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Dienstag, 20. Januar 2009


"Notleidende Banken" gewählt
Unwort 2008 trifft Stimmung

Mit der Entscheidung, den Begriff "notleidende Banken" zum Unwort des
Jahres 2008 zu machen, hat die unabhängige Jury die Stimmung in der
Gesellschaft getroffen. Nach der Bekanntgabe des Begriffs in der
Bankenstadt Frankfurt überwog am Dienstag jedenfalls die Zustimmung -
anders als in früheren Jahren. Die Wahl der fünf Sprachexperten fiel
diesmal auch auf einen Begriff, der zusammen mit "Nacktscanner" von
den Bürgern am häufigsten als Unwort vorgeschlagen worden war. Die
meisten der insgesamt 2117 Vorschläge hätten sich um das Finanzdebakel
gedreht, sagte Jury-Sprecher Horst Dieter Schlosser.

"Wenn man überlegt, dass einige dieser sogenannten notleidenden


Banken immer noch Dividenden auszahlen und durchaus an Boni und so
weiter denken, dann wird der ganze Wahnsinn klar, der da augenblicklich
herrscht - nicht nur in Deutschland", sagte Schlosser. Der Bundesverband
deutscher Banken in Berlin, der für die privaten Banken spricht, wollte zur
Unwort-Wahl nichts sagen. Auch bei der Deutschen Bank hieß es: "Kein
Kommentar".

Verhältnisse auf den Kopf gestellt

"Die Formulierung stellt das Verhältnis von Ursachen und Folgen der
Weltwirtschaftskrise rundweg auf den Kopf", heißt es in der Begründung
der Jury. Und: "Während die Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis
geraten und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssen, werden
die Banken mit ihrer Finanzpolitik, durch die die Krise verursacht wurde,
zu Opfern stilisiert."

Zu den Kritikern der Wahl gehört Bankenexperte Dirk Schiereck, Professor


für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt.
"Der Begriff "notleidende Bank" drückt zunächst mal aus, dass es einer
Bank nicht gut geht, das hat nichts mit Opfer oder Täter zu tun", sagte
Schiereck der dpa. Allerdings zeige die Wahl durchaus, dass es ein
Kommunikationsproblem bei den Banken und der Regierung gebe: "Es ist
nicht gelungen, den Sinn der Rettungspakete für die Gesamtwirtschaft zu
vermitteln."

Lieber "angeschlagen" oder "gefährdet"

"Die Banken mögen zwar Not leiden", sagt Schlosser. "Aber das hätte man
auch anders formulieren können." Als Beispiel schlug er "angeschlagene"
oder "gefährdete Banken" vor. Allerdings weiß auch Schlosser nicht, wer
das Unwort 2008 eigentlich aufgebracht hat. Das Unwort soll jedes Jahr
sprachliche Missgriffe brandmarken, die sachlich grob unangemessen sind
und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen.

Unter den zahlreichen Vorschlägen zum Thema waren beispielsweise


"Bonuszahlungen" und die von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum
Wort des Jahres 2008 gewählte "Finanzkrise". Auch "innovative
Finanzprodukte" und "Finanzindustrie" gehörten dazu, "vor allem wenn
dabei nur Schulden und faule Kredite rauskommen", wie Schlosser sagt.
Auch ganze Berufsgruppen seien als Unwort vorgeschlagen worden, so
etwa Anlageberater, Finanzexperten, und - eine Mischung aus Banker und
Gangster - "Bang/kster". Manche hielten selbst den Namen von Deutsche-
Bank-Chef Josef Ackermann für unwortverdächtig.

Der Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftsteller, Imre Török,


nannte die Wahl der Jury "treffend". "Das passt zusammen wie "heilsame
Cholera"", sagte er der dpa. "Not verursachende Zocker stehen plötzlich
als Notleidende da. Das widerspricht jedem Werte- Denken." Wer über
Not oder Notleidende sprechen wolle, müsse dahin schauen, "wo die
Geldgier die Not wirklich verursacht hat".

Zynismus des Gesellschaftssystems auf den Punkt gebracht

"Das ist keine schlechte Wahl. Es lohnt sich mal darüber nachzudenken
und inne zu halten", sagte Professor Bruno Strecker vom Institut für

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deutsche Sprache in Mannheim der dpa. Das Unwort bringe vielleicht


manchen dazu zu überlegen, "wie gedankenlos daher geredet wird, weil
gar nicht mehr der Blick auf die gerichtet ist, die wirklich in Not sind". Als
Beispiel nannte der Sprachwissenschaftler Rentner, die ihr angelegtes
Geld für das Alter verloren hätten.

Nach Ansicht des parlamentarischen Geschäftsführers der Linken-


Bundestagsfraktion, Ulrich Maurer, bringt der Begriff "den ganzen
Zynismus dieses Gesellschaftssystems anschaulich auf den Punkt". Dass
sich diese Bezeichnung zu einem Standardbegriff entwickelt habe,
"verdeutlicht den Substanzverfall der finanzwissenschaftlichen Debatte".
Die Politiker sollten "den Begriff auf den Index setzen und sich stattdessen
mit der Situation der notleidenden Menschen beschäftigen".

Ira Schaible, dpa

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