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Derjenige, der das alles losgetreten hat, heißt Sir Richard Allen
Stanford, Vermögensverwalter von Rang und Namen, der erste US-Bürger,
der in Antigua zum Ritter geschlagen wurde, Sportimpresario und
Sponsor amerikanischer Politiker. Einer, der den großen Auftritt mit
Privatjet und Helikopter liebt und der jetzt ganz unspektakulär
gestellt wurdewurde, als er mit seiner Freundin Verwandte besuchte.
Die Fälle, die dabei aufgedeckt werden, zeugen von einer Dreistigkeit,
die selbst die Ermittler erstaunt: Das Unternehmen Billion Coupons aus
Hawaii etwa wurde vergangenen Donnerstag angeklagt, seit September
2007 mit falschen Versprechungen insgesamt rund 4,4 Mio. $
eingesammelt zu haben. Statt wirkliche Erträge auszuschütten, gab es
laut Anklage lediglich die Einzahlungen neuer Kunden an bestehende
Kunden weiter - ein klassisches Schneeballsystem. Dass Billion Coupons
ausgerechnet auf Seminaren für Taube Werbung für seine Anlagen machte,
nennt SEC-Regionaldirektorin Rosalind Tyson "besonders verwerflich".
Die gleiche Strafe hat Joseph Forte zu befürchten. Der 57-Jährige hat
in den vergangenen 13 Jahren angeblich Investoren um 50 Mio. $
erleichtert. Vor dem Haftrichter in Philadelphia jammerte er, von dem
ergaunerten Geld sei nichts mehr übrig. Er habe nicht einmal mehr
genügend Geld für den eigenen Lebensunterhalt. Die Ermittler sind sich
nicht sicher, ob er das Geld seiner Kunden jemals investiert hat -
oder es ausschließlich an alte Kunden weitergab.
Was bis jetzt an Betrügereien bekannt geworden ist, könnte nur die
Spitze des Eisbergs sein, vermutet Steven Philippsohn, Chairman der
Commercial Fraud Lawyers Association. "Wir werden uns während dieser
Rezession an diese Art von Nachrichten gewöhnen müssen", sagt
Philippsohn. Auf eine Selbstreinigung des Finanzsystems sollten
Anleger nicht hoffen, meint Juraprofessor Henning: "Wenn es an den
Märkten aufwärtsgeht, werden neue Betrüger die Bühne betreten." Nicht
nur in den USA, sondern auch anderswo.
Auch der Vermögensverwalter Arthur Nadel aus Florida galt bis vor
Kurzem als Ehrenmann. Vor wenigen Jahren erhielt er die Auszeichnung
"Americas Top Ranked Money Manager". Doch im Januar tauchte Nadel
unter. Zu diesem Zeitpunkt schuldete er seinen Investoren 50 Mio. $.
Der ehemalige Chef der Firma Scoop Management flüchtete vor der
Bundespolizei FBI, die ihn mit einem Großaufgebot suchte. Als er sich
schließlich stellte, verblüffte sein Anwalt Barry Cohen die
Öffentlichkeit mit der lapidaren Aussage: "Er ist für eine Weile
weggegangen, weil er allein sein wollte."
Bernard Madoff genoss an der Wall Street einen tadellosen Ruf - bis im
Dezember aufflog, dass der Erfolg des Investmentgurus nur auf
Scheingeschäften beruhte. Weltweit haben Anleger mit Madoffs
Schneeballsystem um 50 Mrd. $ verloren.
BANK-GEHÄLTER
Dicke Boni sind ein Fall für den
Staatsanwalt
Milliardenrisiken für die Steuerzahler, Extra-Geld für Spitzenbanker -
die Finanzbranche hat jedes Maß verloren, kommentiert Karl-Heinz
Goedeckemeyer. Der frühere Bankenanalyst fordert: "Es wird Zeit, dass
jene haften, die uns den Scherbenhaufen eingebrockt haben."
Dass die erste Garde auf Boni verzichtet, "sei eine sehr honorige
Geste". Dass die Deutsche Bank im abgelaufenen Geschäftsjahr einen
Verlust von 3,9 Milliarden Euro eingefahren hat - wobei ein Großteil
auf das Investmentbanking entfiel -, scheint Börsig nicht weiter zu
stören. Sonst hätte das Institut seinen Investmentbankern 2008 wohl
kaum knapp vier Milliarden Euro an Gehältern und leistungsabhängiger
Vergütung ausgezahlt.
Auch die Schweizer Banker wollten bei der Verteilung der Bonustöpfe
nicht abseits stehen. In der vergangenen Woche wies die UBS einen
Jahresverlust von fast 20 Milliarden Franken aus. Trotzdem zahlt die
Großbank, die 2008 kurz vor der Insolvenz stand, ihren Mitarbeitern
2,2 Milliarden Franken (rund 1,4 Milliarden Euro) als "variable
Lohnbestandteile" aus - obwohl nur knapp eine Milliarde davon
vertraglich geschuldet ist.
Die Aussagen der sogenannten Kontrolleure wie Börsig und Kurer zeigen,
dass sie ihre Lehren aus der Finanzkrise nicht gezogen haben:
Performance und Bonuszahlungen stehen bei den Banken in keinem
Verhältnis mehr.
Dass Top-Banker zusehends die Bodenhaftung verlieren, zeigt sich auch
bei der Frage nach den Schuldigen der Krise. Ähnlich wie Kurer führt
Börsig die Finanzkrise auf die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft
zurück. Wenn schon ein Schuldiger gefunden werden müsse, dann sei es
die amerikanische Notenbank. Andere wiederum machen die
Kreditrichtlinien von "Basel II" oder die IFRS-Rechnungslegung für die
Schieflage der Banken verantwortlich.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Wall Street. 18 Milliarden
Dollar an Bonuszahlungen haben die Wertschriftenhäuser im vergangenen
Jahr ausgeschüttet. Nun werden viele sagen, die Wall Street sei schon
immer ein Platz der Exzesse gewesen. Doch genau das ist das Problem.
Neben den hohen Boni zeigen das vor allem die exorbitanten
Abfindungen, die in der Branche gezahlt werden. Als einige "Masters of
the Universe" im Jahr 2007 aussortiert wurden wie Charles Prince
(Citigroup ) und Stan O'Neal (Merrill Lynch ), wurde ihnen der Abgang
mit großzügigen Geschenken versüßt. Während sich die Aktienoptionen
bei Merrill-Chef O'Neal auf 175 Millionen Dollar summierten, belief
sich das Vergütungspaket bei Prince auf 40 Millionen Dollar.
Sondervergünstigungen wie Dienstwagen und bezahltes Büro nicht
mitgerechnet.
Die Schieflage hat Merrill jedoch nicht davon abgehalten, die für das
vergangene Jahr vereinbarten Gehaltszulagen früher als normalerweise
zu überweisen. So soll das Institut bereits im Dezember an fast 700
Mitarbeiter Boni von jeweils mindestens einer Million Dollar
überwiesen haben, heißt es in einem Brief des Oberstaatsanwalts von
New York, Andrew Cuomo. Insgesamt soll die Bank ihren Managern laut
Cuomo absichtlich zu Lasten der Steuerzahler großzügige Boni über
insgesamt 3,6 Milliarden Dollar gezahlt haben. Es sei noch einmal
darauf hingewiesen: Merrill hat für das vierte Quartal 2008 einen
Verlust von 15,3 Milliarden Dollar vermeldet.
Auch bei der Citigroup wurde weiter verteilt, wenngleich die Vorstände
auf ihre Boni verzichteten. Die Summe "Compensation and Benefits" lag
im Jahr 2008 bei 32,4 Milliarden Dollar und damit nur vier Prozent
unter der des Rekord-Vorjahres.
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,608126,00.html