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“
b) Welchen Aspekt des Gleichnisses vom verlorenen Sohn greifen die Autoren heraus?
Franz Kafkas „Heimkehr“ setzt das Augenmerk wie der Titel schon besagt vornehmlich auf die
Rückkehr, erklärt jedoch nicht explizit die Vorgeschichte, also Umstände, Motive und Inhalte des
vorangegangenen Weges von Aufbruch bis Wiederankunft sowie den Grund der Wiederkehr, im
Gegensatz zum biblischen „Original“ werden eher die Gedanken, Gefühle und Eindrücke des
Heimkehrenden geschildert, dem Vater wird kaum Aufmerksamkeit gewidmet.
Auch Robert Walsers „Geschichte vom verlorenen Sohn“ betrachtet weniger die Position des Vaters
als, anders als bei Kafka, die Sichtweise des zu Hause gebliebenen Sohns, zudem wird die
gegenteilige Wesensausprägung der Brüder besonders herausgestellt.
Erklären Sie, inwieweit die Aussageabsicht des biblischen Gleichnisses von Kafka und
Walser verändert wird!
Durch die Wahl anderer Ausgangspunkte beleuchten beide Autoren das biblische Gleichnis aus ganz
andersartigen Blickwinkeln heraus, im Vergleich zum Gleichnis der Bibel weicht Kafkas
Schilderung der Heimkehr dahingehend ab, dass aus dem reumütigen, resignierten, aber nicht ganz
hoffnungslosen und der Heimat zugetanen Sohn ein zweifelnder, sich fremd fühlender,
introvertierter „Heim“kehrender mit wenig Initiative wird, der sich doch stark von seiner „Heimat“
distanziert, wohl weil sie ihm während der langen Abwesenheit fremd geworden ist.
Walsers Geschichte ist seitens des zurückgebliebenen Sohnes geprägt von Neid, Eifersucht und dem
unerfüllten Wunsch, sich auch auf die Reise gemacht zu haben, um die Gunst der Vaters in der
Intensität zu spüren, wie es der Bruder tat.
Die Aussagen verändern sich also insofern, als dass statt dem verständnis- und liebevollen,
warmherzigen Empfang durch den Vater die Empfindungen der Söhne im Rampenlicht stehen.
So soll wohl Kafkas „Heimkehr“ zeigen, dass zur Heimkehr nicht nur die lokale Nähe zählt,
sondern auch eine emotionale Verbindung gepaart mit einem nicht zu schwachen Willen vonnöten
ist.
Walser stellt heraus, dass auch der verbliebene Sohn nicht sein gewünschtes Los zieht, da er
letztenendes mit seinem unauffälligen, durch Gewohnheit motivierten, der Tradition eher
entsprechenden Verhalten keineswegs zur Selbstzufriedenheit gelangt.
Welches im Vergleich zur biblischen Vorlage veränderte Gottes- bzw. Menschenbild
lässt sich in beiden Texten erkennen?