schlaffe, »zu große« Haut bei
krankheiten. Mutationen in den Genen für Strukturproteine der Haut Cutis laxa (Elastin Mutation). c Blasenbildung an der Hand nach mini-
können vielfältige Symptome verursachen. Typische Beispiele sind in maler mechanischer Belastung (Kollagen Typ XVII Mutation)
a–c dargestellt. a Dünne und stark dehnbare Haut beim Ehlers-Danlos-
Im Fall der EB simplex (EBS) erfolgt die Blasenbildung Proteinstrukturen und zu ultrastrukturell rudimentären
innerhalb des Stratum basale. Abnormale Intermediärfila- Hemidesmosomen, die nicht funktionell sind. Bei der Epi-
mente sind die Folge von Mutationen in den Genen für die dermolysis bullosa dystrophica (EBD) findet die Spaltung
Keratine 5 und 14 oder Plectin. Diese Makromoleküle sind unterhalb der Lamina densa auf der Ebene der Veranke-
für den Aufbau und die Verankerung des Intermediärfila- rungsfibrillen statt. Bei der EBD sind die Verankerungs-
ment-Netzwerks der Zelle essentiell. Bei der EB junctionalis fibrillen entweder abnormal oder in ihrer Anzahl vermin-
(EBJ) tritt die Spaltbildung entlang der Lamina lucida dert. Für alle molekular identifizierten EBD-Varianten sind
aufgrund von abnormalen Verankerungsfilamenten auf. Mutationen im Gen für Kollagen Typ VII verantwortlich.
Hier sind Mutationen in den Genen für Laminin 5, D6E4- Bis heute sind zahlreiche Mutationen in den Genen
Integrin und Kollagen Typ XVII ursächlich beteiligt für die erwähnten Proteine bekannt (. Tabelle 24.8).
(. Abb. 24.23c). Die Mutationen führen zu abnormalen Null-Mutationen, die zum vollständigen Fehlen eines
. Tabelle 24.7. Erbliche Hautkrankheiten oder -symptome durch mutierte Strukturproteine. EB Epidermolysis bullosa
Protein Gen Krankheit Hautsymptome
Keratin 1 KRT1 Ichthyose Starke Schuppung und Rötung der Haut
(epidermolytische Hyperkeratose)
Keratin 10 KRT10 Ichthyose Starke Schuppung und Rötung der Haut
(epidermolytische Hyperkeratose)
Kollagen Typ I COL1A1 Ehlers-Danlos-Syndrom Typ I Schwere Form; dünne, dehnbare Haut
Ehlers-Danlos-Syndrom Typ VII A & VII B dünne, dehnbare Haut
Kollagen Typ III COL3A1 Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV Fragilität, Hämatombildung
Kollagen Typ V COL5A1 Ehlers-Danlos-Syndrom Typ I Schwere Form; dünne, dehnbare Haut
COL5A2 Ehlers-Danlos-Syndrom Typ I Schwere Form; dünne, dehnbare Haut
Kollagen Typ VI COL6A1 Ullrich-Syndrom Muskeldystrophie und teigige Haut
Kollagen Typ VII COL7A1 EB dystrophica Blasenbildung
Kollagen Typ XVII COL17A1 EB junctionalis Blasenbildung
Laminin 5 LAMA3 EB junctionalis Blasenbildung
LAMB3
LAMC2
Fibrillin 1 FBN1 Marfan-Syndrom Dünne, leicht dehnbare Haut
Elastin ELN Cutis laxa Schlaffe »zu große« Haut
24.8 · Biochemie der Haut
753 24
In Kürze
Die Haut ist das Grenzorgan zur Umwelt. Sie besteht aus Keratine bilden 10 nm-dicke Keratin-Intermediärfilamente:
drei Schichten: Die Assemblierung erfolgt über Dimere mit einer coiled-coil
4 Epidermis D-helicalen Struktur, die über Proteofilamente und Proteo-
4 Dermis und fibrillen zu den reifen 10 nm-Fibrillen polymerisieren.
4 Subkutis Das Stratum corneum bildet eine hochorganisierte
Struktur aus Keratin-Fibrillen, zusammen mit Filaggrin und
Dermis und Epidermis sind durch die dermo-epidermale weiteren Proteinen und Lipiden. Durch Transglutaminase 1
Junktionszone verbunden. und 3 wird das Netzwerk zur Stabilisierung extensiv quer-
Hauptbestandteil der terminal differenzierten Struk- vernetzt.
turen (Corneum, Haare, Nägel) sind die Keratine, eine Der Zusammenhalt zwischen Dermis und Epidermis
Großfamilie von etwa 40 verschiedenen Proteinen. Die wird durch eine spezialisierte Basalmembran-Region, die
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754 Kapitel 24 · Binde- und Stützgewebe
dermo-epidermale Junktionszone, vermittelt: Hemi- Alle Hautschichten können von vielfältigen genetischen
desmosomen an der basalen Seite der Keratinozyten Defekten betroffen sein. Die bekanntesten sind:
stehen über das Integrin D6E4, Laminin-5 und das Trans- 4 Verhornungsstörungen (Ichthyosen)
membran-Kollagen XVII mit Ankerfibrillen aus Kollagen 4 Mutationen in Bindegewebsproteinen, die zu einer
VII und dem interstitiellen Bindegewebe in Verbindung. erhöhten Dehnbarkeit/verminderten Reißfestigkeit
Die Dermis ist ein fibroelastisches Gewebe mit mehre- führen (z.B. beim Marfan-Syndrom)
ren Typen von fibrösen Netzwerken aus mindestens 12 4 Blasen-bildende Krankheiten aufgrund von Defekten in
verschiedenen Kollagentypen, Proteoglykanen und Fibro- der dermo-epidermalen Junktionszone (verschiedene
24 nectin. Die Elastizität der Haut wird durch elastische Fa- Formen der Epidermolysis bullosa)
sern aus Elastin und Fibrillin gewährleistet.
Die fibrillären Strukturen sind in eine amorphe Matrix Eine der bekanntesten Autoimmunerkrankung ist das
aus Hyaluronäure und Proteoglykanen wie Versican ein- bullöse Pemphigoid, bei der Autoantikörper gegen das
gebettet. Kollagen Typ XVII gebildet werden.