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2007 21:28 Uhr Seite 2

coverstory

Embryonalentwicklung
Die höchste Organisationsform
im Universum ist der Mensch.
Ist damit der Zufall überfordert?

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Sternennebel „Auge Gottes“


Entstehung der Materie: Gibt
es kosmische Strukturen mit
Bewusstsein?

Hand Gottes
Evolution. Wenn Quantenphysiker entdecken, dass sich Information absolut zeitgleich quer
durchs Universum übertragen lässt, wenn nur die geringfügige Änderung einer einzigen Variablen
genügt hätte, um die Entstehung des Universums und des Lebens zu verhindern – dann erscheint
selbst Naturwissenschaftern die Existenz einer ordnenden geistigen Macht plausibel.
Von Johanna Awad-Geissler
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Bienenkönigin (Mitte), Arbeiterinnen Die Epigenetik, eine Art Klaviatur der
Gene, formt aus dem gleichen Genbausatz einen größeren Körper

I n dem abgedunkelten Labor sind


leuchtende Laserstrahlen durch zahl-
reiche optische Linsen von einem Apparat
Bei vielen Experimentalphysikern, die
sich mit solchen Phänomenen befassen,
baut sich mit der Zeit ein Gefühl für die
se ein Foton als Welle gemessen wird, so
muss es sich bereits vor der Beobachtung
auf die Welleneigenschaft eingestellt ha-
zum anderen gespannt. An diesem Früh- Magie der Quantenwelt auf (siehe Grafi- ben. Wird es als Teilchen gemessen, so be-
lingstag des Jahres 1997 ist alles bereit für ken Seite 86 und 88). Da können Teilchen kommt es dadurch schon im Vorfeld die
die erste Teleportation der Geschichte. nicht nur über Millionen Lichtjahre hin- Teilchennatur übergestülpt.
Gespannte Erwartung liegt in den Gesich- weg in unmittelbarer Kommunikation ste- Die metaphysischen Implikationen die-
tern des Experimentalphysikers Anton hen, sie bleiben auch in ihren Eigenschaf- ser Sachverhalte sind atemberaubend: Im
Zeilinger und seiner Innsbrucker Arbeits- ten so lange unentschieden, bis sie durch Wirkungsbereich der Quantengesetze hat
gruppe. Gleich nach Start des Versuchs die Beobachtung oder Messung auf eine jeglicher Beobachter die schöpferische
zeigen die Messgeräte: Die immaterielle bestimmte Natur festgelegt werden. Dar- Freiheit, Dinge sozusagen in ihre Verwirk-
Informationsübertragung ist mit absoluter aus folgt, dass sich die Beschaffenheit von lichung zu denken. Alle Formen von Be-
Präzision erfolgt. Alle Eigenschaften jenes Quanten rückwirkend in die Vergangen- wusstsein – nicht nur das der Menschen,
Fotons (Lichtteilchens), das von der Sen- heit entscheidet. Denn wenn beispielswei- sondern auch das einer hypothetischen
destation namens „Alice“ ausgeschickt
worden war, hatten sich ohne jede her-
kömmliche Übertragungstechnik dem Schrödingers Katze
Lichtteilchen „Bob“ am Empfangsgerät Solange niemand nachsieht, ist das Tier im Gedankenexperiment sowohl lebend als auch tot.
aufgeprägt. Der Beweis war erbracht: In-
Geigerzähler
formation kann „instantan“ – absolut zeit- Radioaktives Beobachtung/
gleich – von einem Ort an den anderen Element Messung
gebracht werden.
Lebende Katze
Obwohl die Distanz im Labor nur ei-
nen Meter betrug, gilt die Gesetzmäßig- Tote Katze Giftgas
keit für beliebige Entfernungen im gesam-
Quelle: Universität Ulm

ten Universum – entgegen Albert Ein-


steins Postulat, dass keine Geschwindig-
keit schneller sein könne als die des Lichts.
Dieser Realitätstest des neuen Weltbildes
der Quantentheorie machte Anton Zeilin- Gedanklicher Katzenmord Das Tier steckt in einem Kasten, der ein radioaktives Element enthält. Wenn dieses
radioaktive Element zerfällt, wird dieser Vorgang von einem Geigerzähler registriert. Der Geigerzähler setzt einen
ger über Nacht weltberühmt – und zum Hammer in Gang, der ein Gefäß mit Giftgas zerschlägt, sodass die Katze stirbt. Da die radioaktive Substanz nicht
Anwärter auf den Nobelpreis. mit Sicherheit, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt, befindet sie sich in einem so ge-
nannten Überlagerungszustand aus Nicht-Zerfallen und Zerfallen. Dementsprechend befindet sich die Katze in
einem Überlagerungszustand aus lebend und tot. Erst wenn jemand den Kasten öffnet, entscheidet sich die
84 profil 6 • 5. Februar 2007 Situation zwischen lebend oder tot, und eine der beiden Möglichkeiten wird durch die Beobachtung zur Realität.
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MENSCHWERDUNG

Gottesgeschöpf oder Zufallsprodukt


Mit der Evolution des Superwesens Mensch lässt sich trefflich für und gegen Gott argumentieren.

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I n den vergangenen Jahr-
zehnten ist das Wissen über
den Kosmos beträchtlich an-
mer mehr der Lösung ent-
ziehen.
Nachdem die Wissenschaft
gewachsen. Zur Zeit der Ent- gemeint hatte, die Vorstellung
deckung der kosmischen Hin- vom Wirken einer ordnenden
tergrundstrahlung, 1965, Macht endgültig ad acta le-
wähnte sich die Wissenschaft gen zu können, melden sich
knapp davor, die einzelnen neuerdings immer mehr Stim-
Phasen der Entstehung des men, die darauf hinweisen,
Weltalls aufzuklären. dass eine rein materialisti-
Seither aber hat sich das Bild sche Deutung der Wirklichkeit
bedeutend verkompliziert. nur die halbe Wahrheit erfas-
Hochleistungsdetektoren wie sen kann. Viele Spitzenfor-
das Weltraumteleskop Hubble scher bekennen sich offen zu
konnten nicht weniger als 50 religiösen oder mystischen
Milliarden Milchstraßen ent- Sichtweisen, auch wenn sie
decken. Und jedes Mal, wenn sich weiterhin bemühen, zwi-
die Anlagen eine technische schen den Bereichen des Ma-
Verbesserung erfahren, teriellen und des Immateriel- Anthropos – Mensch
stoßen sie keineswegs in die len zu trennen. Ihnen gegen- Seine Entstehung ist bis
erwarteten kosmischen Grenz- über steht eine andere große heute das größte Rätsel
regionen vor, sondern finden Gruppe, die daran festhält,
neuerlich abermillionen unbe- dass zur Erklärung der Welt übergeordneten Macht – hätten somit die
kannter Galaxien. Schon spe- keinerlei höhere Kraft bemüht Rolle von Beobachtern und potenziellen
kulieren Wissenschafter, dass werden müsse. Beiden Rich- Schluss, den beispielsweise Gestaltern. Dem nicht genug, sprengt der
die Anzahl der Galaxien un- tungen ist jedoch gemeinsam, der mit dem Nobelpreis aus- dem Augenblick der Beobachtung inne-
endlich groß sein könnte. Da- dass sie sich mit Vorliebe auf gezeichnete amerikanische wohnende „Back to the future“-Effekt die
mit aber gerät die Theorie die Sonderstellung des Men- Physiker Steven Weinberg Kette zeitlich linear aufsteigender Kausa-
vom Urknall, der die All-Ent- schen und das so genannte aus der Existenz des Men- litäten, die das naturwissenschaftliche
wicklung als singuläre Initi- anthropische Prinzip berufen. schen zieht. Weinberg hatte Denken bislang bestimmt hat.
alzündung in Bewegung ge- So etwa legte der prominente Ende der achtziger Jahre eine Für Anton Zeilinger wird immer deut-
setzt haben soll, ins Feld des Wiener Physiker Walter Thir- noch heute umstrittene „kos- licher, dass es nie möglich sein wird, das
Zweifels. ring in seinem Buch „Kosmi- mologische Konstante“ – eine gesamte Naturgeschehen nach rein mate-
Bereits gefallen ist die einstige sche Impressionen“ dar, dass Größe aus Lichtgeschwindig- riellen Gesichtspunkten vollkommen zu
deterministische Auffassung an den „Scheidewegen der keit, Gravitation und Energie- beschreiben: „Ich glaube, dass es eine geis-
der Naturwissenschaft, dass Entwicklung des Alls immer dichte des Vakuums – ausge- tige Ebene jenseits der materiellen Wirk-
sich bei Kenntnis aller Voraus- eine solche Wendung einge- rechnet, die jene Vorausset- lichkeit gibt, und die interessiert mich auch
setzungen aus den Naturgeset- schlagen wurde, dass der zungen erfassen soll, die für als Wissenschafter.“
zen jede Entwicklung zuverläs- Mensch letztlich entstehen das Entstehen menschlichen
sig vorhersagen lassen müss- möge“. Dieser These zufolge Lebens erforderlich sind. Weichen gestellt. Eine der rätselhaftesten
te. Dafür sind die Erkenntnis- steht der Mensch als der von Weinberg argumentiert, dass Erkenntnisse der modernen Naturwissen-
se der Quantenphysik über die allen Oganismen am höchsten das All in Wahrheit ein Multi- schaft ist jene, dass im Universum in den
„Unterbestimmtheit“ der entwickelte nicht nur im Zen- versum mit einer unendlichen allerersten Momenten nach dem Urknall
Wirklichkeit verantwortlich. trum des Universums, sondern Anzahl von Universen sei. für die nächsten 15 Milliarden Jahre alle
Das hat nunmehr zu der para- ist auch Zweck alles evolu- Und in einer unendlichen An- Weichen so gestellt wurden, dass sich das
doxen Situation geführt, dass tionären Geschehens, das, zahl realisierter Möglichkei- feurige Chaos kosmischer Nebel zu orga-
sich die zwei größten Rätsel von Gott gelenkt, in schnurge- ten müsse zwingend auch nisierten Strukturen – beispielsweise Son-
des Universums – wie alles rader Folge vom urzeitlichen jene Variante enthalten sein, nensystemen mit lebensfreundlichen Pla-
begann und was zur Entste- Chaos direkt zu ihm herauf- in der höheres Leben und neten – ordnen konnte. Hätten sich in die-
hung des Lebens geführt hat – geführt haben soll. der Mensch ihre Chance be- sem Anfangsimpuls bloß kleinste Abwei-
mit zunehmendem Wissen im- Völlig entgegengesetzt ist der kommen. chungen in den Gesetzmäßigkeiten heraus-
gebildet (siehe Kasten Seite 87), wären das
Leben und die Entwicklung bis hin zum
Menschen unmöglich geworden. 왘

5. Februar 2007 • profil 6 85


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AP / JOHN MCCONNICO
coverstory

PLUS 49 / MARC STEINMETZ


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„Es wäre ein Grundfehler, wenn wir Gott mit unseren Denkkategorien
zu beschreiben versuchen“ Anton Zeilinger, Physiker

Biochemische Schaltwege Quantenverschränkung


Die Baupläne des Lebens sind von höchster technischer Präzision. Einmal miteinander „vermählt“, bleiben Teilchen bis zum Ende verbunden.

Zellstoffwechsel „Spukhafte
Messung hier …
uellen: Institut für Theoretische Chemie, Universität Wien, Santa Fe Institute

Die Komplexität Fernwirkung“


biochemischer Quanten, die in den
Reaktionen legt den Verschränkungs-
Gedanken an einen zustand gebracht
„intelligenten werden, bilden ein
Designer“ nahe. System, das Ein-
Sie lässt sich aber steins Relativitäts-
vollständig aus den theorie widerspricht:
Gesetzmäßigkeiten Nicht- Wie über einen un-
der Wahrscheinlich- linearer sichtbaren Draht
keit erklären, die optischer … wirkt sich überträgt sich jede
Kristall auch hier aus
auch in der Evolution Information des ei-
Gültigkeit haben. nen Teilchens im sel-
ben Augenblick auf
das andere, selbst
wenn sie inzwischen
Lichtjahre voneinan-
der entfernt sind.

Der Einstein-Schüler Walter Thirring, dass eine höhere Macht die Welt nach ei- dass die Idee des „intelligent design“ von
theoretischer Physiker und Träger der Max- nem vernünftigen Bauplan geordnet haben den Kreationisten, die darauf bestehen, den
Planck-Medaille, zieht daraus die Folge- müsse. Zwar sind immer mehr Gelehrte biblischen Schöpfungsbericht der Genesis
rung: „Dass sich aus dem anfänglichen der Ansicht, dass Naturwissenschaft und wörtlich zu nehmen, missbraucht und so
Chaos durch Zufall so etwas wie ein die Vorstellung von einer ordnenden interpretiert wird, wie es in ihr Konstrukt
Mensch entwickelt hat, ist der bestmögli- Macht im Universum nicht mehr in Kon- passt.
che Beweis für einen göttlichen Plan.“ flikt miteinander stehen müssen, doch hal-
Thirring war entscheidend daran betei- ten viele gerade den Begriff des „intelligent Unwissenschaftlich. Der prominenteste
ligt, ein grundlegendes Phänomen, ohne design“ im Zusammenhang mit der Evolu- aller Kritiker des „intelligent design“, der
das unsere Welt nie entstanden wäre, ma- tion für bedenklich. Anton Zeilinger etwa Nobelpreisträger Steven Weinberg, Pro-
thematisch zu beschreiben: die einzelgän- meint, es wäre „ein Grundfehler, wenn wir fessor für theoretische Physik an der Uni-
gerische Natur der Elektronen, die dazu Gott mit unseren Denkkategorien zu be- versity of Austin, Texas, warnt seit Jahren
führt, dass die Teilchen einander abstoßen. schreiben versuchen“. Andere befürchten, mit Nachdruck davor, Wissenschaft und
Thirring erzählt: „In jahrelanger Zusam- Religion zu vermischen. Entsprechend be-
menarbeit mit dem Princeton-Mathemati- Kreativität Wie manche Forscher meinen, ein anstandet er auch die diesbzüglichen
ker Elliott Lieb reihte sich Indiz an Indiz, Götterfunke, der auch im Menschen aufleuchtet Äußerungen Kardinal Christoph Schön-
und am Ende hatten wir Gewissheit: Mit borns: „Indem der Kardinal die Darwin’-
der Lieb-Thirring-Ungleichung konnten sche Sichtweise angreift, will er untermau-
wir beweisen, dass Elektronen sich nicht ern, dass das Universum für den Menschen
zusammenpressen lassen.“ Würden die geschaffen sei. Damit aber läutet er mögli-
Elektronen einander nicht abstoßen, so cherweise die Rückkehr der Kirche auf ei-
fiele die Materie schon beim Aufbau in nen unwissenschaftlichen Standpunkt ein.“
sich zusammen. Ohne diese Stabilität hät- Je mehr die Wissenschafter indes in
te das Universum keine geordneten Struk- ihrem sich rasant beschleunigenden Er-
WWW.PICTUREDESK.COM / KEN CAVANAGH

turen bilden können und wäre wohl längst kenntnisprozess voranschreiten (siehe Kas-
wieder verschwunden. ten Seite 85), desto größer wird ihr Er-
In der Evolution des Universums wirk- staunen über die Ordnung, die Präzision
ten also Kräfte, die an sich nichts miteinan- und die bislang ungeahnten Möglichkei-
der zu tun haben, ausgerechnet so zusam- ten, die dem Kosmos innewohnen. So
men, dass am Ende intelligentes Leben meint etwa Gottfried Schatz, der Ent-
entstehen konnte. Für die Verfechter der decker der Mitochondrien-DNA und bis
These des „intelligent design“ der Beweis, vor wenigen Jahren Präsident des schwei-

86 profil 6 • 5. Februar 2007


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AP / JOHN MCCONNICO

Lebenselixir Dank der Anomalie des Wassers sind


die Meere Lebensspender statt Eiswüsten
N AT U R G E S E T Z E

zerischen Wissenschafts- und Technolo- Menschenfreundlich


gierates: „Die aufregendste Entdeckung Dem Anschein nach bricht die Natur ihre unerbittlichen Gesetze,
der vergangenen Jahrzehnte war in meinen um geeignete Bedingungen für höhere Lebensformen zu schaffen.
Augen, dass es auch außerhalb unseres
Sonnensystems Planeten gibt. Dadurch
wird es höchst wahrscheinlich, dass auch
anderswo im Universum Leben existiert.
Und es ist der Beweis, dass unser Sonnen-
W äre sofort nach dem Ur-
knall die durchschnittli-
che Dichte des Universums
hätten die Atome sich schnell
in Dämpfen verflüchtigt. Und
hätten Elektronen nicht die Ei-
nannten Anomalien führt. Nur
diese Besonderheit seines te-
traederförmigen Aufbaus lässt
system kein singulärer Zufall ist.“ auch nur um ein billiardstel genschaft, sich gegenseitig es bei jenen Temperaturen, in
Fern jeder religiösen Spekulation zieht Prozent geringer gewesen, so abzustoßen, so wäre das denen Leben gedeiht, flüssig
der in Österreich geborene Biochemiker wäre es vermutlich in sich zu- Weltall schon kurz nach dem bleiben. Als weiterer Effekt
und bekennende Agnostiker daraus sammengestürzt. Zumindest Urknall implodiert. dieser Struktur weist Wasser
schwindelerregende Folgerungen: „Der aber wäre die Struktur der Aber auch in einem solcher- nicht im eisförmigen Zustand
Materie ist offenbar inhärent, sich immer Raumzeit empfindlich gestört art mit freundlichen Gesetz- die größte Dichte auf, sondern
höher zu organisieren, sodass daraus Son- und die Wölbung des Alls un- mäßigkeiten ausgestatteten im flüssigen Zustand bei vier
nensysteme und lebende Zellen entstehen berechenbar schrumpelig Universum bedurfte es zusätz- Grad Celsius. Dem verdankt
können und nicht nur grobschlächtige statt geometrisch glatt. Wäre lich noch spezieller Tricks, die Erde ihre eisfreien Gewäs-
weiße Riesen und schwarze Löcher. Wenn die Schwerkraft nur um eine damit Organismen zustande ser. Andernfalls wäre das Eis
Materie aber eine gewisse Komplexität er- Spur stärker, dann würden die kamen: So etwa benötigt der auf den Meeresboden gesun-
reicht, dann gewinnt sie wahrscheinlich Sterne mit einer Vehemenz Lebensbaustein Kohlenstoff ken und dort, thermisch iso-
automatisch Bewusstsein.“ brennen, dass sie binnen ei- überraschend wenig Energie, liert, erhalten geblieben. Im
Damit würde denkbar, dass es im Uni- nes einzigen Jahres ausge- um jene extrem komplizierten Lauf der Zeit wären auf diese
versum nicht nur andere, mit Bewusstsein brannt wären. Das Universum Moleküle bilden zu können, Weise alle Gewässer von un-
begabte Lebensformen gibt, sondern auch wäre ein kaltes, äschernes die das Leben für seine Funk- ten her zugefroren. Die Meere
organisierte Strukturen unbelebter Materie. Reich. Wäre die Schwerkraft tionen braucht. Die mathema- wären nichts als riesige Eis-
Solche Bewusstseinsinseln könnten sich in indes eine Nuance schwächer, tische Chance, dass ein sol- klumpen mit einer dünnen
komplexen stellaren Systemen ebenso bil- so könnten sich überhaupt ches Element entsteht, grenzt Schicht von Schmelzwasser
den wie in Materiewolken, etwa von der Art, keine Sterne bilden, und das an Unwahrscheinlichkeit. an der Oberfläche. Die Chan-
wie sie sich in Fred Hoyles Roman „Die All wäre ein dünner, formloser Zugleich hat die Grundlage cen für das Gedeihen von
schwarze Wolke“ über die Erde senkt. Nebel. Wäre die starke Kraft, allen Lebens – das Wasser – höherem und intelligentem
Die Reihenfolge, in der Gott im bibli- die Atomkerne zusammenhält, eine spezielle molekulare Leben wären dadurch extrem
schen Schöpfungsbericht die Welt er- 왘 nur ein wenig schwächer, so Struktur, die zu seinen so ge- verringert.

5. Februar 2007 • profil 6 87


p06_082_hand_gottes 02.02.2007 21:28 Uhr Seite 8

coverstory

CORBIS / KEVIN FLEMING


ZEITLÄUFE

„Kreationisten läuten möglicherweise die Rückkehr


der Kirche zur Unwissenschaftlichkeit ein“ Zwischen Religion und W
Steven Weinberg, Physik-Nobelpreisträger Ein Spannungsverhältnis mit einer jahrhundertelangen G eschichte

1274 Tod des Thomas von Aquin, Kirchen-


Das Doppelspalt-Experiment lehrer und Philosoph. Er führte die wissen-
Laut einer Umfrage der Zeitschrift „Physics World“ das schönste schaftliche Lehre des Aristoteles mit der religiö-
physikalische Experiment aller Zeiten. sen Lehre des Augustinus zu einem sich ergän-
1 2 zenden Gedankengebäude zusammen.
Schirm

Schirm
1543 Nikolaus Kopernikus, Arzt, Priester
Eingefärbte hinterlassen hinterlassen und Astronom, behauptet in „De revolutionibus
Golfbälle zwei Streifen Wellen Interferenzmuster orbium coelestium“ („Von den Umdrehungen
der Himmelskörper“), die Sonne stehe im Zen-
3 4 Beobachtung/
Projektionsfläche

Projektionsfläche
Messung trum der Planetenbahnen. Die katholische Kir-
che beharrt auf der biblischen Vorstellung von
der Erde als Mittelpunkt des Kosmos und setzt
Quelle: profil

hinterlassen hinterlassen das Buch auf den Index verbotener Schriften.


Fotonen Interferenzmuster Fotonen zwei Streifen
Doppelte Natur 1 In der normalen, von Physikern so genannten „klassischen“ Welt erzeugen Objek- 1600 Giordano Bruno, Dominikanermönch,
te, etwa abfärbende Golfbälle, die durch zwei nebeneinanderliegende Spalte auf eine Fläche dahin-
ter auftreffen, auf dieser zwei Streifen. 2 Wellen, die durch zwei Spalte getrieben werden, lassen ein Dichter und Naturphilosoph, wird als Ketzer ver-
typisches Überlagerungsmuster entstehen. 3 Quanten, etwa Lichtteilchen – Fotonen –, gehen zwar urteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt,
als Teilchen durch die Öffnungen hindurch, interferieren jedoch dann wie Wellen und hinterlassen auf
der Fläche ebenfalls ein Überlagerungsmuster. Allerdings nur so lange, wie niemand zuschaut. 4 In
dem Augenblick, wo ein Beobachter beziehungsweise ein Messgerät eingeschaltet wird, verhalten sie
sich wie klassische Teilchen und lassen nichts mehr von ihrer Wellennatur erahnen.

schafft, deckt sich in überraschender Wei- beobachtete Bakterienverhalten mögli- Quanteneffekte den Ursache-Wirkung-
se mit den Erkenntnissen der Wissenschaft cherweise jener Idee entsprach, die der Ablauf umkehren, dann würde das mögli-
über die Abfolge der Evolutionsschritte. österreichische Quantenpionier Erwin cherweise bedeuten, dass sich das Gehirn
Was die Kreationisten jedoch als Ketzerei Schrödinger in seinem 1944 erschienenen „rückwirkend“ auf die Entscheidung ein-
anprangern – dass jeder Organismus die Buch ‚Was ist Leben?‘ anregte – nämlich, stellt und der Wille seine Freiheit behielte.
Anlagen seiner Vorstufen weiterhin in sich dass die lebende Zelle die Fähigkeit be- An solche Probleme erinnert sogar die
trägt –, ist für die Biowissenschaft Grund- sitzt, sich wie ein lebloser Kristall zu ver- Tendenz der darwinistischen Evolution, sich
lage ihrer Forschungsarbeit. Heutige Or- halten und dadurch einen Quantenzustand in bestimmte Richtungen zuzuspitzen. Im
ganismen, die in ähnlicher Form schon vor zu ermöglichen, der für die rückwirkende September 2006 hielt der theoretische Che-
Jahrmillionen in wässrigen Ursuppen ge- Mutation erforderlich ist.“ miker Peter Schuster, Präsident der Akade-
schwommen sind, vermitteln fundamenta- Falls sich diese These eines Tages im mie der Wissenschaften (ÖAW), auf Einla-
le Aufschlüsse für das Verständnis mensch- Experiment bestätigen sollte, könnte sie dung von Papst Benedikt XVI. in Castel
licher Lebensfunktionen. beispielsweise auch das Problem des freien Gandolfo eine Vorlesung über die wissen-
Eine potenziell bahnbrechende These Willens des Menschen erhellen. Dieser schaftliche Sicht der Evolution. Obwohl der
hat der theoretische Physiker Jim Al-Kha- wird zurzeit von Neurobiologen infrage Wissenschafter in seinen Gedankengängen
lili von der britischen University of Surrey gestellt. Schon in den sechziger Jahren des ohne jeden Eingriff eines Weltdesigners aus-
zusammen mit einem Mikrobiologen vor- vergangenen Jahrhunderts haben die bei- kommt, findet er es dennoch bemerkens-
geschlagen. Der Kollege hatte beim Bak- den deutschen Hirnforscher Hans Korn- wert, wie „Engstellen“ in der Evolution in
terium Escherichia coli (e. coli) ein überaus huber und Lüder Deecke, heute Vorstand Richtung Mensch zu führen scheinen.
seltsames Verhalten festgestellt: Es war der Wiener Universitätsklinik für Neuro-
ihm aufgefallen, dass die Bakterien in dem logie, herausgefunden, dass sich beim Blindes Golfspiel. Dennoch, so der ÖAW-
Augenblick, in dem er sie in eine zucker- Menschen in den für die Motorik zustän- Präsident, lasse sich dieses Phänomen auch
haltige Lösung setzte, plötzlich eine viel digen Hirnarealen bereits Sekundenbruch- mit Wahrscheinlichkeiten erklären: „Auf
höhere Rate jener Mutation aufwiesen, die teile vor der bewussten Entscheidung, eine dem Weg einer Sequenz zufälliger Ereig-
sie zur Zuckerverdauung befähigte, als bestimmte Bewegung auszuführen, so ge- nisse, die in Summe zu einem Organismus
wenn er ihnen eine nährstofffreie Umge- nannte „Bereitschaftspotenziale“ messen führen, gibt es viele, viele Vorstufen, die
bung anbot. Die Frage, die sich stellte, lassen. Die Folgerung, die Hirnforscher Verbesserungen bringen können und des-
war: Konnte es sein, dass die Bakterien be- daraus ziehen: Der freie Wille des Men- halb ausgewählt werden.“ Mit jeder Aus-
reits im Vorfeld „wussten“, mit welcher schen unterliege Einschränkungen, denn wahl werde ein Schritt in eine bestimmte
Wirklichkeit – ob mit Zucker oder ohne seine Entscheidungen werden bereits im Richtung getan, wodurch sich die weiteren
Zucker – sie konfrontiert würden? „Wir Vorfeld von seinem Hirn getroffen. Falls es verfügbaren Möglichkeiten automatisch
kamen zu dem Schluss, dass das von uns sich jedoch so verhält, dass neuronale eingrenzten. Zur Illustration verwendet er

88 profil 6 • 5. Februar 2007


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und Wissenschaft Thomas von Aquin Nikolaus Kopernikus Galileo Galilei Charles Darwin Max Planck
angen G eschichte.

nachdem er in Fortführung von Koperni- 1632 Galileo Galilei, Physiker und 1687 Sir Isaac Newtons Haupt- habe infolge von Anpassungen an Le-
kus’ Theorie die Lehre von der Unend- Astronom, wird nach Veröffentlichung werk „Philosophia principia naturalis bensräume zur langsamen Aufspaltung
lichkeit des Kosmos entwickelt hatte. seines „Dialoges über die beiden mathematica“ („Mathematische Grund- der Organismen in viele unterschiedliche
hauptsächlichen Weltsysteme“ – in lagen der Naturphilosophie“) erscheint. Arten geführt. Er erntet Kritik christlicher
1615 Johannes Kepler, Mathema- dem er die Überlegenheit des heliozen- Seine Entdeckungen und Theorien bil- Wissenschafter und Theologen, die an
tiker und Astronom, rechnet im „Bericht trischen Weltbildes über das geozentri- den den Grundstock für das naturwis- der Schöpfungslehre festhalten wollen.
vom Geburtsjahr Christi“ nach, dass Je- sche argumentiert – vor ein Inquisiti- senschaftliche Weltbild, das bis heute
sus in Wahrheit fünf Jahre vor Beginn onstribunal zitiert, gezwungen abzu- Gültigkeit besitzt. 1835 Die katholische Kirche nimmt
der christlichen Zeitrechnung geboren schwören und zu lebenslangem Hausar- Kopernikus’ Werk „De revolutionibus
worden sei. rest verurteilt. 1758 Tod von Papst Benedikt XIV. orbium coelestium“ vom Index.
Der Korrespondenzpartner von Voltaire
1619 Erscheinen von Keplers Werk 1641 René Descartes, Philosoph entspannte das Verhältnis zwischen 1937 Max Planck, Physiker und
„Harmonice mundi“ („Weltharmonik“). und Mathematiker, veröffentlicht seine Religion und Wissenschaft. Er richtete Begründer der Quantentheorie, hielt
Anhand von Berechnung der Planeten- „Meditationen über die erste Philoso- in Rom naturwissenschaftliche Lehr- zum ersten Mal seinen berühmt gewor-
bewegungen versucht er nachzuweisen, phie“ und argumentiert darin die Exis- stühle ein und besetzte sie mit namhaf- denen Vortrag über „Religion und Na-
dass das Universum in sich eine riesige tenz Gottes und die Unsterblichkeit der ten Gelehrten. turwissenschaft“ und beleuchtet darin,
göttliche Harmonie bildet. Seele. inwiefern eine religiöse Haltung mit na-
1859 Charles Darwins Schrift über turwissenschaftlichen Erkenntnissen
den „Ursprung der Arten“ erscheint. vereinbar ist.
Seine Hauptthese: Natürliche Selektion

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ein Beispiel aus dem Sport: „Das ist wie bei Den Gedächtnisforscher und Nobel- gespeichert werden. Bis dahin hatten sich
einem Golfspieler, der auf zwei verschie- preisträger Eric Kandel von der Columbia Prionen lediglich unrühmlich hervorgetan:
denen Plätzen mit verbundenen Augen University in New York treiben seine Ein „falsch gefaltetes“ Prion ist Überträger
den Ball ins Loch zu schlagen versucht. jüngsten Erkenntnisse über die unglaubli- der gefürchteten Creutzfeldt-Jakob-
Tut er das auf einem riesigen, rundum che Präzision des Evolutionsmechanismus Krankheit. „Wir waren die Ersten, die her-
ganz ebenen Platz, dann hat er keine Er- trotz seiner 77 Jahre an jedem Tag „aufge- ausgefunden haben, dass Prionen im Or-
folgschance.“ Wäre der Golfplatz aber wie regt wie einen Kindergartenjungen“ ins ganismus auch eine positive Funktion er-
ein Trichter angelegt, an dessen Rand der Labor. Zusammen mit einem Mitarbeiter füllen“, freut sich der weltbekannte For-
blinde Spieler seinen Schläger schwingt, seines Teams gelang Kandel an seinem be- scher über die Entdeckung. „Sie müssen
so erhöhte sich die Trefferwahrscheinlich- vorzugten Studienobjekt, der Meeres- sich vorstellen, in unserem Gehirn haben
keit erheblich: Etwa in der Hälfte aller Fäl- schnecke Aplysia, kürzlich der Nachweis, wir 1017 Synapsen. Das von uns entdeckte
le würde der Ball im Loch landen. Die wie eine bestimmte Art von Prionen an funktionelle Prion erlaubt es dem Ge-
schrittweise Evolution entspräche solch ei- den Neuronensynapsen dafür Sorge trägt, dächtnis, eine einzige Synapse im Gehirn
nem trichterförmigen Platz. dass Langzeiterinnerungen zuverlässig ab- permanent zu verändern, ohne eine andere
Synapse zu berühren.“
Die erste Teleportation der Geschichte Realitätstest des neuen Weltbildes der Quantentheorie: Metaphysische Erklärungen für solche
Information kann im selben Augenblick über jede denkbare Distanz im Universum übertragen werden schwer vorstellbaren Sachverhalte lehnt
Kandel ab: „Die Evolution an sich ist
schon wunderbar genug.“
Ebenfalls von der Macht der Evolution
beeindruckt zeigt sich der Astronom,
WWW.PICTUREDESK.COM / PLUS 49 / MARC STEINMETZ

Theologe und Jesuit George V. Coyne, der


bis vor Kurzem dem Vatikan-Observatori-
um als Direktor vorstand. Coyne ist ein
Kritiker der „intelligent design“-These,
der er vorwirft, dass sie der Bereitschaft
Gottes, den Naturprozessen in ihrer Ent-
faltung volle Freiheit zu gewähren, zu we-
nig Platz einräume. Er sieht die Entwick-
lung der Welt als völlig offenen Vorgang,
in dem nicht einmal Gott das Endergebnis
mit Sicherheit kenne. 왘

5. Februar 2007 • profil 6 89


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LAIF / IMAGINECHINA
Gedächtnisforschungsmodell Aplysia-Schnecke Primitive
Organismen werfen Licht auf höhere Funktionen

Gerade diese Freiheit, sich in viele Rich- soeben erschließt, aus dem Staunen gar Pietschmanns unmittelbarste Erfahrun-
tungen zu entfalten, ermöglicht es der Na- nicht herauskommen“. Tuppy bekennt: gen des „Umfassenden“, wie er es nennt,
tur, rasch und wirksam auf Herausforde- „Jedes Mal, wenn ich eine neue Ausgabe sind im Bereich der menschlichen Kreati-
rungen durch die Umwelt zu reagieren. Im der Fachzeitschrift ‚Nature‘ aufschlage, vität angesiedelt. Sein persönliches kreati-
vergangenen Jahrzehnt hat das Wissen über geht mir das Herz über.“ ves Schlüsselerlebnis, in dem er seinen
die verblüffenden Steuerungsmechanismen Draht zu etwas Größerem am allerdeut-
der Epigenetik lebender Organismen – das Wunder Mensch. Aber so sehr Tuppy auch lichsten spürte, hatte er im Jahr 1976 als
sind Genveränderungen aufgrund von Um- über die Fähigkeiten von Pflanzen und an- Gastprofessor in Göteborg: „Es war ein
welteinflüssen – rasant zugenommen. Da- deren Lebewesen ins Schwärmen zu gera- herrlicher schwedischer Sommer mit tag-
mit verschob sich das Interesse der Mole- ten vermag – das größte Wunder bleibt für hellen weißen Nächten. Da war das Meer,
kularbiologen von der DNA, dem starren ihn der Mensch. In ihm glaubt er den Ab- der schöne Hafen der Stadt, ihre Kanäle
Speicher von Erbinformation, hin zur RNA glanz von etwas Umfassenderem zu erken- und ihre Parks, in denen die Göteborger
(Ribonukleinsäure) und anderen flexiblen nen: „Die Befähigung des Menschen als Liegestühle aufgestellt hatten, um all das
genetischen Informationssystemen. Kulturwesen übersteigt alles, was sich in in vollen Zügen zu genießen.“
Wie sich jetzt herausstellt, verfügt bei- der Evolution allgemein abgespielt hat.“ Mitten in diese Atmosphäre hinein
spielsweise die Pflanzenwelt über unge- Zwar gebe es auch bei anderen Arten rudi- sprang ihn in einem begnadeten Moment
ahnte Mechanismen der Kommunikation, mentäre kulturelle Anlagen, räumt Tuppy eine Erkenntnis an, die zu einem weithin
so als hätte sie das Internet schon vor Jahr- ein, bei den Vögeln etwa im Nestbau oder beachteten Beitrag in der Erforschung der
millionen erfunden. Familienverbände von im Erlernen des typischen Gesangs. „Aber Neutrinos wurde. Für Pietschmann war es
Pflanzen nützen diese Pfade auch dazu, um dass der Mensch Kultur in der Form hat, weniger der Inhalt des Erkannten, der ihn
ihre Angehörigen mit Nährstoffen zu ver- wie wir sie heute erleben dürfen, das lässt auf eine höhere Macht verwies, als die Er-
sorgen. Auf Stressfaktoren oder besondere sich nicht einfach begreifen, indem wir die fahrung des Erkennens. „In so einem Mo-
Chancen in der Umwelt antworten sie ge- biologische Evolution extrapolieren.“ ment“, sagt der Forscher, „fühlt man sich
zielt mit genetischen Programmverände- Auf dieser Linie argumentiert auch der einfach maßlos glücklich!“
rungen, die sie steuern können, indem sie prominente Wiener Physiktheoretiker Eine Erfahrung der anderen Art be-
die Rate ihrer Mutationen erhöhen. Herbert Pietschmann, Autor mehrerer scherte die Wissenschafterlaufbahn auch
Selbst einen langgedienten Biopionier Bücher über die Beziehung zwischen Wis- dem amerikanischen Virologen Robert C.
wie den Biochemiker Hans Tuppy, einsti- senschaft und Metaphysik: „Wenn ich nur Gallo. Er hatte jahrelang darum gekämpft,
ger Mitarbeiter des zweifachen Chemie- in der Natur nachschaue und nicht bei den seine Überzeugung, dass Retroviren nicht
Nobelpreisträgers Fritz Sanger sowie ehe- Menschen, dann darf ich mich nicht wun- allein Tiere, sondern auch Menschen mit
maliger ÖVP-Wissenschaftsminister, las- dern, wenn ich da auch keinen Gott finde, Krankheiten infizieren können, gegen eine
sen „die Vorgänge, die uns die Epigenetik denn der steckt in den Menschen.“ skeptische Wissenschaftergemeinde durch-

90 profil 6 • 5. Februar 2007


p06_082_hand_gottes 02.02.2007 21:29 Uhr Seite 11

LAIF / IMAGINECHINA

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DIETER NAGL
BUCHTIPPS

„Die Evolution an sich ist schon wunderbar Jim Al-Khalili: Quantum.


Moderne Physik zum
genug“ Eric Kandel, Medizin-Nobelpreisträger Staunen, Elsevier, 2005,
279 S., EUR 35,50

Eric Kandel: Auf der Suche nach


dem Gedächtnis. Die Entstehung
einer neuen Wissenschaft des
Geistes, Siedler, 2006,
524 S., EUR 25,70

Pilze Herbert Pietschmann: Vom Spaß


Wood Wide Web Bakterien zur Freude. Die Herausforderungen
Bäume kommunizieren miteinander über ein hoch entwickeltes Netzwerk.
des 21. Jahrhunderts,
Wurzeln Ibera, 2004,
208 S., EUR 20,–

Gottfried Schatz: Jeff’s View.


On Science and Scientists,
Elsevier, 2005, 128 S.,
Pflanzen-Internet Die Symbiose mit Pilzen und Bakterien ermöglicht Pflanzen den Austausch von Informationen über EUR 13,10
Bedrohungen und den Transport von Nährstoffen zur eigenen Versorgung wie auch zur Aufzucht von Nachkommen.

Cornelia Faustmann, Walter


Thirring: Einstein entformelt,
Seifert Verlag, 2007, 96 S.,
EUR 20,50
zusetzen. Dann brach Anfang der achtziger von etwas Höherem keine Ahnung, wenn
Jahre plötzlich eine rätselhafte Seuche aus, es das nicht gäbe.“
welche die Menschen binnen Kürze zu Das größte Wunder enthüllt dem Anton Zeilinger, Friedrich Grie-
hunderttausenden dahinraffte. Bald war führenden Reproduktionsmediziner der se: Einsteins Spuk. Teleportati-
klar, dass es sich um eine Pandemie han- Blick durchs Mikroskop: „Da sieht man on und weitere Mysterien der
delte, die den ganzen Globus erfassen wür- die gewaltige Explosionskraft der befruch- Quantenphysik, Goldmann,
de. Doch da trat Gallo auf den Plan, der teten Eizelle und dann die unglaubliche 2007, 352 S., EUR 10,30
aufgrund seiner Vorarbeit über exakt jenes Zielstrebigkeit, mit der diese Teilung von-
Instrumentarium verfügte, um die inzwi- statten geht und geordnete Strukturen Steven Weinberg: The First
schen Aids genannte Seuche zu erforschen. schafft. Dass sich aus zwei Zellen Billiar- Three Minutes, Basic Books,
„Meine Frau“, sagt Gallo, „ist mystischer den von Zellen bilden, die allesamt ihren 1994, 203 S., EUR 14,95
veranlagt als ich. Sie meinte: ‚Dich hat der Platz in den Organen finden – damit ist
frühe Tod deiner Schwester an Leukämie der Zufall einfach überfordert!“ Huber ist
nie losgelassen und in die Erforschung der überzeugt, dass der Schlüssel dazu in den
Retroviren getrieben. Das war dein Weg in Quantengesetzen liege: „Die Quantenwelt Richard Dawkins:
den Kampf gegen Aids.‘ Ich selbst denke eröffnet für mich den wissenschaftlichen The God Delusion, Bantam,
lieber nicht darüber nach, sonst werd ich Zugang zu einer höheren Ordnung.“ 2006, 406 S., EUR 17,47
womöglich verrückt!“ Noch weiter gedacht, könnte es sein,
dass das unerhörte Kreativitätspotenzial
Schwerkraft. Eine Erklärung dafür, woher der Quantenwirkungen weit über die Evo-
die Verbindung zwischen dem Menschen lution des Lebens hinausgeht. Einer der Richard Dawkins:
und einer übergeordneten Macht kommen Doyens der internationalen Physikwelt, Das egoistische Gen, Spektrum
könnte, hält der Wiener Theologe und der Amerikaner John Wheeler, formulier- Akademischer Verlag,
Hormonforscher Johannes Huber parat: te als Erster den kühnen Gedanken: In- 2. Auflage, 2006, 529 S.,
„Als Naturwissenschafter gehe ich davon dem wir Menschen heute als bewusste Be- EUR 16,50
aus, dass sich das Leben entwickelt hat obachter das Universum betrachten, zwin-
nach den Gegebenheiten, die auf der Erde gen wir es buchstäblich dazu, sich in der
präsent waren. Wir sind beispielsweise in Vergangenheit auf alle der zu uns herauf-
unserem ganzen System von der Schwer- führenden Optionen festzulegen. Die Fol-
kraft geprägt, weil wir in der Schwerkraft gerung: Indem wir es beobachten, schaffen
stehen.“ Für sich persönlich zieht Huber wir unser Universum.
daraus die Schlussfolgerung: „Wir hätten Mitarbeit: Amira Awad

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