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Eine lächelnde Frau mit leuchtenden Augen sitzt vor mir und erzählt offen
von ihrem Leben. Ihr Name ist Bianca Schuster, sie ist 30 Jahre alt und
drückt seit 3 Jahren wieder die Schulbank. Am Bona möchte sie Latein
lernen, denn an ihrem Arbeitsplatz, dem Tagesheim St. Immakulata gab es
niemanden mehr, der die Lateinhausaufgaben betreuen konnte. Kurzerhand bot
sie sich an, diesen Job zu übernehmen und sitzt nun gemeinsam mit ihren
Schützlingen im Lateinunterricht. Einen Teil ihrer neuen
Mitschüler kannte sie schon aus dem Tagesheim und auch die anderen Kinder haben sie gut
aufgenommen.
Was Frau Schuster so besonders macht, ist zum einen ihre fröhliche und aufgeschlossene Art zum
anderen eine Gebehinderung aufrgund einer Frühgeburt. Natürlich ist sie
etwas langsamer, beim Schreiben, oder wenn es darum geht, von A nach B zu
gelangen. Für sie ist das "normal", sie kennt es schließlich nicht anders.
Mit ihrer Behinderung geht Bianca Schuster sehr offen um und genau so möchte
sie auch, dass ihre Umwelt auf sie reagiert. Am Liebsten hat sie es, wenn
man direkt fragt, dann kann sie ihr "Anderssein" erläutern und es herrscht Klarheit. Kinder
seien toll, die haben noch keine Berührungsängste.
In ihrer Kindheit musste sie mit ihrer Familie eine wahre Odysse erleben.
Kindergärten und Schulen waren nicht sehr begeistert von der Idee, ein
gehbehindertes Kind aufzunehmen. Doch ihre Eltern, vor allem ihre
Mutter kämpften für sie. Dafür, dass sie in einen normalen Kindergarten, in
eine normale Schule gehen und wie alle anderen Kinder aufwachsen konnte. Der
Kampf ihrer Mutter für dieses Leben gab ihr viel Kraft und das Zusammensein
mit anderen, "normalen" Kindern stärkte ihr Selbstbewusstsein. Den Stempel,
den man "denen vom integrativen Kindergarten oder der Förderschule"
aufdrückt, habe sie nie bekommen, sie wusste immer, sie kann das Leben
meistern, auch mit Behinderung. Mit diesem Selbstvertrauen wagte sie sich
auch an die MPU (Medizinisch- Psychologische Untersuchung, im Volksmund
"Idiotentest"), die Körperbehinderte machen müssen, um den Führerschein
machen zu dürfen. Ein Freund, der in der Lebenshilfe arbeitet, so erzählt sie,
traut sich bis heute nicht, diesen Test zu machen, obwohl er geistig nicht
behindert ist. Seine Eltern kämpften nie für ihn und deshalb hat auch er nie gelernt, dass man mit
gefestigtem Glauben und genügend Selbstvertrauen Vieles schaffen kann.
"Wenn du das Gefühl hast, du muss etwas ändern, dann musst du´s tun!"
Nach dem Realschulabschluss erlernte Bianca Schuster zunächst den Beruf der
Verwaltungsfachangestellten, aber bald merkte sie, dass das Leben hinter dem
Schreibtisch nicht für sie gemacht ist. Sie will mit Menschen umgehen, denn
"die Menschen sind doch das Interessanteste am Leben." So beschloss sie,
ihre sichere Stelle zu kündigen und das Abitur zu machen. Gegen alle
Zweifel aus ihrem Umfeld, auch aus der Familie, setzte sie sich durch. Ihr Gottvertrauen, ihr
Mut, ihr starker Wille und das Gefühl, das müsse einfach sein, brachten sie
dorthin, wo sie jetzt ist.
Man könne nicht alles auf andere abwälzen, "nur", weil man körperlich
behindert ist. Wer stumm wie ein Stockfisch durch die Welt geht, kann nicht
erwarten, dass die anderen immer auf einen zukommen. Es komme sehr auf den
Behinderten selbst an, so Schuster, auf dessen Offenheit und wie er mit seiner Behinderung und der
Reaktion der Mitmenschen umgeht. Benötigt man einmal Hilfe, muss man den Mund aufmachen
und die Leutefragen, in den allermeisten Fällen zeigen sich die Menschen hilfsbereit.
In ihrer Freizeit liest Fr. Schuster gerne, vor allem Bücher über Menschen,
oft in Richtung Psychologie. Außerdem hat sie ein spannendes Hobby, sie
spricht über CB-Funk mit anderen Menschen. CB steht für "citizen´s band" und
ist eine Möglichkeit für Jedermann, über Funk Kontakt mit anderen Menschen
aufzunehmen. Interessante Persönlichkeiten lerne man dort kennen, sogar ihren
jetzigen Lebensgefährten traf sie dort. Das Wort, "auf der gleichen
Wellenlänge liegen" bekommt so eine ganz neue Bedeutung. Doch auch komische
Typen findet man auf 27MHz. Ein Mann, mit dem sie sich nach mehrmaligem
Funkdate treffen wollte, machte auf der Stelle kehrt, als er sah, dass
Bianca Schuster nicht richtig gehen kann. Wie sich später herausstellte, war
dieser Mann ein millionenschwerer Bauer, der eine Frau für seinen Hof
suchte. Sogar diese verletzende Geschichte erzählt sie mit einem Lächeln auf
dem Gesicht, ihr christlicher Glaube, der von ihrem Kindergarten und der
Arbeit im Tagesheim stark mitgeprägt wurde, lässt sie verzeihen.
Die Zeit ging wie im Flug vorbei und schon ist es an mir, mich zu
verabschieden. Die Lebensfreude, der Mut dieser Frau scheint ansteckend zu
sein. Beflügelt von diesem Gespräch mache ich mich auf und schreibe in mein
Tagebuch unter der Rubrik "Heute gelernt": Mut ist lebenswichtig. Habe
Selbstvertrauen!
Infokasten:
Blitzlicht:
Einschub 1
Fr. Schuster: Natürlich freue ich mich sehr über das Angebot, aber was geht,
mache ich doch gerne alleine, auch, um es nicht zu verlernen. Das ist mir
dann beinahe unangenehm, die Hilfe abzulehnen, also - nicht beleidigt sein
und beim nächsten Mal oder beim nächsten Menschen wieder fragen!
Einschub 2
Fr. Schuster: Ich möchte, auch wenn sich das sehr seltsam anhört, der
Öffentlichkeit etwas mitgeben. Ich will den Menschen, wie meiner Mutter, meinem
Lebensgefährten aber auch meinen sehr netten Kolleginnen und vielen anderen Menschen, die mich
in meinem Leben unterstützen, ein Sück zurückgeben. Ich will ihnen zeigen, wie lebenswert solch
ein Leben sein kann. Deshalb bin ich auch strikt gegen Abtreibung. Jedes
Leben ist lebenswert!