Documentos de Académico
Documentos de Profesional
Documentos de Cultura
Die Politik um das Minarettverbot hat in manchen Teilen der Bevölkerung für
Verwirrung gesorgt. Einerseits scheint klar zu sein, dass mit der Annahme der
Initiative in der ganzen Schweiz ausnahmslos keine Minarette mehr gebaut werden
dürfen. Andererseits ist für viele Stimmberechtigte unklar, inwieweit das geltende
Baurecht die Errichtung von Minaretten bereits heute einschränkt und was ein
generelles Verbot – wenn es angenommen würde – effektiv nützen soll.
Die Antwort auf diese Frage lässt sich aus Natur, Funktion und Anwendung der
baurechtlichen Ästehtikklausel ableiten. Diese schützt das schweizerische Orts-,
Quartier- oder Strassenbild vor Neubauten, welche sich nicht in die bestehende
Umgebung eingliedern lassen. Ein «faktisches Minarettverbot» besteht damit bereits
heute für Altstadt- oder Kernzonen. Zudem ist die Errichtung und der Betrieb von
Moscheen oder Gebetsräumen samt Minarett in Wohnzohnen vielfach ungeeignet.
Der Bau und Betrieb islamischer Gebäude und Dachaufbauten untersteht
weitgehender Einschränkungen und kann oft nur in sogenannten Gewerbe- und
Industriezonen realisiert werden. Das Schweizer Recht schützt die seit langem
bestehenden Bauten der traditionell in der Schweiz verwurzelten
Religionsgemeinschaften. Das Minarettverbot macht nur für diejenigen
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Sinn, welche den Bau von Minaretten ohne
Rücksicht auf bestehende, höchst einschneidende Rechtsauflagen in der ganzen
Schweiz ausnahmslos verunmöglichen wollen.
Wie ihr Name sagt, ist die Ästehetikklausel Ausdruck einer in die Form des Rechts
gegossenen Schönheitserwartung. Eine Person empfindet ein Bauwerk als «schön»,
wenn es beispielsweise die Form-, Grössen- und Oberflächenattribute enthält, welche
das Objekt attraktiv, schmuckvoll oder dekorativ aussehen lassen. Die Klausel schützt
jedoch nicht das subjektiv empfundene Ästhetikverständnis eines einzelnen
Menschen, sondern vielmehr das generelle, objektive Empfinden einer Gemeinschaft.
Es wird davon ausgegangen, dass die Form und Einheit eines Orts-, Quartier- oder
Strassenbildes von der Mehrheit der Bevölkerung über längere Zeit gestützt wird. Die
Norm will nicht das Bauen sondern Bausünden verhindern.1
Die Ästhetik-Generalklauseln sind entweder negativ oder positiv. Die Negativen
beinhalten das Verunstaltungs- und das Beeinträchtigungsverbot, die Positiven das
Eingliederungs- oder Einordnungsgebot.2 Die kollektive Wahrnehmung der Ästehtik
kann von Region zu Region variieren. Es sind deshalb kantonale oder kommunale
Baureglemente, welche die Ästhetikklauseln enthalten. Nach dem Einordnungsgebot
sind Bauten und Anlagen so zu gestalten, dass zusammen mit der bestehenden
Umgebung eine angemessene Gesamtwirkung entsteht.
In Wohnzonen
3
Christoph Jäger, Kultusbauten in Planungs-, Bau- und Umweltschutzrecht, in René
Pahud de Mortanges/Jean-Baptiste Zufferey, Bau und Umwandlung religiöser
Gebäude, Schulthess, Zürich 2007, S. 129.
4
Daniel Gsponer, Die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen, unter besonderer
Berücksichtigung des Luzerner Planungs- und Baurechts, Diss. Zürich 1999, S. 133 f.
5
Heimat-, Ortsbild- und Kulturdenkmalschutz steht in bestimmten Fällen über der
Glaubens- und Gewissensfreiheit, Eigentumsgarantie und dem Gleichstellungsgebot.
6
Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.
April 1999, AS 1999 2556.
7
BGE 1P.149/2004, E. 3.3.
In Landwirtschaftszonen
In der Landwirtschaftszone sind nur Bauten und Anlagen zulässig, die zur
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig
sind.8 Minarette sind deshalb in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform.
Abschliessende Bemerkungen
8
Art. 16a Abs. 1 und 2 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung
(RPG), AS 1979 1573.
9
Christoph Jäger, Kultusbauten in Planungs-, Bau- und Umweltschutzrecht, in René
Pahud de Mortanges/Jean-Baptiste Zufferey, Bau und Umwandlung religiöser
Gebäude, Schulthess, Zürich 2007, S. 126.