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Kein Halten bei Finanzbetrug

von Sebastian Bräuer (New York)


Erst Madoff, jetzt Stanford - fast jede Woche fliegt in den USA ein
neues Schneeballsystem auf. Den Betrügern gelingt es nicht mehr, an
frisches Kapital zu kommen, um ihre Tricks zu vertuschen. In ihrer
Panik tauchen viele einfach ab - und hinterlassen ein Trümmerfeld.

Seit am vergangenen Donnerstag in Virginia ein 58-jähriger


Schnauzbartträger angeklagt wurde, ist die Welt aus den Fugen geraten:
Im Karibikstaat Antigua und Barbuda werden hastig Neuwahlen
vorbereitet, um politische Unruhen zu vermeiden. Der britische
Kricketverband gerät in Erklärungsnot. Regierungsvertreter in
Venezuela bekennen, Millionen verzockt zu haben. In Mexiko und Ecuador
bilden sich lange Schlangen vor den Banken. Und US-Präsident Barack
Obama zahlt eine Wahlkampfspende zurück.

Derjenige, der das alles losgetreten hat, heißt Sir Richard Allen
Stanford, Vermögensverwalter von Rang und Namen, der erste US-Bürger,
der in Antigua zum Ritter geschlagen wurde, Sportimpresario und
Sponsor amerikanischer Politiker. Einer, der den großen Auftritt mit
Privatjet und Helikopter liebt und der jetzt ganz unspektakulär
gestellt wurdewurde, als er mit seiner Freundin Verwandte besuchte.

Dem Investor wird vorgeworfen, ein Schneeballsystem von gigantischen


Ausmaßen aufgebaut zu haben, übertroffen nur von Bernard Madoff, dem
ungekrönten König der Finanzbetrüger. Mit hohen Renditeversprechungen
lockte Stanford Anleger in aller Welt, Zertifikate seiner Stanford
Investment Group zu kaufen. Und die Anleger kauften: für insgesamt 8
Mrd. $. Militärs in Venezuela, Kleinanleger in der Karibik und
Vermögende in den USA gingen ihm auf den Leim.

Laut Börsenaufsicht SEC investierte Stanford das Geld nicht wie


versprochen in liquide Zertifikate, sondern beispielsweise in
Private-Equity-Unternehmen und Immobilien. Das ging so lange gut, wie
die Finanzkrise noch in weiter Ferne war und es in nahezu jedem
Anlagesegment Geld zu verdienen gab.

Jetzt ist das Stanford-Konstrukt am Ende. Aufgeflogen wie Dutzende


anderer Schneeballsysteme, die in diesen Wochen in sich
zusammenbrechen. Reihenweise fliegen Schwindler auf, weil ihre
wackligen Geschäftsmodelle nur in guten Zeiten funktionieren. "Nur bei
Ebbe lässt sich feststellen, wer nackt schwimmt", witzelte
Investorenlegende Warren Buffett kürzlich. Die Zahl der
Finanzjongleure ohne Badehose alarmiert auch die Behörden. "Es
herrscht absolute Ebbe an der Wall Street", sagt John Coffee von der
Columbia University in New York, "und die SEC fängt an, genauer als
früher nach den Nackten zu suchen."

Die Fälle, die dabei aufgedeckt werden, zeugen von einer Dreistigkeit,
die selbst die Ermittler erstaunt: Das Unternehmen Billion Coupons aus
Hawaii etwa wurde vergangenen Donnerstag angeklagt, seit September
2007 mit falschen Versprechungen insgesamt rund 4,4 Mio. $
eingesammelt zu haben. Statt wirkliche Erträge auszuschütten, gab es
laut Anklage lediglich die Einzahlungen neuer Kunden an bestehende
Kunden weiter - ein klassisches Schneeballsystem. Dass Billion Coupons
ausgerechnet auf Seminaren für Taube Werbung für seine Anlagen machte,
nennt SEC-Regionaldirektorin Rosalind Tyson "besonders verwerflich".

Wie schnell sich ein vermeintlich hoher moralischer Anspruch gegen


einen wenden kann, zeigt auch der Fall eines betrügerischen Investors
aus Buffalo. Der 82-jährige Richard Piccoli warb mit Anzeigen in
katholischen Publikationen für sein Schneeballsystem und sammelte
damit stolze 17 Mio. $ ein. Jetzt drohen ihm trotz seines hohen Alters
20 Jahre Gefängnis.

Die gleiche Strafe hat Joseph Forte zu befürchten. Der 57-Jährige hat
in den vergangenen 13 Jahren angeblich Investoren um 50 Mio. $
erleichtert. Vor dem Haftrichter in Philadelphia jammerte er, von dem
ergaunerten Geld sei nichts mehr übrig. Er habe nicht einmal mehr
genügend Geld für den eigenen Lebensunterhalt. Die Ermittler sind sich
nicht sicher, ob er das Geld seiner Kunden jemals investiert hat -
oder es ausschließlich an alte Kunden weitergab.

Für die amerikanische Finanzbranche kommt diese Fülle an Enttarnungen


einer Katastrophe gleich. Das Vertrauen von Anlegern ist angesichts
der Bankenkrise und gigantischer Kursverluste an den Börsen ohnehin
schwer beschädigt. Je mehr Betrüger auffliegen, desto geringer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass die Bürger ihr Geld in absehbarer Zeit wieder
investieren. "Anleger sind extrem vorsichtig geworden", sagt Peter
Henning, Juraprofessor an der Wayne State University.

Was bis jetzt an Betrügereien bekannt geworden ist, könnte nur die
Spitze des Eisbergs sein, vermutet Steven Philippsohn, Chairman der
Commercial Fraud Lawyers Association. "Wir werden uns während dieser
Rezession an diese Art von Nachrichten gewöhnen müssen", sagt
Philippsohn. Auf eine Selbstreinigung des Finanzsystems sollten
Anleger nicht hoffen, meint Juraprofessor Henning: "Wenn es an den
Märkten aufwärtsgeht, werden neue Betrüger die Bühne betreten." Nicht
nur in den USA, sondern auch anderswo.

Dass die Schwindler so lange unentdeckt blieben, liegt nicht zuletzt


an ihrer geschickten Tarnung: Madoff, einst Chef der Technologiebörse
Nasdaq, verkehrte in den besten New Yorker Kreisen. Stanford machte
sich als Finanzier internationaler Kricketturniere beliebt. Obama nahm
ebenso von ihm Spenden an wie John McCain und Hillary Clinton. Zu den
Nutznießern zählten auch Kongressabgeordnete, die die SEC
kontrollieren, die wiederum Stanfords Unternehmen überwacht. Bereits
vor zwei Jahrzehnten ermittelte das FBI gegen Stanford, damals wegen
angeblicher Verbindungen zu einem Drogenring - doch das Establishment
in Washington störte sich nicht am zweifelhaften Ruf des Texaners.

Von seinen Buchprüfern hatte Stanford ebenfalls nichts zu befürchten.


Eine winzige Firma im fernen London mit einem Büro über einem
Friseursalon kontrollierte die Bilanzen des internationalen
Finanzimperiums. Der Schein des ehrbaren Kaufmanns blieb gewahrt.

Auch der Vermögensverwalter Arthur Nadel aus Florida galt bis vor
Kurzem als Ehrenmann. Vor wenigen Jahren erhielt er die Auszeichnung
"Americas Top Ranked Money Manager". Doch im Januar tauchte Nadel
unter. Zu diesem Zeitpunkt schuldete er seinen Investoren 50 Mio. $.
Der ehemalige Chef der Firma Scoop Management flüchtete vor der
Bundespolizei FBI, die ihn mit einem Großaufgebot suchte. Als er sich
schließlich stellte, verblüffte sein Anwalt Barry Cohen die
Öffentlichkeit mit der lapidaren Aussage: "Er ist für eine Weile
weggegangen, weil er allein sein wollte."

In Nadels Abschiedsbrief hatte sich das noch weitaus dramatischer


angehört: Er habe Angst, ein enttäuschter Kunde könnte ihn töten. Dem
werde er zuvorkommen und sich selbst das Leben nehmen. Nadels
Geschäftsbilanz ist desaströs: Die sechs von ihm geführten
Hedge-Fonds, deren Wert Nadel zuletzt auf mehr als 300 Mio. $
schätzte, haben nach Ansicht der Ermittler ein Volumen von nicht
einmal mehr 1 Mio. $.

Nadel ist nicht der erste gescheiterte Finanzjongleur, der sich


geprellten Anlegern durch einen vorgetäuschten Freitod entziehen
wollte. Der prominenteste Fall ereignete sich bereits im vergangenen
Sommer: Der ehemalige Hedge-Fonds-Manager Samuel Israel war bereits
wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, aber gegen Kaution
auf freiem Fuß. Eines Tages im Juni stellte Israel sein Auto auf einer
Brücke im Staat New York ab. Auf die Kühlerhaube hatte er "Selbstmord
ist schmerzlos" geschmiert. Das FBI nahm seine Freundin ins
Kreuzverhör, die schließlich zugab, dass ihr Liebster in bester
Verfassung war. Kurz darauf stellte sich Israel.

Ein anderer Investmentverwalter bewies beim Vortäuschen eines


tödlichen Unfalls James-Bond-Niveau. Marcus Schrenker, wegen
mutmaßlichen Wertpapierbetrugs im Visier der Ermittler, startete in
Indiana mit seinem Kleinflugzeug. Von Bord meldete der 38-Jährige
schwere Turbulenzen. Eine der Windschutzscheiben sei zerbrochen, er
blute stark. Kurz darauf stürzte der Flieger in der Nähe eines
Wohngebiets ab. Doch die Polizei suchte anschließend vergeblich nach
Schrenkers Überresten. Der Pilot war mit dem Fallschirm abgesprungen
und anschließend mit einem vorher bereitgestellten Motorrad
geflüchtet. Einen Tag später entkam er Polizisten, die ihn bereits
gestellt hatten, zu Fuß. Schließlich endete Schrenkers
Katz-und-Maus-Spiel mit den Ermittlern auf einem Campingplatz.

So skurril die Fluchtaktionen auch sind, im Ranking der


spektakulärsten Betrugsfälle belegen Bernard Madoff und Richard Allen
Stanford wegen des Volumens unangefochten die Spitzenplätze. Ironie
der Geschichte: Als der Fall Madoff im Dezember aufflog, versuchten
zahlreiche Investmentfirmen ihre Anleger mit der Mitteilung zu
beruhigen, sie unterhielten "keine direkten oder indirekten
Beziehungen" zu Madoff. Eine der Firmen war - die Stanford
International Bank.

Alles nur geklaut

Bernard Madoff genoss an der Wall Street einen tadellosen Ruf - bis im
Dezember aufflog, dass der Erfolg des Investmentgurus nur auf
Scheingeschäften beruhte. Weltweit haben Anleger mit Madoffs
Schneeballsystem um 50 Mrd. $ verloren.

Richard Allen Stanford machte mit "Wirtschaftskonferenzen" in der


Karibik und großzügiger Unterstützung von Kricketveranstaltungen von
sich reden. Einen großen Teil der 8 Mrd. $, die ihm Anleger
anvertrauten, hat der Texaner offenbar verzockt.

Arthur Nadel trieb es nicht ganz so schlimm. Er schuldet Investoren


vermutlich 300 Mio. $. Aus Angst vor rachsüchtigen Klienten tauchte er
Mitte Januar ab - nicht ohne vorher seiner Frau zu raten, "so viel
Bargeld wie möglich abzuheben". Zwei Wochen später stellte sich der
Flüchtige in Florida der Polizei.

Joseph Forte wird vorgeworfen, über 13 Jahre hinweg ein


Schneeballsystem betrieben und Anleger um insgesamt 50 Mio. $
erleichtert zu haben. Vor dem Haftrichter bettelte Forte um Mitleid:
Er habe nicht einmal mehr Geld für seinen Lebensunterhalt.
Aus der FTD vom 24.02.2009

BANK-GEHÄLTER
Dicke Boni sind ein Fall für den
Staatsanwalt
Milliardenrisiken für die Steuerzahler, Extra-Geld für Spitzenbanker -
die Finanzbranche hat jedes Maß verloren, kommentiert Karl-Heinz
Goedeckemeyer. Der frühere Bankenanalyst fordert: "Es wird Zeit, dass
jene haften, die uns den Scherbenhaufen eingebrockt haben."

Frankfurt am Main - Viele Top-Banker beharren auf ihre Bonuszahlungen


- trotz Milliarden-Abschreibungen und hoher Verluste. Die Entrüstung
darüber ist fernsehtauglich inszeniert, doch oft geht die Diskussion
am eigentlichen Thema vorbei. Denn mit Bonusverzicht allein kann der
Scherbenhaufen nicht beseitigt werden.

Die entscheidende Frage lautet, ob die "Masters of the Universe", die


ihren Aktionären hohe Verluste beschert haben, dafür juristisch haften
sollen. Tatsächlich dürfte das Desaster, das die Banker mit ihren
Schrottpapieren angerichtet haben, bald ein Fall für die Staatsanwälte
werden. Das Stichwort heißt Untreue.

Dass Staatsanwälte bei dringendem Tatverdacht bereit sind,


unverzüglich vorzugehen, zeigen die Vorfälle bei der staatseigenen
KfW-Bank. Gut einen Monat nach der millionenschweren Überweisung der
KfW an die US-Pleitebank Lehman Brothers wurden Ermittlungen gegen
Vorstände wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet.

Aber auch betroffene Aktionäre können den Staatsanwalt zwingen, gegen


Manager vorzugehen. Bei begründetem Verdacht auf Untreue oder bei
Falschaussagen des Managements müssen Ermittlungen eingeleitet werden.
Aktionärsvereinigungen werden deshalb zahlreiche Sammelklagen
einreichen. Das Ziel: Die Verluste der Kleinanleger zu minimieren,
wenn sie nachweislich durch Managementfehler entstanden sind. Und
damit dürfte auch das Bonus-System vor Gericht kommen.

Manche Vorstandsvorsitzende großer Banken brüsten sich damit, auf


ihren Bonus für das abgelaufene Geschäftsjahr zu verzichten. An
vorderster Front: Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank , der schon
vor einem Jahr damit prahlte, keinen Bonus bekommen zu wollen.

Auch Martin Blessing, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank , kündigte


massive Einschnitte bei den Bonuszahlungen seines Instituts an - ganz
freiwillig erfolgte dieser Schritt aber wohl nicht. Schließlich
befindet sich sein Institut seit Anfang 2009 unter den Fittichen der
Regierung. Mit gut 25 Prozent ist der Bund Großaktionär bei der
"Staatsbank in gelb".

Allerdings gilt der Bonus-Verzicht nicht für die Investmentbanker von


Dresdner Kleinwort. Die Mitarbeiter dort pochen nämlich auf ihre
Zahlungen. Dass die Investmentsparte seit Jahren der Dresdner Bank -
und nunmehr auch der Commerzbank - hohe Verluste beschert, stört die
Banker nicht. Das 18-köpfige Team um den umstrittenen Chef Stefan
Jentzsch verlangt trotz der 18-Milliarden-Euro-Stütze des Bundes hohe
einstellige Millionenbeträge.

Der Aufsichtsrat scheint sich an Verlusten nicht zu stören

Die Argumentation ist stets die gleiche: Spitzenleute sollen mit


Bonuszusagen bei der Stange gehalten werden. "Leistung muss honoriert
werden", sagt auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank,
Clemens Börsig.

Dass die erste Garde auf Boni verzichtet, "sei eine sehr honorige
Geste". Dass die Deutsche Bank im abgelaufenen Geschäftsjahr einen
Verlust von 3,9 Milliarden Euro eingefahren hat - wobei ein Großteil
auf das Investmentbanking entfiel -, scheint Börsig nicht weiter zu
stören. Sonst hätte das Institut seinen Investmentbankern 2008 wohl
kaum knapp vier Milliarden Euro an Gehältern und leistungsabhängiger
Vergütung ausgezahlt.

Auch die Schweizer Banker wollten bei der Verteilung der Bonustöpfe
nicht abseits stehen. In der vergangenen Woche wies die UBS einen
Jahresverlust von fast 20 Milliarden Franken aus. Trotzdem zahlt die
Großbank, die 2008 kurz vor der Insolvenz stand, ihren Mitarbeitern
2,2 Milliarden Franken (rund 1,4 Milliarden Euro) als "variable
Lohnbestandteile" aus - obwohl nur knapp eine Milliarde davon
vertraglich geschuldet ist.

In der Schweiz wird nun ebenfalls die Diskussion laut, ob Boni


überhaupt noch gerechtfertigt sind. Denn allein die UBS hat im
vergangenen Jahr 40 Milliarden Franken von der Nationalbank und sechs
Milliarden vom Steuerzahler bekommen. UBS-Präsident Peter Kurer
begründete die Zahlungen in einem Interview damit, dass die Fixlöhne,
die bei der UBS im Jahr 2008 im Durchschnitt 180.000 Franken betrugen,
nicht hoch genug seien.

Top-Banker verlieren die Bodenhaftung

Die Aussagen der sogenannten Kontrolleure wie Börsig und Kurer zeigen,
dass sie ihre Lehren aus der Finanzkrise nicht gezogen haben:
Performance und Bonuszahlungen stehen bei den Banken in keinem
Verhältnis mehr.
Dass Top-Banker zusehends die Bodenhaftung verlieren, zeigt sich auch
bei der Frage nach den Schuldigen der Krise. Ähnlich wie Kurer führt
Börsig die Finanzkrise auf die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft
zurück. Wenn schon ein Schuldiger gefunden werden müsse, dann sei es
die amerikanische Notenbank. Andere wiederum machen die
Kreditrichtlinien von "Basel II" oder die IFRS-Rechnungslegung für die
Schieflage der Banken verantwortlich.

Aber wer hat die Banken eigentlich gezwungen, US-Schrott-Hypotheken zu


kaufen (UBS) oder sich übermäßig bei kreditfinanzierten Übernahmen zu
engagieren (Deutsche Bank)? Dass US-Banken Hypothekenpapiere wie
Streubomben verkauft und dass Finanzalchemisten aus allen Teilen der
Welt Produkte gestrickt haben, die selbst Insider kaum verstehen, wird
nur zögerlich akzeptiert.

Aktienoptionen im Wert von 161 Millionen Dollar

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Wall Street. 18 Milliarden
Dollar an Bonuszahlungen haben die Wertschriftenhäuser im vergangenen
Jahr ausgeschüttet. Nun werden viele sagen, die Wall Street sei schon
immer ein Platz der Exzesse gewesen. Doch genau das ist das Problem.

Neben den hohen Boni zeigen das vor allem die exorbitanten
Abfindungen, die in der Branche gezahlt werden. Als einige "Masters of
the Universe" im Jahr 2007 aussortiert wurden wie Charles Prince
(Citigroup ) und Stan O'Neal (Merrill Lynch ), wurde ihnen der Abgang
mit großzügigen Geschenken versüßt. Während sich die Aktienoptionen
bei Merrill-Chef O'Neal auf 175 Millionen Dollar summierten, belief
sich das Vergütungspaket bei Prince auf 40 Millionen Dollar.
Sondervergünstigungen wie Dienstwagen und bezahltes Büro nicht
mitgerechnet.

Dass Aufsichtsrat und Aktionäre diese übermäßigen Abfindungen


abgesegnet haben, ist nicht nachzuvollziehen. Denn beiden Bankern sind
große Fehler, nicht zuletzt beim Risikomanagement, unterlaufen. Selbst
in Zeiten, als die Subprimekrise bereits evident war und
US-Hausbesitzer sukzessive in Zahlungsschwierigkeiten gerieten, baute
Merrill seine Positionen mit giftigen Papieren weiter aus - und
übernahm 2006 für aberwitzige 1,3 Milliarden Dollar den
Hypothekenspezialisten First Franklin.

Diese Strategie hatte weitreichende Folgen. Allein in den vergangenen


zwei Jahren summierten sich die mit der Hypotheken-Krise verbundenen
Verluste auf rund 50 Milliarden Dollar. Auch die Citigroup servierte
ihren Aktionären wegen Abschreibungen auf toxische Wertpapiere im Wert
von rund 50 Milliarden Dollar im Gesamtjahr 2008 einen Verlust von 8,3
Milliarden Dollar. Während die Citigroup wenigstens noch mit
Finanzspritzen von inzwischen 45 Milliarden Dollar und hohen
Bürgschaften gerettet werden konnte, stand Merrill Lynch kurz vor der
Insolvenz. Um eine weitere Pleite zu verhindern, wurde die
Investmentbank von der Bank of America übernommen. Inklusive der
bereits an Merrill gezahlten Staatshilfen ist der amerikanische
Steuerzahler bei dem neuen Finanzgiganten mit 70 Milliarden Dollar
engagiert.

Die Schuldigen müssen mit ihrem Privatvermögen haften

Die Schieflage hat Merrill jedoch nicht davon abgehalten, die für das
vergangene Jahr vereinbarten Gehaltszulagen früher als normalerweise
zu überweisen. So soll das Institut bereits im Dezember an fast 700
Mitarbeiter Boni von jeweils mindestens einer Million Dollar
überwiesen haben, heißt es in einem Brief des Oberstaatsanwalts von
New York, Andrew Cuomo. Insgesamt soll die Bank ihren Managern laut
Cuomo absichtlich zu Lasten der Steuerzahler großzügige Boni über
insgesamt 3,6 Milliarden Dollar gezahlt haben. Es sei noch einmal
darauf hingewiesen: Merrill hat für das vierte Quartal 2008 einen
Verlust von 15,3 Milliarden Dollar vermeldet.

Auch bei der Citigroup wurde weiter verteilt, wenngleich die Vorstände
auf ihre Boni verzichteten. Die Summe "Compensation and Benefits" lag
im Jahr 2008 bei 32,4 Milliarden Dollar und damit nur vier Prozent
unter der des Rekord-Vorjahres.

Mit Scheinargumenten versuchen die Banker nun zu rechtfertigen, was


sich nicht rechtfertigen lässt. Man kann nicht Tausende von
Mitarbeitern entlassen, Staatsgarantien und Steuergelder anfordern und
gleichzeitig Erfolgsprämien in Milliardenhöhe ausschütten. Nichts
gegen hohe Gewinne. Aber wenn diejenigen, die den Gewinn kassieren,
das Risiko nicht tragen, dann ist das ein Fall für den Staatsanwalt.
Es wird Zeit, dass jene haften, die uns den Scherbenhaufen eingebrockt
haben. In den Privatvermögen der Verantwortlichen dürfte es genügend
Reserven geben, die man heranziehen kann, um den Schaden zumindest
ansatzweise zu begleichen.

Immerhin: Dass die fetten Jahre vorbei sind, scheint auch


Deutsche-Bank-Aufseher Börsig einzusehen. Nach seinen Worten wird es
Millionen-Zahlungen so schnell nicht wieder geben. Bleibt zu hoffen,
dass Börsig wenigstens hier richtigliegt.

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