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Maria Theresia - Liebet mich immer: Briefe an ihre engste Freundin
Maria Theresia - Liebet mich immer: Briefe an ihre engste Freundin
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Ebook242 pages3 hours

Maria Theresia - Liebet mich immer: Briefe an ihre engste Freundin

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1745 wird Sophie Baronin Schack von Schackenburg Hofdame von Kaiserin Maria Theresia und schon bald entsteht eine innige Freundschaft zwischen den beiden Frauen. Auch als Sophie wegen ihrer Heirat Wien verlässt, bleibt das vertraute Verhältnis bestehen. 86 zum Großteil bisher unveröffentlichte Briefe zeugen davon. Die Regentin eines der mächtigsten Reiche Europas gibt in ihren Briefen einen Blick hinter die Kulissen des repräsentativen Hoflebens und einen tiefen Einblick in ihre Persönlichkeit. Maria Theresia zeigt sich in der fast dreißig Jahre dauernden Freundschaft als Persönlichkeit mit Stärken, aber auch Schwächen, die nur wenige zu sehen bekamen.
LanguageDeutsch
Release dateMar 27, 2017
ISBN9783800079520
Maria Theresia - Liebet mich immer: Briefe an ihre engste Freundin

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    Book preview

    Maria Theresia - Liebet mich immer - Monika Czernin

    Bibliografie

    Einleitung

    „Ma chère Enzenberg […] Jeden Tag werde ich trauriger, mein Inneres braucht Ihre Hilfe. […] „Ich bin Ihre ergebene Freundin. […] „Liebet mich immer!"

    Wer schreibt so flehend, so hilfsbedürftig, so vertraut? Und wem öffnet die Briefschreiberin ihr Herz? Wer ist jene, von der sich die Schreibende so viel Unterstützung verspricht? Geschrieben sind die Briefe auf Französisch. Doch die ganze europäische Oberschicht sprach, schrieb und dachte im 18. Jahrhundert, ja noch danach, Französisch. Die Handschrift hat weder den Schreibstil des 18. Jahrhunderts noch ist es Sütterlin, die heute schwer zu entziffernde Schreibschrift des 19. Jahrhunderts. Sie ist schnörkellos, klar, ja zeitlos. War die Verfasserin auch zeitlos, zeitlos modern etwa? So sehr, dass ihre Briefe uns auch heute noch berühren? Kann es sein, dass sie – die „Freundin" – auch wenn sie vor drei Jahrhunderten gelebt hat, ebenso gelitten, Freude empfunden, Schmerzen ertragen hat wie eine Frau heute? War sie Mutter? Liebende? Hausfrau? Alles das und noch viel mehr?

    Das Briefpapier ist vergilbt, auch wenn es gut erhalten ist. Jemand musste die Briefe schon früh als wertvoll eingestuft, geordnet und zu einem dicken, in rotes Leder eingebundenen Buch zusammengefasst haben. Zum Schutz vor Nässe und Feuchtigkeit ließ er eine Eisenkassette anfertigen und die Briefe dort verstauen. So viel Sorgfalt! Für die Familie? Die Nachwelt? Seit über 150 Jahren lagern sie in einem großen Schrank auf Schloss Tratzberg in Tirol, das Graf Franz Enzenberg 1847 erworben hat, jener Franz, der die Briefe einst vor dem Verfall gerettet hatte. Davor waren sie wohl im Stammschloss seines Vaters im baden-württembergschen Singen oder gar in Klagenfurt untergebracht, wo dieser als Präsident des inner- und oberösterreichischen Appelations- und Kriminalgerichts diente – eine im Zuge der josephinischen Reformen geschaffene neue Verwaltungsinstitution. Dieser Graf von Enzenberg, er hieß ebenfalls mit Vornamen Franz, war – und das bringt uns der Sache näher – ein Patenkind von Maria Theresia, der großen Kaiserin.

    Und tatsächlich. Am Ende der Briefe findet sich die charakteristische Unterschrift: „M, „mt oder französisch „Marie Therese und manchmal auch deutsch „Maria Theresia, die richtigen Akzente auf dem französischen „es – „é und „è, accent aigu und accent grave – fehlen, aber Orthografie ist bekanntlich eine moderne Erfindung. Als Ortsangabe steht rechts oben vor dem Datum manchmal „Hofburg oder „Schönbrunn". Gewiss, alles deutete längst darauf hin, dass es sich um einen kostbaren Fund handelt, allein die schiere Masse der Briefe, dieser dicke Stapel an Handschriften. Fast alles aus einer Feder! Aber dass es sich um längst vergessene Briefe von Maria Theresia, der einzigen Frau auf Habsburgs Thron, an die Mutter jenes Patenkindes handelt, ist eine Sensation, ein Geschenk des Zufalls, einer jener Funde, die der Entdeckung einer glitzernden Goldmine im grauen Gestein der historischen Fakten gleichkommt. Und ganz augenscheinlich, das legt der intime Charakter der Briefe nahe, handelt es sich dabei um das einmalige Zeugnis einer innigen Freundschaft. Um die Bedeutung der Briefe zu verstehen, müssen wir Maria Theresias Leben kennen und um die Intensität dieser Freundschaft zu ermessen, uns auch mit jenen Phasen der Beziehung beschäftigen, aus denen nur wenige Briefe erhalten sind. Ab den 1760er-Jahren erreicht die Korrespondenz dann eine solche Dichte und Intensität, dass sie mit Recht zur Quelle einer neuen Sicht auf die Kaiserin wird.

    Maria Theresia hatte also eine beste Freundin, eine Gefährtin des Herzens, eine Seelenverwandte? Wie soll man sich das bei einer Kaiserin vorstellen? Wie gestaltete sich so eine Freundschaft? Wie kam es überhaupt dazu? Und in welchem Alter widerfuhr Maria Theresia das Geschenk dieser Zuneigung? Welche Lebensabschnitte wurden von der Gräfin Enzenberg begleitet, vielleicht sogar geprägt? Und was fügt diese Freundschaft zur Biografie der Kaiserin hinzu? Schon allein, dass sich die Monarchin in diesen Briefen so intim, so hilfsbedürftig, zum Teil so irritiert, zweifelnd, ja zerbrechlich zeigt, ist ein Novum. Fast möchte man an mancher Stelle meinen, die Regentin des riesigen Habsburgerreichs wäre von Depressionen befallen gewesen. Eine depressive Kaiserin? Eine zu Tode betrübte Monarchin? Und wie hat sich das auf das Regieren ausgewirkt?

    Ein Teil der Briefe ist mit Fehlern vor mehr als einem Jahrhundert von Maria Theresias Biographen Alfred von Arneth auf Französisch und nur ein paar wenige Briefe auch auf Deutsch publiziert worden, danach sind sie wieder in Vergessenheit geraten und einem über 100-jährigen Dornröschenschlaf auf Schloss Tratzberg anheimgefallen. Ulrich Goess-Enzenberg, dem 7-fachen Urenkel jener Gräfin und heutigem Besitzer von Tratzberg ist es zu verdanken, dass wir die kostbaren Briefe, basierend auf der von Jean-Pierre Lavandier editierten wissenschaftlichen Gesamtausgabe der französischen Originale, nun komplett neu aus dem Französischen ins Deutsche übersetzen konnten. Für das vorliegende Buch, die Geschichte einer kaiserlichen Freundschaft, haben wir jene Passagen ausgewählt, die den Charakter Maria Theresias und die Art ihrer Freundschaft zu Sophie Enzenberg am besten beschreiben. Um die Tatsache, dass die Kaiserin eine beste Freundin hatte, zu verifizieren, haben wir natürlich eine Reihe anderer Quellen zu Rate gezogen und unsere Briefe zum Beispiel mit den Briefen an die Marquise Christine de Herzelle, Aja von Maria Theresias Tochter Marie Elisabeth, die Gräfin Rosalie Edling, Kammerfräulein von Maria Theresias Schwiegermutter, und natürlich an die „Füchsin", Maria Theresias heiß geliebte Erzieherin und mütterliche Freundin, verglichen.

    Die enge Freundschaft zwischen der Kaiserin und Sophie Enzenberg datiert aus den Jahren 1745–1780, sie entwickelt sich also zu einer Zeit, als Maria Theresia bereits erwachsen, verheiratet, Mutter und Regentin war. 1745 hat sie die traumatisierenden Herausforderungen ihrer ersten Herrschaftsjahre bereits hinter sich. Sie hat sich durchgesetzt, obwohl und vielleicht auch weil sie eine Frau war. Sie muss eine selbstbewusste und – alle Quellen betonen das – schöne, wenn auch bereits etwas korpulente Frau gewesen sein, als sie Sophie Amélie oder Sophia Amalia Freiin von Schack zu Schackenburg zur Hofdame erwählt. Kennengelernt haben sich die beiden Frauen schon einige Jahre zuvor, nämlich 1739. Die nächsten Jahre teilen sie nicht nur Freud und Leid, sondern in gewisser Weise auch das Schicksal, das aus der einst lebenslustigen, dem Tanz, Theater und der Musik hingegebenen Königin der habsburgischen Länder eine vom Leben und seinen Härten beschwerte und wehmütige „Kaiserin Wittib" – Kaiserin Witwe – machte.

    Gewiss, der frühe Tod des Kaisers, Maria Theresias innig geliebtem Franz Stephan, war mehr, als die unter der Einsamkeit der Macht Leidende ertragen konnte, aber nicht nur das brachte sie der Freundin näher. Ihre Schicksalsgemeinschaft umfasste viel mehr. Die Sorgen um die Kinder und deren Zukunft, am eigenen Körper festgestellte, zunehmend auch altersbedingte Veränderungen, intime und offenherzige Eingeständnisse, die man nur Frauen gegenüber äußert. Aber ebenso Alltägliches wie der Ankauf von ziegenledernen Handschuhen, der Luxus von Schokolade, die Freude über die Zusendung von Obst aus Südtirol. Kommentare zur Politik, zu den mühseligen Verwaltungsaufgaben und – so diskret wie möglich – zu den Konflikten mit dem Thronfolger Joseph zeigen, dass die Freundschaft zwischen der Kaiserin und ihrer Hofdame weit über rein private Angelegenheiten hinausreichte. Jede Menge „Namedropping" ergänzt das Bild, das nicht nur auf das unmittelbare Geschehen verweist, sondern Rückschlüsse auf die Kaiserin, ihren Charakter und ihre große Menschenkenntnis ermöglicht. Die Bemerkungen über die Last des Amtes bis hin zum – heute würde man sagen – Burnout, den Maria Theresia nach dem plötzlichen Tod ihres Gemahls erleidet, sind ein einzigartiges Dokument über die große Lebenskrise dieser Kaiserin. Und so wie wir durch die Brieffreundschaft die stärker werdenden Depressionen Maria Theresias verfolgen können, so erleben wir mit Sophie Enzenberg auch, wie sich die Monarchin durch ihre unerschütterliche Disziplin immer wieder zurück ins Leben ruft und wie sie sich langsam erholt, auch wenn nach dieser Lebenszäsur nichts mehr wie früher sein würde.

    In vielem ähnelt ihr Arbeitstag dem heutiger Politiker. Eine Audienz jagt die andere, dazwischen müssen täglich Dutzende Entscheidungen getroffen, Dekrete unterschrieben, Korrespondenzen erledigt werden. Und dabei werden immer wieder Dinge besprochen, die ein Mann so nie schreiben würde. Heute wäre eine innige Freundschaft unter Frauen wohl nicht viel anders, Angela Merkel könnte so schreiben, Maggie Thatcher hätte den Verlust ihres Dennis vielleicht ebenso beklagt.

    Obwohl sich von Sophie Enzenberg nur ein einziger Brief erhalten hat, spürt man das Wesen der Freundin durch die Briefe der Kaiserin hindurch, ihre Besonnenheit, Beständigkeit und Loyalität. Verständnisvoll und warmherzig muss sie Anteil genommen haben an allem, was die Kaiserin ihr anvertraut. Sie hat die allerhöchste Erlaubnis, die Briefe zu behalten, das ist nicht selbstverständlich, denn oft war man dazu angehalten, die Korrespondenz zu vernichten, zu unsicher erschien allen das Medium Brief. Auch Sophie verbrennt viele Briefe, darauf weisen charakteristische Lücken im Briefwechsel hin, darüber hinaus hat sie sich einmal diesem Gebot widersetzt und so blieb der Brief mit der kaiserlichen Weisung zur Vernichtung erhalten. Von Anfang an – zumindest lassen die Antworten der Kaiserin diesen Schluss zu – war die Beziehung zwischen der Herrscherin und ihrer Hofdame eine Begegnung auf Augenhöhe. Außerdem war Sophie durch ihren Mann, Kassian Graf Enzenberg, unmittelbar mit dem Geschäft der Politik verbunden und Maria Theresia behandelte sie immer auch als eben das, als politisch einflussreiche Frau.

    An den Ereignissen – sowohl den politischen als auch den privaten – lässt sich freilich ermessen, durch welche Höhen und Tiefen einer turbulenten Zeit diese Freundschaft getragen hat. Es ist die Epoche der Spätaufklärung, die Jahre, in denen das, was die Aufklärer vorgedacht haben, in reale Politik umgesetzt werden soll. Nicht mehr und nicht weniger als der moderne Staat ist im Entstehen. Doch diese Jahre vor der Französischen Revolution sind nicht nur eine Zeit geglückter Reformen, sondern auch eine Zeit großer sozialer und politischer Spannungen, eine Zeit der Kriege, der Hungersnöte, der Bauernaufstände. Und all die geistigen Strömungen zwischen rückwärtsgewandtem Feudaldenken und neuem Ich-Bewusstsein treffen sich in der Figur der Maria Theresia. Sie war ein Mensch zwischen den Zeiten, moderne Mutter und feudale Heiratspolitikerin, emanzipierte Ehefrau und letzte Barock-Herrscherin, Reformerin zum Wohl ihrer Untertanen und machtbewusste Kriegsherrin. Sie war keine Freundin der Aufklärung, weil sie nicht wollte, dass der Mensch mit seiner Vernunft zum Referenzpunkt allen Denkens und Handelns würde. Ihr Leitbild und Anker blieb Gottes weiser Ratschluss und sie ahnte wohl, dass eine Gesellschaft ohne Religion eine unbarmherzige Gesellschaft werden würde. Fortschrittlich in vielen das praktische Leben betreffenden Dingen blieb sie ihr Leben lang Gegnerin der aufgeklärten Philosophen, die ihrer Meinung nach bloß seelenloses Gewäsch von sich geben und als Menschen versagen: „Niemand ist schwächer, mutloser als diese starken Geister, niemand kriechender und verzweifelter beim geringsten Missgeschick. Sie sind schlechte Väter, Söhne, Ehemänner, Minister, Generäle, Bürger. Doch gerade auch von dieser Seite bekam sie Beifall, so schrieb der zu seiner Zeit berühmteste Denker der Epoche, Voltaire, über die größte Herrscherfigur des Hauses Habsburg anerkennend: „Sie begründete ihre Herrschaft in allen Herzen durch eine Leutseligkeit und Beliebtheit, die wenige ihrer Vorfahren je besessen hatten.

    Monika Czernin und Jean-Pierre Lavandier

    1745

    Hofdamen hören und sehen alles

    Maria Theresia empfing Anne-Charlotte von Lothringen und ihr Gefolge, wie bei Nahestehenden üblich, in ihrer Retirade, ihren eigenen Gemächern, und, da es erst März und noch empfindlich kalt in Wien war, in der Hofburg. Nach Schönbrunn zu übersiedeln, konnte sie ihrem Hofstaat frühestens im Mai zumuten. Schließlich froren alle in ihrem Umkreis – außer sie selbst. Wer sie kannte, hatte gelernt vorzusorgen, sich je nach Wetterlage entsprechend warm anzuziehen, denn bei der Regentin des großen Habsburgerreiches standen die Fenster stets offen. Sie sei, so sagte sie jedem, der es hören wollte, eben „vollblutig", sogar ihr Gemahl Franz Stephan litt winters unter den frostigen Temperaturen in den Gemächern seiner Frau.

    Die Besucherinnen waren aus Lothringen angereist, was bei den mäßig schnellen, dafür bequemeren Kutschen, die für Damen von hohem Rang vorgesehen waren, eine mindestens 14-tägige, bei schlechtem Wetter entsprechend längere Reise von Lunéville über Straßburg, München, Salzburg und Linz nach Wien bedeutete. Eine überaus beschwerliche Reise also, auf nassen, mitunter unpassierbaren Straßen und mit für Damen nahezu unzumutbaren Nachtquartieren. Mit dem Schiff die Donau abwärts zu fahren, wäre weitaus bequemer gewesen, allerdings war dies bis in den späten Frühling wegen des Hochwassers zu gefährlich. Die Damen also kamen völlig erschöpft, verschmutzt und nur wenig „hoffähig" in der Kaiserstadt an und begaben sich erst, nachdem sie wieder zu Kräften und frischen Kleidern gelangt waren, zur Audienz bei Hof. Maria Theresia ließ Tee servieren und beobachtete dabei die junge Frau an der Seite ihrer Schwägerin Anne-Charlotte von Lothringen genau. Irgendetwas an der Art, wie die junge Frau blickte, wie sie sich hielt, sich bewegte, gefiel der Monarchin. Sie musste um einige Jahre älter sein als sie selbst und doch schien sie voller Lebendigkeit. Das hübsche Gesicht, so entschlossen wie warmherzig, ging der Monarchin nicht mehr aus dem Sinn.

    Die Kaiserstadt, in der die Damen angekommen waren, war trotz aller barocken Gemütlichkeit eine quirlige Großstadt mit mehr als 150 000 Einwohnern. Die Habsburger residierten seit dem 13. Jahrhundert in der Stadt an der Donau. Seit 1438 war Wien Residenz und seit 1558 Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs, Maria Theresia residierte also in einer der glanzvollsten Metropolen der damaligen Welt. Doch die Habsburgerin, die 1740 ihrem Vater auf den Thron nachgerückt war, hatte die Kaiserwürde, die ihr Haus seit 300 Jahren ohne Unterbrechung in Händen gehalten hatte, 1742 an den Kurfürsten von Bayern verloren, eine schwere Niederlage, aber eine, die die junge Regentin schon bald überwinden würde. Mit großem Geschick verhandelte sie seit dem Tod ihres bayerischen Widersachers im Januar 1745 mit den maßgeblichen Leuten in Europa, um die Kaiserkrone für ihren Mann Franz Stephan von Lothringen zu sichern. Doch davon später.

    Anne-Charlotte war Franz Stephans Schwester und die Baronin Schack, die mit ihr nach Wien gekommen war, die ehemalige Hofdame von Franz Stephans Mutter, Elisabeth-Charlotte von Lothringen. Maria Theresia sei, so behauptete nun die Schwägerin, Sophie Schack von Schackenburg schon vor sechs Jahren einmal in Innsbruck begegnet. Das war 1739 gewesen und Maria Theresia – damals erst drei Jahre mit Franz Stephan verheiratet – hatte auf dem Weg von der Toskana zurück nach Wien für einige Tage mit ihrem Gemahl in Innsbruck Station gemacht. Die junge Erzherzogin hatte ihren Mann Franz Stephan von Lothringen nach Florenz begleitet, wo er, wenn auch nur für drei frühlingshafte Monate im Jahr 1739, sein Erbe als Großherzog der Toskana angetreten und das zuvor von den Medici regierte Land nach den Gesetzen der Aufklärung in ein modernes Musterland zu verwandeln begonnen hatte. Mit zentraler Verwaltung, effizienter Steuerpolitik und allerlei wirtschaftlichen Neuerungen, für die er, Franz Stephan, immer schon eine ganz eigene Hand hatte, eine, die auch den Ländern seiner Gemahlin einmal zugutekommen würde. Auf der Rückreise von der Toskana sollte das junge Paar mit Franz Stephans Mutter, eben jener Elisabeth-Charlotte von Lothringen, zusammentreffen, die – um ihren Sohn endlich wiederzusehen und seine junge Braut kennenzulernen – extra mit ihrer Hofdame Sophie Schack aus Lothringen nach Innsbruck gereist war. Sechs Tage sollte das Wiedersehen dauern, bis die verwitwete Herzogin am 25. Mai die Rückreise nach Commercy antrat. Für die lothringische Hofdame muss die Ankunft des Großherzogpaars in Innsbruck ein unvergessliches Ereignis gewesen sein! Franz Stephan und Maria Theresia wurden mit allen Ehren empfangen, die Tiroler Schützen standen Spalier und schossen Salut. Straßen, Brücken und Gebäude waren saniert und vom Hof in Wien „Spesierungsuncosten" von stattlichen 54 000 Gulden für Unterkunft und Verpflegung genehmigt worden. Man reiste mit über 400 Personen, mit Kammerherren, Dienstboten, Zofen, Ärzten und Beichtvätern, sodass an den jeweiligen Poststationen stets mindestens 300 Pferde bereitzustehen hatten. Die Toskana-Reise war eine offizielle Hofreise und derlei Unternehmungen waren organisatorische und repräsentative Meisterleistungen.

    1739 – die Zusammenhänge waren der jungen Baronin Schack bestimmt nur teilweise bewusst – war Maria Theresia noch Erzherzogin und bloß die Thronerbin des großen Habsburgerreichs. Ein junges Mädchen, bis über beide Ohren verliebt, ja hingegeben ihrem Franz Stephan, den sie 1736 nach in ihren Augen viel zu langer Wartezeit mit 19 Jahren endlich hatte heiraten dürfen. Sie kannte ihn schon, seitdem sie fünf und er 15 Jahre alt waren. Ihr Vater, Kaiser Karl VI., hatte in überaus weiser Voraussicht den jungen Lothringer an den Wiener Hof geholt und mit dem Ziel, ihm einst seine Tochter, die Erbin eines der mächtigsten Reiche der damaligen Welt, zur Frau zu geben, erziehen lassen. Das heiratspolitische Arrangement war ausnahmsweise glücklich gefügt, nicht nur der Kaiser fand Gefallen an dem jungen Mann, der einer seiner bevorzugten Jagdgefährten wurde, sondern auch die beiden füreinander Bestimmten verliebten sich, kaum dem Kindesalter entschlüpft, in fast märchenhafter Weise ineinander. Über Nacht hatte die „chère Mitz, wie sie später liebevoll von ihrem Gemahl genannt wurde, so heftige Gefühle der Leidenschaft für den einstigen Spielgefährten entwickelt, dass die stürmische Liebe bald allen auffiel. Den britischen Gesandten Robinson brachte das Glück bei Hofe derart ins Schwärmen, dass er nach London meldete: „Trotz ihrer starken Seele hegt sie eine zärtliche Liebe zu dem Herzog von Lothringen. Des Nachts sieht sie ihn im Traum, und am Tage unterhält sie ihre Hofdamen nur von ihm, so dass es nicht wahrscheinlich ist, dass sie den Mann jemals vergessen wird, für den sie sich geboren glaubt. Schließlich konnte Maria Theresia gar nicht mehr an sich halten und zwang ihren Vater, schon bald einen Hochzeitstermin festzusetzen. Und als die endlich Verlobten, der Hofetikette entsprechend, getrennt wurden, schrieb Maria Theresa folgende berühmt gewordenen Zeilen voller Zärtlichkeit an ihren Zukünftigen: „Ich bin Ihnen unendlich für Ihre Aufmerksamkeit verbunden, mir Nachricht von Ihnen zu geben, denn ich war bekümmert wie eine arme Hündin […] Adieu Mäusl, ich umarme Sie von ganzem Herzen […] Adieu, caro viso …" Maria Theresia mischte auf die für sie typische Weise Französisch, die Hauptsprache des Hofes

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